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German Pages 346 [348] Year 2001
Adelheid Krah
Die Entstehung der „potestas regia" im Westfrankenreich
Adelheid Krah
Die Entstehung der „potestas regia" im Westfrankenreich während der ersten Regierungsjahre Kaiser Karls II. (840-877)
Akademie Verlag
G e d r u c k t m i t U n t e r s t ü t z u n g S K H H e r z o g Franz v o n B a y e r n und der K e s t e r - H a e u s l e r - S t i f t u n g . A b b i l d u n g auf d e m E i n b a n d : T h r o n b i l d Karls II. aus der V i v i a n s b i b e l , B N m s . lat. 1 f o l . 4 2 3 ; c l i c h e B i b l i o t h e q u e nationale d e France.
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Ein Titeldatensatz für diese Publikation ist bei Der Deutschen Bibliothek erhältlich. ISBN 3-05-003565-X
© Akademie Verlag GmbH, Berlin 2000
Das eingesetzte Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil des Buches darf ohne Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form - durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. Einbandgestaltung: Petra Florath, Berlin Druck: GAM Media, Berlin Bindung: Norbert Klotz, Jettingen-Scheppach Printed in the Federal Republic of Germany
Inhalt
Vorwort
9
1. Die Fragestellung
11
2. Die Entstehung von Königsherrschaft und Herrschaftsstrukturen im westfränkischen Raum während der Bruderkriege
29
2.1.
D i e Ausgangssituation
31
2.1.1. Die rechtlichen Grundlagen der Ausstattung Karls bis zum Tode Ludwigs des Frommen 2.1.2. Die Situation beim Tode Ludwigs des Frommen
36 44
2.2.
49
Taktik und Erfolge Karls II. bis zur Schlacht von Fontenoy
2.2.1. Die Anfänge wechselseitiger Aggression 2.2.2. Der Vertrag von Orleans und die Bedeutung der Diplomatie für die Entstehung von Herrschaftsstrukturen 2.2.3. Der Aufbau neuer Machtstrukturen bis zum Treffen von Attigny 2.2.4. Strategie und politisches Kalkül bei den Vorbereitungen zur Schlacht von Fontenoy
67
2.3.
77
D i e Entscheidung von F o n t e n o y
2.3.1. Zum Forschungsstand und zum Verlauf der Schlacht 2.3.2. Die Konzeption der Strategie 2.4.
Ergänzende und z u s a m m e n f a s s e n d e Bemerkungen zur politischen Entwicklung bis zur Schlacht von F o n t e n o y
2.4.1. Die Frage der Königstreue 2.4.2. Der Wandel vasallitischer Bindungen und die Entstehung der Regna 2.4.3. Imperium, Regnum und Res publica eine dialektische Differenzierung? 2.5.
Potestas regia, foedus und fraternitas bis zur Reichsteilung von A a c h e n
2.5.1. Die Bewertung der Schlacht als Gottesurteil
51 56 59
78 83
87 91 94 100
111 111
6
Inhalt 2.5.2. 2.5.3. 2.5.4. 2.5.5.
2.6.
Erneut in der Defensive an der Seine Foederati in Aquitanien und zwischen Seine und Maas Das Ringen um die Vormachtstellung zwischen Seine und Maas Die Allianz mit Ludwig dem Deutschen, die Fratemitas der Straßburger Eide und die Neukonzeption des Reiches D e r S z e n e n w e c h s e l : D i e P h a s e d e r E i n i g u n g mit L o t h a r
2.6.1. 2.6.2. 2.6.3. 2.6.4.
Karls Eingriffe in die Kirchenstruktur im burgundischen Raum Die Bewertung der Reichsteilung von Aachen Die Verhandlungen von Mellecey Die weitere Entwicklung der friedlichen Annäherung und das Königstreffen von Ansille 2.6.5. Zusammenfassung
114 117 121 131 142 143 147 150 159 165
2.7.
N i t h a r d s D a r s t e l l u n g s w e i s e in B u c h IV als S t i m m u n g s b i l d für zeitgeschichtliche Veränderungen
168
2.7.1. 2.7.2. 2.7.3. 2.7.4.
Die spezifische Schreibsituation Zeitbewußtsein und Zeitkonzepte Persönliche Lebensumstände Das Geschichtsbild
169 172 176 182
3. Die konstitutionelle Basis: Die Verträge von Verdun und Coulaines als Ergebnisse der Bruderkriege
187
3.1.
Die Forschungslage
187
3.2.
Die Rolle der Magnaten
190
3.3.
Regnum
u n d Potestas
regia
im V e r t r a g v o n V e r d u n
3.3.1. Die Vorgehensweise bei der Reichsteilung 3.3.2. Die Grenze des Westfrankenreiches im Osten und die Frage der Textgestaltung 3.3.3. Die Bewertung 3.4.
D i e O r d n u n g d e r K r ä f t e im V e r t r a g v o n C o u l a i n e s : Honor ecclesiae, honor regius und honor principum
3.4.1. Das Herrschaftskonzept im Proömium des Vertrages 3.4.2. Die Sorge um das Wohl des Reiches in den Capitula 3.5.
Die Phase zwischen beiden Verträgen
194 194 196 200
205 209 217 226
3.5.1. Die Synoden von Germigny und Lauriere 3.5.2. Die Herrscherparänese des Lupus von Ferneres: eine mentale Einstimmung zur Königsherrschaft? 3.5.3. Das Bild der Ereignisgeschichte im Westen des Reiches: Die Situation in Nantes
240
3.6.
250
Zusammenfassung
228 235
Inhalt
7
4. Die T r a g f ä h i g k e i t der H e r r s c h a f t s s t r u k t u r e n 4.1. 4.2.
257
Karls offensive Aquitanienpolitik des Jahres 844 im Spiegel seiner Diplome
259
Kirchliche Gesetzgebung und Königsherrschaft in den Jahren nach Coulaines
281
5. E r g e b n i s s e
297
Q u e l l e n - und Literaturverzeichnis
309
1.
Quellen
309
2.
Literatur
314
P e r s o n e n - und Ortsregister
337
Vorwort
Erste Überlegungen zu einer größeren Arbeit über verfassungspolitische Fragen der Geschichte des 9. Jahrhunderts ergaben sich aus den Diskussionen in Seminaren während der Anfangssemester meiner Lehrtätigkeit an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Es folgten Aufsätze zur Kapitulariengesetzgebung, zur karolingischen Vasallität, zur Spiritualität dieser Zeit und vor allem über Arnolf von Kärnten, um die verschiedenen Dimensionen der Epoche auszuloten. Schließlich entstand die Idee, die in der Forschung wenig beachtete erste Regierungsphase Karls II. als die Zeit des Wandels von Herrschaftsgefüge und sozialen Strukturen in Westeuropa in einer ausführlichen Darstellung der Probleme zu behandeln. Sie ließ sich durch großzügig gewährte Förderung aus Mitteln des Hochschulsonderprogrammes verwirklichen. Hierfür danke ich den Frauenbeauftragten der LMU München, Frau Dr. Hadumod Bußmann und Frau Dr. Edda Ziegler, Herrn Prof. Dr. E. Hlawitschka/Herrsching und Herrn Prof. Dr. St. Weinfiirter/Heidelberg für ihre Gesprächsbereitschaft. Das fertige Manuskript wurde ganz oder in Teilen von Herrn Prof. Dr. H. Nehlsen/München, Herrn Prof. Dr. W. Störmer/Neubiberg und von Herrn Prof. Dr. H. Wolfram/Wien gelesen. Ihnen möchte ich für freundlichen Rat, der nicht nur dem Text zugute kam, herzlich danken. Besonders bin ich Herrn Prof. Dr. K. F. Werner/Rottach für zahlreiche Gespräche und Anregungen und die kritische Durchsicht des gesamten Textes zu Dank verpflichtet. Seine Vermittlung der Faszination politischer Strukturen in der europäischen Geschichte des Mittelalters blieb über Jahre präsent und manche Überlegung war der Ergebnisfindung bei der vorliegenden Arbeit sehr forderlich. Dem Akademie Verlag und Herrn Johannes Oldenbourg danke ich für die Aufnahme des Werkes in sein Verlagsprogramm, Herrn Manfred Karras für ein zuverlässiges Lektorat; ferner Jürgen Lange und Michael Engel für ihre Hilfe bei EDV-Problemen. Schließlich möchte ich nicht versäumen, all denen meinen herzlichen Dank auszusprechen, die mich bei der Entstehung dieses Buches begleitet haben. München, im November 2000
Adelheid Krah
1. Die Fragestellung
Königsherrschaft im (Früh-) Mittelalter ist ein dynamischer Prozeß. Als Phänomen vielfaltig strukturiert, steht sie im Spannungsfeld von Ordnungssystemen und ist deren Gesetzmäßigkeiten unterworfen, die meist erst zu dechiffrieren sind. Königsherrschaft meint ein hierarchisch strukturiertes Ordnungssystem mit verfassungspolitischer Zielrichtung, in welches Machtstrukturen eingebunden sind, um den aggressiven Dialog um Führungspositionen und deren Realisation zu führen. Definierte Kriterien der Königsherrschaft, so Regnum als Territorium und als Potestas im geographischen Sinn, Herrscherdynastie als personale Komponente der Anbindung der Macht an eine Familie mit konstantem Führungsanspruch innerhalb der Adelsgesellschaft, sowie Herrscherrepräsentation und Regierungsdauer, sind abhängig nicht so sehr vom Wandel des Zeitgeschehens, als vielmehr vom Grad der Anpassungsfähigkeit des Herrschers an dieses, woraus Schwäche und Stärke ersichtlich sind. Spiegelt Stärke - an der Königsherrschaft stets gemessen wurde - doch vornehmlich den Willen, das Zeitgeschehen zu beherrschen im Sinne von Machtausübung wider, die konservatives Beharren und progressive Aktionen synchron einzusetzen versteht, Schwäche hingegen vor allem Systemschwäche der kohärenten Führungselite des mittelalterlichen Adelsverbandes, an deren Spitze der Herrscher und seine Familie stehen.1 Inwieweit eine Zentralisierung der Königsherrschaft und damit deren Intensivierung, sowie die Ausrichtung der Machtmittel auf die Person des Königs gelang, ist zunächst eine verfassungspolitische Fragestellung, nicht eine biographische. Denn Königsherrschaft war über viele Jahrhunderte des Mittelalters die einzig mögliche Form, Herrschaftsstrukturen in ein verfassungspolitisches Konzept einzubinden und zu kontrollieren und oligarchischen Tendenzen im Innern des Reiches entgegenzuwirken oder - in Phasen der Schwäche - auch nicht. Der König war Integrationsfigur: Regnum erfaßt potestas regia hermeneutisch syn-
1
Aus der älteren Literatur sind der Aufsatzband „Herrschaft und Staat im Mittelalter", hg. v. H. KÄMPF (= WdF 2), Darmstadt 1956, anzuführen, in dem mit Beiträgen von Otto BRUNNER, Heinrich MITTEIS, Gerd TELLENBACH, Theodor MAYER und Walter SCHLESINGER eine Eingrenzung der Problematik durch Diskussion relevanter Problemfelder w i e „Reichsadel" und „Gefolgschaft" geboten wird, des weiteren die Aufsätze in Th. MAYER (Hg.), Das Königtum. Seine geistigen und rechtlichen Grundlagen (VuF 3), Sigmaringen 1956. - Eine Zusammenstellung der neuen Literatur findet sich bei J. FRIED, D i e Formierung Europas 8 4 0 - 1 0 4 6 , München 1991, 158f. Ferner bes. K. F. WERNER, Naissance de la noblesse: l'essor des elites politiques en Europe, Paris 2 1 9 9 9 .
