Europa in der Tradition Habsburgs?: Die Rezeption Kaiser Karls V. im Umfeld der Abendländischen Bewegung und der Paneuropa Union [1 ed.] 9783428581658, 9783428181650

In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Person Kaiser Karls V. (1500-1558) von verschiedenen Autoren als »Ahnhe

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Europa in der Tradition Habsburgs?: Die Rezeption Kaiser Karls V. im Umfeld der Abendländischen Bewegung und der Paneuropa Union [1 ed.]
 9783428581658, 9783428181650

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CHEMNITZER EUROPASTUDIEN

Band 23

Europa in der Tradition Habsburgs? Die Rezeption Kaiser Karls V. im Umfeld der Abendländischen Bewegung und der Paneuropa Union

Von Markus Pohl

Duncker & Humblot · Berlin

MARKUS POHL

Europa in der Tradition Habsburgs?

Chemnitzer Europastudien Herausgegeben von Frank-Lothar Kroll und Matthias Niedobitek

Band 23

Europa in der Tradition Habsburgs? Die Rezeption Kaiser Karls V. im Umfeld der Abendländischen Bewegung und der Paneuropa Union

Von Markus Pohl

Duncker & Humblot · Berlin

Die Philosophische Fakultät der TU Chemnitz hat diese Arbeit im Jahr 2020 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2020 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany

ISSN 1860-9813 ISBN 978-3-428-18165-0 (Print) ISBN 978-3-428-58165-8 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2020 von der Philosophischen Fakultät der Technischen Universität Chemnitz als Dissertation angenommen. Ich danke Marthe Pohl, geb. Diouf, Thomas Hengstebeck, Svenja Dudel, Paul Walle und Daniela Toepler sowie Wim Vermeulen für ihre Hilfe bei Übersetzungen. Den Bibliotheken der Universität Paderborn, der Universität Bielefeld und der Fachhochschule Südwestfalen in Meschede, dem Handschriften-Archiv der Universität Basel, der Erzbischöflich Akademischen Bibliothek in Paderborn und der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe danke ich für Ihre Unterstützung und Hilfe. Meinem Freund Thomas Thalmaier danke ich für seine stets fachkundige Unterstützung in Fragen von Formatierung und Layout. Ingrid Busch ein besonderer Dank für ihre Informationen zu Gertrude von Schwarzenfeld. Herrn Johannes Süßmann Dank für viele fruchtbare Gespräche zum Thema, Frau Nicole Priesching Dank für den Hinweis zu den Europa-Tagen in Ottobeuren. Ein weiterer Dank an Maurice Andree für das Korrekturlesen der Arbeit und an Lucia Heinrichs, die mir vor vielen Jahren den Hinweis auf Friedrich Schillers Ballade „Der Graf von Habsburg“ gegeben hat. Dank auch meinem Freund Dipl. theol. David F. Sonntag für den Hinweis auf und die Überlassung eines Faksimile des Krönungszeremoniales Kaiser Karl V. Dank meinen Eltern, Sigrid und Ulrich Pohl, die mir mein erstes Studium in Paderborn und Passau ermöglichten und in mir durch vielfache Besuche in Ausgrabungen, Museen und Schlössern die Begeisterung für Geschichte geweckt haben. Die Ursprünge unserer Familien liegen im ehemaligen habsburgischen Schlesien. Mein Onkel, Dr. Manfred Morys, hat stets großes Interesse an meiner Forschungsarbeit zu dieser Dissertation genommen, konnte nun die Fertigstellung leider nicht mehr miterleben, da er 2018 verstorben ist. Dank meiner Familie, meiner Frau Katja und meinen Kindern Bernadette und Benedikt, die reges Interesse am Fortschritt dieser Arbeit gezeigt haben. Ein besonders herzlicher Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr. Frank-Lothar Kroll von der Technischen Universität Chemnitz, der die Betreuung meiner Arbeit mit großem Einsatz übernommen hat, und Prof. Dr. Michael Gehler von der Universität Hildesheim, der sich für die Zweitkorrektur zur Verfügung gestellt hat. Chemnitz, im Herbst 2020

Markus Pohl

Inhaltsverzeichnis I.

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1. Thema und Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2. Forschungsstand und Quellenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 3. Methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

II.

Gertrude von Schwarzenfeld: Karl V. – Ein Ahnherr Europas? . . . . . . . . . . . . 22 1. Gertrude von Schwarzenfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 2. „Fernes Land“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 3. „Karl V. Ahnherr Europas“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 4. Der Alkazar 1936 – Positionierung Gertrude von Schwarzenfelds zum spanischen Bürgerkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 5. Das weitere schriftstellerische Werk Gertrude von Schwarzenfelds . . . . . . . . . . 42 6. Gertrude von Schwarzenfeld als Autorin in „Antaios“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 7. Gertrude von Schwarzenfeld und der österreichische Adel . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

III.

Carl Jacob Burckhardt: ein Schweizer erinnert an Kaiser Karl V. . . . . . . . . . . 56 1. Carl Jacob Burckhardt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 2. „Gedanken über Karl V.“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 3. „Karl V. Der letzte europäische Kaiser“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 4. Carl Jacob Burckhardt und die Europa-Idee – Der Briefwechsel mit Richard Coudenhove-Kalergi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

IV.

Charles Terlinden: Karl V. als Vorläufer der europäischen Idee. Eine burgundische Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 1. Charles Terlinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

8

Inhaltsverzeichnis 2. „Kaiser Karl V. Vorläufer der europäischen Idee“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

V.

Otto von Habsburg: Kaiser Karl V. aus der Sicht des Kronprinzen . . . . . . . . . 77 1. Otto von Habsburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 2. Das schriftstellerische Werk Otto von Habsburgs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 3. Otto von Habsburg als Präsident der Paneuropa Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 4. Otto von Habsburgs Haltung zur Monarchie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 5. „Der Kaiser“ – Die Festrede Otto von Habsburgs in Salamanca 1958 . . . . . . . . 88 6. Otto von Habsburgs „Karl V. Kaiser für Europa“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 7. Europa als Erbe des Reiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 8. Ein Vergleich: Karl IV. als Erinnerungsort der Heimatvertriebenen . . . . . . . . . . 103

VI.

Die Erinnerung an die Habsburger Monarchie im Umkreis Otto von Habsburgs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 1. Joseph Roth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 2. Reinhold Schneider . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

VII. Organisatorische Netzwerke im Dienst der Habsburg-Idee: Abendland, der Orden vom Goldenen Vlies, Paneuropa Union und Liga Europa . . . . . . . . 113 1. Die Abendländische Bewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 2. Der Orden vom Goldenen Vlies . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 3. Die Paneuropa Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 4. Liga Europa und das europapolitische Engagement um die Abtei Ottobeuren

124

VIII. Ahnherr Europas? Rezeption und Resonanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 1. Friedrich Klenk SJ – ein konservativer katholischer Kleriker . . . . . . . . . . . . . . . 132 2. Friedrich Heer – liberal-katholischer Österreicher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 3. Leo Tindemans – liberal-konservativer Europapolitiker aus Belgien . . . . . . . . . 137 4. Kritische Stimmen von Historikern: Rassow, Wohlfeil und Kohler . . . . . . . . . . . 139

Inhaltsverzeichnis IX.

9

Ergebnisse und Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 Exkurs: Mittel des Erinnerns – Briefmarken, Banknoten und Münzen zur Erinnerung an Karl V. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 1. Briefmarken mit dem Abbild Karls V. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 2. Münzen mit dem Abbild Karls V. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 3. Banknoten mit dem Abbild Karls V. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 1. Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 a) Archivquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 b) Veröffentlichte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 2. Forschungsliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186

I. Einleitung 1. Thema und Fragestellung Am 16. Juli 2011 wurde der letzte Kronprinz von Österreich und Ungarn und Vorsitzende der Paneuropa Union, Otto von Habsburg (1912 – 2011), in Wien unter Beteiligung des Österreichischen Bundesheeres, großer Anwesenheit von Klerus und Adel sowie Politikern aus vielen europäischen Staaten, Fahnenabordnungen von Paneuropa Union und zahlreicher Studentenverbindungen und Tausender Gäste und Schaulustiger zu Grabe geleitet und wie seine regierenden Vorfahren in der Kapuzinergruft beigesetzt. Wie bei einem profilierten Politiker nicht anders zu erwarten, brachen auch beim Tode Otto von Habsburgs Kontroversen1 um sein Lebenswerk und seine politischen Positionen auf. Noch zu Lebzeiten hatten zwei seiner engsten Mitarbeiter eine umfangreiche Biographie vorgelegt, die als Ersatz für die ungeschriebenen oder unveröffentlichten Memoiren Ottos dienen sollte und die in offenbar enger Zusammenarbeit mit Otto von Habsburg entstanden ist.2 Otto von Habsburg selbst hinterließ ein umfangreiches schriftstellerisches Werk, das u. a. Biographien historischer Persönlichkeiten und politische Manifeste umfasst.3 Eine wissenschaftliche Würdigung dieses Werkes steht bisher aus. Sie ist allerdings schwierig, da wichtige Materialien wie Vorarbeiten oder begleitende Korrespon-

1 So z. B. Joachim Riedel in „Die Zeit“, 28/2011: „So verhält es sich mit vielen Berichten, die Otto Habsburg aus seinem Leben überlieferte. Sie mögen nicht aus der Luft gegriffen sein, aber sie klingen oft wie fantasievollendete Gutenachtgeschichten.“, zitiert nach: http://www. zeit.de/2011/28/A-Habsburg/seite-2 (2. Juli 2013) und Norbert Mappes-Niediek in „Frankfurter Rundschau“ 5. Juli 2011: „Umstritten war der Mann mit dem Menjou-Bärtchen und der kerzengeraden Haltung dabei immer […] Mit Polemiken gegen die Entspannungspolitik und Sympathie für die Apartheid-Regime in Südafrika und Rhodesien entzweite Habsburg die Öffentlichkeit rapide. Willy Brandt nannte ihn eine ,abgetakelte kaiserliche Hoheit‘, Helmut Schmidt attestierte ihm einen ,Vogel‘“, zitiert nach: http://www.fr-online.de/panorama/ottovon-habsburg-ist-tot-der-ewige-monarch, 1472782,8632742. html (2. Juli 2013). Oder: FranzJosef Kos, „Ottos Heldenplatz“, in: FAZ 23. März 2002, S. 7: „Habsburg hat bisher keine Erinnerungen verfaßt. Die Gesprächsform bietet erste Ansätze, aber seine Antworten sind oberflächlich und sprunghaft. Vor allem bleiben viele Probleme einfach ausgeklammert und viele Fragen offen“, zitiert nach: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/2.1 715/ rezension-sachbuch-ottos-heldenplatz-17014.html (2. Juli 2013). 2 Stephan Baier/Eva Demmerle, Otto von Habsburg. Die Biographie, Wien 2007, S. 17. 3 Vgl. Eva Demmerle, Der Habsburg-Faktor. Visionen für das neue Jahrtausend. Eva Demmerle im Gespräch mit Otto von Habsburg, Heidelberg 2007, S. 187 ff.

12

I. Einleitung

denzen bislang lediglich teilweise oder gar nicht zugänglich sind, ebenso wie der gesamte Nachlass Otto von Habsburgs.4 Die Paneuropa Union ist eine vom österreichischen Aristokraten Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi (1894 – 1972) in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg gegründete europäische Einigungsbewegung, die nach dem Zweiten Weltkrieg mit ihren föderalistisch-konservativen Ideen für ein Europa in enger Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Deutschland in Konkurrenz zur „Europa Union“ stand, die in ihrer Anfangszeit eine liberal-pluralistische Ausrichtung Europas anstrebte und eher von einer transatlantischen Zusammenarbeit zwischen Europa und den USA ausging.5 In den 1920er Jahren standen der Paneuropa Union Persönlichkeiten wie Franz Werfel (1890 – 1945) und Thomas Mann (1875 – 1955) nahe, nach dem Zweiten Weltkrieg Konrad Adenauer (1876 – 1967) oder Franz Josef Strauß (1915 – 1988). Eine umfassende Geschichte dieser Bewegung steht noch aus und ist schwierig zu schreiben, da das Archiv der Paneuropa Union 1938 in Wien zunächst von der Gestapo beschlagnahmt wurde und nach dem Zweiten Weltkrieg nach Moskau verbracht wurde6 ; zentrale Quellenbestände der Vorkriegsentwicklung der Paneuropa Union sind also nicht zugänglich. Zur Paneuropa Union und insbesondere ihrem Gründer Coudenhove-Kalergi haben allerdings schon Vanessa Conze7 und Anita Prettenthaler-Ziegerhofer8 Forschungsarbeiten vorgelegt. Angesichts dieser Ausgangslage schien es sinnvoll, gedruckte Quellen in den Mittelpunkt zu stellen und eine spezifischere Fragestellung zu bearbeiten. Die vorliegende Arbeit ist der Deutung und Erinnerung Kaiser Karls V. durch Otto von Habsburgs und der von ihm geführten Paneuropa Union gewidmet. Otto von Habsburg legte 1967 zunächst auf Französisch eine Biographie Karls V. vor. Diese Biografie ist keine fachwissenschaftliche Arbeit; von Martina Fuchs wird sie in die Kategorie „populärwissenschaftliche Darstellung“9 eingeordnet; die geschichtspolitische Dimension der Arbeit Otto von Habsburgs ist bislang nicht erforscht. Das Werk besitzt zwar ein ausführliches Literaturverzeichnis, verzichtet aber auf Anmerkungen und Fußnoten. Otto von Habsburg schrieb es als Nachfahre Karls V. und 4 Nachricht von Karl von Habsburg an den Verfasser dieser Arbeit, letztmalig auf eine Anfrage des Verfassers in einer Antwort am 18. April 2016. 5 Vanessa Conze, Das Europa der Deutschen, München 2005, S. 13. 6 Nachricht der Paneuropa Union Österreich an den Verfasser dieser Arbeit, 4. Februar 2016. Siehe auch: Rainhard Kloucek, Das Paneuropa-Archiv der Anfangszeit. Von den Nazis beschlagnahmt, von der Roten Armee deportiert, von Russland enteignet, in: Richard Coudenhove-Kalergi. Leben und Wirken. Hgg. von der Europa-Gesellschaft Coudenhove-Kalergi. Wien/Graz 2010, S. 338 – 344. 7 Vanessa Conze, Das Europa der Deutschen, München 2005. Vanessa Conze, Richard Coudenhove-Kalergi. Umstrittener Visionär Europas. Zürich 2004. 8 Anita Prettenthaler-Ziegerhofer, Botschafter Europas. Richard Nikolaus CourdenhoveKalergi. Wien 2004. 9 Scott Dixon/Martina Fuchs, The Histories of Emperor Charles V, S. 56.

1. Thema und Fragestellung

13

Politiker. Seinen Charakter als politisches Manifest zeigt es schon im Vorwort, das z. B. an Novalis (Friedrich von Hardenberg, 1722 – 1801) „Die Christenheit oder Europa“ erinnert.10 Die dritte Auflage erfuhr das Werk 1979, als sich von Habsburg für einen Sitz im Europäischen Parlament bewarb. Seine Sichtweise auf Karl V. ist von der damaligen politischen Situation geprägt. Habsburg sieht in Karl V. „einen echten Vorläufer unserer Zeit“.11 Die letzte Auflage erfuhr das Werk 1990, als Europa mit dem Ende des Kalten Krieges einen grundlegenden Wandel erfahren hatte und die Vision eines Paneuropa, die von Habsburg seit den 1960er Jahren beharrlich vertreten hatte, Wirklichkeit zu werden schien. Das Werk blieb freilich nicht unumstritten.12 Übersetzt wurde Otto von Habsburgs Karl V. außer ins Deutsche auch ins Italienische, Ungarische, Englische und Spanische.13 Otto von Habsburg legte noch verschiedene Werke vor, darunter für diese Untersuchung besonders bedeutsam 1986 „Die Reichsidee. Geschichte und Zukunft einer übernationalen Ordnung“.14 Dem Werk des belgischen Historikers Charles Terlinden (1878 – 1972) über Karl V. widmete Otto von Habsburg 1978 ein Vorwort. Terlinden war Mitglied des habsburgischen Hausordens vom Goldenen Vlies und ein akademischer Lehrer des jungen Otto von Habsburg in seinem Studium an der Universität in Leuven.15 Mit Otto von Habsburg stand der Schweizer Diplomat Carl Jacob Burckhardt (1891 – 1974) in einem umfangreichen Korrespondenz-Verhältnis; diese Korrespondenz liegt teilweise aus dem Nachlass Burckhardts im Handschriften-Archiv der Universität Basel vor16 und konnte für diese Arbeit eingesehen und ausgewertet werden. Otto von Habsburg bezieht sich auf das Werk Burckhardts „Gedanken über Karl V.“17 für seine eigene Arbeit. Burckhardt legte verschiedene Arbeiten über Karl V. vor.18 Gleichzeitig mit Burckhardt veröffentlichte die böhmische Schriftstellerin Gertrude von Schwarzenfeld (1906 – 2000) das Werk Karl V. Ahnherr Europas.19 Über

10 Otto von Habsburg, Karl V., München 1990, S. 9 und Novalis, Die Christenheit oder Europa, Stuttgart 2010, S. 67. 11 Otto von Habsburg, Karl V., München 1990, S. 14. 12 Vgl. Rolf Schneider, Notfalls Trost bei Gott. Otto von Habsburg über seine Ahnen, in „Die Zeit“, Hamburg 18. April 1980. 13 Vgl. Eva Demmerle, Der Habsburg-Faktor, Heidelberg 2007, S. 188. 14 Otto von Habsburg, Die Reichsidee. Geschichte und Zukunft einer übernationalen Ordnung. München 1986. 15 Charles Terlinden, Carolus Quintus, S. 9. 16 Handschriftenarchiv der Universität Basel, G 2770. 17 Otto von Habsburg, Karl V., München 1990, S. 234 – 236. 18 Carl Jacob Burckhardt, Gedanken über Karl V. München 1954. Carl Jacob Burckhard, Karl V., der letzte europäische Kaiser, in: Universitas 2/1959, S. 123 – 134. 19 Gertrude von Schwarzenfeld, Karl V. Ahnherr Europas. Hamburg 1954.

14

I. Einleitung

Gertrude von Schwarzenfeld und ihr literarisches Werk liegen bisher keine Forschungsarbeiten vor. Ihr Nachlass ist nicht mehr vorhanden.20 Neben den Büchern dieser Autoren wurde für diese Arbeit auch die Zeitschrift Neues Abendland, in der Otto von Habsburg publizierte und die für die ideengeschichtliche Verortung der Autoren von Wichtigkeit ist, ausgewertet. Diese Zeitschrift ist eine wichtige Quelle für die Gruppe des Neuen Abendlandes und deren Ideen für eine Neuordnung Europas. Neben Otto von Habsburg, Carl Jacob Burckhardt, Charles Terlinden und Gertrude von Schwarzenfeld legte auch Reinhold Schneider (1903 – 1958) 1955 den Band Erbe und Freiheit21 vor, der „der Lebensfrage der europäischen Völker, [der] europäischen Einheit“22 gewidmet ist. Dieser enthält den Essay Karl V. – Erbe und Verzicht.23 Schneider gehörte in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg der sog. Abendländischen Bewegung an, einem Kreis katholischer Intellektueller, der sich schon in der Zwischenkriegszeit gebildet hatte und später im C.E.D.I. (Centre Européen de Documentation et Information), einer 1952 im Spanien General Francos (1892 – 1975) gegründeten Vereinigung, und auch in der Paneuropa Union aufging.24 Es liegen also verschiedene Schriften aus dem paneuropäischen Kreis um Otto von Habsburg über Karl V. vor, die das Andenken an den Kaiser der Reformationszeit im Nachkriegseuropa des 20. Jahrhunderts mit der europäischen Einigungsbewegung in Verbindung bringen. Die vorliegende Arbeit möchte u. a. untersuchen, wie mit Kaiser Karl V. im 20. Jahrhundert Geschichtspolitik betrieben wurde, wie Karl für politische Ideen des 20. Jahrhunderts gedeutet und wie an ihn erinnert wurde.25 Die Fragestellung, die es hier zu bearbeiten gilt, ist, wie Karl V. von den genannten Autoren gedeutet wird und welche Zielsetzung diese Autoren damit verbinden. Welche biographischen Prägungen oder ideelle und politische Überzeugungen sowie welche konkreten Interessen die o.g. Autoren haben, um Kaiser Karl V. in Erinnerung zu halten und diesen Kaiser der Reformationszeit als einen Vorläufer (Terlinden) oder Ahnherren (Schwarzenfeld) Europas, einen Kaiser für Europa (Otto von Habsburg) oder als letzten europäischen Kaiser (Burckhardt) für die Idee einer europäischen Einigung in der Mitte des 20. Jahrhunderts für sich zu reklamieren und wie diese Autoren miteinander in Kontakt standen bzw. wie sie sich aufeinander beziehen und in ihren Schriften aufeinander berufen. Weiter soll untersucht werden, ob es sich bei dieser Bezugnahme auf Karl V. um eine Außenseiter-Position ge20

Nachricht von Ingrid Busch an den Verfasser vom 2. 8. 2014. Reinhold Schneider, Erbe und Freiheit, Köln 1955. 22 Schneider, Erbe und Freiheit, S. 9. 23 Auch: Reinhold Schneider, Karl V. Erbe und Verzicht. Köln 1958. 24 Vanessa Conze, Das Europa der Deutschen, S. 173 ff. 25 Zum Begriff der Geschichtspolitik: Heinrich August Winkler, Griff nach der Deutungsmacht. Zur Geschichte der Geschichtspolitik in Deutschland. Göttingen 2004. Und: Edgar Wolfrum, Geschichtspolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Der Weg zur bundesrepublikanischen Erinnerung 1948 – 1990. Darmstadt 1999. 21

2. Forschungsstand und Quellenlage

15

handelt hat oder ob sich diese Rezeption Karls V. für die Europa-Idee durchgesetzt hat. Obschon die Arbeit von der Gestalt Karls V. und seiner Rezeptionsgeschichte ausgeht, liefert sie Beiträge zur Zeitgeschichte, zur Geschichte der Europäischen Einigung und ihrer Bewegungen und somit zur Ideengeschichte.

2. Forschungsstand und Quellenlage Scott Dixon und Martina Fuchs legten 2005 eine bemerkenswerte Studie über nationale Perspektiven von Persönlichkeit und Herrschaft Kaiser Karls V. (1500 – 1558) vor26 ; neben den Kernländern seiner Herrschaft Burgund, Spanien und dem Heiligen Römischen Reich und dessen Nachfolgestaaten, wurde auch die Geschichtsschreibung über Karl V. in anderen europäischen Ländern untersucht. Die hier erzielten Forschungserträge über die Darstellung des Kaisers in verschiedenen Ländern und verschiedenen zeitlichen Epochen bildeten den Anstoß für diese Arbeit. Denn Dixon und Fuchs hatten auch gezeigt, dass Karl V. gerade in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg von Politikern und Schriftstellern als Patron für die Europäische Einigung beansprucht wurde. Meist waren dies Vertreter aus dem katholisch-konservativen Bereich.27 Eine bedeutende Gestalt in diesem Prozess war Otto von Habsburg. Bereits anlässlich des 400. Todestags Karls V. hat Peter Rassow (1889 – 1961) 1958 auf einem Kolloquium in Köln „Das Bild Karls V. im Wandel der Jahrhunderte“ untersucht.28 Rainer Wohlfeil hat sich explizit der Frage „Kaiser Karl V. Ahnherr der Europäischen Union? Überlegungen zum Verhältnis von Geschichte und Tradition“ zugewandt.29 Beide Autoren stehen einer Vereinnahmung Karls V. für das europäische Einigungswerk des 20. Jahrhunderts kritisch gegenüber. Beide wenden sich aus wissenschaftlicher Sicht explizit gegen die Karls-Deutung der Paneuropa Union, ohne deren Voraussetzungen und Eigenlogik als Geschichtspolitik zu reflektieren.

26 C. Scott Dixon/Martina Fuchs (Hgg.), The Histories of Emperor Charles V. Nationale Pespektiven von Persönlichkeit und Herrschaft. (Geschichte in der Epoche Karls V., Band 6), Münster 2005. 27 Als im Jahre 2013 Papst Benedikt XVI. überraschend zurücktrat, wurde dies verschiedentlich mit dem Rücktritt Kaiser Karls V. 1555 verglichen, so etwa: Paul Badde, Der mutige Abschied eines radikalen Aufklärers, in „Die Welt“ 28. 02. 2013. 28 Peter Rassow, Das Bild Karls V. im Wandel der Jahrhunderte, in: Karl V. Der Kaiser und seine Zeit. Kölner Kolloquium 26.–29. November 1958. Hgg. von Peter Rassow und Fritz Schalk, Köln 1960, S. 1 – 17. 29 Rainer Wohlfeil, Kaiser Karl V. Ahnherr der Europäischen Union? Überlegungen zum Verhältnis von Geschichte und Tradition, in: Norbert Fischer (Hg.), Außenseiter zwischen Mittelalter und Neuzeit. Festschrift für Hans-Jürgen Goertz zum 60. Geburtstag. Leiden 1997, S. 221 – 242.

16

I. Einleitung

Zu einer solchen Nutzung historischer Gestalten und Ereignisse haben Edgar Wolfrum mit „Geschichtspolitik in der Bundesrepublik Deutschland“30 und Herfried Münkler mit „Die Deutschen und ihre Mythen“31 bereits Untersuchungen vorgelegt. Pierre Nora legte seine Überlegungen zu Erinnerungsorten32 vor, die auch im deutschsprachigen Bereich eine Reihe von Veröffentlichungen bewirkten zu „Deutschen oder Europäischen Erinnerungsorten“. Hier wird zu untersuchen sein, ob sich in Otto von Habsburgs Ausführungen zu Karl V. ein solcher früher Ansatz findet, Karl V. als Europäischen Erinnerungsort zu etablieren. Bereits 1959 legte Alfred Heuss Gedanken zum „Verlust der Geschichte“ und zur „Geschichte als Erinnerung“33 vor. Eine umfassende Rezeptionsgeschichte Karls V. in den verschiedenen europäischen Ländern haben – wie eingangs schon genannt – Scott Dixon und Martina Fuchs mit The Histories of Emperor Charles V34 im Jahre 2005 im Band 6 der Reihe „Geschichte in der Epoche Karls V.“ vorgelegt. In den Kapiteln über Karl V. in der deutschen Geschichtsforschung und Karl V. als Gegenstand populärwissenschaftlicher deutscher Darstellung werden die hier analysierten Autoren bereits genannt und deren politische Verortungen und historischen Interessen kurz umrissen. Martina Fuchs hat mit Band 1 der genannten Reihe bereits 2002 Karl V. Eine populäre Figur?35 vorgelegt. Den Ideen von Abendländischer Bewegung und Paneuropa Union hat Vanessa Conze 2005 eine Dissertation gewidmet unter dem Titel „Das Europa der Deutschen. Ideen von Europa in Deutschland zwischen Reichstradition und Westorientierung (1920 – 1970)“.36 Darin geht sie sehr umfangreich auf die Vorgeschichte der Paneuropa Union und das Wirken Otto von Habsburgs ein, allerdings nicht auf die Deutung Karls V. durch diesen. Umfangreich stellt Conze die Verbindungen von Paneuropa Union, dem CEDI und der Abendländischen Bewegung dar.37 Axel Schildt (1951 – 2019) hat verschiedene Veröffentlichungen zur Abendländischen Bewegung vorgelegt, u. a. 1999 „Zwischen Abendland und Amerika. Studien zur westdeutschen Ideenlandschaft der 50er Jahre“.38 30

Wolfrum, Geschichtspolitik in der Bundesrepublik Deutschland, Darmstadt 1999. Herfried Münkler, Die Deutschen und ihre Mythen, Berlin 2009. 32 Pierre Nora, Erinnerungsorte Frankreichs. München 2005. 33 Alfred Heuss, Verlust der Geschichte. Göttingen 1959. 34 C. Scott Dixon/Martina Fuchs (Hgg.), The Histories of Emperor Charles V. Nationale Perspektiven von Persönlichkeit und Herrschaft (Geschichte in der Epoche Karls V., Band 6). Münster 2005. 35 Martina Fuchs, Karl V. Eine populäre Figur? Zur Rezeption des Kaisers in der deutschsprachigen Belletristik (Geschichte in der Epoche Karls V., Band 1) Münster 2002. 36 Vanessa Conze, Das Europa der Deutschen. Ideen von Europa in Deutschland zwischen Reichstradition und Westorientierung (1920 – 1970). München 2005. 37 Ebd. 38 Axel Schildt, Zwischen Abendland und Amerika. Studien zur westdeutschen Ideenlandschaft der 50er Jahre. München 1999. 31

2. Forschungsstand und Quellenlage

17

Johannes Großmann legte im Jahre 2014 eine breite Untersuchung von CEDI, Abendländischer Bewegung und anderer internationaler, konservativer Gruppierungen in seinem Werk „Die Internationale der Konservativen. Transnationale Elitenzirkel und private Außenpolitik in Westeuropa seit 1945“ vor.39 Auch in dem Sammelband „Was vom Alten Reiche blieb. Deutungen, Institutionen und Bilder des frühneuzeitlichen Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation im 19. und 20. Jahrhundert“ (München 2011) wird die Transformation des alten Reichsgedankens auf von Habsburgs Paneuropa Union benannt40, ohne im Einzelnen auf die schriftstellerischen Werke von Habsburgs einzugehen. Zum Leben und Werk Otto von Habsburgs liegt neben der Biographie von Baier und Demmerle bisher nur eine 2002 erschienene und wenig distanzierte Biografie des britischen Historikers Gordon Brook-Sheperd (1918 – 2004) vor.41 Das literarische Werk Otto von Habsburgs ist bisher noch nicht untersucht worden; ebenso nicht die Beziehungen zwischen Otto von Habsburg und Carl Jacob Burckhardt. Zu Gertrude von Schwarzenfeld liegen ebenfalls keine Arbeiten vor, im deutschsprachigen Bereich auch nicht zu Charles Terlinden. Die Verwendung Karls V. als eines populären Motivs für Briefmarken und Münzen wird in dieser Arbeit, soweit ich sehen kann, erstmals untersucht. Diese Arbeit zeigt zudem Facetten des politischen Katholizismus der 1950er bis 1990er Jahre, die sich in der Paneuropa Union und im Umkreis von Otto von Habsburg kristallisierten und schließt in der Analyse der Rezeption Kaiser Karls V. an die Arbeiten zur Abendländischen Bewegung von Vanessa Conze, Axel Schildt und Johannes Großmann an. Den Autoren Otto von Habsburg, Charles Terlinden, Gertrude von Schwarzenfeld und Carl Jacob Burckhardt ist es in ihrer Rezeption Karls V. gemeinsam, dass sie ein sehr positives Bild der habsburgischen Herrschaft über Mitteleuropa haben; in ihr sehen sie ein Vorbild für ein sich einigendes Europa; damit heben sich die Autoren ab von einer nationalistisch geprägten Sichtweise auf das Habsburger Reich, die in diesem einen „Völkerkerker“ sah.42 Eine jüngste Veröffentlichung zur „ÖsterreichIdee“, in der auch auf die Bedeutung Otto von Habsburgs, seines Begräbnisses und die Kaiserhymne eingegangen wird, legte Gerald Stieg 2016 vor.43

39 Johannes Großmann, Die Internationale der Konservativen. Transnationale Elitenzirkel und private Außenpolitik in Westeuropa seit 1945 (Studien zur internationalen Geschichte, Band 35). München 2014. 40 Matthias Asche u. a. (Hg.), Was vom Alten Reiche blieb, München 2011, S. 99. 41 Gordon Brook-Sheperd, Otto von Habsburg, Graz 2002. 42 Vgl. dazu: Robert A. Kann, Geschichte des Habsburgerreiches 1526 bis 1918, 3. Auflage Wien 1993, S. 462 ff. 43 Gerald Stieg, Sein oder Schein. Die Österreich-Idee von Maria Theresia bis zum Anschluss. Wien 2016. Schon 2014 erschien: Peter Becher (Hg.), Kakanische Kontexte. Reden über die Mitte Europas. Salzburg 2014, eine Sammlung von Reden und Aufsätzen über das habsburgische Mitteleuropa.

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I. Einleitung

„Geschichtspolitik“ ist ein Begriff, der im Zuge des sogenannten „Historikerstreits“ aufgekommen ist. Durch die Erfahrungen im Gefolge der Wiedervereinigung hat man die weit darüber hinausreichende, grundsätzliche Dimension des Phänomens erkannt und den Ausdruck in einen analytischen Forschungsbegriff verwandelt.44 Präzise theoretische Bestimmungen des Begriffs liegen vor, befinden sich allerdings noch in der Diskussion. Insofern bietet die hier vorliegende Untersuchung die Chance, das theoretische Konzept von einem weiteren konkreten Fallbeispiel her zu beleuchten. Die Deutungen Karls V. als eines Ahnherrn Europas sind auch eine Konkretisierung der Arbeit an einem Mythos „Habsburg“. Mit der Deutung und Analyse des „Mythos Habsburg“ hat sich schon in den 1960er Jahren, vor allem in der Literatur, Claudio Magris in einer mehrere Auflagen erfahrenden Arbeit beschäftigt.45 Darin geht er besonders auf die Rezeption der Endphase des Habsburgerreiches und die Person Kaiser Franz Josephs (1830 – 1916) ein. Diese erfuhren vor allem in der Zwischenkriegszeit vermehrte Aufmerksamkeit. Hier wurde, zum Beispiel von Joseph Roth (1894 – 1939) oder Stefan Zweig (1881 – 1942), der religiös-tolerante und nationenverbindende Aspekt der k.u.k.-Monarchie betont. Ebenfalls mit dem Habsburger-Mythos beschäftigte sich Laurence Cole in dem Band „Memoria Austriae I. Menschen, Mythen, Zeiten“.46 Cole nennt die Erinnerung an die Habsburger in der zweiten österreichischen Republik einen Teil der Identitätsfindung der Republik, unter Verdrängung der Zeit des Ständestaates (1933 – 1938) und des Nationalsozialismus in Österreich.47 Cole unterscheidet drei Phasen in der Bildung einer an den Habsburgern orientierten Erinnerungskultur: 1. Eine aggressive Phase der Entzauberung zwischen 1918 und 1927. 2. Eine Periode der Nostalgie und Rehabilitation, in die Roth und Zweig einzuordnen sind, und zwar in der Gesellschaft und Literatur, so dann auch auf Regierungsebene von 1927 – 1938, besonders zur Zeit des Ständestaates ab 1933/34. Und eine 3. Phase von 1938 bis 1945 mit einer offenen staatlichen Unterdrückung des politischen Legitimismus und des Habsburger-Mythos.48 Dies zeigt sich auch in den Habsburger-Gesetzen, die in der ersten Republik erlassen wurden und die Mitglieder der Familie Habsburg enteigneten. Diese Gesetze wurden während des Ständestaates außer Kraft, nach dem „Anschluss“ 1938 aber wieder in Kraft gesetzt und haben auch

44

Vgl. die genannten Untersuchungen von Münkler, Winkler und Wolfrum. Il mito absburgico nella letteratura austriaca moderna, 1963, Neuausgabe 1996 dt. Der habsburgische Mythos in der modernen österreichischen Literatur Übers. Madeleine von Pásztory. Müller, Salzburg 1966; nach der ital. Neuausgabe bearbeitet, Zsolnay, Wien 2000. 46 Memoria Austriae I. Menschen, Mythen, Zeiten. Hgg. von Emil Brix, Ernst Bruckmüller und Hannes Stekl, Wien 2004. 47 Laurence Cole, Der Habsburger Mythos, in: Memoria Austriae I. Menschen, Mythen, Zeiten. Hgg. von Emil Brix, Ernst Bruckmüller und Hannes Stekl. Wien 2004, S. 473. 48 Ebd. S. 476. 45

2. Forschungsstand und Quellenlage

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in der zweiten Republik bis heute Gültigkeit.49 Cole verweist auch auf die prohabsburgischen Stimmen in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, die vor allem in Wien, aber auch in den ländlichen Regionen des Nachkriegs-Österreich zu finden waren und die „die Erinnerung an Franz Joseph und Karl [Kaiser Karl I., M.P.] förderten und die traditionellen dynastischen Feiern aufrecht hielten und mit der Fiktion, dass „Kaiser Otto“ die Nachfolge angetreten hätte, lebten“.50 Träger dieses nostalgischen Mythos waren nach Cole Beamte, Offiziere, Adelige, katholische Studenten und diejenigen, die von den ehemaligen Eliten abhängig waren, so Diener, Handwerker und Kutscher. Alles in allem blieben diese Bewegungen aber politisch erfolglos.51 Auch die vielen Ernennungen Otto von Habsburgs zum Ehrenbürger in der Zeit des Ständestaates dürften darüber nicht hinwegtäuschen.52 Für diese Forschung interessant ist die Folgerung Coles, dass an der Schaffung einer österreichischen Identität, gegen die vielfältigen Bestrebungen eines politischen Anschlusses an Deutschland, auch Hugo von Hofmannsthal (1874 – 1929), zu dem Carl Jacob Burckhardt in engem Kontakt stand53, die universalen Traditionen des Heiligen Römischen Reiches hervorgehoben hat, um zu zeigen, dass das katholische Österreich das „bessere Deutschland“ repräsentiere.54 Der Verweis auf Hofmannsthal und die Erinnerung an das Heilige Römische Reich sind hier bei Cole die einzigen Hinweise auf die habsburgische Zeit vor 1806. Seine Forschung, wie auch die von Magris, bezieht sich fast ausschließlich auf die Habsburger zwischen 1806 und 1918. Die längere Zeit, in der die Habsburger die Kaiser des Heiligen Römischen Reiches stellten, und deren Rezeption bleibt nahezu unberücksichtigt, und somit auch die Person Karls V. Lediglich das Andenken an Maria Theresia und Joseph II. findet bei Cole Berücksichtigung.55 Cole und Magris bezeichnen die Erinnerung an den habsburgischen Vielvölkerstaat als Mythos; neuere Forschungen, wie z. B. von Christopher Clark vertreten nicht mehr die These vom unaufhaltsamen Untergang der Habsburger-Monarchie56 oder die propagandistische These vom „Völkerkerker“. Clark sieht vor allem für die Minderheiten in der Habsburger-Monarchie – ähnlich wie die Schriftsteller jüdischer Herkunft Joseph Roth und Stefan Zweig – einen besseren Staat als die nachfolgenden Nationalstaaten:

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Vgl. Hellmut Andics, Der Fall Otto Habsburg. Wien 1965, S. 53 ff. Cole, Habsburger Mythos, S. 478. 51 Ebd. S. 478 f. 52 Karl Vocelka, Die Familien Habsburg und Habsburg-Lothringen, Wien 2010, S.70. 53 Vgl. Carl Jacob Burckhardt, Gesammelte Werke, Bd. 6: Briefe 1919 – 1969, Briefe an Hugo von Hofmannsthal, S. 3 – 166, 54 Cole, Habsburger-Mythos, S. 479. 55 Ebd., S. 492 f. 56 Vgl. dazu auch: Robert A. Kann, Geschichte des Habsburgerreiches 1526 bis 1918, 3. Auflage Wien 1993, S. 462 ff. 50

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I. Einleitung Letztlich erkannten die meisten Aktivisten der Minderheiten die Bedeutung des Habsburger Gemeinwesens als ein System der kollektiven Sicherheit an. Die Bitterkeit der Konflikte unter den Minderheiten (zwischen Kroaten und Serben in Slawonien etwa oder zwischen Polen und Ruthenen in Galizien) und die unzähligen Regionen, in denen verschiedene ethnische Minderheiten lebten, ließen vermuten, dass die Gründung neuer und separater nationaler Einheiten womöglich mehr Probleme schuf, als sie löste.57

3. Methodisches Vorgehen In der Untersuchung über die geschichtspolitische Vereinnahmung Karls V. finden verschiedenen Zweige der historischen Forschung zu einander. Zum einen die Erforschung der Abendländischen Bewegung, aus der die o.g. Autoren zum Teil stammten oder ihr nahestanden, sodann die Erforschung von Aristokratie und Adel in der Moderne, da Terlinden, von Habsburg und von Schwarzenfeld aus dem Adel stammten (für die beiden zuletzt genannten aus dem entmachteten Adel ÖsterreichUngarns, während Terlinden aus dem weiterhin bestehenden Königreich Belgien stammte), als auch die Forschungen zur Europa-Idee. Bahnbrechende Vorarbeiten haben Claudio Magris58 und Laurence Cole59 in ihrer Erforschung des Habsburger Mythos geleistet. An den persönlichen Beziehungen der Autoren zueinander, z. B. innerhalb der Paneuropa Union oder im Orden vom Goldenen Vlies und den Bezugnahmen innerhalb ihrer schriftstellerischen Werke wird eine Verflechtung deutlich, so dass hier – mit aller Vorsicht – von einem konservativen Netzwerk gesprochen werden könnte. Allerdings ist der Begriff des Netzwerkes innerhalb der historischen Forschung noch 57

Christopher Clark, Die Schlafwandler. Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog. München 2012, S. 108. Vgl. zum Zusammenleben der Völker im Habsburger-Reich und den im 20. Jahrhundert folgenden sogenannten ethnischen Säuberungen zum Beispiel in Kroatien: Michael Mann, Die dunkle Seite der Demokratie. Eine Theorie der ethnischen Säuberungen. Aus dem Englischen von Werner Roller. Hamburg 2007, S. 97: „Das Habsburger-(Österreich-Ungarn), Romanow(Russland) und das islamisch-türkische Osmanische Reich umfassten jeweils zahlreiche historische Provinzen und Königreiche. Die Dynastien strebten keine Homogenisierung dieser Reiche an und versuchten ihre Herrschaft auch nicht mit dem Bezug auf eine Nation zu legitimieren. Sie ermunterten sogar Minderheiten, zum Beispiel Deutsche oder Juden, die über größeres wirtschaftliches Geschick als die Einheimischen verfügten, zur weiteren Immigration.“ Und ebd., S. 266: „Im Habsburgerreich hatten die Juden gleichwohl eine ganz besondere Stellung inne. Die Herrscherdynastie hatte für Nationalisten nichts übrig – auch nicht für die Deutschnationalen – und förderte religiöse Toleranz und kosmopolitisch orientierte Gruppen wie die Juden als Gegengewicht zu nationalistischen Tendenzen.“ 58 Claudio Magris, Der habsburgische Mythos in der österreichischen Literatur, Salzburg 1966. 59 Laurence Cole, Der Habsburger Mythos, in: Memoria Austriae I. Menschen, Mythen, Zeiten. Hgg. von Emil Brix, Ernst Bruckmüller und Hannes Stekl. Wien 2004, 473 – 504.

3. Methodisches Vorgehen

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in einer Klärungsphase60, oft wird dieser Begriff inflationär gebraucht. Johannes Großmann bevorzugt in seiner Studie „Die Internationale der Konservativen“ den Begriff „Verflechtung“ und bezieht sich dabei auf Wolfgang Reinhard.61 Der Begriff „Netzwerk“ geht zudem von einer gleichen sozialen Stellung der Mitglieder eines solchen Netzwerkes aus. Davon kann hier nicht die Rede sein; für die Angehörigen des Adels wie Vicomte Charles Terlinden war Otto von Habsburg „Seine Majestät“62, auch Carl Jacob Burckhardt titulierte Otto von Habsburg als „Majestät“63, Gertrude von Schwarzenfeld gehörte der Gruppe der spät geadelten der k.u.k-Monarchie an, Otto von Habsburg war der Sohn des letzten Kaisers. Als Professor und Diplomat und gebürtig aus der Oberschicht der Stadt Basel gehörte Carl Jacob Burckhardt auch zur Oberschicht der Schweiz; Otto von Habsburg tituliert Burckhardt im Briefwechsel meistens als „Exzellenz“64. Die Autoren heben sich als Adelige und Diplomaten also einerseits von großen Teilen der Bevölkerung ab, stehen aber untereinander in einem asymmetrischen Verhältnis zu einander.65 Die Arbeit gliedert sich in vier größere Teile: Der erste Teil, der sich mit den genannten Autoren Gertrude von Schwarzenfeld, Otto von Habsburg, Carl Jacob Burckhardt und Charles Terlinden befasst, der kürzere zweite Teil, der die Erinnerung an die Habsburger Monarchie im Umfeld Otto von Habsburgs am Beispiel der Autoren Joseph Roth und Reinhold Schneider vorstellt, der dritte Teil, der die genannten Autoren in den organisatorischen Netzwerken Paneuropa Union, Liga Europa, der Abendländischen Bewegung und dem Orden vom Goldenen Vlies verortet und der vierte Teil, der die Resonanz, Wirkung und Kritik an der These vom Ahnherr Karls V. für Europa analysiert. Der abschließende Teil fasst die Ergebnisse zusammen, skizziert die Wirkungsgeschichte der Rezeption Karls V. für die Europa-Idee und die politische Nutzung dieser Rezeption in den 1960er Jahren bis über das Karls-Jubiläum im Jahre 2000 in die Gegenwart.

60 Vgl. Marten Düring/Ulrich Eumann/Martin Stark/Linda von Keyserlingk (Hg.), Handbuch Historische Netzwerkforschung. Grundlagen und Anwendungen. Berlin 2016. 61 Johannes Großmann, Die Internationale der Konservativen, S. 22. 62 Vgl. Charles Terlinden, Das Goldene Vlies, in: Emil Franzel (Hg.), Virtute Fideque. Festschrift für Otto von Habsburg, Wien 1965, S. 163. 63 Vgl. z. B.: Carl Jacob Burckhardt an Otto von Habsburg, 9. Januar 1963, Handschriften Archiv der Universität Basel, G 2770, 51. 64 So noch im letzten Brief von 1973, Otto von Habsburg an Carl Jacob Burckhardt 2. Mai 1973, Universität Basel, G 2770, 72. 65 Vgl. Großmann, Die Internationale der Konservativen, S. 22.

II. Gertrude von Schwarzenfeld: Karl V. – Ein Ahnherr Europas? 1. Gertrude von Schwarzenfeld Im Jahre 1954 erschien Gertrude von Schwarzenfelds „Karl V. Ahnherr Europas“ im Marion von Schröder Verlag in Hamburg.1 Es war dies der erste Titel in deutscher Sprache, der nach dem Zweiten Weltkrieg Karl V. mit der europäischen Idee in Verbindung brachte.2 Bereits in der Zwischenkriegszeit erschien 1931 in New York „Charles of Europe“ von Dominic Bevan Wyndham Lewis, 1932 in London unter dem Titel „Emperor of the west. A study of the Emperor Charles the Fifth“. Dominic Bevan Wyndham Lewis (1891 – 1969) war ein britischer Schriftsteller,3 der 1921 zum katholischen Glauben konvertierte. Zwar findet sich bei Rassow4, Wohlfeil5 oder Kohler6 (siehe unten im Kapitel zur Kritik an der Idee eines Ahnherrn Europas) die Kritik an Lewis und seinem Werk, aber es wurde nur am Rande darauf hingewiesen, dass Wyndham Lewis, der übrigens aus Wales stammte und kein Amerikaner gewesen ist, wie es zum Beispiel bei Rassow7 oder Kohler8 heißt, sein Werk ausdrücklich dem französischen Politiker Aristide Briand (1862 – 1932) widmete, einem Vorkämpfer für eine deutsch-französische Aussöhnung und einer Vereinigung Europas9 – Briand war seit 1927 Ehrenpräsident der Paneuropa-Bewegung.10 Ziel dieser Bewegung war ein vereintes Europa auf christlich-humanistischer Grundlage (siehe unten im Kapitel zur Paneuropa Union). Dass Lewis eine utopisch erscheinende Rückkehr der Kirchen der Reformation zum Katholizismus als Grundlage für eine Einigung Europas ansah („By the return to Rome these things may still be preserved and the unity of Europe regained.“11), mag auch damals fern jeglicher Realität ge1

Gertrude von Schwarzenfeld, Karl V. Ahnherr Europas. Hamburg 1954. Dominic Bevan Wyndham Lewis, Charles of Europe. New York 1931, und: Dominic Bevan Wyndham Lewis, Emperor of the west: A study of the Emperor Charles the Fifth. London 1932. 3 Smith, Godfrey, Lewis, (Dominic) Bevan Wyndham, in: Oxford Dictionary of National Biography (Online ed.). Oxford, UK, Oxford University Press. 4 Rassow, Das Bild Karls V., S. 15. 5 Wohlfeil, Kaiser Karl V., Ahnherr, S. 241. 6 Kohler, Karl V., S. 370. 7 Rassow, Das Bild Karls V., S. 15. 8 Kohler, Karl V., S. 370. 9 Lewis, Charles of Europe, S. 1 und Emperor of the West, S. 11. 10 Vgl. http://www.paneuropa.org/de_int/geschichte.html#, aufgerufen am 23. 3. 2016. 11 Lewis, Emperor of the West, S. 289. 2

1. Gertrude von Schwarzenfeld

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wesen sein – aber der Gedanke findet sich ähnlich als visionäres Wunschbild auch zum Beispiel bei Salvator Dali im Jahre 1942.12 Über Gertrude von Schwarzenfeld liegen wenige biographische Angaben vor. Die Einträge im Kürschner13 oder Munzinger14 sind über 1961 bzw. 1977 hinaus nicht aktualisiert worden. Bei Martina Fuchs wird angegeben, dass das Todesjahr nicht in Erfahrung gebracht werden konnte und sie in Duisburg gelebt habe.15 Allerdings ist Dieburg in Hessen richtig.16 Bei Wohlfeil finden sich wenige biographische Angaben und Verweise auf das Werk der Autorin.17 Auch über das Deutsche Adelsarchiv in Marburg oder das „Collegium Carolinum – Forschungsinstitut für die Geschichte Tschechiens und der Slowakei“ waren zunächst keine aktuellen Angaben zu der Autorin zu erhalten. Allerdings stellte das Deutsche Adelsarchiv einen Kontakt zu einer Nichte Gertrude von Schwarzenfelds her, die die biographischen Daten der Autorin vervollständigen konnte. Dabei stellte sich allerdings auch heraus, dass der Nachlass Schwarzenfelds nicht mehr besteht. Da über das Leben und Werk Gertrude von Schwarzenfelds bislang nichts publiziert wurde, wird an dieser Stelle wegen der Bedeutung des Werkes Karl V. Ahnherr Europas ausführlicher auf das gesamte literarische Werk der Autorin eingegangen; auch, weil sich in den weiteren Werken Anhaltspukte für die Verortung von Schwarzenfelds finden sowie Motive, die sich sowohl in „Karl V.“ als auch in den weiteren Werken feststellen lassen. Gertrude Schreitter von Schwarzenfeld wurde am 21. Juni 1906, einer deutschböhmischen Adelsfamilie entstammend, in Prag-Karolinenthal geboren.18 Die Familie Schreitter von Schwarzenfeld stammt aus dem böhmischen Erzgebirge und wurde 1807 in den österreichischen Adelsstand und 1815 in den Ritterstand erhoben.19 Gertrude von Schwarzenfeld war die Tochter des Rechtsanwalts Karl Schreitter von Schwarzenfeld (1880 – 1968) und Louise von Schwarzenfelds, geborene Schram (1886 – 1946).20 12 Vgl. dazu: Salvador Dali, Das geheime Leben des Salvador Dali. Übersetzung und Nachwort von Ralf Schiebler, München 1984, S. 486 f. 13 Kürschners Deutscher Literatur Kalender 1988, S.9. 14 Internationales Biographisches Archiv, 26/1961. 15 Martina Fuchs, Karl V. als Gegenstand populärwissenschaftlicher Darstellung, in: Scott Dixon/Martina Fuchs (Hgg.) The Histories of Emperor Charles V, Münster 2005, S. 52. 16 Nachricht von Ingrid Busch, geborene von Schwarzenfeld, an den Verfasser vom 8. 5. 2014. 17 Rainer Wohlfeil, Kaiser Karl V. – Ahnherr der Europäischen Union? Überlegungen zum Verhältnis von Geschichte und Tradition, in: Außenseiter zwischen Mittelalter und Neuzeit: Festschrift für Hans-Jürgen Goertz zum 60. Geburtstag, S. 222. 18 Gertrude von Schwarzenfeld, in: Internationales Biographisches Archiv 26/1961 vom 19. Juni 1961. 19 Genealogisches Handbuch des Adels, Adelige Häuser B, Band XIII, Limburg/Lahn 1980, S. 358. 20 Ebd., S. 365.

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II. Gertrude von Schwarzenfeld: Karl V. – Ein Ahnherr Europas?

Nach dem Besuch des Mädchen-Realgymnasiums in Prag studierte sie an der deutschen Karls-Universität in Prag Philosophie und Germanistik;21 später, 1928 bis 1931, in Wien auch Malerei. Zurück in Prag, entwarf sie für das Neue Deutsche Theater in Prag Bühnenbilder und war für das „Prager Tagblatt“ publizistisch tätig.22 Nach 1933 führte sie ihre Heirat mit dem zweiten Sekretär der brasilianischen Gesandtschaft José Cochrane de Alencar23 (1898 – 1971) an dessen neuen Posten in Bogotá in Kolumbien. Sie führte neben ihrem Namen Gertrude de Alencar als Autorin weiter den Namen Gertrude von Schwarzenfeld. 1938 publizierte sie „Fernes Land. Bilder aus Columbien“24 als ihr erstes Buch. Weitere Stationen im Leben der nunmehrigen Diplomatengattin waren Wien (1936) und London (1937 – 41) sowie Portugal (1941 – 46). Seit 1946 lebte sie von ihrem Mann getrennt. In Paris, wo sie von 1950 bis 1959 lebte, verfasste sie regelmäßig Berichte für die Wochenzeitung „Die Zeit“,25 die sie zum Teil dann auch unter dem Titel „Das neue Paris. Es begann mit Dada“26 als Buch 1958 und in zweiter Auflage unter dem neuen Titel „Ich wohne in der Rue Madame“27 1962 veröffentlichte. Obwohl Gertrude von Schwarzenfeld über einige Jahre von 1955 bis 1959 für „Die Zeit“ regelmäßig aus Paris berichtete28, findet sich in den Werken über die Wochenzeitung „Die Zeit“ keine Erwähnung von Schwarzenfelds.29 Auch das Archiv der Wochenzeitung konnte keine Angaben zur Beendigung der Tätigkeit von Schwarzenfelds für die Wochenzeitung machen.30 Vielleicht hängt der Abschied Gertrude von Schwarzenfelds von „Die Zeit“ mit einer Änderung der politischen Ausrichtung der Wochenzeitung nach einer Publikation eines Artikels von Carl Schmitt (1888 – 1985) und dem darauffolgenden Abschied des Chefredakteurs Richard Tüngel (1893 – 1970) zusammen.31 Die Auseinandersetzungen innerhalb der Redaktion dauerten 21 Gertrude von Schwarzenfeld, in: Internationales Biographisches Archiv 26/1961 vom 19. Juni 1961. 22 Das Prager Tagblatt wird derzeit von der Österreichischen Nationalbibliothek digitalisiert. 23 Vgl. Art. José Cochrane de Alencar, in: Who’s who in Latin America, Part VI. Brazil, Oxford/London 1948, S. 5. 24 Gertrude Schreitter-Schwarzenfeld, Fernes Land. Bilder aus Columbien. Prag 1938. 25 http://www.zeit.de/suche/index?q=schwarzenfeld%2C+gertrude+von. 26 Gertrude von Schwarzenfeld, Das Neue Paris. Es begann mit Dada. Hamburg 1958. 27 Gertrude von Schwarzenfeld, Ich wohne in der Rue Madame, München 1962. 28 Vgl. http://www.zeit.de/suche/index?q=schwarzenfeld,%20gertrude%20von&sort=aktu ell& rezension=0&tmode=&from=&to=&p=2, 5. 7. 2015. 29 Vgl. Christian Haase/Axel Schildt, Die Zeit und die Bonner Republik, Göttingen 2008 oder Ralf Dahrendorf, Liberal und unabhängig. Gerd Bucerius und seine Zeit, München 2000 oder Karl-Heinz Janßen/Haug von Kuenheim/Theo Sommer, Die Zeit. Geschichte einer Wochenzeitung 1946 bis heute, München 2006. 30 Nachricht des Archivs „Die Zeit“ an den Verfasser vom 1. 7. 2015. 31 Mathias von der Heide/Christian Wagner, Weiter rechts als die CDU. Das erste Jahrzehnt der „Zeit“, in: Die Herren Journalisten: Die Elite der deutschen Presse nach 1945, München 2002, S. 165 – 184.

2. „Fernes Land“

25

nach dem Schmitt-Artikel von 1954 bis 1957 an, als Josef Müller-Marein (1907 – 1981) neuer Chefredakteur wurde.32 Auffällig ist die polemische Rezension, die „Rudolf II.“ von Gertrude von Schwarzenfeld 1980 in „Die Zeit“ erfuhr. Offenbar war man der ehemaligen Mitarbeiterin nicht weiter verbunden. Seit 1960 wohnte Gertrude von Schwarzenfeld in Dieburg in Hessen. Gestorben ist sie am 30. März 2000 in Dieburg.33 In Dieburg fand sie auch ihre Grabstätte in einer Familiengruft der Familie Schreitter von Schwarzenfeld. Von ihrem Tode wurde in Zeitungen keine Notiz genommen; lediglich in „Nummer – Zeitschrift für Kultur in Würzburg und anderswo“ erschien im Juni 2005 ein kurzer Lebensrückblick.34 Ihr Werk über Karl V. erschien in erster Auflage 1954 in Hamburg; später wurde es in verschiedene Sprachen übersetzt (Niederländisch, Spanisch, Englisch)35 und erfuhr auch in deutscher Sprache zwei Auflagen.36 Mit einem anderen habsburgischen Kaiser beschäftigte sich die Autorin in ihrem 1961 erschienenen Werk „Rudolf II.“, in erster Auflage mit dem Untertitel „Der saturnische Kaiser“, in der zweiten Auflage 1979 „Ein Deutscher Kaiser am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges“. Auch in den folgenden Jahren veröffentlichte sie verschiedene Reiseberichte (1963 „Südfranzösische Reise“, 1977 „Cornwall, König Arthurs Land“).

2. „Fernes Land“ In ihrem ersten Werk „Fernes Land. Bilder aus Columbien“, das Gertrude von Schwarzenfeld im Alter von 32 Jahren in Prag 1938 veröffentlichte, beschreibt sie ihre Eindrücke aus Kolumbien. Das Buch wurde von ihr selbst illustriert. Hier finden sich schon Gedanken, die auch in ihren späteren Werken wiederkehren: Die Auseinandersetzung mit dem Begriff „Heimat“, das Empfinden von Fremde und die Beheimatung im katholischen Glauben. Das Werk schrieb sie als Reisebericht in der ersten Person, gelegentlich werden ihr Ehemann José37 und Freunde namentlich genannt. In Bogotá, das sie nach der Überfahrt mit dem Schiff und dem Durchqueren des Landes mit der Bahn erreichte, schildert sie ihre Erlebnisse von Fremdheit und Heimat. Viele Kirchen sind schon durch völlige Restaurierung entzaubert. Aber diese hier ist noch intakt – hier wird man zu Hause sein. Denn ein barocker Hochalter steht am Grunde des 32 33

2014. 34 35 36 37

Haase, Die Zeit und die Bonner Republik, S. 300. Nachricht von Ingrid Busch, geborene von Schwarzenfeld, an den Verfasser vom 8. 5. Nummer – Zeitschrift für Kultur in Würzburg und Gambach. Nr. 6, Juni 2005, S. 8. Kürschner Literaturkalender, Berlin 1988, S. 9. Hamburg 1954 und München 1963. Gertrude von Schwarzenfeld, Fernes Land. Bilder aus Columbien, S. 14.

26

II. Gertrude von Schwarzenfeld: Karl V. – Ein Ahnherr Europas? Erinnerns, vor dem man als Kind gekniet, als erstmalig Glanz und Gnade von hocherhobener strahlender Monstranz das Herz traf.38

Hier findet sich schon die später immer wiederkehrende Verbindung von katholischem Glauben und dem Gefühl der Heimat, bei aller Heimatlosigkeit in ihrem Leben als Diplomatengattin, Reisende und aus der Prager Heimat Vertriebene. Das kurze Kapitel über die Kirche in Bogotá schließt sie mit der Feststellung „Und es tut gut, im fremden Land einem Stück Heimat zu begegnen.“39 Dies entspricht einer katholischen Haltung, die sich in Buchtiteln wiederfindet wie „Überall bis du zu Hause“, einem Bildband über das Leben der katholischen Kirche aus dem Jahre 1957.40 In Kolumbien begegnete Gertrude von Schwarzenfeld zum einen der Urbevölkerung des Landes, die ihr in ihrem Verhalten fremd bleibt, unnahbar, zum anderen sozialen Problemen, die denen in Europa nicht glichen und auf die die europäischen Antworten und politischen Forderungen nicht zutrafen.41 Im Gespräch mit ihrer Hausangestellten fällt von dieser der Satz „Man kann nicht weit entfernt seiner Heimat leben“42 – eine Feststellung, die von Schwarzenfeld dann weiter bedenkt: Heimat. – Das ist, wenn das Herz zur Ruhe kommt. Das ist Atmen in eigenster Luft, Nahsein den liebsten Dingen. – Hier ist es fremd. Alles ist anders. Die Luft ist anders, die Wolken sind anders, die Bäume sind anders. Oh – die Bäume drüben! Die Bäume. Und die Wiesen im Juni. Ach – einmal wieder daheim auf der Erde liegen, mit weit ausgebreiteten Armen, die Hände ins Gras gewühlt, wie Wurzeln, die ihren Grund suchen und im ganzen Körper fühlen: ich bin zuhause.43

Dort in Kolumbien beschreibt von Schwarzenfeld dieses Gefühl, das sie, fern der böhmischen Heimat, empfindet, und das sich dann auch an den weiteren Lebensstationen, in Spanien und in Paris findet: Fremd sein, fern der Heimat sein. Diese Heimat ist für sie Prag, Böhmen, die österreichische Monarchie und der katholische Glauben. In „Karl V.“ wird sie näher darauf eingehen. In Kolumbien lebte Gertrude von Schwarzenfeld wie selbstverständlich mit anderen Europäern zusammen und nahm am gesellschaftlichen Leben teil. Die Konfrontationen in Europa zur gleichen Zeit erschienen ihr in Südamerika fern und unsinnig. Die Europäer dort verbandt die Sorge um ihren Kontinent, von Gertrude von Schwarzenfeld anlässlich eines Kinobesuchs geschildet: Truppenparaden zogen über die Leinwand. Gleichtakt, Todestakt schreitender Füße. Dröhnende Marschmusik füllte mit blindem Jubel. Begeisterung. Wofür? Das ist gleich. Wir gehen mit und opfern uns auf für das Leben. Endlich ist es da. Geknatter unsichtbarer 38

Fernes Land, S. 44. Ebd. 40 Überall bis du zu Hause. Dokumentarischer Bildband aus dem Leben der Weltkirche. Hgg von Bertram Otto. Mit einem Geleitwort von Joseph Kardinal Frings. Bonn 1957. 41 Fernes Land, S. 92. 42 Ebd., S. 117. 43 Ebd. 39

2. „Fernes Land“

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Motoren. Schwärme von Flugzeugen stiegen an und hüllten das Bild in dichte Wolken ein. Aus den Wolken regneten Bomben. Die Erde bäumte sich auf und schleuderte Schuttmassen gegen den Himmel. Mächtige, furchtbare Ungeheuer krochen Berge hinan, schoben Mauern beiseite. Geduckte Wesen mit langen Rüsseln und Totenkopfaugen schleuderten Handgranaten. Nebelschwaden trübten das Bild: Gas – Kinder – sie zerstören Europa.44

Bei den Bildern, die sie schildert, handelte es sich um Szenen von Manövern europäischer Mächte, aber diese nehmen das Grauen des Zweiten Weltkrieges vorweg, und Gertrude von Schwarzenfeld fasst ihre Sorge um Europa, ihre ferne Heimat, hier zusammen: „Fernes, schönes Land – mußte ich denken, geh nicht zugrunde – wir brauchen dich.“45 Der Titel des Buches lässt somit offen, ob das Ferne Land Europa oder Kolumbien ist. Diese Bilder von 1938 bringt die Autorin mit ihren eigenen Erinnerungen an den Ersten Weltkrieg in Verbindung, mit der Angst um den Vater46 und den Bildern von kriegsversehrten Soldaten.47 Das Buch „Fernes Land“ endet mit dem Kapitel „Heimkehr nach Europa“, in dem die Autorin ihre Gefühle für Europa ausdrückt: Als ich drüben Abschied nahm, hieß es, ich ginge nach Europa. Engländer, Deutsche, Franzosen drückten mir die Hand und sagten: Grüßen Sie Europa. Und es war, als sagten sie: Grüße unsere Heimat. Man war eine Gemeinschaft gewesen, einander verwandt und verbunden durch die Zugehörigkeit zu jenem kleinen Kontinent, der allen selbstverständliche Einheit war: Europa. Wenn dieses Wort fiel, traf es uns mitten ins Herz. Wenn wir es aussprachen, veränderte es unsere Stimmen. Und jedesmal folgte diesen drei Silben tiefe Stille, als wage keiner die herrliche Vision zu stören: Europa. Fernes, schönes Land unter dem Wunder der Jahreszeiten. Und es war nicht nur die engste Heimat, an die wir dachten. Es war Heimweh nach Europas Luft, seiner Erde, seinen Bäumen, seinem Frühling, seinen Sternbildern, es war Verlangen, nach so viel Fremdheit wieder vertrautes Land zu sehen, begrenzte Felder, saubere Dörfer und geformte Stadt.48

In der Begegnung mit Südamerika hatte Gertrude von Schwarzenfeld einen bestimmten Begriff von Europa gefunden, sofern sie dieses Europa-Bewußtsein nicht schon ohnehin als aus der habsburgischen Monarchie stammend und im böhmischdeutschen Prag aufgewachsen, gehabt hat. In der Fremde Kolumbiens jedenfalls schrieb sie schon 1938 als Europäerin: Europa. Es kann nicht untergehen. Wir lieben es! Und ihre Botschaft stieg an wie aufbrausende Klänge großer Musik – stieg in den umwölkten Himmel, der sich lichtete, stieg auf wie Vögel, die hoch und frei in den Abendhimmel fliegen – furchtlos im Wissen eines strahlenden Morgen.49

44 45 46 47 48 49

Ebd., S. 128 f. Ebd., S. 130. Ebd., S. 122. Ebd., S. 146. Ebd., S. 183. Ebd., S. 186.

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II. Gertrude von Schwarzenfeld: Karl V. – Ein Ahnherr Europas?

Diese Vision Europas, die Gertrude von Schwarzenfeld 1938 schildert, ging im Zweiten Weltkrieg unter. Nach dem Zweiten Weltkrieg griffen sowohl Gertrude von Schwarzenfeld als auch namhafte Politiker Europas diese Vision eines einigen Europas wieder auf.

3. „Karl V. Ahnherr Europas“ Gertrude von Schwarzenfelds Werk über Karl V. erschien in erster Auflage 1954 in Hamburg. Gertrude von Schwarzenfeld verbindet in ihrem Werk Reiseeindrücke mit historischer Erzählung und persönlichen Reflexionen. Ihre Herkunft aus dem ehemals habsburgischen Prag und ihre katholische Prägung bringt sie an verschiedenen Stellen ihres „Karl V.“ mit diesem in Verbindung, so im ersten Kapitel „El Escorial“: Die Geschichte Habsburgs in Spanien geht mich persönlich an, wie eine Familiengeschichte, die das eigene Wesen prägte. Durch die Glaubenstreue der Habsburger bin ich in einer katholischen Kirche zu Hause, wie im Elternhaus, wo ich im Dunklen meinen Weg fand. Durch Johanna die Wahnsinnige floß spanisches Blut in Ferdinand, dem Bruder Karls V. Mit Ferdinand kam Spanien nach Böhmen.50

Gertrude von Schwarzenfeld verbindet die Geschichte der Habsburger in Europa und in ihrer böhmischen Heimat in „Karl V.“ also mit ihrer eigenen persönlichen Geschichte; sei es durch die gewählte Form eines Reiseberichts durch Spanien, um sich dem Kaiser zu nähern, sei es durch die vom katholischen Glauben geprägten persönlichen Verweise: Karl V. […] verbindet mich hier in Spanien mit einem Österreich, das untergegangen ist. Der Habsburger Doppeladler, der daheim in Böhmen zerschlagen wurde, nimmt hier einen Ehrenplatz ein und festigt den Boden unter meinen Füßen zur Heimaterde.51

Das Werk „Karl V. Ahnherr Europas“ ist zunächst als Reisetagebuch konzipiert worden und hat diesen Charakter auch behalten. Die Gliederung erfolgt anhand von Orten in Spanien (El Escorial, Madrid, Toledo, Granada, Sevilla, Córdoba, Yuste). Von Schwarzenfeld begründet die Benennung Karls V. als Ahnherr Europas in ihrem Vorwort wie folgt: Und es ist wohl kein Zufall, daß die Gestalt des letzten großen Kaisers des Abendlandes heute neue Würdigung erfährt: seine Person rückt uns nahe, weil heute die universale Idee in uns wiedererwacht; sein Scheitern ergreift uns, weil wir fühlen, daß er für ein Grundprinzip Europas kämpfte. Seine lebenslange Bemühung, das Umfassende und Allgemeine über das Selbstinteresse der Teile zu stellen, gewinnt für uns neue Bedeutsamkeit, gilt es doch heute

50 51

Schwarzenfeld, Karl V., S. 11. Ebd., S. 11.

3. „Karl V. Ahnherr Europas“

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Europa als Ganzheit zusammenzufassen und es erneut an die alten, die gemeinsamen, die christlichen Werte zu binden.52

Von Schwarzenfeld sah in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, nach den Übeln, die der Nationalismus und die Ideologien über Europa gebracht hatten, in der Anknüpfung an den Kaiser der Vorreformationszeit ein Idealbild für das zusammenwachsende Europa der 1950er Jahre. Im Schlusswort interpretiert sie Karls Scheitern in dessen Bemühen um die Einheit der Christenheit als den Auftrag, für die Einheit Europas zu wirken: Das Mißlingen der erstrebten Synthese mahnt uns, die Suche nach dem gemeinsamen Wort wiederaufzunehmen, es fordert uns auf, die Mühe um ein geeintes Europa weiterzuführen, es erinnert uns an die versunkene erasmische Mitte, die wieder ans Licht zu heben ist, damit Europa die Mittlerstellung verwirkliche, zu der es berufen ist.53

Eine solche Rückbesinnung auf christliche Werte und Ideale war zu ihrer Zeit sowohl in der Politik als auch im weiteren Geistesleben festzustellen und findet sich zum Beispiel auch in der Idee vom Europäischen Karlspreis der Stadt Aachen.54 In der Ausgabe vom 11. November 1954 veröffentlichte „Die Zeit“ eine Besprechung aus der Feder von Christian E. Lewalter (1892 – 1956; Autorenkürzel bei der ZEIT cel) über von Schwarzenfelds Werk, gemeinsam mit dem im selben Jahr erschienenen „Gedanken über Karl V.“ des Schweizer Historikers und Diplomaten Carl Jacob Burckhardt.55 Darin heißt es: Gertrude von Schwarzenfeld beschreibt dies Kaiserliche an Karl V. mit lebhafter Anschaulichkeit. In sinnreichem Wechsel von sehr persönlich gefärbtem Reisebericht und gewissenhafter Geschichtserzählung bringt sie seine Entwicklung zum Herrscher, seine inneren und äußeren Kämpfe so nahe, wie es bei der örtlichen und zeitlichen Ferne überhaupt nur möglich ist. Ihrem bedeutenden und redlichen Buch wird daher auch derjenige dankbar sein, der ihr nicht folgen kann, wenn sie das Bild der ungespaltenen Christenheit, so wie Karl V. es noch vor Augen haben durfte, in die Zukunft projiziert und es mit heutigen Tendenzen der Wiederverchristlichung und Entwürfen zu einer europäischen Union verknüpft. Da schleicht sich dann doch zwischen die Zeilen das romantische Bedauern über die Auflösung der religiös-politischen Ganzheit des alten Abendlandes ein, und die Gegenkräfte zu Karl V. – Reformation und Gegenreformation, die Nationalstaaten, die Neuzeit überhaupt – werden des Abirrens vom rechten Wege beschuldigt. Aber die Ganzheit hat ja nicht bloß darin bestanden, daß alle abendländischen Menschen denselben Glauben hatten und daß die europäischen Staaten organisatorisch zusammengefaßt waren. Das könnte wie52

Ebd., S. 5. Ebd., S. 345. 54 In der Proklamation zum Karlspreis wird wiederholt von der „abendländischen Kultur“ und der „abendländischen Einigung“ gesprochen; Mitglied der Vergabekommission ist auch der katholische Bischof von Aachen. Siehe: Wilhelm Bonse-Geuking/Michael Jansen (Hg.), 60 Jahre Karlspreis. Beitrag zur europäischen Vollendung. Köln 2010, S. 148. Auf die Bedeutung des Begriffs „Abendland“ wird an anderer Stelle noch eingegangen. 55 Christian Lewalter, Der letzte Kaiser. Zu Schriften über Karl V., in: Die Zeit, 11. 11. 1954, S. 7 – 8. 53

30

II. Gertrude von Schwarzenfeld: Karl V. – Ein Ahnherr Europas? derkehren. Doch unwiederbringlich ist der geistige Horizont der Christenheit um 1500, der noch keinen Zweifel an der Auserwähltheit des Abendlandes einschloß. Unwiederbringlich daher auch die Gestalt Karls V., der sein Leben an die Bewahrung dieses Horizontes setzte. Sein Scheitern hätte keine Größe, wenn es nur Versagen vor Möglichkeiten gewesen wäre, die sich auch irgendwann hätten realisieren lassen.56

Im Handschriftenarchiv der Universität Basel findet sich im Nachlass Burckhardts eine maschinenschriftliche Rezension Burckhardts zu von Schwarzenfelds Werk, die aber nicht publiziert worden ist. Burckhardt schreibt darin: Gertrude von Schwarzenfeld hat ihrem Buch über Karl V. einen Untertitel gegeben, der nachdenklich stimmt. Sie nennt den Kaiser „Ahnherrn Europas“. Wo findet sich dieses Europa, dessen Ahnherr er sein könnte? Wohl in den Hoffnungen und Wünschen der Verfasserin; diese Annahme könnte es ermöglichen, die Quelle des glücklichen Lichtes zu finden, das auf den 350 Seiten dieser schönen, oft tiefsinnigen Darstellung eines so harten, unter so furchtbaren Bedingungen eingespannten Lebens liegt. Vielleicht kann nur eine ihrer Natur treu bleibende Frau über einen solchen Gegenstand in solchem fast beseligten Wohlklang so leicht und immer wieder intuitiv so treffend schreiben. […] Gertrude v. Schwarzenfeld, diese in Prag geborene Oestereicherin, schreibt aus dem Innern ihres Gegenstandes heraus. Sie gehört in die Welt der Ghibellinen und somit des letzten, grossen Kaisers. […] Eine gross angelegte Erzählung des auf weiteste Zukunft wirkenden Lebens schenkt sie uns. Aber in dem sie von Karl V. spricht, berichtet sie mit Anmut von ihrem eigenen Erleben. Sie schreibt ein Bekenntnisbuch in der Form eines ergreifenden Reiseberichtes.[…] Zu Werken aber, die dem Ziel der Vollständigkeit zustreben, könnte für historisch interessierte Leser kein Buch einen helleren Zugang schaffen, als dieses mit dem Herzen geschriebene Reisetagebuch der dichterisch bewegten Oestereicherin.57

An diesem teils hymnischen Lob Burckhardts erstaunen die wiederum teils schroffen, teils versteckten Herabsetzungen und Kritiken am Werk und an der Person von Schwarzenfelds. Offensichtlich hat Burckhardt hier große Vorbehalte gegenüber der Autorin als Frau, die zwar Erleben, Bekenntnis, Hoffnungen und Wünsche anmutig beschreiben könne, von der aber keine historische klare Analyse zu erwarten sei. Dieser Besprechung entsprechen auch andere in diversen Zeitungen, die im Vergleich von Schwarzenfelds und Burckhardts Werken über Karl V. immer dem Werk Burckhardts den Vorzug geben, so in der „Neuen Zürcher Zeitung“ vom 29. November 1954.58 Aus der Besprechung Burckhardts lässt sich schließen, dass 56

Ebd. Universität Basel, Handschriftenarchiv, Signatur C I b 34. 58 „An der Gestalt des großen Habsburgers versucht sich auch die Schriftstellerin Gertrude von Schwarzenfeld.“ Neue Zürcher Zeitung, 29. November 1954. Auch „Neue Volksbildung“, Wien 4/1955: „Mit dem Urteil Burckhardts deckt sich weitgehend das von G. von Schwarzenfeld. Die Verfasserin wollte eigentlich ein spanisches Reisebuch schreiben, sah sich aber eben durch ihre Reiseeindrücke veranlaßt, die Lebensgeschichte des Habsburgers in die Beschreibung einzublenden, so daß wir eine Synthese von Baedeker und Ranke vor uns haben. Solche Darstellungen wirken leicht konstruiert, und auch das vorliegende Werk läßt, obwohl es geistvoll geschrieben ist, keine rechte Freude aufkommen.“ 57

3. „Karl V. Ahnherr Europas“

31

Burckhardt und von Schwarzenfeld sich kannten, auch wenn dazu keine weiteren Quellen bisher aufzufinden sind. In dieser Besprechung wie in Burckhardts eigenen Schriften über Karl V. wird eine deutlich pessimistischere Sicht Burckhardts auf Karl V. und das Europa der 1950er Jahre deutlich. Mit Otto von Habsburg stand Gertrude von Schwarzenfeld nach Auskunft von Ingrid Busch, der Nichte von Schwarzenfelds, in Kontakt.59 Otto von Habsburg nennt in seinem „Karl V.“, 1967 in erster Auflage, 1990 mit dem Untertitel „Kaiser für Europa“ in vierter Auflage erschienen, das Werk von Schwarzenfelds im Literaturverzeichnis (1.–3. Auflage, 4. Auflage ohne Literaturverzeichnis); allerdings wird Gertrude von Schwarzenfeld dort als von Schwarzenberg genannt. Dieser Fehler in der ersten Auflage zieht sich bis in die dritte Auflage durch. Offensichtlich ist dieser Fehler keinem der Lektoren oder Mitarbeiter als auch Leser aufgefallen, ist doch das Haus Schwarzenberg eines der führenden böhmischen Adelshäuser gewesen, die Familie Schwarzenfeld aber erst spät in den Verdienstadel aufgenommen worden. Rainer Wohlfeil ging in seinem Aufsatz „Kaiser Karl V. – Ahnherr der Europäischen Union?“, erschienen in der Festschrift „Außenseiter zwischen Mittelalter und Neuzeit. Festschrift für Hans-Jürgen Goertz zum 60. Geburtstag“ auf das Werk von Schwarzenfelds ein, beschäftigte sich aber eingehender, wie nach ihm auch Alfred Kohler, mit Charles Terlinden und seiner Inanspruchnahme Karls V. für die europäische Idee.60 Nach Wohlfeil entsprach der Titel „Ahnherr Europas“ der Warnung, die schon Peter Rassow 1958 in Bezug auf Dominic Bevan Wyndham Lewis „Charles of Europe“ (1931) bzw. „Emperor of the West“ (1932)61 ausgesprochen hatte, Karl V. als eine falsche Galionsfigur für die europäische Einigungsbewegung in Anspruch zu nehmen.62 Ob der von Schwarzenfeld gewählte Untertitel allerdings, wie Wohlfeil annimmt, „mehr dem werbungsbezogenen Verlangen des Verlages als ihrer Intention entsprochen habe“63, kann in Zweifel gezogen werden. Die Verknüpfung in von Schwarzenfelds Werk zwischen Karl V., ihren Reiseeindrücken und ihrer Gegenwart der 1950er Jahre sind zu vielfältig und nicht nur im Schlusswort, wie Wohlfeil anmerkt,64 zu finden. Allerdings kommt Wohlfeil wenig später selbst auf die vermutete Intention der Autorin zu sprechen, wenn er fortführt:

59

Ingrid Busch an den Autor, 2. August 2014. Kohler, Karl V., S. 370 ff. 61 Dominic Bevan Wyndham Lewis, Charles of Europe. New York 1931, und: Dominic Bevan Wyndham Lewis, Emperor of the west: A study of the Emperor Charles the Fifth. London 1932. 62 Wyndham Lewis’ Werk wurde auch ins Spanische übersetzt: Carlos de Europa, Emperador de Occidente, Buenos Aires 1942. 63 Wohlfeil, S. 222. 64 Ebd. 60

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II. Gertrude von Schwarzenfeld: Karl V. – Ein Ahnherr Europas? Die Biographin beschwor also nicht die Einheit im römisch-katholischen Glauben, sondern nur die alten christlichen Werte als gemeinsames Gut. Sie verband zugleich die Hoffnung auf ein ‘Europa als Ganzheit’ mit der universalen Idee, knüpfte diese aber nicht an die Vorstellung eines geeinten Europas in einer weltweiten Ordnung, wie sie sich in den Vereinten Nationen hätte anstreben lassen, sondern orientierte sich an den politischen Leitvorstellungen eines Kaisers aus dem 16. Jahrhundert.65

Gertrude von Schwarzenfeld sieht in Karl V. den Herrscher, der um die Mitte im Sinne des Erasmus von Rotterdam (1466 – 1536) gerungen habe, um die Einheit im Glauben, und der damit zwischen Luther (1483 – 1546) und dem Papst gestanden habe, von beiden Seiten beargwöhnt. Sie schätzt sein Eintreten um die innere und äußere Einheit von Reich und Glauben, auch in seinem Kampf gegen die osmanische Expansion. Ohne Novalis66 zu nennen, bezieht sie sich doch auf ihn, wenn sie dessen Werk „Die Christenheit oder Europa“ benennt und eine Art Glaubensbekenntnis ablegt: Hier [in Cordoba, bei den Karfreitagsprozessionen, M.P.] lebt die Erinnerung an das Leiden aus Liebe. Hier hat man noch nicht vergessen, was in uns allen wieder aufleben muß, damit es in Wahrheit heißen kann: die Christenheit oder Europa. – In Dir allein ist der neue Himmel und die neue Erde. In Dir ist Auferstehung und unser Heil.67

Gertrude von Schwarzenfeld entstammte der habsburgischen Welt, deren Untergang sie im Vorwort zu „Karl V.“ beschreibt. 1906 in Prag geboren, war sie beim Zerfall des Österreichisch-Ungarischen Kaisertums zwölf Jahre alt. Sie war in diesem habsburgisch geprägten Böhmen aufgewachsen, auf das sie in „Karl V.“ an verschiedenen Stellen eingeht. So schreibt sie über Kaiser Franz Joseph: Kaiser Franz Josef [!], der die österreichischen Länder mit der gleichen Gewissenhaftigkeit verwaltete, wie Philipp II. das weltweite spanische Reich des 16. Jahrhunderts, hielt bis in die Zeit des Ersten Weltkrieges in der Mitte Europas die gleichen christlichen Prinzipien aufrecht, für die Karl V. und Philipp II. gelebt und gekämpft hatten. Fronleichnam, das Lieblingsfest Karls V., bildete auch in Österreich einen Höhepunkt des Kirchenjahres. Kaiser Franz Joseph schritt noch im Alter in seiner weiß und roten Generalsuniform hinter dem Allerheiligsten durch die Straßen Wiens.68

65

Ebd., S. 223. Zu Novalis siehe im Kapitel zu Otto von Habsburgs Karl V. Und: Carl Paschek, Nachwort zu Novalis „Die Christenheit oder Europa“, Stuttgart 2010, S. 147 f. 67 Schwarzenfeld, Karl V., S. 240. 68 Ebd., S. 12. Die besondere Wirkung des Fronleichnamsfestes in Wien unter Anwesenheit von Kaiser Franz Joseph beschreibt auch Joseph Roth in Radetzkymarsch, Köln 1989, S. 234 f. „Vom Stephansdom dröhnten die Glocken, die Grüße der römischen Kirche, entboten dem Römischen Kaiser Deutscher Nation. Der alte Kaiser stieg vom Wagen … und ging in die Kirche wie ein einfacher Mann; zu Fuß ging er in die Kirche, der römische Kaiser Deutscher Nation, umdröhnt von den Glocken.“ Ganz selbstverständlich wird der österreichische Kaiser hier auch als Kaiser des Heiligen römischen Reichs gesehen. 66

3. „Karl V. Ahnherr Europas“

33

Schwarzenfeld sieht in Spanien das Ideal eines katholischen Landes und damit wohl auch das Ideal für ein christliches Europa. Auffällig ist auch hier wiederum der Begriff des Abendlands, auf den unten noch eingegangen wird. Spanien ist nur dann ganz es selbst, wenn es diesen Leitgedanken [den christlichen Glauben, M.P.] vertritt. Dann ist es gleichzeitig echtes Abendland. […] Es kann sein, daß Europa heute politisch nicht mehr existiert, daß seine Seele sich von seinem Leib abzulösen beginnt, wie die Seele Athens von Hellas nach dem Peloponnesischen Krieg. – Versichern wir uns daher der Integrität unserer Seele, damit unser wahres Sein sich festige, um zu bestehen.69

Diese Worte, die einem politischen Manifest entstammen könnten, müssen vor der Situation des Kalten Krieges und der Herrschaft Francos in Spanien gesehen werden und sind daher eine deutliche Positionierung der Autorin. Für sie bleibt eine christliche Gesellschaft ein – wie von Karl V. – anzustrebendes Ideal.70 „Es gab eine Zeit, da der Geist des Christentums das Abendland einte.“71 Als „Vorboten“ einer christlichen Renaissance nennt sie den französischen Schriftsteller Charles Peguy (1873 – 1914) und zitiert ihn: „Was wäre ein Christentum, das nicht in der menschlichen Gesellschaft Fleisch werden würde?“72 Karl V. sieht sie als einen Verteidiger dieser christlichen Gesellschaft, besonders gegen die Türken73, aber auch gegen die Hussiten74. In der Kathedrale von Toledo schildert Schwarzenfeld ihre Eindrücke beim Anblick der Fahne der Seeschlacht von Lepanto: „Bilder um Bilder. Sinnbilder sind es, die das Herz beglücken. – Hier lebt das christliche Ideal, hier lebt das wahre Abendland, hier lebt das Kreuz.“75 Die Kaiseridee ist für von Schwarzenfeld ein Vorbild für die Idee eines einigen Europas in Fortführung des römischen Reiches und des Reiches Karls des Großen. Diese Idee sieht sie sowohl bei Karl V. als auch bei seinem Zeitgenossen und Widersacher Franz I. (1494 – 1547).76 Sie erinnert an Gattinaras (1465 – 1530) Worte an Karl V.: Sire, da Euch Gott diese große Gnade verliehen hat, Euch über alle Könige und Fürsten der Christenheit zu erhöhen zu einer Macht, die bisher nur Euer Vorgänger Karl der Große besessen hat, so seid Ihr auf dem Wege der Weltmonarchie, zur Sammlung der Christenheit unter einem Hirten.77

Über das Herrschaftsgebiet Karls V. in Spanien, Burgund, dem Heiligen Reich und den österreichischen Erblanden hinaus ist für von Schwarzenfeld das ganze

69 70 71 72 73 74 75 76 77

Ebd., S. 39. Ebd. S. 57. Ebd. S. 58 Ebd. Ebd. S. 61. Auch S. 19 und 57. Ebd. S. 47 Ebd. S. 61. Ebd. S. 65. Ebd. S. 66.

34

II. Gertrude von Schwarzenfeld: Karl V. – Ein Ahnherr Europas?

Europa, das durch die Kultur und den christlichen Glauben geeint sein soll, das anzustrebende Ziel, ein Europa „von Italien bis England, von Spanien bis Polen“78. Der Reformation und Luther steht Schwarzenfeld als bekennende Katholikin ablehnend gegenüber, obschon es für sie möglich ist, „Luthers Auftreten, vom Zeitlichen her gesehen, positiv zu werten, sein Eingreifen in die überzeitliche Lehre der Kirche aber abzulehnen“79. Das eigentliche reformatorische Anliegen sei zu sehr von politischen Interessen überlagert worden,80 die Folge sei eine übertriebene Vaterlandsliebe statt der Gottesliebe.81 So sei dann für Ulrich von Hutten (1488 – 1523) Karl V. nur noch der „Kaiser der Deutschen“ und nicht mehr der universale Kaiser, der Hüter der respublica christiana.82 Karl V. ist für von Schwarzenfeld der Verteidiger des Glaubens, der das „Heiligtum des Glaubens durch die stürmische See der Zeit“ trägt, wie Rudolf von Habsburg (1218 – 1291) einen Priester mit dem Allerheiligsten Sakrament auf sein Pferd gehoben habe.83 Allerdings weist von Schwarzenfeld auch deutlich auf den Reformbedarf der Kirche zu Luthers Zeiten hin; so spricht sie z. B. von den verkauften Kardinalshüten zur Zeit Clemens VII. (1478 – 1534)84 Als Folge der Reformation sieht sie – statt der Gewissensfreiheit – den „gewissenhaften Gehorsam“85 und den historischen Materialismus, der in der Verneinung des freien Willens wurzele und auf dem gesamten sowjetisch-dominierten Osten laste. Die Folgen der Reformation seien dann eine Abkehr vom Humanismus und eine Radikalisierung sowohl auf Seiten der Protestanten wie auch der katholischen Gegenreformation: Calvin überspitzte noch Luthers Prädestinationslehre, und Ignazius [!] von Loyola sah im ,Kadavergehorsam‘ gegenüber der geistlichen Obrigkeit das Heil der katholischen Seele.86

Den Extremen wie Calvin (1509 – 1564) und Ignatius von Loyola (1491 – 1556), aber auch Heinrich VIII. (1491 – 1547) stellt sie Erasmus von Rotterdam und Karl V. gegenüber, die für die Mitte stünden: Erasmus stand am Ende seines Lebens auf der Seite des Konservatismus. In seiner Altersschrift ,Von der lieblichen Eintracht der Kirche‘ versuchte er noch einmal, die Einheit der Kirche zu retten. Noch einmal hielt er den Abgefallenen das Ideal der einigen Herde vor Augen – umsonst: der Zeitgeist strebte in die Zersplitterung.87 78

Ebd. S. 72. Ebd. S. 78. 80 Ebd. S. 75. 81 Ebd. S. 73. 82 Ebd. S. 86. 83 Ebd. S. 91. Siehe dazu auch: Friedrich Schiller, Der Graf von Habsburg, in: Friedrich Schiller, Sämtliche Gedichte und Balladen. Hgg. von Georg Kurscheidt Frankfurt/M. 2004, S. 264 – 267. 84 Ebd. S. 141. 85 Ebd. S. 145. 86 Ebd. S. 147. 87 Ebd. S. 147. 79

3. „Karl V. Ahnherr Europas“

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Der Kaiser aber schwanke zwischen katholischer Strenggläubigkeit und humanistischer Reformbereitschaft und sei doch immer aufs Neue von der Politik der Päpste, so von Clemens VII., enttäuscht gewesen.88 Auch an anderer Stelle verweist Schwarzenfeld auf die Reformbedürftigkeit der Kirche zu Luthers Zeit; um sie wusste auch Clemens VII., sah dies aber als der Kirche als Gemeinschaft von Menschen immanent an: Natürlich gab es schlechte Diener des Herrn, Sünder und Heuchler unter den Prälaten; die Frommen waren zu allen Zeiten gezählt, natürlich gab es innerhalb der Kirche Mißbräuche; wo immer sich der Geist im Stofflichen verwirklichte, dort wirkte alsbald die unvermeidliche Korruption alles Irdischen.89

Auch in der Betrachtung von Karls Feldherrn Garcilaso de la Vega (1503 – 1536) findet von Schwarzenfeld den europäischen Geist: Garcilaso stand in seiner getreuen Nachfolge nicht allein da. Charles de Bourbon, der Franzose, Andrea Doria, der Italiener, dienten Karl V. opferwillig. Spanier und Deutsche, Niederländer und Österreicher kämpften oft ohne Lohn für ihren Kaiser. Garcilaso sprach oft von dem ,frommen und tapferen Caesar‘, und seine Bewunderung zeugt von der natürlichen Autorität Karls V. und von der werbenden Kraft der katholischen Idee, die er vertrat.90

Gertrude von Schwarzenfeld fühlte sich in Spanien heimisch, auch wenn die Spanier ihrer Meinung nach das Gemeinsame ihrer Vergangenheit vergessen hätten. Von ihrer Zugfahrt nach Andalusien schreibt sie: Die Mitreisenden betrachteten mich ein wenig mißtrauisch als Fremde. Aber wie sollten sie auch wissen, daß ich durch Carlos Quinto de la Casa de Austria mit Spanien verwandt war? Auch mit ihnen verwandt; hatten wir nicht einen gemeinsamen Ahnherrn? Carlos Quinto.91

Diese Einschätzung einer Gemeinsamkeit zwischen Spanien und den Habsburgern setzte sich allerdings erst spät in der spanischen Historiographie durch. Lange Zeit galt die Herrschaft Karls V. in Spanien, besonders unter liberalen Historikern, als die Herrschaft eines Fremden.92 Erst in einer Phase der konservativen Neuformulierung der Geschichte Spaniens (1875 – 1898) fand nach Millán eine Integration der Habsburger Herrschaft in das spanische Geschichtsbewusstsein statt.93 Millán verweist auf Canovas del Castillo, der die Habsburgische Zeit als die einzige Zeit spanischer Größe sah.94

88

Ebd. S. 170. Ebd. S. 187. 90 Ebd. S. 113. 91 Ebd. S. 121. 92 José Martinez Millán, Historiographie Karls V. in Spanien, in: Dixon/Fuchs, The Histories of Emperor Charles V, S. 95. 93 Ebd., S. 101. 94 Ebd. S. 102. 89

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II. Gertrude von Schwarzenfeld: Karl V. – Ein Ahnherr Europas?

Im Kapitel „Der Sieg von Pavia (1525)“ erinnert Gertrude von Schwarzenfeld an die vermeintliche Friedensliebe Karls V., die in seiner Haltung gegenüber dem französischen König Franz I. zum Ausdruck gekommen sei. Frieden, nicht die Weltherrschaft sei das Ziel des Strebens Karls V. gewesen.95 Der Friedenswille des Kaisers und sein Wunsch nach Einigkeit der christlichen Welt aber sei von Franz I. enttäuscht worden, gerade in der Stunde der „Türkengefahr“, als die Zusammenarbeit der Universitas Christiana gefordert gewesen sei. In dieser Respublica Christiana sah Karl V. nach Meinung von Schwarzenfelds die Grundkonzeption eines vereinigten Europas. Im Mangel an Form besteht für von Schwarzenfeld das Übel ihrer Gegenwart, im Hass gegen jede Prägung und jeden übergeordneten Wert. Diese Klage findet sich auch in ihren weiteren Werken. Hier setzt sie diese Klage fort: „Was wir Europa nennen, ist nur dies: eine Mühe um Form – ein Aufschwung, eine höhere Stufe zu erreichen, eine immer erneute Anstrengung, immer neue Leistung der Kunst.“ Der Gedanke der Einheit findet sich für Schwarzenfeld sowohl im Festhalten Karls an Burgund wie an der Einheit der Christen: Die Frage von Burgund blieb offen: das Gebiet wurde Frankreich zugeordnet, Karl V. aber hielt seinen Anspruch aufrecht. Dieser ideelle Besitz genügte Karl V. im Grunde: sein Denken nährte sich mehr aus der Vorstellung denn aus der Wirklichkeit. […] Die gleiche Neigung, sich mit seiner Idee über den tatsächlichen Zustand der Dinge hinwegzutäuschen, äußerte sich auch in seiner Einstellung zur Glaubensfrage: solange nur die endgültige Trennung vermieden wurde, solange nur das Ideal der Einigkeit aller Christen erhalten blieb, solange gab er sich mit Versprechungen und vorläufigen Lösungen zufrieden.96

Durch diese zögerliche Haltung Karls V. sei eine dritte Großmacht entstanden: das England Heinrichs VIII.: Es ist eine Ironie der Geschichte, daß Karl V., dessen Ziel ein einiges Europa war, unwissentlich dazu beitrug, England von Rom und damit von Europa zu trennen. Der Friede von Cambrai wurde ohne Berücksichtigung der Interessen Heinrichs VIII. geschlossen. In diesem Vertrag wurde England gewissermaßen aus Europa hinausgedrängt. Die Insel würde nun ein eigenes [!] Machtbereich außerhalb Europas aufbauen.97

Den führenden Mächten des Westens, den USA und Großbritannien, steht sie skeptisch gegenüber, weil „der Westen vom Angelsachsentum geführt wird, das im Protestantismus wurzelt und der Wesensart Alteuropas entfremdet ist.“ Im Untergang der spanischen Armada Philipps II. sieht sie einen Epochenbruch; sie sieht darin „einen Schiffbruch, der den Niedergang des alten katholischen Europas einleitete und mit dem der Aufstieg des protestantischen Westens begann.“98 Ihre katholischen Überzeugungen verheimlicht Gertrude von Schwarzenfeld nicht, wenn sie schreibt, dass die „Protestanten die Strahlen der Liebe aus den Domen 95 96 97 98

Schwarzenfeld, Karl V., S. 131. Ebd. S. 175 f. Ebd. S. 177. Ebd. S. 303.

3. „Karl V. Ahnherr Europas“

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und Kirchen entfernten“, indem sie die dauernde Gegenwart Christi im Altarssakrament ablehnten.99 Der Deutung Karls V. durch die protestantisch-deutsche Geschichtsschreibung steht sie ablehnend kritisch gegenüber. Man bedenke, dass Karl V. z. B. von Johannes Haller als „Sieger über Deutschland“100 gesehen wurde. Dieser Sichtweise stellt von Schwarzenfeld gegenüber: Die protestantischen Historiker werfen Karl V. vor, daß er dem Interesse der habsburgischen Weltmonarchie die kirchliche Einheit der deutschen Nation zum Opfer brachte. Die kirchliche Einheit, die sie meinen, ist die Einheit in der Lehre Luthers. Eine solche Einheit hätte aus deutscher Erde vollständig die alten religiösen Wurzeln gerissen, die Wurzeln, aus denen uns heute, scheu, doch sicher, ein neuer Frühling, eine neue Gemeinsamkeit, neues Verständnis und die alte Liebe blüht.101

Ähnliche Verweise auf eine nach dem Zweiten Weltkrieg – besonders in Deutschland – heranwachsende ökumenische Bewegung der Christen finden sich auch bei Otto von Habsburgs „Karl V.“, der dann schon auf das Ereignis des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962 – 1965) zurückblickt.102 Kritik bringt von Schwarzenfeld an Geschichtsauffassungen ihrer Zeit vor, wenn sie die Idee des Sacrum Imperium verteidigt: Es ist heute Mode, absolute Ideen zu entwerten, und junge Historiker sind bemüht, den ,Abbau der Bastionen‘ zu betreiben – jener Bastionen überkommener Geschichtsauffassung, zu denen vor allem die Idee des Sacrum Imperium gehört.103

Gerade dieses Sacrum Imperium, diese Reichsidee, ist es, die Gertrude von Schwarzenfeld bewegt, so wie auch Otto von Habsburg104 oder die Schriftsteller, die sich dem alten Habsburger Reich in ihren Werken widmeten, so Joseph Roth105 oder Stefan Zweig106 oder Franz Werfel107: Der übernationale Grundcharakter des Imperiums war in seinem Reich, ,in dem die Sonne nicht unterging‘, neu erstanden. […] Das Zurückgreifen Karls V. auf die gründende Eintracht von Imperium und Kirche war darum nicht ,zeitwidrig‘, sondern sie war ein ,geheiligtes Zurück‘ zu dem Lebensgesetz des Abendlandes.108

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Ebd. S. 245. Johannes Haller, Die Epochen der Deutschen Geschichte, Stuttgart 1950, S. 170. 101 Schwarzenfeld, Karl V., S. 264. 102 Otto von Habsburg, Karl V., Wien 1990, S. 345. 103 Schwarzenfeld, Karl V., S. 202. 104 Otto von Habsburg, Die Reichsidee. Wien 1986. 105 Siehe weiter unten zu Joseph Roth und seinen Werken „Die Büste des Kaisers“, „Radetzkymarsch“ und „Die Kapuzinergruft“. 106 Stefan Zweig, Die Welt von Gestern. Erinnerungen eines Europäers. 107 Franz Werfel, Ein Versuch über das Kaisertum Österreich. Prolog zur amerikanischen Ausgabe von „Aus der Dämmerung einer Welt“, in: Franz Werfel, Zwischen Oben und Unten. München 1975, S. 493 – 520. 108 Schwarzenfeld, Karl V., S. 203. 100

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II. Gertrude von Schwarzenfeld: Karl V. – Ein Ahnherr Europas?

Dem Europagedanken im Geiste der Reichsidee ist das Werk von Schwarzenfelds gewidmet, doch sieht sie auch zu ihrer Zeit die Schwierigkeiten, denen die Europaidee gegenübersteht: Sie sieht das Misstrauen z. B. der Franzosen gegenüber den Deutschen, die von Europa sprächen, aber ein Europa unter deutscher Führung meinten.109 Hoffnungsfroh beendet Gertrude von Schwarzenfeld ihr Kapitel über das Konzil von Trient, in dem sie auch vom Untergang der spanischen Armada schreibt: Es kann sein, daß der Sturm, der sich zur Zeit Karls V. erhob und gegen den Philipp II. sein Leben lang kämpfte, bereits im Abflauen ist, es kann sein, daß das Verlangen nach Individualisierung schon seinen vitalen Zyklus durchlaufen hat und daß die Natur selbst nun die Gesundheit bringen wird – die Harmonie zwischen den Teilen und der Gesamtheit, und daß angesichts der Vernichtung, welche einzelne Glieder des Ganzen bedroht, in der Menschheit Regungen des Erbarmens aufbrechen werden, Regungen der Liebe, vor denen sich auch die im Haß geballte Faust entspannen wird. Es gibt eine Zeit für den Kampf und eine Zeit für den Frieden.110

4. Der Alkazar 1936 – Positionierung Gertrude von Schwarzenfelds zum spanischen Bürgerkrieg In der Abfolge der Kapitel, die sich an Orten Spaniens orientieren und die Geschichte Karls V. erzählen, wirkt die Überschrift „Der Alkazar 1936“ wie ein Fremdkörper. Es ist das einzige Kapitel, in dem Gertrude von Schwarzenfeld ausdrücklich Bezug auf ihre Gegenwart und die Ereignisse des spanischen Bürgerkrieges nimmt. Während des spanischen Bürgerkriegs wurde der Alkazar in Toledo vom 22. Juli bis zum 28. September 1936 von republikanischen Truppen belagert und von francistischen Truppen unter Oberst José Moscardo (1878 – 1956) verteidigt. Der Alkazar in Toledo ist eine Schloss- und Festungsanlage, die unter anderem von Karl V. ausgebaut und erneuert worden war. Die Belagerung und Verteidigung des Alkazar wurde in den folgenden Jahrzehnten von der national-spanischen Seite zu einem nationalen Mythos und zu einer Kriegslegende stilisiert.111 Carlos Collado Seidel geht in seiner Franco-Biographie112 näher auf die Belagerung und Befreiung des Alkazar ein. So sei die Befreiung des Alkazar aus militär-strategischen Gründen zweifelhaft gewesen, da sich durch die Lenkung der national-spanischen Truppen auf Toledo die Eroberung der Hauptstadt Madrid verzögert habe. Francisco Franco 109 110 111 112

Ebd. S. 205. Ebd. S. 304. Walther L. Bernecker, Krieg in Spanien 1936 – 1939. 2. Auflage, Darmstadt 2005, S. 29. Carlos Collado Seidel, Franco. General – Diktator – Mythos. Stuttgart 2015, S. 86 ff.

4. Der Alkazar 1936

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dagegen habe großen Wert auf die Befreiung des Alkazar gelegt; Franco selbst war Absolvent der dortigen Militärakademie der Infanterie gewesen. Entgegen der Propaganda seien auf der Festung nur wenige Kadetten zur Verteidigung eingesetzt gewesen, da sich die Offiziersschüler bereits in den Ferien befunden hätten. Vielmehr sei der Alkazar von Truppen der Falange und der Guardia Civil verteidigt worden; zudem befand sich eine größere Anzahl von Zivilisten in der Burg, vor allem Frauen und Kinder aus der Stadt Toledo.113 Obwohl die Festung nur geringe militär-strategische Bedeutung gehabt hätte, sei sowohl die Belagerung als auch die Verteidigung medial in Szene gesetzt worden, auch über die Erstürmung hinaus. Die republikanischen Truppen versuchten mit Hilfe von Stollen, die unter die Festung gegraben wurden, den Alkazar einzunehmen, während die Verteidiger auf den Entsatz durch national-spanische Truppen unter General Varela (1891 – 1951) warteten. Während der Belagerung wurde der Sohn des verteidigenden Kommandanten, Oberst José Moscardó, von republikanischen Truppen gefangen genommen. Der Chef der den Alkazar belagernden republikanischen Milizen hatte Moscardó in einem Telefonat die Hinrichtung seines Sohnes angedroht, wenn der Alkazar nicht übergeben werde. Moscardó sagte daraufhin seinem Sohn am Telefon: „Empfiehl deine Seele in Gottes Hände, rufe ,Es lebe Spanien!‘ und stirb wie ein Held!“114 Daraufhin wurde Luis Moscardó (1920 – 1936) hingerichtet. Collado Seidel stellt diese Szene der „Opferung des Sohnes“, die auf Gertrude von Schwarzenfeld, wie unten zu sehen ist, großen Eindruck gemacht hat, in zweierlei Beziehung; zum einen mit der alttestamentlichen Erzählung von der Opferung des Isaak durch Abraham (Genesis 22, 1 – 19), zum anderen mit einer spanischen Legende aus der Zeit der Reconquista; der spanische Burgherr Guzmán el Bueno habe im Jahre 1294 bei der Belagerung der Festung Tarifa an der Straße von Gibraltar die Auslieferung der Festung an die Mauren verweigert. Als die maurischen Belagerer mit der Ermordung seines Sohnes gedroht hätten, habe Guzmán diesen sein Schwert von der Festungsmauer hinunter geworfen, woraufhin der Sohn Guzmáns hingerichtet worden sei.115 Gerade diese Szene von Vater und Sohn Moscardó bei der Belagerung des Alkazar wurde in der Zeit nach dem Bürgerkrieg sowohl in literarischen Erzählungen als auch Verfilmungen zum Heldenlied stilisiert: Die italienisch-spanische Koproduktion „Sin novedad en el Alcázar“ (Im Alkazar nichts Neues) von Augusto Genina (1892 – 1957) aus dem Jahr 1940 ähnelt dabei dem Titel Erich-Maria Remarques (1898 – 1970) „Im Westen nichts Neues“.116 Claude Martin verweist dabei auf den Satz, den Moscardó bei der Übergabe des Alkazar an General José Varela nach der Befreiung als vorschriftsmäßige Meldung gesagt habe: Im Alkazar nichts Neues!117 113 114 115 116 117

Collado Seidel, Franco, S. 86. Claude Martin, Franco. Eine Biographie, Graz 1995, S. 103. Karoline Gimpl, Andalusien. Ostfildern 2009, S. 312. Collado Seidel, Franco, S. 88. Claude Martin, Franco, S. 102.

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II. Gertrude von Schwarzenfeld: Karl V. – Ein Ahnherr Europas?

In verschiedenen literarischen Werken, vornehmlich Jugendbüchern, wurde die Verteidigung des Alkazar auch in Deutschland als Heldenlied verbreitet: etwa Erich Dietrichs Kriegsschule Toledo. Des jungen Spaniens Heldenkampf vom Alkazar (1937) und Hellmut Boerners Die Kadetten von Toledo (1942). Auch der katholische Priester Willibrord Menkes verfasste ein Heldenlied vom Alkazar (1937) und Rudolf Timmermanns die Helden des Alcázar. Ein Tatsachenbericht aus Toledo (1937).118 Der Verteidiger des Alkazar Oberst José Moscardó erhielt 1955 das Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.119 Nach Collado Seidel verdichtete sich in der Belagerung und Verteidigung des Alkazar und der Inszenierung des Mythos vom Alkazar der als Befreiungskampf verstandene Bürgerkrieg, bei dem sich die Standfestigkeit, der Wille zur Vereidigung nationaler Werte sowie die Opferbereitschaft im Sinne christlicher Märtyrer manifestierten. Der Alkazar selbst wurde zur nationalen Kultstätte, in dem zum einen der reliquienartig ausgestellte Telefonapparat Moscardós gezeigt wurde, als auch eine aus den Trümmern geborgene, unversehrte Marienstatue. Als Gertrude von Schwarzenfeld den Alkazar besuchte, war dieser noch eine Ruine; das Telefon Moscardós übte auf von Schwarzenfeld aber genau die beabsichtigte Wirkung aus. Nach Pichler120 hat sich die Propaganda über die Verteidigung des Alkazar gegen die Geschichte durchgesetzt und sie in einen Mythos verkehrt. Gertrude von Schwarzenfeld ließ sich bei ihrem Besuch im Alkazar von diesem Mythos überwältigen und wirkte als Schriftstellerin an dessen Verbreitung auch nach der Zeit des Nationalsozialismus in der jungen Bundesrepublik mit. Der Alkazar, so von Schwarzenfeld, sei 1936 „heldenmütig von nationalen Kadetten gegen den Ansturm des roten Toledo verteidigt worden“121. Von Schwarzenfeld nimmt hier einen klaren Standpunkt zur Konfrontation in Spanien ein; ihre katholisch-konservative Verortung lässt diese Positionierung nicht überraschend erscheinen. Besonders angerührt zeigt sie sich beim Anblick des Feldtelefons, von dem aus Moscardó mit seinem Sohn gesprochen habe, bevor dieser von republikanischen Truppen hingerichtet wurde. Sie zitiert aus einer Schrift der Bürgerkriegszeit, die im Geiste Ignatius von Loyolas geschrieben sei: Die Sache, die du verteidigst, ist die Sache Gottes. Sieh dich als Soldat eines Kreuzzugs an, dessen Ziel Gott ist und der in ihn den Sieg legt. Denke, daß du Christus die Nation seiner Vorliebe zurückgeben willst, welche die Sekten ihm entrissen haben. Mögen deine Hand-

118 Vgl. dazu: Bettina Bannasch, Erinnern und Erzählen. Der Spanische Bürgerkrieg in der deutschen und spanischen Literatur und in den Bildmedien. Tübingen 2005. 119 Petra Maria Weber, Spanische Deutschlandpolitik 1945 – 1958 – Entsorgung der Vergangenheit, Saarbrücken 1992, S. 201. 120 Georg Pichler, Der Alcázar von Toledo – die Schaffung eines Mythos. Franquistische Ursprünge und Adaptionen im nationalsozialistischen Deutschland, in: Bettina Bannasch, Erinnern und Erzählen, S. 174. 121 Vgl. Schwarzenfeld, Karl V. S. 108.

4. Der Alkazar 1936

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lungen in der Frömmigkeit beschlossen sein, jener Frömmigkeit, die sich im Gebet gründet, in der Selbstüberwindung und in der Liebe zu Jesus Christus.122

Für Gertrude von Schwarzenfeld sind es die religiösen Kräfte, die „die nationale Erhebung jenes Sommers 1936“ wirksam werden ließen. An dieser Stelle kann schon gesehen werden, dass die Berufung auf Karl V. als eines Ahnherrn Europas und eine Sympathie für das Franco-Spanien ein verbindendes Glied in den Darstellungen sowohl Gertrude von Schwarzenfelds, Otto von Habsburgs, Charles Terlindens und Carl Jacob Burckhardts sind. Wir werden noch darauf zurückkommen in der Analyse der anderen Schriften. Gertrude von Schwarzenfeld legt Wert darauf, die Wurzeln der „nationalen Erhebung“ Spaniens von „den gleichzeitigen Bewegungen in Italien und Deutschland zu trennen“123 : Besonders der antikatholische Charakter des Nationalsozialismus zeigt an, daß es nicht der Wahrheit entspricht, die verschiedenen Gegenpositionen Mittel- und Südeuropas zu der Position des russischen Marxismus auf den gleichen Nenner zu bringen. Einzig Spanien reagierte auf den Machtanspruch des militanten Atheismus aus der Ungebrochenheit seiner christlichen Tradition: das ist zu erkennen, soll nicht mit der Überwindung einer historischen Phase Europas etwas verschüttet werden, das die Essenz echter Erneuerung enthält.124

Gertrude von Schwarzenfeld steht mit diesem Antikommunismus ganz im Zeichen ihrer Zeit in der westlichen Welt.125 Besonders auffällig bei ihr ist die religiöse Deutung des Geschehens, wenn sie beim Gang durch den zerstörten Alkazar, beim Blick auf die Trümmer mit dem habsburgischen Wappen zu der Bemerkung kommt: Inmitten der Trümmer steht aufrecht das Bronzestandbild Karls V. als Sieger von Tunis, zu Füßen den gebändigten Furor, und sieht gelassen auf die umherliegenden Trümmer und Säulen, welche das Habsburger Wappen tragen. Was schadet die Zerstörung des Irdischen, wenn nur die Seele gerettet wird? Der Alkazar wurde zerstört, aber die Seele Spaniens wurde gerettet.126

Zu Tränen gerührt, wie sie schreibt, denkt sie im Zimmer Moscardos an diesen und die Erschießung seines Sohnes durch Truppen des republikanischen Spaniens. Ihr politisches Kapitel über den Alkazar 1936 schließt von Schwarzenfeld mit einer Kritik am Verhältnis Europas zum Spanien Francos: Weil die Welt das Opfer, das hier geleistet wurde, verkannt hat. Weil die zeitgerechte Antwort, die hier ausgesprochen wurde, von fast der gesamten Intelligenz des Westens 122

Ebd. S. 108 Ebd. 124 Ebd., S. 108 f. 125 Vgl. dazu: Stefan Creuzberger/Dierk Hoffmann (Hgg.), „Geistige Gefahr“ und „Immunisierung der Gesellschaft“. Antikommunismus und politische Kultur in der frühen Bundesrepublik (= Schriftenreihe der Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte Sondernummer). München 2014. 126 Schwarzenfeld, Karl V., S. 109. 123

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II. Gertrude von Schwarzenfeld: Karl V. – Ein Ahnherr Europas? verneint worden ist. Diese Verneinung hat den Schritt der Zeit gelähmt, und das westliche Bewußtsein steht sprachlos vor dem unveränderten Herrschaftsanspruch der revolutionären Doktrin, unfähig zur seelischen Gegenwehr, unfähig, aus dem Zwiespalt hinauszuführen, unfähig, die Synthese zu stiften, nach der unsere Zeit verlangt. Ja, glorreiche Ruine, dein Widerstand war notwendig. Aber fordere uns deshalb nicht zu einem Verharren im Gegensatz auf. Laß uns nicht auf den unseligen Wegen des Kampfes suchen, was auf der Ebene des Geistes auszutragen ist! Laß uns in gemeinsamer Wandlung ein neues Bild der Welt schaffen. […] Und ich dachte an ein Wort Schellings, mit dem er seine Schrift ,Von der menschlichen Freiheit‘ beschließt: ,Es ist nicht die Zeit, alte Gegensätze wiederzuerwecken, sondern das außer und über allem Gegensatz Liegende zu suchen.‘ Möge es uns möglich werden, diesen Ausweg in die Höhe zu finden!127

Der spanische Bürgerkrieg wurde von den national-spanischen Aufständischen unter General Franco als Wiederaufnahme der Reconquista und als Kreuzzug verstanden und inszeniert. Dazu gehört auch die Errichtung der Kathedrale im Valle des los Caidos (Tal der Gefallenen), unweit der Grablegen Karls V. und Philipps II. im Escorial. Im Tal der Gefallenen fanden sowohl Francisco Franco als auch der Gründer der Falange José Antonio Primo de Rivera neben etwa 40.000 Gefallenen des Bürgerkrieges ihre Grabstätte.128 Gertrude von Schwarzenfeld schließt sich der Deutung des Bürgerkrieges als Verteidigung des Christentums gegen den Kommunismus ganz offensichtlich an und bezieht damit Position für das Neue Spanien General Francos.

5. Das weitere schriftstellerische Werk Gertrude von Schwarzenfelds Aus den von Gertrude von Schwarzenfeld verfassten Beiträgen für die Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“129 entstand der Band „Das neue Paris. Es begann mit Dada“130, der in der zweiten Auflage als Taschenbuch unter dem Titel „Ich wohne in der Rue Madame“131 erschien. Von Schwarzenfeld schildert hier Begegnungen mit Künstlern und ihren Werken, stellt aber wiederum auch historische und philosophische Reflexionen vor. Sie nimmt Bezug auf ihre böhmische Heimat, den Europabegriff und die Frage nach dem Begriff der Heimat. Auch finden sich autobio127

Ebd. S. 110. Vgl. Walther Bernecker/Sören Brinkmann, Kampf der Erinnerungen. Der Spanische Bürgerkrieg in Politik und Gesellschaft, Nettersheim 2006, S. 204 – 212. 129 In der Zeit von 1955 bis 1959 veröffentlichte Gertrude von Schwarzenfeld siebzehn feuilletonistische Artikel in der Wochenzeitung „Die Zeit“, Hamburg. Siehe: Archiv „Die Zeit“, http://www.zeit.de/suche/index?q=schwarzenfeld%2C+gertrude+von+&from=&to= (17. 4. 2015). Vgl. auch: Gertrude von Schwarzenfeld, Ich wohne in der Rue Madame, S. 13. 130 Gertrude von Schwarzenfeld, Das neue Paris. Es begann mit Dada. Hamburg 1958. 131 Gertrude von Schwarzenfeld, Ich wohne in der Rue Madame. München 1962. 128

5. Das weitere schriftstellerische Werk Gertrude von Schwarzenfelds

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graphische Schilderungen, so über ihren letzten Besuch in ihrer Heimatstadt Prag und die Arbeit an „Karl V.“: Nach einem Aufenthalt in Prag kam ich im Herbst 1946 wieder nach Paris zurück.132 Zu Beginn des Jahres 1948 fuhr ich nach Spanien. Im Januar 1950 kam ich wieder nach Paris zurück. Ich arbeitete an einem Buch über Karl V., das ich in Spanien begonnen hatte und das meine ganze Zeit in Anspruch nahm. Vormittags schrieb ich in meinem Hotelzimmer in der Rue des Accacias, und nachmittags studierte ich Geschichtswerke in der Bibliotheque Nationale.133

Schwarzenfeld stellt wiederum Überlegungen zu Europa an, ausgehend von der Betrachtung des Soldatengrabes am Arc de Triomphe und dem Gedenken an die Opfer des Ersten Weltkrieges: Wir hatten das Opfer nicht beherzigt, das große Opfer auf beiden Seiten, es hätte genügen müssen, um die Zwietracht zu besänftigen und um eine neue Zeit einzuleiten, eine Zeit der Verständigung, der gegenseitigen Achtung, der gemeinsamen Arbeit – würde sie jetzt beginnen?134

Auch schildert von Schwarzenfeld Begegnungen in Paris und in Frankreich mit Politikern, Philosophen und Künstlern, so mit André Malraux (1901 – 1976)135, Jean Paul Sartre (1905 – 1980)136, Salvador Dali (1904 – 1989)137, Albert Camus (1913 – 1960)138, aber auch mit dem wegen seiner Nähe zum Vichy-Regime umstrittenen Schriftsteller Louis-Ferdinand Céline (1894 – 1961)139. Gertrude von Schwarzenfeld erwähnt auch den Fortgang ihrer Arbeit an „Karl V.“: Zu Beginn des Jahres 1954 fuhr ich nach Hamburg, wo mein Buch verlegt wurde. Ich blieb acht Monate und dachte daran, Hamburg zu meiner Bleibe zu machen. – Man muss in dem eigenen Sprachraum leben, sagte ich mir. Denn obwohl ich die französische Sprache beherrsche, bin ich doch nicht in ihr zu Hause. […] Aber im Herbst kehrte ich doch wieder nach Paris zurück.140

Hier wie an anderen Stellen in ihren Werken beschreibt Schwarzenfeld ihre Heimatlosigkeit, ihre unentwegte Reisetätigkeit und ihre Frage nach der Beheimatung. Die Kapitel im Buch sind des Öfteren mit Angaben von Ort und Zeit versehen und umfassen in „Das neue Paris“ den Zeitraum von 1955 bis 1958, in „Ich wohne in der 132 133 134 135 136 137 138 139 140

Schwarzenfeld, Das neue Paris, S. 8. Siehe auch S. 187. Ebd., S. 10 f. Ebd. S. 8. Ebd. Ebd. S. 9. Ebd., S. 35. Ebd., S 261. Ebd. S. 141. Ebd., S. 15.

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II. Gertrude von Schwarzenfeld: Karl V. – Ein Ahnherr Europas?

Rue Madame“ bis 1961; beide Bände unterscheiden sich auch in der Gestaltung; „Das neue Paris“ ist aufwendig bebildert, in „Ich wohne in der Rue Madame“ finden sich dagegen gar keine Bilder; allerdings sind manche Kapitel durch Anmerkungen zum weiteren Leben der besprochenen Personen ergänzt. Von Schwarzenfeld stellt in ihrem Werk auch Überlegungen zur Situation der katholischen Kirche und ihrer Liturgie noch vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962 – 1965) an, die sich in Frankreich offenbar deutlich von der im deutschen Sprachraum gefeierten Liturgie unterschied141, und in Bezug auf Salvador Dali zitiert sie diesen mit seinen Aussagen über eine „Wiedergeburt der katholischen europäischen Tradition“142. Dali wird von ihr mit der bemerkenswerten Aussage zitiert, die er als Rat an junge Künstler in seinen Erinnerungen von 1942 formuliert habe, sie sollten „eine monarchische und katholische Kosmogonie […] besitzen“143. Von Schwarzenfeld zeigt also auch hier, wie in „Karl V.“, wo sie persönlich zu verorten ist. Begriffe wie Erlösung, Hoffnung, Gnade finden sich des öfteren.144 Ihre Gedanken zu geschichtlichen Personen und ihr eigenes fortgesetztes Geschichtsstudium erklärt sie damit, dass „die Gegenwart durch die Vergangenheit bestimmt wird“145. Auf den expressionistischen Maler Bernard Buffet (1928 – 1999) verweisend, gibt sie wohl auch Auskunft über ihren eigenen Lebensweg: Verlust, Leid, Not sind Grunderfahrungen Buffets; er wuchs in einer Welt auf, in der es Konzentrationslager gab, Geiselerschießungen, politische Verfolgung und Marter. Er hat jene Ereignisse nicht vergessen. – Haben wir sie vergessen? Wir haben sie nur verdrängt. Und wir leiden alle an einer ,unbewältigten‘ Vergangenheit.146

Das Werk von Max Ernst (1891 – 1976) betrachtend, deutet sie die Namen seiner Bilder aus den 1920er Jahren als Beschreibung der „Irrsal der Mitte Europas, in der tatsächlich 1918 alles unterbrochen war, die alte Ordnung zerstört, die alten Bin-

141

Schwarzenfeld, Ich wohne in der Rue Madame, S. 11. Ebd., S. 25. Vgl. dazu: Salvador Dali, Das geheime Leben des Salvador Dali. Übersetzung und Nachwort von Ralf Schiebler, München 1984, S. 486 f. Dort auch: „Ich glaube vor allem an die reale und unergründliche Kraft des philosophischen Katholizismus Frankreichs und an die des militanten Katholizismus Spaniens. Nach dem gegenwärtigen Desaster der postmaschinellen und materialistischen Zivilisation der Nachkriegszeit wird Europa in eine mittelalterliche Phase sinken, in der es wieder dahin kommen wird, sich auf die ewigen Fundamente der religiösen und moralischen Kräfte der Geisteskultur seiner Vergangenheit zu stützen […] Denn die Einheit Europas kann und wird nur unter dem Triumphzeichen des Katholizismus geschehen. Und wenn man mich heute fragt, wo die wirkliche Kraft Europas zu finden sei, werde ich antworten, daß sie trotz allen unmittelbaren Anscheins mehr als je zuvor in der Unteilbarkeit seines Geistes liegt, in jener Unteilbarkeit, die in Berninis Kolonnaden Gestalt angenommen hat, den offenen Armen des Abendlands, den Armen des Petersdoms in Rom, der Kuppel der Menschheit, des Vatikans.“ (Ebd.). 143 Schwarzenfeld, Ich wohne in der Rue Madame, S. 11. 144 Ebd., S. 113 und S. 118. 145 Ebd. S. 31. 146 Ebd., S. 38 142

5. Das weitere schriftstellerische Werk Gertrude von Schwarzenfelds

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dungen gelöst waren.“147 Kritische Anmerkungen macht sie zum Begriff der Freiheit bei Albert Camus: Heute müsste man die Jugend des Westens wieder den ritterlichen Sinn des Wortes ,Ich dien‘ lehren, anstatt ihr einzig das Wort ,Freiheit‘ vorzusprechen. Die Aufgabe der älteren Generation wäre es, eine übergreifende Ordnung zu entwickeln, in der sich Freiheit und Dienst ergänzen. Diese Aufgabe ist nicht gegenstandslos geworden, weil sie bisher fehlgeleitet wurde.148

Gertrude von Schwarzenfeld legte 1961 eine Biographie über den habsburgischen Kaiser Rudolf II. (1576 – 1612) mit dem Untertitel „Der saturnische Kaiser“ vor, in zweiter Auflage 1979 mit dem veränderten Untertitel „Ein deutscher Kaiser am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges“.149 Von Schwarzenfeld weist im Vorwort darauf hin, dass über Rudolf II. keine vollständige Biographie vorliege, wohl aber in der Literatur z. B. bei Franz Grillparzer (1791 – 1872) oder Hugo von Hofmannsthal dieser Kaiser Beachtung gefunden habe. Auch weist von Schwarzenfeld darauf hin, dass ihre Beschäftigung mit Rudolf II. mit ihrer eigenen Lebensgeschichte in Verbindung steht, nämlich mit ihrer Jugend in Prag: Während meiner Jugend in Prag lebte Rudolf II. für mich in der Legende. Er gehört zu den Mauern dieser alten Stadt, die er zu seiner Residenz erwählte, und sein vielschichtiges Wesen und seine Schwermut sind in sie eingegangen.150

Gertrude von Schwarzenfeld ging – nach ihren Angaben – bei der Arbeit an „Rudolf II.“ ähnlich vor wie bei „Karl V.“: sie bringt persönliche Eindrücke der Lebensorte mit dem Quellenstudium in Verbindung; so verweist sie auf persönliche Briefe Rudolfs, auf Berichte der Nuntien und Gesandten und verbürgte Aussprüche Rudolfs, die sie für ihre Arbeit an der Biographie herangezogen habe.151 Im Vorwort für die zweite Auflage verweist die Autorin auf neuere Veröffentlichungen, die zu Rudolf II. in Prag, Oxford, Paris, Wien und New York erschienen sind. Auch seien 1962 in der Prager Burg Gemälde aus der rudolfinischen Sammlung aufgefunden worden und in Wien 1976 ein Inventar der Kunstkammer Rudolfs veröffentlicht worden.152 In Rudolf II. sieht Gertrude von Schwarzenfeld einen Mann, der das Getrennte zusammenführen wollte und für ihre Gegenwart eine bleibende Bedeutung habe. In ihrem Schlusskapitel schreibt sie: Aber das Andenken an den friedliebenden und kunstverständigen Kaiser Rudolf II. lebt weiter. Sein Bemühen, aus den erstarrenden Fronten seiner Zeit hinauszustreben, ist ein 147

Ebd. S. 123. Ebd. S. 136. 149 Vgl. zu Rudolf II. bei Schwarzenfeld, Carolin Pecho. Fürstbischof. Putschist. Landesherr, S. 37. 150 Schwarzenfeld, Rudolf II., München 1979, S. 8. 151 Ebd. 152 Ebd. 148

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II. Gertrude von Schwarzenfeld: Karl V. – Ein Ahnherr Europas? Impuls, den wir heute empfangen und der uns anregt, auf unsere Weise den Weg in einen weiteren Raum zu suchen, ein Raum, in dem das Gegeneinander sich in ein Miteinander verwandelt und die alten Streitfragen ihre Virulenz einbüßen, weil neue Kräfte dem Überweltlichen zuströmen. So geht an diesem Kreuzpunkt des Geschehens das tiefste Wollen Rudolfs II. in unser Leben ein.153

Von Schwarzenfelds „Rudolf II.“ wurde in „Die Zeit“, für die von Schwarzenfeld als Redakteurin in Paris gearbeitet hatte, von Rolf Schneider ablehnend besprochen.154 So heißt es dort: Frau von Schwarzenfeld fiel auf als Verfasserin einer vielgelesenen Biographie über Habsburgs Karl V.; hier behandelt sie dessen Enkel. Frau von Schwarzenfeld ist böhmischaristokratischer Abkunft, und mit solchen Biographien bewältigt sie eingestandenermaßen auch etwas die eigene. Das erbringt Leidenschaft, Wortseligkeit und mangelnde Distanz. Rudolf II. vereinigte gleich drei verbreitete Eigenarten der Habsburg-Dynastie: Er war ein Mann des politischen Schlendrians, er war ein Hedonist und er war geisteskrank. Von diesen drei Eigenarten hatte die erste die drastischsten Auswirkungen; durch allgemeines Laissezfaire – Karl Kraus nannte so etwas Schlamperei, Robert Musil nannte es Gewurstel – wurden konfliktgeladene Arrangements sich selber überlassen. Erwies sich, daß sich dadurch zunächst jedenfalls nichts verschärfte, wurde endgültig alles vertagt. Sein Hauptverdienst ist ein kunstgeschichtliches: Er führte Prag einer (nach Karl IV.) zweiten architektonischen Blüte entgegen. Auch den Naturwissenschaften seiner Zeit war er zugeneigt, er förderte Kepler und Tycho Brahe. Dies alles erfolgte indessen beinahe unfreiwillig. Rudolf, neurotisch disponiert seit seinen Anfängen, war ein Adept von Alchemie, Astrologie und schwarzem Hokuspokus, und sein Kunstsinn sieht dem Fetischismus zum Verwechseln ähnlich. Biographin Gertrude von Schwarzenfeld will das so nicht wahrhaben. Sie läßt sich mit anderen Geschichtsschreibern auf den etwas sinnlosen Streit ein, was an Rudolf und seit wann Rudolf psychopathisch war. Vieles, das ziemlich eindeutig als ein Ausfluß geistiger Verwirrung zu deuten ist, erscheint bei Frau von Schwarzenfeld als Indiz der hochraffinierten staatsmännischen Weisheit. Zu diesem Zweck muß sie allerlei Afterwissenschaften als Hilfsdisziplinen bemühen. Beispielsweise zieht sie allen Ernstes C. G. Jungs Animismus zur Erklärung historischer Phänomene heran, selbst die Parapsychologie kommt ihr gelegen; während sie sich in kunsthistorischen Begriffen, etwa dem des Manierismus, ziemlich verheddert. Solcherart gelingt ihr am Ende ein tragisch vereinsamter Rudolf, Verschnitt aus kreuzbravem historiographischem Positivismus und viel Bizarrerie im Stile Gustav Meyrinks. Mit dem geschichtlichen Rudolf hat er vermutlich nur die äußeren Daten gemein.