12
Die Fragestellung
onym, woraus sich ergibt, daß das Reich nicht ohne einen König existenzfähig schien. Der Tod des Königs markierte daher die Schwachstelle des Systems, die Veränderungen ohne Widerstand des Herrschers möglich werden ließ, vor allem hinsichtlich einer grundsätzlichen Reduktion des dominanten Führungsanspruches des Königtums. Herrschern wie Heinrich II. und Konrad II. gelang es, destruktive Tendenzen am Beginn ihrer Regierung in Schranken zu weisen. 2 - Registrierten die Zeitgenossen das Zeitgeschehen als Phase der Schwäche, dann wurde die Zeitkritik übertönt durch die Fiktionalität der Historiographie vergangener Zeiten, wenn etwa Notker Karl III. das Herrscherbild Karls des Großen vorfuhrt und dabei Idylle und Friedensharmonie vorgaukelt, oder Nithard deprimiert am Ende der Bruderkriege an jene „besseren", vergangenen Zeiten erinnert.3 Wurde jener Karl III., der von der Position eines Unterkönigs des ostfränkischen Reiches aus gegen Ende des neunten Jahrhunderts durch glückliche Umstände das zergliederte Frankenreich noch einmal zu einen vermochte, trotz dieses Erfolges bereits von seinen Zeitgenossen als schwache Herrscherpersönlichkeit betrachtet - wodurch sich auch seine Entmachtung durch Arnolf von Kärnten rechtfertigen ließ - , 4 so hat auch der zweite Vertreter dieses Namens aus der Enkelgeneration Karls des Großen, Karl II., zwar gleichermaßen das Kaisertum als eine mit der Namensgebung programmatisch vorgegebene Hürde erreicht, jedoch ohne von den Zeitgenossen oder in der Retrospektive mit ähnlicher Euphorie gefeiert zu werden wie sein Vorbild. Denn obgleich er das Westfrankenreich im Osten durch lothringische Gebiete vergrößerte und seine Kaiserkrönung in deutlicher Parallele zum Beginn des westlichen Kaisertums inszenieren ließ - exakt 75 Jahre danach am gleichen Ort - , blieb die Kaiserherrschaft Karls II. eine Episode. Eine Kaiserherrschaft über viele Jahre, die Erfolge und Stabilität zeigte, die zum Signum der Epoche wurde, war Karl dem Großen, nicht aber seinem Enkel vergönnt. In der relativ kurzen Zeit von weniger als zwei Jahren, die Karl II. nach seiner Kaiserkrönung noch bis zu seinem plötzlichen Tod verblieben, hat er diese Herrschaftsform als die ihm zustehende Überhöhung seiner Königsherrschaft gegenüber den Forderungen der westfränkischen Führungselite nicht zur Disposition gestellt, jedoch eine Einbindung seines potentiellen Nachfolgers Ludwig nicht erreicht - vielleicht auch nicht erreichen wollen.5
2
Vgl. H. BEUMANN, Zur Entwicklung transpersonaler Staatsvorstellungen, in: Th. Mayer, Das Königtum, S. 185-224, hier 185f., sowie St. WEINFURTER, Die Zentralisierung der Herrschaftsgewalt im Reich durch Kaiser Heinrich II., in: HJb 106. Jg., 1986, S. 241-297, hier S. 270ff.; zur Herrschaft Konrads II. jetzt grundlegend H. WOLFRAM, Konrad II. 990-1039. Kaiser dreier Reiche, München 2000. 3 Notker der Stammler, Taten Kaiser Karls des Großen, ed. v. H. F. HAEFELE, MGH SS rer. germ., Berlin 1959, München 2 1980; dazu H.-W. GOETZ, Strukturen der spätkarolingischen Epoche im Spiegel der Vorstellungen eines zeitgenössischen Mönchs. Eine Interpretation der „Gesta Karoli" Notkers von Sankt Gallen, Berlin 1981. NITHARD, Histoire des fils de Louis le Pieux, ed. et trad, par PH. LAUER (Les classiques de l'histoire de France au moyen äge), Paris 1926, 2 1964, sowie Nithardi historiarum libri IUI, ed. v. E. MÜLLER, MGH SS rer. germ, in us. schol. sep. ed. 44, Hannover 1907. 4 Zuletzt hierzu A. KRAH, Bayern und das Reich in der Zeit Arnolfs von Kärnten, in: Festschrift für STEN GAGNER zum 3. März 1996, hg. v. M. KRIECHBAUM, Ebelsbach 1996, S. 1-31, hier S. Iff.; femer zu den Strukturen W. SCHLESINGER, Die Auflösung des Karlsreiches, in: Karl der Große Bd.l, hg. V. H. BEUMANN, Düsseldorf 1965, hier S. 851, u. H. KELLER, Zum Sturz Karls III., in: DA 22, 1966, S. 3 3 3 384; E. HLAWITSCHKA, Lotharingien und das Reich an der Schwelle der deutschen Geschichte (= Schriften der MGH 21), Stuttgart 1968, S. 62f. 5 Vgl. die Stellungnahme von J. NELSON, Charles the Bald, London u. a. 1992, S. 252.
Die Fragestellung
13
So drängten sich hinsichtlich der Bewertung seiner Person aus dem Blick historischer Retrospektive die zurückliegenden drei Jahrzehnte seiner Königsherrschaft vor der Kaiserkrönung in den Vordergrund mit einer Palette von Schwierigkeiten in allen Bereichen - auch innerhalb der Königsfamilie - und mit der provokanten Fragestellung, weshalb in so langer Regierungszeit diese nicht besser bewältigt wurden. Die Bewertung lag demnach zwischen Konturenlosigkeit und Desaster, wobei permanente Normanneneinfälle im Westreich und mangelnde Kontrolle aufstrebender Magnaten als Argumente hierfür ein Herrscherbild durch die Historiographie eher verzerrten oder gar nicht erst entstehen ließen. 6 Eine Korrektur der Forschung erfolgte erst in jüngerer Zeit durch biographische Akzentsetzung, begleitet von dem Bestreben, die Epoche Karls II. als Untersuchungsgegenstand zu fixieren, so von Janet Nelson und vor ihr von Paul Zumthor. 7 Beide Arbeiten sprechen einen größeren Leserkreis an, wodurch die Absicht, eine Korrektur des Geschichtsbildes dieser wichtigen Epoche westfränkischer und französischer Geschichte vorzunehmen, erkennbar ist und erreicht wurde. Nicht erfaßt wurden verfassungspolitische Fragestellungen, die die ersten Regierungsjahre Karls II. - in Überblickswerken zur französischen Geschichte des Mittelalters meist kurz oder gar nicht behandelt - als die entscheidende Basis seiner Herrschaft vor allem in Hinblick auf die Formierung des Westfrankenreiches begreifen. Diesen Anfangsjahren kommt insofern entscheidende Bedeutung zu, als mit dem Tod Ludwigs des Frommen alle von ihm entworfenen Modelle der Nachfolgeregelung revidierbar und reversibel wurden und die Strukturen etablierter Ordnungssysteme im Gesamtgefüge des Imperiums einer Neu- und Umorientierung bedurften. Der traditionell ausgerichtete Forschungsstand beharrt nach wie vor auf einem Beginn der Herrschaft Karls II. mit dem Vertrag von Verdun, wobei die Regnumskonzeption des 10. Jahrhunderts als gedankliches Modell mit hereinspielt, die von der Einheit von Königsherrschaft und Reich ausgeht. Dies bedeutet, daß erst dann methodisch von Königsherrschaft gesprochen werden kann, wenn sie in einem, in seinen Grenzen fixierten und repräsentationsfähigen Territorium ausgeübt wird. 8 Auch bei Versuchen, die Schlacht von Fontenoy vom 6
7
8
Zuletzt hierzu bei K. HERBERS, Rom im Frankenreich - Rombeziehungen durch Heilige in der Mitte des 9. Jahrhunderts, in: D. R. BAUER, R. HIESTAND U. a. (Hgg.), Mönchtum - Kirche - Herrschaft 7 5 0 1000, (= Festschrift für J. SEMMLER zum 65. Geburtstag), Sigmaringen 1998, S. 133-169, hier S. 138. NELSON, Charles the Bald, deren Bestreben es ist, den Ereignisverlauf plastisch zu vermitteln; sie sieht einen Dialog zwischen Königtum und einzelnen weltlichen Spitzenmagnaten, der sich durch die Regierungsdauer Karls zieht, mit dem Ziel einzelner Magnaten, Vorrang und „Königsnähe" im Wettbewerb um die Gunst der Krone und des Hofes vor anderen zu erheischen. P. ZUMTHOR, Charles le Chauve, Paris 1957. K. F. WERNER, Regnum, in: LexMA VII, 1995, Sp. 5 8 7 - 5 9 5 ; H.-W. GOETZ, Regnum. Zum politischen Denken der Karolingerzeit, in: Z R G GA 104, 1987, S. 110-189. - Nur kurz äußert sich F. LOT, Naissance de la France, edition revue et mise ä jour par J. BOUSSARD, Paris 1970, S. 337; P. E. SCHRAMM, Der König von Frankreich 1, Weimar 1939, S. 9ff., läßt die Königsherrschaft Karls II. mit dem Jahr 843 beginnen, um dann kurz auf die Ausstattung Karls durch Ludwig zurückzublenden, S. 12ff.; der gleiche Ansatz bei J. DUNBABIN, France in the Making 8 4 3 - 1 0 0 0 , Oxford 1985, und ähnlich J. NELSON, Charles the Bald, Court and Kingdom, Aldershot 1990, S. Iff., hier S. 3ff. „Winning a realm: 8 4 0 - 4 " - eigentlich die Darstellung der Phase ab Fontenoy; dies., Charles the Bald, c. 5, „ 8 4 0 - 8 4 3 : Winning a Kingdom" S. 105ff., mit kurzem Rückblick auf die Zeit zwischen 840 und Juni 841. - K. F. WERNER, Geschichte Frankreichs 1. Die Ursprünge Frankreichs bis zum Jahr 1000, Stuttgart 1989, versteht die Zeit Ludwigs des Frommen als Übergangszeit und setzt den Regierungsbeginn Karls II. mit dem Teilungsvertrag von Verdun an, S. 429ff.