Die schroffe Ablehnung des Werkes durch einen Redakteur der Zeitung, für die von Schwarzenfeld selbst geschrieben hatte, überrascht. Hier zeigt sich wohl eine veränderte politische Ausrichtung der „Zeit“.155 Gleichwohl wird die Biographie z. B. von Golo Mann (1909 – 1994) in seinem „Wallenstein. Sein Leben erzählt von Golo Mann“ in der Literatur-Angabe aufgeführt und als für seine eigene Arbeit als 153

Ebd., S 263 f. Rolf Schneider, Kaiser von Habsburgs Gnaden, Die Zeit 14. 11. 1980, nach: http://www. zeit.de/1980/47/kaiser-von-habsburgs-gnaden/komplettansicht?print=true, 17. 4. 2015. 155 Siehe oben zum Verhältnis von Gertrude von Schwarzenfeld zur Wochenzeitung „Die Zeit“. 154

5. Das weitere schriftstellerische Werk Gertrude von Schwarzenfelds

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förderlich erwähnt.156 Auch Karl Vocelka erwähnt die Biographie in seinem Werk „Die Familien Habsburg und Habsburg-Lothringen. Politik-Kultur-Mentalität“ in der Auswahlbibliografie.157 Gertrude von Schwarzenfeld legte mit „Südfranzösische Reise“158 1963 erneut einen Reisebericht vor, in dem sie Reiseeindrücke, persönliche Reflexionen und religiös-philosophische Gedanken miteinander verbindet. Auch dieses Buch hat sie, wie „Fernes Land“ selbst illustriert. Hier wiederum findet sich ebenfalls die Frage nach der Heimat wieder; in einem Gespräch mit einer Mexikanerin, die sie in Südfrankreich kennenlernt: Ich stamme aus Böhmen, altem Keltenland, darum bin ich gern in Gallien, besonders in der Bretagne. Aber ich fühle mich auch in England sehr wohl und in Portugal – das macht die Frage, wo ich mich dauernd niederlassen soll, sehr kompliziert.159

Die Autorin verbindet wiederum Reiseeindrücke mit historischen Reflexionen und Betrachtungen über Künstler, auf deren Werke sie stößt, so etwa in Vence die Erinnerung an Papst Paul III. (1468 – 1549), Franz I. und Karl V.160 Auf ihrer Reise besuchte sie auch Chagall (1887 – 1985) und fühlte sich bei der Begegnung mit seinen Bildern an ihre Jugendtage in Prag und ihre Heimat in Böhmen erinnert: An den Wänden hingen Chagallbilder – ultramarinblau und zinnoberrot. Diese ungebrochenen Farben versetzten mich mit einem Male aus der zartgrauen, rosa und olivgrünen Provence weg nach Böhmen. So blau und rot waren die Trachten der Slowakinnen gewesen, die in Prag zuweilen das Straßenbild aufgehellt hatten, so blau und rot die Muster der slowakischen Töpferkunst. Ich denke selten an Prag, doch hier vor Chagalls Bildern klang der Grundakkord slawischer Schwermut in mir auf, die niemand vergisst, der lange in Prag gelebt hat.161

Gertrude von Schwarzenfeld schreibt dann über Chagall, was wohl auch für sie selbst gelten kann: „Ich fühlte: Er gehört zu jenen, die überall im Exil sind. Ihre eigene Erde liegt in weiter Ferne.“162 In der Begegnung mit dem Werk Picassos (1881 – 1973) fügt von Schwarzenfeld kritische Anmerkungen über Picasso und

156

Golo Mann, Wallenstein. Sein Leben erzählt von Golo Mann, Frankfurt/M. 2000, S. 994 u. 999. Gertrude von Schwarzenfeld verweist auf die Bibliographie in Golo Manns Werk in einem Brief vom 15. 12. 1977 an ihren Verleger Baur-Callway, in dem sie eine Neuauflage von „Rudolf II.“ anregt (Kopie des Briefes freundlicherweise vom Verlag zugänglich gemacht). 157 Karl Vocelka, Die Familien Habsburg und Habsburg-Lothringen. Politik-Kultur-Mentalität. Wien 2010, S. 215. 158 Gertrude von Schwarzenfeld, Südfranzösische Reise, Hamburg 1963. 159 Ebd., S. 25. 160 Ebd., S. 38 und S. 40. 161 Ebd., S. 45 f. 162 Ebd., S. 46.

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II. Gertrude von Schwarzenfeld: Karl V. – Ein Ahnherr Europas?

dessen vermeintliche Nähe zum Sowjetkommunismus ein.163 In Toulouse besucht von Schwarzenfeld die Grabeskirche Thomas von Aquins (1225 – 1274) und stellt in diesem Zusammenhang Reflexionen über den Theologen und seine Bedeutung an: Und lange war ich mir auch nicht bewusst, wie sehr die Welt, in der ich erwachte – AltÖsterreich – von der Staatslehre Thomas von Aquins geprägt war. Es war eine gestufte Welt, auf das Höchste hin geordnet, ein Ganzes, in dem das Ich liebend aufging und das ihm gleichzeitig Schutz und Schirm gab. Wer solch ein Grunderlebnis in der Seele trägt, hat kein Haus in der Wirklichkeit. So kommt es, dass mir die Häuser der Wirklichkeit nach äußerlichen Normen eingerichtet scheinen, ungeeignet, Geborgenheit zu schenken. Oder war die Geborgenheit, die ich einstmals erfuhr, eine Illusion? Wahrscheinlich, denn sonst hätte sie sich nicht so restlos verflüchtigen können.164

Wie in „Fernes Land“ 1938 findet sich auch in „Südfranzösische Reise“, zur Zeit des Kalten Krieges (Kuba Krise 1962), die Sorge um Europa: Wir leben in einem goldenen Zeitalter der Erdgeschichte und wissen es nicht. Wir leben auf dieser wunderschönen Erde und schätzen diese Lebensstunde nicht, die uns geschenkt ist. Ein Sinn muss in diesem langen Weg der Menschheit liegen, dieser Weg darf nicht in gegenseitiger Vernichtung enden. Enger als jemals sind wir heute verbunden – auch in der Zwietracht. Die Besinnung auf unsere gemeinsamen Anfänge, auf unser gemeinsames Schicksal schafft vielleicht heute schon ein neues Bewusstsein, eine neue Einmütigkeit […]165

Auf ihrer letzten Station in Portiers reflektiert sie anhand der Kirche Saint-Radegonde das Schicksal der Königstochter Radegunde (520 – 587) und wohl auch ihr eigenes, indem sie zunächst den Bischof und Dichter Venantius Fortunatus (540 – 600 oder 610) zitiert: ,Ich sah die Frauen in die Knechtschaft geschleppt, die Hände gebunden und mit fliegenden Haaren. Ich weinte für alle. Ich beweinte meine toten Eltern und muß auch für jene weinen, die am Leben geblieben sind […]‘ Worte, vor mehr als tausend Jahren gesprochen, aber es ist, als sagten sie die Klage heutiger Menschen aus. Auf meinem Heimweg trat ich in die Kirche Saint-Porchaire ein, die in einer belebten Hauptstraße liegt. Im Innern empfing mich andächtige Stille. Viele brennende Kerzen vor der Ikone der Madonne Notre-Dame-duPerpetuel-Secour: Unsere Liebe Frau der immerwährenden Hilfe. Das von Kindheit an vertraute Bild verband mir die Vergangenheit mit dem Augenblick. Die Ferne mit dem Hiersein, sammelte alles Verlorene und gab es mir zurück.166

Verlorene Heimat und Halt im Glauben, hier finden sich wiederum beide Motive aus dem Leben und Werk Gertrude von Schwarzenfelds.

163 Ebd., S. 68: „Picassos politische Sympathien lassen vermuten, daß die Taube die Pax Sovietica bedeutet.“ 164 Ebd., S. 116 f. 165 Ebd., S. 144 f. 166 Ebd., S. 166 f.

5. Das weitere schriftstellerische Werk Gertrude von Schwarzenfelds

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Als letztes Werk veröffentlichte Gertrude von Schwarzenfeld 1977 „Cornwall. König Arthurs Land“167. Auch dies ist wiederum die Verknüpfung von Reisebericht, persönlichem Erleben und historischen Anmerkungen. Hier nehmen allerdings lange Passagen aus den verschiedenen König Artus und Lancelot-Sagen und -Erzählungen breiten Raum ein. Auch hier finden sich wiederum Spuren der Heimatlosigkeit der Autorin. Als sie in England gefragt wird, woher sie stamme, antwortet sie zum einen „aus West-Germany“168, zum anderen aber auch „aus Bohemia“, um dann in einem Dialog zu betonen: „Ich wüßte nicht, welchen Ort ich als Heimatort nennen sollte“. Auf den Einwand, dass doch immer Wurzeln bleiben würden, widersprach sie: „Nicht immer.“169 Am Rande stellt Schwarzenfeld auch in diesem Werk Verbindungen zwischen der Vergangenheit und ihrer Gegenwart her und beklagt den Verlust von Traditionen: Je geringer wir die Tradition achten, umso leichter werden wir zu Opfern schädlicher Einflüsse, umso heilloser ist der Verlust unserer Identität. […] Dort, wo die überlieferten, moralischen Maßstäbe zerbrochen und die letzten Tabus mißachtet werden, muß es zum Dammbruch der ungezähmten Instinkte kommen […] Wie kann nach dem Verlust der frommen Scheu, wie kann nach dem Schwinden der Gottesfurcht die Moral ihre Geltung zurückgewinnen?170

Mit 71 Jahren vollendet Gertrude von Schwarzenfeld ihr schriftstellerisches Werk, sie beendet es mit den Worten: Sagen leben aus einem Wahrheitskern. Wenn an einem trüben Herbstmorgen Glastonbury Tor geisterhaft aus den Nebelschwaden auftaucht, die wie ein See auf der Ebene lagern, so wird die Legende glaubhaft, daß hier die ,gläserne Insel‘ ist, Insula Avalonia‘, das keltische Elysium, jenes freudenreiche Eiland, wo die Abgeschiedenen immerwährendes Dasein haben in der zeitlosen Zeit. – Gewiß, fühlt man hier, es ist so, wie die Kelten dachten, es gibt kein Ende des Lebens, sondern nur die unüberwindliche Jugend der Seele – in der ,anderen Welt‘…171

In diesem Werk beschreibt Gertrude von Schwarzenfeld wiederum das Empfinden von Heimatlosigkeit, von religiöser Hoffnung als auch Misstrauen und Kritik an den Zuständen ihrer Gegenwart, Motive also, die sich durch ihr gesamtes Werk ziehen, dass sie als Frau, als Feuilletonistin und Schriftstellerin, als dauernd von ihrem Mann getrennt lebende Diplomatengattin und böhmische Aristokratin vorgelegt hat. Manches an diesem Werk erinnert an die Geschichtsfeuilletons von Friedrich Sieburg (1893 – 1964), der ebenfalls eine enge Beziehung zu Frankreich

167 168 169 170 171

Gertrude von Schwarzenfeld, Cornwall. König Arthus Land. München 1977. Ebd. S. 105. Ebd., S. 105. Ebd. S. 123. Ebd. S. 211 f.

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II. Gertrude von Schwarzenfeld: Karl V. – Ein Ahnherr Europas?

hatte und der für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ arbeitete, als Gertrude von Schwarzenfeld für „Die Zeit“ aus Paris ihre Berichte verfasste.172 Die Frage nach der Heimat in Prag griff Gertrude von Schwarzenfeld noch einmal in einem Leserbrief an die Frankfurter Allgemeine Zeitung im Jahre 1984 auf, in dem sie auf einen Beitrag über Deutsche und Juden in Prag antwortet: Der Untergang des Prager Deutschtums läßt sich ebensowenig verschmerzen wie der Untergang des Prager Judentums – beides läßt sich nicht voneinander trennen, so vollkommen waren die Prager Juden in das kulturelle Leben Prags integriert – sie waren vor allem Prager Deutsche. Auch nach 1918 hielten sie der deutschen Sprache die Treue und schickten ihre Kinder in deutsche Schulen. Großzügig unterstütze ihr Bürgertum das Neue Deutsche Theater und bestimmte maßgeblich das kulturelle Leben Prags. So umschließ der Schmerz um das Ende des Prager Deutschtums auch das Ende des Prager Judentums.173

Gertrude von Schwarzenfeld erinnert hier an das Zusammenleben in Prag vor der deutschen Besetzung und dem Zweiten Weltkrieg, auch aus persönlicher Sicht, hat sie ja selbst zunächst u. a. für das Neue Deutsche Theater in Prag gearbeitet.

6. Gertrude von Schwarzenfeld als Autorin in „Antaios“ Gertrude von Schwarzenfeld hat außer ihrer redaktionellen Tätigkeit für „Die Zeit“ keine weiteren Aufsätze vorgelegt mit einer Ausnahme: 1963 veröffentlicht sie in der von Ernst Jünger (1895 – 1998) und Mircea Eliade (1907 – 1986) von 1959 bis 1971 herausgegebenen Zeitschrift „Antaios – Zeitschrift für eine freie Welt“174 zwei Beiträge über Rudolf II., die wohl als Ergebnis ihrer Arbeit und Forschung für die Biographie Rudolfs II. betrachtet werden können. Die Ausrichtung dieser Zeitschrift kam von Schwarzenfelds eigenen Intentionen und ihren Rudolf-Forschungen wohl entgegen, wenn Steffen Martus die Idee hinter Antaios so beschreibt:

172 Vgl. Johannes Süßmann, Der Geschichtsschreiber als Flaneur. Friedrich Sieburg und das Geschichtsfeuilleton in Deutschland und Frankreich (unveröffentlichter Vortrag, 2013). 173 Gertrude de Alencar, Deutsche und Juden in Prag, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. 3. 1984, S. 9. Vgl. zum Zusammenleben von Juden und Nichtjuden in Prag, anekdotisch, auch: Friedrich Torberg, Die Tante Jolesch. Oder der Untergang des Abendlandes in Anekdoten. München 1975. 174 Heimo Schwilk, Ernst Jünger. Ein Jahrhundertleben. Eine Biographie. München 2007, S. 496. Interessanterweise ist der Titel dieser von Ernst Jünger herausgegebenen rechts-intellektuellen Zeitschrift „Antaios“ im Jahre 2000 von Götz Kubitschek für seinen Verlag „Antaios“, der in Schnellroda politische Schriften aus dem Kreis der sog. „Neuen Rechten“ verlegt, wieder aufgegriffen worden.

6. Gertrude von Schwarzenfeld als Autorin in „Antaios“

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Nicht zuletzt einer Interpretation der Gegenwart im Lichte des Mythos ist die von Ernst Jünger gemeinsam mit dem Religionswissenschaftler Mircea Eliade in den Jahren 1959 bis 1971 herausgegebene Zeitschrift Antaios. Zeitschrift für eine freie Welt gewidmet, die unter anderem Beiträge zur Religionswissenschaft, zur Philosophie, zu den Künsten, zur Symbolik (der Farben, der Zahlen, der Musik oder des Traums etc.) veröffentlicht, zu den Themen also, die bei Jünger selbst wieder auftauchen. Eine Interpretation seines Werks vor dem Hintergrund dieser Konstellation steht noch aus, dabei lässt sich hier in unvergleichbarer Weise konzentriert sehen, in welchem intellektuellen Klima seine Essays und Kontemplationen entstehen. Die Auslegung des Antaios-Mythos im Blick auf die Moderne übernimmt im ersten Band der Zeitschrift im übrigen Friedrich Georg Jünger (F.G. Jünger 1959), und zwar genau vor einem Abdruck von Friedrich Schlegels Rede über die Mythologie (1800), mit der sich Antaios bewusst in die Traditionen der Frühromantik stellt.175

Martus stellt schon in der Einleitung zu seinem Werk über Ernst Jünger fest: Bislang ist im übrigen weder eine Geschichte der zahlreichen Jünger-Festschriften geschrieben, noch die Konstellation um die Zeitschrift Antaios analysiert worden, […] in der sich wichtige Aufschlüsse über das intellektuelle Feld finden lassen, aus dem heraus Jüngers späte Essayistik entsteht.“176

In Antaios veröffentlichte Gertrude von Schwarzenfeld 1963 „Magica aus der Zeit Rudolfs II.“177 und im selben Band „Prag als Esoterikerzentrum. Von Rudolf II. bis Kafka“178. Beide Aufsätze fassen Aspekte zusammen, die von Schwarzenfeld bereits in der Rudolf-Biographie vorgelegt hatte. So geht sie in „Magica aus der Zeit Rudolfs II.“ auf einige der von Rudolf II. gesammelten Exponate ein, die sich in dessen Wunderkammer in Prag befanden. Auch hier verbindet sie ihre Reflektionen über Rudolf II. mit ihrer Heimatstadt Prag: Es erscheint schicksalhaft, daß gerade Prag im späten 16. Jahrhundert zum Zentrum der geheimen Wissenschaften wurde, Prag, der Herzpunkt Böhmens, eines Landes, das die Römer nicht kolonisiert hatten und das gleichsam – um ein Wort zu verwenden, mit dem Claudel ganz Deutschland bezeichnete – ,schlecht getauft‘ war.179

In dem Beitrag „Prag als Esoterikerzentrum von Rudolf II. bis Kafka“ erinnert von Schwarzenfeld an diverse, von Rudolf II. verwendete Siegel und Symbole und an verschiedene Vertreter einer von ihr sogenannten „Prager Esoterik“ wie Franz Anton Sporck (1662 – 1738) und Kaspar von Sternberg (1761 – 1838), der das Prager Na-

175

Steffen Martus, Ernst Jünger, Stuttgart 2001, S. 187. Ebd. S. 9. 177 Gertrude von Schwarzenfeld, Magica aus der Zeit Rudolfs II., Antaios 1963, Bd. IV, S. 478 – 481. 178 Gertrude von Schwarzenfeld, Prag als Esoterikerzentrum. Von Rudolf II. bis Kafka, Antaios 1963, Bd. IV, S. 341 – 355. 179 Gertrude von Schwarzenfeld, Magica aus der Zeit Rudolfs II., in: Antaios, 4/1963, S. 478. 176

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II. Gertrude von Schwarzenfeld: Karl V. – Ein Ahnherr Europas?

tionalmuseum mitbegründete.180 In einem von ihr zitierten Goethe-Wort klingt wohl auch ihr eigenes Bedauern mit: Von dem Zusammenleben zweier Sprach- und Dichtungssphären gibt uns Böhmen jetzt ein merkwürdiges Bild, worin bei größter Trennung, wie schon der Gegensatz von Detuschem und Slawischem ausdrückt, doch zuletzt die stärkste Verbindung erscheint. Leider blieb diese Verbindung, die Sternberg anstrebte, ohne Ergebnis. Noch einmal – im Jahre 1859 – führte der hundertste Geburtstag Schillers deutsche und tschechische Gelehrte zu einer gemeinsamen Feier in der Prager Karlsuniversität zusammen. Aber die Stunde des Ausgleichs wurde versäumt. Gegenüber dem wachsenden tschechischen Nationalbewußtsein schloß sich der deutsche Kulturkreis in Prag immer hermetischer ab.181

Im Weiteren verweist Gertrude von Schwarzenfeld auf die Aufenthalte Kafkas (1883 – 1924) und Werfels in Prag und sieht in Kafkas Werk eine Verbindung zu Rudolf II.: So fern stehen sie einander nicht, der Träumer auf dem Hradschin und der Dichter der Prager Altstadt. Und vielleicht war das ragende Schloß, das Kafkas Träume beherrschte, die leere Prager Burg, und der geheime Herr des Schlosses der Geist des einsamen Kaisers.182

Den beiden Aufsätzen 1963 folgten keine weiteren der Autorin in Antaios. Im Nachlass Ernst Jüngers findet sich keine Korrespondenz mit Gertrude von Schwarzenfeld, der Nachlass von Schwarzenfelds ist – wie oben bereits erwähnt – vernichtet, so dass über die Gründe für das einmalige Engagement von Schwarzenfelds in Antaios nur gerätselt werden kann. Auch die Frage, wer den Kontakt zwischen Jünger und von Schwarzenfeld vermittelt hat, muss zunächst unbeantwortet bleiben. Die konservative Ausrichtung von Antaios wird der Weltsicht von Schwarzenfelds entsprochen haben.

7. Gertrude von Schwarzenfeld und der österreichische Adel Wie oben schon dargelegt, wurde die Familie Schreitter von Schwarzenfeld nach dem Ende des Heiligen Römischen Reichs im Jahre 1807 von Kaiser Franz I. in den Adelsstand erhoben. Aus der Familie stammt Walter Ritter Schreitter von Schwarzenfeld (1857 – 1938), der in der k.u.k.-Armee den Rang eines Feldmarschall-Leutnants innehatte.183

180

Gertrude von Schwarzenfeld, Prag als Esoterikerzentrum von Rudolf II. bis Kafka, in: Antaios, 4/1963, S. 350. 181 Ebd. 182 Ebd. S. 355. 183 Genealogisches Handbuch der Adeligen Häuser, Adelige Häuser B Band XIII, Limburg/ Lahn 1980, S. 364.

7. Gertrude von Schwarzenfeld und der österreichische Adel

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Andere Familienangehörige übten bürgerliche Berufe aus, wie z. B. Stadtrat, Sparkassendirektor oder Rechtsanwalt. Die Familie wohnte seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in Prag-Karolinenthal.184 Die Mutter Gertrude von Schwarzenfelds, Louise, geboren 1886, starb 1946 in Kosmanos bei Jungbunzlau in der Tschechoslowakei und entstammte dem Bürgertum (geborene Schram). Der Vater Gertrude von Schwarzenfelds, Karl von Schwarzenfeld, geboren 1880, war Rechtsanwalt und starb 1968 in Dieburg/Hessen.185 Die Familie Schreitter von Schwarzenfeld gehörte nicht zum Hochadel in Österreich; erst spät in den Adelsstand erhoben, gingen die Angehörigen bürgerlichen Berufen nach, konnten nicht ausschließlich von ihrem Besitz leben und schlossen Ehen innerhalb des Bürgertums. Dies unterschied sie deutlich vom Hochadel. Auch wurden in Österreich vergleichsweise viele Offiziere oder Personen mit Verdiensten für den Staat in den Adelsstand erhoben. So erfolgten zwischen 1701 und 1918 12408 Nobilitierungen, von denen 85 % auf die unterste Adelsstufe entfielen.186 Dieser Neu-Adel ist nach Hannes Stekl eine bürgerliche Formation geblieben. Adelige sowie neuadelige und bürgerliche Welt blieben jedoch im geselligen Bereich streng getrennt. In der starren Abgeschlossenheit des alten Adels, der selbsternannten ,ersten Gesellschaft‘, von den nobilitierten Aufsteigern, der ,zweiten Gesellschaft‘, welche Gesellschaftsschilderungen seit dem 18. Jahrhundert immer wieder herausstreichen, manifestierte sich ein umfassender Führungsanspruch der ,traditionellen‘ Elite. Kaum jemals traf man einander auf Gesellschaften; die Aristokratie blieb z. B. im ,Adeligen Kasino‘ oder im ,Jockey Club‘ Wiens unter sich; nur selten wurde einem Neuadeligen das in aristokratischen Kreisen übliche ,Du‘ angeboten; streng hielt der Geburtsadel am Prinzip der Endogamie fest und ahndete unebenbürtige Eheschließungen, sofern es nicht um finanzielle Sanierung einer verarmten Familie ging, mit schwerem moralischem Druck, vermögensrechtlichen Nachteilen und sozialer Ausschließung.187

Die von Stekl genannten Kriterien für den Neuadel treffen so auch auf die Familie Schreitter von Schwarzenfeld zu. Gleichwohl gehörte die Familie in Prag zwar zur deutschsprachigen Oberschicht, Zugang zum Hochadel hatte sie aber damit wohl nicht. Im „Jahrbuch der Vereinigung katholischer Edelleute in Österreich“ wird die Familie Schreitter von Schwarzenfeld nicht geführt.188 Obschon also Gertrude von Schwarzenfeld und ihre Familie nicht zum Hochadel der österreichischen Monarchie zählten, stellt sie durch ihre Monographien über Karl V. und Rudolf II., ausgehend von ihrer Heimat Prag, ein Nahverhältnis zur 184

Ebd. Ebd. S. 365. 186 Hannes Stekl, Zwischen Machtverlust und Selbstbehauptung. Österreichs Hocharistokratie vom 18. bis ins 20. Jahrhundert, in: Hans-Ulrich Wehler (Hg.), Europäischer Adel 1750 – 1950, Göttingen 1990, S. 145 f. 187 Ebd. S. 156. 188 Vereinigung katholischer Edelleute in Österreich (Hg.), Jahrbuch der Vereinigung katholischer Edelleute in Österreich, Innsbruck 1937. 185

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II. Gertrude von Schwarzenfeld: Karl V. – Ein Ahnherr Europas?

Monarchie und zum Hochadel her, indem sie zum Beispiel von der Geschichte der Habsburger schreibt, die „sie persönlich angehe“189 oder von Rudolf II., der während ihrer Jugend in Prag für sie in den Erzählungen und Legenden lebendig war.190 In dieser Verklärung der habsburgischen Welt ähnelt Gertrude von Schwarzenfeld den Autoren Joseph Roth, Franz Werfel und Stefan Zweig, die als in den 1930er Jahren heimatlos gewordene Österreicher jüdischen Glaubens sich positiv verklärend der habsburgischen Vergangenheit mit ihrer größeren Gleichberechtigung der Juden erinnern und damit selbst ein Teil dieser k.u.k.-Vergangenheit geworden sind. Im Leben Gertrude von Schwarzenfelds finden sich die Brüche, die mit dem Ende der k.u.k.-Monarchie, dem Entstehen des tschechoslowakischen Nationalstaats, ihrer Ehe mit dem brasilianischen Gesandten José de Alencar und dem damit verbundenen Leben in verschiedenen Ländern, dem Verlust der Heimat mit der Vertreibung der Familie nach 1945 aus Prag und der getrennten Ehe verbunden sind. Gertrude von Schwarzenfeld lebte danach in Paris und Dieburg alleine als Schriftstellerin und Feuilletonistin. Die Erinnerungen an die Heimat in Prag und die Verbundenheit mit der alten österreichischen Welt ziehen sich durch ihr gesamtes literarisches Werk, wie oben gezeigt wurde. Zusammen mit anderen Autoren wirkte sie so mit am „Habsburgischen Mythos“, den Claudio Magris beschrieben hat: Die österreichisch-ungarische Monarchie ging 1918 unter. Doch für ihre Intellektuellen und Dichter, die mit ihr auch ihre Gesellschaft und damit das Fundament ihres Lebens und ihrer Kultur zerstört sahen, für die österreichischen Schriftsteller, die nun in ein neues politisches Klima geworfen wurden, dessen Anforderungen sie ihrer Formung nach nicht völlig gewachsen sein konnten, für sie stellte sich – und stellt sich mitunter noch heute – das alte habsburgische Österreich als eine glückliche und harmonische Zeit, als geordnetes und märchenhaftes Mitteleuropa dar, in dem die Zeit nicht so schnell verging und in dem man es nicht so eilig hatte, Dinge und Empfindungen des Gestern zu vergessen.191

An dieser Erinnerung an das alte habsburgische Europa, dass von Schwarzenfeld in „Karl V.“ und „Rudolf II.“ beschreibt und mit ihren Reiseeindrücken aus Spanien und ihren Kindheitserinnerungen an Prag und Böhmen verbindet, arbeitet von Schwarzenfeld mit, wie vor ihr Franz Werfel, Joseph Roth oder Stefan Zweig und zuletzt auch Richard Wagner mit seinem Werk „Habsburg. Bibliothek einer verlorenen Welt“.192 Durch ihr Werk über Karl V. versucht Gertrude von Schwarzenfeld auch, Karl V. als einen europäischen Erinnerungsort zu etablieren. Hier verbindet sich der Mythos „Habsburg“ mit dem neu zu schaffenden Mythos „Europa“. Zur gleichen Zeit, als Gertrude von Schwarzenfeld ihren „Karl V.“ verfasst, wird mit Karl dem Großen und dem Karlspreis der Stadt Aachen ein anderer Karl als europäischer Erinnerungsort 189

Schwarzenfeld, Karl V., S. 11. Schwarzenfeld, Rudolf II., S. 8. 191 Claudio Magris, Der habsburgische Mythos in der österreichischen Literatur, Salzburg 1966, S. 7. 192 Richard Wagner, Habsburg. Bibliothek einer verlorenen Welt. Hamburg 2014. 190

7. Gertrude von Schwarzenfeld und der österreichische Adel

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gestiftet.193 Später werden Pim den Boer und Heinz Duchhardt eine Reihe europäischer Erinnerungsorte aufstellen, die von Herkules über Aeneas und Antigone über Karl den Großen bis zu Verdun und Guernica reicht. Wie noch zu zeigen sein wird, versuchten konservative Intellektuelle wie Gertrude von Schwarzenfeld und Otto von Habsburg, in solch eine Reihe der europäischen Vorbilder und Erinnerungen Karl V. einzufügen, was ihnen, wie weiterhin zu zeigen sein wird, auch gelang.

193 Georg Paul Hefty, Der internationale Karlspreis zu Aachen, in: Pim den Boer/Heinz Duchhardt/Georg Kreis/Wolfgang Schmale (Hrsg.), Europäische Erinnerungsorte 2. Das Haus Europa, München 2012, S. 83 – 88.

III. Carl Jacob Burckhardt: ein Schweizer erinnert an Kaiser Karl V. 1. Carl Jacob Burckhardt Carl Jacob Burckhardt legte 1954 seine „Gedanken über Karl V.“ vor. Burckhardt wurde am 10. September 1891 in Basel geboren und verstarb am 3. März 1974 in Vinzel, Kanton Waadt in der Schweiz.1 Er war sowohl Historiker als auch Diplomat.2 Als sein literarisches Hauptwerk gilt die von 1935 bis 1967 veröffentlichte dreibändige Richelieu-Biographie. Im Jahr 1937 wurde er vom Völkerbund zum Hohen Kommissar für die Freie Stadt Danzig ernannt. Von 1944 bis 1948 fungierte er als Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK). Carl Jacob Burckhardt wurde als Sohn des Juristen und Politikers Carl Christoph Burckhardt (1862 – 1915) in Basel geboren und studierte Geschichtswissenschaften an den Universitäten Basel, München, Göttingen sowie Zürich und schloss sein Studium 1918 mit der Promotion zum Dr. phil. ab. Er war der Großneffe des Kulturhistorikers Jacob Burckhardt (1818 – 1897). Von 1918 bis 1922 war er Gesandtschaftsattaché in Wien, wo er Hugo von Hofmannsthal kennenlernte; daraus entstand der später von Burckhardt veröffentlichte Briefwechsel. 1926 habilitierte er sich an der Universität Zürich. Drei Jahre später wurde er zum Professor für Neuere Geschichte in Zürich berufen; von 1932 bis 1937 und von 1939 bis 1945 war er darüber hinaus auch in Genf als Professor für Geschichte tätig. 1923 war Burckhardt im Rahmen eines Besuches griechischer Kriegsgefangener in der Türkei erstmals für das IKRK aktiv, zehn Jahre später wurde er Mitglied des Komitees und besuchte in dieser Funktion 1935 und 1936 Konzentrationslager in Deutschland. Am 18. Februar 1937 ernannte ihn der Völkerbund zum Hohen Kommissar für den Freistaat Danzig. Von 1945 bis 1948 war Burckhardt Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK). Burckhardt war darüber hinaus von 1945 bis 1949 Gesandter der Schweiz in Paris. 1954 wurde Burckhardt Preisträger des „Friedenspreises des deutschen Buchhandels“. Die Laudatio hielt der damalige Bundespräsident Theodor Heuss (1884 – 1963). Burckhardt war verheiratet mit Elisabeth de Reynold (1906 – 1989), Tochter von Gonzague de Reynold (1880 – 1970). Gonzague de Reynold

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Carl Jacob Burckhadt, in: Internationales Biographisches Archiv 22/1974. Hierzu: Paul Stauffer, Zwischen Hofmannsthal und Hitler; Carl J. Burckhardt, Facetten einer außergewöhnlichen Existenz, Zürich 1991. 2

1. Carl Jacob Burckhardt

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vertrat in der Schweiz politische Positionen für einen autoritären Staat und pflegte Kontakte zu Salazar und Franco.3 Gonzague de Reynold, eigentlich Frédéric Gonzague Graf Reynold de Cressier, war ein Schweizer Schriftsteller und Professor aus einer katholischen Patrizier Familie in Freiburg/Schweiz und ein Anhänger autoritärer politischer Ideen. Im Lebensbild Gonzaque de Reynolds, das Aram Mattioli in „Europa Historiker“4 zeichnet, weißt er daraufhin, dass sowohl Robert Schuman (1886 – 1963) als geistiger Vater der Europäischen Einigung als auch Otto von Habsburg zu de Reynold bewundernd aufschauten und gerade Schuman sich von de Reynold zu seinem eigenen europapolitischen Engagement hatte motivieren lassen. Dieses europapolitische Engagement de Reynolds zeigte sich zwar schon nach dem Ersten Weltkrieg, allerdings unter politisch autoritären Vorzeichen in Bewunderung für Mussolini (1883 – 1945) in Italien und Salazar (1889 – 1970) in Portugal. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg ließ de Reynold von diesen autoritären und ständischen Vorstellungen ab. Gleichwohl fanden sich die Begrifflichkeiten vom „Reich“, „Abendland“ und „Mitteleuropa“ immer wieder im Werk de Reynolds. De Reynold hatte ein aristokratisch-konservatives Weltbild, stark vom konservativen Katholizismus geprägt; er publizierte in Wien für die Zeitschrift „Das Neue Reich“, u. a. Beiträge über das Heilige Römische Reich. In Verbindung stand de Reynold in den1920er Jahren auch mit dem Gründer der Paneuropa-Bewegung, Richard Graf Coudenhove-Kalergi. De Reynold hatte die Vision eines Europas, in dem christliche Monarchien wiedererstehen würden oder autoritäre Ständestaaten wie der Salazars in Portugal das Sagen haben würden; er zeigte sich damit als reaktionärer Visionär und wandte sich mit diesen Ideen gegen das Europa, das seit der Französischen Revolution für ihn auf eine „schiefe Bahn“ geraten sei. Dagegen stellte de Reynold seine christlichabendländische Reichsvision. Modellhaft für seine Gegenwart erinnerte er an das fränkische Großreich Karls des Großen und an das Heilige Römische Reich – Gedanken, die sich in der Abendländischen Bewegung der 1950er Jahre dann ebenso finden (siehe unten). De Reynold sah im Heiligen Römischen Reich das historisch erprobte und zeitlos gültige Vorbild für die Europäische Einheit.5 Als Vision für Europa schreibt er über Karl den Großen: „Am nötigsten wäre, dass wir einen Karl den Großen mitsamt seinem Reich wieder fänden. Tatsächlich hängen die Ordnung, die Sicherheit und der Friede in Europa und in der Welt davon ab, dass die beiden Hälften des Karolingerreiches sich verbünden, dass Deutschland und Frankreich sich wieder zusammen finden.“6 3

Aram Matiolli, Zwischen Demokratie und totalitärer Diktatur. Gonzague de Reynold und die Tradition der autoritären Rechten in der Schweiz, Zürich 1994, S. 299. 4 Aram Mattioli, Gonzague de Reynold (1880 – 1970), in: Heinz Duchhardt, Europa-Historiker, S. 193 f. 5 Ebd. S. 197. 6 Gonzague de Reynold, Tragik Europas. Luzern 1935, S. 391 f.

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III. Carl Jacob Burckhardt: ein Schweizer erinnert an Kaiser Karl V.

So Gonazgue de Reynold 1935 in seinem Werk „Die Tragik Europas“. Für 1935, ein Jahr, bevor Hitler (1889 – 1945) das Rheinland von der Wehrmacht besetzen ließ und einen Konflikt mit Frankreich provozierte, beeindruckend unzeitgemäße oder schon visionäre Gedanken des Denkers aus der Schweiz.7 De Reynolds antiliberale Visionen wurden in Österreich, Belgien und Frankreich in rechts-katholischen Kreisen gerne rezipiert.8 1932 nahem de Reynold in Rom an einem vom faschistischen Italien organisierten Europa-Kongress teil, an dem so unterschiedliche Personen wie Stefan Zweig, Hermann Göring (1893 – 1946) Alfred Rosenberg (1893 – 1946) u. a. teilnahmen. Eine Teilnahme von Charles Terlinden an diesem Kongress ist sehr wahrscheinlich. Der Kongress verstand sich auch als Antwort auf die EuropaVisionen von Aristide Briand (1862 – 1932). Gonzague de Reynold vertrat auf diesem Kongress seine Vision von einem „Europa der Vaterländer“, die nach dem Zweiten Weltkrieg dann auch von Charles de Gaulle (1890 – 1970) vertreten wurde. Bis 1942 vertrat de Reynold mit Blick auf Europa einen strikten Antibolschewismus; er sah weiterhin in den Staaten Salazars und Francos anzustrebende ständestaatlich-autoritäre Vorbilder für Europa und in der Wehrmacht einen Garanten gegen ein Vordringen des Kommunismus nach Europa. Nach dem Weltkrieg verordnete sich de Reynold eine „Gewissenserforschung“ und schuf sein siebenbändiges Werk „La Formation de l’Europe“, in dem er den Wert des Christentums für Europa beschwor und die Vorbildfunktion Karls des Großen erneut betonte – damit lag er mit den nun tonangebenden Europäern Robert Schuman, Konrad Adenauer, Alcide de Gasperi (1881 – 1954) und Charles de Gaulle auf einer Linie.9 De Reynold beschrieb damit eine abendländische Euorpa-Idee, die in konservativen Kreisen während des Kalten Krieges weite Verbreitung fand, so ja auch bei Otto von Habsburg. Im Jahre 1959 referierte Gonzague de Reynold auf den Salzburger-Hochschulwochen zum Thema „Der bleibende Beitrag Griechenlands, Roms, Jerusalems zur europäischen Geistes- und Kulturwelt“; der Vortrag erschien später auch als Buch „Europas Einheit. Jerusalem – Griechenland – Rom“10 (1961). Damit fand sich Gonzague de Reynold wieder mit der Idee Coudenhove-Kalergis zusammen, der mit seiner Paneuropa Union und deren Symbolik ein ähnliches Europabild vertrat.11 Charles Terlinden bezieht sich in seinem Werk „Carolus Quintus – Kaiser Karl V.: Vorläufer der Europäischen Idee“ in seinem Schluss auf Gonzague de Reynold: 7 Gonzague de Reynold und Otto von Greyerz schufen mit der Verbreitung des BeresinaLieds von Ludwig Giseke, die das Volkslied mit der Schlacht an der Beresina von 1812 in Verbindung brachten, einen Schweizer Mythos und ein Symbol für die Aufopferung der Schweizer in fremden Kriegsdiensten. 8 Aram Mattioli, Gonzague de Reynold, S. 198. 9 Ebd. S. 202 f. 10 Gonzague de Reynold, Europas Einheit. Jerusalem – Griechenland – Rom. München 1961. 11 Ebd. S. 207 f.

2. „Gedanken über Karl V.“

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Und das Urteil, das in unseren Tagen Gonzague de Reynold ausgesprochen hat: Nach Karl V. hat es noch Kaiser gegeben, doch gab es niemals mehr den Kaiser!12

Mit diesem Wort Reynolds beschließt Terlinden sein Werk; Karl V. war der letzte Kaiser, der letzte Kaiser des Abendlands vor seiner konfessionellen Spaltung. Er verkörpert die Einheit, die politische Einheit Europas und die konfessionelle Einheit des Abendlands. Schon hier sieht man, wie sich die verschiedenen Autoren aus der Schweiz, Belgien und Deutschland in ihren Werken aufeinander beziehen. Bis weit nach seinem Tod blieb Burckhardts Selbstdarstellung seiner Rolle als Hoher Kommissar in Danzig und seinem Kontakt zu Kreisen des deutschen Widerstands relativ unbestritten. 1991 erschien dann eine vom Schweizer Diplomaten Paul Stauffer verfasste Burckhardt-Biographie13, die ausgehend von Quellenstudien unter anderem in Warschau und genauen Textvergleichen am selbst geschaffenen Bild Burckhardts erhebliche Zweifel aufwarf. Unter anderem wurde der Umgang Burckhardts mit Quellen zu seinem Wirken in Danzig angezweifelt, so die Autorenschaft für einen angeblich 1938 verfassten Brief an Marion Gräfin Dönhoff (1909 – 2002) bezüglich deren Verhältnis zum deutschen Widerstand um Claus Graf Schenk von Stauffenberg (1907 – 1944).

2. „Gedanken über Karl V.“ 1954 hat Burckhardt die „Gedanken über Karl V.“ verfasst und mehrfach veröffentlicht, zunächst als Einzelband im Hermann Rinn Verlag14, in zweiter Auflage im Callwey Verlag 196415, dann 1957 in einer Festschrift für Robert Boehringer16 und später sowohl in „Bildnisse“ (1958)17 als auch in „Gestalten und Mächte“ (1961)18, schließlich 1971 in Band 2 „Betrachtungen zur Geschichte und Literatur“ der Gesammelten Werke. Sodann legte Burckhardt zunächst in der Neuen Züricher Zeitung am 21. 9. 1958 „Karl V., der letzte europäische Kaiser“ vor, dann auch in „Universitats“ 2/1959,

12

Charles Terlinden, Carolus Quintus, Karl V. Vorläufer der europäischen Idee, S. 271. Paul Stauffer, Zwischen Hofmannsthal und Hitler; Carl J. Burckhardt, Facetten einer aussergewöhnlichen Existenz. Zürich 1991. 14 Carl Jacob Burckhardt, Gedanken über Karl V. Verlag Hermann Rinn, München 1954. 15 Carl Jacob Burckhardt, Gedanken über Karl V. Verlag Georg D. W. Callwey, München 1964. 16 Erich Boehringer/Wilhelm Hoffmann (Hg.), Robert Boehringer. Eine Freundesgabe. Tübingen 1957, S. 121 – 132. 17 Carl Jacob Burckhardt, Bildnisse. Frankfurt/M. 1958, S. 7 – 26. 18 Carl Jacob Burckhardt, Gestalten und Mächte. Neue, vermehrte Ausgabe. Zürich 1961, S. 109 – 133. 13

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III. Carl Jacob Burckhardt: ein Schweizer erinnert an Kaiser Karl V.

Stuttgart veröffentlicht19. Später hat Burckhardt den Text etwas erweitert als Vorwort zu Royall Tylers „Kaiser Karl V.“ (Stuttgart 1959) beigesteuert20. Das Werk Royall Tylers erschien in der deutschen Übersetzung nach dem Tode Tylers (2. März 1953). Tyler war ein amerikanischer Historiker21, der nach dem Ersten Weltkrieg an den Verhandlungen der Friedensverträge in Paris teilnahm und später beim Völkerbund arbeitete. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete Tyler für das antikommunistische National Comittee for a Free Europe. Burckhardt und Tyler standen seit der Zeit, die Tyler in der Schweiz verbracht hatte, in Kontakt. Das verbindende Element für beide war offenbar die antikommunistische Haltung und die Tätigkeit beider für internationale Organisationen. Burckhardt lobte das Werk Tylers in einem Brief an Otto von Habsburg vom September 1956.22 Otto von Habsburg benennt das Werk Tylers in seinem „Karl V.“. Tyler lobt die herausragenden Verdienste Karls V. für Europa: Unsere Generation ist vielleicht besser imstande, Karl V. zu verstehen und die Dienste zu würdigen, die er Europa geleistet hat, als frühere es vermochten, denen das habsburgische Regime reaktionär erschien, zumal in den Ländern, wo es bis in unsere Zeit herübergereicht hat.23

Tyler spricht hier, wie Lewis, von den Verdiensten Karls V. für Europa und stellt sich so gegen die Kritiker einer Karlsrezeption für die europäische Idee, die vor allem die dynastischen Interessen Karls V. in den Vordergrund stellen. Im Schlusskapitel Tylers würdigt er Karl V.: Der Kaiser hatte aber besser gebaut, als er selbst es wußte. Seine Weltordnung überdauerte in ihren Grundzügen die Jahrhunderte bis 1918, und einige Wirkungen reichen bis in unsere Gegenwart. Wohl kam die napoleonische Sturmflut; als sie sich aber verlaufen hatte, enthüllte sich die Landschaft fast ganz so, wie Karl sie hinterlassen hatte. Das erste seiner politischen Gebilde, das verschwand, war das italienische, und auch dieses hatte dreihundert Jahre ausgehalten; nicht schlecht, wenn man all die Kräfte bedenkt, die an seiner Vernichtung arbeiteten. Der Rest stand auf gut und ehrlich gelegten, der Natur des Untergrundes meisterhaft angepaßten Fundamenten…24 Nicht als ob an dem habsburgischen System nichts verfehlt gewesen wäre, oder gar, als ob es heutzutage wieder zusammengeleimt werden könnte. Aber der Vorzug der altösterreichischen Ordnung, wie sie sich im Rückblick darstellt, lag in der halb-humoristischen, halb-ironischen Einsicht in die Unfähigkeit des Menschen, seine Ziele durch plötzliche Veränderungen zu erreichen; er möge sich lieber mit jener bescheidenen Verbesserung seines Loses begnügen, die ihm geduldige Arbeit bringt, 19 Carl Jacob Burckhardt, Karl V., der letzte europäische Kaiser, in: Universitas. Zeitschrift für Wissenschaft, Kunst und Literatur, 2/1959, S. 123 – 132. 20 Royall Tyler, Kaiser Karl V. Mit einem Vorwort von Carl J. Burckhardt. Stuttgart 1959, S. 7 – 19. 21 Royall Tyler, in: Dictionary of American Biography. 22 Universitätsbibliothek Basel, Nachlass Carl Jacob Burckhardt, G 2770, 26. 23 Royall Tyler, Kaiser Karl V., Stuttgart 1959, S. 24. 24 Ebd., S. 290.

2. „Gedanken über Karl V.“

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als um eines ungewissen Erfolges willen alles aufs Spiel zu setzen. Darin lag der Kern allen politischen und menschlichen Handelns Kaiser Karls V. … In tausend Jahren, von Karl dem Großen bis Napoleon, hat kein Herrscher so viel für die Christenheit bedeutet wie Karl V.25

Ein überschwängliches Lob aus dem Munde eines Historikers aus der „neuen Welt“, verbunden mit einer Einschätzung der habsburgischen Art, zu leben und zu herrschen, die an Franz Werfel oder Friedrich Torberg (1908 – 1979) erinnert. Carl Jacob Burckhardt und Otto von Habsburg standen in brieflichem und persönlichem Kontakt. Für die 1965 erschienene Festschrift „Virtute Fideque“ anlässlich des 50. Geburtstages Otto von Habsburgs steuerte Burckhardt einen Artikel über Kardinal Richelieu unter dem Titel „Kalter Krieg im 17. Jahrhundert“ bei.26 Otto von Habsburg wiederum bezieht sich in seinem Nachwort zu „Karl V.“ auf Burckhardt.27 Zudem schrieb Burckhardt gemeinsam mit Otto von Habsburg an einer Ausgabe von Felix Somarys (1881 – 1956) „Krise und Zukunft der Demokratie“28 die Einleitung und das Schlusswort. In der Universitätsbibliothek Basel liegt ein großer Teil der umfassenden Korrespondenz vor, die Otto von Habsburg und Carl Jacob Burckhardt zwischen 1949 und 1973 geführt haben.29 In seinen „Gedanken über Karl V.“ nimmt Carl Jakob Burckhardt einen ähnlichen Standpunkt wie Gertrude von Schwarzenfeld ein; das Ziel der Politik Karls V. sei „nicht, wie seit Jahrhunderten so viele seiner Beurteiler schreiben, die Vorherrschaft, sondern ihr Gegenteil, die Gemeinschaft der europäischen Nationen“30 gewesen. Gerade nach den Schrecken des Zweiten Weltkrieges erfährt nach Burckhardt das Streben des Kaisers neue Aktualität: Seit dem Verschwinden des einsamen Monarchen haben die europäischen Völker eine an Gedanken und Taten, an von Menschenwitz geschaffenen Mitteln materieller Lebenssteigerung so überreiche Geschichte erlebt, wie keine anderen Geschlechter vor Ihnen: zu welchem Ende hin, weiß kein Sterblicher. Wir wissen nur, daß heute, vielleicht vorübergehend, vielleicht zu spät, in manchen Geistern, nach namenlosen Leiden der Generation und inmitten von nie dagewesenen Bedrohungen eine Hoffnung auf jene alte Schicksalsgemeinschaft entstanden ist, die es erlaubt, das uns so fremd gewordenen Bestreben jener fernen kaiserlichen Gestalt wieder in neuer Weise zu erkennen.31

25

Ebd., S. 291 f. Franzel, Virtute Fideque, S. 23 – 36. 27 Habsburg, Karl V., S. 335 f. 28 Felix Somary, Krise und Zukunft der Demokratie. Mit Vorworten von Otto von Habsburg und Nachworten von Carl J. Burckhardt und Wilhelm Röpke. Autorisierte und durchgesehene Neuauflage der 3. Auflage 1984. Jena 2010. 29 http://aleph.unibas.ch/F/13NF4SN93HB49DIETCXS51589K9M8DB2 J676627KEE JFLHBJJH-54647?func=full-set-set&set_number=092310&set_entry=000003&format=999 (11. 8. 2013). 30 Burckhardt, Karl V., München 1954, S. 29. 31 Ebd., S. 38. 26

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III. Carl Jacob Burckhardt: ein Schweizer erinnert an Kaiser Karl V.

Diesem Streben Karls V. nach Einheit im christlichen Abendland sei kein Erfolg beschieden gewesen; Burckhardt sieht in Karl einen Interpreten Dantes in dessen Vision von der „civitas dei“.32 Anlass für Karls Streben nach Einheit des christlichen Abendlandes sei die Abwehr der äußeren Bedrohung durch den Sultan und der Erhalt der von den reformatorischen Anliegen bedrohten inneren Einheit der Kirche gewesen. Burckhardt sieht in den habsburgischen Landen einen Garanten für den Frieden und in der Zerschlagung der k.u.k.-Monarchie am Ende des Ersten Weltkrieges ein Übel; „harte“ Grenzen seien an die Stelle von „weichen“ Übergängen getreten: Das habsburgische Europa dagegen beruht auf der Fülle der organischen Übergänge. So ist es bis zuletzt noch im späten Donaureich geblieben, bis zu seiner Zerstörung durch westliche Ideologien und schließlich durch Taten des siegreichen Westens im zwanzigsten Jahrhundert. Das eigentlich Habsburgische ist, so wie es in Karl sich ausprägt, dem französischen Grundwesen entgegen. Das alte Preußen, das so stark vom königlichen Zentralismus Frankreichs geformt werden sollte, stand lange der westlichen Großmacht des Kontinents wesenmäßig viel näher. Frankreich hat sich durch die Propagierung seines streng nationalen Prinzips in der Folge an seinen Grenzen nachahmende Gegner geschaffen, die dann für sein eigenes Dasein lebensgefährlicher wurden, als die lose Föderation des habsburgischen Europa es jemals hätte sein können. Von dem heute verschwundenen Hause Österreich aber hat Napoleon auf der Insel Helena gesagt, es verkörpere die Garantie des Friedens.33

Otto von Habsburg hielt 1957 im Herbst eine Festrede über Karl V. in der Dominikanischen Republik. Diese wurde von 1930 bis 1961 vom Diktator Rafael Leónidas Trujillo Molina (1891 – 1961) regiert.34 Zu Trujillo hatte Otto von Habsburg schon während des Zweiten Weltkrieges Kontakt gesucht, um für verfolgte Österreicher Einreisevisa zu erhalten.35 Habsburg schreibt über diese Rede in einem Brief an Burckhardt am 21. Oktober 1957: Ich war soeben in der Dominikanischen Republik, wo die südamerikanischen geschichtlichen Gesellschaften und Akademien ihre Jahrestagung im Zeichen Karl V. abhielten. Ich war dazu eingeladen worden, um bei der Schluss-Sitzung die Festrede zu halten. Für mich war der Besuch in Santo Domingo von ganz besonderem Interesse. Nicht nur ist das Land wirklich schön und sehenswert. Es ist auch dort eine ganz besonders große spanische und Reichs-Tradition zu finden, die sehr weitgehend im Volk verankert ist. […] Ich hatte daher die Gelegenheit wahrgenommen, um Karl V. in die Perspektive des Reichsgedankens zu stellen. Ich möchte Ihnen aber sagen, wie dankbar ich war, dass ich Ihre Schrift „Gedanken über Karl V.“ als einzige Grundlage mitgenommen hatte. Ich habe mir auch erlaubt, viele Ihrer Gedankengänge zu verwenden.36 32

Ebd., S.20 f. Ebd., S. 28. 34 Zu Trujillo siehe: Nikolaus Werz, Rafael Léonindas Trujillo, in: Nikolaus Werz (Hg.), Populisten, Revolutionäre, Staatsmänner. Politiker in Lateinamerika. Frankfurt am Main 2010, S. 450 – 473. 35 Baier/Demmerle, Otto von Habsburg, S. 169. 36 Ebd., G 2770, 32. 33

2. „Gedanken über Karl V.“

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Burckhardt antwortete Otto von Habsburg, als dieser ihm den Text für einen Vortrag über Karl V., den er in Spanien halten wollte, zusandte, am 21. 4. 1958: Der Vortragstext ist meisterhaft, ich kenne wenig Beispiele einer so überzeugenden Evokation, das Ganze ist als Ansprache angelegt, ohne Rhetorik, aber mit rednerischen Höhepunkten und eindrucksvollen Zusammenfassungen. […] In Spanien werden Majestät auf festere Werte und Charaktere stoßen, dort hält man die Vorbilder noch aus.37

Diese briefliche Aussage Burckhardts über Spanien im Jahre 1958 zeigt eine gewisse Bewunderung für das Spanien Francos. Diese Sicht auf Spanien verbindet Burckhardt sowohl mit Gertrude von Schwarzenfeld38, Charles Terlinden39 und auch Otto von Habsburg40. Otto von Habsburg setzte sich, so seine Biographen Stephan Baier und Eva Demmerle in der schon genannten Biographie „Otto von Habsburg. Die Biographie“ massiv „für das unter Francisco Franco weitgehend isolierte Spanien ein“.41 Auch habe General Francisco Franco eine Zeit lang überlegt, Otto von Habsburg die spanische Krone anzutragen.42 Dies findet sich so auch bei Karl Vocelka43 oder Norbert Leser44. Otto von Habsburg gründete nach verschiedenen Veranstaltungen in Spanien, so dem „Eucharistischen Kongress“ in Barcelona 195245 und einer Sommerakademie in Santander46 im selben Jahr das „Centre Européen de Documentation et Information“ (CEDI). Das CEDI sollte die internationale Isolierung Franco Spaniens durchbrechen und Kontakte auf europäischer Ebene herstellen.47 Habsburg antwortete wiederum Burckhardt am 25. Mai 1967 in Bezug auf Habsburgs eigenes Buch über Karl V.: Vielen herzlichen Dank für Ihren so freundlichen Brief bezüglich meines Buches über Kaiser Karl V. Lob von so hoher Warte wie von ihnen zu empfangen, ist wirklich echte 37

Nachlass Burckhardt, Universität Basel, G 2770, 39. Gertrude von Schwarzenfeld, Karl V. Ahnherr Europas. Hamburg 1954, hier vor allem im Kapitel „Der Alkazar 1936“, S. 108 – 110. 39 Siehe im Kapitel über Charles Terlinden. Terlinden war Ehrendoktor der Universität Madrid und setzte sich während des spanischen Bürgerkriegs für die Seite Francos ein. 40 Vanessa Conze, Das Europa der Deutschen. S. 173 ff. 41 Stephan Baier/Eva Demmerle, Otto von Habsburg. Die Biographie. 4. Auflage Wien 2003, S. 262. 42 Ebd., S. 263. 43 Karl Vocelka, Die Familien Habsburg und Habsburg-Lothringen. Politik – Kultur – Mentalität. Wien 2010, S. 72: „Einen anderen Aspekt der politischen Überlegungen der Habsburger spiegelt die Tatsache, dass 1952 der faschistische spanische Diktator Franco den konservativen Otto statt des liberalen Bourbonen Juan Carlos zum König von Spanien erheben wollte.“ 44 Norbert Leser, Skurrile Begegnungen. Mosaike zur österreichischen Geistesgeschichte. Wien 2011, S. 222. 45 Baier/Demmerle, Otto von Habsburg, S. 263. 46 Conze, Europa der Deutschen, S. 173. 47 Vgl. Conze, Europa der Deutschen S. 173 ff. 38

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III. Carl Jacob Burckhardt: ein Schweizer erinnert an Kaiser Karl V. Freude […] Während ich an Karl V. arbeite, habe ich immer wieder für die tragenden Gedanken auf ihre kurzen Studien über den Kaiser zurückgegriffen.48

Otto von Habsburg greift also – wie noch nachfolgend im Kapitel zu Otto von Habsburg zu zeigen sein wird – für seine eigenen Arbeiten auf die beiden BurckhardtTexte zu Karl V. zurück. Burckhardt hatte zur Abfassungszeit einen Ruf als Literat für historische Themen; ihm war die Eigenschaft zuteil, schön und historisch fundiert Portraits zu verfassen, ohne allerdings damit heutigen Maßstäben historischer Wissenschaft zu entsprechen. Somit war Burckhardt eher ein Außenseiter in der Zunft der Historiker. In der Beschreibung Richelieus scheint bei Burckhardt der meisterhafte Diplomat durch, der Burckhardt vielleicht selbst gerne gewesen wäre. Solche historischen Erzählungen finden sich bei Carl Jacob Burckhardt auch in den Sammelbänden „Bildnisse“49 und „Gestalten und Mächte“50. Der kleine Band von Carl Jacob Burckhard über Karl V. wurde 1954 und 1955 in vielen Zeitungen wohlwollend besprochen. Im Nachlass Burckhardts finden sich 38 Rezensionen51, die der Verlag Hermann Rinn an Burckhardt weitergeleitet hat, u. a. in der Neuen Züricher Zeitung, der Süddeutschen Zeitung und der Londoner The Times.52

3. „Karl V. Der letzte europäische Kaiser“ Der Titel „Der letzte europäische Kaiser“ des Aufsatzes von Carl Jacob Burckhardt über Karl V., der in der Zeitschrift „Universitas“ im Jahre 1959 erschien, wirkt wie eine Grundsatzbetrachtung; die Vergangenheit wird mit der Gegenwart des Jahres 1959 in Verbindung gebracht. Der Titel „Der letzte europäische Kaiser“ lässt Parallelen zur Gegenwart erwarten. Gleichwohl wirkt die These zunächst gewagt und scheint sich im Text nicht weiter zu entfalten. Die gleich im zweiten Satz aufgestellte These, „alle wesentlichen Probleme, die dieser […] Kaiser […] zu lösen versuchte, stellen sich unter erhöhtem Druck […] auch heute“53 lässt den Leser aufhorchen und stellt den Gegenwartsbezug her. Der 400. Todestag bietet für diese Art der Betrachtung den Rahmen, obgleich die Wissenschaft in diesem Sinne keine Jubiläen feiert. Auch wenn Karl V. zu allen Zeiten wissenschaftlich betrachtet wurde, bot das

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Nachlass Burckhardt, Universität Basel, G 2770, 56. Carl Jacob Burckhardt, Bildnisse. Stuttgart 1958. 50 Carl Jacob Burckhardt, Gestalten und Mächte, Zürich 1961. 51 Universitätsbibliothek Basel, Nachlass Burckhardt, C I a 9,4. 52 In der Süddeutschen Zeitung vom 6. Januar 1954 etwa: „Wie Burckhardt den unglücklichen, wahrhaft herrscherlichen Kaiser als ein Symbol der abendländischen Einheit beim beginnenden Zerfall in die Nationalstaaten deutet – das überzeugt nicht nur historisch, es gibt dieser fernen Figur auch eine gleichsam innere Aktualität.“ 53 Carl Jacob Burckhardt, Karl V. Der letzte europäische Kaiser (Universitas) S. 123. 49

3. „Karl V. Der letzte europäische Kaiser“

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Jahr 1958 in den Augen des Autors offensichtlich die Gelegenheit zu einer völlig neuen Auslegung. Für Burckhardt öffnete sich also im Heute des Jahres 1958 „für einen kurzen Zeitmoment“54 ein Fenster auf Karl V. als auch in die Ewigkeit. Burckhardt sucht nach einer höheren Weisheit im Leben und Wirken Karls V. für seine Gegenwart. Gleichwohl schränkt Burckhardt diese Möglichkeit, aus dem Streben Karls für das 20. Jahrhundert eine Art „Staatsweisheit“ abzuleiten, gleich wieder ein, da dies „nie zu gelingen scheint“. Somit eröffnet Burckhardt zunächst einen großen Gegenwartsbezug, schränkt diesen dann in Bezug auf praktische Politik ein, nicht ohne sich ein Hintertürchen offenzuhalten. Am Ende des Aufsatzes zitiert Burckhard Eduard Spranger (1882 – 1963): In kämpfenden und chaotischen Zeiten liegt es nahe, den Maßstab fälschlich so zu deuten: Es kommt darauf an, daß ich oder die Gruppe, der ich diene, oben bleibe, d. h. die reale Macht über das irdische Leben behalte. Man macht dann einfach das zum Maßstab, was man, rein empirisch gesehen, selbst ist und kann. Der höhere Maßstab wäre so zu formulieren: Es kommt darauf an, daß die von mir vertretenen Gehalte und Lebensgestalten auch dann noch ihr inneres Recht, ihre höhere Legitimation behielten, wenn das äußere Schicksal über sie verhängte, zugrunde zu gehen.55

Das Zitat von Eduard Spranger56, das sich nur in der Universitas Fassung findet, scheint diese Vergeblichkeit im Wirken Karls V. als auch seiner Interpreten zu unterstreichen, da Spranger hier inneres Recht dem äußeren Schicksal gegenüberstellt. Auch der äußerlich Gescheiterte ist als Sieger zu betrachten, wenn er an seinen Idealen festgehalten hat. Für Karl V. mag das gelten, beim Autor Spranger (das Zitat ist nicht mit einem Verweis auf Quelle und Jahr versehen!) auch in anderer Weise zu verstehen, da die Rolle Sprangers im Nationalsozialismus umstritten ist und dieses Zitat auch in Bezug auf den Nationalsozialismus angewendet werden könnte. Spranger war zwar zum einen Mitglied des Stahlhelms und stand der DNVP nahe, kam aber 1944 in „Schutzhaft“ in Berlin-Moabit. Ungewöhnlich ist auch der Stil, ein Zitat eines im Text nicht genannten Autos seinem Text als Abschluss anzufügen. Deutungsbedürftig sind auch die von Spranger erwähnten „kämpfenden und chaotischen“57 Zeiten. Dies mag ja für 1945 und die ersten Nachkriegsjahre gegolten haben, für 1958/59 ist dies nicht leicht zu verstehen, eventuell ist diese Formulierung aber auch als eine grundsätzliche, auf jede Le54

Ebd. S. 134. Ebd. S. 134. Auch: Eduard Spranger, Staat, Recht und Politik. Gesammelte Schriften Bd. 8, Hgg. von Hermann Josef Meyer, Tübingen 1970, S. 244 f. Der Beitrag „Die Wirklichkeit der Geschichte“, aus dem das Zitat entnommen ist, stammt aus dem Jahre 1936! 56 Vgl. Kurt Aurin, Eduard Spranger, in: Baden-Württembergische Biographien, http:// www.leo-bw.de/web/guest/detail/-/Detail/details/PERSON/kgl_biographien/118616390/biogra fie, abgerufen am 22. März 2016. 57 Carl Jacob Burckhardt, Karl V. Der letzte europäische Kaiser (Universitas) S. 134. 55

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III. Carl Jacob Burckhardt: ein Schweizer erinnert an Kaiser Karl V.

bensphase zu jeder Zeit anzuwendende Erkenntnis. Die Gegenüberstellung von realer Macht, höherem Recht und persönlichem Scheitern ist erklärungsbedürftig; ist Scheitern ein Ausweis von Legitimation? Was sind nun die Probleme der Gegenwart, die Burckhardt so vergleichbar denen Karls V. zu sein scheinen? Zum einen der Wunsch nach Einheit, europäischer und religiöser, die sowohl zu Zeiten Karls V. als auch im durch den Eisernen Vorhang geteilten Europa des Jahres 1959 bedroht oder zerfallen ist. Zum anderen die Gefahr des Nationalismus, bei Karl V. ausgehend von der Politik Franz I. von Frankreich, für Burckhardt in den nationalistischen Irrwegen Deutschlands im 20. Jahrhundert. Zudem auch die „Sozialkonflikte“ damals wie im Heute des Autors, die sich in einem Kampf aller gegen alle auszudrücken scheinen. Von Burckhardt ist wohl auch gemeint: Die Konfrontation des Kalten Krieges und die „Gefahr aus dem Osten“: Bei Karl V. durch die Bedrohung durch das Osmanische Reich, in Burckhardts Zeiten durch die Sowjetunion. Karl gilt für Burckhardt als der Bewahrer der Einheit, gegen Luther, Franz I., den römischen Papst und als Verteidiger der Christenheit gegen das Vordringen des Islam. Für Burckhardt muss sich Karl V. erst entwickeln58 und zur Idee des Universalismus gelangen59, indem er seine burgundischen Wurzeln überwindet, die ihn an eine Restauration eines Großburgunds denken lassen. Burckhardt stellt für das Denken Karls V. Dante (1265 – 1321) und Machiavelli (1469 – 1527) gegenüber: Dante als Vertreter einer christlichen Weltordnung, Machiavelli als Vertreter einer Zweckrationalität und Machtpolitik. Karl steht für Burckhardt auf der Seite Dantes, bzw. versucht einen Mittelweg zu gehen. Karl V. ist für Burckhardt ein Mediator, der in Geduld einen Weg des Ausgleichs zu gehen versucht. Die Gegenreformation geschieht schon „fernab vom Kaiser“, da sie nicht mehr auf Ausgleich, sondern als Kampf erscheint. Karl V. steht stattdessen in den Augen Burckhardts für einen versöhnlichen Katholizismus, der zu echten Reformen bereit gewesen sei. Darin scheitert Karl, sowohl an Luther als auch am Papst. Gleichwohl weiß sich Karl als von „Gott geführt“60, aber er scheitert (siehe Spranger Zitat). Er eilt von Sieg zu Sieg, und verliert trotzdem. Der Text von Burckhardt hat den Stil einer Rede und weist viele rhetorische Elemente auf. Er zeugt von Sprachgewalt, die deutlicher beim lauten Vortrag als beim Lesen hervortritt. Burckhardt benutzt starke attributive Bestimmungen (unendlich, gewaltig, völlig, stählern). Auf heutige Leser wirkt dies mitunter verstörend und an totalitären Redestil erinnernd, ist aber vielleicht einfach eine Sprache des „Weltenbrandes und des Ausnahmezustands“61 in der Konfrontation des Kalten Krieges. 58 59 60 61

Burckhard, Karl V. Der letzte europäische Kaiser (Universitas) S. 124. Ebd. S. 127. Ebd. S.128. Vgl. ebd. S. 124.