14
Die
Fragestellung
Juni 841 als Herrschaftsbeginn anzusetzen, dominiert ein Denkmodell - hier das des Heerkönigtums - als bekanntes Ordnungssystem, von dem ausgegangen wird, um es als Mittel der Kategorisierung einzusetzen, nicht jedoch die Analyse des Phänomens einer soziokulturellen Umstrukturierung der adeligen Führungsschicht, welche die Entscheidungsschlacht von Fontenoy einer Entwicklungslinie korrekt zuordnen könnte. 9 Eine andere Sicht erscheint daher angebracht, vor allem um die lückenlose Kontinuität karolingischer Königsherrschaft, die in den Quellen gesichert ist, auch in der Forschung zu verankern. Die Folge historiographischer Bewertung der Teilung des Regnums in Verdun als Herrschaftsbeginn Karls II. und damit auch Ludwigs des Deutschen - hielte man am Fortbestand der Kaiserherrschaft nach dem Tode Ludwigs des Frommen mit gleichen Vorgaben für Lothar fest - wäre nämlich eine Negierung der Königsherrschaft in den westlichen und östlichen Gebieten bis zu diesem Zeitpunkt, wodurch Königsurkunden aus dieser Zeit, Huldigungen und Herrscherzeremoniell zur Farce gerieten. Aber bietet nicht doch - so ist zu fragen - die Königsherrschaft Karls II. während der Bruderkriege, die auf ein Regnum abzielte, obgleich dessen Grenzen zunächst nicht definiert waren, ganz andere Möglichkeiten, Strukturen und Machtmittel des Königtums im Dialog mit dem adeligen Personenverband - j e einzeln zum König - und den hierarchisch orientierten, vasallitischen Gefolgschaftsordnungen zu erkennen? Verfehlt wäre es sicherlich, im Kontext möglicher Nachfolgeregelungen beim Tode Ludwigs des Frommen nach Kriterien karolingischer „Staatlichkeit" zu suchen, um die sich anschließenden Ereignisse von der auf die Akteure ausgerichteten, personenbezogenen Ebene auf eine abstrakte Ebene zwischenstaatlicher Interaktionen zu transponieren. Ist doch die Hermeneutik im Bezugssystem der Terminologie von „Staat" und „Staatlichkeit" traditionsgebunden, sowohl durch den Forschungsgegenstand, der eben „Staat" und „Staatlichkeit" und „staatliche Strukturen" der Neuzeit und der Antike meint, als auch aufgrund der staatstheoretischen Schriften aus diesen Epochen, in denen das Wesen des Staates diskutiert wurde. Eine Übernahme dieser Terminologie fur die Beschreibung verfassungspolitischer Ordnungssysteme der zentralen Jahrhunderte des Mittelalters erscheint daher nicht erwägenswert; sie könnte das phänomenologische Bild dieser Zeit als Raster nur verzerren oder durch neuzeitliche Modernismen einfärben. Das wichtigste Argument gegen eine solche methodische Vorgehensweise bietet daher die terminologische Differenzierung zwischen „Staat" und „Königsherrschaft", weil „Staat" als abstraktes Ordnungssystem auf Gleichschaltung und Machtbeschränkung einzelner abzielt, Königsherrschaft hingegen ein personenbezogenes Ordnungssystem meint mit Tendenz zur Machterweiterung der Herrschaftsträger im Innenverhältnis. Hierzu die wichtige Definition von K. F. Werner: „L'Empire, qui n'avait jamais ete un Etat unitaire centralise, mais une sorte de compromis entre empire et conglomerat de forces regionales, s'est desagrege exactement dans les parties qui l'avaient forme sous Charlemagne et ses successeurs: les regna." 10 9
Beispielhaft sei auf eine Äußerung von J. M. WALLACE-HADRILL, A Carolingian renaissance prince: The emperor Charles the Bald, in: Proceedings o f the British A c a d e m y 64, 1980, S. 1 5 5 - 1 8 4 , S. 157 verwiesen ( w i e bei 2. Α. 2).
10
V o n e i n e m differenzierten Begriff geht auch H. KELLER, Zum Charakter der .Staatlichkeit' z w i s c h e n karolingischer Reichsreform und hochmittelalterlichem Herrschaftsausbau, in: FmSt 23, 1989, S. 2 4 8 2 6 4 aus, w e n n er etwa auf S. 2 5 4 schreibt: „ D i e karolingische A u f f a s s u n g v o m R e g n u m tendiert, gestützt durch die Wiederanknüpfung an spätrömische Modelle, in eine Richtung, die e s leicht macht, sie .staatlich' zu interpretieren" (mit Hinweisen auf TH. MAYER, Staatsauffassung in der Karolingerzeit,
Die
Fragestellung
15
D i e Frage nach den soziokulturellen P h ä n o m e n e n in den westlichen Teilen des Karolingerreiches im 9. Jahrhundert ist primär eine verfassungspolitische Fragestellung." Deren Konturen gilt es in der Ereignisgeschichte nachzuspüren mit d e m Ziel, zu einer Dechiffrierung verfassungspolitischer Phänomene und zu Antworten zu gelangen. M e t h o d i s c h wird hier also w e n i g e r eine konzeptionelle Systemtheorie erfolgreich sein, als vielmehr die Quellenanalyse, die den Zugang zu Religiosität und zu Gesellschaftsstrukturen vermittelt, denen mittelalterliche Herrschaftsvorstellungen anzupassen waren. 1 2 D i e s e V o r g e h e n s w e i s e
be-
dingt die Art der Fragestellung. Können zu Texten doch nur solche Fragen gestellt werden, für die sich Antworten finden lassen, w e n n man methodisch effektiv v o r g e h e n will. Es ist daher nicht z w e c k m ä ß i g , von vornherein nach „staatlichen" Strukturen im 9. Jahrhundert in A n a l o g i e zu modernen Staatsvorstellungen zu fragen. D i e textimmanente
Quellenanalyse
h i n g e g e n zeigt Ordnungssysteme, die nach d e m hierarchischen Prinzip v o n Über- und Unterordnung zu d e m Gesamtkonzept des mittelalterlichen Herrschaftsverbandes vernetzt sind. D e s s e n tragende Säulen, Königtum, A d e l und Kirche, lassen sich in der B e w e r t u n g auch deshalb nicht zu staatstheoretischen A k t i o n s m e c h a n i s m e n verschieben, weil das bereits ang e s p r o c h e n e Abstraktionsvermögen in T e x t e n selten begegnet und damit offensichtlich im D e n k e n der Zeit kaum verankert war. 1 3 D a s vorherrschende, p e r s o n e n b e z o g e n e hierarchi-
und H.-W. G O E T Z , Regnum: Zum politischen Denken in der Karolingerzeit). Keller nimmt vor allem das späte 9. bis 11. Jahrhundert in den Blick mit deutlicher Ausrichtung auf die Regnumskonzeption des deutschen Reiches. Da der Begriff „Staatlichkeit" immer abstrakte Vorstellungen und damit Abstraktionsvermögen intendiert, ist seine Anwendung auf mittelalterliche, personenorientierte Ordnungssysteme problematisch. Günstiger erscheint es mit J. F R I E D von einem „Herrschaftsverband" zu sprechen; s. ders., Der karolingische Herrschaftsverband im 9. Jh. zwischen „Kirche" und „Königshaus", in: HZ 235, 1982, S. 1—43. Vom Denken der Zeit ausgehend (so bei Adalhard/Hinkmar, De ordine palatii) dominiert nach F R I E D die Ausrichtung der „Staatsvorstellungen" auf das Königshaus: „Wenn also - das gilt fur alle herangezogenen Autoren und Texte des 9. Jhs. - über das für die Volksleitung durch den König notwendige Instrumentarium gesprochen oder nachgedacht wurde, dann war nicht , der eine ermähnte den anderem und ermähnten sich ausnahmslos gegenseitig, es sollten alle jeden Groll, den sie wegen irgendeiner Sache hegten, aus ihrem Herzen bannen und entsprechend dem Willen Gottes und in geschuldetem Respekt vor der heiligen Kirche sowie unter Erhaltung ihrer Treueverpflichtung uns gegenüber und aufgrund der uns geschuldeten Ehre und zur Festigung und Erhaltung der königlichen Gewalt sich zu einem Bündnis des Friedens und ungeheuchelter Freundschaft verbinden, auf daß sie um so sicherer der göttlichen Barmherzigkeit gefielen, um so hervorragender imstande wären, über die Stabilität und Effektivität des Königs und des Reiches zu verhandeln, und um so ungehinderter Wohlergehen für sich selbst sowie gemeinsames Wohlergehen und Ruhe für das ganze Volk erlangten. So haben sie in einer Gott wohlgefälligen und lobenswerten Versammlung, die einmütig und mit vernünftigen Überlegungen durchgeführt wurde, unserer Güte ihre Ergebenheit und ihre Vorgehensweise in der aufrichtigsten Weise unterbreitet. Als wir genau erkannten, wie groß die Zuneigung der Getreuen zu unserer Herrschaft ist, haben wir - wie es die Angelegenheit verdientermaßen forderte - ihnen entsprechend gedankt und mit aller Hingabe gelobt, daß wir und unsere Herrschaft wohlwollende Genossen und Begleiter ihrer guten Übereinkunft in dieser Sache sein werden, die zweifellos das gegenwärtige und das zukünftige Heil fördert, und daß wir - soweit menschliche Schwäche dies zuläßt - allem abschwören, was ein Mitglied unserer Regierung durch Unwissen, jugendliche Unbesonnenheit oder aus Verwandtschaftsgründen gegen das ihr zuträgliche Wohlergehen und gegen ihre sittliche Verpflichtung bis zu diesem Zeitpunkt getan hat oder sich durch
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Die Verträge von Verdun und
Qua de re communiter inito consilio hoc scriptum fieri proposuimus, quod etiam manuum omnium nostrorum subscriptione roborandum decrevimus. In quo, quae nobis nunc praecipuae ad communem salutem et regni soliditatem atque omnium nostrorum utilitatem, immo plenissimam honestatem visa sunt pertinere, conscripsimus, non loquentes diversarum inmutatione personarum, ut modo regalis sublimitas, modo episcopalis auctoritas, modo autem fidelium loquatur commoditas; sed secundum apostolum sub uno capite Christo, ut revera unus homo in unius ,ecclesie corpore, singuli autem alter alterius membra', quod prosit omnibus, omnes unanimiter una voce loquamur, per eum et in eo, qui dixit et de quo dictum est: ,Νοη vos estis, qui loquimini, sed spiritus patris vestri, qui loquitur in vobis'."