4. Carl Jacob Burckhardt und die Europa-Idee

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Die Grundthese von Burckhardt, Karl V. als letzter europäischer Kaiser und gescheiterter Vertreter des Universalismus, der als Vorbild für eine neue europäische Gemeinsamkeit gelten kann, erscheint heute, nach dem Großen Jubiläum des Jahres 2000, das offenbar ganz selbstverständlich mit einer gemeinsamen Ausstellung in Belgien, Spanien, Deutschland und Österreich gefeiert wurde, als Allgemeingut. Im Schlusskapitel wird darauf weiter eingegangen werden. Der „Prophet“ Burckhardt hat sich also in dieser Sichtweise durchgesetzt.62

4. Carl Jacob Burckhardt und die Europa-Idee – Der Briefwechsel mit Richard Coudenhove-Kalergi Obwohl sich Burckhardt in der Deutung Karls V. auf den Gedanken eines geeinten Europas bezieht, steht er der Realisierbarkeit einer solchen Einheit sehr skeptisch gegenüber. Dies zeigt sich besonders in Burckhardts Briefwechsel mit dem Gründer der Paneuropa Union, Richard Coudenhove-Kalergi. So schreibt er diesem am 9. August 1954 über die Bestrebungen Coudenhoves zu einer europäischen Einigung: Ich habe immer und seit Jahren Ihr Werk und Ihre Leistung rückhaltlos bewundert, aber mir fehlt die Möglichkeit, an die Realisierbarkeit der Absicht zu glauben. Es ist nie eine Einheit entstanden, es sei denn im Gegensatz zu einer als gefährlich erkannten Macht. Der mittelalterliche Mensch fühlte gemeinsam im Gegensatz und in der Abwehr gegen die heidnische Welt, der Gegensatz von Christen und Heiden war ihm weit wichtiger als derjenige von Deutschen, Italienern, Franzosen. Die Bedrohung durch den Islam hat das Karolingische Europa, die Bedrohung durch die Türken hat später die Habsburgische Foederation geschaffen. In unserm Jahrhundert zeigte sich ein schwacher Wille, ein kleiner Ansatz von Willen zur Einigung und Abwehr gegen Russland. Das ist nun wieder vorbei. Die russische Friedenskampagne mit ihren taktischen Zielen hat Erfolg auf der ganzen Linie. […] Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, wenn man immer von Europa spricht, an wen wendet man sich eigentlich. Diese paar Bewohner des alten Kontinents, die noch Europäer sind, liessen sich in einem Adressbuch zusammenfassen. Ich verstehe, dass man, so lange diese kleinen europäischen Nationen sich gegenseitig zerfleischten, man ihnen ihre einstige grosse Gemeinschaft in Erinnerung rufen konnte, aber jetzt! Die Engländer sind keine Europäer, die Franzosen sind nur Franzosen, was bleibt noch? […] Damit wird offensichtlich, dass etwas Einzigartiges verloren gegangen ist. Aber die Wurzeln, aus denen diese Einzigartigkeit sich speiste, Griechentum und Christentum, sind verdorrt und sie werden nicht dadurch wieder lebendig, dass man über sie redet.63

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Inwieweit Burckhardt damit, unabhängig von seiner eigenen Verortung, als konservativ oder für das Jahr 1958 als fortschrittlich zu werten ist, scheint dagegen von der Betrachtungsweise abzuhängen. Die Idee einer christlichen Einheit in Bezug auf Karl ist gewiss restaurativ, für das Nachkriegseuropa im Jahre 1958 aber überaus fortschrittlich gegenüber dem Nationalismus der europäischen Staaten. 63 Nachlass Burckhardt, Universität Basel, G 1394, 23.

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III. Carl Jacob Burckhardt: ein Schweizer erinnert an Kaiser Karl V.

Coudenhove-Kalergi antwortete Burckhardt am 23. August 1954 und gestand ihm zu: Ihre Argumente sind logisch und daher pessimistisch: denn alle Logik weist auf den nahen Untergang des Abendlandes, der bereits begonnen hat. Ich will nicht versuchen, Ihre Argumente zu widerlegen, sondern nur, Ihnen meine persönliche Einstellung zu erklären. Diese europäische Grundeinstellung ist die eines heroischen Pessimismus – ebensoweit entfernt vom resignierten Pessimismus der Orientalen wie vom naiven Optimismus der Amerikaner. […] Geschichte ist für mich nicht ein vernünftiger Ablauf kausal bedingter Ereignisse – sondern eine Perlenkette immer neuer Wunder: in dieser Perlenkette ist Platz für das Wunder Paneuropa.64

Zwei Jahre später zeigten sich die unterschiedlichen Sichtweisen auf Europa und seine Einigung wiederum in einem Briefwechsel zwischen Burckhardt und Coudenhove-Kalergi. Burckhardt schrieb unter dem Datum des 15. August 1956: Ich habe erkennen müssen, dass die Gegensätze innerhalb dieser benachbarten Nationen [Deutschen und Franzosen, M.P.] nicht auf geschichtlichem Geschehen, sondern auf einer sehr tiefen, inneren Abneigung beruht, die nie überwunden wurde, sondern auch in Zeiten des scheinbaren sich Verstehens und sogar Bewunderns, wie in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts, auf beiden Seiten auf lauter Missverständnissen beruhte. Ein Chronist der Kreuzzugsepoche schreibt von den Franzosen und von den Deutschen, es herrsche zwischen ihnen „quasi naturalis invidia“, um zu erklären, dass zwei gegen den gemeinsamen Feind angetretene Ritterheere plötzlich und ohne jeden logisch fassbaren Grund übereinander herfielen und sich aufrieben.65

Diese vermeintliche Eifersucht und Uneinigkeit zwischen Franzosen und Deutschen sieht der Schweizer Historiker und Diplomat auch in den 1950er Jahren noch als Vorhanden an. Coudenhove-Kalergi antwortete am 1. September 1956 Burckhardt und geht auf dessen kritische Sicht ein: Es gibt Metalle, deren Legierung schwer ist. Zu ihnen gehören Deutsche und Franzosen. Dies ist aber noch kein Grund, es nicht immer wieder zu versuchen. In der Schweiz ist dies, in kleinerem Rahmen, geglückt. Vielleicht glückt es morgen in Europa.66

Im Briefwechsel mit Coudenhove-Kalergi, dem bekennenden Europäer und Gründer der Paneuropa Union, der allerdings in den 1920er Jahren auch die Nähe zu Benito Mussolini suchte67, äußert sich Burckhardt also zurückhaltend bis kritisch gegenüber der Realisierbarkeit der europäischen Einigung. Anders dagegen in öffentlichen Reden und Veröffentlichungen. Es findet sich in einer programmatischen Europarede, die Burckhardt im Oktober 1954 bei der „freisinnigen Rietbadtagung“68 64

Ebd., G 1394, 24. Ebd., G 1394, 32. 66 Ebd., G 1394, 33. 67 Anita Ziegenhofer-Prettenthaler, Botschafter Europas. Richard Nikolaus CoudenhoveKalergi und die Paneuropa-Bewegung in den zwanziger und dreißiger Jahren. Wien 2004, S. 262 f. 68 St. Galler Tagblatt, 4. Oktober 1954. 65

4. Carl Jacob Burckhardt und die Europa-Idee

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gehalten hat und die später als Vorwort zum Band „Europa – Sein Wesen im Bild der Geschichte“69 im Jahre 1960 erschienen ist, wiederum der Bezug zwischen dem Europa des 20. Jahrhunderts und den karolingischen und habsburgischen Reichen. Der letzte Kaiser, der für den universalen Gedanken des Imperiusm noch kämpfen sollte, fast immer siegreich, aber durch überpolitische Kräfte, wie die Reformation, um seine Siege betrogen, sollte einst Karl V. sein.70

Auch stellt Burckhardt wiederum den Bezug zwischen Christentum und Europa her: Ob diese göttliche Wahrheit durch eine ewig gültige Offenbarung, durch die Gnade des Glaubens geschenkt wird, ob der Mensch sie täglich erobern muß mit seinen eigenen Kräften, es ist letzten Endes immer dieselbe Wahrheit. Solange sie leuchtet, aller Bedrohung entgegen, ist sie das lebendige Zeichen europäischen Daseins, die Signatur dieses geistigen Begriffes Europa, der entstanden ist durch den Kampf um Wahrheit und um Freiheit und der bestehen wird, solange diese beiden hohen Güter erhalten bleiben.71

Trotz seines Pessimismus in einem Glauben an eine europäische Einigung galt Carl Jacob Burckhardt als ein großer Europäer.72

69 Europa. Sein Wesen im Bild der Geschichte. Hgg. von Robert Laffont und Rudolf StreitScherz. Bern 1960, S. 5 – 8. 70 Europa. Sein Wesen im Bild der Geschichte, S. 6. Im diesem Buch selbst, das die Geschichte des Kontinents reich bebildert darstellt, wird Karl V. als „Europäer in höchstem Maße“ beschrieben, der als großes Ziel ein europäisches Universalreich angestrebt habe. S. 116. 71 Europa. Sein Wesen im Bild der Geschichte, S. 8. 72 So etwa: Erhard Krieger, Große Europäer heute: Erasmus von Rotterdam, Carl J. Burckhardt, Richard Graf Coudenhove-Kalergi, Albert Camus. Frankfurt/Main 1964.

IV. Charles Terlinden: Karl V. als Vorläufer der europäischen Idee. Eine burgundische Perspektive 1. Charles Terlinden Charles Terlinden (1878 – 1972), Professor in Leuven, legte 1965 „Charles Quint. Empereur des Deux Mondes“1 in Brüssel vor. Dieses Werk erschien in deutscher Übersetzung mit einem Vorwort von Otto von Habsburg 1978 unter dem veränderten Titel Carolus Quintus. Kaiser Karl V. Vorläufer der europäischen Idee.2 Charles Terlinden lehrte an der Universität Leuven; an dieser Hochschule studierte und promovierte Otto von Habsburg. In seiner Promotionsschrift „Coutumes et droits successoraux de la Classe paysanne et l’Indivision des propriétés rurales en Autriche“3, veröffentlicht unter seinem Pseudonym „Duc de Bar“ (Herzog von Bar) in Wien 1935 nennt Otto von Habsburg Terlinden im Vorwort als seinen Lehrer, der neben seinem Doktorvater Frans Brusselmans (1893 – 1967) die Abfassung seiner Promotionsschrift begleitet hat.4 In der zum 50. Geburtstag Otto von Habsburgs 1965 erschienenen Festschrift „Virtute Fideque“, herausgegeben vom sudetendeutschen Historiker Emil Franzel (1901 – 1976), veröffentlicht im Wiener Herold Verlag, veröffentlichte Terlinden einen Aufsatz über den habsburgischen Hausorden vom Goldenen Vlies5, der später als eigenes Bändchen, erweitert um einen Bildteil, einen Literaturteil und ein zusätzliches Kapitel über die Quellen der Ordensgeschichte in der Reihe „Die Kronen des Hauses Habsburg“ als Band VI, ebenfalls im Wiener Herold Verlag, erneut

1

Charles Terlinden, Carolus Quintus. Charles Quint. Empereur des Deux Mondes. Brüssel 1965. 2 Charles Terlinden, Carolus Quintus. Kaiser Karl V. Vorläufer der europäischen Idee. Zürich 1978. 3 Le Duc de Bar [Otto von Habsburg]: Coutumes et droits successoraux de la Classe paysanne et l’Indivision des propriétés rurales en Autriche, Collection de l’Université de Louvain Bd. 7, Wien 1935. 4 Ebd. S. 1. 5 Charles Terlinden, Das Goldenen Vlies, in: Emil Franzel (Hg.), Virtute Fideque. Festschrift für Otto von Habsburg zum fünfzigsten Geburtstag, Wien 1965, S. 163 – 171.

1. Charles Terlinden

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vorgelegt wurde.6 In der Fassung der Festschrift tituliert Terlinden Otto von Habsburg sowohl in der Einleitung als auch im Schlussteil als „Seine Majestät“.7 Otto von Habsburg steuerte wiederum zur posthum erschienen deutschen Ausgabe von Terlindens „Karl V.“ ein Geleitwort bei, das – ungewöhnlich – als handschriftliches Faksimile dem umfangreich bebilderten Werk Terlindens vorangestellt ist; in diesem Geleitwort benennt Otto von Habsburg Terlinden als seinen „einstigen Lehrer auf der Universität Löwen“8. Charles Terlinden wird in einigen Werken zur Geschichte der Belgischen Geschichtsschreibung im 20. Jahrhundert gewürdigt, so 2009 in Voor vrede, democratie, wereldburgerchap en europa von Els Witte9 und 2002 in Oorlog en verleden von Marnix Beyen10. Darin wird zum einen auf seine katholisch-konservative Gesinnung sowie auf seine Kontakte zu König Leopold III. eingegangen, aber auch auf seine propagandistische Tätigkeit für die Regime Mussolinis, Francos und Salazars.11 Diese royalistisch-konservative Sichtweise Terlindens sehen wir dann auch in seinem Werk über Karl V. und seiner Schrift über den Orden vom Goldenen Vlies. Hingewiesen wird in den o.g. Abhandlungen über Terlinden aber auch auf dessen Anliegen, Belgien während der Besetzung durch die Deutsche Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg in seiner Ganzheit zu bewahren.12 Charles Terlinden wurde am 6. Juli 1878 in Brüssel geboren; dort starb er am 23. Januar 1972.13 Terlinden führte den Titel „Vicomte“ [Burggraf] und entstammte einer Juristenfamilie; sein Vater war Generalstaatsanwalt am Kassationsgericht in Brüssel. So studierte Charles Terlinden zunächst auch Rechtswissenschaft, so dann aber auch Geschichte und Kirchengeschichte. Im Jahr 1900 wechselte Terlinden zum weiteren Studium nach Rom, wo er den Titel eines „Kammerherrn seiner Heiligkeit“ durch Papst Leo XIII. (1810 – 1903) verliehen bekam. 1904 wurde er in Rom mit einer Arbeit über Clemens IX. (1600 – 1669) promoviert. 1906 wurde Terlinden dann auch in Politik- und Sozialwissenschaften mit einer Arbeit über König Wilhelm I. (1772 – 1843) der Niederlande promoviert14. Er wurde so dann Professor für Ge6 Charles de Terlinden, Der Orden vom Goldenen Vlies [Die Kronen des Hauses Habsburg, Band VI], Wien 1970. 7 Terlinden, Das Goldenen Vlies, in: Franzel, Virtute Fideque, S. 165 und 171. 8 Terlinden, Karl V., S. 9. 9 Els Witte, Voor vrede, democratie, wereldburgerschap en europa, Kapellen 2009. 10 Marnix Beyen, Oorlog en verleden. Nationale geschiedenis in Belgie enNederland 1938 – 1947, Amsterdam 2002. 11 Vgl. Witte, Voor Vrede, democratie, wereldburgerchap en europa, S. 38. 12 Beyen, Oorlog en verleden, S. 125. 13 Jan Arthur Van Houtte, In memoriam Prof. Em. Mr. Dr. Charles Terlinden 1887 – 1972, in: Bijdragen en Mededelingen betreffende de Geschiedenis der Nederlanden, Bd. 3/1973, uitgegeven met steun van de Universitaire Stichting van België en van het Ministerie van Nationale Opvoeding en Nederlandse Cultuur, Den Haag 1973, S. 95 f. 14 Henri Haag, Charles Terlinden, in: Nouvelle biographie nationale, Brüssel 1988, Bd. III, S. 323.

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IV. Charles Terlinden: Karl V. als Vorläufer der europäischen Idee

schichte in Löwen, wo er bis zu seiner Emeritierung 1950 blieb. Er hielt seine Vorlesungen in Löwen in französischer Sprache. Terlinden wurde in die Königliche Historische Kommission berufen, deren Präsident er später wurde; er veröffentlichte über 800 Schriften15, viele davon in Zeitungen und Zeitschriften. Eines seiner späten Werke war die Histoire militaire des Belges.16 In der Zwischenkriegszeit betätigte sich Terlinden auch politisch; nach Neulen17 gründete Terlinden 1934 einen Ableger des italienischen Comitée d’Action pour L’Universalité de Rome in Belgien, das sich an den italienischen Faschismus anlehnte und eine Einigung Europas im autoritären Geist anstrebte. Dieses Comitée war streng antikommunistisch. Dabei hatten dieses Komitee und auch Terlinden enge Kontakte zur wallonischen Légion Nationale, die wiederum den deutschen Nationalsozialismus ablehnte und von Franco unterstützt wurde. Terlinden stand während des spanischen Bürgerkrieges auf der Seite General Francos.18 Später wurde Terlinden Ehrendoktor an der Universität Madrid.19 1938 wurde des Weiteren die Concentration de Propagande Anti-Communiste (COPAC) gegründet, deren Präsident wiederum Charles Terlinden wurde.20 Während der deutschen Besetzung Belgiens arbeitete Terlinden für König Leopold III. (1901 – 1983), dem er für die Zeit nach dem deutschen Abzug zu einem autoritären-militärischen Regime riet, an dessen Spitze der König stehen sollte.21 Für diese Idee versuchte Terlinden auch die Legion Belge zu gewinnen, die während der deutschen Besetzung im Widerstand zur Besatzungsmacht stand. Terlinden stand in dieser Zeit in Kontakt mit dem Bankier und Industriellen Marcel de Roover (1890 – 1971)22, dem belgischen Vertreter in der World Anti-Communist League (WACL) und Schatzmeister des Europäischen Dokumentations- und Informationszentrum (CEDI), dessen belgischer Sektion Terlinden lange Jahre als Präsident vorstand und das in großer Nähe zum Franco-Spanien stand. In diesem CEDI arbeitete auch Otto von Habsburg mit.23 Terlinden stand aber auch mit Félix André Morlion (1904 – 1987), einem Dominikaner-Pater, der sowohl in der COPAC gegen den Kommunismus als 15 Jan Arthur Van Houtte, In memoriam Prof. Em. Mr. Dr. Charles Terlinden 1887 – 1972, in: Bijdragen en Mededelingen betreffende de Geschiedenis der Nederlanden, Bd. 3/1973, Den Haag 1973, S. 95 f. 16 Henri Haag, Charles Terlinden, in: Nouvelle biographie nationale, Brüssel 1988, Bd. III, S. 323. 17 Hans Werner Neulen, Eurofaschismus und der Zweite Weltkrieg. Europas verratene Söhne. München 1980, S. 73. 18 Henri Haag, Terlinden, S. 324. 19 Ebd. S. 323. 20 Rudi van Doorslaer, Anti-Communist Activism in Belgium 1930 – 1944, in: Socialist Register 21/1984: The Uses of Anti-Communism, London 1984, S. 118 f. 21 Ebd., S. 123. Und: Jan Velaers/Herman van Goethem, Leopold III. De Koning, het Land, de Oorlog. Tielt 2001, S. 401 ff. 22 Doorslaer, Anti-Communist Activism in Belgium, S. 118. 23 Vanessa Conze, Das Europa der Deutschen, S. 173.

2. „Kaiser Karl V. Vorläufer der europäischen Idee“

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auch im Widerstand gegen die deutsche Besetzung arbeitete und von der Gestapo verfolgt wurde, in Verbindung.24

2. „Kaiser Karl V. Vorläufer der europäischen Idee“ Mit „Karl V. Vorläufer der europäischen Idee“ legte Charles Terlinden ein üppig bebildertes und auf Exklusivität bedachtes Werk vor. Dies wurde auch in den Rezensionen gelobt, so von Horst Rabe in „Historisches Jahrbuch“ 1982.25 Die Absicht Terlindens ist es, Karl V. Gerechtigkeit widerfahren zu lassen26, die große Persönlichkeit Karls als eines illustren Vorläufers der europäischen Idee wachzurufen27 und in ihm einen der Unseren zu ehren, die berühmteste Gestalt der alten Niederlande. Dazu möchte Terlinden eine Lücke der Forschung schließen, in dem er eine reich illustrierte Lebensbeschreibung vorlegte, in dem er reichhaltiges Bildmaterial sammelte, unter anderem aus seiner eigenen Privatbibliothek28. Der Band hat die ungewöhnlichen Maße 34 x 27 cm und kostete 1978 den stolzen Preis von 430 SFr.29 Die deutsche Ausgabe des Werkes erschien sechs Jahre nach dem Tode Terlindens anlässlich seines 100. Geburtstages, versehen mit einem Vorsatzbild des Autos, der Reproduktion eines Gemäldes, dass Terlinden sitzend mit Ordensschmuck zeigt. Die französische Ausgabe von 1965 enthielt diese Hommage an Terlinden nicht. In seinem Vorwort zu „Karl V.“ stellt Terlinden das Wirken Karls V. in Verbindung zu politischen Vorgängen des Erscheinungsjahres. Zum einen betont Terlinden, dass Karl V. Europa vor den „Gefahren aus dem Osten“30, den Osmanen, verteidigt habe und folgert daraus: „In jener Zeit war diese Bedrohung ebenso ernst wie heute, in der an Stelle der Türken die Sowjet-Union getreten ist.“ Terlindens Antikommunismus, der sich wie oben geschildert seit den 1920er Jahren gezeigt hatte, wird hier in Verbindung mit Karl V. gebracht und so der Kaiser für politische Zwecke des 20. Jahrhunderts vereinnahmt. Die zweite explizit politische Aussage im Vorwort ist nicht so schnell zu erkennen. Sie findet sich in der folgenden Passage: 24

Rudi van Doorslaer, Anti-Communist Activism in Belgium 1930 – 1944, in: Socialist Register 21/1984: The Uses of Anti-Communism, London 1984, S. 119. 25 Horst Rabe, Rezension CharlesTerlinden, Carolus Quintus, in: Historisches Jahrbuch. Im Auftrag der Görres-Gesellschaft herausgegeben von Laetitia Boehm u. a., Freiburg i. Br. 1982, S. 245 – 247. 26 Terlinden, Karl V., S. 14. 27 Ebd., S. 11. 28 Eine Abbildung von Mercurino de Gattinara von 1732 aus der Bibliothek Vicomte Terlinden findet sich etwa auf S. 11. 29 Vgl. Horst Rabe, Rezension Charles Terlinden, Carolus Quintus, in: Historisches Jahrbuch 1982, S. 245. 30 Terlinden, Karl V., S. 13.

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IV. Charles Terlinden: Karl V. als Vorläufer der europäischen Idee Er [Karl V.] erschöpfte sich physisch durch intensive Arbeit, durch beständige Sorgen und eine ununterbrochene nervöse Anspannung, die, verstärkt durch eine unbekömmliche falsche Ernährung, zu einem vorzeitigen Altern führten und ihn, völlig verbraucht, in Lebensjahren zur Abdankung veranlassten, in denen ein anderer großer belgischer Herrscher, König Leopold II., seine genialen Pläne zu einem guten Abschluss bringen konnte.31

Terlinden setzt Karl V. in Bezug zu König Leopold II. von Belgien (1835 – 1909), der als Kolonialherr den Kongo als sein Privateigentum in Besitz nahm und zur Ausbeutung des Landes, vor allem an Kautschuk, dort eine blutige Herrschaft führte. Als der Kongo am 30. Juni 1960 seine Unabhängigkeit von Belgien erlangte, hielt der belgische König Baudouin (1930 – 1993), der Sohn König Leopolds III., in der damaligen Hauptstadt Leopoldville eine Ansprache, in der er ausführte: Die Unabhängigkeit des Kongo stellt den Höhepunkt des Werkes dar, welches vom Genie König Leopolds II. entworfen, von ihm mit zähem Mut umgesetzt und schließlich von Belgien mit Ausdauer fortgesetzt wurde. 80 Jahre lang hat Belgien dem Kongo seine besten Söhne geschickt, zuerst, um das Kongo-Becken vom abscheulichen Sklavenhandel zu befreien, der die Bevölkerung dezimiert hatte; dann, um die einst verfeindeten Stämme zusammenzubringen, die nun den größten aller unabhängigen Staaten Afrikas ausmachen werden.32

Gegen diese Sichtweise der belgischen Herrschaft über den Kongo, die Terlinden mit seinem Vergleich zu Karl V. und der Benutzung des Wortes Genie für Leopold II. in seinem Vorwort 1965 aufnahm, erhob sich schon direkt nach der Rede König Baudouins energischer Protest, so vom kongolesischen Ministerpräsidenten Patrice Lumumba (1925 – 1961), der König Baudouin antwortete: Wir haben erleben müssen, dass man uns verhöhnte, beleidigte, schlug, tagaus, tagein, von morgens bis abends, nur weil wir Neger waren. Wir haben erleben müssen, dass man unser Land raubte, aufgrund irgendwelcher Texte, die sich Gesetzte nannten, aber in Wahrheit nur das Recht des Stärkeren verbrieften. Auch die Erschießungen, denen so viele unserer Brüder zum Opfer fielen, wird niemand von uns je vergessen. All dies, meine Brüder, haben wir erlitten.33

Lumumba wurde im Jahre 1961, vermutlich mit Wissen und Hilfe der belgischen Regierung umgebracht. Die Verbrechen der Kolonialmacht Belgien im Kongo wurden umfassend erst 1998 offenbar durch die Publikation von Adam Hochschild „Schatten über dem Kongo“, die die belgischen Gräuel bis ins Detail nachzeichnet.34

31

Ebd., S. 14. Andrea Böhm, Lumumbas Martyrium. Kongolesische Tragödie, in: Die Zeit, Hamburg 13. Januar 2011. 33 Ebd. 34 Adam Hochschild, Schatten über dem Kongo. Die Geschichte eines fast vergessenen Menschheitsverbrechens. Stuttgart 2000. 32

2. „Kaiser Karl V. Vorläufer der europäischen Idee“

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Diese beiden polemischen Bezüge, die Terlinden herstellt, wurden in den Kritiken an seinem Werk wenig beachtet. Wohlfeil35 greift zwar die „Zeitgebundenheit“36 der Aussagen Terlindens und dessen restaurative Gesinnung an, besonders die „Kampfkategorie“ des Begriffes Abendland in Konfrontation zum damaligen Sowjetsystem als auch die konservative politisch-ideologische Leitvorstellung im katholischen Verständnis Terlindens. Diese Instrumentalisierung Karls V. im Sinne einer Leitbildfunktion für die Gegenwart wird von Wohlfeil kritisiert, auf die Titulierung Leopolds II. als Genie und die damit zusammenhängenden Verbrechen im Kongo geht er allerdings nicht ein.37 Kohler kritisiert zwar auch die Arbeit Terlindens, geht aber nur kurz und wenig inhaltlich auf diese ein und bezieht seine Kritik auf die Prägung von Gedenkmünzen in Belgien und Spanien mit dem Bildnis Karls V.; für diese sieht Kohler Terlinden verantwortlich.38 Auf den Antikommunismus Terlindens und dessen Verklärung der belgischen Kolonialvergangenheit geht er aber ebenfalls nicht ein. Terlinden würdigt einerseits Karl V. als eine bedeutende Persönlichkeit der alten Niederlande, er vereinnahmt ihn aber auch für die Kolonialpolitik Belgiens im 19. und 20. Jahrhundert. Terlinden beendet sein Werk nach 271 großformatigen Seiten auf schwerem Papier und 158 großformatigen, teils ausklappbaren Bildern mit dem Urteil: „Nach Karl V. hat es noch Kaiser gegeben, doch gab es niemals mehr d e n Kaiser!“39 Und Terlinden fügt dem hinzu: Das Abtreten dieses mächtigen Genius und das Scheitern seiner Politik an Schwierigkeiten, so vielfältig, komplex und umfangreich, dass menschliches Bemühen an ihnen zerbrechen musste, sollten die Verwirklichung der Idee eines geeinten Europas, dessen weitsichtiger Vorläufer er war, um vier Jahrhunderte verzögern. LAUS DEO.40

Terlinden hat mit seinem Buch Karl V. ein Denkmal setzen wollen, beeindruckend groß, patriotisch gefärbt und subjektiv bis polemisch. In seinem Schlusswort erinnert er stark an die Ausführungen Carl Jacob Burckhardts, der ebenfalls von den Schwierigkeiten und dem Scheitern Karls V. spricht, von den Problemen41 und der Vergeblichkeit42 im Leben Karls V. Horst Rabe würdigte, dass der Verlag Inigo von Oppersdorff in Zürich bei der Vorlage des Werkes von Terlinden keine Mühen und Kosten gescheute hatte, ein 35 Rainer Wohlfeil, Kaiser Karl V. – Ahnherr der europäischen Union? Überlegungen zum Verhältnis von Geschichte und Tradition. In: Außenseiter zwischen Mittelalter und Neuzeit. Festschrift für Hans-Jürgen Goertz, Köln 1997, S. 224. 36 Ebd. S. 241. 37 Ebd., S. 225. 38 Alfred Kohler, Karl V. 1500 – 1558. Eine Biographie, München 1999, S. 371. 39 Terlinden, Karl V., S. 271. 40 Ebd. S. 271. 41 Burckhardt, Karl V., der letzte europäische Kaiser, S. 123. 42 Burckhardt, Gedanken über Karl V., S. 39.

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IV. Charles Terlinden: Karl V. als Vorläufer der europäischen Idee

hervorragend gestaltetes Buch vorzustellen, das wahrhaft bibliophilen Rang hat und dem Leser auf eine faszinierende Weise den Kaiser nahegebracht habe.43 Allerdings kritisiert Rabe manche Ungenauigkeit und Fehlerhaftigkeit der Darstellungen Terlindens, sowie seine Zentrierung auf Burgund und die Niederlande; die spanischen und überseeischen Aspekte der Herrschaft Karls V. kämen in Terlindens Werk viel zu kurz, auch die Darstellung der Gründe für die Reformation seien völlig selektiv.44 Für Rabe bleibt trotz vieler Mängel das Werk Terlindens wegen seines Bildmaterials lobenswert, da das Material so reich und belehrend sei, dass diesem in der deutschen Historiographie in diesem Punkte nichts Gleichwertiges an die Seite gestellt werden könne. Rabe beschließt seine Besprechung mit einem – nicht als Zitat gekennzeichneten – Verweis auf die Kritik, die Rassow bereits 1958 an Wyndham Lewis Buch geübt hat: Karl V. tauge nicht als Gallionsfigur für ein vereinigtes Europa und einer politisch-historischen Legendenbildung sei zu widerstehen.45 In Terlindens Lebenslauf und seinem Werk über Karl V. wird die Verortung in einer konservativ-monarchistischen Gesinnung deutlich, die in Karl V. einen Vorläufer der europäischen Idee sehen will und das sich vereinigende Europa an historische Vorbilder, besonders Burgund und das Heilige Römische Reich, anknüpfen möchte; dabei werden von Terlinden problematische Vergleiche zwischen dem Osmanischen Reich im 16. Jahrhundert und der Sowjetunion im 20. Jahrhundert gezogen, als auch zwischen Karl V. und Leopold II. Deutlich wird allerdings auch, wie die Autoren Terlinden und Otto von Habsburg in konservativen Zirkeln und Gruppen wie dem CEDI, der Paneuropa Union und dem Orden vom Goldenen Vlies zusammenarbeiteten und sich unterstützen. Terlinden unterstützte Otto von Habsburgs Studien und seine Dissertation, Otto von Habsburg nahm Terlinden in den Orden vom Goldenen Vlies auf, beide steuerten Beiträge und Vorworte zu den jeweiligen schriftstellerischen Werken des Freundes bei. Beide unterstützen das autoritäre Regime Francisco Francos in Spanien.

43 44 45

Rabe, Charles Terlinden, Historisches Jahrbuch 1982, S. 246. Ebd. S. 246 f. Ebd. S. 247. Vgl. Rassow, Karl V. Der Kaiser und seine Zeit, S. 15.

V. Otto von Habsburg: Kaiser Karl V. aus der Sicht des Kronprinzen 1. Otto von Habsburg Otto von Habsburg wurde am 20. November 1912 als Sohn von Erzherzog Karl (1887 – 1922) und Zita (1892 – 1989), geb. von Bourbon-Parma geboren. Mit dem Attentat von Sarajevo 1914 und dem Tod Erzherzog Franz Ferdinands (1863 – 1914) wurde Ottos Vater Thronfolger. 1916 starb Kaiser Franz Joseph von ÖsterreichUngarn; Karl wurde als Karl I. Kaiser von Österreich und als Karl IV. König von Ungarn, als solcher auch in Budapest gekrönt. Damit wurde Otto Kronprinz von Österreich-Ungarn. Am 11. November 1918 unterzeichnete Kaiser Karl I. ein Manifest, mit dem er auf die Beteiligung an den Regierungsgeschäften verzichtete.1 1919 ging die Familie ins Exil, zunächst in die Schweiz. Von dort aus unternahm Ottos Vater zwei Restaurationsversuche in Ungarn, die beide scheiterten. Die Familie wurde daraufhin ins Exil auf die Insel Madeira verbracht. Am 1. April 1922 starb Kaiser Karl auf Madeira. Zita, Otto und seine Geschwister wechselten ins Exil nach Spanien, später nach Belgien. In Löwen/Belgien studierte Otto von Habsburg von 1930 bis 1933 Staats- und Sozialwissenschaften und schloss diese Studien mit der Promotion ab.2 Während seines Studiums wurde er 1930 für großjährig erklärt und Oberhaupt des Hauses Habsburg. 1938 führte Otto einen Briefwechsel mit dem österreichischen Bundeskanzler Kurt von Schuschnigg (1897 – 1977), den er aufforderte, der drohenden Invasion Hitlers mit militärischen Mitteln zu begegnen. Die deutsche Wehrmacht führte die Invasion 1938 unter dem Decknamen „Unternehmen Otto“3 durch. Mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges ging Otto von Habsburg von Belgien über Frankreich, Spanien und Portugal ins Exil in die USA. Dort setzte er sich während des Krieges für die Eigenständigkeit Österreichs nach dem Kriege ein.4 Mit dem Kriegsende kehrte Otto nach Europa zurück; die Einreise nach Österreich wurde ihm allerdings weiterhin verwehrt; 1954 nahm er seinen Wohnsitz in Pöcking am Starnberger See. Dort begann er seine schriftstellerische Tätigkeit. Dieser entsprang das Buch Karl V., zunächst in Paris 1967 verlegt, dann auch auf 1 2 3 4

John Leslie, Karl I., in: Die Habsburger. Ein biographisches Lexikon, Wien 1988, S. 229. Baier/Demmerle, Otto von Habsburg, S. 99 ff. Erich Feigl, Otto von Habsburg. Protokoll eines politischen Lebens. Wien 1987, S. 44. Baier/Demmerle, Otto von Habsburg, S. 170 ff.

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V. Kaiser Karl V. aus der Sicht des Kronprinzen

Deutsch in Wien und München. Die erste Auflage erschien 1967, die zweite Auflage 1969, die dritte 1979 und die vierte 1990. Erst 1966 erfolgte die Wiedereinreise nach Österreich, die im Vorfeld zu größeren innenpolitischen Kontroversen führte. 1973 wurde Otto von Habsburg Präsident der Internationalen Paneuropa Union, 1978 erhielt er die deutsche Staatsbürgerschaft und zog 1979 für die CSU in das europäische Parlament ein. Im August 1989 war er Veranstalter des PaneuropaPicknicks an der österreichisch-ungarischen Grenze bei Sopron, das zur ersten massenweisen Ausreise von DDR-Bürgern in den Westen führte.5 1997 war Otto von Habsburg Alterspräsident des Europäischen Parlaments und schied 1999 aus dem Europa-Parlament aus, indem er nicht erneut für die Direktwahl kandidierte. Am 4. Juli 2011 starb Otto von Habsburg in Pöcking. Ihm wurde ein „kaiserliches Begräbnis“ am 16. Juli 2011 in Wien mit Requiem im Stephansdom und Beisetzung in der Kapuzinergruft zu Teil, das an die Begräbnisfeiern für Kaiser Franz Joseph 1916 und Kaiserin Zita 1989 erinnerte. Sein schriftstellerisches Werk umfasst mehr als dreißig Titel in verschiedenen Sprachen, dazu regelmäßige Beiträge für verschiedenen europäische Zeitungen und Zeitschriften.6 Seine erste Buchpublikation war 1953 „Entscheidung um Europa“. Selbstauskünfte über das historische Arbeiten Ottos geben folgende zwei Zitate: Wenn sie das Bild von Tizian über die Schlacht von Mühlberg sehen, welche Fahne trägt Karl V.? Die burgundische Fahne. Weil eben Burgund eine jener Strukturen war, die schon durchgespielt haben, was wir in Europa erreichen wollen: eine große Vielfalt und trotzdem eine Einheit. Ein Gebiet, das nicht so eng geographisch umschrieben ist, sondern das auf den Gebieten der Kultur, des Geistes, auch der Wirtschaft eine Einheit gebildet hat. Die dann, sozusagen nach dem historischen Prinzip der translatio imperii, nach Österreich gegangen ist.7 Es ist nicht Nostalgie, wenn wir im Laufe der Jahre von Zeit zu Zeit innehalten und zurückblicken. Die Erfahrung lehrt, daß niemand die Zukunft vorhersehen oder planen kann, der nicht die Vergangenheit kennt, also den Boden rekognosziert hat, auf dem er steht. In diesem Sinne ist das Studium der Geschichte ein wesentlicher Beitrag zu guter Politik.8

5 6 7 8

Otto von Habsburg, Zurück zur Mitte, München 1991, S. 7 f. Baier/Demmerle, Otto von Habsburg, S. 575 ff. Otto von Habsburg, Ein Kampf um Österreich, Wien 2001, S. 103 f. Otto Habsburg, Rudolf von Habsburg, Wien 1977, S. 5.

2. Das schriftstellerische Werk Otto von Habsburgs

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2. Das schriftstellerische Werk Otto von Habsburgs Nachdem Otto von Habsburg ab 1953 einige Schriften zu aktuellen politischen Themen vorgelegt hatte9, erschien 1958 seine erste Schrift, die sich einer historischen Persönlichkeit zuwendet und auf Vorträgen beruht, die von Habsburg 1957 und 1958 anlässlich des 500. Todestages der beschriebenen Person, Bernhard von Baden, gehalten hat.10 Dieses Büchlein ist Bernhard von Baden (1428 – 1458) gewidmet und trägt in der ersten Auflage den Untertitel „Von der Zuversicht in der Geschichte“, in der zweiten Auflage „Gottes Hand in der Geschichte“. Interessanterweise ist die erste Auflage in Stuttgart unter dem Autorennamen „Otto von Österreich“ erschienen. Das Werk ist schon typisch für die nachfolgenden Kleinschriften Otto von Habsburgs. Es deutet die aktuelle politische Situation mit einem Blick auf eine Persönlichkeit der Geschichte. Otto von Habsburg versucht, die Person des Markgrafen von Baden aus dem 15. Jahrhundert mit der Situation der 1950er Jahre in Verbindung zu bringen. Bernhard von Baden wird als treuer Gefolgsmann des habsburgischen Kaisers Friedrich III. gezeichnet; Otto von Habsburg bringt also bei der Beschreibung Bernhards anlässlich dessen 500. Todestages die Familiengeschichte der Habsburger als auch seine eigenen politischen Positionen des 20. Jahrhunderts mit ein. Otto sieht in Bernhard von Baden, den die katholische Kirche als „Seligen und Diener Gottes“ verehrt11, ein Vorbild für das Europa des 20. Jahrhunderts und für seine Staatenlenker: Das Wesen unseres Erdteiles – wie es die Kaiser des Heiligen Reiches und unser seliger Markgraf verstanden – war es hingegen, eine Gemeinschaft der Ideen und Ideale zu sein, eine Zusammenfassung verschiedener Völker und Kulturen unter dem gemeinsamen Zeichen des Kreuzes. Denn unser Europa – und dies kann nicht oft genug gesagt werden – hat nur dann einen Sinn, wenn es sich seiner christlichen Sendung voll bewusst wird. Dies bedeutet, daß es seine Aufgabe darin erblickt, das christliche Gedankengut über den Erdball zu tragen und seinen Idealen Geltung zu verschaffen.12

In diesen Gedanken werden schon für das weitere politische und schriftstellerische Wirken Otto von Habsburgs als auch der Paneuropa Union wichtige Grundsätze genannt, nämlich ein christlich geprägtes Europa zu schaffen, ein Europa der Ideale und eine Gemeinschaft „unter dem Kreuz“. Die Paneuropa Union führt als Fahne die 9 Vgl. Baier/Demmerle, Otto von Habsburg, S. 575: Entscheidung um Europa (1953), Probleme des Atomzeitalters (1955), Soziale Ordnung von Morgen (1957). 10 Otto von Österreich, Bernhard von Baden. Oder: Von der Zuversicht in der Geschichte, S. 7. Und: Christine Schmitt, Ein Seliger aus Baden. Leben und Verehrung des Markgrafen Bernhard II., Landespatron in der Erzdiözese Freiburg. Lindenberg 2012, S. 68 und 84. Bei Schmitt auch der Hinweis auf die näheren Umstände der Rede Otto von Habsburgs vor dem „Katholischen Männerwerk“ und die Veröffentlichungen dazu (Schmitt, Ein Seliger aus Baden, S. 66). 11 Die Heiligsprechung Bernhards von Baden wird im Erzbistum Freiburg weiterhin angestrebt, siehe: Christine Schmitt, Ein Seliger aus Baden, S. 75. 12 Otto von Habsburg, Bernhard von Baden, S. 92.

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blaue Europafahne mit den zwölf Sternen, aber darin die Sonne und ein rotes Kreuz als Zeichen für antike Philosophie und das Christentum13, die die Grundlagen Europas seien. Zudem findet sich in „Bernhard von Baden“ auch schon der strikte Antikommunismus, den Otto von Habsburg Zeit seines Lebens vertrat.14 In seiner Abhandlung „Rudolf von Habsburg“, erschienen in erster Auflage 1973, 2. Auflage 1977, jeweils im Wiener Herold-Verlag, setzte sich Otto von Habsburg mit seinem Vorfahren, der als erster Habsburger römisch-deutscher König wurde, auseinander. Anlass für dieses Buch waren Vorträge, die Otto von Habsburg aus Anlass des 700 jährigen Jubiläums der Krönung Rudolfs im Oktober 1973 in Regensburg, Nürnberg und Aachen gehalten hatte.15 Auch hier beschäftigt sich Otto vor dem Hintergrund des Jubiläums und der Biographie Rudolfs mit politischen Problemen der damaligen Gegenwart. So führte er aus: Demokratie, man sollte es nicht vergessen, ist nicht ein Ziel, sondern ein Mittel zum Zweck. Dieses Mittel ist an sich weder gut noch schlecht; seine Qualifizierung hängt vom Ende ab, für das es eingesetzt wird. Demokratiesierung ist demnach konstruktiv, wenn sie zu immer breiterer Teilnahme der Gesamtbevölkerung am politischen Geschehen führt und wenn dies zu Folge hat, daß sich eine Mehrheit verantwortungsbewusst für die öffentlichen Dinge interessiert. Sie wird aber zur echten Gefahr, wenn sie die Handlungsfähigkeit der Verantwortlichen durch uferlose Diskussionen beeinträchtigt, wenn sie daher zur Zerstörung der Autorität führt.16

Diese Ausführungen beziehen sich wohl deutlich auf die Studentenbewegung der 1968er Jahre und ihre Auswirkungen. Otto von Habsburg nimmt Rudolf und die vorangegangene „kaiserlose Zeit“ als Beispiel, sich für die politische Einigung Europas einzusetzen.17 In diesem kleinen Band (76 Seiten) zieht Otto von Habsburg wiederum eine Verbindung zu seiner großen Idee – Europa. Deutschland und Europa haben auch in unseren Tagen keinen Grund, die Flinte ins Korn zu werfen. Verfall von gestern kann zur Größe von morgen führen. Ein Aufstieg freilich ist nur möglich, wenn wir echten Erneuerungswillen mit Mut verbinden, wenn wir durch unser Handeln und Wirken den Weg jener vorbereiten, die den Blick und die Fähigkeit haben, das Schicksal zu wenden, Europa zu verjüngen und diesem Erdteil eine neue Periode des Aufstieges und der Größe zu sichern. Karl der Große, Rudolf von Habsburg sind nicht nur Geschichte. Sie haben allezeit noch eine Zukunft.18

13 14 15 16 17 18

Coudenhove-Kalergi, Paneuropa 1922 – 1966, S. 58. Otto von Habsburg, Bernhard von Baden, S. 85. Otto von Habsburg, Rudolf von Habsburg, S. 4. Ebd., S. 15. Ebd., S. 75 f. Ebd. S. 76.

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„Die Heilige Hedwig von Schlesien und unsere Zeit“ erschien in der ersten Auflage 1974, in zweiter Auflage 1983 und in dritter Auflage 2009 unter dem veränderten Titel „Mit Gott für die Geschichte: Die heilige Hedwig von Schlesien und unsere Zeit“.19 In dieser Schrift über Hedwig von Andechs (1174 – 1243), Herzogin von Schlesien, die in der katholischen Kirche als Heilige verehrt wird und besonders bei den Heimatvertriebenen aus Schlesien in hohem Ansehen steht, legt Otto von Habsburg deutlich mehr Gewicht auf den zweiten Teil des Titels „und unsere Zeit“, nämlich die Situation in Kirche und Welt zur Mitte der 1970er Jahre als auf die historische Gestalt der Hedwig von Schlesien. Otto von Habsburg übt hier harsche Kritik am Erscheinungsbild der katholischen Kirche in der Zeit nach dem zweiten Vatikanischen Konzil und nimmt dafür die schlesische Landesfürstin des 13. Jahrhunderts als Zeugin: In der Kirche wiederum werden nur zu oft klare, eindeutige Aussagen durch Fragestellungen ersetzt. Man hat dabei mehr denn einmal den Eindruck, als ob gewisse Theologen es geradezu darauf angelegt hätten, alle Glaubenssätze zu zerreden und in Frage zu stellen, ohne jemals eine greifbare und brauchbare Antwort geben zu wollen.20

Auffällig an seiner Kritik ist die Tatsache, dass er den Kirchenkritiker Hans Küng als „Heinrich Küng“21 benennt. Dieser Fehler ist auch in der zweiten Auflage des Buches nicht korrigiert, erst in der dritten Auflage von 2009 heißt es richtig „Hans Küng“.22 Den Kritikern in der Kirche setzt Otto von Habsburg Gestalten aus der Vergangenheit entgegen, wenn er weiter ausführt: Man sollte endlich wieder den Mut finden, klar und eindeutig auszusprechen, was man denkt, die eigene Auffassung vertreten, ob das nun gefällt oder nicht. Eine Kräftigung unserer Gemeinschaft wird erst erfolgen, wenn man dem Begriff des Konsensus wieder seinen wahren Sinn gibt, ihn nicht zum Fetisch macht und insbesondere nicht als Tarnwort für allgemeine geistige Feigheit mißbraucht. Erst wenn es gelungen sein wird, die Todsünde unserer Zeit, die Feigheit zu besiegen, kann ein neuer Aufstieg beginnen. So war es auch im hohen Mittelalter, als große Gestalten, wie Hedwig in Schlesien oder Rudolf von Habsburg im Reiche, durch ihre Lebensführung bewiesen, daß sie die Furcht nicht kannten, daß sie, nach bestem Wissen und Gewissen, Wahres vom Falschen trennten, daß sie eindeutig Stellung bezogen und damit der Gemeinschaft ein Maß gaben, an dem sich diese orientieren konnte.23

Hier vertritt Otto von Habsburg innerhalb der katholischen Kirche deutlich zeitkritische und konservative Positionen, wie er dies auch später u. a. in seiner

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Der neue Titel 2009 erinnert an die Untertitel der Schrift über Bernhard von Baden, die in erster Auflage „Von der Zuversicht in der Geschichte“ und in der zweiten Auflage „Gottes Hand in der Geschichte“ lauteten. 20 Otto von Habsburg, Hedwig von Schlesien, S. 32. 21 Ebd., S. 32. 22 Otto von Habsburg, Mit Gott für die Geschichte, Heiligenkreuz 2009, S. 40. 23 Otto von Habsburg, Hedwig, S. 34 f.

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Schrift „Der Zeitgeist in Kirche und Welt“24 und seinem Engagement bei „Kirche in Not“25 oder dem „Forum deutscher Katholiken“26 zum Ausdruck brachte. Die dritte Auflage erschien 2009 im Verlag des Zisterzienserklosters Stift Heiligenkreuz in Österreich mit einem Vorwort des Weihbischofs von Salzburg, Andreas Laun.27 Auch hier wird die kirchlich-konservative Verortung Otto von Habsburgs als auch die Rezeption Otto von Habsburgs in kirchlichen Kreisen deutlich. Der Abt von Heiligenkreuz ist zudem Aumônier-Vicaire des Ordens vom Goldenen Vlies28. 1978 erschien „Karl IV. – Ein europäischer Friedensfürst“. Otto von Habsburg widmet das Büchlein den „Sudetendeutschen Landsleuten“, deren Landsmannschaft zuvor einen „Europäischen Preis“ nach Karl IV. (1316 – 1378) benannt und gestiftet hatte. Auch in diesem Band verbindet Otto von Habsburg eine historische Gestalt mit den politischen Fragen seiner Gegenwart: Durch die Schaffung dieses europäischen Karlspreises wurde die Aufmerksamkeit der öffentlichen Meinung erneut auf eine Persönlichkeit gelenkt, die uns aus ihrer historischen Perspektive für Heutiges und Vergangenes viel zu sagen hat.29

Karl IV. wird von Otto von Habsburg als „Integration des Europäertums“30 bezeichnet. „Karl IV. ist ein Vorläufer der europäischen Politik. Er war beispielgebend für jene internationale Integration im Wesentlichen, ohne die es kein wirklich europäisches Europa geben kann.“31

3. Otto von Habsburg als Präsident der Paneuropa Union Im Jahre 1973 wurde Otto von Habsburg als Nachfolger von Richard Coudenhove-Kalergi Präsident der Internationalen Paneuropa Union (PEU). Zuvor war er von 1958 bis 1972 Vizepräsident der PEU und Stellvertreter von CoudenhoveKalergi gewesen.32 Damit trat er erstmals ein politisches Amt an. Nach dem Tode Coudenhove-Kalergis setzte sich Otto von Habsburg gemeinsam mit dem Generalsekretär der PEU, Vittorio Pons, für den Fortbestand der Paneuropa Union ein. 24

Otto von Habsburg, Der Zeitgeist in Kirche und Welt, Feldkirch 1981. Vgl. http://www.kirche-in-not.de/aktuelle-meldungen/2012/11 - 19-otto-von-habsburgund-pater-werenfried, aufgerufen am 21. Mär 2016. 26 Vgl. http://forum-deutscher-katholiken.de/ueber-uns/kuratorium/, aufgerufen am 21. 3. 2016. 27 Otto von Habsburg, Mit Gott für die Geschichte. Die heilige Hedwig von Schlesien und unsere Zeit. Mit einem Vorwort von Weihbischof Andreas Laun. Heiligenkreuz 2009. 28 Vgl. http://www.stift-heiligenkreuz.org/klosterleben-und-gemeinschaf/altabt/, aufgerufen am 18. 8. 2016. 29 Otto von Habsburg, Karl IV., S. 9 f. 30 Ebd., S. 111. 31 Ebd., S. 113 f. 32 Paneuropa Deutschland, Jg. 34, 3/2011, S. 5. 25

3. Otto von Habsburg als Präsident der Paneuropa Union

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Gleichzeitig richtete Otto von Habsburg die Organisation neu aus. Während Coudenhove-Kalergi versuchte, die Paneuropa Union auf eine breite weltanschauliche Basis zu stellen33, richtete Otto von Habsburg diese mit Vittorio Pons jetzt stärker auf ein betont christliches Europa aus. Ziel war ein christliches, freies, antikommunistisches Großeuropa.34 Nachdem Otto von Habsburg 1979 in das erste direkt gewählte Europäische Parlament für die CSU gewählt wurde, stellte er mit weiteren Abgeordneten, die der Paneuropa Union angehörten, einen Forderungskatalog auf, der die Einführung eines einheitlichen Europäischen Ausweises, eine Europafahne und Europahymne sowie die Beseitigung der Kontrollen an den Binnengrenzen forderte.35 Otto von Habsburg gehörte dem Europa-Parlament bis 1999 an, von 1996 bis 1999 war auch sein Sohn Karl Abgeordneter im Europa-Parlament für Österreich.36 Nach seinem Tode würdigte Michael Fleischhacker in „Die Presse“ (Wien) das politische Lebenswerk Otto von Habsburgs und stellte vor allem dessen Fähigkeiten heraus, Europa an seinen kulturellen Zusammenhalt zu erinnern und den wirtschaftlichen Erfolgen und Bestrebungen der der EU eine große Erzählung an die Seite zu stellen: An den Rändern Kakaniens, dort, wo heute die Grenzen der Europäischen Union liegen, lebt der habsburgische Mythos fort, weil er auch nach einem Jahrhundert noch etwas zur Verfügung stellt, was die Europäische Union noch immer nicht bieten kann: eine kulturelle Erzählung über Zugehörigkeit. In der Union haben die „Kohäsionsfonds“ eine lange Tradition. Sie beruhen auf der Idee, dass Solidarität in Form von Geld Zusammenhalt und Zugehörigkeit in Form von politischer Zustimmung generieren würde. An den massiven Stimmungsschwankungen rund um die Finanzhilfen der EU für die schwächelnden Staaten des europäischen Südens zeigt sich, wie fragil dieses Kohäsionsmodell ist. Was Europa heute fehlt, ist kulturelle Kohäsion. Das Erbe der Habsburger stellt eine der großen Erzählungen dar, die es dafür braucht. Dass Otto Habsburg in der Lage und bereit war, diese Erzählung authentisch vorzutragen, ist seine Lebensleistung. Dass sie in Polen und in der Ukraine mehr gewürdigt wird als in Österreich, sagt mehr über Österreich als über Habsburg.37

Die Mitarbeiter und Biographen Otto von Habsburgs, Stephan Baier und Eva Demmerle, beschreiben dessen Tätigkeiten in der Paneuropa Union und die Zusammenarbeit mit CEDI, der „Aktion Österreich Europa“ (AÖE) und der „Jungen Europäischen Studenteninitiative (JES) als „ein politisches Netzwerk“.38 33

Baier/Demmerle, Otto von Habsburg S. 385. Ebd. S. 386. 35 Paneuropa Deutschland, 34. Jg., 3/2011, S. 9. 36 Ebd. S. 6. 37 Michael Fleischhacker, Was von Habsburg bleibt, in: Die Presse, Wien 15. 7. 2011, http:// diepresse.com/home/zeitgeschichte/678535/Was-von-Habsburg-bleibt, aufgerufen am 8. 8. 2016. 38 Baier/Demmerle, Otto von Habsburg, S. 357. 34

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Die Paneuropa Union geht zurück auf die Idee des österreichischen Aristokraten Richard Graf Coudenhove-Kalergi. Nach dem Zusammenbruch der alten Welt Österreich-Ungarns entwickelte Coudenhove die Vision eines geeinigten Europas, das sich gegen die Sowjetunion und Amerika behaupten könne.39 Diese Vision eines „Paneuropa“ veröffentlichte Coudenhove 1922 in der „Vossischen Zeitung“ in Berlin und in der Wiener „Neuen Freien Presse“. 1923 schrieb er sein programmatisches Buch „Pan-Europa“.40 In Österreich schlossen sich bald namhafte Politiker der Paneuropa Idee an, so der spätere Bundeskanzler Prälat Ignaz Seipel (1876 – 1932) und Karl Renner (1870 – 1950)41, später auch Kurt von Schuschnigg.42 In Deutschland bekannte sich z. B. Thomas Mann zu den Ideen Coudenhoves; er hielt 1930 in Berlin eine Rede „Für Pan-Europa“.43 Der Schriftsteller Franz Werfel und der französische Außenminister Aristide Briand gehörten ebenfalls zu den Unterstützern Coudenhoves. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde die Paneuropa Bewegung in Deutschland und Österreich verboten. Coudenhove ging ins Exil in die USA. Dort lernten Otto von Habsburg und Coudenhove sich kennen. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden neue Europabewegungen wie zum Beispiel die „Europa Union“44, die für eine enge transatlantische Partnerschaft mit den USA eintrat und der führende Politiker etwa aus der CDU angehörten45; die Paneuropa Union dagegen bestand zunächst nur auf dem Papier weiter.46 Gleichwohl wurde das große Engagement Coudenhoves in den 1920er Jahren für die europäische Idee mit dem Karlspreis der Stadt Aachen 1950 geehrt. Mit dem Regierungsantritt de Gaulles in Frankreich trat eine Änderung ein und die Paneuropa Union bekam durch französische Politiker und Intellektuelle neue Unterstützer, durch Industrielle auch finanzielle Hilfe. Mit der de Gaulleschen Idee des „Europa der Vaterländer“ und in Auseinandersetzung mit den „Atlantikern“ kam die Paneuropa Union (PEU) nun auch in Deutschland wieder zu Erfolgen. Politiker vor allem aus CSU und CDU engagierten sich für die PEU, so Franz Josef Strauß, Alfons Goppel (1905 – 1991), Eugen Gerstenmeier (1906 – 1986), aber auch von der FDP Erich Mende (1916 – 1998).47 Nach dem Tode Coudenhoves 1972 wurde Otto von Habsburg 1973 Präsident der Internationalen Paneuropa Union, nachdem er zuvor Präsident des CEDI (Centre Européen de Documentation et d’Information) gewesen war; unter Otto von Habsburg flossen die Mitglieder und Unterstützer des CEDI mit in die PEU ein. 39

Ebd., S. 370. Richard Coudenhove-Kalergi, Pan-Europa, Leipzig 1926. 41 Vgl. http://www.paneuropa.at/paneuropa-eine-erfolgsgeschichte/geschichte/, aufgerufen am 21. 3. 2016. 42 Baier/Demmerle, Otto von Habsburg, S. 371. 43 Vgl. Thomas Mann, Rede für Pan-Europa, in: Thomas Mann, Politische Schriften und Reden, Bd. 2., Frankfurt/Main 1968, S. 173 – 179. 44 Conze, Europa der Deutschen, S. 389. 45 Ebd., S. 13. 46 Ebd., S. 197. 47 Conze, Europa der Deutschen, S. 200. 40

4. Otto von Habsburgs Haltung zur Monarchie

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Damit war auch eine Neuausrichtung der PEU verbunden, die sich in der Besinnung auf christliche und abendländische Werte und dem Ziel der Befreiung der unter Sowjetherrschaft stehenden Länder Mittel- und Osteuropas ausdrückte. Die PEU wurde so ein „unzweifelhaft konservativer europäischer Verband“.48 Heute ist der Sohn Otto von Habsburgs, Karl von Habsburg, Präsident der Paneuropa Union in Österreich.49

4. Otto von Habsburgs Haltung zur Monarchie Otto von Habsburg begann sein schriftstellerisches Werk nicht als unbekannter Publizist oder Politiker, sondern als Kronprinz der 1918 aufgelösten Donaumonarchie Österreich-Ungarn. Als Otto geboren wurde, war seine Position in der Thronfolge so nicht unbedingt vorauszusehen. Erst mit der Ermordung des österreichischungarischen Thronfolgers Franz Ferdinand in Sarajevo 1914 rückte Ottos Vater Karl zum Thronfolger und Otto dann mit dem Tod Kaiser Franz Josephs zum Thronfolger auf. Auch nach dem Ende der Donaumonarchie wurde Otto von Habsburg von seiner Mutter, Kaiserin Zita, erzogen, als hätte es den November 1918 nicht gegeben, bzw. als sei die Entstehung der Nachfolgestaaten nur ein Intermezzo. Otto erhielt im Exil in Spanien und Belgien eine Erziehung nach den Lehrplänen der Monarchie, und zwar auf Deutsch als auch auf Ungarisch.50 Die Aussichten, auf einen der angestammten Throne zurückzukehren, waren seit den beiden gescheiterten Restaurationsversuchen Kaiser Karls in Ungarn für Otto zunächst wenig realistisch. Erst mit dem Entstehen des autoritären Ständestaates in Österreich 1933 und dann 1934 nach der Ermordung von Engelbert Dollfuß (1892 – 1934) wurden die Aussichten realistischer. Auf Dollfuß folgte der erklärte Legitimist Kurt Edler von Schuschnigg als Kanzler; in der Folgezeit wurde Erzherzog Otto in vielen Gemeinden Österreichs die Ehrenbürgerwürde zuteil.51 In den Tagen vor dem „Anschluss“ Österreichs 1938 zeugt der Briefwechsel zwischen Otto von Habsburg und Bundeskanzler Schuschnigg von dem Bestreben Ottos, die Kanzlerschaft von Schuschnigg zu übernehmen, falls dieser nicht bereit sei, mit Waffengewalt dem Deutschen Reich zu wiederstehen.52 Schuschnigg sprach in seinem Antwortschreiben Otto als „Majestät“ an und sah damit Otto offensichtlich als legitimen Herrscher Österreichs an. In der Exilzeit Ottos in Belgien, Paris und den USA sammelten sich um Otto Österreicher, die einer Rückkehr zur Monarchie nahestanden, unter ihnen der 48 49 50 51 52

Ebd., S. 204. Vgl. http://www.paneuropa.at/organisation/, aufgerufen am 21. März 2016. Vgl. Baier/Demmerle, Otto von Habsburg, S. 95. Ebd. S. 109 f. Schuschnigg, Im Kampf gegen Hitler, S. 18 – 24.

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V. Kaiser Karl V. aus der Sicht des Kronprinzen

Schriftsteller Joseph Roth, der in seinem literarischen Werk der Habsburger-Monarchie ein Denkmal setzte, u. a. mit den Werken „Radetzkymarsch“ und „Die Kapuzinergruft“. In dieser Zeit lernte Otto von Habsburg den Gründer der Paneuropa Union, Graf Richard Coudenhove-Kalergi, kennen. Otto von Habsburg versuchte durch Gespräche u. a. mit Winston Churchill (1874 – 1965), nach dem Krieg eine Donauföderation zu errichten, die in etwa die Nachfolgestaaten der k.u.k.-Monarchie umfassen und das Vordringen der Sowjetunion nach Westen verhindern sollte.53 Auch nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der kurzzeitigen Einreise Ottos in Österreich war die Haltung Ottos zur Monarchie zunächst unverändert. Die Rücknahme der Habsburger-Gesetze von 1919, die die Regierung Schuschnigg im Juli 1935 veranlasst hatte, wurde von der Zweiten Republik wiederum rückgängig gemacht und die Gesetze wieder in Kraft gesetzt, die die Landesverweisung der Angehörigen des Hauses Habsburg-Lothringen aus Österreich festschrieben.54 Otto weigerte sich bis 1961, den verlangten Verzicht zu leisten. Am 31. Mai 1961 unterzeichnete Otto von Habsburg in Pöcking eine Erklärung mit folgendem Wortlaut: Ich, Endesgefertigter, erkläre hiermit gemäß § 2 des Gesetzes vom 3. April 1919, Staatsgesetzblatt für den Staat Deutschösterreich Nr. 209, daß ich auf meine Mitgliedschaft zum Hause Habsburg-Lothringen und auf alle aus ihr gefolgerten Herrschaftsansprüche ausdrücklich verzichte und mich als getreuer Staatsbürger der Republik bekenne.55

Gleichwohl bekannte Otto von Habsburg in einem Interview mit Hellmut Andics noch im August 1960 auf die Frage „Heißt das, daß sie die Republik für die passende Staatsform unserer Gegenwart halten?“: Ich befürworte eine Mischform, weil ich an viele Elemente der Monarchie glaube. Wenn man heute von der monarchischen Staatsform spricht, sollte man nicht an die Monarchien des 18. und 19. Jahrhunderts denken. In dieser Epoche war es die Funktion des Monarchen, Anordnungen zu treffen, um die wirtschaftliche Entwicklung vorwärtszutreiben. Die Funktion des Staatsoberhauptes von heute sehe ich in der Rechtskontrolle. Der Staat ist nicht zu mächtig geworden, wie so oft gesagt wird, sondern zu schwach, um die Privatinteressen hinter der Maske von politischen Parteien oder Wirtschaftsgruppen zu bändigen. Es hat sich geradezu ein neues Feudalsystem der Kammern und Parteien herausgebildet. Heute ist das Hauptproblem, wie man die Macht der Mehrheit beschränkt. Es muß unmöglich gemacht werden, daß die Mehrheit die Grundrechte einer Minderheit antastet […] Entscheidend ist ein Vetorecht, wenn die Grundrechte eines Staatsbürger gefährdet sind. Daß ein Monarch dieser Funktion am besten gerecht werden kann, glaube ich deshalb, weil er von den Interessengruppen unabhängig ist, die beispielsweise einen Präsidenten wählen, und weil ich glaube, daß die erforderliche absolute Objektivität des Staatsoberhauptes in einer erblichen Monarchie anerziehbar ist.56

53 54 55 56

Baier/Demmerle, Otto von Habsburg, S. 196. Baier/Demmerle, Otto von Habsburg, S. 121 ff. Andics, Der Fall Otto Habsburg, S. 7. Ebd., S. 30 f.

4. Otto von Habsburgs Haltung zur Monarchie

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Otto von Habsburg sah also die Vorteile einer monarchischen Staatsform in der Objektivität des Herrschers, seiner Unabhängigkeit von Parteien, seiner Erblichkeit und der Erziehung des Thronfolgers auf seine Aufgabe hin. Mit der Verzichtserklärung des Jahres 1961 und seiner Kandidatur für das Europäische Parlamente 1979 scheint Otto von Habsburg sich von der Idee der monarchischen Staatsform verabschiedet zu haben. Gleichwohl gibt es Hinweise, dass dies nicht grundsätzlich gilt. Für seine Werke „Die Reichsidee“ (1986) wird als Abbildung des Schutzumschlags das Bild der Reichskrone gewählt, für den Titel „Zurück zur Mitte“ (1991) die Abbildung des Reichsapfels des Heiligen Römischen Reiches. In der Festschrift zum 75. Geburtstag Otto von Habsburgs 1987 erschien ein Text des österreichischen Künstlers Friedensreich Hundertwassers (1928 – 2000) unter der Überschrift „Sehnsüchte eines Österreichers“, in dem es heißt: Für die Wiederkehr der Konstitutionellen Monarchie. Österreich braucht ein übergeordnetes Zentrum […] Österreich braucht einen Kaiser, der dem Volke untertan ist […] Es ist ungeheuerlich, daß Österreich einen Kaiser hat, der niemandem etwas Böses tat und ihn dennoch wie einen Aussätzigen behandelt. Österreich braucht eine Krone. Es lebe Österreich. Es lebe die konstitutionelle Monarchie. Es lebe Otto von Habsburg.57

Aus seiner Zeit im Europäischen Parlament (1979 – 1999) wird von Otto von Habsburg der Ausspruch überliefert, er sei Gott dankbar, dass er nicht Kaiser geworden sei, sondern Abgeordneter, denn als solcher könne er einen Esel einen Esel nennen, als Monarch hingegen hätte er ihn Exzellenz titulieren müssen.58 Im Jahre 2007 äußerte sich Otto von Habsburg in dem Interview Band „Der Habsburg-Faktor“ zur Bedeutung der Kronen: Sie [die Kronen] haben eine sehr große Ausstrahlung […] Das sind alles Kronen mit einer Gottesverbindung, und ohne die ist die Krone nicht mehr als ein Zylinder. Das sieht man auch wenn man einer Krone gegenübersteht, was man da für ein Gefühl von der Geschichte hat.59

Am Ende seines Lebens sah Otto von Habsburg also weiterhin die Verbindung von Gottesglauben und Herrschaft als Ideal an, versinnbildlicht in einer Krone. So war es dann auch bei der Beisetzung Ottos im Juli 2011 in Wien, als bei der Anklopfzeremonie an der Kapuzinerkirche Otto zwar als „einst Kronprinz von ÖsterreichUngarn“ tituliert wurde, dann aber alle ehemals kaiserlichen Titel aufgeführt wurden60 und sowohl im Stephansdom als auch vor der Kapuzinerkirche die einstige Kaiserhymne intoniert wurde, die mit der Zeile endet: „Innig bleibt mit Habsburgs

57 58 59 60

Habsburg/Posselt, Einigen – nicht trennen, S. 196. Bernd Posselt, Paneuropa und das Parlament, in: Paneuropa Deutschland, 3/2011, S. 11. Demmerle, Der Habsburg-Faktor, S. 182. Handler, Otto von Habsburg – Abschied, S. 211.

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V. Kaiser Karl V. aus der Sicht des Kronprinzen

Throne Österreichs Geschick vereint.“61 Auf dem Sarg Otto von Habsburgs lag auch nicht etwa die Paneuropa Fahne, sondern die schwarz-gelbe Fahne der Monarchie.

5. „Der Kaiser“ – Die Festrede Otto von Habsburgs in Salamanca 1958 Unter dem Titel „Der Kaiser“ veröffentlichte Otto von Habsburg 1961 einen ersten Text über Kaiser Karl V.; dieser findet sich als ein Kapitel des Buches „Im Frühling der Geschichte“, 1961 in erster Auflage62 erschienen (nach Verlagsangabe 1 bis 3 Tausend Exemplare) zweite Auflage63 im selben Jahr (4 bis 6 Tausend). Bei diesem Text handelt es sich um eine Rede, die Otto von Habsburg am 7. Mai 1958 in Salamanca zum 400. Todestag Karls V. gehalten hat und die in der Zeitschrift „Neues Abendland“ in der Ausgabe 2/1958 erstmals veröffentlicht wurde.64 Bereits 1957 hatte Otto von Habsburg in einem Beitrag für Neues Abendland unter dem Titel „Spanien und Europa“ auf die Bedeutung Karls V. im bevorstehenden Jubiläumsjahr 1958 hingewiesen und in diesem Zusammenhang die Meinung vertreten, dass Europa Spanien dringender benötige als Spanien Europa.65 Auf die Rede in Salamanca wird auch in der von Otto von Habsburg autorisierten Biographie von Baier/Demmerle eingegangen. Dort heißt es im Kapitel „Ein Kronprinz als Schriftsteller“: Nach und nach beginnen die Vortragsverpflichtungen diesseits des Atlantiks. In Deutschland spricht er über Europa und den Donauraum. In Spanien absolvierte er zwischen 1955 und 1958 unzählige Vorträge, so spricht er am 7. Mai 1958 in Salamanca vor 1200 Zuhörern über Karl V.66

Zum 400. Todestag Karls V. fanden 1958 größere Veranstaltungen auch in Köln und Wien statt, die in Sammelbänden dokumentiert wurden. In Köln wurde die Tagung von Peter Rassow mit einem Festvortrag eröffnet, in dem er sich mit dem Bild

61 Ebd., S. 194. Vgl. auch: Gerald Stieg, Sein oder Schein. Die Österreich-Idee von Maria Theresia bis zum Anschluss, Wien 2016, S. 19 f. Hier geht Stieg auf die Bedeutung der habsburgischen Geschichte für das heutige Österreich ein, besonders auch auf die Beerdigung Otto von Habsburgs, und deutet das habsburgische Erbe für Österreich als „unzerstörbaren Erinnerungsort“. 62 Otto von Habsburg, Im Frühling der Geschichte, München/Wien 1961. 63 Otto von Habsburg, Im Frühling der Geschichte, 2. Auflage Wien/München 1961. 64 Otto von Österreich, Der Kaiser, in: Neues Abendland 2/1958, S. 98 – 109. 65 Otto von Habsburg, Spanien und Europa, in: Neues Abendland 4/1957, S. 291 – 299. 66 Baier, Demmerle, Otto von Habsburg, S. 253.

5. „Der Kaiser“ – Die Festrede Otto von Habsburgs in Salamanca 1958

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Karls V. im Laufe der Jahrhunderte auseinandersetzte.67 An der Veranstaltung in Köln nahm auch der damalige Bundespräsident Theodor Heuss teil.68 In Wien fand am 13. November 1958 an der Universität eine Akademische Feier statt, die mit einer Rede des Unterrichtsministers Heinrich Drimmel (1912 – 1991) eröffnet wurde und die im Band „Spanien und Österreich – Nachklang zum 400. Gedenkjahr des Todes Kaiser Karls V.“ dokumentiert wurde.69 Neben Salamanca wurde auch in Granada an den 400. Todestag Karls V. erinnert. In der von der Universität von Granada herausgegebenen Festschrift findet sich auch ein Beitrag von Friedrich August von der Heydte (1907 – 1994) über „Das internationale politische Denken von Karl V. und die heutige Situation in Europa“. Von der Heydte war ein maßgeblicher Vertreter der Abendländischen Bewegung in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg und Vertrauter von Otto von Habsburg.70 Der Text, der programmatisch mit „Der Kaiser“ überschrieben ist, handelt von Karl V. Otto von Habsburg bezieht sich in diesem Kapitel öfter auf die Schriften Carl Jacob Burckhardts. In einem Brief Habsburgs an Burckhardt vom 25. Dezember 1954 schreibt Habsburg: Gerade haben meine Frau und ich Ihr Buch ,Gedanken über Karl V.‘ beendet. Es drängt mich Ihnen zu sagen, wie tief wir von dieser Studie beeindruckt sind. Jedes Wort des Lobes welches man sagen könnte wäre unzutreffend. Denn es ist ein Meisterwerk, eine Geschichte, die so gross ist wie die des Kaisers, so klar zusammen zu fassen, ohne dabei in den Fehler der Vereinfachung zu fallen. Und für unsere Zeit und ihre Probleme ist nichts so wichtig, als gerade die Politik zu verstehen, welche sie so klar und eindringlich darlegen. Gebe Gott, dass die Verantwortlichen Ihre Arbeit lesen und verstehen.71

Otto von Habsburg übersandte Carl Jacob Burckhardt sein Redemanuskript für die Rede in Salamanca am 17. April 1958 und schrieb: Exzellenz, als ich die Freude hatte, das letzte Mal bei Ihnen zu sein, hatte ich auch die Gelegenheit, Ihnen mitzuteilen, dass ich Anfang Mai nach Salamanca gehen würde, um dort die Festrede für Karl V. zu halten. Die Festrede wird am 7. Mai gehalten werden. Ich erlaube mir nun, Ihnen, Exzellenz, ein Exemplar des deutschen Originaltextes zu übersenden. Die Rede wird selbstverständlich auf Spanisch gehalten, wird aber aus dem deutschen Originaltext in das Spanische übertragen. Ich möchte bei diesem Anlass Ihnen nochmal herzlich für die seinerzeitige Zusendung Ihrer Schrift über Karl V. danken. Sie war mir Inspiration in der Vorbereitung der Rede und hat mir weitgehend geholfen, den Versuch zu unternehmen, 67 Peter Rassow, Fritz Schalk, Karl V. Der Kaiser und seine Zeit. Kölner Colloquium 26.–29. November 1958. Köln 1960, S. 15. 68 Ebd. In der Einleitung, o. S. 69 Spanien und Österreich – Nachklang zum 400. Gedenkjahr des Todes Kaiser Karls V., Wien 1960. 70 von der Heydte, El Pensamiento politico internacional de Carlos V y la Situacion actual de Europa, in: Carlos V. Homenaje de la Universidad de Granada, Granada 1958, S. 271 – 278. Vgl. zu Friedrich August von der Heydte auch: Conze, Das Europa der Deutschen, S. 63 ff. 71 Nachlass Burckhardt, Universität Basel, G 2770, 13.

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V. Kaiser Karl V. aus der Sicht des Kronprinzen der ja nicht leicht ist, eine Interpretation gewisser politischer Gedankengänge des grossen Herrschers zu geben.72

Otto von Habsburg gründete dann nach verschiedenen Veranstaltungen, so dem „Eucharistischen Kongress“ in Barcelona 195273 und einer Sommerakademie in Santander74 im selben Jahr das „Centre Européen de Documentation et Information“ (CEDI). Das CEDI sollte die internationale Isolierung Franco Spaniens durchbrechen und Kontakte auf europäischer Ebene herstellen. Otto von Habsburg schreibt in dieser Zeit regelmäßig für spanische Zeitungen, und hält Vorträge in Spanien.75 Otto von Habsburg greift für diese erste Arbeit über Karl V. als auch später für sein Buch 1967 auf die Burckhardt-Texte zu Karl V. zurück. Im Literaturverzeichnis zu „Karl V.“ 1967 nennt er die Gedanken über Karl V. Dort finden sich auch Hinweise auf die von Royall Tyler verfasste Biographie, zu der Burckhardt das Vorwort für die deutsche Auflage beisteuerte und ein Lob auf das Werk Charles Terlindens: Erstaunliches Verständnis für die Person des Herrschers beweist der amerikanische Autor Royall Tyler, während Auswahl und Darbietung der Ikonographie in dem großen Werk des Doyens der belgischen Historiker, Charles de Terlinden, unentbehrlich sind für jeden, der jenseits der Fakten und Dokumente den Menschen zu sehen sucht.76

Burckhardts umfangreiche Briefwechsel sind in einem kleinen Ausschnitt in dem Band „Carl J. Burchkardt: Briefe“, herausgegeben vom Kuratorium Carl J. Burckhardt von Ingrid Metzger-Buddenberg, 1986 veröffentlicht.77 Darin findet sich auch ein Schreiben Burckhardts an Otto von Habsburg, in dem er sich für die Übersendung des Werkes „Im Frühling der Geschichte“ bedankt und auf den Titel des Buches eingeht, der einer Ansprache Papst Pius XII. (1876 – 1958) entnommen ist. Burckhardt spricht Otto von Habsburg in seinen Briefen meist als „Majestät“, seltener auch als „Kaiserliche Hoheit“ an. Bei den Briefen Otto von Habsburgs nutzt dieser einen Briefkopf mit der österreichischen Rudolfskrone und der ungarischen Stephanskrone und unterschreibt seine Briefe bis 1963 mit „Otto von Österreich“, danach als „Otto von Habsburg“. Der Text „Der Kaiser“ ist bedeutsam für die Forschungsarbeit über Karl V. und seine Rezeption für die Europaidee, da sich hier schon sehr früh die Verbindung von Burckhardt und Habsburg dokumentiert und die Nähe der Autoren zum Spanien Francos deutlich wird. Im Text werden Grundzüge der Abendländischen Gesinnung des Autors deutlich. Er strebt ein christliches Europa an, das die Werte von Freiheit 72 Otto von Habsburg an Carl Jacob Burckhardt am 17. April 1958, in Nachlass Burchkardt G 2770, 38. 73 Baier/Demmerle, Otto von Habsburg, S. 253. 74 Conze, Europa der Deutschen, S. 173. 75 Otto von Habsburg, Probleme des Atomzeitalters, Innsbruck 1955, 183 f. 76 Otto von Habsburg, Karl V., 1. Auflage, Wien 1967, S. 442. 77 Carl J. Burckhardt, Briefe 1908 – 1974. Herausgegeben vom Kuratorium Carl J. Burckhardt mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung. Besorgt von Ingrid Metzger-Buddenberg. Frankfurt/Main 1986.

5. „Der Kaiser“ – Die Festrede Otto von Habsburgs in Salamanca 1958

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und Recht gegen den Kommunismus und die Sowjetunion verteidigen soll. Karl V. dient dabei als Vorbild und das Spanien Francos als natürlicher Verbündeter. Daher erklären sich wohl die vielfältigen Verweise in Otto von Habsburgs Text auf Spanien.78 In Otto von Habsburgs Abhandlung betont er die herausgehobene Rolle des Kaisers gegenüber den Königen mit dessen übernationaler und überterritorialer Funktion.79 Für Otto von Habsburg ist der Kaiser eine Art Schiedsrichter unter den Herrschern und hat eine abendländische Verpflichtung. In der Renaissance erkennt Otto von Habsburg Anzeichen und Ursachen von Materialismus, Nationalismus und Totalitarismus sowie eine Zurückdrängung christlicher Gedanken zu Gunsten römisch-heidnischer Vorstellungen. Franz I. von Frankreich ist für Otto von Habsburg ein Vertreter nationalstaatlicher Politik, während Karl V. für eine abendländische, europäische Politik der Einheit stehe.80 Dieser Verfall des kaiserlichen, übernationalen Gedankens setzte sich nach Otto von Habsburgs Ausführungen im Ende des Heiligen Römischen Reiches 1806 und der österreichischen Niederlage gegen Preußen in der Schlacht von Königgrätz 1866 und dem folgenden Ausgleich Österreichs mit Ungarn 1867 fort.81 Seiner Zeit, den 1950er Jahren, konstatiert Otto von Habsburg aber nun ein unbewusstes neuerliches Sehnen nach der kaiserlichen Funktion als eines übernationalen, ausgleichenden Richters. In seinen Ausführungen in Der Kaiser nimmt Otto von Habsburg Bezug auf verschiedene Historiker wie Peter Rassow, Karl Brandi (1868 – 1946), Heinrich von Srbik (1878 – 1951)82. Bei der Geschichte des Textes wird die Vernetzung unter den Europäischen Konservativen wie Burckhardt und von Habsburgs erkennbar, wie sie auch jüngst in dem Werk Die Internationale der Konservativen von Johannes Großmann83 skizziert wurde. Im Text selbst wird deutlich, dass von Habsburg die wissenschaftliche Reflektion über Karl V. zu seiner Zeit zur Kenntnis nimmt und diese auch selektiv für seine politischen Zwecke aufnimmt. Erstaunlich wirkt die Beschreibung der kaiserlichen Funktion als Schiedsrichter, wie sie hier als auch an anderen Stellen im Werk Otto von Habsburgs charakterisiert wird; auch die idealisierte Beschreibung des Ordens vom Goldenen Vlies findet sich in diesem frühen Werk Otto von Habsburgs und wird sich noch in der letzten Publikation84 Otto von Habsburgs 2007 wiederfinden. Charles Terlinden beschreibt und charakterisiert den Orden in ähn-

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Otto von Habsburg, Der Kaiser, in: Im Frühling der Geschichte, S. 132. Ebd. S. 132. 80 Ebd. S. 144. 81 Ebd. S. 141. 82 Ebd. S. 141. 83 Johannes Großmann, Die Internationale der Konservativen, München 2014. 84 Eva Demmerle, Der Habsburg-Faktor. Visionen für das neue Jahrtausend. Eva Demmerle im Gespräch mit Otto von Habsburg. Heidelberg 2007. 79

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V. Kaiser Karl V. aus der Sicht des Kronprinzen

licher Weise in seinem Beitrag für die Festschrift zum 50. Geburtstag Otto von Habsburgs.85

6. Otto von Habsburgs „Karl V. Kaiser für Europa“ Im Jahre 1967 erschien, zunächst in Paris auf Französisch, dann im selben Jahr in Wien auf Deutsch „Karl V.“ aus der Feder Otto von Habsburgs. Den Untertitel „Kaiser für Europa“ erhielt das Buch erst in der 4. Auflage. Das Vorwort des Buches ist im Stil eines Universalgelehrten geschrieben. Es finden sich Verweise auf Gelehrte unterschiedlicher Disziplinen wie Nietzsche (1844 – 1900), Heisenberg (1901 – 1976) oder Teilhard de Chardin (1881 – 1955)86. Beim Erscheinen des Buches 1967 war das II. Vatikanisches Konzil (1962 – 65) gerade erst zwei Jahre beendet; dies mag die zweimalige Einbeziehung des Konzils in das Vorwort erklären. Ebenso ist die damalige Bedrohung durch den Kalten Krieg und die Konfrontation zwischen den Großmächten in dem Stichwort „Massenvernichtungswaffen“ zu greifen. Auffällig ist weiterhin, dass das Vorwort viele theologische, religiöse und kirchliche Bezugnahmen aufweist. Die These, dass die Einheit Europas und die Einheit der Kirche87 die Hauptprobleme des 20. Jahrhunderts seien, deuten auf eine bestimmte „abendländische“ Sichtweise des Autors. In jedem Fall verfügt der Autor über ein großes – zur Schau gestelltes – Bildungswissen und eine kirchliche Verortung.88 Ein großes Anliegen scheint dem Autor die Einheit der Christen und die Einheit des europäischen Kontinents zu sein. Er stellt sich gegen den Nationalismus des 19./20. Jahrhunderts und den Materialismus und tritt stattdessen für die Einigung Europas und einen Ausgleich zwischen den Konfessionen ein.89 Eventuell sind dieser Europagedanke und die Erinnerung an Karl V. ein Substitut für den Gedanken der Monarchie: Die Reichsidee also in das 20. Jahrhundert und auf Europa transferiert. Die Geschichte dient dabei dem Autor als Beispiel für die politische Problemlage seiner Gegenwart. Das Vorwort scheint auf einen Dreischritt Einheit – Teilung – Heilung in Bezug auf die Epochen Mittelalter – Neuzeit – Gegenwart zu verweisen. Damit gleicht es der geschichtsphilosophischen Deutung, die Novalis (Friedrich von Hardenberg) in seinem Aufsatz Die Christenheit oder Europa entwickelt hat. Diese könnte als (verschwiegene) Vorlage gedient haben. Wie bei der von Friedrich von Hardenberg 1799 verfassten Rede Die Christenheit oder Europa finden sich auch im Vorwort zu Otto von Habsburgs Karl V. 85

Charles Terlinden, Das Goldenen Vlies, in: Virtute fideque. Festschrift für Otto von Habsburg zum 50. Geburtstag. Wien/München 1965, S. 163 – 171. 86 Otto von Habsburg, Karl V., München 1990, S. 12. 87 Ebd. S. 13. 88 Baier/Demmerle, Otto von Habsburg, S. 256: Otto von Habsburg nahm an der Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils auf Einladung von Papst Johannes XXIII. teil. 89 Otto von Habsburg, Karl V., München 1990, S. 14.

6. Otto von Habsburgs „Karl V. Kaiser für Europa“

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drei Phasen eines Geschichtsablaufs. Bei Novalis findet sich die Erinnerung an ein goldenes Zeitalter, das europäische Mittelalter als eine Epoche christlich-katholischer Zeiten; es folgt eine Zeit von Kampf, Widerstreit und Entfremdung, die geprägt sei von Materialismus und irreligiöser Einstellung.90 Danach soll ein neues Reich des Friedens, des Glaubens, der Freiheit und der Liebe anbrechen. Otto von Habsburg beschreibt ebenfalls diese drei Phasen der Geschichte: das Mittelalter als eine Zeit des Religiösen91, die mit der Renaissance und ihrem vermeintlich heidnischen Kern beendet wurde92 und in ein Zeitalter von Nationalismus und Materialismus mündete. Nun sei es Zeit für einen Neuaufbruch zur Einheit Europas und christlicher Neubesinnung, für die von Habsburg schon Anzeichen sieht.93 Gleichfalls weist das Vorwort große Ähnlichkeit mit der Einleitung von Carl Jacob Burckhardts Gedanken über Karl V. auf. Burckhardt beginnt mit der Überlegung, dass „das menschliche Urteil über Vergangenes nie still stehe und es keinen endgültigen Spruch über Gewesenes geben könne“.94 Otto von Habsburg formuliert ähnlich, wenn er ausführt, dass das Bild, das die Nachwelt sich von vergangenen Jahrhunderten mache, nicht starr und unveränderlich sei, sondern endlosen Schwankungen unterworfen sei.95 Otto von Habsburg strebt offensichtlich für seine Zeit eine Einheit und Gemeinschaft in Pluralität und Glauben für Europa an. Um diese Vision für Europa zu begründen, nimmt Otto von Habsburg Bezug auf die Geschichte des Heiligen Römischen Reiches und verschiedene Herrscher, u. a. aus seiner eigenen Familie (Karl V., Philipp II.) und bezieht sich dabei auch auf das väterliche Kaisertum Karls I. und die Reichsidee, die seine habsburgische Familie über Jahrhunderte verkörpert habe. Der Autor ist sich bei der von ihm aufgezeigten Vision für Europa seiner Außenseiterposition offenbar bewusst. Otto von Habsburg versucht, für die Probleme seiner Zeit Lösungsmöglichkeiten aus der Geschichte zu finden; die Einheit des europäischen Kontinents und der Christen scheinen ihm die wichtigsten Probleme zu sein. Als Erbe einer großen europäischen Dynastie trägt Otto von Habsburg sein Modell für eine Lösung vor. Das Vorwort ist bei der letzten Auflage nur geringfügig geändert worden und das Literaturverzeichnis entfällt 1990; im Vorwort ist nur ein Satz eingefügt, der sich auf den Zusammenbruch der marxistisch-kommunistischen Gesellschaftssysteme bezieht.96 Da Otto von Habsburg mit seinem Paneuropa-Picknick 1989 in Sopron an der ungarisch-österreichischen Grenze dabei einen gewissen oder sogar maßgeblichen 90 91 92 93 94 95 96

Novalis, Die Christenheit oder Europa, Stuttgart 1984, S. 151. Otto von Habsburg, Karl V., München 1990, S. 9. Ebd., S. 10. Otto von Habsburg, Karl V., Wien 1979, S. 10 f. Carl Jacob Burckhardt, Gedanken über Karl V., S. 9. Otto von Habsburg, Karl V., Wien 1979, S. 9. Habsburg, Karl V., München 1990, S. 12.

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V. Kaiser Karl V. aus der Sicht des Kronprinzen

Einfluss97 hatte und sich seine Europaidee offenbar durchgesetzt hatte, ist es erstaunlich, dass darauf im Vorwort zur 4. Auflage nicht näher Bezug genommen wird. Zur Kritik und Rezeption Otto von Habsburgs „Karl V.“ sei auf zwei Kommentare verwiesen, zum einen aus „Die Zeit“ von 1980: Gebettet auf ein Kissen solcher Erkenntnisse, präsentiert sich also das Leben des fünften Karl. Der stammte aus Burgund, dem „Kernstück europäischer Annäherung“, dem „auserwählten Land“; durch Zufälle der Erbschaft, durch Bestechungsgelder in Deutschland und durch Holocaust in Übersee war er Herr eines Reiches geworden, darin, man weiß es, die Sonne nicht unterging. Seine Gaben erwiesen sich als durchweg mittelmäßig…Die einzig überzeugende Handlung seines Lebens wurde seine vorzeitige Demission. Biograph und Nachfahr Otto von Habsburg sieht das alles gänzlich anders: „Wir können Karl mit dem größten Künstler seiner Zeit, mit Michelangelo Buonarotti, vergleichen: im vollsten Sinne des Wortes ein Meister der Renaissance.“ Wäre Michelangelo dem Kaiser ähnlich gewesen, wäre die Kuppel von St. Peter, kaum errichtet, gleich wieder heruntergefallen. Selbst Otto von Habsburg scheint dies zu ahnen, wenn er von des Ahnen Mißerfolgen redet. Die kamen nun wie zustande? „… es fehlte ihm an geeigneten Kräften, das eingeleitete Unternehmen bis zum Erfolg fortzusetzen.98

Dies scheint eine polemische Kritik im Nachklang zur Europawahl des Jahres 1979 zu sein. Das Buch eines Politikers, der für die CSU in das erste europäische Parlament einzog, wird in einer linksliberalen Wochenzeitung ablehnend besprochen. Dagegen, mit zeitlichem Abstand, etwas milder bei Martina Fuchs 2005: Diese Biographie, die großen Wert auf die Vorgeschichte legt, ist ein detailreich gearbeitetes Werk, das wenige Überraschungen enthält, allerdings viele unwahre Behauptungen enthält, die zumindest relativiert werden müßten […] Der Kaiser wird in dreifacher Sicht als „Echter Vorläufer unserer Zeit“ gesehen: 1. In Bezug auf die religiöse Einheit, 2. Hinsichtlich der Einheit der Europäischen Union und 3. Betreffend die Politik in den neuentdeckten Ländern […] Grundsätzlich ist anzumerken, daß den Gebieten in der neuen Welt relativ viel Platz eingeräumt wird, ein Faktum, das sich bei deutschsprachigen Autoren sonst kaum findet.99

Karl V. von Otto von Habsburg kann als erzählende Biographie bezeichnet werden; Martina Fuchs bezeichnet das Werk als apologetisch100 und reiht es in die populärwissenschaftlichen Darstellungen101 des Kaisers ein. Neben der Lebensgeschichte Karls V. nimmt von Habsburg immer wieder auch Bezug zur Gegenwart und dem historischen Umfeld Karls V. als auch zur Familiengeschichte der Habsbur97

So etwa bei Stephan Löwenstein; Der Himmel über Sopronpuszta. In Ungarn wird an das paneuropäische Picknick von 1989 erinnert, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20. August 2014, S. 5. 98 Rolf Schneider, Notfalls Trost bei Gott, in: Die Zeit, 18. April 1980. 99 Fuchs, Karl V. als Gegenstand populärwissenschaftlicher deutscher Darstellung, Münster 2005, S. 57. 100 Martina Fuchs, Karl V. Eine populäre Figur?, Münster 2002, S. 195. 101 Martina Fuchs, Karl V. als Gegenstand populärwissenschaftlicher deutscher Darstellung, in: C. Scott Dixon und Martina Fuch (Hg.), The Histories of Emperor Charles V. Nationale Perspektiven von Persönlichkeit und Herrschaft, S. 56 f.

6. Otto von Habsburgs „Karl V. Kaiser für Europa“

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ger102. Der Verleger der vierten Auflage des Werkes, Herbert Fleissner (1928 – 2016), nennt die Biographie „geradezu beispielhaft für wissenschaftlich fundierte und gut erzählte große historische Biographie“.103 Das Werk ist in elf Kapitel eingeteilt. Im 1. Kapitel „Das Erbe der Ahnen“ geht Otto von Habsburg auf die burgundischen Wurzeln Karls V. ein und stellt diese in Beziehung zu den politischen Gegebenheiten des 20. Jahrhunderts. Burgund wird als ein vorweggenommenes EG-Europa der 1960er und 1970er Jahre geschildert, in dem nicht zufällig die europäischen Institutionen – in Straßburg und Brüssel – ihre Sitze haben: Schon dieser kurze Blick auf die historische und rechtshistorische Entwicklung Burgunds zeigt uns, wie sinnlos es wäre, wollte man versuchen, das Wesen dieses Landes mit den Augen eines Nationalisten des 19. Jahrhunderts zu erkennen. Das machte es für die Historiker vor dem Zweiten Weltkrieg – mit sehr wenigen Ausnahmen – unmöglich, selbst auf rein politischer Ebene, die wahre Bedeutung des burgundischen Reiches zu erfassen und zu beurteilen. Unsere Zeit jedoch mit ihren übernationalen Bestrebungen – der Europäischen Gemeinschaft, den Bemühungen um ein politisch geeintes Europa unter Einschluß der Ostblockstaaten – vermag Geist und Eigenart Burgunds zu würdigen.104

Otto von Habsburg beschreibt im 2. Kapitel „Kindheit und Jugend“ die Übernationalität des Hauses Habsburg. Habsburger seien nie zunächst Spanier, Burgunder, Deutsche oder Österreicher gewesen. Vielmehr hätten die Habsburger über rein nationalen Interessen ihrer Herrschaftsgebiete gestanden und so zu einer kulturellen und politischen Integration Europas beigetragen.105 Der Autor sieht in der Zeit des Herrschaftsbeginns Karls V. in Spanien 1517 eine „europäische Euphorie und einen Geist der Einheit“, die sich aus einer äußeren Bedrohung durch den Islam und der Bereitschaft zu einem neuen Kreuzzug gespeist hätten. Eine Aussöhnung zwischen dem Reich und Frankreich habe durch die Teilnahme des französischen Königs Franz bei den Feiern des Ordens vom Goldenen Vlies in Brüssel 1516 in Aussicht gestanden; das christliche Abendland hätte sich zu einem Kreuzzug zur Eroberung von Byzanz aufmachen können. Kapitel 3 überschreibt der Autor mit „Die Großen Probleme der Zeit“ und benennt als erstes „Reich, Staat und Nation“. Otto von Habsburg sah im Burgund des 15./16. Jahrhunderts gute Aussichten, den Reichsgedanken zu erneuern. Burgund sollte zwischen den „Erben Karls des Großen, Frankreich und Deutschland“106 ausgleichend wirken. In Burgund sollte eine Verschmelzung der „französischen und deutschen Reichsidee“ möglich gewesen sein. In Burgund sieht Otto von Habsburg

102

Habsburg, Karl V., München 1990, S 90. Herbert Fleissner, Der Schriftsteller und Autor, in: Walburga Douglas/Stephan Baier (Hg.), Otto von Habsburg. Ein souveräner Europäer, S. 231. 104 Habsburg, Karl V., S. 45 f. 105 Vgl. Ebd., S. 73. 106 Vgl. Ebd., S. 87. 103

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V. Kaiser Karl V. aus der Sicht des Kronprinzen

eine Kultur jenseits von nationalem Eigensinn, besonders in der burgundischen Ritterschaft: Die burgundischen Ritter waren nicht national im Sinne ihrer französischen oder mancher deutschen Standesgenossen. Sie sprachen französisch, aber sie dachten abendländisch. Ihr Land verfügte über keine natürlichen Grenzen und über keine ethnische Einheit. Das machte die Menschen aufgeschlossen und bereit, auch in geistigen Auseinandersetzungen ihren Mann zu stellen. Das mittelalterliche Reich war keine territoriale Einheit wie der souveräne Staat des 18. und noch mehr des 19. Jahrhunderts. Gewiß mußte der Kaiser aus praktischen Gründen über ein eigenes Land verfügen. Aber seine Funktion als solche gründete den Herrscheranspruch nicht auf materiellen Besitz, sondern auf die übernatürliche, quasi religiöse Bedeutung der Kaiserwürde.107

Otto von Habsburg stellt hier die nationalistischen Bestrebungen des 18./19. und implizit auch des 20. Jahrhunderts der burgundisch-reichischen Tradition des ausgehenden Mittelalters entgegen und sieht hierin ein Modell für die Überwindung der nationalen Eigeninteressen in einem einigen Europa. Die „Krone Karls des Großen“ und das römisch-deutsche Kaisertum sind für Otto von Habsburg die höchste Würde und Stellung innerhalb der Christenheit, nach der auch noch in den Zeiten des Niedergangs Ludwig XIV. von Frankreich (1638 – 1715) strebte. Im Vordringen des Islam im 15./16. Jahrhundert entstand dann eine europäische Schicksalsgemeinschaft eines Orbis Europaeus Christianus; „die abendländischen Nationen waren gezwungen, sich zu vereinen, um sich gegen den Vormarsch der Türken wirksam zu verteidigen.“ Ohne den Gedanken einer „Universalmonarchie“ Karls V. zu benennen, sieht Otto von Habsburg in Karl V. dessen Bestreben einer europäischen Einigung: „Vom Beginn bis zum Ende seiner Regierungszeit trat der Kaiser für die Erneuerung des christlichen Reiches und für die europäische Einheit ein.“ Auch habe sich Karl V. um den Frieden im Sinne der „Pax Romana“, der „Pax Christi“ und der treuga dei bemüht. Denn der Träger der Krone, die mehr sei als ein Symbol, habe sich um Frieden und Gerechtigkeit zu bemühen. Dies sei auch der Grund für Karls versöhnliche Haltung gegenüber Franz I. nach dem Sieg in Pavia 1525 gewesen.108 Denn das Reich habe ein Bund aller christlichen Nationen sein sollen und die religiöse Einheit des Abendlandes bewahren sollen. In der Wahl der Begrifflichkeiten ist auffällig, dass wiederholt der Begriff des Abendlandes und der Europas sich abwechseln, ohne näher definiert zu werden. Da Otto von Habsburg in den 1950er Jahren in der Abendländischen Bewegung aktiv war und sich zur Entstehungszeit des „Karl V.“ in der Paneuropa Union zu engagieren begann, sind auch in diesen Begrifflichkeiten aktuelle politische Intentionen beinhaltet. Explizit wird ein Gegenwartsbezug hergestellt, wenn Otto von Habsburg das Streben Karls V. nach Einheit der Christenheit mit „der Begeisterung unserer heutigen Zeit für den ökumenischen Gedanken“ im Zuge des II. Vatikanischen Konzils 107 108

Ebd. S. 89. Ebd., S. 92.

6. Otto von Habsburgs „Karl V. Kaiser für Europa“

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(1962 – 1965) verbindet.109 Dieser Gedanke setzt sich im folgenden Abschnitt über „Die Kirche“ fort: Wer Sinn für Geschichte hat, wird gewiß von der Tatsache beeindruckt worden sein, daß gerade die deutschen Bischöfe 1965, beim ökumenischen Konzil in Rom, mit aller Energie eine Reform, ja beinahe die Abschaffung des Ablasses forderten.110

In Luthers Wirken sieht von Habsburg den aufkommenden Nationalismus mit einem Fremdenhass, der sich gegen Rom und das „Lateinertum“ richtete. Bei allen berechtigten Anliegen der Reformation nach einer Reform von Kirche und Klerus sieht von Habsburg diese Anliegen auch im Streben Karls V., der sich allerdings nicht gegen den Papst und die deutschen Fürsten durchsetzen konnte. Den Fürsten unterstellt er neben wirklicher religiöser Begeisterung vor allem wirtschaftliche und persönliche Interessen, so z. B. den Hohenzollern in der Übernahme der Provinz Preußen vom Deutschen Orden.111 Im 7. Kapitel, überschrieben mit „Deutsche Angelegenheiten“, greift Otto von Habsburg noch weiter in der Geschichte zurück, um seine Idee von einem übernationalen Reich im Gegensatz zu Nationalstaaten zu untermauern: Die große Teilung des Kaiserreiches im 9. Jahrhundert – die zur Gründung des französischen Nationalstaates wie auch zu dem im Verlauf des 16. Jahrhunderts erwachenden Nationalismus in Deutschland führte – enthüllte sich mehr und mehr als das große Unheil des Abendlandes.112

Otto von Habsburg beschließt sein Werk „Karl V.“ mit dem 11. Kapitel „Aus der Sicht der Jahrhunderte“ und dem Untertitel „Der unsterbliche Kaiser“. Darin heißt es: Heute liegt die Größe Europas in Trümmern. Das System der Nationalstaaten hat sich als unheilvoller, fast tödlicher Irrtum herausgestellt. Die europäischen Bürgerkriege und zwei Weltbrände haben den Erdteil an den Rand des vollständigen Zusammenbruchs geführt. Doch eine verheißungsvolle Reaktion hat bereits eingesetzt. Der Begriff Europa steht wieder hoch im Kurs; man fängt an, aufs neue die Wechselbeziehung zwischen religiösen Kräften und politischen Ideen zu begreifen und auch die Notwendigkeit, die politischen- und Wirtschaftsgemeinschaften auf einer soliden sittlichen Grundlage zu errichten. Es ist nicht überraschend, daß Burgund – wo Karl geboren und erzogen wurde, wo er dessen besonderes Verfassungsrecht kennenlerne, wo er Kultur und Geist des Landes in sich aufnahm, um sie nach Spanien, Deutschland und Italien zu tragen – in unseren Tagen wiederum zu einem Kernstück der europäischen Einheit wird. Wie von selbst fiel die Wahl auf das alte Zwischenreich, als es galt, den Sitz übernationaler Organisationen zu bestimmen – man denke an die Europahauptstädte Straßburg, Luxemburg und Brüssel. Hier schlägt immer noch das Herz Europas, und wenn dieses Europa heute an der Schwelle steht zu dem vor wenigen Jahren noch undenkbaren Schritt, aus eigener Kraft seine verhängnisvolle Spaltung 109 110 111 112

Ebd., S. 93. Ebd. S. 100. Ebd. S. 140. Ebd. S. 245.

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V. Kaiser Karl V. aus der Sicht des Kronprinzen zu überwinden und in Freiheit zur Einheit zu finden, so verdankt es dies nicht zuletzt jenem Geist des christlichen Abendlandes, der in der Tradition der burgundischen Ritterschaft und im Oden vom Goldenen Vlies seinen schönsten Ausdruck fand. Karl V. verkörperte diese Werte. Es [sic!] kämpfte voll Mut für eine gerechte Ordnung auf Erden und anerkannte die dem menschlichen Willen gesetzten Grenzen. Seine Auffassung von Kaiserwürde und Reich mag auf den ersten Blick an die Institutionen seiner Zeit gebunden und daher überholt erscheinen. In Wirklichkeit entspricht sie den Grundprinzipien, die der menschlichen Natur eingewurzelt sind und die jede Generation, jede Epoche wieder aufgreifen und in entsprechender Form verwirklichen muß. Als historische Gestalt war Karl V. der Vergänglichkeit anheimgegeben; von seinem Leben hier auf Erden blieb nur ein wenig Staub in einem Marmorsarkophag im Escorial. Aber als Repräsentant eines ewigen Ideals lebt der Kaiser mehr als 400 Jahre nach seinem Tod noch unter uns fort: nicht nur als Ahnherr Europas, sondern die Richtung weisend in künftige Jahrhunderte.113

Letztlich bleibt bei Otto von Habsburg etwas unscharf, wie sich der erstmals in der vierten Auflage gebrauchte Untertitel „Kaiser für Europa“ rechtfertigen lässt, aber er verwendet im Schlusskapitel die Bezeichnung Ahnherr Europas, den Gertrude von Schwarzenfeld bereits 1954 für Karl V. verwendete. Auch finden sich hier im Schlusskapitel wieder die idealistische Beschreibung des habsburgischen Hausordens vom Goldenen Vlies und die Rede vom christlichen Abendland. Karl V. wird in seinem Ringen um die Einheit der Christenheit und eine auf ein Konzil gestützte Reform der Kirche sowie als Herrscher, der die Völker Europas im Kampf gegen die Türken zu einen versucht habe, geschildert. Inwieweit sich solch eine Reform der Kirche neben der Einheit im Reich auch auf das weitere Europa ausgedehnt hätte, bleibt offen; die Feindschaft mit Franz I. als französischem König blieb für Karl V. ein dauerhaftes Thema. Ohne Frankreich aber ist von einem Erbe Karls des Großen oder einem Vorläufer der Europäischen Gemeinschaft zur Entstehungszeit der KarlBiographie Otto von Habsburgs doch nur schwer zu sprechen. Offensichtlich geht es Otto von Habsburg um eine gerade abendländische Sichtweise auf Europa, unter dem Einschluss Spaniens, dass zur Abfassungszeit noch von General Franco regiert wird. Während Karl der Große die historische Klammer zwischen Deutschland, Frankreich und den Benelux-Staaten darstellt, wird Karl V. für eine europäische Einheit zwischen Deutschland, Spanien und Belgien bemüht. Auch nach den ersten Auflagen von „Karl V.“ widmete Otto von Habsburg sich in weiteren Werken wiederholt seinem Vorfahren Karl V. Im 1976 erschienenen Buch „Idee Europa. Angebot der Freiheit“ beschreibt Otto von Habsburg Karl V. als das Beispiel eines Europäers: Diese Vielfalt in der Einheit zeigte sich etwa bei Karl V., der aus den Niederlanden stammte, als junger Mann fast nur flämisch sprach, mit ungefähr 20 Jahren nach Spanien kam, dort ein Spanier und schließlich im Reich ein deutscher Fürst wurde. Zwischen dem Flamen, dem Spanier und dem Deutschen gab es keinen Widerspruch, weil der Kern seines Wesens europäisch war.114 113 114

Ebd. S. 346. Habsburg, Idee Europa, S. 35.

6. Otto von Habsburgs „Karl V. Kaiser für Europa“

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In der „Reichsidee – Geschichte und Zukunft einer übernationalen Ordnung“ (1986) benennt Otto von Habsburg Karl V. wiederum als einen Ahnherrn Europas: Karl der Große, Karl IV. und Karl V. sind wohl die bedeutendsten Ahnherren des Europas von morgen. Karl der Große bildet die unverzichtbare Verbindung zwischen den Franzosen, die nach den Karolingern einen nationalen Sonderweg gingen, und der reichischen Idee einer übernationalen Gemeinschaft. Der böhmische Luxemburger Karl IV. erneuerte nicht nur das Sacrum Imperium, er ist auch die Brücke nach Osten, vor allem zu den Slawen. Die Idee eines Orbis Europaeus Christianus, wie sie Karl V. verfocht, hat, anders als damals, inzwischen alle europäischen Völker erfaßt. In Karl V. fließen deutsche und italienische, französisch-burgundische und niederländisch-burgundische sowie iberische Geistesströme zusammen. Er und seine großen Vorgänger sind daher viel zeitgemäßer als die Anhänger der nationalistischen Kleinstaaten des 19. und 20. Jahrhunderts. Außer der übernationalen Idee bringt das versunkene Kaisertum noch einen anderen wesentlichen Gedanken ins 21. Jahrhundert ein: Das ist die Vorstellung vom Vorrang der richterlichen Funktion gegenüber der ausübenden und der gesetzgebenden Gewalt.115

In dieser Deutung der drei Kaiser mit dem Namen Karl findet sich vielleicht ein Schlüssel für die Absichten des politischen Autors Otto von Habsburg, wie sie oben schon angesprochen wurde: Karl der Große stellt die Verbindung zwischen Deutschland und Frankreich her, Karl IV. eine Brücke nach Osten, zu den Tschechen und weiteren slawischen Völkern, aber auch zu den vertriebenen Sudetendeutschen und Deutschen aus Böhmen, denen sich Otto von Habsburg (wie auch Gertrude von Schwarzenfeld) immer verbunden fühlte. Und schließlich sieht er in Karl V. die verbindende historische Gestalt für Deutsche, Niederländer und Spanier, bzw. die Völker der iberischen Halbinsel. Gerade die positive Deutung Karls IV. mag überraschen, da dieser als aus dem Hause Luxemburg stammend ein Widersacher des Hauses Habsburg gewesen ist. Im „Habsburg-Faktor“ (2007) wird ähnlich wie in „Karl V.“ besonders auf die burgundische Herkunft Karls V. für die Gegenwart Bezug genommen. Otto von Habsburg bezeichnet Karl V. auch hier als „ein Modell für Europa auf allen Gebieten“116. Dabei habe besonders der Orden vom Goldenen Vlies mit seiner Verpflichtung zum Frieden einen Vorbildcharakter. Auch verweist von Habsburg wiederum auf die Vielsprachigkeit Karls V., auf den Umfang seiner Besitzungen in Europa und in Übersee sowie auf das Bestreben Karls V. um die Einberufung eines Konzils, um die Einheit der Kirche zu wahren. Otto von Habsburg bezeichnet Karl V. neben seinem eigenen Vater, Kaiser Karl I., als sein besonderes Vorbild.117

115 116 117

Habsburg, Die Reichsidee, S. 35 f. Demmerle, Habsburg-Faktor, S. 178. Ebd. S. 183.

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V. Kaiser Karl V. aus der Sicht des Kronprinzen

7. Europa als Erbe des Reiches In den Augen Otto von Habsburgs sollte das Europa des 20. Jahrhunderts mit seinem Streben nach Einheit sich auf die Traditionen und die Idee des Reiches besinnen. Diesem Thema ist das 1986 erschienene Buch „Die Reichsidee“ gewidmet: Europa muß ein Reich werden, ob es nun diesen Namen trägt oder nicht. Als großer Markt wird es keine Dauer haben. Sucht man nach dieser Idee, wird man sie in der europäischen Geschichte finden. Europa war jeweils in seinen reichischen Perioden groß. Gingen diese zu Ende, trat der Verfall ein.118

Das Werk, so der Verfasser, fußt auf verschiedenen Artikeln und Aufsätzen, die Otto von Habsburg während seiner Zeit als Europaabgeordneter für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften verfasst und veröffentlicht hat.119 Otto von Habsburg verteidigt den Reichsbegriff gegen Fehldeutungen, denen dieser ausgesetzt sei: Wenn man das Wort „Reich“ ausspricht, setzt man sich häufig Fehldeutungen und unsachlichen Angriffen aus. Allzuviele Menschen denken in falschen oder verzerrten Begriffen. Das politische Gebilde Bismarcks, die Weimarer Republik oder gar das Schreckensregiment Hitlers waren, obwohl sie so hießen, keineswegs Reiche, sondern Nationalstaaten, also das Gegenteil eines Reiches. Dieses ist im Sinne unserer Überlieferung nicht als Territorialherrschaft zu verstehen. Man kann es auch nicht auf eine einzige Nation beschränken, denn seine Aufgabe ist es, als Klammer zwischen verschiedenen Völkern und Staaten zu wirken. Es fußt auf übernationalem Recht, unsere neuzeitlichen Territorialstaaten hingegen auf nationalem.120

Für Otto von Habsburg ist es keine romantische Verklärung, so von der Idee des Reiches zu sprechen, auch nicht der anachronistische Versuch, eine vergangene Staatsform wiederzubeleben. Otto von Habsburg unternimmt den Versuch, aus der Idee des Reiches, wie es im Heiligen Römischen Reich verwirklicht gewesen sei, ein Vorbild für die Einheit eines multinationalen Europas des 20. Jahrhunderts abzuleiten. Zu bemerken ist, dass sein Werk „Die Reichsidee“ in der zweiten Auflage 1987, also noch zur Zeit der Teilung Europas durch den Eisernen Vorhang, entstanden ist. Daher hat dieses Werk durchaus etwas Visionäres in sich. Hier wie auch in den anderen Werken geht von Habsburg seiner Idee nach, das alte Reich und die Habsburger-Monarchie in ihrer übernationalen Idee und Wirklichkeit den Nationalstaaten und deren nationalistischer Idee, wie sie im 18. bis zum 20. Jahrhundert Wirklichkeit wurden, entgegenzustellen und aus der habsburgischen Idee eine Vision für das zu einigende Europa zu gewinnen. Otto von Habsburg beschreibt die Geburt des Reichsgedankens aus dem Zusammenprall der germanischen Stämme mit dem untergehenden Imperium Romanum. Die Merowinger und Karolinger schufen dann eine übernationale und sakrale Ordnung für Europa. Das seit Karl dem Großen 118 119 120

Habsburg, Die Reichsidee, S. 10. Ebd., S. 11. Ebd. S. 20 f.

7. Europa als Erbe des Reiches

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wieder kaiserliche Reich sei also eher ein sakraler Wert und bedeute nur im Zusammenhang mit einer oder besser mehreren Königskronen Gebiet und Macht. Nach mittelalterlichen Vorstellungen sei das Reich von den Völkern des Orients über die Römer in letztlich christlicher Form auf die Franken und ihre Erben übergegangen. Dieses christlich-abendländische Konzept formte sich vor allem unter dem Eindruck der Geschichtsphilosophie des heiligen Augustinus (354 – 430). Hier wird der betont christliche Charakter des Reiches und seiner Vorbildfunktion für das Europa des 20. Jahrhunderts von Otto von Habsburg herausgestellt. So wie Augustinus als Kirchenlehrer und Bischof mit seinem Werk die Entstehung des Reiches beeinflusst habe, so weist auch die Benennung des Benedikt von Nursia (480 – 547)121 zum „Patron Europas“ durch Papst Paul VI. (1897 – 1978) den Weg in ein Europa, das auf antiker Kultur und der Botschaft des christlichen Evangeliums beruhen soll (wie es ja schon Richard Coudenhove-Kalergi in seiner Symbolik des Paneuropa Wappens – rotes Kreuz vor gelber Sonne122 – gedeutet hatte). Von Habsburg stellt damit neben Karl den Großen auch Benedikt von Nursia in eine Reihe der Väter Europas. Zu ihnen gesellt er auch die – später von Papst Johannes Paul II. (1920 – 2005) ebenfalls zu „Patronen Europas“ ausgerufenen – Heiligen Cyrill (826 – 869) und Methodius (815 – 885) sowie den Heiligen Bonifatius (673 – 754) und Stefan von Ungarn (969 – 1038).123 Otto von Habsburg verweist bei den Anfängen eines europäischen Bewusstseins auf die äußeren Bedrohungen Europas in der Vergangenheit durch den Islam; die Reconquista und die Türkenkriege im Donauraum hätten dazu beigetragen, das europäische Bewusstsein zu formen, da sie im Zeichen des Kreuzes erfolgten und Europa das Einigende und Verbindende gezeigt hätten.124 Gerade Karl V. habe sein Kaiser- und Reichsbild aus dem Imperium auf die Universalität des „Orbis christianus“ ausgedehnt. In ihm sieht Otto von Habsburg den Vertreter einer universellen Mission, das Gegenbild eines Materialisten und Nationalisten, wie ihn für Otto von Habsburg der französische Gegenspieler Karls V., Franz I., vertritt. In der späteren Französischen Revolution und dem Gedanken der Volkssouveränität sieht von Habsburg den Beginn einer Totalität, die sich zum „Krebsgeschwür“ entwickelt und zum „legalisierten Massenmord an Klassen- und Rassenfeinden“ geführt habe. Im weiteren Gedankengang seines Werkes skizziert Otto von Habsburg den Lebenslauf Karls des Großen als eines Ahnherrn Europas und ersten großen Kaiser des Abendlandes, der eine Reichstradition schuf, die bis 1806 und in der Habsburger121

Johannes Fried äußerte zuletzt Zweifel an einer historischen Person Benedikt von Nursia und hält sie eher für eine literarische Figur Gregor des Großen. Siehe: Johannes Fried, Der Schleier der Erinnerung, München 2004, S. 344 – 357. 122 Tindemans, Habsburg und Europa, S. 84. 123 Habsburg, Die Reichsidee,. S. 24 f. 124 Ebd. S. 25.

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V. Kaiser Karl V. aus der Sicht des Kronprinzen

Monarchie bis 1918 gültig geblieben sei. Im Beraterkreis Karls sieht Otto von Habsburg eine europäische Dimension verwirklicht: Karl erkor die besten Köpfe Europas zu seinen Beratern und Erziehern seiner Völker. Paulus Diakonus, Paulinus von Aquileia und Petrus von Pisa stammten aus Italien, Bischof Theodulf von Orleans aus Spanien, Udo von Metz und Einhard, der spätere Biograph des Herrschers, aus Franken. Der Angelsachse Alkuin überragte sie alle. Das wirkte wieder nach England zurück. König Ekbert von Wessex, der am Hofe Karls groß geworden war, vereinte die verschiedenen angelsächsischen Staaten um sich. Wenn man bedenkt, daß Karl auch mit dem rivalisierenden Byzanz Kontakte pflegte, erkennt man die europäische Dimension seines Herrscherlebens.125

Mit seinem Vorfahren im 13. Jahrhundert, Rudolf von Habsburg, sei dann nach dem befürchteten Ende des Reiches durch dessen „kluge Politik“ eine zeitgemäße Erneuerung des Kaisertums eingetreten. In Karl V. fließen dann für Habsburg deutsche und italienische, französisch-burgundische und niederländisch-burgundische sowie iberische Geistesströmungen zusammen; damit sind Karl V. und seine Vorgänger für von Habsburg „viel zeitgemäßer als die Anhänger der nationalstaatlichen Kleinstaaten des 19. und 20. Jahrhunderts“. Mit dem Ende des Heiligen Reiches 1806 begann für Otto von Habsburg „die Tragödie der Deutschen“, die im Erscheinungsjahr 1986 noch fortdauert – und dann nur drei Jahre später im Sinne Otto von Habsburgs mit der fallenden Mauer, der Deutschen Einheit, dem Sturz der kommunistischen Regime Osteuropas und der fortschreitenden europäischen Einigung überwunden wurde. Denn der Auftrag, den Otto von Habsburg „den Deutschen“ zuschreibt, sei ein übernationaler und reichischer, ein die Grenzen überschreitender und Kultur und Handel belebender.126 Und wiederum betont der Autor, dass die Reichsidee über den Nationen stehe, diese transzendiere und allen engen Nationalismen widerspreche. Daher sei der Nationalsozialismus besonders „undeutsch“.127 In den Heimatvertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg sieht Otto von Habsburg die Träger einer neuen Europabegeisterung, sowohl durch ihre Mitarbeit in der Paneuropa Union als auch bei ihrer aktiven Teilnahme an der ersten Europawahl 1979, denn gerade für die Heimatvertriebenen verbinde sich der Europagedanke mit dem Gedanken an ein Recht auf die Heimat. Besonders die Heimatvertriebenen hätten zuvor leidvoll erfahren, was es heißt, wenn es kein Europa, kein Reich und kein Recht gebe.128 Diese Sichtweise auf die deutschen Heimatvertriebenen bzw. deren Organisationen wie dem „Bund der Vertriebenen“ oder den einzelnen Landsmannschaften ist allerdings idealisierend; über einen längeren Zeitraum fanden sich in den Organi125

Ebd. S. 32. Vgl. hierzu etwa: Klaus Breuning, Die Vision des Reiches. Deutscher Katholizismus zwischen Demokratie und Diktatur (1929 – 1934), München 1969. 127 Habsburg, Die Reichsidee, S. 37. 128 Ebd. S. 44 f. 126

8. Karl IV. als Erinnerungsort der Heimatvertriebenen

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sationen der Heimatvertriebenen eher deutsch-nationale als proeuropäische Meinungen wieder; das Ziel der Vertriebenenverbände war bis in die 1960er Jahre die Wiederherstellung Deutschlands in den Grenzen von 1937 und die Rückkehr der deutschen Heimatvertriebenen in die Oder-Neiße-Gebiete und das Sudetenland.129 Bis zur Ratifizierung der Ostverträge durch die sozial-liberale Koalition in den 1970er Jahren fand sich in der Rhetorik bei Veranstaltungen des Bundes der Vertriebenen (BdV) ein sehr kämpferischer und militärischer Wortschatz; die Vertriebenen sahen sich vor allem als Opfer des Zweiten Weltkrieges. Erst seit den 1980er Jahren wandelte sich dann die Selbstdarstellung und politische Positionierung des BdV, der nun das „Recht auf die Heimat“ in einer europäischen Perspektive anstrebte und wie die Paneuropa Union seit der Übernahme der Präsidentschaft durch Otto von Habsburg auf die Menschen und Staaten Europas jenseits des Eisernen Vorhangs und deren Rechte hinwies und deren Einbindung in ein freies und einiges Europa anstrebte.130 Beide Organisationen, BdV und PEU, verband dabei ein strikter Antikommunismus. Das Wirken Otto von Habsburgs für die Heimatvertriebenen, hier besonders bei der Vertretung ihrer Interessen gegenüber dem Vatikan, wurde von Herbert Czaja (1914 – 1997), CDU Politiker und Präsident des „Bund der Vertriebenen“ von 1970 bis 1994, in zwei Beiträgen gewürdigt.131

8. Ein Vergleich: Karl IV. als Erinnerungsort der Heimatvertriebenen Auch ein anderer Kaiser, nämlich Karl IV., wurde von Otto von Habsburg als Brückenbauer gedeutet, als Friedenskaiser und Herrscher aus dem Hause Luxemburg, der über das Heilige Römische Reich herrschte und in Prag residierte. Karl IV. wurde gerade von Otto von Habsburg und der Sudetendeutschen Landsmannschaft als Versöhner zwischen Deutschen, Tschechen und den Heimatvertriebenen Sudetendeutschen in Stellung gebracht, u. a. mit dem Europäischen Karlspreis der Sudetendeutschen Landsmannschaft im Jahre 1958. Damit wurde ein neues Bild Karls IV. entworfen, das sich abhob von der negativen Deutung, die Karl IV. schon 129 Anna Jakubowska, Der Bund der Vertriebenen in der Bundesrepublik Deutschland und in Polen, S. 213. Auch: Matthias Stickler, Ostdeutsch heißt Gesamtdeutsch. Organisation, Selbstverständnis und Heimatpolitische Zielsetzungen der Deutschen Vertriebenenverbände 1949 – 1972. Düsseldorf 2004. Und: Wolfgang Fischer, Heimat-Politiker? Selbstverständnis und politisches Handeln von Vertriebenen als Abgeordnete im Deutschen Bundestag 1949 bis 1974. Düsseldorf 2010. 130 Stefan Solle, Kampf um Europa. Die Paneuropa-Konzeption des Grafen Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi und ihre ideengeschichtlichen Wurzeln, Saarbrücken 2008, S. 101. 131 Herbert Czaja, Deutschland bleibt unser, in: Helmut Neubach (Hg.), Für unser Schlesien. Festschrift für Herbert Hupka, München 1985, S. 50. Und: Herbert Czaja, Unterwegs zum kleinsten Deutschland? Mangel an Solidarität mit den Vertriebenen. Marginalien zu 50 Jahren Ostpolitik, Frankfurt/Main 1996, S. 459. Beide Buch- und Aufsatztitel lassen eher einen betont deutsch-nationalen Charakter erkennen denn einen europäischen!

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V. Kaiser Karl V. aus der Sicht des Kronprinzen

seit dem Ausspruch Kaiser Maximilians I. (1459 – 1519) erfahren hatte, Karl IV. sei „der Vater Böhmens, aber der Erzstiefvater des Reiches“132 gewesen. Die tschechische Geschichtsschreibung hingegen deutete Karl IV. als „Vater des Vaterlandes“133 und eines Königs, der „alle tschechischen Herzen höher schlagen lasse“134. Zur Zeit des Nationalsozialismus fanden sich unterschiedliche Deutungen Karls IV., so eine weiterhin negative z. B. bei Josef Pfitzner (1901 – 1945), eine andere, die in Karl IV. einen „rein arischen“ Deutschen auf dem böhmischen Thron sehen wollte.135 Pfitzner, Professor an der deutschen Karls-Universität in Prag136 und später in der Zeit des nationalsozialistischen Protektorats Primator-Stellvertreter der Hauptstadt Prag, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg in Prag hingerichtet. Emil Franzel, Vertrauter Otto von Habsburgs und Mitarbeiter beim Neuen Abendland, verfasste Würdigungen Pfitzners in der „Zeitschrift für Ostforschung“137 und in „Sudetenland“138. Pfitzner bewertete Karl IV. und seine Verdienste negativ: „Namentlich das deutsche Volk erlitt schwersten Schaden, weil er [Karl IV.] den alten politischen Machtlosigkeitszustand mit verewigen half und den zukunftsträchtigen Mächten des Volkstums verständnislos gegenüberstand.“139 Demgegenüber wertete Otto von Habsburg die Rolle Karls IV. für Europa und als verbindende Gestalt zwischen Deutschen und Tschechen wie folgt: Als die Bundesversammlung der Sudetendeutschen Landsmannschaft 1957 beschloß, jährlich einen „Europäischen Preis“ zu verleihen und diesen nach Kaiser Karl IV. aus dem Hause Luxemburg benannte, gab es verschiedenartige Reaktionen. Tschechische Nationalisten protestierten, daß Deutsche den Namen eines tschechischen Königs für ihre Zwecke gebrauchten. Andererseits bemängelten einige unter den Deutschen, allerdings sehr wenige, daß man dem Preis der Landsmannschaft den Namen eines Herrschers gegeben hatte, der so stark mit den Tschechen verbunden war. Allein schon diese widersprüchlichen Reaktionen zeigen die Richtigkeit des Entschlusses der Landsmannschaft. Durch die Schaffung dieses europäischen Karlspreises wurde die Aufmerksamkeit der öffentlichen Meinung erneut auf eine Persönlichkeit gelenkt, die uns aus ihrer historischen Perspektive für Heutiges und Vergangenes viel zu sagen hat. Karl IV. gehört zu jenen Gestalten, die, wie etwa eineinhalb Jahrhunderte später Karl V., ihre Geschichte nicht mit ihrem Ableben beendet haben. Beide Herrscher sind in jeweils unterschiedlichen Epochen nicht verstanden worden. Beide wurden aber immer dann wieder in den Brennpunkt des historischen Interesses gerückt, 132

Otto von Habsburg, Karl IV., München 1978, S. 41. Vgl. Jiri Fajt (Hg.), Kaiser Karl IV. 1316 – 2016. Ausstellungsführer. Prag 2016, S. 172. 134 Frantisek Palacky 1875, zitiert nach: Jiri Fajt, Kaiser Karl IV., Prag 2016, S. 172. 135 Vgl. Jiri Fajt, Kaiser Karl IV., Prag 2016, S. 172. 136 Vgl. zu Pfitzner, Detlef Brandes/Alena Mísˇková (Hg.), Vom Osteuropa-Lehrstuhl ins Prager Rathaus. Josef Pfitzner 1901 – 1945. Essen 2013. 137 Emil Franzel, Josef Pfitzner, in: Zeitschrift für Ostforschung. Marburg/Lahn 4/1955, S. 106 – 108. 138 Emil Franzel, Zwei Prager Historiker. Ein Gedenkblatt für Hans Hirsch und Josef Pfitzner, in: Sudetenland. Europäische Kulturzeitschrift, Nürnberg 13/1971, S. 57 – 67. 139 Josef Pfitzner, Kaiser Karl IV. Potsdam 1938, S. 106. 133

8. Karl IV. als Erinnerungsort der Heimatvertriebenen

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wenn die gegenwärtige Situation so beschaffen war, daß ihre Nachfolger – und das sind ja ihre Völker – sich veranlaßt sahen, spontan ihrer zu gedenken, um bei ihnen die Antwort auf aktuelle Probleme mit Hilfe alter Erfahrungen zu finden.140

Otto von Habsburg sieht in Karl IV. zum einen ein Vorbild für die europäische Einigungsbewegung141, zum anderen betont er dessen Friedenspolitik.142 In seinem späteren Werk „Zurück zur Mitte“ geht Otto von Habsburg 1991, nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und seinem ersten Besuch in Prag, noch einmal auf Karl IV. ein und setzt ihn wiederum in eine Beziehung zu Karl dem Großen und Karl V. als Vorbild für die europäische Einigung: Karl IV. beherrschte nicht nur die wichtigsten europäischen Sprachen, er dachte kontinental. Dieser mittelalterliche Monarch setzte fort, was ein anderer Karl, Karl der Große, begonnen hatte und was später Karl V. weiterleben sollte: Die Idee eines christlichen Gesamteuropa.143

Zur gleichen Zeit wie Otto von Habsburg zog auch Ferdinand Seibt ein positives Fazit über Karl IV. und veröffentlichte seine Biographie mit dem Untertitel „Ein Kaiser in Europa“144. Heinz Stoob (1919 – 1997) zog in seiner Biographie über Kaiser Karl IV. die Schlussfolgerung, dass Karl IV. „ein Europäer nach Geist und Handeln“ gewesen sei und damit „für uns ein Mann“ sei, der zu Recht unvergessen bleiben solle.145 Auch beim Beispiel Karl IV. hat sich also selbst bei Fachhistorikern die politische Deutung, wie sie von Otto von Habsburg vertreten wurde146, teilweise durchgesetzt. Die positive Deutung Karls IV. in Bezug auf dessen Friedenspolitik findet sich 1978 auch bei Heinz Angermaier (1924 – 2007), der über Herrschaft und Friede in Deutschland unter Kaiser Karl IV. schreibt, „keiner ist ein eifrigerer, konsequenterer und konzeptionsfähigerer Friedenshüter gewesen als Karl IV.“.147

140

Otto von Habsburg, Karl IV., Wien 1978, S. 9 f. Ebd., S. 113: „Abschließend läßt sich also von Karl IV. sagen – von seiner Politik im Reich, in Böhmen, in Italien, in Frankreich, von seiner Kulturpolitik, von seinem Charakter – daß es unmöglich wäre, ihn für eine einzelne Nation zu beanspruchen. Er war wie sein Namenspatron und Vorgänger Karl der Große, ein echter Europäer. Daher war es auch durchaus berechtigt, den Europäischen Karlspreis nach Kaiser Karl IV. zu benennen.“ 142 Ebd., S. 110. 143 Otto von Habsburg, Zurück zur Mitte, Wien/München 1991, S. 59. 144 Ferdinand Seibt, Karl IV. Ein Kaiser in Europa 1346 – 1378. München 1985. 145 Heinz Stoob, Kaiser Karl IV. und seine Zeit. Graz 1990. 146 Otto Habsburg, Karl IV. Ein Europäischer Friedensfürst. München 1978. 147 Heinz Angermaier, Herrschaft und Friede in Deutschland unter Kaiser Karl IV., in: Das alte Reich in der deutschen Geschichte. Studien über Kontinuitäten und Zäsuren, München 1991, S. 82. 141

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V. Kaiser Karl V. aus der Sicht des Kronprinzen

Allerdings wird diese Charakterisierung Karls IV. als Friedensfürst von Heinz Thomas in Frage gestellt, der auf die Beteiligung oder zumindest Duldung des Kaisers an den Judenpogromen des Jahres 1348, vor allem in Nürnberg, hinweist.148 Die Erinnerung an Karl IV. und seine verbindende Wirkung zwischen Böhmen und Bayern, Deutschland und der Tschechischen Republik, wie sie von Otto von Habsburg und der Sudetendeutschen Landsmannschaft betrieben wurde, fand sich im Jahre 2016 auch in der gemeinsamen Ausstellung zu Karl IV., die in Prag und Nürnberg stattgefunden hat, wieder.149 Auch hier hat sich also offenbar die geschichtspolitische Deutung Karls IV. als europäischer Brückenbauer durchgesetzt. Bei der Eröffnung der Ausstellung in Nürnberg 2016 verwiesen sowohl der Bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer als auch der tschechische Ministerpräsident Bohuslav Sobotka auf die Bedeutung Karls IV. als Brückenbauer und Symbol der Freundschaft und Aussöhnung zwischen Deutschen und Tschechen und titulierten Karl IV. als „großen Europäer“.150 Im Ausstellungskatlog für den Prager Teil der Karls-Ausstellung heißt es: „Auf jeden Fall wird Karl IV. eine prägende Gestalt der europäischen, tschechischen wie deutschen Geschichte bleiben.“151 Der Ministerpräsident der Tschechischen Republik, Bohuslav Sobotka, schrieb im Grußwort für den Ausstellungskatalog von dem Wunsch, „dass dieser große europäische Herrscher auch eine gegenseitige Annäherung der Nachbarn bewirken möge“.152 In den Beiträgen des Katalogs zur Nürnberger Ausstellung findet sich gleichwohl auch eine kritische Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Bildern Karl IV. in der Geschichtsschreibung und Öffentlichkeit.153 Kritisiert wird sowohl die nationale Instrumentalisierung Karls für politische Gegenwartsinteressen als auch für die europäische Einigungsidee. Unabhängig von der Bewertung, ob sich eine mittelalterliche Herrscherfigur wie Karl IV. für „falsche Rückprojektionen“ eignet, bleibt doch auch bei diesem Ereignis der Ausstellung zum 700. Geburtstag Karls IV. festzustellen, dass eine solche Form der Erinnerung, der Erinnerungspolitik und der Schaffung eines europäischen Erinnerungsortes Karl IV. stattfindet.