Coulaines
fremde List hat zuschulden kommen lassen. Nachdem hierüber gemeinsam beraten worden war, schlugen wir vor, dieses Schriftstück aufzusetzen, und wir entschieden auch, daß es durch eigenhändige Unterschrift aller bekräftigt werden solle. In ihm haben wir alles schriftlich niedergelegt, was uns jetzt in besonderer Weise für das gemeine Wohl, die Stabilität des Reiches, unser aller Nutzen und darüber hinaus für vollständiges sittliches Streben wichtig schien. Dabei ließen wir nicht die einzelnen Personen abwechselnd zu Wort kommen, so daß einmal die königliche Erhabenheit, ein andermal die bischöfliche Autorität, dann wieder die Umgänglichkeit der Getreuen das Wort nehme, vielmehr so, daß wir alle - wie wir nach dem Wort des Apostels in der Tat unter Christus als dem einen Haupt ein Mensch sind in dem Leib der einen Kirche, die einzelnen aber jeder des anderen Glied, was allen nützt - einhellig mit einer Stimme sprechen durch ihn und in ihm, der sprach und von dem es heißt >Nicht ihr seid es, die da reden, sondern der Geist eures Vaters ist es, der in euch redete"
Diese adnuntiatio Karls II. und der Text der folgenden Rechtsnormen des Vertrages von Coulaines bezeugen die Konzeption von Herrschaftsvorstellungen, welche nach der Reichsteilung konkretisiert wurden. Zweifellos wird die exponierte Stellung des Königs funktionalisiert für den Zusammenhalt eines Machtgefüges zwischen ihm und den Spitzenvertretern der westfränkischen Reichskirche, sowie der weltlichen Magnaten. Bezweckt wurde eine Korrektur der Herrschergewalt dahingehend, daß der König die von der Gruppe der Magnaten bestimmten Zielvorgaben für Herrschaft und Reich durch seine Beitrittserklärung zu deren Einung akzeptieren mußte. Damit war die Einbindung des Herrschers in ein „Staatsgeftige" gelungen, das ihm eine Monopolstellung zwar einräumte, deren Ausübung jedoch an Regeln band. Interessanterweise traten dem König in Coulaines geistliche und weltliche Magnaten als Stände formiert gegenüber, die beschlußfähig im Vorfeld agiert und ihre Herrschaftsvorstellungen klar artikuliert hatten. Im Vertrag wurde Karl als Gesetzgeber akzeptiert und durch seine Promulgation des Textes in dieser Rolle öffentlich bestätigt. Der Inhalt des Textes war in Abstimmung mit den genannten Personenverbänden formuliert worden und wurde abschließend von einem Gremium sanktioniert, an dessen Spitze Graf Warin von Mäcon stand. Ziel der Einung des Personenverbandes war es, die Voraussetzungen für friedliche Zeiten durch Stabilisierung der Herrschaftsverbände und Kontrolle über das Gewaltmonopol des Königs zu erhalten. Die strukturelle Ausrichtung des Personenverbandes erfolgte nach dem Modell der christlichen Gemeinde, in Anlehnung an die Gemeindeordnung, die eine wech-
Die Ordnung der Kräfte im Vertrag von
Coulaines
213
selseitige Kontrolle vorsah - hortatus est alter alterum - , um im Geiste Gottes Frieden, Eintracht und Amicitia als Basis der Herrschaft im Reich zu festigen und zu wahren. Die Zeit der Bruderkriege hatte Spuren hinterlassen und Zunder für Unruhestiftung - so der Text der das soeben Erreichte zerstören könnte; Krieg und Zerstörung hatten zur Erkenntnis der eigenen Schwäche verholfen und Zwietracht war als das zerstörerische Machwerk des Menschenfeindes erkannt worden, das durch Einung kontrollierbar schien. Karls Beitritt war sein Plädoyer für den Verzicht auf Gewaltausübung gegenüber einzelnen, die ihm geschadet hatten, und zwar im Sinne eines kategorischen Imperativs, der hier nicht verbal als Forderung artikuliert worden war - wie etwa bei der Königserhebung Konrads II. sondern durch Minderung der königlichen Monopolstellung, weil der geforderte Beitritt zur Einung der Magnaten von ihm nicht verweigert wurde. Im Sinne des Reichsfriedens und des gegenseitigen Wohlwollens als Basis für Königsherrschaft mußte eine allgemeine Amnestie erlassen werden, weil die Magnaten deren Vorbedingung, nämlich die öffentlich bekundete Gefolgschaftstreue der Personenverbände und ihre Handlungsbereitschaft für das Regnum, erfüllt hatten. Insofern waren der Verzicht auf die Ausübung des Gewaltmonopols und die Akzeptanz der Vorbedingungen der Magnaten Zugeständnisse Karls an diejenigen Personengruppen, die den Handlungsspielraum seiner Königsherrschaft diametrisch stützten. Das Zusammenwirken der geistlichen und weltlichen Magnaten zeigt - wie erwartet eine Analogie zur Reichsteilung von Aachen oder auch zum Konzil von Fontenoy, wo gleichermaßen die geistlichen Führungspersönlichkeiten ein Gremium zur Bewertung der Sachlage gebildet hatten, einschließlich der Aufgabe, konstruktive Pläne der Zukunftsgestaltung zu entwerfen und zu verabschieden. Die episcopalis auctoritas hat den Friedensgedanken im Konzept der Herrschaftsvorstellungen des Vertrages von Coulaines zentriert; dazu gehörte die Idee der wechselseitigen Kontrolle der genannten Stände, des Königs, der Geistlichkeit und der weltlichen Magnaten, sowie die interne Kontrolle der Stände durch deren Zusammenschluß - im kirchlichen Verwaltungssystem auf Synoden und im Geflecht der Diözesen, im Raster weltlicher Machtstrukturen durch Einungen und Hoftage, sowie durch die Organisation der Grafschaften und größeren Territorialbereiche, und übergreifend durch das System der missatica. Allerdings zeigt der Text doch eine Gleichstellung der Magnaten geistlichen und weltlichen Standes; neben den vir is ecclesiasticis stehen inlustres viri nobili laicali habitu, welche Karl explizit als „Helfer des Staatswesens" bezeichnet - in rei publice nostrae solaciatores - , wobei an dieser Stelle deutlich die Textgestaltung durch König und weltliche Magnaten zu erkennen ist. Auch hier zeigt sich, daß die Phase der Bruderkriege eine klare Verteilung der Kompetenzen gefordert hatte, welche für die Zukunft beizubehalten fiir klug befunden worden war. An der Spitze einer genossenschaftlichen Einung der Magnaten stand - wie im Kampf - der König. Die Bewertung von Erfolgen und Niederlagen mit Planung fiir die Zukunft, und das hieß nach Verdun: mit der Konzeptionierung tragfähiger Herrschaftsstrukturen und Vorgaben, wurde der Intelligenz im Reich überlassen, die zudem das Wirken Gottes auf Erden vermitteln konnte. Nur dieser Gruppe war es möglich, das Königtum aus der Umklammerung der weltlichen Magnaten zu lösen, den König an ihre Spitze zu stellen und ihn als weltlichen Herrscher zum Mittler zwischen Gott und den Menschen werden zu lassen, eine Regnumsidee zu konzipieren mit meßbarer Heiligkeit, die ein Herrscher durch imperiale Erhöhung erreichen konnte auch ohne Imperium - oder eben
214
Die Verträge
von Verdun und
Coulaines
nicht. War sich die Gruppe der weltlichen Magnaten der Gefahr einer s o l c h e n „Entrückung" ihres K ö n i g s bewußt? Mußte deshalb Warin j e n e abschließende Kontra II function über die Vertragsgestaltung eingeräumt werden, die ihn im Text an der Spitze eines G r e m i u m s weltlicher Magnaten nennt, dem offenbar dann die Geistlichkeit den Vertragsentwurf v o r z u l e g e n hatte, n a c h d e m der K ö n i g als Zweiter, nicht als Letzter (!) sein Placet g e g e b e n hatte? Bei c o w e w w i - F o r m e l n
in Schenkungsverträgen b e i s p i e l s w e i s e erscheinen
diejenigen,
deren Z u s t i m m u n g für den V o l l z u g einzuholen ist, immer in einer herausgehobenen, wichtigen Position: Sie müssen gehört werden, auch um die Rechtmäßigkeit der actio