148 Heinz Thomas; Karl IV., in: Deutsche Geschichte des Spätmittelalters 1250 – 1500, Stuttgart 1983, S. 218 – 308, hier S. 224 u. 305. 149 http://www.gnm.de/ausstellungen/aktuell-und-vorschau/karl-iv/, aufgerufen am 22. 6. 2016. 150 Vgl. Wolfram Göll, Bayern und Böhmen. Landesausstellung als Schritt zur Aussöhnung, in: Bayernkurier vom 19. 10. 2016. 151 Jiri Fajt (Hg.), Kaiser Karl IV., Prag 2016, S. 172. 152 Vgl. Jiri Fajt (Hg.), Kaiser Karl IV., Prag 2016, S. 9. 153 René Küpper, Größter Tscheche aller Zeiten, Deutscher, großer Europäer? Das Bild Karls IV. in Geschichtsschreibung und Öffentlichkeit, in: Jiri Fait und Markus Hörsch, Kaiser Karl IV. 1316 – 2016. Erste Bayerisch-Tschechische Landesausstellung. Ausstellungskatalog. Prag 2016, S. 267 – 275.

VI. Die Erinnerung an die Habsburger Monarchie im Umkreis Otto von Habsburgs 1. Joseph Roth Im Exil in Leuven und in Paris sammelten sich um Otto von Habsburg Schriftsteller der alten habsburgischen Monarchie, u. a. Joseph Roth (1894 – 1939).1 Roth hat verschiedene Werke seiner österreichischen Heimat gewidmet, so z. B. „Radetzkymarsch“ und „Die Kapuzinergruft“. Auch in „Die Büste des Kaisers“ geht Roth auf die untergegangene habsburgische Monarchie ein. Sein Protagonist, der Graf Franz Xaver Morstin, der in Ostgalizien lebt2, ist eine Verkörperung des alten übernationalen Reichsgedanken. Roth lässt ihn die Monarchie in ihrer Übernationalität beschreiben: Wie so viele seiner Standesgenossen in den früheren Kronländern der österreichisch-ungarischen Monarchie war er einer der edelsten und reinsten Typen des Österreichers schlechthin, das heißt also: ein übernationaler Mensch und also ein Adeliger echter Art. Hätte man ihn zum Beispiel gefragt – aber wem wäre eine so sinnlose Frage eingefallen? – welcher „Nation“ oder welchem Volke er sich zugehörig fühle: der Graf wäre ziemlich verständnislos, sogar verblüfft vor dem Frager geblieben und wahrscheinlich auch gelangweilt und etwas indigniert. Nach welchen Anzeichen auch hätte er seine Zugehörigkeit zu dieser oder jener bestimmten Nation bestimmen sollen? – Er sprach fast alle europäischen Sprachen gleich gut, er war fast in allen europäischen Ländern heimisch […] Ein kleineres Abbild der bunten Welt war eben die kaiser- und königliche Monarchie, und deshalb war sie die einzige Heimat des Grafen.3

Hier beschreibt Roth die von Otto von Habsburg „Reichsidee“ genannte Übernationalität, die im Habsburger Reich verkörpert gewesen sei und die Otto von Habsburg in einem einigen Europa neu zu verwirklichen suchte. Im Europa nach dem Ersten Weltkrieg mit seinen neuen Nationalstaaten benötigt die literarische Figur Graf Morstin für eine Reise aus Ostgalizien, das nun zur Republik Polen gehörte, in die Schweiz zunächst einen Pass und verschiedene Visa, die er wenige Jahre zuvor nicht benötigt hatte. Die Zeit eines gemeinsamen Reiches ist im Zeitalter der Nationalstaaten vorbei. Graf Morstin kann darin nichts Gutes sehen und Roth zitiert Grillparzer mit seinem Wort „Von der Humanität durch Nationalität zur Bestialität“4. 1 2 3 4

Sternburg, Joseph Roth, S. 29. Roth, Büste des Kaisers, S. 3. Ebd., S. 4. Ebd. S. 11.

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VI. Die Habsburger Monarchie im Umkreis Otto von Habsburgs

Dies, wie auch die Anspielung auf gescheiterte Kunstmaler, die Tapezierer werden und einen vulgären Nationalismus vertreten, sind weitschauende Anspielungen auf die Verhältnisse zur Entstehungszeit des Werkes 1935.5 Im Europa des 20. Jahrhunderts mit offenen Grenzen und dann ab 2002 sogar mit gemeinsamer Währung wurde eine Errungenschaft der Habsburger Zeit, die Roth beschreibt, wiederum Realität.6 Ähnlich wie bei dem aus Ostgalizien stammenden Joseph Roth finden sich auch in der Rezeption Wilhelm von Habsburgs (1895 – 1948) die Ideen vom Habsburger Reich als eines Idealbilds Europas. Der amerikanische Historiker Timothy Snyder widmete ein 2009 erschienenes Werk Wilhelm von Habsburg7, der in der Zeit des Ersten Weltkrieges davon träumte, König eines habsburgischen Kronlandes „Ukraine“ zu werden.8 Dieser wenig bekannte Habsburger wird in Snyders Biographie gewürdigt und Snyder sieht in den Visionen Wilhelm von Habsburgs und dessen Vater Karl Stephan (1860 – 1933), der gleichfalls eine Krone anstrebte, nämlich eine polnische in einem Habsburger Reich, Ähnlichkeiten mit der Gegenwart: Die „europäische“ Identität von heute transzendiert wie die „österreichische“ der späten Habsburgermonarchie die nationale Identität, schließt aber Nationalgefühl nicht aus. Außerhalb Europas erkennen Europäer, was sie gemeinsam haben, so wie österreichische Schriftsteller erst im Exil die Habsburg-Nostalgie schufen. In beiden Fällen ist die nichtnationale Identität am deutlichsten außerhalb der Gegend, der sie sich verdankt, zu fühlen und auszudrücken.9

5 Sternburg, Joseph Roth, S. 544. Vgl. zu dieser Erinnerung an das Habsburger-Reich auch beim ungarischen Autor Sándor Márai, Die Glut, 9. Auflage München 2004 (Original „A gyertyák csonkig égenek“, Budapest 1942), S. 94 f.: „Meine Heimat […] hat aufgehört zu existieren. Meine Heimat war Polen und Wien, dieses Haus und die Kaserne in der Stadt, Galizien und Chopin. Was ist von alledem geblieben? Das geheimnisvolle Bindemittel, welches das Ganze zusammenhielt, wirkt nicht mehr. Alles ist in seine Bestandteile zerfallen. Meine Heimat war ein Gefühl. Dieses Gefühl ist verletzt worden […] Das, worauf wir geschworen haben, gibt es nicht mehr. Es gab eine Welt, für die zu leben und zu sterben es sich lohnte. Diese Welt ist tot. Die neue geht mich nichts an.“ 6 Vgl. auch: Friedrich Schlegel, Vom wahren Kaisertum, in: Friedrich Schlegel, Schriften und Fragmente. Ein Gesamtbild seines Geistes. Hgg. von Ernst Behler. Stuttgart 1956, S. 320 f. Schlegel träumt von der Idee einer europäischen Eidgenossenschaft, deren Zentrum Österreich sein müsse und erinnert an Karl V. 7 Timothy Snyder, Der König der Ukraine. Die geheimen Leben des Wilhelm von Habsburg. Aus dem Englischen von Brigitte Hilzensauer, Wien 2009. Vgl. auch: Vasyl Rasevycˇ , Ein habsburgischer König für die Ukraine? Wilhelm von Habsburg und Kaiser Karl I., in: Andreas Gottsmann (Hrsg.), Karl I. (IV.), der Erste Weltkrieg und das Ende der Donaumonarchie. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2007, S. 223 – 230. 8 Vgl. auch Rauchensteiner, Wilhelm von Habsburg, in: Hamann, Die Habsburger, S. 431. 9 Timothy Snyder, König der Ukraine, S. 320.

2. Reinhold Schneider

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2. Reinhold Schneider Reinhold Schneider (1903 – 1958) war ein zum Katholizismus konvertierter Schriftsteller aus Baden, der sich mit religiösen und historischen Themen auseinandersetzte.10 In der Zeit des Nationalsozialismus wurde ihm ein Druckverbot auferlegt. Bekannt ist sein aus dieser Zeit stammendes Wort: Allein den Betern kann es noch gelingen, das Schwert ob unsern Häuptern aufzuhalten und diese Welt den richtenden Gewalten durch ein geheiligt Leben abzuringen. Denn Täter werden nie den Himmel zwingen.11

In seinem Essay „Karl V. Erbe und Verzicht“12, erschienen 1955, setzt sich Reinhold Schneider mit Karl V. auseinander. Schon 1938 schrieb er „Las Casas vor Karl V.“.13 Reinhold Schneider stand der Abendländischen Bewegung nahe14, die später – nach Schneiders Tod – große Nähe zum Centrum für europäische Studien (CEDI) und zur Paneuropa Bewegung hatte. Mit der Schwester des Paneuropa-Gründers Richard Coudenhove-Kalergi, Ida Friederike Görres (1901 – 1971), stand Schneider in einem engen Austausch.15 Schon während des Zweiten Weltkrieges legte Schneider sein Werk „Stimme des Abendlandes – Reflexionen zur Abendländischen Geschichte“16 vor; es ist dies eine Sammlung von Essays und Betrachtungen. Schneider bezeichnete diese Auswahl als eine Vergegenwärtigung eines bestimmten Geschichtsbildes.17 In den 1940er und 1950er Jahren schrieb Schneider für die Zeitschrift „Neues Abendland“. So finden sich im ersten Jahrgang von Neues Abendland 1946 vier Beiträge Schneiders18, 1947 ein weiterer Beitrag.19 Mit dem Neuen Abendland 10

Vgl. Fuchs, Karl V. Eine populäre Figur?, S. 350 f. Cordula Koepcke, Reinhold Schneider, S. 166. 12 Reinhold Schneider, Karl V., Erbe und Verzicht, in: Reinhold Schneider, Erbe und Freiheit. Köln 1955, S. 151 – 186. Auch: Reinhold Schneider, Karl V. Erbe und Verzicht, Köln 1958. 13 Reinhold Schneider, Las Casas vor Karl V. Frankfurt/Main 1952. 14 Conze, Europa der Deutschen, S. 57. 15 Vgl. Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz, Tapfer wie eine Kirschblüte – Ida Friederike Görres, in: Paneuropa Deutschland Nr. 34, 4 (2011), S. 12 – 15. Und: Hanna-Barbara GerlFalkovitz (Hg.), Ida Friederike Görres. Gedichte. Dresden 2009, S. 37. 16 Reinhold Schneider, Stimme des Abendlandes. Reflexionen zur Abendländischen Geschichte. Kolmar/Elsaß 1944. 17 Ebd. S. 151. 18 Reinhold Schneider, Der Mensch vor dem Gericht der Geschichte, Neues Abendland Nr. 1/1946, S. 12 – 20. Reinhold Schneider, Kleists Ende, Neues Abendland Nr. 6, S. 6 – 11. Reinhold Schneider, Kleists Ende, Teil II., Neues Abendland Nr. 7, S. 12 – 19. Reinhold Schneider, Schuld und Sühne, Neues Abendland Nr. 8, S. 8 – 12. 11

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VI. Die Habsburger Monarchie im Umkreis Otto von Habsburgs

überwarf sich Schneider später über die Frage der Wiederbewaffnung Deutschlands.20 In Neues Abendland erschien 1951 eine kritische Betrachtung über Reinhold Schneider,21 die sich an einer Unterschrift Schneiders unter einem Aufruf gegen die Wiederbewaffnung in Neues Deutschland der SED 1951 entzündete, an Beiträgen Schneiders für die Publikationen der CDU in der DDR sowie an der Idee, Schneider den Nationalpreis der DDR zu verleihen. Schneider schreibt 1954 in seiner Schrift „Potsdam und Doorn“, veröffentlicht in „Verhüllter Tag“ über seine Arbeit und seine Ziele: Ich habe einen großen Teil meiner Lebensarbeit auf die Krone gerichtet in der Absicht, an ihrer inneren Wiederherstellung mitzuarbeiten, die geistigen und religiösen Voraussetzungen zu schaffen, ohne die sie nie erhoben werden kann und darf.22

In seinem Werk „Karl V. Erbe und Verzicht“ schildert Schneider im 1. Kapitel „Der Verzicht“ den Verzicht Karls V. 1555 auf die niederländischen Provinzen in Brüssel; Karl V. stützt sich körperlich auf Wilhelm von Oranien (1533 – 1584), der später zum erbitterten Gegner von Karls Sohn Philipp II. (1527 – 1598) wurde: Von unheimlicher Bedeutung scheint es, daß er sich gerade auf Oranien stützte, den Zerstörer des Erbes, das er übergab; daß am Throne des Verzichters Philipp und Oranien einander gegenüberstanden, die nach wenigen Jahren wider einander in tödlichem Haß entbrennen sollten und sich in ihren Anschuldigungen noch heute hassen und bekämpfen; Oranien, der auf Philipps Anstiften durch Mörderhand fiel und wie kein Zweiter das Bild des spanischen Königs entstellt hat mit der bedenkenlos erfundenen Bezichtigung abscheulichster Verbrechen. Sie standen neben Karls Thron wie Notwendigkeiten, die einander vernichten werden.23

Schneider deutet den Verzicht Karls V. als vorweggenommenes Ende des Reiches und seiner Idee von einer universellen Ordnung: Was sich in Brüssel begab, war endgültiger Abschied einer großen Lebensform, der Reichsgestalt, die, zwar unvollendet und selten erfüllt, aber doch als Bild universaler Ordnung weit mehr denn als Macht, aus der Mitte Europas emporgestiegen war. Vor sechshundert Jahren, nach der Ungarnschlacht (955) hatte Otto der Große sie zu errichten begonnen auf dem gewaltigen Entwurf Karls des Großen.24

Im 2. Kapitel „Weltgeschichte“ schildert Schneider die Gründe für den Verzicht Karls V. in den Problemen seiner Zeit; er skizziert das Leben Karls V. in seiner 19 Reinhold Schneider, Magie und Glaube. Annette von Droste-Hülshoff, in: Neues Abendland, Augsburg 1947, Nr. 11 (Januar 1947), S. 16 – 18. 20 Schildt, Zwischen Abendland und Amerika, S. 51. 21 Josef Thielmann, Zur jüngsten Entwicklung von Reinhold Schneider, in: Neues Abendland, 7/1951, S. 363 – 365. 22 Reinhold Schneider, Potsdam und Doorn, in: Verhüllter Tag, Köln 1954, S. 91 – 110, hier S. 97. Und: Koepcke, Schneider, S. 127. 23 Schneider, Karl V., in: Erbe und Freiheit, S. 154 f. 24 Ebd., S. 155.

2. Reinhold Schneider

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weltgeschichtlichen Bedeutung. Kapitel 3 ist mit „Der Mensch“, Kapitel 4 mit „Pietas“ überschrieben. Auch in „Pietas“ versucht Schneider, das Scheitern Karls an religiösen und nationalen Eigeninteressen zu erklären. „Karl, seine Idee, sein Vermächtnis scheiterten an nationalen Mächten und Empfindungen, die sich mit religiösen Kräften verbunden hatten“. Karl V. ist für Schneider ein letzter Vertreter, der die Einheit des Abendlandes im katholischen Christentum und einer übernationalen Ordnung versinnbildlicht. Was danach kam, waren religiöse Zerstrittenheit und Nationalismus: Aber des Kaisers Sicht und Wille waren klar. Luther ergriff seinen Auftrag. Karl hatte den seinen. Luther sagte klar: Deutschland war, und nie mehr wird es sein, was es gewesen ist. Karl brachte zusammenbrechend eine unerhört kostbare Last über die Brücke: das Bild der Einheit, des christlichen Zusammenhangs der Zeiten, Volkstümer, Überlieferungen, römischen Erbes mit der Gegenwart; nicht das Kaisertum rettete er, aber dessen fortleuchtendes Bild.25

Das ist die Tragik des Kaisers in Schneiders Augen und sein Idealbild für die Zukunft: die Einheit des christlichen Glaubens und die Einheit und Universalität des reichischen Gedankens als Gegenbild zur Zersplitterung der Kirche und den nationalistischen Irrtümern seiner Zeit. Im Spätwerk Reinhold Schneiders finden sich ebenfalls nostalgische Erinnerungen an die Monarchie. So schreibt er in „Winter in Wien“ über die kaiserliche Loge im Wiener Burgtheater: Es ist Entweihung, daß ein anderer als der Kaiser sie beschreitet. Die Abertausend unkaiserlichen Füße ließen keine Spur – und wie viele ihrer noch heraufsteigen, sie drücken sich nicht ein. Die Stiege wartet auf den Kaiser, der nicht wiederkehrt: es warten alle die in Wahrheit Anwesenden – denn anwesend bin nicht ich, sowenig wie die Garderobieren, die Diener, das von der Geschichtsrevue geplagte Publikum; anwesend in Erwartung Seiner Majestät sind die Großen der Szene: die Rachel und Rettich und Ristori, Kainz, Talma, Kean, Thimig. Der Hofstaat ist vollzählig, repräsentiert in Büsten und liebevollen, zum Teil bedeutenden Porträts; der Hofstaat wird, nach menschlichem Ermessen, noch lange versammelt bleiben. Der Kaiser kommt nicht. Er geruht nicht, die Stiege zu betreten. Das Klima der Welt sagt ihm nicht zu. […] Vielleicht ist Majestät schon auf dem Wege. Sie steht schon hinter dem Vorhang der Hofloge – aber sie teilt ihn nicht – sowenig wie es der Spielleiter zulassen würde – nach einem nicht geglückten Aktschluß. – Denn wir blicken nicht empor.26

Im „Winter in Wien“ finden sich noch weitere Gedanken Reinhold Schneiders zu den Habsburgern und zur Monarchie; so schreibt Schneider weiter: In Deutschland bin ich als Monarchist Gegner der Restauration. Und doch gehörte zur Substanz Wiens die Anwesenheit des Kaisers; und es würde viel für diese Substanz bedeuten, wenn der Repräsentant des Hauses hier lebte; sein Dasein würde die Stadt ergänzen, auch wenn er keine Krone trüge.27 25 26 27

Ebd., S. 183. Reinhold Schneider, Winter in Wien. Freiburg/Br. 1958, S. 13 f. Ebd. S. 49.

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VI. Die Habsburger Monarchie im Umkreis Otto von Habsburgs

Diese Aussage im letzten Werk Reinhold Schneiders aus dem Jahre 1958 bezieht sich direkt auf Otto von Habsburg als „Repräsentant des Hauses“ Habsburg. Die Verbundenheit zwischen Otto von Habsburg und Reinhold Schneider zeigte sich auch beim Tode Schneiders im Jahre 1958.28 In der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe liegt ein Kondolenzbrief Otto von Habsburgs an Anna Maria Baumgarten (1881 – 1960), die Lebensgefährtin Reinhold Schneiders, vor, in dem es heißt: Mit besonderem Bedauern habe ich die Nachricht vom Tode des grossen Schriftstellers Reinhold Schneider erhalten. Mit Ihnen und allen Angehörigen zusammen trauere ich um Jemand, der wirklich in schwerster Zeit den Namen Deutschlands hochgehalten hat, der Verständnis zeigte für eine grössere Tradition und der den Mut hatte, in schwerster Stunde grösste Gefahren auf sich zu nehmen, nur um Gott und seinem Volk treu zu bleiben. Mit Ihnen zusammen bete ich auch für den ewigen Lohn eines Mannes, der auf dieser Erde im wahrsten Sinne des Wortes ein Streiter Gottes war. Ich bitte Sie, so gut zu sein, mein innigst gefühltes Beileid allen Angehörigen Reinhold Schneiders zu übermitteln. Otto von Österreich.29

28

Die Grabrede für Reinhold Schneider hielt Werner Bergengruen (1892 – 1964), der ähnliche Gedanken wie Schneider in „Der Ewige Kaiser“ im Jahre 1937 vorgelegt hat und damit in Konfrontation zum Nationalsozialismus geriet. Bergengruen war im Jahr zuvor zum Katholizismus konvertiert und gehörte nach dem Zweiten Weltkrieg wie Schneider der Abendländischen Bewegung an. 29 Badische Landesbibliothek Karlsruhe, Nachlass Reinhold Schneider, BLB K 2875.

VII. Organisatorische Netzwerke im Dienst der Habsburg-Idee: Abendland, der Orden vom Goldenen Vlies, Paneuropa Union und Liga Europa Nachdem im bisherigen Teil der Arbeit die verschiedenen Autoren, die sich der Rezeption Kaiser Karls V. für die Europäische Idee im 20. Jahrhundert gewidmet haben, und ihre Werke analysiert wurden, soll im Folgenden die Verbundenheit der Autoren in verschiedenen Netzwerken und Organisationen, die sich der Europapolitik in konservativem, katholischem und aristokratischem Geist verpflichtet fühlten und ein Europa erstrebten, dass sich an das alte Heilige Römische Reich und die Habsburger Monarchie anlehnt, aufgezeigt werden. Zu diesen Organisationen gehören die bereits erwähnte Abendländische Bewegung und die Paneuropa Union, dazu auch der Orden vom Goldenen Vlies und die später in der Paneuropa Union aufgegangene Liga Europa.

1. Die Abendländische Bewegung Axel Schildt1, Vanessa Conze2, Matthias Pape3 oder Dagmar Pöpping4 haben seit 1999 verschiedene Forschungsbeiträge zur Abendländischen Bewegung, auf die oben schon verschiedentlich eingegangen worden ist, vorgelegt. Der Begriff Abendland ist seit 2014 wieder als politischer Begriff, der polarisieren kann, in aktuellen Diskussionen aufgetreten, so bei der Pegida-Bewegung, sogenannter Patriotischer Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes, die in Dresden und anderen Städten regelmäßig Demonstrationen abhalten.5 Vor 2014 war der Begriff weitgehend aus den politischen Diskussionen verschwunden. 1

Axel Schildt, Zwischen Abendland und Amerika. Studien zur westdeutschen Ideenlandschaft der 50er Jahre, München 1999. 2 Vanessa Conze, Das Europa der Deutschen. Ideen von Europa in Deutschland zwischen Reichstradition und Westorientierung (1920 – 1970), München 2005. 3 Matthias Pape, Ungleiche Brüder. Köln 2000. 4 Dagmar Pöpping, Abendland. Christliche Akademiker und die Utopie der Antimoderne 1900 – 1945, Berlin 2002. 5 Vgl. Wolfgang Benz, Das Abendland ist ein Mythos, in: Der Tagesspiegel, 5. Januar 2015, http://www.tagesspiegel.de/politik/historiker-wolfgang-benz-zu-pegida-das-abendland-ist-einmythos/11188888.html, aufgerufen am 22. Juni 2016. Und: Rainer Hank, Abendland war stets

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VII. Organisatorische Netzwerke im Dienst der Habsburg-Idee

Als politischer Begriff wurde die Bezeichnung „Abendland“ vor allem durch Oswald Spenglers (1880 – 1936) Werk „Der Untergang des Abendlandes“ geprägt, das 1918 erschien.6 Auf die pessimistischen Thesen Spenglers vom Untergang Europas in einer universal-kapitalistischen Weltgesellschaft antworteten christliche Akademiker, vor allem Katholiken, die nach dem Untergang der preußisch-protestantischen Monarchie des Kaiserreichs konservative Bildungsideale in katholischer Tradition verkündeten und in ihrer Idee für Mitteleuropa an den Reichsgedanken anknüpften.7 Diese Ideen der ersten Abendländischen Bewegung und ihrer von 1925 bis 1930 erschienenen Zeitschrift Abendland8 zwischen den Weltkriegen werden von Dagmar Pöpping als „stark utopisch“ und „antimodern“ eingestuft.9 Sie idealisierten eine historische Epoche. Mit dem Scheitern des deutschen Imperialismus sollte sich Mitteleuropa, ja die europäischen Staaten insgesamt, aus ihrem Engagement in der Weltpolitik zurückziehen und sich auf einen europäischen Zusammenschluss konzentrieren, wenn Europa eine konkurrenzfähige Größe bleiben wolle. Diese Ideen entsprächen auch denen, die Richard Coudenhove-Kalergi mit seiner Paneuropa Union verfolgte. Pöpping nennt als weitere Vertreter den Philosophen Leopold Ziegler (1881 – 1958) und den österreichischen Adeligen Karl Anton von Rohan (1898 – 1975). Allerdings unterschieden sich deren Mitteleuropa- und AbendlandKonzepte deutlich, so dass sich Coudenhove-Kalergi sowohl mit Ziegler als auch mit Rohan zerstritt. Verbindend ist, so Pöpping, dass die Philosophen und Theologen, die nach dem Ersten Weltkrieg auf Spenglers These vom Untergang des Abendlandes antworteten, zwar Spenglers Prognose teilten, aber auf diese im Gegenzug mit einer Utopie vom Abendland antworteten, die über weite Strecken ein Erziehungsmodell bleiben sollte. Pöpping weist daraufhin, dass die Abendland-Idee in der Zwischenkriegszeit nicht nur von katholischen Akademikern, z. B. um die Zeitschriften Hochland und Abendland sowie vom Katholischen Akademikerverband und der sog. Liturgischen Bewegung um das Kloster Maria Laach vertreten wurde, sondern auch in den evangelischen akademischen Kreisen ihre Anhänger fand, die sich dann z. B. in der sog. Hochkirchlichen Bewegung, der Michaelsbruderschaft oder im Berneuchener Kreis fanden und nach dem Zweiten Weltkrieg im Genfer Weltkirchenrat. Coudenhove-Kalergi publizierte auch in der Zeitschrift Abendland und zeigte für Europa einen Weg zwischen dem „kapitalistischen Amerika“ und dem „bolschewistischen Sowjetrussland“ auf.10 Coudenhove vertrat die Idee, dass Europa durch ein Kampfbegriff, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2012.2014, http://www.faz.net/aktuell/ wirtschaft/wirtschaftspolitik/pegida-abendland-war-stets-ein-kampfbegriff-13333220.html, aufgerufen am 22. Juni 2016. 6 Vgl. Dagmar Pöpping, Abendland. Christliche Akademiker und die Utopie der Antimoderne 1900 – 1945. Berlin 2002, S. 29 f. 7 Vgl. ebd., S. 22 f. 8 Vgl. Otto Weiss, Kulturkatholizismus. Katholiken auf dem Weg in die deutsche Kultur 1900 – 1933, Regensburg 2014, S. 186 f. 9 Für das Folgende: Pöpping, Abendland, S. 22 ff. 10 Ebd. S. 107 f.

1. Die Abendländische Bewegung

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die christliche Religion, Wissenschaft, Kunst und die römisch-hellenistische Kultur und Philosophie geprägt sei und sich in der Rückbesinnung darauf neu finden müsse. Zu den Vertretern des Abendlandes in der Zwischenkriegszeit zählte dann auch der sudetendeutsche Politiker und Publizist Emil Franzel. Der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten standen die Vertreter des Abendlandes unterschiedlich gegenüber; Ziegler und andere hielten die Nationalsozialisten zunächst für die Überwindung der Aufklärung durch die Romantik, später wurde ihnen klar, dass die Nazis nicht für die Überwindung der Ideen von Aufklärung und französischer Revolution sowie des liberalen Massenzeitalters stünden, sondern ein Produkt dieses Massenzeitalters seien. Der Begriff des Abendlandes wurde in der Zeit des Nationalsozialismus erst nach der Niederlage von Stalingrad politisch verwendet. Es wurde von der NS-Propaganda zur „Verteidigung des christlichen Abendlandes gegen die Bedrohung des Bolschewismus“ aufgerufen und damit in europäischen Ländern zur Rekrutierung von Freiwilligen für die Waffen-SS im Kampf gegen die Sowjetunion geworben.11 Nach Pöpping war das von den christlichen Akademikergruppen benutzte Bild vom vorreformatorischen Abendland frei von echten historischen Bezügen; es war eine Utopie, von der man sich eine einigende Kraft versprach, die alle Widersprüche des liberalen Zeitalters heilen sollte.12 Hierin finden sich schon wesentliche Gedanken, die auch in der Rezeption Karls V. für die europäische Idee anzutreffen sind. Karl V. wird ja gerade als der Kaiser an der Schwelle der Reformation, der um die Einheit von Kirche und Reich ringt, erinnert. Die Stunde für eine erneute ökumenische Anstrengung schien nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962 – 1965) so günstig wie lange nicht, die Christen Europas und der Welt wieder zu vereinen. In ihrer rein katholischen Ausprägung wäre die Idee vom Abendland wenig einladend für die Völker des nördlichen Europas und für die Protestanten in Deutschland gewesen. Für Pöpping ist allen Beschwörungen des Abendlandes in der Zwischenkriegszeit ihr utopischer Charakter gemeinsam; es sind konservative Utopien, die bewusst oder unbewusst die Dimension der Zeit zugunsten einer fortwährend jede Wirklichkeit sprengenden Einheitsidee durchbrachen. Diese Idee war katholisch, bisweilen auch ökumenisch, antinational, antiwestlich als auch antikapitalistisch und antiparlamentarisch.13 Sie war eine Absage an die Entwicklung Europas seit der Renaissance, an Aufklärung und Demokratie. Kritische Gedanken zur Entwicklung Europas seit der Renaissance finden sich in verschiedenen Werken Otto von Habsburgs.14 Gerade nach dem Zweiten Weltkrieg galt dieser Topos Abendland wiederum als Gegenentwurf zu Kapitalismus und Kommunismus, aber auch gegen „Massende11 12 13 14

Vgl. ebd. S. 218. Ebd. S. 267. Ebd. S. 268. Vgl. Otto von Habsburg, Die Reichsidee, S. 27.

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VII. Organisatorische Netzwerke im Dienst der Habsburg-Idee

mokratie“15 und Liberalismus. Mit dem Begriff des Abendlands verbanden sich u. a. Gedanken an eine Rechristianisierung Europas, aber auch an eine Herrschaft der Eliten. Gleichwohl blieb der Einfluss der verschiedenen Abendländischen Institutionen eher gering, obschon der Topos vom Abendland nach 1945 seine größte Verbreitung fand16 und in vielen Reden der frühen Bonner Republik seinen festen Platz hatte.17 Verwendet wurde das Abendland nun wieder als Kampfbegriff gegen den Kommunismus, aber auch innenpolitisch gegen Massendemokratie, gewerkschaftliche Mitbestimmung, Säkularisierung und Liberalismus und für eine Herrschaft einer christlich geprägten abendländischen Elite aus Adel, Kirche und Kultur. Gleichwohl findet sich der Begriff des Abendlandes auch in den Reden Konrad Adenauers im Bundestag und seinen Regierungserklärungen. Die Erinnerung an Karl den Großen und sein Reich schien einem katholischen Politiker plausibel. In einer Erinnerung an ein katholisches Abendland und das Reich Karls des Großen trafen sich dann die Gründungsväter der Europäischen Einigung, die katholischen Staatsmänner Adenauer, de Gasperi und Robert Schuman und trugen zu einer politischen Umsetzung und Verwirklichung dieses christlichen Europagedankens bei.18 Einen großen Auftritt suchten die Abendländer bei den Feierlichkeiten zum 1000. Jahrestag der Schlacht auf dem Lechfeld im Jahre 1955; dabei wurde eine Parallelität zwischen dem Angriff der Ungarn 955 und der politischen Situation des Jahres 1955 im Kalten Krieg und der Ost-West-Konfrontation gesucht. Der damalige Bundesminister des Auswärtigen, Heinrich von Brentano, hielt die Festrede in Augsburg vor 60.000 Zuhörern.19 In der Abendländischen Bewegung fanden sich Teile von CDU, CSU und FDP wieder20 wie z. B. der Außenminister Heinrich von Brentano (1904 – 1964), die Bundesminister Franz-Josef Wuermeling (1900 – 1986), Theodor Oberländer (1905 – 1998) und Hans-Joachim von Merkatz (1905 – 1982), der niedersächsische Ministerpräsident Heinrich Hellwege (1908 – 1991), der Bundestagsvizepräsident Richard Jaeger (1913 – 1998), aber auch Vertreter der Kirchen wie Wilhelm Stählin (1883 – 1975) oder Lorenz Jaeger (1892 – 1975), damaliger Erzbischof von Pader15

Vgl. Conze, Das Europa der Deutschen, S. 150 f. Vgl. Pöpping, Abendland, S. 268. 17 Ebd. S. 7. 18 Vgl. Johannes Großmann, Die Internationale der Konservativen, S. 7. Siehe auch: Reiner Anselm, Abendland oder Europa? Anmerkungen aus evangelisch-theologischer Perspektive, in: Philipp W. Hildmann (Hg.), Vom christlichen Abendland zum christlichen Europa, München 2009, S. 17 – 22, hier S. 21. 19 Frank-Lothar Kroll, Epochenbewusstsein, europäisches Einigungsdenken und transnationale Integrationspolitik bei Heinrich von Brentano, in: Volker Depkat, Piero S. Graglia (Hg.), Entscheidung für Europa, Berlin/New York/Wien 2010, S. 189 – 204. Und: Roland Koch/FrankLothar Kroll (Hg.), Heinrich von Brentano. Ein Wegbereiter der europäischen Integration. München 2004. Und: Conze, Das Europa der Deutschen, S. 164. 20 Birgit Aschmann, Treue Freunde…? Westdeutschland und Spanien 1945 – 1963, Stuttgart 1999, S. 428. 16

1. Die Abendländische Bewegung

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born, dazu Schriftsteller wie Gertrud von le Fort (1876 – 1971) oder Reinhold Schneider.21 Diese Abendländischen Institutionen wie Abendländische Akademie, die Zeitschrift Neues Abendland unter ihrem Herausgeber Emil Franzel oder die Abendländische Aktion vertraten Standpunkte, wie wir sie oben bei Gertrude von Schwarzenfeld oder Charles Terlinden mit ihrer Pro-Franco-Haltung, ihrem AntiKommunismus und ihrer katholischen Gesinnung fanden.22 Kennzeichnend für die Abendländische Aktion war ihre kritische Haltung zur modernen Demokratie und der Herrschaftsausübung durch die Parteien23, die als „Massendemokratie“24 tituliert wurde. Ihr entgegen stellten die Abendländer eine elitäre Führung durch eine charismatische Führungspersönlichkeit, einen großen Einfluss der (katholischen) Kirche auf Staat und Gesellschaft und eine autoritäre Herrschaft, angelehnt an die Staatsformen auf der iberischen Halbinsel unter Franco und Salazar. Franzel bezeichnete das Portugal Salazars als den „bestregierten Staat Europas“25. Emil Franzel war als Schriftleiter des Neuen Abendlands neben dem Geldgeber der Abendländischen Aktion, Georg Graf Waldburg-Zeil (1928 – 2015)26, der herausragende Kopf der Abendländischen Aktion. Franzel war geprägt – und darin ähnelte er Gertrude von Schwarzenfeld! – durch die Herkunft aus Böhmen und das alte habsburgisch-geprägte Mitteleuropa, in dem Franzel im friedlichen Zusammenleben unterschiedlicher Völker unter der habsburgischen Kaiserkrone ein Vorbild für das Europa seiner Zeit sah. In Otto von Habsburg sah Franzel die geheime Sehnsucht, den Wunsch, eine Hoffnung nach einer Ordnungsidee, nach welcher Krone und Zepter aus der Hand Gottes stammten und im Namen und Auftrage Christi zu verwalten seien – das Gegenbild der von Franzel sogenannten „Reißbrettdemokratie“27. Franzels Ziel war die Wiederherstellung einer hierarchisch-autoritären Staatsordnung; in der Demokratie der jungen Bundesrepublik konnte er einzig dem autoritären Führungsstil Konrad Adenauers Sympathie entgegenbringen, ansonsten sah er in der Bundesrepublik eher eine Übergangslösung, weshalb er und die Abendländer sich Gedanken für eine Zeit „danach“ machten. Im Abendland wie dann später auch in der Paneuropa Union fanden sich daher so unterschiedliche Gruppen wieder wie konservative Katholiken, Heimatvertriebene, die im Mitteleuropa-Begriff eine Hoffnung auf Heimat fanden, Monarchisten, Demokratieskeptiker, süddeutsche Aristokraten mit einer ablehnenden Haltung gegenüber der preußischen Vergangenheit, Antikommunisten und Anhänger der eu-

21

Conze, Das Europa der Deutschen, S. 12. Vgl. ebd, S. 179. 23 Aschmann, Birgit, Treue Freunde…? Westdeutschland und Spanien 1945 – 1963, S. 426. 24 Vgl. hierzu: Vanessa Conze, Emil Franzel und das Abendland, S. 197. 25 Emil Franzel, Portugal, der bestregierte Staat Europas, in: Neues Abendland 7 (1952), S. 266 – 272. 26 Schildt, Zwischen Abendland und Amerika, S. 23. 27 Conze, Das Europa der Deutschen, S. 141. 22

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VII. Organisatorische Netzwerke im Dienst der Habsburg-Idee

ropäischen Einigung.28 In der reaktionären Utopie der abendländischen Idee zeichnete sich die Vision eines christliche Europas, das ständisch-elitär geordnet die Ideen des 19. Jahrhunderts von Aufklärung und Liberalismus überwinden sollte und stark antikommunistisch geprägt war.29 Die Abendländische Bewegung hatte intensive Kontakte zum CEDI in Spanien; regelmäßig nahmen Vertreter der Abendländischen Bewegung an den Tagungen des CEDI in Spanien teil, darunter die o.g. Bundesminister von Brentano und von Merkatz30 als auch Franz Josef Strauß als Bundesverteidigungsminister.31 Ziel dieser CEDI Tagungen war es, dem weitgehend isolierten Franco-Spanien eine Stimme in Europa zu geben und den Beitritt in EWG und NATO vorzubereiten sowie zur Begegnung von Politikern und Militärs beider Seiten einen Raum zu schaffen. Bundestagsvizepräsident Jaeger vertrat so 1954 in Spanien die Auffassung, dass es sich beim Spanien Francos weder um einen faschistischen noch totalitären Staat handele, sondern nur um einen autoritären Staat. Wie schon oben erwähnt, fanden sich dann Vertreter des Neuen Abendlandes später sowohl im CEDI als auch nach 1973, als Otto von Habsburg die Präsidentschaft über die Internationale Paneuropa Union übernommen hatte, in dieser PEU.

2. Der Orden vom Goldenen Vlies Otto von Habsburg32 und Charles Terlinden33 beziehen sich in ihren Schriften nicht nur auf Karl V., sondern auch auf den Orden vom Goldenen Vlies, den sie als Vorbild für ein einiges Europa sehen. Der Orden vom Goldenen Vlies wurde von Philipp III. von Burgund (1396 – 1467) am 10. Januar 1430 in Brügge gegründet. In diesem Orden sieht von Habsburg ein Vorbild für eine internationale Friedensordnung im 20. Jahrhundert. Der Orden habe eine internationale Elite des Abendlandes geschaffen.34 Eine solche neue Elite müsse Europa neu erschaffen, um den Ausgleich zwischen den Staaten zu ermöglichen und den Frieden zu erhalten. Der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches habe wie der Orden vom Goldenen Vlies eine friedensstiftende Funktion gehabt, die im 20. Jahrhundert durch den Völkerbund und die Vereinten Nationen wahrgenommen werden sollte. Von Habsburg sieht diese Versuche im Völkerbund und der UNO als vergeblich an, da der Kaiser seiner Meinung nach nie Partei gewesen sei und die genannten Gremien des 20. Jahrhunderts gerade 28 29 30 31 32 33 34

Vgl. hierzu: Vanessa Conze, Emil Franzel und das Abendland, S. 198 f. Vgl. Conze, Emil Franzel, S. 182 ff. Vgl. Aschmann, Treue Freunde, S. 428. Ebd., S. 429. Otto von Habsburg, Der Kaiser, in: Im Frühling der Geschichte, S. 122 f. Charles Terlinden, Das Goldenen Vlies, in: Virtute fideque, S. 163. Habsburg, Der Kaiser, S. 122.

2. Der Orden vom Goldenen Vlies

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darunter litten, dass sie aus den internationalen Parteien zusammengesetzt seien.35 Otto von Habsburg sieht den Kaiser des Heiligen Römischen Reiches also idealerweise als Richter oder Schiedsrichter.36 Mit der Hervorhebung des Ordens vom Goldenen Vlies beschreibt Otto von Habsburg den Hausorden, dem er selber als Souverän des Ordens vorstand und in den er auch Charles Terlinden am 30. November 1954 aufnahm.37 Auch finden sich unter den weiteren Mitgliedern Angehörige des europäischen Hochadels als auch Adelige, die in der Abendländischen Bewegung mitarbeiteten, so etwa Georg von WaldburgZeil, der 1950 in den Orden aufgenommen wurde.38 In diesem Orden, seiner Tradition und Idee sah Otto von Habsburg somit ein Vorbild für europäische Institutionen; die Nähe zur katholischen Kirche, die hierarchische Verfassung, die Verbundenheit mit dem Haus Habsburg und den internationalen Kontakten, die der Orden schuf, entsprachen den Ideen der Abendländischen Bewegung wie später auch der Paneuropa Bewegung. Dieses Vorbildhafte für Europa wurde auch nach dem Rücktritt Otto von Habsburgs als Souverän des Ordens und der Übergabe an seinen Sohn, Karl von Habsburg, im Jahre 2000 betont, so in einer Dokumentation zu einem wissenschaftlichen Symposium in Stift Heiligenkreuz im Jahre 2006, in der Historiker, Kleriker und Angehörige des Ordens Beiträge veröffentlichten. So widmet sich der Wiener Historiker Lothar Höbelt der Bedeutung des Ordens als der Klammer eines Weltreiches39 und Karl von Habsburg äußert im Vorwort: Der Geist des Ordens ist heute lebendiger und gefragter denn je, sehen wir doch angesichts des weltweiten Terrors und der Barbarei, dass es notwendig ist, sich der Zerstörung der ewigen Werte entgegenzustellen. Ritterlichkeit und das Leben der Tugenden ist heute genauso notwendig und anzustreben wie in der Zeit der Gründung […] Betrachtet man allerdings die zahllosen Publikationen über den Orden, wird man feststellen, dass sich die meisten mit der Zeit des Mittelalters befassen Die Zeit danach ist gut dokumentiert, aber nicht aufbereitet. Diese Lücke zu schließen, aber auch die spirituelle und europäische Idee des Ordens aufzuzeigen, ist nicht zuletzt Ziel dieses Symposiums.40

Auch der Kanzler des Ordens vom Goldenen Vlies, Alexander Pachta-Reyhofen, verweist in der Dokumentation des Symposiums auf die europäische Dimension und völkerverbindende Bedeutung dieses Ritterordens: 35

Ebd., S 142 f. Ebd. 37 Leopold Auer, Das Haus Österreich und der Orden vom Goldenen Vlies, Graz 2007, S. 196. 38 Ebd. 39 Lothar Höbelt, Klammer eines Weltreiches. Der Orden vom Goldenen Vlies, in: Leopold Auer (Hg.), Das Haus Österreich und der Orden vom Goldenen Vlies: Beiträge zum wissenschaftlichen Symposium am 30. November und 1. Dezember 2006 in Stift Heiligenkreuz, Graz 2007, S. 37 – 52. 40 Leopold Auer, Das Haus Österreich und der Orden vom Goldenen Vlies, S. 7. 36

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VII. Organisatorische Netzwerke im Dienst der Habsburg-Idee

In einem Europa, das seine christlichen Wurzeln zunehmend verleugnet und die ritterlichen Tugenden merkantilen Interessen opfert, halten wir eine Rückbesinnung auf seine Grundlagen und Werte am Beispiel des hervorragendsten Ritterordens für sinnvoll.41

Souverän und Kanzler des Ordens verweisen auf die Vorbildhaftigkeit des Ordens für Europa, das zu den christlichen Wurzeln zurückfinden müsse, um Bestand zu haben. Dabei wird, wie oben zu sehen ist, mit Superlativen nicht gespart. Auch Leopold Auer fährt in dem genannten Band fort, in dem er die Habsburger als die auserwählte Dynastie bezeichnet und die hervorragende Stellung des Erzhauses (Habsburg) betont.42 Auer fährt dann fort: So wurde das Goldene Vlies für viele zum prestigeträchtigsten Orden der Christenheit. Die in dieser Verbindung zum Ausdruck kommende Symbolik trat gleichzeitig mit dem Anspruch auf Vorrang wie auf Vormacht auf, womit auch die potentiell eminent politische Funktion symbolischer Kommunikation deutlich wird. Durch Jahrhunderte hindurch wurde der Orden damit auch zu einem Instrument politischer Integration, ohne dass dadurch jedoch die spirituellen Grundlagen seiner Gründung hinfällig geworden wären.43

Wulf Gordian von Hauser skizziert in einem Beitrag für das „Deutsche Adelsblatt“ in seinem Aufsatz über den Orden vom Goldenen Vlies 199944 die Aufgabe und die Bedeutung des Ordens in der Gegenwart: die Einigung der europäischen Christenheit. Ferner beschreibt er die Bedeutung Otto von Habsburgs für den Orden, dem der Wiener Erzbischof Christoph Schönborn als Aumonier ebenfalls angehört. Zudem beschreibt er die Abläufe des Ordensfestes, zu denen jeweils ein Requiem für Kaiser Karl I. von Österreich gehört.45 Hauser verweist auf die internationale Zusammensetzung des Ordens, dem 1999 46 Ritter angehörten, darunter als regierende Monarchen der belgische König, der Großherzog von Luxemburg sowie der Fürst von Liechtenstein, und die Chefs der drei größten katholischen deutschen ehemaligen Königshäuser sowie Ritter aus sieben anderen europäischen Ländern.46 Er beschließt seinen Aufsatz: Der Orden [hat] nichts von seinem Glanz und Ruhm als höchster Orden der katholischen Christenheit eingebüßt. […] Dies ist wohl einer Reihe von Faktoren zu verdanken: an vorderster Stelle steht dabei sicher die Zeitlosigkeit der Ideale Philips des Guten, Angehörige der bedeutendsten Familien Europas zu einem gemeinsamen religiösen und politischen Zweck – den man wohl aus heutiger Perspektive mit „Einigung der europäischen Christenheit“ umschreiben könnte – zu vereinen. Ein entscheidender Faktor und großes 41

Ebd., S. 9. Ebd. S. 11. 43 Ebd. 44 Wulf Gordian von Hauser, Der Orden vom Goldenen Vlies, in: Deutsches Adelsblatt. Magazin der deutschen Adelsverbände 38/199, S. 122 – 128. 45 Ebd. S. 126. Dies dürfte sich nach 2004 mit der Seligsprechung Kaiser Karls I. durch Papst Johannes Paul II. geändert haben, da nun nicht mehr für das Seelenheil des letzten Kaisers gebetet werden braucht. 46 Ebd. S. 127. 42

3. Die Paneuropa Union

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Glück für den Orden in dieser schwierigen Zeit war und ist die Persönlichkeit des Ordenssouveräns Otto von Habsburg.47

Peter Wiesflecker widmet seinen Beitrag in dem Band dem Thema „Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies im Spiegel von Genealogie und Familiengeschichte“, in dem er ausführt, dass im 20. Jahrhundert im Orden einflussreiche Rom-treue Katholiken in Verbindung mit dem Haus Habsburg standen;48 solch eine Erneuerung Europas im christ-katholischen Geist ist wohl das verbindende zwischen Abendländischer Bewegung, Paneuropa Union und dem Orden vom Goldenen Vlies, repräsentiert durch Otto von Habsburg und seine Familie. Sein Sohn Karl von Habsburg ist nicht nur dessen Nachfolger als Souverän des Ordens vom Goldenen Vlies49, sondern auch Präsident der Paneuropa Union Österreich.50

3. Die Paneuropa Union In Deutschland ist Bernd Posselt derzeit Präsident der Paneuropa Union; Posselt war lange Jahre Mitarbeiter Otto von Habsburgs im Europäischen Parlament und in der Paneuropa Union. Die Erneuerung im christlichen Geist ist auch im Jahre 2015 weiterhin eine Forderung der Paneuropa Union. So schrieb Posselt in einem Rundbrief vom 11. November 2015 an die Mitglieder und Freunde der Paneuropa Union Deutschland: 2016 gedenken wir der Geburt des Heiligen Martin vor 1700 Jahren, der Ungarn, Deutschland, Österreich, Italien, Frankreich und andere Teile Europas miteinander verbindet. Er steht für ein Europa, das in einer zweitausendjährigen Geschichte wurzelt und viel älter ist als die Nationalstaaten, sowie für christliche Nächstenliebe und soziale Gerechtigkeit, ohne die ein Gemeinwesen zur menschenfeindlichen und zerstörerischen Maschinerie wird. In seinem Geist müssen wir uns jenen entgegenstemmen, die den Zerfall Europas in viele nationale Egoismen, der derzeit droht, auch noch zur Problemlösung erklären und jenen, die die kulturelle Basis unseres Europas durch seelenlosen Relativismus ersetzen wollen. Die aktuelle Krise läßt sich nur […] durch die Erneuerung unserer christlichen Substanz meistern.51

47

Ebd. S. 128. Peters Wiesflecker, Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies im Spiegel von Genealogie und Familiengeschichte, in: Auer: Das Haus Österreich und der Orden vom Goldenen Vlies, S. 83. 49 Eintrag „Habsburg, Karl“ in Munzinger Online/Personen – Internationales Biographisches Archiv, URL: http://www.munzinger.de/document/00000021838, abgerufen am 23. März 2016. 50 http://www.paneuropa.at/organisation/, aufgerufen am 23. März 2016. 51 Rundschreiben der Paneuropa Union Deutschland vom 11. November 2015. 48

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VII. Organisatorische Netzwerke im Dienst der Habsburg-Idee

Die christliche Erneuerung, wie sie schon von den Päpsten Johannes Paul II. und Benedikt XVI. unter dem Stichwort der „Neuevangelisierung“52 beschworen wurde, bleibt also Programmpunkt der Paneuropa Union, entgegen den tatsächlichen Gegebenheiten in Deutschland, Österreich und vielen Teilen Europas, die eher von einer weiteren Entfremdung und Abwendung der Menschen von den Kirchen und vom christlichen Glauben geprägt sind. Dieser Einheit von politischer Arbeit und christlichem Bekenntnis entsprechen auch die Abläufe von Tagungen und Kongressen der Paneuropa Union. Den Abschluss dieser Tagungen, zum Beispiel der „Paneuropa Tage“ oder des Paneuropa Jugend-Bundeskongress bilden jeweils ein Gottesdienst (katholisch oft als Pontifikalamt mit einem Bischof und großem Einzug mit Paneuropa Fahnen) und eine politische Kundgebung, auf denen meist Politiker der CDU und CSU sprechen.53 Die Intentionen und das Auftreten der Paneuropa Union sind denen des Ordens vom Goldenen Vlies ähnlich. Auch bei der Paneuropa Union legt man Wert auf Rituale und Zeichen: Knopflochdekoration mit dem Paneuropakreuz, PaneuropaFahnen und eine enge kirchliche Anlehnung. In der Grundsatzerklärung der Paneuropa Union von 1995 heißt es etwa zum Vergleich: Das Christentum ist die Seele Europas. Unser Einsatz ist geprägt vom christlichen Menschenbild und dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit. Indem die Paneuropa Union die europäische Wertegemeinschaft fördert, widersetzt sie sich allen Tendenzen, die die geistige und moralische Kraft Europas aushöhlen.54

Matthias Müllers Aussagen über den Orden vom Goldenen Vlies könnte ebenso genauso auf die Paneuropa Union zutreffen: Wenn man nun nach dem wirklichen Sinn des Ordens vom Goldenen Vlies gerade in der Neuzeit fragen würde, dann könnte man mit modernen Worten vielleicht darauf antworten, dass es sich schlichtweg um ein Habsburger-Netzwerk mit politischen Hintergedanken handelte.55

Der Bezug auf das Heilige Römische Reich bleibt auch in der Gegenwart ein zentraler Punkt der Europapolitik der Paneuropa Union; dies zeigte sich z. B. 2015 im Magazin Paneuropa Deutschland, in dem sich eine Abbildung des Quaternionenadler nach Hans Burkmair56 von 1510, einer Visualisierung des Reichsgedankens, 52 Papst Johannes Paul II. spricht 1990 z. B. in der Enzyklika „Redemptoris Missio“ von der Neuevangelisierung Europas. 53 Siehe etwa Berichterstattung zum PEJ Bundeskongress 2013 in: Paneuropa Deutschland, 3/2013, München 2013, S. 30 f. oder in der gleichen Ausgabe über die 40. Andechser Europatage, S. 32 f. 54 Baier/Demmerle, Otto von Habsburg, S. 390 f. 55 Matthias Müller, Der Orden vom Goldenen Vlies, in: Mitteilungen der Gesellschaft für Vergleichende Kunstforschung in Wien, 61/2009, S. 21. 56 Peter Fleischmann, Der Quaternionenadler von Hans Burkmair, in: Credo. Christianisierung Europas im Mittelalter. Bd. 2, Katalog zur Ausstellung, Hgg. von Christoph Stiegemann u. a., Petersberg 2013, S. 700 f. Die Ausstellung „Credo“ 2013 in Paderborn ging auch auf

3. Die Paneuropa Union

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der einem kaiserlichen Doppeladler u. a. mit den Wappen der sieben Kurfürsten und einem Kruzifix als Symbol für die christliche Grundlage des Reiches fand mit dem Untertitel „Die Europäische Union ist die legitime Erbin des Heiligen Römischen Reiches mit seiner föderativen Struktur“57 oder in einem Rundschreiben von Bernd Posselt für die Paneuropa Union Deutschland vom März 2016, in dem sich auch weiterhin der Begriff des Abendlands und der Begriff vom „Reich“ findet und in dem er ausführte: Mit dem Heiligen Römischen Reich und dem Deutschen Bund, der vor 150 Jahren in der Schlacht bei Königgrätz zerbrach, hatten die Deutschen ein Jahrtausend lang eine Lebensform gefunden, die ihnen eine einzigartige Blüte bescherte. Als größte Sprachnation Europas, die noch dazu in dessen Mitte lag, bildeten sie keinen Zentralstaat, sondern eine offene, vielgestaltige Föderation, in der auch tschechisch, polnisch, slowenisch, rätoromanisch, italienisch, französisch, niederländisch, dänisch oder sorbisch geredet wurde […] Die beiden Hauptelemente ihrer politischen Struktur, das übernationale römische Recht und der universale christliche Glaube, verankerten sie im Abendland und damit in dem, was man damals den Westen nannte. Mit dem deutsch-französischen Krieg von 1871 und der Bismarckschen Gründung eines zentralisierenden Nationalstaates, der irreführender Weise „Reich“ genannt wurde, beschritten sie einen Sonderweg, der ihrer eigentlichen Tradition nicht entsprach. Dies sahen nicht nur die Anhänger der alten europäischen Reichsdynastie der Habsburger, nicht nur die süddeutschen Föderalisten […], sondern auch die konservativen Altpreußen.58

Die Paneuropa Union ist, wie man an den Beispielen sieht, weiterhin dem Reichsgedanken, der Idee des Abendlands und der Vorbildfunktion des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation für die Europäische Union des 21. Jahrhunderts verbunden.

„Europa und sein christliches Erbe“ ein und präsentierte dazu u. a. die Karlsmedaille der Stadt Aachen, die an den Paneuropa-Gründer Richard Coudenhove-Kalergi 1950 verliehen wurde, dessen programmatische Schrift „Pan-Europa“ von 1923 und eine Ausgabe der Zeitschrift „Paneuropa“ von 1924. Die Texte im Katalog zu diesen Exponaten verfasste Bernd Posselt, der Präsident der Paneuropa Union in Deutschland und langjährige Vertraute von Otto von Habsburg. Siehe Credo, Katalog zur Ausstellung, S. 774 – 778. Die Ausstellung „Credo“ über die Christianisierung Europas im Mittelalter 2013 in Paderborn wurde vom Erzbistum Paderborn, der Stadt Paderborn und dem Landschaftsverband Westfalen/Lippe ausgerichtet. Bundespräsident Joachim Gauck war Schirmherr der Ausstellung. Vom Grundgedanken der Ausstellung und den genannten Ausrichtern zeigt sich eine enge Verbindung von Staat und Kirche, die nicht nur in der Ausstellung über die Missionierung gezeigt wurde, sondern sich auch in der Gegenwart des Jahres 2013 wiederspiegelte! 57 Paneuropa Deutschland, 1/2015, S. 7. 58 Paneuropa Intern, 3/2016, S. 1.

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VII. Organisatorische Netzwerke im Dienst der Habsburg-Idee

4. Liga Europa und das europapolitische Engagement um die Abtei Ottobeuren Aus dem spanischen CEDI entwickelte sich im Anschluss an eine Jugendwallfahrt nach Santiago de Compostela im Juli 1965 eine Jugendorganisation des CEDI, der Cercle Saint Jacques.59 In Deutschland wiederum schloss sich 1968 dieser Cercle mit der Arbeitsgemeinschaft Münchner Reserveoffiziere zusammen und bildete die „Liga Europa“, die sich in ihrem Signet, einem Kreuz umrahmt von zwölf Sternen, eng an dasjenige der Paneuropa Union anlehnte.60 In dieser Liga Europa fanden sich so unterschiedliche Personen wie der frühere SS-Arzt und Offizier Franz Riedweg (1907 – 2005), der österreichische ÖVP Politiker Vincenz von Liechtenstein (1950 – 2008), ein Verwandter Otto von Habsburgs, Heinrich Rüdiger Fürst Starhemberg61 oder Hubertus von Badewitz62. Auch der CDU Politiker Alois Graf Waldburg-Zeil (1933 – 2014) findet sich in der Liga Europa; Alois Graf Waldburg-Zeil ist der Bruder von Georg von Waldburg zu Zeil, der als einflussreicher Sponsor der Abendländischen Bewegung und als deren führender Kopf galt. Auch in der „Vereinigung der Freunde der Benediktiner-Abtei Ottobeuren“ sind die Grafen von Waldburg-Zeil aktiv.63 Als Ziele nennt die Liga Europa 1971 „die Schaffung einer Europäischen Föderation auf christlich-ökumenischer Grundlage, die Bekämpfung aller totalitären Systeme, die den Menschen manipulieren und ausbeuten und die Verpflichtung zu persönlich karitativem Dienst“.64 Der zweite Punkt ist wohl als etwas verklausulierter strikter Antikommunismus zu verstehen, die Verpflichtung zu persönlich karitativem Dienst erinnert an die Ideale der Ritterorden, die christlich-ökumenische Grundlage Europas ist ähnlich wie bei der Paneuropa Union zum einen gegen eine nur wirtschaftliche Einigung Europas, zum anderen gegen ein weltanschaulich-religiös neutrales Europabild gerichtet; der Liga Europa schwebt wie der Paneuropa Union ein eng an die christlichen Kirchen, hier besonders an die römisch-katholische Kirche angelehntes Europabild vor. Dies wird auch an den Veranstaltungsorten und der Präsenz von Bischöfen und Äbten deutlich. Dass dies nicht mehr ausschließlich katholisch definiert wird, sondern ökumenisch, entspricht schon der überkonfes-

59

Großmann, Internationale der Konservativen, S. 362 f. Ebd., S. 372 f. 61 Heinrich Rüdiger Starhemberg (1934 – 1997) war der Sohn von Ernst Rüdiger Starhemberg, der zur Zeit der ständestaatlichen Diktatur in Österreich unter Dollfuß und Schuschnigg Führer der Heimwehrbewegung war. Heinrich Rüdiger engagierte sich neben der Liga Europa auch im CEDI. Siehe: Großmann, Die Internationale der Konservativen, S. 364 f. 62 Großmann, Die Internationale der Konservativen, S. 514. 63 Ulrich Faust, Ottobeuren. Ein geschichtlicher Überblick. Lindenberg 2015, S. 60. 64 Schriftenreihe der Liga Europa, Heft 1, München 1971, S. 44. 60

4. Liga Europa und die Abtei Ottobeuren

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sionellen Gründungsgeschichte von CDU und CSU nach dem Zweiten Weltkrieg65 und erst recht der Zeit nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962 – 1965), als sich auch bis dahin strikt katholische Verbände den anderen christlichen Konfessionen öffneten. Schon in den Schriften Otto von Habsburgs aus der unmittelbaren Zeit nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil war dies oben zu erkennen. Erst später geht Otto von Habsburg in seinen Publikationen auf gewisse Distanz zur kirchlichen Situation in Deutschland und Österreich der Nachkonzilszeit. Er übt Kritik an Theologen wie Hans Küng und bemängelt fehlenden Mut bei Bischöfen. Es sieht sich selbst als treuen Katholiken an der Seite der Päpste Johannes Paul II. und Benedikt XVI., zu denen er Kontakt sucht und mit denen es wiederholte Treffen gibt. Diese kritische Haltung zur nachkonziliaren Entwicklung innerhalb der katholischen Kirche findet sich öfter bei eher konservativen Katholiken, so etwa auch bei Josef Ratzinger oder Hans Urs von Balthasar (1905 – 1988). Letzterer hatte vor dem Konzil in seinen Schriften von der „Schleifung der Bastionen“66 gesprochen, sieht aber nach dem Konzil in der deutschsprachigen und französischen Kirche einen „Antirömischen Affekt“.67 Vincenz von Liechtenstein war auch in der Monarchistischen Bewegung Österreichs (MBÖ) und später in der Jungen Europäischen Studenteninitiative (JES) aktiv. Die MBÖ ging später in der Paneuropa Union Österreichs auf. Für die ÖVP saß Liechtenstein von 2004 bis 2006 im Österreichischen Nationalrat. Der konservativkatholische Blog „kath.net“ aus Österreich veröffentlichte einen Nachruf auf Liechtenstein.68 Diese Liga Europa gab auch ab 1971 eine Schriftenreihe heraus mit Titeln, die zeitkritische oder antikommunistische Positionen vertraten.69 Der letzte Band erschien 1995. Mitarbeiter an dieser Reihe war wiederum Emil Franzel, ein führender Kopf der Abendländischen Bewegung und Vertrauter von Otto von Habsburg, als auch der damalige Abt des Klosters Ottobeuren in Bayerisch Schwaben, Vitalis 65 Konstantin Götschel, Abendland in Bayern. Zum Verhältnis von Abendländischer Bewegung und CSU zwischen 1945 und 1955, in: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte Nr. 69, 4/2017, Leiden 2017, S. 367 – 398. 66 Hans Urs von Balthasar, Schleifung der Bastionen. Von der Kirche in dieser Zeit. Einsiedeln 1954. Hans Urs von Balthasar gab auch in Gedenken an Reinhold Schneider heraus: Reinhold Schneider. Sein Weg und sein Werk. Köln 1953. 67 Hans Urs von Balthasar, Der Antirömische Affekt. Freiburg/B. 1974. Der Titel erinnert auch an die Einleitung von Carl Schmitts „Römischer Katholizismus und politische Form“ Stuttgart 1984. Vgl. zur Sichtweise Balthasars auf die nachkonziliare Situation auch: Michael Schulz, Hans Urs von Balthasar begegnen, Augsburg 2002, S. 83 f. 68 Carl Albrecht Waldstein, Den Lauf vollendet, den Glauben bewahrt. Vincenz von Liechtenstein verstorben, 26. 1. 2008, http://kath.net/news/18860 Elisabeth Potzinger, Gerhard L. Fasching (Hrsg.), Zum Gedenken an Dr. Vincenz Prinz von und zu Liechtenstein: Abgeordneter zum Bundesrat und zum Nationalrat a.D.: 1950 – 2008. Stocker Verlag, 2009. 69 Siehe Schriftenreihe der Liga Europa mit Titeln wie „Ist der Kommunismus noch aggressiv?“, „Geht die Neuzeit zu Ende?“ oder „Europa und der goldene Meilenstein“.

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VII. Organisatorische Netzwerke im Dienst der Habsburg-Idee

Mayer OSB (1912 – 1986). Auch der evangelische Bischof Wilhelm Stählin (1883 – 1975) arbeitete an dieser Schriftenreihe mit. Stählin fand sich auch in der Abendländischen Akademie wieder und ist ein Beispiel für eine betont konservativ ökumenische Ausrichtung.70 Er arbeitete mit dem Paderborner Erzbischof Lorenz Jaeger (1892 – 1975) verschiedene ökumenische Konzepte aus. Reinhard Raffalt (1923 – 1976), ein katholischer Journalist, arbeitete ebenfalls an der Schriftenreihe der Liga Europa mit. Nach Johannes Großmann ging die Liga Europa später in der Paneuropa Union auf.71 Um dieses Kloster Ottobeuren fand sich ein weiterer konservativer Europakreis zusammen, der vom CSU-Politiker Hans August Lücker (1915 – 2007)72 inspiriert wurde. Hier fanden seit 1949 Konzerte mit namhaften Dirigenten statt als auch Europapolitische Kundgebungen. Mitveranstalter waren neben der Abtei und Lücker auch Eugen Jochum (1902 – 1987)73 sowie der Bischof von Augsburg, Josef Stimpfle (1916 – 1996).74 Stimpfle galt innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz als besonders papsttreu und konservativ. Mit ihm waren sowohl Lücker als auch Otto von Habsburg vertraut. Zu Jubiläen und Geburtstagen Otto von Habsburgs zelebrierte Stimpfle die Heilige Messe, unter anderem im Kloster Andechs.75 Stimpfle steuerte 1987 einen Beitrag zur Festschrift Otto von Habsburgs zum 75. Geburtstag bei,76 Otto von Habsburg revanchierte sich 1991 mit einem Beitrag für die Festschrift zu Stimpfles 75. Geburtstag.77 In der Festgabe zum 20. Bischofsjubiläum von Josef Stimpfle78 1983 fanden sich zuvor schon Beiträge von Otto von 70 Großmann, Die Internationale der Konservativen, S. 75. Großmann verortet Stählin „am konservativen Rande des westdeutschen Luthertums, aber nicht außerhalb der Kirche“. Stählin wie auch andere evangelische Theologen innerhalb der Abendländischen Bewegung gehörten dem Berneuchener Kreis an. 71 Großmann, Die Internationale der Konservativen, S. 373. 72 60 Jahre Ottobeurer Konzerte und Begegnungen, S. 110. 73 Ebd., S. 11. 74 Ebd. S. 113 f. 75 Baier/Demmerle, Otto von Habsburg, S. 553. 76 Josef Stimpfle, Dein Reich komme, in: Walburga von Habsburg, Bernd Posselt: Einigen – nicht trennen. Festschrift für Otto von Habsburg. Moers 1987, S. 18 – 22. Hier entwirft Stimpfle ein konservatives Bild eines christlichen Europas. 77 Otto von Habsburg, Auf dem Weg zum christlichen Europa, in: Eugen Kleindienst/Georg Schuttermayr (Hg.): Kirche im Kommen. Festschrift für Josef Stimpfle. Frankfurt/Main 1991, S. 147 – 158. Die Festschrift liest sich wie ein Who is Who des konservativen Katholizismus mit Beiträgen der Kardinäle Ratzinger, Groer und Meisner, der Bischöfe Krenn und Nossol sowie von Leo Scheffczyk und Christa Meves. Allerdings sind auch Chiara Lubich, Karl Lehmann, Walter Kasper und Klaus Hemmerle vertreten. 78 Eugen Kleindienst (Hg.), Christen bauen Europa. Pastorale Initiativen zur Einigung Europas. Festgabe zum 20. Bischofsjubiläum für Bischof Dr. Josef Stimpfle. Donauwörth 1983. Ein Bindeglied zwischen Bistum Augsburg, Bischof Stimpfle, Weltbild Verlag, St. Ulrichs Verlag, Paneuropa Union, Otto von Habsburg und katholischer Kirche ist der Jurist Dirk Hermann Voss, der Vorsitzender der Paneuropa Union in Bayern ist als auch beruflich für die

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Habsburg sowie von Hans August Lücker, als auch von Papst Johannes Paul II., Franz Josef Strauß, Leo Tindemans (1922 – 2014), Günter Rohrmoser (1927 – 2008)79, Hubert Gindert80 und Helmut Kohl. Zum Europa-Wochenende am 17./18. September 1977 in Ottobeuren unter dem Motto „Europa jetzt einen“ schrieb Stimpfle in einem Hirtenwort: „Was ist das Anliegen dieser Europakundgebung? Was hat die Kirche mit der europäischen Einigung zu tun? Auf diese Fragen antworte ich: es geht der Kirche um Europas Erbe, Europas Zukunft, Europas Weltverantwortung.“81 Lücker hielt wiederum eine Laudatio auf Stimpfle 1992 anlässlich der Verleihung des Robert-Schuman-Sonderpreises an Stimpfle.82 Hier wird wiederum ein konservativ-katholisches Netzwerk mit europapolitischen Zielen sichtbar. Angestrebt wird ein Europa mit christlichen Wurzeln, bei Vitalis Mayer mit ausgesprochen benediktinischen Wurzeln. Benedikt von Nursia, auf den sich auch Otto von Habsburg in „Die Reichsidee“83 verschiedentlich bezieht und der von Papst Paul VI. als Schutzpatron Europa apostrophiert wurde, wird von Vitalis Mayer in seiner mit Emil Franzel in der Schriftenreihe der Liga Europa erschienenen Publikation „Europa und die benediktinische Geistigkeit“ als Ideengeber für ein modernes Europa angeführt.84 Bei den Treffen in Ottobeuren trafen sich sowohl europäische Staatsmänner vor der barocken Kulisse von Kloster Ottobeuren, als auch konservative Parteipolitiker wie Helmut Kohl, Franz Josef Strauß als auch der flämische Europapolitiker und Paneuropäer Leo Tindemans85. Veranstalter der europäischen Konzerte in Ottobeuren waren der Dirigent Eugen Jochum und Hans Sellschopp (1891 – 1978), der in der Zeit des Nationalsozialismus Kulturfunktionär im Reichspropagandaministerium von Joseph Goebbels gewesen war.86 Bei den Kundgebungen in Ottobeuren wurden auch die Heimatvertriebenen87 einbezogen und die Liga Europa88 trat als o.g. Verlage und das Bistum Augsburg gearbeitet hat. Vgl. https://www.augsburgwiki.de/index. php/AugsburgWiki/VossDirkHermann, aufgerufen am 2. 1. 2018. 79 Rohrmoser war ein konservativer Sozialphilosoph, der für Hans Filbinger und Franz Josef Strauß arbeitete und auch für die Junge Freiheit Beiträge verfasste. 80 Gindert organisierte verschiedene katholisch-konservative Initiativen, so das „Forum Deutscher Katholiken“ und den „Initiativkreis katholischer Priester und Laien in der Diözese Augsburg“ und ist Herausgeber der katholischen Schrift „Der Fels“. 81 Ottobeuren – Konzerte, Begegnungen, S. 89. 82 Hans August Lücker (Hg.), Verleihung des Robert-Schuman-Sonderpreises 1992 an Seine Exzellenz Erzbischof Dr. Dr. h.c. Josef Stimpfle, emeritierter Bischof von Augsburg. Mit einer Grundsatzrede zu Europa. Koblenz 1992. 83 Otto von Habsburg, Die Reichsidee, München 1986, S. 24. 84 Vitalis Mayer/Emil Franzel, Europa und die benediktinische Geistigkeit. Schriftenreihe der Liga Europa, München1973. 85 60 Jahre Ottobeurer Konzerte und Begegnungen, S. 27. 86 Reinald Scheule, 60 Jahre Ottobeurer Konzerte und Begegnungen. Hrg. von Touristikamt Kur und Kultur, Ottobeuren 2009, S. 105 f. Eugen-Jochum-Gesellschaft. Ottobeuren – Konzerte – Begegnungen. Kempten 1997. 87 60 Jahre Ottobeurer Konzerte und Begegnungen, S. 5.

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Mitveranstalter auf. Eine paneuropäische und damit antikommunistische Stoßrichtung war dabei immer wieder feststellbar, so endete die Rede von Franz Josef Strauß 1977 mit dem Aufruf: „Wenn die anderen uns mit der Weltrevolution bedrohen, dann bedrohen wir sie nicht mit Revolution und Krieg, sondern wir bedrohen die Diktatoren mit der revolutionären Kraft der Freiheit des christlichen Abendlandes und eines menschenwürdigen Lebens.“89 Georg von Gaupp-Berghausen90 (1918 – 1985) war ein ehemaliger Offizier der deutschen Wehrmacht aus Österreich und nach dem Zweiten Weltkrieg Mitarbeiter in der Hauptverwaltung der Fürsten von Waldburg-Zeil. In der Schriftenreihe der Liga Europa wird er neben Alois von Waldburg-Zeil, dem Bruder vom o.g. Georg von Waldburg zu Zeil, und anderen als Verantwortlicher der Liga aufgeführt.91 Er war im Rahmen seiner Tätigkeit für Waldburg-Zeil auch für die Zeitschrift Neues Abendland und das CEDI tätig.92 Vincenz von Liechtenstein93 (1950 – 2008) war ein Enkel Kaiser Karls I. von Österreich; seine Mutter war Elisabeth von Österreich (1922 – 1993), sein Vater Heinrich von und zu Liechtenstein (1916 – 1991). Als junger Student gründete er 1974 in Österreich die Junge Europäische Studenteninitiative, eine Organisation, die sich erfolgreich an den Hochschulwahlen in Österreich beteiligte und sich gegen die politischen Entwicklungen an den Hochschulen nach 1968 wandte. Daher galt die JES als dezidiert konservativ. In ihr fanden sich konservative Katholiken, Paneuropäer und Mitglieder der verschiedenen Studentenverbindungen in Österreich wieder94, so aus dem katholischen Cartellverband (ÖCV), aus den monarchistischen Katholischen Österreichischen Landsmannschaften (KÖL), aber auch vereinzelt aus den Burschenschaften. Vincenz von Liechtenstein war selbst Mitglied in verschiedenen Verbindungen der KÖL, so in der KÖL Josephina in Wien und der KÖL Starhemberg Wien.95 Er galt als Brückenbauer zwischen den verschiedenen stu88

Ebd. S. 27. Ottobeuren – Konzerte, Begegnungen, S. 92. 90 Großmann, Die Internationale der Konservativen, S. 72 ff. Und: Johannes Großmann, Flucht nach Europa. Die abendländische Bewegung und die Transnationalisierung des Konservatismus nach dem Zweiten Weltkrieg, in: Sebastian Liebold, Neugründung auf alten Werten? Konservative Intellektuelle und Politik in der Bundesrepublik, Baden-Baden 2017, S. 53 – 76, hier S. 53. 91 Vgl. Pascual Jordan, Die weltanschauliche Bedeutung der modernen Physik, Schriftenreihe der Liga Europa Nr. 3, München 1971, S. 31. 92 Großmann, Die Internationale der Konservativen, S. 72. 93 Elisabeth Potzinger (Hg.) Zum Gedenken an Dr. Vincenz Prinz von und zu Liechtenstein 1950 – 2008. Wien 2009, S. 175 ff. In dieser Schrift finden sich auch Beiträge von namhaften Vertretern von ÖCV und KÖL, so von Ralph Siebenbürger von der KÖL und Gerhard L. Fasching von der KÖHV Rheno-Juvavia Salzburg im ÖCV als auch vom österreichischen Historiker Lothar Höbelt sowie Vertretern des Österreichischen Bundesheeres, die an den Reserveoffizier von Liechtenstein erinnern. 94 Ebd. S. 130. 95 Ebd. S. 176. 89

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dentischen Verbindungen sowie zwischen der katholischen ÖVP und der deutschnationalen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ). Zu dem engagierte er sich neben der Liga Europa auch in der Paneuropa Union in Österreich, deren Vorsitzender er von 1983 – 1986 war, ehe er den Vorsitz an Karl von Habsburg abgab. Wie Karl von Habsburg war Vincenz von Liechtenstein seit 1978 auch Angehöriger des Ordens vom Goldenen Vlies.96 Liechtenstein versuchte nach 1983 erfolglos, aus der Paneuropa Union innerhalb Österreichs eine politisch konservative Partei in Konkurrenz zur ÖVP auszubauen97; er suchte eine enge Anlehnung an die CSU von Franz Josef Strauß und deren Hanns-Seidel-Stiftung.98 Zudem hatte von Liechtenstein gute Kontakte zum Episkopat Österreichs, so zum Feldkirchner und späteren St. Pöltener Bischof Dr. Klaus Küng, der wiederum dem Opus Dei angehört.99 Vincenz von Liechtenstein starb überraschend im Januar 2008 im Alter von 58 Jahren. Zu seinem Gedenken wurde die Schrift „Dr. Vincenz von Liechtenstein 1950 – 2008“ herausgegeben, in der Vertreter von JES, ÖVP, KÖL und Paneuropa Union sein Wirken u. a. im „Kampf für ein christliches Abendland“ würdigen.100 Zum 10. Todestag im Januar 2018 erinnern die Paneuorpa Union Österreich und die Sudetendeutsche Landsmannschaft in Österreich an von Liechtensteins politisches Wirken.101 Franz Riedweg (1907 – 2005) war ein antikommunistischer Politiker der Schweiz, aktiv in der „Nationalen Front“ der Schweiz. Er war 1937 Produzent des antikommunistischen Films „Die rote Pest“. 1938 siedelte er in das Deutsche Reich über und trat der SS bei, zuletzt war er SS-Obersturmbannführer. Verheiratet war er mit der Tochter des deutschen Reichskriegsministers, Sibylle von Blomberg.102 Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er in der Schweiz zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt, entzog sich dieser aber, in dem er in Deutschland blieb und als Arzt in München wirkte.103 In der Schriftenreihe der Liga Europa veröffentlichte er 1971 den Band „Geht die Neuzeit zu Ende“104, in dem er sich an Romano Guardinis (1885 – 1968) These vom Ende der Neuzeit anlehnt, später 1978 als Dokumentation über die Europa-Tagung in Regensburg vom 29. September bis 1. Oktober 1978 die Schrift „Ende des Säkularismus“105, worin Riedweg sich wiederum auf Guardini bezieht und 96

Ebd. S. 176. Ebd. S. 19. 98 Ebd. S. 131 ff. 99 Ebd. S. 134. 100 Gerhard Fasching, Der Kampf für ein christliches Abendland, in: Potzinger, Vincenz von Liechtenstein (wie oben), S. 149 – 155. 101 Mitteilung der Paneuropa Union Österreich an den Autor vom 4. Januar 2018. 102 Großmann, Internationale der Konservativen, S. 373. 103 Historisches Lexikon der Schweiz, http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D42138.php, abgerufen am 13. 4. 2019. 104 Franz Riedweg, Geht die Neuzeit zu Ende? Schriftenreihe der Liga Europa Nr. 2, München 1971. 105 Franz Riedweg, Ende des Säkularismus, Schriftenreihe der Liga Europa Nr. 7, München 1978. 97

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VII. Organisatorische Netzwerke im Dienst der Habsburg-Idee

diesen als „Mentor und Mitgründer“ der Liga Europa bezeichnet.106 Im Jahre 1995 folgte „Aut Deus, aut Nihil – Ende des Materialismus“.107 Bei den Ottobeurer Europatagen 1977 trat Riedweg als Vorsitzender der Liga Europa und zusammen mit der Katholischen Landvolkbewegung Bayern als Mitveranstalter auf.108 Riedweg und sein Engagement in der Liga Europa sind ein Beleg dafür, dass sich nach 1945 unter dem Europa Begriff von ehemaligen Anhängern des Nationalsozialismus nun konservative, antikommunistische und antimoderne Positionen vertreten ließen.109 Ein weiterer Autor in der Schriftenreihe der Liga Europa ist Reinhard Raffalt gewesen; seine Festrede „Europa und der goldene Meilenstein“, die er auf den Europa Tagen in Ottobeuren 1972 hielt, wurde sowohl in der Schriftenreihe der Liga Europa110 als auch in dem Band „Ottobeuren – Konzerte, Begegnungen“ veröffentlicht. In dieser Rede gründet Raffalt seine Europa Idee auf dem antiken Römischen Reich111, dem Heiligen Römischen Reich und der katholischen Kirche als Erbe des Römischen Reichs; Europa müsse übernational sein. Er kritisierte Entwicklungen innerhalb der katholischen Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil und die Politik der Bundesregierung gegenüber Spanien und Griechenland. Bei Raffalt findet sich wie in der Abendländischen Bewegung die Kritik am demokratischen „Massenstaat“.112 Raffalt war ein katholischer Journalist, der in Rom lebte und u. a. für den Bayerischen Rundfunk arbeitete als auch einen Lehrauftrag am deutschsprachigen Priesterseminar in Rom „Collegium Germanicum et Hungaricum“ hatte.113 Raffalt ist ein weiteres Bindeglied zwischen Liga Europa und Ottobeuren und ein Vertreter des konservativen Katholizismus in der Liga Europa. In seinem Buch „Wohin steuert der Vatikan?“114 kritisierte Raffalt 1973 die Liturgie106

Ebd. S. 20. Franz Riedweg, Aut Deus, aut Nihil. Ende des Materialismus.München 1995. 108 Ottobeuren – Konzerte, Begegnungen, S. 86. 109 Vgl. Großmann, Die Internationale der Konservativen, S. 100. 110 Reinhard Raffalt, Europa und der Goldene Meilenstein, Schriftenreihe der Liga Europa Nr. 5, München 1973. 111 Raffalt, Europa und der Goldene Meilenstein, München 1973, S. 7. 112 Ebd. S. 8. 113 Reinhard Raffalt, in: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 21, Berlin 2003, S. 109 f. Dort: „Im Mittelpunkt von R.s Werk steht Rom – vom Weltreich der Antike bis zur Gegenwart. Der phil. und religiös bestimmte R. sah in der kath. Kirche die Erbin und Bewahrerin der röm. Tradition. Er präsentierte seine Betrachtungen den Hörern und Lesern in einem persönlichen, unverwechselbaren Stil – elegant geschliffen, humorvoll, lebendig und eloquent. Große Bedeutung hatte für ihn die Musik; in der Röm. Bach-Gesellschaft und auf Reisen gab er Orgelkonzerte und dirigierte Kammerorchester. R.s Musikalität ist in der Sprachmelodie seiner Bücher erhalten, seine Stimme begeistert bis heute die Hörer seiner Rundfunk- und Fernsehsendungen. In seinen letzten Lebensjahren erfüllte R. die unklare Position der Kirche zwischen Tradition und Fortschritt mit Sorge. Sein Buch „Wohin steuert der Vatikan“ (1973 – 75, niederländ. 1974, span. 1976) war bis dahin die rückhaltloseste Kritik der päpstl. Ostpolitik.“ 114 Reinhard Raffalt, Wohin steuert der Vatikan? München 1973. 107

4. Liga Europa und die Abtei Ottobeuren

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Reform Papst Pauls VI. und seine Politik gegenüber der Sowjetunion als auch verschiedene nachkonziliare Entwicklungen innerhalb der katholischen Kirche, so z. B. in den Niederlanden, den Abbruch mancher römischer Traditionen oder die Altersbeschränkungen für Bischöfe und Kardinäle. Raffalt sieht sich dabei in der Mitte der katholischen Kirche zwischen Traditionalisten und Progressisten.

VIII. Ahnherr Europas? Rezeption und Resonanz Im bisherigen Teil der Arbeit wurden die Autoren, die Karl V. als Symbolfigur für die Europäische Einigung vereinnahmten und interpretierten, analysiert und deren Vernetzung in den verschiedenen Organisationen dargestellt. Die Präsentation Karls V. als Ahnherr Europas wurde in verschiedenen katholischen Kreisen in Europa bereitwillig aufgenommen, so bei konservativen Katholiken wie Friedrich Klenk SJ aus Deutschland, aber auch bei einem als eher liberal geltenden Katholiken wie Friedrich Heer aus Österreich oder dem liberal-konservativen Europapolitiker Leo Tindemans aus Belgien, die hier als Beispiele für die Übernahme der AhnherrnIdee vorgestellt werden sollen. Von Historikern wurde diese Inanspruchnahme Karls V. für europapolitische Bestrebungen immer wieder abgelehnt, so von Rassow, Wohlfeil und Kohler. Auf diese ablehnenden Stimmen wird hier ebenfalls eingegangen.

1. Friedrich Klenk SJ – ein konservativer katholischer Kleriker Der katholische Theologe und Jesuit Friedrich Klenk SJ (1903 – 1997), geboren als Gottlob Friedrich Klenk, im Orden als Pater Gottlob Klenk SJ, nahm 1961 in seinem Aufsatz „Karl V. Der letzte Kaiser des Abendlands“ nicht nur im Titel Bezug auf Carl Jacob Burckhardt; ausdrücklich zitiert er das Vorwort Burckhardts zu Royall Tylers Kaiser Karl V. und die Kritik Burckhardts am Bild, dass von Karl V. in den verschiedenen nationalen Geschichtsschreibungen gezeichnet wurde.1 Auch Klenk stellt einen Bezug zwischen Karl V. und der Einigung Europas her: Wie er [Karl V.] seinen historischen Auftrag darin erblickte, die Einheit und Unversehrtheit Alteuropas zu retten, bzw. wiederherzustellen, so kämpfen heute viele der besten europäischen Menschen darum, diesen wetterumtobten westlichen Erdteil wieder zu einigen, um ihm das Schlimmste zu ersparen.2

1 Gottlob Friedrich Klenk, Karl V. Der letzte Kaiser des Abendlandes, in: Stimmen der Zeit. Monatsschrift für das Geistesleben der Gegenwart. Verlag Herder, Freiburg/Br., 170/1961, S. 430 – 440, hier: S. 430. Vgl. auch: Martina Fuchs, Karl V. als Gegenstand populärwissenschaftlicher deutscher Darstellung, S. 57. 2 Ebd.

1. Friedrich Klenk SJ – ein konservativer katholischer Kleriker

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Mit Klenk sind die Ideen des protestantischen Schweizers Burckhardt auch in der katholischen Publizistik Deutschlands angekommen. „Stimmen der Zeit“ ist eine katholische Monatsschrift, die im Herder Verlag Freiburg erscheint und von den Jesuiten redigiert wird. Das Erscheinungsjahr 1961 liegt noch vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil; zu dieser Zeit werden noch sehr konservative Positionen z. B. zum Verhältnis von Kirche und Staat diskutiert. Klenk gehörte ganz offensichtlich zum konservativen Flügel innerhalb des Jesuitenordens. Als er 1997 starb, wurde dies kaum verklausuliert im Nachruf auf ihn deutlich: 1949 kehrte er nach Deutschland zurück und war bis 1966 Mitarbeiter an der Jesuitenzeitschrift „Stimmen der Zeit“. Er erlebte den Umbrauch der Kirche mit dem 2. Vatikanischen Konzil sehr unmittelbar aus der Sicht eines kirchlich loyalen, kritischen Journalismus heraus, blieb aber immer ein der Kirche treuer, in seinem Denken und Lebensstil eher der Tradition verhafteter Ordensmann. So schickte ihn 1966 der Provinzial nach Pullach ins Berchmanskolleg. Dort lebte er eher abgeschieden und noch wissenschaftlich tätig, ohne den Abschied von den Stimmen der Zeit leicht zu verschmerzen.3

Dies klingt nach einer Trennung im Streit von den „Stimmen der Zeit“ aufgrund von zu konservativ-theologischen Ansichten Klenks. Klenk war, bevor er zu den Stimmen der Zeit kam, in Rom im Fach Philosophie promoviert worden und als Professor für Philosophie in Catania und Messina tätig. Klenk sieht in Karl V. einen Vertreter „der europäisch-abendländischen Gesamtwohlfahrt“4 im Gegensatz zum aufkommenden Nationalismus, wie ihn für Klenk Heinrich VIII. in England und Franz I. in Frankreich vertraten. Auch in religiösen Dingen sieht Klenk Karl V. auf Seiten eines ausgleichenden Katholizismus und den philosophischen Ansichten Erasmus von Rotterdam; ähnliches vertrat auch Gertrude von Schwarzenfeld. Karl V. ist für Klenk kein Vertreter der Gegenreformation, sondern des Ausgleichs. Dies ist allerdings eine irritierende Aussage, da Karl V. im Schmalkaldischen Krieg mit Waffengewalt den Protestantismus überwinden wollte. Gerade dieses Ansinnen Karls V. kann als ein Akt der Gegenreformation, der gewaltsamen Rückführung der Protestanten in die katholische Kirche, bezeichnet werden, auch wenn Gegenreformation oft mit den Reformbemühungen der katholischen Kirche erst nach dem Konzil von Trient in Verbindung gebracht wird. Das Europäische im Wesen Karls V. sieht Klenk, ähnlich wie Otto von Habsburg, schon im Stammbaum Karls mit seinen Ahnen aus verschiedenen europäischen Dynastien und in der besonderen Verbundenheit Karls mit seiner burgundischen Heimat. Klenk bescheinigt Karl V. ein sich aus seiner Herkunft aus Burgund ergebendes allgemein-europäisches Sendungsbewusstsein. Ferner verweist Klenk dar3 Aus dem Nachruf auf P. Gottlob Klenk von 1997, zugänglich gemacht durch das Archiv der Jesuiten in Deutschland, Archivsignatur: ADPSJ, Abt. 62, Nr. 1369. 4 Klenk, Karl V. Der letzte Kaiser des Abendlandes, S. 431.

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VIII. Ahnherr Europas? Rezeption und Resonanz

auf, dass Karl V. zum „flämischen Nationalhelden“ geworden sei, hier nicht unähnlich den Ansichten von Charles Terlinden. Auch Klenk sieht in Karl V. den Verteidiger des Christentums nicht nur gegen die innere Spaltung, sondern auch im Kampf gegen die Türkischen Heere: Karl knüpft hier an ältere Vorbilder an, er erneuert die mittelalterliche Idee von Reich, Kaisertum und Christenheit. Der Ungläubige, der islamische Erb- und Erzfeind des christlichen Namens soll aus den christlichen Gebieten vertrieben werden, zuerst aus Europa, dann aber womöglich auch aus Byzanz und Kleinasien. Das Grab des Erlösers winkt in der Ferne.5

Auf Karl Brandi verweisend, beschreibt Klenk Papst und Kaisertum als die Doppelsterne, die auch in ihren Konflikten zusammengehören und die zu Karls Zeiten tödlich bedroht waren: „von den Türken und vom Abfall alter katholischer Gebiete“.6 Wie auch Otto von Habsburg schildert Klenk den Kaiser verklärend als den Ausgleichenden im Umgang mit Franz I. und Frankreich, der seine Siege nicht ausnutzte und im Gegner immer noch den christlichen Glaubensgenossen gesehen habe. Unter der Zwischenüberschrift „Spanien, Karl V. und Europa“ lobt Klenk die Rolle Spaniens als Vorkämpfer bzw. letzte Nachhut der „kaiserlich-imperialen Europapolitik“ Karls V. „Spanien hat als letzter Fechter auf vielen Schlachtfeldern die Idee des einen unteilbaren Abendlandes verteidigt. Wo sich das deutsche Volk als solches versagte, ist das spanische eingesprungen.“ Im Erscheinungsjahr 1961 kann dies für Klenk auch für das Spanien Francos gelten. Karl V. „zwang“, so Klenk, Spanien, europäisch zu denken und eine führende Rolle für das ganze lateinische Abendland zu übernehmen.7 Für Klenk war es im Blick auf die Zeit Karls V. „keine Frage, daß die Spanier allmählich in ihre europäische Aufgabe hineinwuchsen“ – vielleicht auch Klenks Wunsch für Spanien im Jahre 1961 und damit dann ähnlich den Vorstellungen von Burckhardt und Otto von Habsburg. Und weiter führt Klenk aus: Er [Karl V., M.P.] hat Mailand und Burgund mit Spanien verbunden, jenem Spanien, das als letzte europäische Nation noch das ganze Alt-Europa und seinen Geist vertrat, jenes AltEuropa, in dem Karl beheimatet war. Als der Kaiser im Jahr 1557, siebenundfünfzigjährig, sich nach Yuste zurückzog, sah er Mitteleuropa im Chaos, das Reich schwer erschüttert und die Kirche in einem harten Abwehrkampf. Warum hat der Burgunder Karl sein Altersasyl nicht in seinem Geburtsland gesucht? Es ist zu nahe am brodelnden Kessel des Umsturzes und selbst von ihm berührt. Nur in Spanien war noch Platz und Ruhe für einen König, der die Krone niederlegte, um in den Bergen an die Ewigkeit zu denken.8

5 6 7 8

Ebd. S. 434 f. Ebd. S. 436. Ebd. S. 438. Ebd. S. 440.

2. Friedrich Heer – liberal-katholischer Österreicher

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Klenk beschließt seinen Aufsatz: „Groß und Ehrfurcht gebietend noch in ihrem Untergang ist die zentrale Idee seines [Karls V., M.P.] Denkens und Handelns als König und Kaiser: die universale Idee der Christenheit und des einen Abendlandes.“9 Hier wird, wie bei Schwarzenfeld und Terlinden, ein idealer Karl V. jenseits der historischen Wirklichkeit beschrieben: die Einheit der Christenheit war für Mitteleuropa mit dem Auftreten Luthers dahin, die Einheit des einen Abendlands durch die Realpolitik der Herrscher von Frankreich, England und Spanien längst nicht mehr gegeben. Klenk ist mit seiner Interpretation Karls V. sehr nahe an den idealistischen Sichtweisen, die in der abendländischen Bewegung im Blick auf Karl V. vertreten wurden.

2. Friedrich Heer – liberal-katholischer Österreicher Friedrich Heer (1916 – 1983) war ein österreichischer Historiker aus dem eher liberal-katholischen Milieu. Heer studierte ab 1934 Geschichte, Kunstgeschichte und Germanistik in Wien und trat während seines Studiums in Wien in die ÖCV Verbindung Bajuvaria ein.10 Im CV (Cartellverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen, gegründet 1856) bzw. im ÖCV (Österreichischer Cartellverband der katholischen österreichischen Studentenverbindungen) sammelten und sammeln sich auch heute männliche, konservative Studenten in einzelnen farbentragenden Studentenverbindungen, die in CV und ÖCV als Dachverband zusammengeschlossen sind. In der Zwischenkriegszeit vertrat Heer einen militanten Katholizismus als seiner Meinung nach wirksamstes Mittel gegen den Nationalsozialismus. Nach dem Krieg war Friedrich Heer für den Herold-Verlag tätig, in dem in den 1950er und 1960er Jahren u. a. die Bücher Otto von Habsburgs erschienen. Für den Herold-Verlag arbeitete auch Emil Franzel. Der Verlag hatte eine enge Verbindung zur katholischen Kirche, die Erzdiözese Wien war am Verlag beteiligt. 1950 erfolgte Heers Habilitation mit einer Arbeit „Aufgang Europas und Tragödie des Heiligen Römischen Reiches“. Heer sah im Heiligen Römischen Reich ein Vorbild für ein einiges Europa; besonders in Karl V. und dem von ihm beherrschten Gebieten sah Heer ein Europa in Einheit und Vielfalt als Vorbild für das 20. Jahrhundert.11 Gleichwohl gehörte Heer später eher dem liberalen Katholizismus an, was sich z. B. an seiner Haltung zur österreichischen Gesetzgebung zum Schwangerschaftsabbruch zeigte. Darüber kam es zur Kontroverse mit seiner katholischen Studentenverbindung Bajuvaria und dem ÖCV. Schließlich wurde Heer aus seiner Verbindung ausgeschlossen. 9

Ebd. Lexikon des ÖCV, in: https://www.oecv.at/Biolex/Detail/11002184, aufgerufen am 6. Oktober 2018. 11 Michael Gehler, Friedrich Heer, in: Heinz Duchhardt (Hg.), Europa-Historiker, Göttingen 2007, S. 271 – 294. 10

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VIII. Ahnherr Europas? Rezeption und Resonanz

1967 legte Friedrich Heer sein Werk „Das Heilige Römische Reich“ vor, in dem er einen Abriss der Geschichte von Otto I. bis zum Ende des Reiches 1806 vorlegt. Im Kapitel „Das Reich, in dem die Sonne nicht untergeht“ schreibt er über Karl V.: In unserer Zeit wurde versucht, Kaiser Karl V. einerseits als Gallionsfigur für das Schiff der Europa-Bewegung und andererseits als Heros der Hispanidad, einer spanisch-lateinamerikanischen Union auf kulturellem und politischem Gebiet, herauszustellen. Beide Charakterisierungen sind unnötig, denn Karl V. ist der europäische Kaiser. Wyndham Lewis hat ihn Charles of Europe genannt (1931), doch das bedeutsamste Urteil über ihn hat die französische Sprache gefällt. Neben Charlemagne ist Charles-Quint der einzige Kaiser, der im Französischen einen Eigennamen erhalten hat.12

Friedrich Heer schließt sich hier mit der Charakterisierung Karls V. als der europäische Kaiser den Beurteilungen von Gonzague de Reynold und Charles Terlinden an, nennt zwar die Ablehnung Peter Rassows,13 aber zitiert doch Wyndham Lewis mit seinem Titel Charles of Europe. Auch die Vorbildrolle Karls des Großen vertrat Heer und verklärte wie viele andere dessen Rolle zum „Vater Europas“. Im Karolingischen Reich und im Heiligen Römischen Reich sah Heer Vorbilder eines Europas der Einheit in der Vielfalt.14 Das Abendland werde sich durch Loslösung vom bürgerlichen Zeitalter mit Hilfe des Christentums erneuern müssen.15 In seinem Buch „Karl der Große und seine Welt“ von 1975 schreibt Heer, indem er wiederum eine Beziehung zwischen dem karolingischen Karl und dem habsburgischen zieht: Karl der Große wird durch die Karlslegende in den überzeitlichen Raum des Mythos entrückt, aus ihm auf diese Erde berufen als Schirmherr sehr realer politischer Ansprüche: als Patron der französischen Kreuzzüge, als Patron der Reichspolitik Friedrichs I., der ihn heilig sprechen läßt. Karl V., der letzte Kaiser Alteuropas, hält am 23. Oktober 1519 seinen Krönungsumzug in Aachen, küßt ein Reliquiar, das die Schädeldecke Karls enthalten soll, nimmt auf Karls Steinthron im Aachener Münster Platz, wird mit einem Schwert Karls umgürtet. Napoleons Karlsnachfolge führt zu zeitgenössischen Berufungen auf Karl den Großen. Am 2. April 1942 wird im Reich Adolf Hitlers der 1200. Geburtstag Karls des Großen gefeiert.16

Eine Verbindung von Friedrich Heer zu Carl Jacob Burckhardt ergibt sich in ihren Vor- und Nachworten zu dem Band „Europa – Sein Wesen im Bild der Geschichte“ von 1960. Auf Burckhardts Beitrag wird im Kapitel zu Carl Jacob Burckhardt eingegangen. Friedrich Heer widmet sich in seinem Nachwort „Europa ist eine Zukunft“ dem bleibenden Auftrag für ein friedliches Gesamteuropa, das die beiden Hälften des im Kalten Krieg geteilten Europa umfassen müsse. In diesem Nachwort äußert sich Heer gesamteuropäisch, antikommunistisch und fordert für die künftige 12 13 14 15 16

Friedrich Heer, Das Heilige Römische Reich, Bern/München 1967, S. 185. Ebd. Michael Gehler, Friedrich Heer, S. 285. Ebd. Friedrich Heer, Karl der Große und seine Welt. Wien 1975, S. 262.

3. Leo Tindemans – liberal-konservativer Europapolitiker

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Politik eine Ausrichtung am christlichen Menschenbild als Abbild Gottes, erinnert aber auch an die Verantwortung Europas für die notleidenden Erdteile, besonders Afrika.17 Friedrich Heer ist im Gegensatz zu den meisten anderen behandelten Autoren dem liberal-katholischen Bereich zuzuordnen, gleichwohl findet sich auch bei ihm eine Idealisierung des Karolinger Reichs, des Heiligen Römischen Reichs und des Habsburger Reichs. Auch finden sich wie oben gezeigt verschiedene Anknüpfungspunkte zum katholischen Verbindungswesen, dem Herold Verlag und zu Carl Jacob Burckhardt.

3. Leo Tindemans – liberal-konservativer Europapolitiker aus Belgien Der Beitrag von Leo Tindemans18 für die Festschrift „Einigen – nicht trennen“, Festschrift für Otto von Habsburg zum 75. Geburtstag am 20. November 1987 führt die politische Inanspruchnahme Karls V. und der Habsburger weiter. Diese Festschrift wurde herausgegeben von der Tochter des Jubilars, Walburga von Habsburg, und einem politischen Mitarbeiter, Bernd Posselt, dem späteren Präsidenten der Paneuropa Union Deutschland und Bundesvorsitzenden der Sudetendeutschen Landsmannschaft.19 In der Festschrift sind Beiträge von Politikern, Bischöfen, Schriftstellern und Künstlern vereint, so von Henry Kissinger, Franz Josef Strauß, Bischof Josef Stimpfle, Ernst Jünger oder Friedensreich Hundertwasser und zeigen damit die persönlichen Verbindungen, die Otto von Habsburg über die Jahrzehnte seines po17 Friedrich Heer, Carl Jacob Burckhardt, Europa. Sein Wesen im Werk der Geschichte. Bern, Stuttgart, Wien 1960, S. 278 f. 18 Leo Tindemans, Habsburg und Europa, in: Walburga von Habsburg/Bernd Posselt (Hg.), Einigen – nicht trennen. Festschrift für Otto von Habsburg zum 75. Geburtstag, Moers 1987, S. 82 – 84. Der Festschrift zum 75. Geburtstag Otto von Habsburgs ging eine Festschrift zum 50. Geburtstag voraus, herausgegeben von Emil Franzel, 1965 erschienen unter dem Titel „Virtute Fideque“ mit Beiträgen von Carl Jacob Burckhardt, des katholischen Bischofs Rudolf Graber (1903 – 1992), der über den Vater Otto von Habsburgs, Kaiser Karl I. schrieb, des evangelischen Theologen Wilhelm Stählin und des belgischen Historikers Charles Terlinden. Es folgte zum 85. Geburtstag 1997 die Festschrift „Otto von Habsburg – Ein souveräner Europäer“, wiederum herausgegeben von seiner Tochter, jetzt unter dem Namen Walburga Douglas und Stephan Baier, einem Mitarbeiter von Habsburgs. In dieser Festschrift finden sich Beiträge von Politikern wie Edmund Stoiber, Alois Mock (1934 – 2017), Gyula Horn (1932 – 2013) und Helmut Kohl (1930 – 2017) – auch hier also prominente Vertreter zum einen aus CDU und CSU, der österreichischen ÖVP und unter ihnen auch der sozialistische Politiker Horn aus Ungarn. 19 Vgl. http://www.europarl.europa.eu/meps/de/2229/BERND_POSSELT_home.html, aufgerufen am 22. März 2016.

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VIII. Ahnherr Europas? Rezeption und Resonanz

litischen Wirkens als eine Art Netzwerk aufgebaut hatte – zu internationalen Politikern, römisch-katholischen Bischöfen, Künstlern und konservativen Intellektuellen. Leo Tindemans, geboren am 16. April 192220, studierte in Gent Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und wurde 1958 Generalsekretär der flämischen Christlichen Volkspartei. Danach hatte er verschiedene Parlaments- und Regierungsämter für die flämischen Christdemokraten inne: 1961 bis 1989 war Tindemans Abgeordneter im belgischen Parlament, 1974 bis 1978 belgischer Ministerpräsident, 1981 bis 1989 belgischer Außenminister, 1979 bis 1981 und 1989 bis 1999 Abgeordneter im Europäischen Parlament, also zur gleichen Zeit wie Otto von Habsburg. Leo Tindemans starb am 26. Dezember 2014.21 Tindemans wurde für sein europäisches Engagement vielfach ausgezeichnet. So erhielt er 1976 den Karlspreis der Stadt Aachen. Auch wurde er – wie auch Otto von Habsburg und Helmut Kohl – mit der vom Erzbistum Paderborn gestifteten „St. Liborius Medaille für Einheit und Frieden“ 1977 ausgezeichnet22 und mit dem in Erinnerung an Kaiser Karl IV. gestifteten „Europäischen Karlspreis der Sudetendeutschen Landsmannschaft“ 1978 geehrt. Tindemans verfasste 1975 einen nach ihm benannten Bericht zur Weiterentwicklung der damaligen Europäischen Gemeinschaft, in dem er die Schaffung sowohl einer politischen als auch einer wirtschaftlichen Union mit einheitlicher Währung forderte. Mit Tindemans nahm ein führender europäischer Politiker die Idee einer Vorbildfunktion des Hauses Habsburg für das Europa des 20. Jahrhunderts auf. Hier wurden die Arbeiten, die Gertrude von Schwarzenfeld und Otto von Habsburg, aber auch Charles Terlinden von der Universität Leuven, an der Tindemans eine Gastprofessur für Europäische Geschichte hatte, über Karl V. und seine Vorbildfunktion für Europa verfassten, politisch wirksam. Tindemans verweist auf die ECU-Münzprägungen Belgiens, die Karl V. zeigen und den Tindemans „einen großen Europäer des 16. Jahrhunderts“23 nennt. Auffällig an Tindemans Beitrag zur Festschrift ist seine Titulierung Otto von Habsburgs als „Erzherzog“24, was im tagespolitischen Geschäft eher unüblich geworden war und sich nur noch in monarchistischen Kreisen zeigte. Als Oberhaupt des durchlauchtigsten Fürstenhauses unseres Kontinents, dessen Wurzeln in allen Teilen Europas wiederzufinden sind, unterhält er [Otto von Habsburg, M.P.] mit den verschiedensten Nationen enge Beziehungen, zu deren Erbe ihn die Geschichte gemacht hat. Bekannterweise sind unsere Provinzen nach verschiedenen Erbfolgen und Allianzen fast drei Jahrhunderte lang unter der Souveränität des Hauses Habsburg geblieben. Diese drei 20

Archiv der Konrad-Adenauer-Stiftung, http://www.kas.de/upload/dokumente/2013/Mit gestalter_Europas/130418_mitgestalter_europas_tindemans.pdf, 30. April 2015. 21 http://www.kas.de/wf/de/37.8368/, aufgerufen am 23. März 2016. Siehe auch: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 29. Dezember 2014, S. 5. 22 Vgl. Erzbistum Paderborn (Hg.), Dienst an der Einheit Europas, Paderborn 1999, S. 1. 23 Einigen – nicht trennen, S. 82. 24 Tindemans, Habsburg und Europa, S. 82 f.

4. Kritische Stimmen von Historikern: Rassow, Wohlfeil und Kohler

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Jahrhunderte zählen zu den kulturell dynamischsten Perioden und danach zu den glücklichsten Zeitspannen unserer langen Geschichte. In dieser Hinsicht ist es übrigens bezeichnend, daß die ersten silbernen und goldenen ECU-Stücke der künftigen europäischen Währung, die vor einigen Monaten unter der belgischen EG-Präsidentschaft geprägt wurden, das Bildnis des großen Europäers des 16. Jahrhunderts, des Kaisers Karl V., tragen. Jeder weiß um die gefühlsmäßigen und politischen Bindungen dieses Herrschers und Oberhauptes des Hauses Habsburg zu unserem Land, wo er übrigens das Licht der Welt erblickte.25

Tindemans erinnert so dann an die europäische Mission des Hauses Habsburg und tritt für eine „europäische Seele“ Europas gegen einen herrschenden Materialismus ein. Als Paneuropäer verweist er auf die Idee Paneuropas, auch in ihren Symbolen des Kreuzes vor der Sonne im Strahlenkranz der europäischen Fahne. Tindemans beschließt seinen Beitrag mit einem Lob auf Otto von Habsburg: Richtigstellungen, offene Verweise und Hinweise auf die ursprüngliche Idee sind das Eigene der großen Europäer wie Erzherzog Otto. Persönlichkeiten seines Schlages geben uns den Anlaß, in Abwandlung eines Ausspruches von Pascal zu sagen, Europa sei vorerst nur eine schwache Konstruktion, jedoch eine denkende Konstruktion. Als ein überzeugter Europäer möchte ich mit den Glückwünschen, die ich Erzherzog Otto anläßlich seines 75. Geburtstages überbringe, meinen Dank für das aussprechen, was er getan hat, was er derzeit verwirklicht und was er in Zukunft noch leisten wird – zum größten Wohle Europas, unseres Europas.26

4. Kritische Stimmen von Historikern: Rassow, Wohlfeil und Kohler Kritik an der Idee, Kaiser Karl V. als einen Wegbereiter oder Vorbild für ein einiges Europa zu deuten, äußerten wiederholt und zu verschiedenen Zeiten und Anlässen Historiker. Hier soll auf Rassow, Wohlfeil und Kohler eingegangen werden. Als Karl Brandi seine Karl-Biographie vorlegte, war Karl V. noch nicht für die Idee der europäischen Einigung in Anspruch genommen worden. Erste kritische Antworten auf die Karls-Rezeption für Europa äußerte bereits 1958 Peter Rassow bei einem Festvortrag in Köln anlässlich des 400. Todestages von Karl V. Rassow sah eine neue Legendenbildung um Karl V., zum einen als eine Symbolfigur der Europa-Idee, zum anderen für die Idee der „Hispanidad“, einer Weltanschauung, die von einer Einheit der spanischsprachigen Länder in Europa, Lateinamerika, Afrika und Ozeanien ausgeht.27 25

Ebd. S. 83. Ebd. S. 84. 27 Rassow/Schalk, Karl V., S 14 f. Zum Begriff der Hispanidad siehe auch: Rafael de la Vega, Art. Hispanidad, in: Walther L. Bernecker u. a. (Hg.). Spanien-Lexikon. München 1990, S. 234 – 236. 26

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VIII. Ahnherr Europas? Rezeption und Resonanz

Rassow bezog sich auf „Charles of Europe“ von Wyndham Lewis, der Karl V. als Träger der sakralen Kaiser-Idee schilderte und der Hoffnung Ausdruck verlieh, dass die Einheit der Christen durch eine Rückkehr aller nicht-katholischen Christen in die römische Kirche zu erreichen sei. Durch eine solche Einheit der Christen sei auch eine Einheit Europas zu schaffen. Rassow bemerkte dazu: Wir aber müssen als Historiker sagen: Wenn es diese Christenheit, die es zu Karls Zeiten noch gab, heute nicht mehr gibt, wem ist dann damit gedient, Karl V. zur Symbol-Figur der heutigen für uns so dringend notwendigen Europa-Bestrebungen zu machen? Ein säkularisierter Karl ist eben kein historischer Karl mehr. Eine Erwägung sollte die Verbreiter solcher historischen Nebelbilder von dieser irreführenden Analogie abschrecken: Karl ist nun doch mit seiner Politik, die die Christenheit umfaßte, gescheitert! Wer will eine gescheiterte Persönlichkeit als ideellen Führer anerkennen? Der historische Karl V. eignet sich nicht zur Gallionsfigur für das Schiff der Europa-Bewegung.28

Die Kritik von Rassow führte Rainer Wohlfeil 1997 in einem Beitrag für die Festschrift für Hans-Jürgen Goertz29 fort, in dem er sich kritisch mit dem Werk Terlindens auseinandersetzt. Wohlfeil sieht bei Terlinden eine unzulässige Instrumentalisierung Karls V. für zeitgebundene Interessen, z. B. in dem Anliegen, dem Kaiser eine „Wiedergutmachung“ zu leisten oder die politischen Momente des 16. Jahrhunderts mit denen des 20. Jahrhunderts zu parallelisieren (Vergleich der Türken mit der Sowjetunion).30 Zudem äußert Wohlfeil gegenüber Terlinden die gleiche Kritik wie Rassow an Lewis: eine religiöse Einheit als Vorbedingung einer Einheit Europas sei ein Anachronismus, da es schon zu Zeiten Karls V. diese eine Christenheit kaum noch gab. Wohlfeil führt weiter aus: Die Einheit im Glauben als Leitgedanken für die Europäische Union einzubringen, war und bleibt ein wirklichkeitsfremder Vorschlag. Karl V. ist aber nicht nur im Versuch, die Einheit der Christenheit wiederherzustellen gescheitert, sondern hat auch keine Konzeption hinterlassen, die für die gegenwärtige Einigung Europas Anregungen birgt.31

Die Aussagen Terlindens, Karl V. habe als Ziel die Schaffung eines einigen Europas gehabt oder sein Handeln sei von einer europäischen Konzeption geleitet worden, wertet Wohlfeil als historisch illegitim und als nur zeitgebunden. Karl V. und seinen Beratern ging es, so Wohlfeil, gegebenenfalls um die Monarchia Universalis in Form von Vorherrschaft des Kaisers in Europa, nicht um einen Zusammenschluss gleichberechtigter europäischer Staaten durch Bildung einer europäischen Union. Der Traum Karls enthülle sich, so Wohlfeil, als ein Traum Terlindens.

28

Ebd. S. 15. Siehe oben zu Wohlfeil, Kaiser Karl V. – Ahnherr der europäischen Union? Köln 1997, S. 224. 30 Wohlfeil, Karl V., S. 223 f. 31 Ebd. S. 238. 29

4. Kritische Stimmen von Historikern: Rassow, Wohlfeil und Kohler

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Terlinden konnte, so Wohlfeil, zu seiner These, Karl V. habe sich von einem Programm zur Einigung Europas leiten lassen, nur von seinem leitenden Erkenntnisinteresse her gelangen, und dieses Interesse war, dem „Kaiser Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen“32. Dies sei geschichtswissenschaftlich legitim. Wohlfeil sieht Terlinden als eine „Persönlichkeit, die im Bannkreis des Hauses Habsburg stand und als ein Mensch, der offensichtlich dem römisch-katholischen Bekenntnis fest verbunden war“33. Wohlfeil kommt zu folgendem Schluss: Vorgelegt hat Terlinden eine Biographie, die Liebe zum Detail verrät – ein kaiserliches Leben dargestellt in der bunten Vielfalt interessanter Einzelheiten, beschreibend und deutend unter dem Aspekt eines Belgiers, der stolz ist auf das Landeskind Karl und der in den burgundischen Besitzungen jenes Kaiser eines der ersten Länder der Welt (sieht), das durch seine geographische Lage befähigt war, eine besondere Rolle in einem geeinten Europa zu spielen. Mit heißer, von Liebe zur Sache zeugender, aber oft zu flüchtig genutzter Feder abgefaßt, stilisiert Terlinden seinen Landsmann zu einem europäischen Helden, dessen politischem Wollen legendenhafte Züge eigen sind. Karl V. wird von ihm stärker als bei den anderen Autoren verklärt und überhöht gezeichnet. Bewußt sagenhafte Geschichte erzählen zu wollen, dürfte Terlinden ferngelegen haben, aber auch unbeabsichtigter historischer Legendenbildung ist […] mit Entschiedenheit zu widerstehen.34

Nach dieser teils wohlwollenden, teils verständnisvollen Würdigung, aber auch scharfen Disqualifizierung Terlindens durch Wohlfeil, führt er fort, dass es nicht Aufgabe des Historikers, der Terlinden war, sein kann, eine Tradition zu schaffen, die einer Manipulation der Vergangenheit gleicht. Es sei legitim, dass die Verfechter der europäischen Einheit sich auf traditionelle Vorläufer und Helden besinnen. Aber der Historiker sollte keine „Helden“ aussuchen und diese für die Gegenwart instrumentalisieren, auch nicht im Sinne eines positiven Leitbildes. Der Historiker bleibe der Vergangenheit verpflichtet, er habe aus der kühlen Distanz des Wissenschaftlers zu rechtfertigen oder zu kritisieren, aber er habe sie nicht der Gegenwart unmittelbar dienstbar zu machen. Diese Kritik Wohlfeils nimmt vor allem Anstoß daran, dass Terlinden als Historiker sein Werk geschrieben hat, das eher einem politischen Manifest gleicht. Auch mit dem Werk Gertrude von Schwarzenfelds hat sich Wohlfeil kritisch auseinandergesetzt. Die Kritik an der Inanspruchnahme Karls V. für die Europa-Idee haben auch nach Wohlfeil weitere Autoren fortgesetzt. So schreibt Alfred Kohler in seiner 1999 erschienenen Karl-Biographie unter dem Kapitel Die Gefahr politischer und ideologischer Aktualisierungen, in dem er sich auch auf Rassow bezieht, dass Terlinden offensichtlich durch seinen Einfluss die belgische Regierung zur Prägung von Münzen mit dem Abbild Karls V. verleitet habe.35 Dass sowohl auf der belgischen als

32 33 34 35

Ebd. S. 239 f. und Terlinden, Karl V., S. 14. Wohlfeil, Karl V., S. 240. Ebd., S. 240. Kohler, Karl V., S. 371.

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VIII. Ahnherr Europas? Rezeption und Resonanz

auch auf einer spanischen Münze Karl V. als Sieger von Mühlberg dargestellt werde, kritisiert Kohler: Ausgerechnet Mühlberg als Symbol des kaiserlich-spanischen Sieges über die Protestanten? Ist dafür im heutigen Europa überhaupt Platz? Sollte man mit solchen konfessionellen und nationalistischen Symbolisierungen nicht vorsichtig sein und sie am besten vermeiden?36

Kohler nennt die Inanspruchnahme Karls V. für die Europa-Idee „unhistorisch“ und „oberflächlich“. Kohler stellt zu Recht fest – wir werden es neben den genannten Beispielen bei Otto von Habsburg, Gertrude von Schwarzenfeld und Charles Terlinden auch weiter unten noch sehen –, dass es auffällig ist, dass sowohl in Belgien als auch in Spanien sich die Traditionsstiftungen für eine Einigung Europas in auffälliger Weise auf Karl V. beziehen, so z. B. in gemeinsamen Briefmarkenausgaben mit Bildmotiven Kaiser Karls V.37 Die Hoffnung Kohlers, dass sich beim Jubiläumsjahr 2000 diese Legendenbildungen um Karl V. für ideologische Zwecke nicht wiederholen würden, erfüllten sich allerdings nicht.38 Armin Kohnle schließlich setzte sich im Vorwort zu den von ihm unter dem Titel Das Vermächtnis Kaiser Karls V. (2005) herausgegebenen politischen Testamenten Karls V. ebenfalls kritisch mit dem Gedanken, Karl V. sei ein „Protoeuropäer“39 auseinander: Liegt es nicht nahe, in Karls Reich, das von Spanien bis nach Mittelosteuropa, von der Nordund Ostseeküste bis nach Sizilien reichte, die Vorwegnahme des modernen vereinigten Europas zu sehen und in Karl einen Protoeuropäer? Erst 2003 ist der Kaiser im Titel eines Sammelwerks noch einmal mit der Herausbildung einer europäischen Identität in Verbindung gebracht worden. Angesichts einer solchen Vereinnahmung, die ihre Vorläufer jedoch bereits im 20. Jahrhundert hatte, wird man darauf verweisen müssen, dass Karl selbst einen Europagedanken gar nicht hatte, sondern dass sein Reich, in dem die Sonne bekanntlich niemals unterging, durch andere Ordnungsvorstellungen zusammengehalten wurde.40

Kohnle bezieht sich in dieser kritischen Stellungnahme sowohl auf die Werke von Wyndham Lewis und Charles Terlinden als auch auf den 2003 in Brüssel erschienenen Band Charles V in Context: The Making of a European Identity.41

36

Ebd. Ebd. S. 371; siehe auch nachfolgendes Kapitel. 38 Ebd. S. 371. 39 Kohnle, Das Vermächtnis Kaiser Karls V., Darmstadt 2005, S. 9. 40 Ebd. S. 9 f. 41 Ebd. S. 103. Und: Marc Boone/Marysa Demoor (Hg.), Charles V in Context: The Making of a European Identity, Brüssel 2003. 37

IX. Ergebnisse und Schlussbetrachtung Ist Kaiser Karl V. nun ein Ahnherr Europas, der letzte europäische Kaiser, der Kaiser für Europa oder der Vorläufer der Europäischen Union? Er kann es schwerlich im konkreten politischen Sinne sein, da er 400 Jahre vor den ersten ernsthaften und erfolgreichen Bemühungen um eine politische Einheit des europäischen Kontinents gelebt hat, unter gänzlich anderen Rahmenbedingungen als im 20. Jahrhundert. Aber er wird von den Autoren aus dem konservativen Umfeld der Paneuropa Union und der Abendländischen Bewegung als ein europäischer Erinnerungsort ins Spiel gebracht, noch bevor der Begriff der Erinnerungsorte in die historische Debatte eingeführt worden war. Das Konzept der Erinnerungsorte, von Pierre Nora1 zunächst für die französische Geschichte entworfen, geht davon aus, dass sich das kollektive Gedächtnis sozialer Gruppen in bestimmten Gestalten, Mythen und Orten kristallisiert. In den „Europäischen Erinnerungsorten“ wurden solche Konstrukte gesammelt, die einen breiten rezeptionsgeschichtlichen Ansatz mit dem verbinden, was das Wesen dieses Konstrukts ausmacht: ein Punkt im Ablauf der Geschichte, an dem sich positiv oder negativ besetzte Erinnerungen breiterer, nicht nur elitärer Schichten kristallin verfestigen und eine Idee von etwas Gemeinsamen – eines gemeinsamen Erbes – entstehen lassen.2 Doch die Werke zu den Erinnerungsorten Europas kommen ohne einen Verweis auf Karl V. als solch einen Erinnerungsort aus. Für Karl V. als europäischer Erinnerungsort trifft aber zu, was die Herausgeber für die von ihnen vorgestellten Fallbeispiele konstatieren, nämlich dass bei diesen „das Moment europäischer Zäsurhaftigkeit, europäischer Ausstrahlung und Kommunikation und europäischen Erinnerns in besonderer Weise gegeben sein sollten“.3 Umso erstaunlicher ist es, dass in den verschiedenen Werken zu Europäischen Erinnerungsorten weder Karl V. noch die Habsburger eine gesonderte Erwähnung als europäische Erinnerungsorte finden, da gerade in unserer Zeit in manchen ehemaligen habsburgischen Gebiete verstärkt an diese Zeit der Geschichte erinnert wird – so in Krakau oder Czernowitz, Lemberg oder Budapest, in Böhmen und Kroatien, in Triest und in Slowenien. Helmut Luther erinnerte daran im Jahre 2017 in seinem Buch „Österreich liegt am Meer“. Gerade dieses Erinnern an Karl V. ist bei den Autoren aus den verschiedenen europäischen Ländern wie Belgien, Österreich, der Schweiz und Böhmen gegeben, 1 2 3

Pierre Nora (Hg.), Erinnerungsorte Frankreichs. München 2005. Pim den Boer u. a. (Hg.), Europäische Erinnerungsorte, Bd. 1, S. 10. Ebd.

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IX. Ergebnisse und Schlussbetrachtung

auch lässt sich dieses Erinnern in den von Wohlfeil und Tindemans genannten ECUund Euro-Gedenkmünzen feststellen und findet sich zudem auch in den Ausstellungen und Veranstaltungen zum 500. Geburtstag Karls V. wieder, als ganz selbstverständlich der König von Spanien und die Präsidenten von Österreich und Deutschland die Schirmherrschaft über die Jubiläumsausstellung übernahmen.4 Überdies ist das Erinnern an Karl V. als Persönlichkeit, die die alten habsburgischen Herrschaften verbinden kann, nicht mit den 1960er Jahren zu Ende gegangen, vielmehr wird auch danach von Politikern und Staatsmännern in dieser Weise an Karl V. erinnert, so etwa 1981 vom damaligen Bundespräsident Karl Carstens (1914 – 1992), der bei seinem Staatsbesuch in Spanien auf die verbindende Bedeutung von Kaiser Karl V. bei seiner Ansprache anlässlich eines Staatsbanketts mit König Juan Carlos I. am 28. September 1981 in Madrid ausführte: Die Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern reichen weit in die Geschichte zurück. Karl der Große, Roland und Roncesvalles, diese Namen sind – nach 1200 Jahren – noch heute in beiden Ländern lebendig. Und man kann über die deutsche und spanische Geschichte nicht sprechen, ohne Karl V. zu erwähnen, den Sie Karl I. nennen, eine der großen Herrschergestalten der Geschichte, einen Mann, der in einer Epoche mächtiger Erschütterungen seine Zeit mitprägte, so daß er noch heute unser lebhaftes Interesse und unsere Aufmerksamkeit weckt. Unter ihm, der deutscher Kaiser und König von Spanien zur gleichen Zeit war, waren unsere Länder so eng miteinander verbunden wie nie zuvor und nie nachher. 5

Die Rolle Karls V. als Brücke zwischen Spanien und Deutschland war, wie man sieht, in den Reden und Vorstellungen von Politikern präsent. Karl Carstens ging auch am folgenden Tag in Aranjuéz auf Karl V. als Gestalt der gemeinsamen Geschichte ein.6 In der Idee von den Europäischen Erinnerungsorten, die den Boer u. a. vorstellen, findet sich der Internationale Karlspreis zu Aachen, der am ehesten mit der Idee eines Europäischen Erinnerungsortes Karl V. verglichen werden kann. An die Idee dieses Preises kann auch bei der Einführung Karls V. als verbindendes Erinnern nach dem Zweiten Weltkrieg angeknüpft werden. Denn wenn Georg Paul Hefty7 für den Karlspreis feststellt, dass, wer in Aachen aufwächst, schon immer Deutscher und Europäer sei, und damit rundum auch den Erwartungen der Franzosen, Belgier oder Niederländer gerecht werde und somit nichts „Preußisches“ an sich habe, so trifft dies bei Karl V. eben auf dessen verbindende Gestalt zwischen Niederländern, Belgiern, Spaniern, Deutschen und Österreichern zu. Dies gilt allerdings in unter4

Kaiser Karl V. (1500 – 1558). Macht und Ohnmacht Europas. Bonn 2000, S. 5. Karl Carstens. Reden und Interviews 1. Juli 1981 – 30. Juni 1982. Band 3. Hgg. vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Bonn 1982, S. 79 f. 6 Ebd. S. 87. 7 Georg Paul Hefty, Der Internationale Karlspreis zu Aachen, in: Pim den Boer/Heinz Duchhardt/Georg Kreis/Wolfgang Schmale, Europäische Erinnerungsorte 2. Das Haus Europa, München 2012, S. 83 – 88. 5

IX. Ergebnisse und Schlussbetrachtung

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schiedlicher Intensität, wenn man bedenkt, dass Karl V. erst in einer späten Phase der Historiographie Spaniens dort nicht mehr als „Fremder“ wahrgenommen wurde, oder wenn man daran erinnert, dass das protestantische Deutschland in der Phase einer national-protestantischen Geschichtsschreibung Karl V. vor allem als den Gegenspieler Luthers wahrgenommen hat. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wurde indes gerade nach den verbindenden Gestalten der europäischen Geschichte gesucht, und da konnte Karl der Große die Brücke nach Frankreich schlagen, Karl V. auf eine gemeinsame Vergangenheit von Belgien, den Niederlanden, Deutschland, Spanien und Österreich verweisen. Das Verbindende der besprochenen Autoren ist die Paneuropa Union. Otto von Habsburg war ein Vertrauter des Paneuropa-Gründers Richard Graf CoudenhoveKalergi und dessen Nachfolger als Internationaler Präsident dieser Europäischen Vereinigungsbewegung. Gertrude von Schwarzenfeld, Carl Jacob Burckhardt und Charles Terlinden standen in engem persönlichem Kontakt zu Otto von Habsburg, Leo Tindemans gehörte ebenfalls der Paneuropa-Bewegung an und leitete die Paneuropa-Arbeitsgruppe im Europaparlament. Diese Verbindung zwischen der Erinnerung an Karl V. als eines „Europäers“ und der Paneuropa Union begann schon bei Dominic Bevan Wyndham Lewis. Neben der Konstruktion eines Europäischen Erinnerungsortes Karl V. wirkten die genannten Autoren mit an einem Habsburgischen Mythos. Das Konzept, Karl V. als Erinnerungsort einzuführen, ist also, wie die o.g. Beispiele zeigen, zum einen erfolgreich gewesen, zum anderen aber auch als ein vergeblicher Versuch anzusehen, ein christliches Abendland zu restaurieren. Denn Karl V. wird ja gerade als ein katholischer Kaiser erinnert und soll für eine christliche Renaissance Europas nach dem Zweiten Weltkrieg als Vorbild dienen. Die Ehrung Tindemans mit dem Karlspreis der Stadt Aachen oder die Ehrung Tindemans und Otto von Habsburgs mit der Liborius-Medaille des Erzbistums Paderborn8 wird ja auch damit begründet, dass die Ausgezeichneten sich in ihrem politischen Handeln von ihrem christlichen Glauben leiten ließen9. Tindemans vertritt im Beitrag „Habsburg und Europa“ ausdrücklich, dass die „Seele Europas“ nur der christliche Glaube und die christliche Spiritualität sein sollen. Die Erneuerung Europas im christlichen Geist ist heute als eine gescheiterte Idee zu betrachten. Die Bedeutung der christlichen Lehre und der christlichen Kirchen ist in den größten Teilen Europas seit den 1950er Jahren und in den mittel- und osteuropäischen Ländern seit 1989/90 beständig zurückgegangen. Dies hat auch Otto von Habsburg in seinem Spätwerk selbst erkannt, wenn er schreibt:

8

Vgl. Erzdiözese Paderborn (Hg.), Europa beruht auf Versöhnung. Dokumentation zur Verleihung der St.-Liborius-Medaille für Einheit und Frieden am 6. November 1977 an Leo Tindemans. Paderborn 1977. Und: Erzdiözese Paderborn (Hg.), Visionen für Europa. Dokumentation zur Verleihung der St.-Liborius-Medaille für Einheit und Frieden an Otto von Habsburg am 27. Oktober 2002. Paderborn 2003. 9 Visionen für Europa, S. 13 und Europa beruht auf Versöhnung, S. 39.