zu garantie-
ren. 57 Hatte man daher bei der Konzeption des westfränkischen R e i c h e s b e w u ß t ein s o l c h e s Regulativ als Instanz eingesetzt, damit die auctoritas
der Geistlichkeit n o c h einmal durch
ein w e l t l i c h e s Gremium überprüft wurde, vielleicht auch deshalb, w e i l ihrer Entscheidung von A a c h e n kein dauerhafter Erfolg b e s c h i e d e n war, jetzt aber zur inneren B e f r i e d u n g des R e i c h e s dringend eine stabile Konzeption benötigt wurde? Damit hätte Warin entscheidenden Anteil am Z u s t a n d e k o m m e n des Vertrages. B e g e g n e t er in dieser höchst verantwortlichen Funktion, s o darf auf eine Persönlichkeit g e s c h l o s s e n werden, die aufgrund ihrer Machtposition, s o w i e intellektuell geistlichen Magnaten des H o f e s g e w a c h s e n war. 5 8 D i e Form der R e d e ist v o m kirchlichen Stil geprägt. D a s Regnum stianum
57 58
ist als Regnum
chri-
skizziert, Realität und Konzeption werden in einer Gesamtsicht umschrieben; der
Zuletzt dazu D. HELLMUTH, Frau und Besitz. Zum Handlungsspielraum von Frauen in Alemannien (700-940), (= VuF Sbd. 42), Sigmaringen 1998, S. 195ff. Es ist also keineswegs zu vermuten, daß Warins Zustimmung erzwungen worden war, wie in der Forschung vorgeschlagen, s. dazu CLASSEN, Die Verträge von Verdun und von Coulaines, S. 24f. - Daß Warin später zunehmend in den Hintergrund der westfränkischen Politik tritt, wie CLASSEN meint, kann vielfältige Ursachen haben. Für eine Bewertung dieser Frage ist m. E. auch die lückenhafte Überlieferung der Quellen aus dem burgundischen und aquitanischen Raum zu berücksichtigen, wo sich Warin nach 843 überwiegend aufhielt. - Eine Rivalität zwischen Warin und Adalhard vermutet M. CHAUME, Les origines du duche de Bourgogne, Dijon 1925, S. 176ff. Allerdings bestätigt Karl II. am 25. 2. 852 in Quierzy einen Tausch Warins und bezeichnet ihn in dieser Urkunde als dilectus et amabilis nobis comes, vir illuster Werinus; TESSIER I, nr. 147, S. 387ff. Dieser Titel belegt, daß Warin damals noch eine Spitzenfunktion am Königshof einnahm. Ferner hat Warin mehrfach für seine Vasallen Königsurkunden erhalten, so daß Karl II. den von ihm angeführten Gefolgschaftsverband offenkundig stützte und begünstigte; hierzu TESSIER 1, nr. 98, S. 261, vom 25. 8. 847 in Servais, Schenkung an Riculfus Hriculfum, vassallum videlicet Warini inlustri comitis nostri, de quibusdam rebus nostrae proprietatis honorare atque in eius iurispotestatem liberalitatis nostrae gratia conferre (S. 262). - Die Narratio der Urkunde Karls II. vom 4. 12. 861, TESSIER II, nr. 236, S. 2Iff., fur die Kirche von Mäcon, berichtet von einer weiteren Schenkung an einen Vasallen Warins, die Karl wohl ebenfalls während seiner frühen Regierungsphase ausgesprochen hatte, weil Besitzrechte der Kirche nicht beachtet wurden; für eine solche Fallkonstellation gibt es in seiner frühen Regierungsphase zahlreiche Beispiele, was zeigt, in welchem Maß die Hilfeleistungen durch weltliche Magnaten und deren Gefolgschaft während der Bruderkriege ihnen danach entgolten werden mußten. Es heißt im Text: qualiter veniens olim Raginardus, vassallus scilicet Warini carissimi quondam marchionis nostri (S. 21); Warin war damals offensichtlich bereits verstorben. Des weiteren hat Warin für das Kloster Flavigny-en-Auxois, dem er als Laienabt vorstand, eine Königsurkunde erwirken können, TESSIER I, nr. 117, S. 31 Off. vom 25. 6. 849 - Warinus Muster comes necnon et rector monasterii Flaviniaci (S. 312). Aus diesen Quellenbelegen kann wohl kaum ein verminderter Einfluß Warins erschlossen werden. Seine Königsnähe hat er nicht verloren, denn noch in der Rückschau auf sein Wirken wurde in Karls Urkunden sein Name durch das Epitheton carissimus marchio besonders gewürdigt.
Die Ordnung der Kräfte im Verlrag von
Coulaines
215
Jetzt-Zustand als erster Schritt des Soll-Zustandes bezieht die Zukunft in die Gegenwart ein, läßt Irrealität Realität werden. Alle Funktionen des öffentlichen Lebens sind eingebunden in das christliche Weltbild. Ethische Werte, so die innere Befriedung des Reiches und die Sorge des Herrschers um das Gemeinwohl, werden zu spezifisch christlichen Handlungsnormen umgedeutet, ausschließlich als solche gesehen. Der Gefolgschaftsverband entspricht als Reichsvolk dem Volk Gottes innerhalb der neuen Reichsgrenzen. Wollte Karl damals auch die Führung der Reichskirche in seinem Regnum übernehmen? Hatte er sich deshalb der Einung der Magnaten beider Stände angeschlossen? Wichtigster Gesichtspunkt des in Coulaines als Bestandteil der sancta ecclesia konzipierten karolingischen „Staatswesens" war im Proömium die Darstellung der Führungsposition Karls. Die Gemeinschaft der fidelium Dei et regis hatte ihn an ihrer Spitze stehend akzeptiert. Die Einung der Magnaten konnte folglich nicht gegen ihn gerichtet sein. Karl übernahm vielmehr die Führung der Einung, auch wenn er seine Rolle als die eines Bündnispartners und Weggefahrten für die Zukunft bezeichnet; eine gewisse Distanz ist unübersehbar. Die im Text beschriebene Kräfteverteilung im Ordnungssystem des Regnums wurde von J. Nelson ähnlich bewertet, die entgegen der Interpretation von E. Magnou-Nortier die Spitzenstellung des Königs für erwiesen hält. 59 Es kann nicht übersehen werden, daß der Beitrittserklärung Karls die Huldigung der Magnaten und deren Zusage zur Handlungsbereitschaft im Einsatz für die Königsherrschaft - actio ßdelissime (facta/condicta) - vorausgegangen waren. Die vasallitische Konzeption wird als Basis der Königsherrschaft und als Modus zur Strukturierung des Handlungsspielraums durch reziproke Verpflichtungen sichtbar. Huldigung und Treuebekundungen waren der erste Schritt einer zweiseitigen Bindung zwischen König und Reich, in die sich das Königtum einfügen mußte. In Coulaines war neu, daß nicht auf Einzelpersonen bezogene Bindungen nach dem Muster von Über- und Unterordnung, Huld und Hilfeleistung, Königsdienst und Königsschutz, erneuert und bestätigt wurden, sondern daß eine Gruppe Gleichgesinnter aus beiden Stände, die das Reichsvolk repräsentierten, den König mit Herrschaftsvorstellungen konfrontiert hatte und ihn nach Einigung über die Kursrichtung und Vorgaben der Herrschaftsausübung an ihre Spitze stellte. Die Ähnlichkeit eines solchen Vorgehens mit späteren Königserhebungen und die analoge Vorgehensweise bei Wahlversprechungen im deutschen Reich ist offensichtlich. Ohne Autoritätsverlust konnte Karl freilich damals Zugeständnisse machen, und zwar nach den Vorgaben des vasallitischen Rituals; so spiegeln sich Leistung und Gegenleistung in der Wortwahl des Proömiums wider, wenn er den Verlauf der Versammlung von Coulaines skizziert. Devotio und actio ßdelissime (facta/condicta), die Karl als tantam fidelium erga dominationem nostram benignitatem ... subtiliter erkannt und bewertet hatte, erwiderte er mit einer Haltung, die er als condignas gratiarum actiones bezeichnet, und tola devotione Schloß er sich der Einung der Magnaten an. In der Wortwahl zeigt sich die Gleichwertigkeit der Bündnispartner, nicht aber im Sinngehalt der Worte und nicht in den Handlungen von König und Magnaten, die standesspezifisch ausgerichtet sind. Die actio der Magnaten wird nicht näher erläutert. Sie meint sowohl
59
J. NELSON, T h e I n t e l l e c t u a l in Politics, S. 7f., S. 12.
216
Die Verträge von Verdun und Coulaines
die Versammlung der Magnaten als solche, die konstitutiven Charakter hatte, als auch deren Handlungsbereitschaft im zukünftigen Herrschaftsgefüge entsprechend den christlichen Maximen. Die im Gegenzug zugesagten condignae gratiarum actiones werden konkretisiert, weil Karl eine allgemeine Indulgenz erlassen hatte bis zu diesem Zeitpunkt: abdicatis omnibus ... quae persona ... contra convenientem sibi salubritatem et honestatem usque modo egerat aut alterius astu contraxerat. Abdicare ist hier am besten mit dem französischen Wort „enlever" gleichzusetzen, das „wegnehmen, streichen, entfernen" bedeutet, woraus sich ergibt, daß in Coulaines tatsächlich eine Indulgenz erlassen wurde zur inneren Befriedung des Reiches nach den Bruderkriegen. 60 Condignae gratiarum actiones sind folglich königliche Erlasse, während mit der actio der Fideles die Haltung der in Coulaines anwesenden Magnaten und ihre Handlungsbereitschaft für das Regnum gemeint sind. Auch devotio wird mit unterschiedlicher Hermeneutik verwendet: Die devotio der Magnaten bezeichnet im vasallitischen Sinn deren Huldigung. Tota devotione sieht sich Karl dem Gemeinwohl verpflichtet, und nur weil die Sorge der Magnaten um das Gemeinwohl den Zielen seiner Königsherrschaft entgegenkommt - per benivolentiam in hoc facta -, wurde er zum Bündnispartner ihrer bonae convenientie. Tota devotione meint daher den Grad der königlichen Fürsorge um das Wohl des Personenverbandes und bezieht sich ausschließlich auf die Adelselite. Aus diesem Grund spricht Karl am Ende seiner Rede erst vom Gemeinwohl, dann vom Fortbestand des Reiches, woraus allerdings auch die Abhängigkeit des Regnums vom Zusammenhalt des Personenverbandes deutlich wird: praecipuae ad communem salutem et regni soliditatem atque omnium nostrorum utilitatem.61 Es soll nicht verkannt werden, daß es auch Ziel jener in Coulaines vorgetragenen „Staatsvorstellungen" war, eine stärkere Verchristlichung in dem ethisch und kulturell sehr weit entwickelten westfränkischen Reichsgebiet einzuleiten. Aus dem Text geht hervor, daß Karl II. in Coulaines auch den Vorsitz einer Synode innehatte; diese Position wird jedoch zusätzlich überhöht, denn in Analogie zu der Führungsrolle, die Christus innerhalb der Kirche einnimmt, wurde sein Königtum als sakral überhöhte Herrschaft im Text verstanden. Deshalb spiegelt das Zitat aus dem Matthäusevangelium - Νon vos estis, qui loquimini, sed spiritus patris vestri, qui loquitur in vobis - am Ende der adnuntiatio noch einmal das Bild der Einheit wider, diesmal bezogen auf die christliche Gemeinschaft, der das Wirken des Geistes Gottes Einheit verleiht im Sinne der Dogmatik des Pfingstfestes. Solche Idealvorstellungen stehen am Ende der Bruderkriege. Der König, der fur alle spricht, wird zur Integrationsfigur stilisiert. Seine vasallitische Fürsorgepflicht wird im System christlicher Gesellschaftsstrukturen des Karolingerreiches funktionalisiert und zwar als Mittlerrolle zwischen Himmel und Erde. Aus diesem Grund mußte er für die Bischöfen, die - allem Weltlichen entrückt - Transzendenz verkörperten, kontrollierbar bleiben. Der Weg
60
61
S. NIERMEYER, S. 4; nicht korrekt ist die Übersetzung der Textstelle bei LOT/HALPHEN S. 9 2 u. E. MAGNOU-NORTIER, S. 101. Durch falsche Zeichensetzung und unzutreffende Bezüge entstand eine Interpretation, die hier keinesfalls gemeint sein kann; s. o. die richtige Textwiedergabe nach W . HARTMANN, M G H Concilia 3, S. 15 Z. 1 4 - 1 7 . Ebd. Z. 19.
Die Ordnung z u m rex
der Kräfte
christianus,
im Vertrag
von
Coulaines
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d e n Karl s o e r f o l g r e i c h w i e k e i n anderer H e r r s c h e r der K a r o l i n g e r d y -
n a s t i e g e g a n g e n ist, hat in C o u l a i n e s s e i n e n A n f a n g g e n o m m e n . 6 2
3.4.2. Die Sorge um das Wohl des Reiches in den Capitula D e r T e x t d e s D o k u m e n t s , d a s d i e V e r f a s s u n g e i n e s s i c h n e u f o r m i e r e n d e n Regnums
beinhal-
ten s o l l t e , ist in s e c h s K a p i t e l n relativ k u r z a b g e f a ß t . D i e R e c h t e und P f l i c h t e n d e r drei S t ä n d e d e r O b e r s c h i c h t s i n d n o r m a t i v f o r m u l i e r t . G e m e i n s a m e s A n l i e g e n aller m u ß t e d i e F r i e d e n s s i c h e r u n g im Innern b l e i b e n . D a s d e m K ö n i g a b g e r u n g e n e Z u g e s t ä n d n i s ist s e i n V e r z i c h t a u f d a s G e w a l t m o n o p o l . D i e s w a r nur m ö g l i c h durch d i e Z u s a g e e i n e s
Zusam-
m e n w i r k e n s d e r b e i d e n A d e l s s t ä n d e mit d e m K ö n i g bei der S t r a f v e r f o l g u n g v o n A u f s t ä n d i s c h e n . D i e V e r a n t w o r t u n g für d a s Regnum schicht
verlagert,
denen
hieraus
w u r d e d e m n a c h a u f d i e M i t t e l k r ä f t e der O b e r -
Kompetenzen
erwuchsen,
die
ihnen
gegen
Ende
des
Säkulums die D o m i n a n z gegenüber den sich verringernden Kräften des Königtums sicherten. Die folgende Textwiedergabe
ist als T e x t v e r g l e i c h u n g d e s l a t e i n i s c h e n O r i g i n a l s
mit
Ü b e r s e t z u n g e n in d e r f r a n z ö s i s c h e n F a s s u n g v o n E. M a g n o u - N o r t i e r u n d e i n e r hier v o r g e stellten deutschen Fassung angelegt. D e r T e x t d e r Capitula
lautet:
1. De honore videlicet et cultu dei atque sanctarum ecclesiarum, quae auctore deo sub dicione et tuitione regiminis nostri consistunt, communiter domino mediante decernimus, ut, sicut tempore beatae recordationis domni ac genitoris nostri exculte et honorate atque rebus ampliatae fiierunt, salva aequitatis ratione ita permaneant, et que a nostra liberalitate honorantur atque ditantur, de cetera sub integritate sui serventur, et sacerdotes ac servi dei vigorem ecclesiasticum 63 et debita privilegia iuxta reverendam auctoritatem optineant; eisdem vero regalis potestas et inlustrium virorum strenuitas seu rei publice administratores, ut suum
En ce qui conceme l'honneur et le culte de Dieu et des saintes Eglises qui demeurent, Dieu aidant, sous l'autorite et la protection de notre gouvernemcnt, nous decidons d'un commun accord, avec le secours de Dieu, qu'elles demeurent telles q'elles furent favorisees de biens, entretenues et honorees au temps de notre seigneur et pere de bienheureuse memoire, etant sauves les raisons d'equite. Que Celles qui sont honorees et enrichies par nos liberalites voient conserve Γ ensemble de leurs biens. Que les pretres et les serviteurs de Dieu obtiennent selon l'ordre qu'on se doit de respecter, les privileges qui leur sont dus et la force d'action (qui convient ä 'or-
In Bezug auf die Ehre und die Verehrung Gottes und der heiligen Kirchen, die - da uns Gott dazu bevollmächtigt - unter unserer Gewalt und dem Schutz unserer Herrschaft bleiben, haben wir mit Gottes Hilfe in gemeinsamer Übereinstimmung beschlossen, daß sie so, wie sie zur Zeit unseres Herrn Vaters seligen Angedenkens ausgestattet und verehrt und durch Besitzungen erweitert wurden, bleiben sollen, und zwar aus dem Grund der Gleichbehandlung. Und diejenigen Kirchen, die durch unsere Freigebigkeit geehrt und bereichert werden, sollen im übrigen ihren Besitz unbeschadet bewahren können. Die Priester und Die-
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Zur Verchristlichung des Gemeinwesens s. auch CLASSEN, S. 21. - Zu weit geht E. MAGNOUNORTIER, wenn sie die Beteiligung der weltlichen Magnaten an der convenientia beiseite läßt und convenientia nur als kirchliche Einung versteht; dies., Les eveques et la paix dans l'espace franc ( V I e ΧΓ siecle), in: L'eveque dans l'histoire de l'Eglise, Angers 1984, S. 3 3 - 5 0 , hier S. 44f.: „Conjointement, le roi et les dveques et abbes, dans l'esprit du contrat de .convenientia' qui marque si profondement toute la politique de Charles le Chauve depuis Coulaines, edictent des mesures pratiques, qu'ils appellent un .medecine', pour retablir la paix avec Dieu".
63
V g l . NIERMEYER, v i g o r , S. 1 1 0 1 .
Die Verträge von Verdun und
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Coulaines
mynisterium competenter exequi valeant, in omnibus rationabiliter et iuste concurrant.
dre) ecclesiastique. Que le pouvoir royal, le devouement des hommes influents, les administrateurs de l'etat mettent tout en oeuvre, selon la raison et le droit, pour que tous puissent remplir comme ils le doivent leur ministere64
ner Gottes sollen die kirchliche Gewalt und die verdienten Privilegien ihrem ehrwürdigen Stand gemäß erhalten. So mögen in der Tat die königliche Macht und die Tatkraft herausragender Männer und die in der Verwaltung des Regnums tätigen Personen mit allen Kräften vernünftig und gerecht in diesen Dingen zusammenarbeiten, damit jene ihren Dienst angemessen ausführen können.
II. Honor etiam regius et potestas regali dignitati competens atque sinceritas et optemperantia setiiori debita, remota omni socordia et calliditate seu qualibet indebita quorumcumque coniunctione contra honorem et potestatem atque salutem nostram sive regni nostri soliditatem, nobis in omnibus et ab Omnibus, sicut tempore antecessorum nostrorum consueverat, exhibeatur. Et si quis quemcumque contra nos et contra hanc pactam sinceritatem aliquid moliri manifeste cognoverit, si eum converti nequiverit, aperte prodat atque denotet. Et sie consilio atque auxilio episcopalis auetoritas et fidelium unanimitas, ut noster honor et potestas regia inconvulsa permaneat, totis nisibus decertare et adiuvare procuret.
Que nous soit manifeste ou reconnu en tout et par tous, comme il etait accoutume au temps de nos predecesseurs, l'honneur dü au roi, le pouvoir appartenant ä la dignite royale, la sincerite et l'obeissance dues au maltre, ä la condition que soient exclues Iächete, fourberie, entente malhonnete qui sont contraires ä notre honneur, ä notre pouvoir, a notre salut et ä la securite de notre royaume. Si quelqu'un etait reconnu pour avoir machine contre nous et contre ce pacte de sincerite et ne voulait changer de conduite, qu'il soit ouvertement tire de l'ombre et denonce. Et que, de cette fafon, l'autorite episcopale et l'unanimite des fideles s'emploient de toutes leurs forces ä combattre et intervenir par le conseil et l'aide, pour que notre honneur et la puissance royale demeurent inebranlables.