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IX. Ergebnisse und Schlussbetrachtung

Ganz Europa ist Missionsland geworden, und damit ist das Ziel gegeben, das nur nach dem Vorbild der großen Glaubensboten der Geschichte erreicht werden kann. Die erfolgreichen Missionare vergangener Epochen sind keine Leisetreter gewesen. Sie waren stolz darauf, laut in aller Öffentlichkeit die Wahrheiten des christlichen Glaubens zu verkünden.10

Obschon von Habsburg also den dramatischen Rückgang christlichen Bekenntnisses in Europa beklagte, hielt er an der Idee einer Neuevangelisierung des Kontinents fest. Die katholisch-konservativen Intellektuellen stehen am Anfang des 21. Jahrhunderts in dem Spagat, sich mit einer zurückgehenden, „entweltlichten“ Kirche zufrieden zu geben und doch den fehlenden Einfluss des Christentums auf das politische Geschehen, so bei der Ausarbeitung der Europäischen Verfassung und der Frage nach einem Gottesbezug in dieser, zu beklagen, etwa bei Martin Mosebach11 oder Joseph Ratzinger12. Auch der einflussreiche flämische Europapolitiker Herman van Rompuy13, vormaliger belgischer Ministerpräsident und Präsident des Europäischen Rates, vertritt weiterhin die christlichen Werte in der Europapolitik, so in seinem Buch „Christentum und Moderne. Werte für die Zukunft Europas“.14 Herman van Rompuy ist Karlspreisträger der Stadt Aachen des Jahres 2014.15 Neben Leo Tindemans haben im Zuge der Gedenkfeiern zum 500. Geburtstag Karls V. sowohl der spanische König Juan Carlos I. als auch der Berliner Historiker Heinz Schilling auf die europäische Bedeutung Karls V. hingewiesen. Der spanische König referierte über die europageschichtliche Perspektive des Gedenkjahres 2000 in einer Rede beim Staatsakt in der Kathedrale von Toledo, in der er betonte, dass die Spanier um die Bedeutung des Gedankens von der Idee Europas als einer kulturellen Einheit wüssten und sich deshalb die Spanier „enthusiastisch“ an der Errichtung eines einigen Europas beteiligt hätten.16 Juan Carlos führte weiter aus: Das Jubiläum Karls V., zu dessen Zeit sich Europa ausdehnte und zugleich erfolglos versuchte, seine Spaltungen zu überwinden, ist ein ausgezeichneter Augenblick, um all jenes zu 10 Otto von Habsburg, Mut zur Pflicht, Ostfildern 2011, S. 129. Allerdings auch schon in „Probleme des Atomzeitalters“ 1955, S. 176. 11 Martin Mosebach, Der Ultramontane. Alle Wege führen nach Rom, Augsburg 2012, S. 26. 12 Joseph Ratzinger, Glaube und Zukunft, München 1970/Freiburg 2007, und: Benedikt XVI. (Joseph Ratzinger): Rede im Freiburger Konzerthaus, in Michael Hesemann, Benedikt XVI. Der Papst in Deutschland, Augsburg 2011, S. 132 – 139. 13 http://www.karlspreis.de/de/preistraeger/herman-van-rompuy-2014/vita, aufgerufen am 23. 3. 2016. 14 Herman van Rompuy, Christentum und Moderne. Werte für die Zukunft Europas. Kevelaer 2010. 15 http://www.karlspreis.de/de/preistraeger/herman-van-rompuy-2014/vita, aufgerufen am 23. 3. 2016. 16 Heinz Schilling, Föderalismus und Mulit-Konfessionalismus als ungewolltes Erbe Kaiser Karls V. in deutscher Perspektive, in: Menschen und Strukturen in der Geschichte Alteuropas. Festschrift für Johannes Kunisch zur Vollendung seines 65. Lebensjahres, dargebracht von Schülern, Freunden und Kollegen. Hgg. Von Helmut Neuhaus und Barbara Stollberg-Rilinger, Berlin 2002, S. 100.

IX. Ergebnisse und Schlussbetrachtung

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unterstreichen, was uns als Europäer eint, und dasjenige zu proklamieren, was uns unlösbar mit dem Schicksal der übrigen Menschheit verbindet, und dies zunächst gegenüber den Völkern, die Teil unserer Zivilisation sind.17

Heinz Schilling sieht Karl V. als einen Europäischen Erinnerungsort und ein Vorbild für die Europapolitiker des 21. Jahrhunderts, so in seinem Beitrag „Föderalismus und Multi-Konfessionalismus als ungewolltes Erbe Kaiser Karls V. in deutscher Perspektive“, in dem es zwar heißt, dass Karl V. im Geschichtsbild der Bundesrepublik kein lieu de mémoire sei18. Gleichwohl schließt Schilling seinen Beitrag mit der Überlegung: Auch ich würde die europäische Dimension seiner Politik, die in diesem Gedenkjahr vor allem durch Politiker gerne beschworen wird, als erinnerungswürdig ansehen. In der Regierungszeit dieses Kaisers war das Reich, und damit Deutschland, in einem ganz besonderen Maße in eine trans-nationale, europäische Dimension eingespannt – im Positiven wie im Negativen. Dabei ist aber nicht aus den Augen zu verlieren, daß Karl mit Sicherheit kein Wegbereiter einer europäischen Union war, wie sie heute angestrebt wird und teilweise auch bereits existiert. Wie wäre das auch über eine solch lange Zeitspanne hinweg möglich? Die heutigen Europapolitiker können und sollten ihn aber dennoch als ,lieu de mémoire‘ oder ,personnage de mémoire‘ ihrer Konzepte akzeptieren. Denn wie kein zweiter hat Karl V. Zeit seines Lebens daran gearbeitet, die auseinanderstrebenden, partikularen Kräfte zu bändigen und die proto- beziehungsweise frühstaatliche Welt der werdenden Neuzeit durch eine Idee neu zu ordnen und zu einen. Diese Idee selbst allerdings, also das universelle Kaisertum über ein mehrheitlich römisch-katholisches Christenheitseuropa, ist heute längst anachronistisch.19

Das Bemühen um einen Europäischen Erinnerungsort Karl V. ist also nicht nur bei Politikern wie Leo Tindemans oder Karl Carstens, sondern auch bei Historikern wie Heinz Schilling und Johannes Burkhardt angekommen20 und im Zuge der 500Jahr-Feiern für Karl V. nicht mehr auf einhellige Ablehnung gestoßen. Die Überzeugung, dass das Europa des 21. Jahrhunderts wiederum solche Erinnerungsorte brauche, wie die Erinnerung an die Kaiser Karl den Großen, Karl IV. und Karl V., die tiefer greifen als nur ökonomische und wirtschaftspolitische Erwä17

Ebd. S. 101. Und: www.casareal.es/ES/actividades/Paginas/actividades_discursos_detal le.aspx?data=4892 (31. Mai 2015). Eine sehr populäre Nutzung des Namens Karls V. ist die Benennung eines spanischen Brandys nach Carlos I.; auf der Internetseite des Unternehmens Osborne/Madrid wird Karl V. ebenfalls als „Pionier der europäischen Idee“ gefeiert. Diesen Namen trägt der spanische Branntwein bereits seit 1922. Vgl. http://www.carlos-brandy.de/carlos-i/geschichte/koenig-car los-i/, aufgerufen am 6. Dezember 2016. 18 Schilling, Föderalismus, S. 91. 19 Ebd., S. 100 f. 20 Vgl. auch: Johannes Burkhardt, Das Reformationsjahrhundert. Deutsche Geschichte zwischen Medienrevolution und Institutionenbildung 1517 – 1617, Stuttgart 2002, S. 161: Burkhardt sieht in den Bestrebungen Karls V. einen vorwärtsweisenden Anlauf auf den modernen Staatsaufbau und einen Probelauf für einen europäischen Staat, der zu früh zu viel gewollt habe.

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IX. Ergebnisse und Schlussbetrachtung

gungen, um dem Europa-Gedanken neues Leben einzuhauchen, einem Europa, das durch die Krise der Euro-Währung und andere Probleme an Strahlkraft – im Vergleich zu der Zeit nach 1945 oder auch 1989 – deutlich verloren habe, findet in der Gegenwart wiederum Befürworter. Wie ausgeführt, haben die Autoren Gertrude von Schwarzenfeld, Otto von Habsburg, Carl Jacob Burckhardt und Charles Terlinden alle ein positives Bild des Spaniens unter General Franco. Im Spanien Francos fanden sie ein Vorbild für einen alternativen Weg Europas; in solch einem Europa sollten Kirche, Wissenschaft und Wirtschaft einen größeren Einfluss haben als in der von der Abendländischen Bewegung abfällig bewerteten „Massendemokratie“ des Westens. Die Publikationen der Abendländischen Bewegung unter Emil Franzel sekundierten diese positive Bewertung der autoritären Franco-Regierung. Karl V. als Herrscher über Spanien, Burgund, das Heilige Römische Reich und die habsburgischen Erblande bot sich als Symbolfigur und symbolischer Brückenbauer daher an, das Spanien Francos aus der Isolation zurück ins europäische Gedächtnis zu bringen und politische Kontakte zu ermöglichen. So wie Karl der Große die Versöhnung zwischen Frankreich und Deutschland und die frühe Europäische Einigung zwischen Deutschland, Italien, Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Luxemburg versinnbildlichte, war Karl V. nun das Symbol für die europäische Idee unter Einschluss der autoritären Systeme auf der Iberischen Halbinsel unter Franco und Salazar. Diese Symbolpolitik, Karl V. von spanischer Seite als eine verbindende europäische Person zu präsentieren, zeigte sich bereits bei der letzten Auslandsreise von Konrad Adenauer 1967 nach Spanien. Adenauer kann nicht als Abendländer bezeichnet werden, obschon auch er den Begriff des Abendlandes in Regierungserklärungen und Reden als Kampfbegriff gegen den „Bolschewismus“ gebrauchte.21 Die Bewegung des Neuen Abendlandes schätzte zwar Adenauer, da er christlichkatholische Werte vertrat. Auch fanden sich Minister und Politiker aus den Regierungen Adenauers bei Veranstaltungen der Abendländischen Akademie oder des CEDI. Aber Adenauer stand doch für den erfolgreichen Weg der parlamentarischen Demokratie in Deutschland nach 1945, der von der Abendländischen Bewegung kritisch gesehen wurde. Den Ideen von Monarchie und Elitenherrschaft der Abendländer entsprach die Haltung Adenauers nicht. Da sich Adenauer während seiner Kanzlerschaft zwar für das Spanien Francos eingesetzt hatte – zum Beispiel als ein mögliches Mitglied von Europäischer Verteidigungsgemeinschaft oder NATO, Spanien aber nicht zu den Reisezielen offizieller Staatsbesuche westlicher Staaten zählte – reiste Adenauer erst nach seinem Rücktritt als Bundeskanzler in das Spanien Francos. Für Adenauer war Spanien ein Kernland des abendländischen Europas. Da Adenauer als großer Verehrer Karls V. galt, besuchte er das Grab des Kaisers im

21

Axel Schildt, Zwischen Abendland und Amerika, S. 34.

IX. Ergebnisse und Schlussbetrachtung

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Escorial – und auch die francistische Gedenkstätte im Tal der Gefallenen sowie den Alcazar in Toledo. Nach dem Besuch des Tales der Gefallenen sagte Adenauer: Ich war heute im Todestal und habe dort diese neue Schöpfung zur Erinnerung an die Gefallenen aller Parteien in Spanien gesehen, ein großartiges Werk. Und wir waren vorher in diesem Denkmal, das Philipp II. seinem Vater Karl V. errichtet hat, und ich kann auch hier nur sagen: Spanien hat so großartige Dinge getan in der Vergangenheit und war so eng verbunden mit Europa, daß selbstverständlich Spanien jederzeit uns aufs herzlichste willkommen ist, wenn es in diese europäische Einigung eintritt. Es ist dringend notwendig auch für Spanien.22

Dort in Toledo bekam Adenauer vom Informationsminister der Franco-Regierung, Manuel Fraga Iribarne (1922 – 2012), eine Nachbildung des Säbels und des Dolches von Karl V. überreicht mit den Worten: „Ich wüsste keinen Lebenden, der würdiger wäre, den Griff dieses Schwertes zu umfassen.“23 Iribarne sprach in seiner Tischrede auf Adenauer von den „großen Zielen, die Kaiser Karl V. vor Augen hatte, er nannte die Einheit Europas.“ Adenauer dankte dem Minister mit den Worten: Lieber Freund. Ich fühle mich gleichzeitig glücklich und beschämt. Glücklich über die Worte und die Gefühle, denen sie Ausdruck gegeben haben, und unter ihnen vor allem über ein bedeutendes Wort: dass nämlich das Wesentliche bleibt. Das Wesentliche muß bleiben und zum Wesentlichsten gehört Europa. Ein Europa, das nur dann geschaffen werden kann, wenn wir darin zusammenstehen. Sie stehen an den westlichsten Grenzen, an den Säulen des Herkules, jenen Säulen, die auch auf dem Orden abgebildet sind, den ich von ihrem Staatschef erhalten habe; wir sind an der östlichen Grenze gegenüber Asien und unsere beiden Völker müssen zusammenhalten. Wir müssen zusammenstehen und wir werden und wollen zusammenstehen. So kann Europa geschaffen werden.24

Adenauer hatte von Franco den Orden Isabel la Católica erhalten. Franco verabschiedete Adenauer mit den Worten: „Ich hoffe, dass Sie nicht nur als Freund Spaniens das Land verlassen. Betrachten Sie sich als mein persönlicher, intimer Freund.“ In Madrid hatte Adenauer im Prado Tizians Gemälde Karl V. als Sieger von Mühlberg betrachtet und lange davor verweilt;25 politischer Höhepunkt der Reise war eine Rede Adenauers im Ateneo, in der er betonte, dass Europa nicht ein „Europa der Sechs“ bleiben dürfe, sondern zu diesem Europa auch Spanien gehöre: Unser Ziel kann – das ist meine feste Überzeugung – nicht ein Europa der Sechs bleiben. Auch Spanien muß dazu kommen. Spanien muß wegen seiner geographischen Lage, wegen seiner Geschichte, seiner Tradition, seines unersetzlichen Beitrags zur europäischen Kultur ein wesentlicher Bestandteil auch des kommenden, geeinten Europas sein. Aber auch nach

22 Rudolf Morsey u. a. (Hg.), Adenauer. Rhöndorfer Ausgabe. Adenauer. Die letzten Lebensjahre 1963 – 1967, S. 381. 23 Auskunft der Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus an den Autor vom 6. 4. 2016, nach Akten des Auswärtigen Amtes. Siehe auch: Anneliese Poppinga, Adenauers letzte Tage, S. 97. 24 Rudolf Morsey u. a. (Hg.), Adenauer. Rhöndorfer Ausgabe. Adenauer. Die letzten Lebensjahre 1963 – 1967, S. 575. 25 Anneliese Poppinga, Adenauers letzte Tage, S. 102.

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IX. Ergebnisse und Schlussbetrachtung

Osten müssen wir blicken, wenn wir an Europa denken. Zu Europa gehören Länder, die eine reiche europäische Vergangenheit haben.26

Die Franco-Regierung nutzte also auch hier das Bild und die Erinnerung an Karl V. für ihre Zwecke der Annäherung an das politische Europa. Adenauer wiederum sah in Franco und Spanien vor allem einen Partner im Kampf gegen den Kommunismus. Die Nachbildungen des Säbels und Dolchs Karls V. werden heute im Wohnzimmer des Adenauer-Hauses in Rhöndorf gezeigt.27 Was der Spiegel in seiner Berichterstattung zur Spanien-Reise Adenauers eine „Spezial-Bibliothek“ Adenauers über Karl V. nannte,28 zeigt sich nach Auskunft des Adenauer-Hauses als eine Sammlung von neun Büchern über Karl V., darunter allerdings die Werke von Gertrude von Schwarzenfeld, Royall Tyler (mit dem Vorwort Carl Jacob Burckhardts) und Reinhold Schneider, dazu auch die Werke von Brandi und Rassow.29 Zur Zeit des Kalten Krieges war der Öffnung Europas zum Spanien Francos teilweise auch Erfolg beschieden. Während die sozialistisch oder sozialdemokratisch regierten Staaten Europas weiterhin auf Distanz zu Franco gingen, waren konservative Politiker und Staatsmänner um eine Einbindung Spaniens in das westliche System bemüht. Aber die Zeit Francos näherte sich ihrem Ende, die Demokratisierung Spaniens und seine Aufnahme als parlamentarische Monarchie in den Kreis der europäischen Staaten und Organisationen vollzogen sich dann ganz ohne „Abendland“ und konservative Phantasien vom autoritären Staat. Ein Jahr nach Adenauers Besuch in Spanien und Adenauers Tod begann in Europa mit dem Jahr 1968 und der Studentenbewegung eine ganz andere Umwälzung, die den konservativen Utopien des Abendlandes ein Ende bereiteten. Von der Positionierung Karls V. als eines europäischen Erinnerungsortes ausgehend, stellt sich abschließend die Frage, ob Franzel, Tindemans, Terlinden, Otto von Habsburg und dessen Mitarbeiter nicht nur an einem europäischen Erinnerungsort „Karl V.“ gearbeitet haben, sondern auch an einem europäischen Erinnerungsort Otto von Habsburg. Dafür könnten die Berichte im Neuen Abendland 1951 zur Vermählung Otto von Habsburgs mit Regina von Sachsen-Meiningen (1925 – 2010) in Nancy, die genannten Festschriften und das Engagement mancher Adeliger in der Paneuropa Union bis hin zu den Beisetzungsfeierlichkeiten für Otto von Habsburg in München, Wien und Budapest im Jahre 2011 ein Beleg sein. Der Erzbischof von Wien, Christoph von Schönborn, deutete das Lebenswerk Otto von Habsburgs in seiner Predigt beim Requiem im Stephansdom als den Versuch einer Überwindung der Folgen des Ersten Weltkrieges: Dürfen wir das Lebenswerk dieses großen Verstorbenen nicht auch als einen unermüdlichen Versuch verstehen, das Unglück, das der Erste Weltkrieg über Europa, über die Menschheit 26 27 28 29

Morsey, Adenauer. Rhöndorfer Ausgabe. Adenauer. Die letzten Lebensjahre, S. 369. Adenauer-Haus Rhöndorf, StBKAH W 71 a + b. Der Spiegel, 9/1967, S. 26 und 18/1967, S. 29. Mitteilung der Stiftung Bundeskanzler Adenauer Haus vom 7. 4. 2016.

IX. Ergebnisse und Schlussbetrachtung

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gebracht hat, wieder gutzumachen? Mit aller Leidenschaft seines Herzens, seiner großen Intelligenz und seines Mutes hat er dem Friedensprojekt Europa gedient. Gewiss, auch eine noch so gut gelungene europäische Integration schafft nicht das Paradies auf Erden. Das ist auch nicht Aufgabe der Politik! Aber ein gutes gedeihliches Zusammenleben der Völker und Kulturen, der Sprachen und Religionen zu fördern, darin sah Otto von Habsburg seinen Auftrag, seine Berufung, in Treue zum Erbe seines Hauses, im Geiste des Evangeliums Jesu Christi, das die Friedensstifter seligpreist. Am 22. Mai 2004 fand in Mariazell der „Mitteleuropäische Katholikentag“ statt. Über 100.000 Pilger waren aus 8 Ländern gekommen, Polen und Tschechen, Slowaken und Ungarn, Kroaten und Slowenen, Bosnier und Österreicher. Das Wetter war eiskalt und regnerisch. Otto von Habsburg und seine verehrte, ihm unzertrennlich helfend zur Seite stehende Frau Regina waren dabei. Nach dem Gottesdienst fragte ich den damals 92-Jährigen, ob er nicht schrecklich gefroren habe. Seine Antwort, mit einem unvergesslichen Freudestrahlen: „Nein dafür haben wir doch gelebt!“ Dafür gelebt zu haben, dafür sage ich heute: Vergelt’s Gott, Hoher Herr! Vergelt’s Gott, du großer Heimgekehrter! Vergelt’s Gott, du treuer Diener! Geh ein in die Freude deines Herrn. – Amen.30

Der Wiener Erzbischof interpretiert hier das Leben Otto von Habsburgs als ein Bemühen um die Einigung Europas. Gleichzeitig wurde den Trauerfeierlichkeiten, die in Bayern, Österreich und Ungarn stattfanden, eine symbolische Bedeutung für die Herkunft und das Wirken Otto von Habsburgs als eines Vordenkers der europäischen Einheit gegeben. In Wien selbst mit dem Requiem im Stephansdom, dem Trauerkondukt über die Ringstraße und der Beerdigung in der Kapuzinergruft wurde direkt an die habsburgischen Traditionen bei den Beerdigungen von Kaiser Franz Joseph (1916) oder Kaiserin Zita (1989) angeknüpft, einschließlich der Kaiserhymne und der Fahnen in Schwarz-gelb. Die Festschriften für Otto von Habsburg sind als Denkmäler für den Geehrten konzipiert, was sich auch an der Liste der beteiligten Autoren festmachen lässt. So hat 1997 auch der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl einen Beitrag für die Festschrift „Otto von Habsburg – Ein souveräner Europäer“ beigesteuert unter dem Titel „Der Paneuropäer“, in dem Helmut Kohl auf den kulturellen Reichtum und das gemeinsame geistige Erbe sowohl Europas als auch Habsburgs und auf dessen übernationales Erbe verweist: Ebenso wie die österreichische Monarchie eine Vielzahl von Völkern, Sprachen, Kulturen und Religionen umfaßte, war auch die Dynastie der Habsburger eine wahrhaft europäische. Das in diesem Erbe wurzelnde europäische Bewußtsein hat Otto von Habsburg stets als eine besondere Gnade und als einen besonderen Auftrag begriffen – und so erschien ihm auch sein europapolitisches Engagement stets nur als folgerichtig.31

Darüber hinaus geht der studierte Historiker Kohl auf den Lebenslauf von Habsburgs ein, skizziert ihn als einen unerschrockenen Gegner der Nationalsozialisten und hebt sein Engagement zum Ende des Eisernen Vorhangs bei der Orga-

30

Handler, Abschied, S. 192 ff. Helmut Kohl, Der Paneuropäer, in: Otto von Habsburg, Ein souveräner Europäer, München 1997, S. 173 – 178. 31

152

IX. Ergebnisse und Schlussbetrachtung

nisation des Paneuropa-Picknicks am 19. August 1989 hervor. Auf diese Rolle Otto von Habsburgs geht Kohl auch andernorts, nämlich in seinen Erinnerungen, ein: Die Paneuropa-Union – eine internationale Organisation, deren Präsident Otto von Habsburg war – lud zusammen mit dem ungarischen Bund Freier Demokraten zu einem ,Paneuropäischen Picknick‘ in den Grenzort Sopron ein. Im Verlauf der Veranstaltung sollte für kurze Zeit ein Tor im Grenzzaun geöffnet werden, um gemeinsam feiern zu können. Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer unter den DDR-Deutschen in Ungarn. Hunderte nutzten die Chance […] Rund siebenhundert DDR-Bürger rannten einfach über die ungarische Grenze nach Österreich. Es war die spektakulärste Massenflucht von Ost nach West, die es je gab.32

Kohl, der maßgeblich am Zustandekommen der Deutschen Einheit 1990 mitwirkte, bestätigt hier in seinen Memoiren die Rolle Otto von Habsburgs beim Niederreißen des Eisernen Vorhangs durch Europa. Otto von Habsburg wiederum hebt die Rolle Helmut Kohls beim Ende des Kommunismus, gegen den von Habsburg im CEDI und der Paneuropa Union während der Zeit des Kalten Kriegs angekämpft hatte, in seinem Werk „Friedensmacht Europa“ von 1995 hervor, in dem er den USPräsidenten Ronald Reagan (1911 – 2004), Helmut Kohl und Papst Johannes Paul II. als jene Persönlichkeiten benennt, „die die wahre Lage erkannten“, die in den 1980er Jahren hinter der Jalta-Linie herrschte33. Die Paneuropa Union arbeitet weiter an einem Erinnerungsort Otto von Habsburg. So veranstaltete die Paneuropa Union Österreich seit 2012 sogenannte Otto von Habsburg Symposien, um die Erinnerung und Bedeutung Otto von Habsburgs für die europäische Politik aufrecht zu erhalten.34 In den Paneuropa Nachrichten der deutschen Sektion wurde im Oktober 2015 darauf hingewiesen, dass in der albanischen Hauptstadt Tirana eine Straße nach Otto von Habsburg benannt wurde.35 Ein weiterer Schritt zu einer bleibenden Erinnerung an Otto von Habsburg ist das Bestreben der Österreichischen Volkspartei (ÖVP), in Wien eine Brücke nach Otto von Habsburg zu benennen.36 Karl von Habsburg-Lothringen, der derzeitige Chef des Hauses Habsburg-Lothringen und älteste Sohn Otto von Habsburgs, geht 2014 in seinem Aufsatz „Die Rolle der Familie Habsburg in der Zukunft“37, der auf einem Vortrag vor der Katholisch Österreichischen Landsmannschaft Maximiliana in Wien, einer farbentragenden monarchistischen Studentenverbindung, basiert, auf die Schwerpunkte einer künftigen Familienpolitik ein. Dabei nennt Karl von Habsburg Wert32 33 34

2016. 35

Helmut Kohl, Erinnerungen 1982 – 1990, München 2005, S. 915. Otto von Habsburg, Friedensmacht Europa, München 1995, S. 11. http://www.paneuropa.at/termin/v-otto-von-habsburg-symposion/, aufgerufen am 10. 6.

Paneuropa Intern, 35. Jg., Nr. 9, 14. Oktober 2015, S. 4. http://diepresse.com/home/panorama/wien/1286861/Hochte-Zeit_OVP-will-OttoHabs burgBrucke-, aufgerufen am 11. 8. 2016. 37 Karl Habsburg-Lothringen, Die Rolle der Familie Habsburg in der Zukunft, in: Clemens Aigner (Hg.), Das Habsburger-Trauma. Das schwierige Verhältnis der Republik Österreich zu ihrer Geschichte. Wien 2014, S. 119 – 129. 36

IX. Ergebnisse und Schlussbetrachtung

153

vorstellungen und Traditionen der Familie Habsburg wie das Burgundische Erbe, die Präsenz seiner Familie in verschiedenen europäischen Staaten, das politische Engagement sowie die Schlagworte Kontinuität und Konservativismus, Subsidiarität und Reichsidee, Multikulturalismus und Vielvölkerstaat. Karl von Habsburg formuliert hier als ein mögliches Motto der Familie Habsburg „Wir sind gekommen, um zu bleiben“. Dieser Aufsatz wie auch das Begräbnis des Vaters 2011 zeigen, dass die Familie Habsburg-Lothringen auch in der Zukunft für sich eine politische Rolle in Europa sieht. Karl von Habsburg definiert sich selbst als Legitimist und benennt die Vorzüge einer monarchischen Staatsform, besonders die Kontinuität. Vielleicht sind die Beisetzungsfeierlichkeiten für Otto von Habsburg auch in diesem Sinne zu deuten: dass das Haus Habsburg weiterhin präsent ist, in Wien, in Österreich und den alten Kronländern – nicht nur als ein Faktor der Geschichte und des Fremdenverkehrs, und dass hier eine Familientradition weitergeführt wird, die nicht einfach mit dem Jahr 1918 abgerissen ist. Auffällig ist darüber hinaus, wie an Besuche Otto von Habsburgs in verschiedenen deutschen Städten erinnert wird, so an den Besuch 1975 in Frankfurt. Otto von Habsburg hielt zum Karlsfest (28. Januar 1975) eine Rede über Karl den Großen während einer Messfeier im Frankfurter Dom. Unter dem einleitenden Wort „kaiserlicher Besuch“ wird daran in einem Bildband über den Frankfurter St. Bartholomäus Dom erinnert.38 Auch ein Aufenthalt zu Vortrag und Messbesuch in der Stadt Soest in Westfalen 1990 wurde einige Jahre später als besonderer Höhepunkt der Stadtgeschichte gewürdigt.39 Anlässlich der vielen Vorträge und Reden Otto von Habsburgs ließen sich offensichtlich die Zuhörer Bücher Otto von Habsburgs vom Autor signieren. Auf dem antiquarischen Büchermarkt gibt es ungezählte Exemplare von handsignierten Büchern Otto von Habsburgs. Ende des Jahres 2016 wurde bekannt, dass der Nachlass Otto von Habsburgs nach Budapest überführt werden und dort für die historische Forschung zur Verfügung stehen soll.40 Wenn dies der Fall ist, wird die Forschung vielleicht noch weitere Verflechtungen unter den hier besprochenen Autoren und darüber hinaus untersuchen können. Im Nachlass finden sich eventuell weitere Korrespondenzen Otto von Habsburgs zum Thema Karl V. und Schreiben an die in dieser Arbeit gewürdigten Autoren. Als Otto von Habsburg 2011 in Wien beigesetzt wurde, fanden sich Politiker aus vielen der alten habsburgischen Herrschaften aus ganz Europa zusammen, dazu Fahnenabordnungen und Traditionsverbände und auffallend viele Jugendliche. Auch die Republik Österreich hatte ihren Frieden mit den Habsburgern gefunden und war 38 August Heuser, Matthias Kloft, Der Frankfurter Kaiserdom. Geschichte. Architektur. Kunst. Regensburg 2006, S. 36. 39 Hans Rudolf Hartung, Zu Besuch in Soest, Soest 1997, S. 106 – 107. 40 Stephan Löwenstein, Ein unwiderstehliches Angebot. Otto von Habsburgs Nachlass wird in einer Privatstiftung in Ungarn aufbewahrt, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27. Dezember 2016, S. 9.

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IX. Ergebnisse und Schlussbetrachtung

mit dem Bundespräsidenten und dem Bundeskanzler sowie einem Ehrengeleit des österreichischen Bundesheeres vertreten. Otto von Habsburg ist in seinem Tod und seinen Trauerfeierlichkeiten zum europäischen Erinnerungsort geworden, stellvertretend für die Habsburger, die über viele Jahrhunderte große Teile Europas beherrschten – als der letzte ihrer vielen verstorbenen Familienoberhäupter. Europa erinnerte sich an seine habsburgische Zeit und am Sarg Otto von Habsburgs fanden sich dabei Länder zusammen, die 1918 mit dem Ende des Ersten Weltkrieges und den anschließenden Pariser Vorortsverträgen auseinandergerissen worden waren.

Exkurs: Mittel des Erinnerns – Briefmarken, Banknoten und Münzen zur Erinnerung an Karl V. Das Bemühen, an Karl V. populär und mit Breitenwirkung zu erinnern und damit an einem Erinnerungsort, auch einem Europäischen Erinnerungsort, Karl V. zu arbeiten, zeigte sich auch an den zum 500. Geburtstag von den staatlichen Postverwaltungen herausgegebenen Sonderbriefmarken für Karl V.;41 Spanien und Belgien gaben eine bildgleiche Serie mit drei Werten heraus, die Karl V. als Großmeister des Goldenen Vlies, zu Pferde nach der Schlacht bei Mühlberg und im Alter von 40 Jahren zeigten.42 Spanien verausgabe zum 500. Geburtstag Karls V. im Jahre 2000 auch zwei Gedenkmünzen zu 2000 Pesetas mit dem Kopfbildnis des Kaisers und zu 5000 Pesetas mit dem Wappen Karls V.43 Auch wurde von der Spanischen Post eine Sonderbriefmarken-Serie bereits zum 400. Todestag Karls V. 1958 mit acht Werten und vier verschiedenen Motiven herausgegeben.44 Diese zeigen ein Jugendbildnis Karls, einen Ausschnitt aus Tizians Gemälde als Sieger von Mühlberg, einen weiteren Ausschnitt aus dem Tizian-Gemälde des sitzenden Kaisers und ein Porträt nach der Büste von Leone Leoni. In einem Staat wie dem Spanien Francos haben solche Briefmarken-Ausgaben eine programmatische Bedeutung. Sie entsprechen einem öffentlich verordneten Geschichtsbild, in dem Karl V. für Spanien eine besondere Stellung als Vorbild hatte.45

41

Abbildungen zu den Briefmarken, Münzen und Banknoten finden sich im Anhang. Für Spanien: Michel Nr. 3530 – 3532, für Belgien Michel Nr. 2938 – 2940. 43 Rainer Wohlfeil, Spaniens Geschichte im Spiegel von Münzen und Banknoten, Hamburg 2010, S. 254. 44 Michel Nr. 1121 – 1128 (Spanien). Siehe Abbildungen im Anhang. 45 Vgl. Michael Sauer, Originalbilder im Geschichtsunterricht – Briefmarken als historische Quellen, in: Gerhard Schneider (Hg.), Die visuelle Dimension des Historischen. HansJürgen Pandel zum 60. Geburtstag. Schwalbach/Ts. 2002. S. 158 – 167. 42

Exkurs

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Schon 1940 zierte das Kopfbildnis Karls V. aus Tizians Sieger von MühlbergGemälde die 1000 Peseten Banknote46 ; bereits die autoritäre Regierung (1923 – 1930) Miguel Primo de Riveras (1870 – 1930) ließ 1926 eine 1000 Peseten Banknote mit dem Bildnis Karls V. (Carlos I.) herausgeben, auf der Rückseite ist das Eingangstor des Alcazar von Toledo zu sehen47, so dass festzustellen ist, dass auch vor dem Bürgerkrieg dem Alcazar eine hohe symbolische Bedeutung für das spanische Geschichtsverständnis zukam, da Toledo nach der Eroberung durch die christlichen Truppen unter Alfonso VI. (1037 – 1109) seit 1087 Residenz des Königreichs Kastilien war und es bis 1561 Hauptstadt Spaniens blieb.48 Erst der Sohn Karls V., Philipp II. verlegte seine Residenz in das 71 km entfernte Madrid. Der Alkazar war auch bereits im Spanischen Erbfolgekrieg umkämpft. Spanien verausgabte im Jahre 1989 auch eine 5 ECU Silbermünzprägung mit dem Motiv Karl V. nach der Schlacht bei Mühlberg. Es folgten in Spanien im Jahre 2000 zum 500. Geburtstag eine 2000 Pesetas Münze mit dem Abbild Karls V. und dem Doppeladler und 2006 eine 10 Euro Silbermünze mit einem Abbild Karls V. in der Reihe „Große Europäer“ und eine Goldmünze zu 200 Euro mit dem Abbild Kaiser Karls V.49 Österreich gab 1992 eine 100 Schilling Gedenkmünze mit dem Abbild Karls V. als offizielles Zahlungsmittel heraus; auf der Rückseite sind Philipp II. und Ferdinand I. abgebildet.50 Auf die belgische ECU Medaille aus dem Jahre 1987 mit dem Portrait Karls V., das sich an der Ausgabe des Carolos-Gulden von 1540 anlehnte, wurde schon verwiesen. Wolfgang Schmale hielt die Darstellung irrtümlich für Karl den Großen.51 Briefmarken, Münzen und Banknoten sind Gebrauchsmedien52, die in einem sekundären Charakter auch politische Botschaften übertragen; ihre primären Funktionen sind das Bezahlen bzw. Freimachen von Briefsendungen zur Beförderung. Allerdings sind Briefmarken, Münzen und Banknoten Gebrauchsmedien mit einem offiziellen Charakter, da diese im Auftrag des Staates herausgegeben und 46

Rainer Wohlfeil, Spaniens Geschichte im Spiegel von Münzen und Banknoten, Hamburg 2010, S. 231 und S. 236. 47 Ebd. S. 206. 48 Vgl. Anton Dieterich, Zentral-Spanien. Kunst und Kultur in Madrid, El Escorial, Toledo und Aranjuez. Köln 1975, S. 115. 49 Gerhard Schön, EURO-Münzkatalog. Die Münzen der Europäischen Währungsunion 1999 – 2015, Regenstauf 2015, S. 1083. 50 Vgl. hierzu: Rainer Wohlfeil, Kaiser Karl V. Vom burgundischen Ritter zum Ahnherren Österreichs, in: Bildnis und Image. Das Portrait zwischen Intention und Rezeption, Hg. von Andreas Köstler und Ernst Seidl, München 1998, S. 163 – 178. 51 Wolfgang Schmale, Visualisierungen Europas. Ein historischer Überblick, in: Vrääth Öhner/Andreas Pribersky/Wolfgang Schmale/Heidemarie Uhl (Hg.), Europa-Bilder, Innsbruck 2005, S. 1 – 34, hier S. 28. 52 Alexander Hanisch-Wolfram, Postalische Identitätskonstruktionen, Frankfurt/Main 2006, S. 269.

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IX. Ergebnisse und Schlussbetrachtung

gestaltet werden. Der Staat hat bei der Herausgabe und Gestaltung eine Monopolstellung, sofern die Postverwaltungen nicht privatisiert sind. Daher bieten die staatlich herausgegebenen Briefmarken und Münzen die Möglichkeit zur politischen Propaganda (wie zum Beispiel zur Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland und den besetzten Gebieten), aber auch in demokratisch verfassten Staaten die Möglichkeit, eine offizielle oder staatlich gewollte Sichtweise auf historische Ereignisse, Gestalten und Jubiläen zu vermitteln. Daher kann man in der Gemeinschaftsausgabe aus dem Jahre 2000 in Belgien und Spanien die Absicht erkennen, Karl V. als eine verbindende historische Persönlichkeit für diese beiden Länder zu sehen. Gemeinschaftsausgaben von Briefmarken zweier Staaten zu besonderen Anlässen sind selten und betonen daher die Gemeinsamkeit eines Jubiläums für beide Nationen. Auch die Niederlande (hier zeigte ebenfalls einer der beiden Marken zu 80 Cent einen Ausschnitt aus Tizians Gemälde „Der Kaiser nach der Schlacht von Mühlberg“!) und Luxemburg ehrten Kaiser Karl V. im Jahre 2000 mit Sonderbriefmarken. Da Briefmarken also als Quellen für das Selbstverständnis und die Selbstlegitimation von Herrschenden und Staaten dienen als auch den Versuch darstellen, ein bestimmtes Geschichtsbild darzustellen und zu popularisieren, zeigt sich in den Briefmarkenausgaben, dass Karl V. in den genannten Ländern eine erinnerungswürdige Gestalt darstellt; zwischen den Ländern Belgien und Spanien wurde Karl V. im Jahre 2000 auch als eine völkerverbindende Erinnerung angesehen.53 Dass auch die Niederlande des Siegers von Mühlberg gedenken, mag da schon eher verblüffen. Der Ausschnitt aus Tizians Gemälde ist allerdings in einer Briefmarken-Blockausgabe nur eines von siebzehn abgebildeten Motiven, die das ganze Leben Karls V. bildlich anschaulich darstellen sollen.54 In Deutschland erschienen weder 1958 noch 2000 Sonderbriefmarken mit dem Bild Karls V. Erst 2016 ist eine Sondermarke mit dem Tizian-Gemälde Karls V. aus der Alten Pinakothek in München erschienen, allerdings um die Schätze deutscher Museen zu würdigen, weniger die Herrschaft Karls V.55 Was über die Briefmarken-Ausgaben festgestellt wurde, gilt auch für die offiziellen Euro-Sonderprägungen. Zu Ehren von Karl V. und in Erinnerung an seinen Besuch in den Niederlanden vor 500 Jahren hat Belgien im Jahre 2015 eine 25-EuroGoldmünze emittiert. Die Münze bildet auf der Rückseite ein Porträt des jungen Karls im Alter von ca. 15 Jahren ab, also zu jenem Zeitpunkt seines Besuchs in den Niederlanden. Die Umschrift lautet „CAROLUS V 1515 – 2015 PLUS OULTRE“. Die Vorderseite der Münze zeigt die Karte der EU-Mitgliedsstaaten, zwölf Europasterne, Währungsangabe und Ausgabejahr sowie die dreisprachige Staatsbe*

53

Vgl. Michael Sauer, Originalbilder im Geschichtsunterricht – Briefmarken als historische Quellen, in: Gerhard Schneider (Hg.), Die visuelle Dimension des Historischen. HansJürgen Pandel zum 60. Geburtstag. Schwalbach/Ts. 2002. S. 161. 54 Abbildung des Blocks im Anhang. 55 Michel Junior Katalog Deutschland, München 2017, Mi. Nr. 3227.

Exkurs

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zeichnung.56 Diese belgische Münze ist die jüngste der Gedenkprägungen und zeigt, dass Karl V. weiterhin ein politischer Erinnerungsort in Belgien ist. Karl V. hat sich also zumindest in Belgien und Spanien – wie von Charles Terlinden unterstützt – als europäischer Erinnerungsort durchgesetzt und wird bis in die Gegenwart gepflegt, wie man an den offiziellen Münzprägungen und Sonderbriefmarken erkennen kann. Dass dies auch in seinem von Tizian geprägten, konfessionell problematischen Bild als Sieger von Mühlberg geschieht, mag aus der deutschen Perspektive überraschen. Auf den diversen Briefmarken und Münzen wird an Karl V. als Sieger von Mühlberg nach einem Tizian-Gemälde erinnert. Dieses Gemälde ist eines der populärsten Bilder des Kaisers, das auch als Titelbild für Biographien über Karl V. verwendet wurde, so z. B. bei Gertrude von Schwarzenfeld oder Otto von Habsburg, aber auch bei Ferdinand Seibt (1927 – 2003). Die Schlacht bei Mühlberg ist ein Ereignis im Schmalkaldischen Krieg,57 den die kaiserlichen Truppen gegen den Schmalkaldischen Bund, ein Bündnis protestantischer Landesfürsten und Städte unter der Führung von Kursachsen und Hessen, führten. Bei Mühlberg an der Elbe gelang den kaiserlichen Truppen unter Karl V. am 24. April 1547 der entscheidende Sieg. Nach Kohler wurde dieser Krieg nicht nur mit großem militärischem Aufwand betrieben, sondern auch mit einem beträchtlichen propagandistischen Aufwand.58 Das Gemälde des Kaisers nach der Schlacht bei Mühlberg von Tizian kann als Teil dieser kaiserlichen Propaganda betrachtet werden. Herbert von Einem (1905 – 1983) bezweifelte zwar, dass es sich bei dem Gemälde um den Kaiser „nach der Schlacht bei Mühlberg“ handele; es sei kein Historienbild und über die Formulierung des Auftrags und seine Bestimmung sei nichts bekannt.59 Allerdings wollte Karl V. sich in der Rüstung und auf dem Pferde, deren er sich bei der Schlacht bei Mühlberg bedient hatte, abgebildet werden. Wenn es sich also auch nicht um ein Historiengemälde handelt und der Hintergrund des Bildes unbestimmt bleibt – von Einem vergleicht das Bild mit dem Übergang Caesars über den Rubicon60 – so ist es doch zeitlich und von der Intention als Verherrlichung des Sieges von Mühlberg zu verstehen. Carl Jacob Burckhardt führte in seinen Gedanken über Karl V. aus, dass Karl V. durch alle Zeiten reite, wie Tizian ihn gesehen habe, in „eisernem Ernst über das Schlachtfeld von Mühlberg“.61 Artur Rosenauer führte zum

56 Bernard Gillard (Hg.), 500 jaar blijde intrede van Karel V (1515 – 2015), in: Muntinfo, Het Magazine van de Koninklijke munt van België, Nr. 65, Brüssel, Mai 2015, S. 4. 57 Vgl. Alfred Kohler, Karl V. Eine Biographie, S. 205 ff. 58 Vgl. Ebd., S. 301. 59 Herbert von Einem, Karl V. und Tizian, in: Peter Rassow (Hg.), Karl V. Der Kaiser und seine Zeit, Köln 1960, S. 74. 60 Ebd. S. 77. 61 Burckhardt, Gedanken über Karl V., S. 34.

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IX. Ergebnisse und Schlussbetrachtung

Jubiläumsjahr 2000 ebenfalls aus, dass Tizians Gemälde von 1548 „unsere Vorstellung vom Kaiser wie kein anderes Gemälde geprägt hat“.62 Das Bild wurde ein Jahr nach dem Ereignis 1548 im Auftrag des Kaisers gemalt63 und hat die beeindruckenden Ausmaße von 3,30 m mal 2,80 m; es zeigt den Kaiser als berittenen Herrscher in Lebensgröße und bildet den politisch-militärischen Sieg Karls V. über die protestantischen Gegner ab. Durch die Farbkomposition, die den Kaiser im letzten Abendlicht zeigt und den Himmel aufglühen lässt, erzeugt das Bild eine mystische Wirkung, die den Kaiser als Glaubensstreiter für den „wahren“ Glauben zeigt und in ein überirdisches Licht hebt. Auch lehnt sich das Bild des berittenen Kaisers an Darstellungen des Heiligen Georg als Drachentöter oder des Heiligen Jakobus als Maurentöter (aus der Zeit der Reconquista Spaniens) an als auch an das antike Vorbild des Reiterstandbildes des Kaisers Marc Aurel auf dem Kapitolinischen Hügel in Rom.64 Da die Schlacht am 24. April 1547 stattfand und das Fest des Heiligen Georg am 23. April eines Jahres gefeiert wird, ist der Bezug zum Heiligen Georg als einem Schutzpatron von Rittern und Schützen besonders auffällig; da Karl V. Herrscher Spaniens war, fällt auch die Ähnlichkeit mit Darstellungen des Heiligen Jakobus als Matamoros, so zum Beispiel in dessen Grabeskirche in Santiago de Compostela in Spanien, auf.65 Der Kaiser trägt auf Tizians Gemälde die Schärpe und den Orden vom Goldenen Vlies als einzige heraldische Zeichen. Tizian lässt Karl V. hier als burgundischen Ritter erscheinen.66 Das Gemälde Tizians ließ Karl V. seiner Schwester Maria von Ungarn (1505 – 1558) nach Brüssel senden; Philipp II., Karls Sohn, ließ es nach 62 Artur Rosenauer, Karl V. und Tizian, in: Alfred Kohler u. a. (Hg.), Karl V. 1500 – 1558. Neue Perspektiven seiner Herrschaft in Europa und Übersee, Wien 2002, S. 61. 63 Vgl. hierzu: Johannes Süßmann, Vom Ritter gegen Tod und Teufel über den Glaubensstreiter zum Kavalier. Zum Wandel der Adelsbilder in der frühen Neuzeit, in: Peter Scholz und Johannes Süßmann (Hg.), Adelsbilder von der Antike bis zur Gegenwart, München 2013, S. 85 – 98, hier S. 90. 64 Vgl. Reinhold Baumstark, Das Nachleben der Reiterstatue. Vom caballus Constantini zum exemplum virtutis, in: Detlev von der Burg, Giorgio Accardo u. a., Marc Aurel. Der Reiter auf dem Kapitol. München 1999, S. 78 – 115. Und: Norbert Schneider, Porträtmalerei. Hauptwerke europäischer Bildniskunst 1420 – 1670, Köln 1994, S. 124 – 127. 65 Im Worcester Art Museum/USA wird ein Gemälde aus der Schule von Antwerpen, um 1530, gezeigt, dass „Karl V. zu Pferde“ zeigt, nach dem Vorbild von König Sapor von Persien demütigt Valerian. Siehe: http://vps343.pairvps.com:8080/emuseum/view/objects/asitem/se arch@/3/title-desc?t:state:flow=7790e2dc-3e80 – 492c-9be2-fdad47580129, aufgerufen am 2. 8. 2016. Jan van Herwaarden, Universität Rotterdam, deutet dieses Bild als „Kaiser Karl V. als Matamoros“, siehe: Jan van Herwaarden, The Emperor Charles V as Santiago Matamoros, in: Peregrinations: Journal of Medieval Art & Architecture, London 2004, Vol. III/No. 3, S. 83 – 106. 66 Süßmann, Vom Ritter gegen Tod und Teufel, S. 92. Siehe auch: Otto von Habsburg, Ein Kampf um Österreich, S. 103.

Exkurs

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Madrid bringen; heute hängt es im Prado Museum in Madrid.67 Im Kapitel über Adenauer und Franco wird auf den Besuch Adenauers im Prado und seine Betrachtung des Gemäldes noch eingegangen. Wenn Karl V. auf Briefmarken oder Münzen nach dem Tizian Gemälde als Sieger von Mühlberg dargestellt wird, nutzen die Herausgeber also nicht nur ein berühmtes Gemälde eines herausragenden Künstlers, sondern auch ein katholisch-kaiserliches Schlachtengemälde, das den Sieger in einer konfessionell geprägten kriegerischen Auseinandersetzung zwischen deutschen Fürsten abbildet und in Erinnerung hält und einen gegen die unterlegenen Protestanten siegreichen katholischen Kaiser feiert.

67

Vgl. Süßmann, Vom Ritter gegen Tod und Teufel, S. 90.

Anhang 1. Briefmarken mit dem Abbild Karls V.

Sonderbriefmarke Belgien 19. 2. 2000, Michel Nr. 2940, 500. Geburtstag Karls V., Detail aus Tizians Gemälde „Karl V. nach der Schlacht bei Mühlberg“ vor einer Landkarte „Typus Orbis Terrarum“ von Ortelius.

Anhang

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Sonderbriefmarke Spanien 19. 2. 2000, Michel Nr. 3532, 500. Geburtstag Karls V., Detail aus Tizians Gemälde „Karl V. nach der Schlacht bei Mühlberg“ vor einer Landkarte „Typus Orbis Terrarum“ von Ortelius.

Sonderbriefmarken Belgien und Spanien, 19. 2. 2000, von links: Belgien Nr. 2938 und 2939, Spanien Nr. 3530 und 3531, Karl V. als Großmeister des Ordens vom Goldenen Vlies und Karl V. im Alter von 40 Jahren nach Corneille de Lyon, Ränder in den Nationalfarben, Belgische Werte auch in Euro-Währung.

162

Anhang

Sonderbriefmarken Niederlande 4. 1. 2000, Michel Nr. 1174 und 1775, Block Nr. 63. 500. Geburtstag von Kaiser Karl V. Die Bilder zeigen, jeweils mit römischen Jahreszahlen, von links gesehen: Zierstück links: Dom zu Aachen, Jugendbildnis Karls V. und Luther vor dem Reichstag zu Worms. Briefmarke zu 80 Cent: Carolus Gulden, Margarethe von Österreich, Krönung Karls V. Zierstück in der Mitte: Isabella von Portugal, Dom zu Regensburg, Karl V. mit Dogge, Ansicht der Stadt Gent, Maria von Ungarn. Briefmarke zu 80 Cent: Karte der Niederlande, Karl V. nach der Schlacht bei Mühlberg, Margarethe von Parma. Zierstück rechts: Rathaus zu Augsburg, Philipp II. und Abdankung Karls V. (Originalgröße des Blocks).

Sonderbriefmarke Deutschland 7. 4. 2016, Michel Nr. 3227, „Schätze aus Deutschen Museen“, Tizians „Karl V.“, Alte Pinakothek München (Originalgröße der Briefmarke).

Anhang

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Sonderbriefmarke Luxemburg 7. 3. 2000, Michel Nr. 1494, 500. Geburtstag von Kaiser Karl V., Abbildung nach einem Kupferstich von Lucas Emil Vorsterman.

Sonderbriefmarken Spanien, 1958, 400. Todestag von König Carlos I., Michel Nr. 1121 bis 1128, Jugendbildnis Karls V., Ausschnitt aus Tizians „Sieger von Mühlberg“, Büste Karls V. nach Leone Leoni und Ausschnitt aus dem sitzenden Bildnis Karls V. von Tizian. Alle Briefmarkenabbildungen eigene Scans des Verfassers.

164

Anhang

2. Münzen mit dem Abbild Karls V.

Belgien 1987, 5 ECU Sonderprägung „30 Jahre Römische Verträge“ mit dem Abbild Karls V. nach einem Silbergulden aus Brügge von 1540, Silber, Durchmesser 37 mm.1

Spanien 1989, 5 ECU Sonderprägung, Silber, Abbildung „Kaiser Karl V. nach der Schlacht bei Mühlberg“, Durchmesser 42 mm.2

1 2

Gerhard Schön, ECU-Katalog. Münzen und Medaillen. Augsburg 1993, S. 16. Ebd., S. 43.

Anhang

165

Österreich 1992, 100 Schilling Sonderprägung in der Reihe „1000 Jahre Ostarrichi“, auf der Vorderseite Karl V., auf der Rückseite Philipp II. und Ferdinand I., Silber, Durchmesser 38 mm.3

Spanien 2000, Silbermünze zu 2000 Pesetas zum 500. Geburtstag Carlos I., Durchmesser 33 mm.4

3 Vgl. Rainer Wohlfeil, Kaiser Karl V. – Vom ,burgundischen Ritter‘ zum ,Ahnherrn Österreichs‘, in: Bildnis und Image. Das Portrait zwischen Intention und Rezeption, hg. von Andreas Köstler und Ernst Seidl, München 1998, S. 163 – 178. Und: Günter Schön/Gerhard Schön (Hg.), Kleiner Deutscher Münzkatalog. Von 1871 bis heute. Mit Österreich, Schweiz und Liechtenstein. Regenstauf 2014, S. 542. 4 Rainer Wohlfeil, Spaniens Geschichte im Spiegel von Münzen und Banknoten, Hamburg 2010, S. 254.

166

Anhang

Spanien 2006, Silbermünze zu 10 Euro mit dem Bild Carlos I., Durchmesser 40 mm.5

Belgien 2015, 25 Euro Goldmünze zum 500. Jahrestag des Aufenthalts Karls V. in den Niederlanden, Durchmesser 18 mm.6

5

Gerhard Schön, EURO Münzkatalog. Die Münzen der Europäischen Währungsunion 1999 – 2015, Regenstauf 2015, S. 1083. 6 Bernard Gillard (Hg.), 500 jaar blijde intrede van Karel V (1515 – 2015), in: Muntinfo, Het Magazine van de Koninklijke munt van België, Nr. 65, Brüssel, Mai 2015, S. 4.

Anhang

167

3. Banknoten mit dem Abbild Karls V.

Spanien 1940, Banknote zu 1000 Pesetas mit dem Abbild Karls V., Ausschnitt aus dem TizianGemälde „Karl V. als Sieger von Mühlberg“, Rückseite mit dem Wappen Karls V.7

7 Rainer Wohlfeil, Spaniens Geschichte im Spiegel von Münzen und Banknoten, Hamburg 2010, S. 231 und 236.

168

Anhang

Spanien 1926, Banknote zu 1000 Pesetas mit dem Abbild Karls V., Rückseite mit dem Eingang zum Alcazar von Toledo.8

8

Ebd., S. 206 und 212.

Literatur 1. Quellen a) Archivquellen Briefwechsel Carl Jacob Burckhardt – Otto von Habsburg, Universitätsbibliothek Basel, Handschriftenarchiv. G 2770, 1 – 72. Neues Abendland. Zeitschrift für Politik, Kultur und Geschichte. Augsburg 1946 – 1958. Paneuropa Deutschland. Magazin der Paneuropa Union. München, Jg. 2010 – 2016.

b) Veröffentlichte Quellen Auer, Leopold (Hg.): Das Haus Österreich und der Orden vom Goldenen Vlies. Beiträge zum wissenschaftlichen Symposion am 30. November und 1. Dezember 2006 in Stift Heiligenkreuz. Graz 2007 Bergengruen, Werner: Der ewige Kaiser, Graz 1951. Bonse-Geuking, Wilhelm/Jansen, Michael (Hg.): 60 Jahre Karlspreis – Beitrag zur europäischen Vollendung. Köln 2010. Burckhardt, Carl Jacob: Bildnisse. Frankfurt am Main 1959. Burckhardt, Carl Jacob: Briefe 1908 – 1974. Hgg. Vom Kuratorium Carl J. Burckhardt mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung. Besorgt von Ingrid Metzger-Buddenberg. Frankfurt/Main 1986. Burckhardt, Carl Jacob: Briefe 1919 – 1969. Gesammelte Werke Bd. 6. Bern o. J. (1959). Burckhardt, Carl Jacob: Gedanken über Karl V. München 1954. Burckhardt, Carl Jacob: Geschichte zwischen Gestern und Morgen. München 1974. Burckhardt, Carl Jacob: Gestalten und Mächte. Zürich 1961. Burckhardt, Carl Jacob: Karl V., der letzte europäische Kaiser, in: Universitas 2/1959, S. 123 – 134. Burckhardt, Carl Jacob: Meine Danziger Mission 1937 – 1939. Bern 1959. Burckhardt, Carl Jacob: Porträts und Begegnungen. Gesammelte Werke Bd. 4. Bern o. J. (1959). Carstens, Karl: Reden und Interviews 1. Juli 1981 – 30. Juni 1982. Band 3. Hgg. vom Presseund Informationsamt der Bundesregierung, Bonn 1982.

170

Literatur

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1. Quellen

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2. Forschungsliteratur

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Literatur

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Personenverzeichnis Adenauer, Konrad 12, 58, 116, 138, 148, 149, 150, 159 Alencar, José Cochrane de 24, 54 Alfonso VI., König 155 Andics, Hellmut 86 Angermaier, Heinz 105 Auer, Leopold 120 Badewitz, Hubertus von 124 Baier, Stephan 17, 63, 83, 88 Balthasar, Hans Urs von 125 Baudouin, König 74 Baumgarten, Anna Maria 112 Benedikt von Nursia 101, 124, 125, 127 Benedikt XVI. (Joseph Ratzinger), Papst 122, 125, 146 Bernhard von Baden 79, 80 Blomberg, Sibylle von 129 Boehringer, Robert 59 Boer, Pim den 55, 144 Boerners, Hellmut 40 Bonifatius, Heiliger 101 Brandi, Karl 91, 134, 139, 150 Brentano, Heinrich von 116, 118 Briand, Aristide 22, 58, 84 Brook-Sheperd, Gordon 17 Brusselmans, Frans 70 Buffet, Bernard 44 Burckhardt, Carl Christoph 56 Burckhardt, Jacob 56 Burkhardt, Johannes 147 Burkmair, Hans 122 Busch, Ingrid, geb. von Schwarzenfeld 31 Calvin, Johannes 34 Camus, Albert 43, 45 Carstens, Karl 144, 147 Castillo, Canovas del 35 Céline, Louis-Ferdinand 43 Chagall, Marc 47 Chardin, Teilhard de 92

Churchill, Winston 86 Clark, Christopher 19, 20 Clemens VII., Papst 34, 35 Clemens IX., Papst 71 Cole, Laurence 18, 19, 20 Conze, Vanessa 12, 16, 17, 113 Coudenhove-Kalergi, Richard Nikolaus Graf von 12, 57, 58, 67, 68, 69, 80, 82, 83, 84, 86, 101, 103, 109, 114, 123, 145 Cyrill, Heiliger 101 Czaja, Herbert 103 Dali, Salvador 23, 43, 44 Dante, Alighieri 62, 66 Demmerle, Eva 17, 63, 83, 88 Dietrich, Erich 40 Dixon, Scott 15, 16 Dönhoff, Mario Gräfin 59 Drimmel, Heinrich 89 Duchhardt, Heinz 55 Eliade, Mircea 50, 51 Erasmus von Rotterdam, 32, 34, 133 Ernst, Max 44 Ferdinand I., Kaiser 155 Fleischhacker, Michael 83 Fort, Gertrud von le 117 Franco, Francisco 14, 33, 38, 39, 41, 42, 57, 58, 63, 71, 72, 76, 90, 91, 98, 117, 118, 134, 148, 149, 150, 159 Franz I., Kaiser 52 Franz I., König 33, 36, 47, 52, 66, 91, 96, 98, 101, 133, 134 Franz Ferdinand, Erzherzog 77, 85 Franz Joseph, Kaiser 18, 19, 32, 77, 78, 85, 151 Franzel, Emil 70, 71, 104, 115, 117, 118, 125, 127, 135, 148, 150 Fuchs, Martina 12, 15, 16, 23, 94

Personenverzeichnis Gasperi, Alcide de 58 Gattinara, Mercurino de 33 Gaulle, Charles de 58, 84 Gaupp-Berghausen, Georg von 128 Genina, Augusto 39 Gerstenmeier, Eugen 84 Gindert, Hubert 127 Goertz, Hans-Jürgen 31, 140 Göring, Hermann 58 Görres, Ida Friederike 109 Goppel, Alfons 84 Grillparzer, Franz 45, 107 Großmann, Johannes 17, 21, 91, 126 Guardini, Romano 129, 130 Habsburg, Karl von 85, 119, 121, 129, 152, 153 Habsburg, Karl Stephan von 108 Habsburg, Rudolf von 34, 80, 81, 102 Habsburg, Wilhelm von 108 Haller, Johannes 37 Hardenberg, Friedrich von (Novalis) 13, 32, 92, 93 Hauser, Gordian von 120 Hedwig von Andechs, 81 Heer, Friedrich 133, 135, 136, 137 Heinrich VIII., 34, 133 Heisenberg, Werner 92 Hellwege, Heinrich 116 Heuss, Alfred 16 Heuss, Theodor 56, 89 Heydte, Friedrich August von der 89 Hitler, Adolf 58, 77, 100, 136 Höbelt, Lothar 119 Hofmannsthal, Hugo von 19,45, 56, 59 Hundertwasser, Friedensreich 87, 137 Hutten, Ulrich von 34 Ignatius von Loyola, 34, 40 Iribarne, Manuel Fraga 149 Jaeger, Lorenz 116, 126 Jaeger, Richard 116, 118 Jochum, Eugen 126, 127 Johannes Paul II., Papst 101, 122, 125, 127, 152 Joseph II., Kaiser 19

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Juan Carlos, König 144, 146 Jünger, Ernst 50, 51, 52, 137 Kafka, Franz 51, 52 Karl der Große 33, 80, 98, 99, 105, 136, 144, 145, 148 Karl I., Kaiser 19, 77, 99, 120, 144 Kissinger, Henry 137 Klenke, Gottlob Friedrich 132, 133, 134, 135 Kohl, Helmut 127, 151, 152 Kohler, Alfred 22, 31, 75, 133, 139, 141, 142, 157 Kohnle, Armin 142 Küng, Hans 81, 125 Küng, Klaus 129 Laun, Andreas 82 Leo XIII., Papst 71 Leopold II., König 74, 76 Leopold III., König 71, 72 Leser, Norbert 63 Lewalter, Christian E. 29 Lewis, Bevan Wyndham 22, 31, 60, 76, 136, 140, 142, 145 Liechtenstein, Heinrich von und zu 128 Liechtenstein, Vincenz von 124, 125, 128, 129 Ludwig XIV., König 96 Lücker, Hans-August 126, 127 Lumumba, Patrice 74 Luther, Martin 32, 34, 35, 37, 66, 97, 111, 135, 143, 145 Machiavelli, Nicolo 66 Magris, Claudio 18, 19, 20, 54 Malraux, André 43 Mann, Golo, 46 Mann, Thomas 12, 84 Maria Theresia, Kaiserin 19 Martin, Claude 39 Martus, Steffen 51 Mattioli, Aram 57 Maximilian I., Kaiser 104 Mayer, Vitalis 126, 127 Mende, Erich 84 Menkes, Willibrord 40 Merkatz, Hans-Joachim von 116 Methodius, Heiliger 101

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Personenverzeichnis

Morlion, Felix André 72 Moscardo, José 38, 39, 40, 41 Mosebach, Martin 146 Müller, Matthias 122 Müller-Marein, Josef 25 Münkler, Herfried 16 Mussolini, Benito 57, 68, 71 Nietzsche, Friedrich 92 Nora, Pierre 16, 143 Oberländer, Theodor 116 Otto I., Kaiser 136 Pachta-Reyhofen, Alexander 119 Pape, Matthias 113 Paul III., Papst 47 Paul VI., Papst 101, 127 Peguy, Charles 33 Pfitzner, Josef 104 Philipp II. 32, 38, 93, 110, 149, 155, 158 Philipp III. 118 Picasso, Pablo 48 Pius XII., Papst 90 Pöpping, Dagmar 113, 114, 115 Pons, Vittorio 82, 83 Posselt, Bernd 121, 123, 126, 137 Prettenthaler-Ziegerhofer, Anita 12 Primo de Rivera, José Antonio 42 Primo de Rivera, Miguel 155 Rabe, Horst 73, 75, 76 Radegunde, Hl. 48 Raffalt, Reinhard 126, 130, 131 Rassow, Peter 15, 22, 31, 76, 88, 91, 132, 136, 139,140, 141, 150 Reagan, Ronald 152 Remarque, Erich-Maria 39 Renner, Karl 84 Reynold, Elisabeth de 56 Reynold, Gonzague de 56, 57, 58, 59, 136 Riedweg, Franz 124, 129, 130, Rohan, Karl Anton von 114 Rohrmoser, Günther 127 Rompuy, Herman van 146 Roover, Marcel de 72 Rosenauer, Artur 157 Rosenberg, Alfred 58

Roth, Joseph 18, 19, 21, 37, 54, 86, 107, 108 Rudolf II., Kaiser 25, 45, 46, 47, 50, 51, 52, 53, 54 Sachsen-Meiningen, Regina von 150 Salazar, Antonio de Oliveira 57, 58, 71, 117, 148 Sartre, Paul 43 Schildt, Axel 16, 17, 113 Schilling, Heinz 146, 147 Schmale, Wolfgang 155 Schmitt, Carl 24, 25, 125 Schneider, Reinhold 14, 21, 109, 110, 111, 112, 117, 150 Schneider, Rolf 46 Schönborn, Christoph von 120, 150, 151 Schuman, Robert 57, 58, 116, 127 Schuschnigg, Kurt von 77, 84, 85, 86, Schwarzenfeld, Karl Schreitter von 23, 53 Schwarzenfeld, Louise von 23, 53 Schwarzenfeld, Walter Ritter von 52 Seehofer, Horst 106 Seibt, Ferdinand 105, 157 Seidel, Carlos Collado 38, 39, 40 Seipel, Ignaz 84 Sellschopp, Hans 127 Sieburg, Friedrich 49 Snyder, Timothy 108 Sobotka, Bohuslav 106 Somary, Felix 61 Spengler, Oswald 114 Sporck, Franz Anton 51 Spranger, Eduard 65, 66 Srbik, Heinrich von 91 Stählin, Wilhelm 116, 126 Stauffenberg, Claus Graf Schenk von 59 Stefan von Ungarn 101 Sternberg, Kaspar von 51, 52 Stieg, Gerald 17 Stimpfle, Josef 126, 127, 137 Stoob, Heinz 105 Strauß, Franz Josef 12, 84, 118, 127, 128, 129, 137 Thomas von Aquin 48 Thomas, Heinz 106 Timmermanns, Rudolf 40

Personenverzeichnis Tindemans, Leo 127, 132, 137, 138, 139, 144, 145, 146, 147, 150 Tizian 149, 154, 156, 157, 158 Torberg, Friedrich 50, 61 Trujillo Molina, Rafael Leonidas 62 Tüngel, Richard 24 Tyler, Royall 60, 90, 132, 150 Varela, José 39 Vega, Garcilaso de la 35 Venantius Fortunatus 48 Vocelka, Karl 47, 63

189

Waldburg-Zeil, Alois Graf 124, 128 Waldburg-Zeil, Georg Graf 117, 119, 124 Werfel, Franz 12, 37, 52, 54, 61, 84 Wiesflecker, Peter 121 Wilhelm I., König 71 Wilhelm von Oranien 110 Wohlfeil, Rainer 15, 22, 23, 31, 75, 132, 139, 140, 141, 144, Wolfrum, Edgar 16 Wuermeling, Franz-Josef 116 Ziegler, Leopold 114, 115 Zita, Kaiserin 77, 78, 85, 151 Zweig, Stefan 18, 19, 37, 54, 58