Femer sollen uns in allem und von allen, so wie es zur Zeit unserer Vorfahren üblich war, königliche Ehre erwiesen werden und die der königlichen Würde angemessene Herrschaftsgewalt zuteil werden, sowie die dem Lehnsherrn geschuldete Aufrichtigkeit und der ihm geschuldete Gehorsam. Dabei sollen Fahrlässigkeit und Hinterhältigkeit und jede Art von nicht gebührender Verbindung irgendwelcher Personen gegen unsere Ehre und Macht und unser Wohlergehen und den Bestand unserer Herrschaft unterbleiben. Und wenn jemand sichere Kenntnis hat, daß irgendeiner gegen uns und gegen diese im Vertrag beschlossene Aufrichtigkeit etwas im Schilde führte, soll er ihn offen anzeigen und ausfindig machen, wenn er ihn nicht davon abbringen konnte. Und so sollen in einem solchen Fall die bischöfliche Autorität und die Eintracht der Getreuen mit allen Kräften dafür kämpfen und durch Rat und Hilfe zusammenstehen, daß unsere Ehre und die königliche Herrschaft unbeschadet bleiben.
ΙΠ. Quia vero debitum esse cognoseimus, ut, a quibus honorem suseipimus, eos iuxta dictum dominicum honoremus, volumus, ut omnes fideles nostri certissimum teneant neminem cuiuslibet ordinis aut dignitatis deineeps nostro in-
Parce que nous reconnaissons devoir honorer ceux qui nous honorent, selon la parole de l'Ecriture, tous nos fideles tiendront pour le plus assure que personne, de quelque ordre ou dignite qu'il soit, ne puisse perdre un honneur merite par
Da wir aber erkennen, daß wir nach dem Wort des Herrn diejenigen ehren müssen, die uns Ehre erweisen, verfugen wir, daß alle unsere Getreuen ganz sicher sein können, daß keiner, welchen Stand und welche Würde er auch immer
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E. MAGNOU-NORTIER, Foi et fidelite, S. 103-106.
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convenient! libitu aut alterius calliditate vel iniusta cupiditate promerito honore debere privare, nisi iustitiae iudicio et ratione atque aequitate dictante. Legem vero unicuique competentem, sicut antecessores sui tempore meorum predecessorum habuerunt, in omni dignitate et ordine favente deo me observaturum perdono.
un caprice inconvenant de notre part, ou ä cause de la fourberie ou de Pinjuste convoitise d'autrui, sauf si l'imposaient le jugement de la justice, la raison et l'equite. Je me porte fort de conserver a chacun sa loi propre, telle que l'ont eue ses ancetres au temps de mes predecesseurs, quelle que soit sa dignite ou sa condition.
bekleidet, ein verdientes Amt und Lehen verlieren soll etwa aufgrund einer unschicklichen Willkürhandlung durch uns oder die Verschlagenheit eines anderen oder unberechtigte Begehrlichkeit, außer wenn ein Gerichtsurteil, ein vernünftiger Grund und die Billigkeit des Vorgehens geltend gemacht werden. Ich räume ein, daß ich das Recht, das in der Tat jedem vorgeschrieben ist, so wie es seine Vorfahren zur Zeit meiner Vorgänger innehatten, in seiner ganzen Würde und Anordnung mit Gottes Hilfe achten werde.
IV. Quod, ut facilius atque obnixius nostra auctoritas valeat observare, omnes, sicut in vestra bene memorabili convenientia pepigisti, conservare studebitis. Immo etiam cuncti in postmodum sollicite praecavebunt, ne aliquis pro quacumque privata commoditate aut reicienda cupiditate sive alicuius consanguinitatis vel familiaritatis seu amicitiae coniunctione nobis inmoderatius suggerat vel postulationibus aut quolibet modo inliciat, ut contra iustitiae rationem et nostri nominis dignitatem ac regiminis aequitatem agamus.
Pour que notre autorite soit observee avec plus de facilite et de perseverance, tous, vous vous efforcerez de la respecter, comme vous l'avez stipule dans votre convenientia memorable. Au contraire, tous vous eviterez ä l'avenir soigneusement de nous pousser sur une voie imprudente par interet, envie ou lien quelconque de parente ou d'amitie, ou de nous faire agir de fagon illicite, en sorte que nous allions ä l'encontre de la cause de la justice, de la dignite de notre nom et de l'equite du pouvoir.
Damit unsere Autorität um so leichter und getreuer dazu imstande ist, dies zu sichern, sollt ihr alle danach streben, sie zu erhalten, so wie ihr es auf eurer sehr ehrenswerten Zusammenkunft beschlossen habt. Mehr noch: Alle werden in Zukunft eifrig Vorkehrungen treffen, daß keiner um einer persönlichen Annehmlichkeit willen oder aus zu verwerfender Begehrlichkeit oder wegen familiärer Bindungen oder einer Freundschaft uns etwas in nicht gebührender Weise nahelegt oder uns durch Forderungen oder auf irgendeine andere Art dazu verleitet, gegen den Grundsatz der Gerechtigkeit, sowie gegen die Würde unseres Namens und die der Herrschaft angemessene Handlungsweise etwas zu tun.
V. Et si forte subreptum nobis quippiam ut homini fuerit, competenter et fideliter, prout sublimitati regiae convenit et necessitatibus subiectorum expedit, ut hoc rationabiliter corrigatur vestra fidelis devotio admonere curabit.
Et si par hasard quelque chose nous echappait, comme il en va pour l'homme, que votre fidele sollicitude prenne soin de nous en avertir de fa^on circonstanciee et loyale pour que nous y apportions un remede adequat, autant qu'il convient a la sublimite royale et aux besoins des sujets.
Und wenn etwas uns stark entgleitet ist, wie es einem Menschen geschehen kann, dann wird eure treue Ergebenheit dafür sorgen, daß angemessen und zuverlässig nachgefragt wird, wie es der königlichen Hoheit zukommt und es vorteilhaft ist für die Angelegenheiten der Untertanen, damit dies auf vernünftige Weise berichtigt wird.
VI. Tandem autem visum est nobis adnectere, ut si quis hoc foedus concordiae salubris, quod propter
II nous parait bon d'ajouter que, si quelqu'un rompait ce traite de concorde salutaire sur lequel nous
Es schien uns schließlich aber gut noch Folgendes anzufügen: Falls jemand dieses Bündnis der heil-
Die Verträge von Verdun und
220 pacis caritatisque custodiam inivimus et cirografi virtute subscripsimus, rebelli atque animo pertinaci inruperit, christiana dilectione admoneatur et ad inconvulsum ,caritatis vinculum' conservandum, quod qui temptaverit corrumpere facilius potent se ipsum disrumpere quam illud possit inrumpere, iuxta monita divina, ut resipiscat, hortetur. Et si audierit, fiat de societate fideli omnibus gaudium; si vero obaudire rennuerit, tunc pontificalis auctoritas et regalis sublimitas atque in caritatis conexione persistentium magnanimitas, secundum quod res et necessitas postulaverit ac ratio expetierit seu qualitati persone convenerit, zelum suae devotionis ferventissime exerat, et quod inspirante deo a g e n d u m in o m n e m salutis et utilitatis atque honestatis partem iudicaverit, inrefragabiliter peragat.
nous sommes entendus pour maintenir la paix et la charite et que nous avons fait rediger en forme de Chirographe et souscrit, et se montrait rebelle et opiniätre, qu'il soit admoneste avec une charite toute chretienne et exhorte ä conserver intact le lien de la charite selon les preeeptes divins, pour qu'il parvienne ä resipiscence, car ce lien est de nature telle que celui qui tenterait de la detruire se briserait plus facilement lui-meme qu'il ne reussirait a le briser. Si le coupable comprend ces paroles, que la joie eclate chez tous les fideles. S'il refuse au contraire, de les ecouter, qu'alors l'autorite episcopate, la sublimite royale et la magnanimite de ceux qui persistent dans ce lien de charite manifestent le zele de leur fervente piete, selon ce que reclameront la nature de l'affaire et la necessite, ce que conseillera la raison et ce qui conviendra ä la qualite de la personne. Q u ' o n accomplisse alors irrevocablement ce q u ' o n aura decide avec le secours de Dieu, en tout ce qui a trait au salut, ä l'utilite et ä la probite.
Coulaines
samen Eintracht in rebellischer und verstockter Gesinnung bricht, das wir eingegangen sind, um Frieden und Caritas zu bewahren, und das wir unterzeichnet haben, dann möge er in christlicher Liebe ermahnt und nach der heiligen Schrift aufgefordert werden, dieses unverletzliche Band der Caritas zu bewahren, damit er wieder zur Vernunft kommt, und zwar deshalb, weil, wer es zu brechen versuch^ leichter sich selber ins Verderben bringen kann, als d a ß er ein solches Bündnis zerstören könnte. Und wenn er auf diese Weisung hört, wird bei allen, die der getreuen Gemeinschaft angehören, Freude sein. Lehnt er es aber ab zu gehorchen, dann sollen die bischöfliche Autorität, die königliche Erhabenheit und die Hochherzigkeit der im Bund der Caritas Verharrenden entsprechend dem, w a s Sachlage und Notwendigkeit erfordern und die Vernunft gebietet oder dem Ansehen der Person zukommt, den Himmel in ihrer Frömmigkeit eindringlich anflehen, und w a s durch Gottes Eingebung geschehen soll und nach j e der Seite hin als heilsam, vorteilhaft und ehrenvoll entschieden werden wird, das bleibt unverrückbar. 6 5
Die sprachliche Formgebung der capitula läßt die Systematisierung der Rechtsinhalte zugunsten einer einheitlichen Diktion erkennen, ferner die Anlehnung an die Normgebung weltlicher Gesetzestexte und den Versuch, diese Rechtssprache im Sinne einer christlichen
65
A u c h h i e r der V e r s u c h der R e c h t s f i n d u n g a u f einer z w e i t e n S p r a c h e b e n e , w e l c h e „ d u r c h G o t t e s E i n g e b u n g " artikuliert w e r d e n k ö n n e , d e m Bereich der A l l t a g s s p r a c h e e n t r ü c k t und d u r c h r e l i g i ö s e Ü b u n g e n v e r m i t t e l b a r sei. D i e s e B e o b a c h t u n g ist als E r g ä n z u n g z u den g r u n d l e g e n d e n A u s f ü h r u n g e n von H. BRINKMANN, D i e „ z w e i t e S p r a c h e " , z u verstehen. Seine E i n f ü h r u n g in j e n e , sich a n P a r a d i g m e n orient i e r e n d e A r t i k u l a t i o n s w e i s e b e s c h l i e ß t er n a c h e i n e m B l i c k a u f G e d i c h t e H e i n r i c h s von M ü g e l n z u m Inhalt d e r Hl. S c h r i f t mit der C o n c l u s i o : „ E s m u ß e i n e l a n g e E i n ü b u n g d a g e w e s e n sein, ein l a n g e r U m g a n g m i t d i e s e r z w e i t e n S p r a c h e , d a m i t sie ihre W i r k u n g t u n k o n n t e u n d d a m i t ein D i c h t e r w i e H e i n r i c h v o n M ü g e l n , d e r sich s e h r b e w u ß t i m m e r als L a i e n b e z e i c h n e t , in s o l c h e r W e i s e z u w i r k e n v e r m o c h t e " (S. 170f.). D i e S e l b s t v e r s t ä n d l i c h k e i t , m i t der die E b e n e d e r T r a n s z e n d e n z d u r c h r e l i g i ö s e Ü b u n g e n traditionell e r r e i c h b a r w a r , hat hier A u s w i r k u n g e n a u f die Art, in d e r m a n sich der z w e i t e n S p r a c h e bed i e n t e u n d - w i e in d e m T e x t b e i s p i e l der Capitula von C o u l a i n e s ersichtlich - sie f u r e r r e i c h b a r u n d art i k u l i e r b a r hielt.
Die Ordnung der Kräfte im Vertrag von
Coulaines
221
Normgebung zu gestalten. Die Analogie zur kanonischen Rechtssprache im Sinne einer autoritativen Diktion, welche durch Bibelzitate und den Anspruch, die Sprache Gottes zu vermitteln, deutlich artikuliert wird, ist in dem Bestreben zur Vereinheitlichung weltlicher und kanonisch rechtlicher Normgebung mit dem Ziel der Institutionalisierung des Gottes Staates begründet. Diese Herrschaftskonzeption bewirkte einerseits eine klare Reduktion der Ansprüche weltlicher Magnaten auf paritätische Beteiligung an der Königsherrschaft, andererseits leitete sie die Kooperation des Königs mit der im Regnum institutionalisierten geistlichen Führungsschicht ein, welche als Garanten für die Vermittlung von Gottes Wirken auf Erden fungierte. Die Vereinheitlichung der Sprache zugunsten einer autoritativen Diktion hatte zur Folge, daß die Wünsche und Rechte der Magnaten nicht von diesen vorgetragen werden konnten, sondern vielmehr vom König als Zugeständnisse und Leistungen zum Schutz der Rechte des einzelnen. Dadurch gelang eine konkave Bündelung der Kräfte unter dem inhaltlichen Gesichtspunkt der Stabilität der Herrschaft. Der sicherlich wichtigen und auch im Text betonten Beteiligung der Magnaten bei der Abfassung des Gesetzestextes vor allem bei den Passagen zur Regelung von Reichskrisen bei Abtrünnigkeit einzelner Personen und Rebellion - war bei der Schlußredaktion offenbar wohl bewußt eine Grenze zugunsten der Demonstration königlicher Autorität gesetzt worden. Aus diesem Grunde ist auch die Passage zur Ehre der Kirchen, den Status der Kleriker und die Ausstattung der Kirchen umfassend, nicht in der Form eines Synodalbeschlusses - wie man erwarten könnte - , sondern als königlicher Erlaß formuliert. Lediglich der Hinweis communiter decernimus läßt auf einen von der Geistlichkeit vorab vorgetragenen Gesetzesentwurf schließen. In dem am Textbeginn den kirchlichen Institutionen des Reiches explizit bestätigten Recht auf Königsschutz - de honore ... sanctarum ecclesiarum, quae auctore deo sub dicione et tuitione regiminis nostri consistunt - wird ihr gemeinsamer Status in Anbindung an das neu entstandene Regnum Karls II. festgelegt und zwar als konstitutiver Machtfaktor eines sich konstitutionell formierenden karolingischen Regnums. Bei diesem Erlaß dienten die unter Ludwig dem Frommen erreichten Prämissen hinsichtlich der Kontrolle und Mitverantwortung für die Herrschaft im Reich als spirituelles und materielles Orientierungsraster zur Erweiterung des Systems und zu dessen Strukturierung, die erfolgen sollte sicut tempore beatae recordationis domni ac genitoris nostri exculte et honorate atque rebus ampliatae fuerunt. Eine Grundforderung ist die Beibehaltung des Prinzips der Gleichbehandlung und zwar im Sinne einer Garantie der Rechtssicherheit; Schenkungen und Regelungen zum Rechtsstatus der Kirchen sollen aequitatis ratione erfolgen, wobei berechtigte Forderungen zu stellen sind. Festgeschrieben wurde die Zusammenarbeit des Königs als höchste Instanz mit den in der Verwaltung tätigen weltlichen Magnaten hinsichtlich der Privilegierung und Ausstattung von Kirchen, wodurch Rückforderungsansprüchen weltlicher Magnaten - hierauf zielt der Text ab - auf diese Weise künftig durchaus Einhalt geboten werden könne. Hieraus ergibt sich, daß nur ein Teil der konzipierten Vorschläge hinsichtlich der Forderungen zur Wahrung der Ehre der Kirchen abschließend als Reichsrecht in Kraft gesetzt wurde und zwar in formaler Ausrichtung auf den König als Gesetzgeber und daher in abgewandelter Form synodaler Vorschläge. Synode und Reichsversammlung von Coulaines fungierten demnach als gesonderte Gremien, zur Entwicklung von Gesetzesvorschlägen und für
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Die Verträge von Verdun und
Coulaines
wechselseitige Absprachen. Die Entscheidung über die abschließende Fassung dürfte dann einer relativ kleinen Gruppe anvertraut worden sein, wobei die Zentrierung der konstitutionell verankerten, künftig möglichen Interaktionen auf die Person des Königs hin unabdingbare inhaltliche Voraussetzung war. Dieses übergeordnete Gremium ist wohl in der Hofkapelle zu sehen, die - wie bereits angesprochen - Graf Warin den Vorsitz eingeräumt hatte. Eine ganz ähnliche Konstellation hat W. Hartmann zur Frage der Abfassung der Beschlüsse der Reichsversammlung von Epernay vom Juni 846 festgestellt. Damals waren von 83 Kanones des Konzils von Meaux-Paris der Jahre 845/46 nur 19 als Kapitularien übernommen worden wegen des massiven Protestes der weltlichen Magnaten. Dieser Vergleich läßt folgende Schlußfolgerung zu: 1. Synodalrecht wurde nicht automatisch als Reichsrecht übernommen und hatte daher nur eine begrenzte Verbindlichkeit im Reich. 2. Für die frühe Phase der Regierungszeit Karls II. kann dem folgend davon ausgegangen werden, daß Synodalbeschlüsse nur in Absprache mit dem König und mit Zustimmung der weltlichen Magnaten in das Kapitularienrecht aufgenommen wurden. 6 6 Die capitula 2 und 3 zur Ehre des Königs und der Rechtsstellung der Magnaten im Reich sind aufeinander abgestimmt; deutlich erkennbar ist ein wechselseitig abgeschlossenes pactum als verfassungsrechtliche Konstante hinsichtlich einer allgemeinen und umfassenden Garantie der jeweiligen Rechtsstellung. Nach dem Muster des lehnrechtlichen Vertrages ist die Gehorsamspflicht oberstes Gebot, ferner die Aufrichtigkeit im Umgang, welche ungebührende Verbindungen als den Beginn die Herrschaft gefährdender Verschwörungen ausschließen soll. Zu überlegen wäre, ob hier nicht auch der augustinische Staatsgedanke gemeint war, der eine Korruptionsgefährdung des Herrschers dadurch ausschließen möchte, daß die cives zu Mitverantwortung für den Staat aufgerufen werden, weshalb Augustinus die moralische Qualität dieser Mitverantwortlichen fordert. 67 Sinceritas wirkt als Prinzip gegen-
66
W. HARTMANN, ZU einigen Problemen der karolingischen Konzilsgeschichte, in: A H C 9, 1977, S. 6— 28, S. 19. - Vgl. zu Meaux-Paris ders., Vetera et nova. Altes und neues Kirchenrecht in den Beschlüssen karolingischer Konzilien, in: A H C 15, 1983, S. 7 9 - 9 5 , S. 87f. - Nicht behandelt wurde das Problem von F. L. GANSHOF, Recherches sur les capitulaires, in: Revue historique de droit frangais et etranger, 4C serie t. 35, 1957, S. 196-246, in welchen er Fragen der Entstehung, A b f a s s u n g und Ö f f e n t lichkeitswirkung der Kapitularien nachgeht. Bedauerlicherweise wurden die Kapitularien Karls II. nie als geschlossene Gesetzgebung betrachtet und untersucht, wie dies fur Karl den Großen und Ludwig den Frommen geschehen ist, vor allem durch die Publikationen von GANSHOF und jüngst A. BÜHLER, Capitula relecta, 1986. Eine heuristisch exakte Untersuchung fehlt fur Karl II. und dürfte wegen der zunehmenden Verflechtung kirchlichen und weltlichen Rechts während seiner Regierungszeit nicht einfach zu bewältigen sein. Nicht vergessen sein soll hier der Ansatz von J. NELSON, Legislation and consensus in the reign of Charles the Bald, in: dies.: Politics and Ritual in early medieval Europe, London 1986, S. 9 1 - 1 1 6 , allerdings der undifferenzierten Textzusammenstellung der M G H Kapitularienedition folgend, ohne die neuen Kriterien einer Unterscheidung und die Diskussion von K o n z i l i e n - und Kapitularientexten in der Literatur, etwa durch HARTMANN und MORDF.K, zu übernehmen.
67
In Weiterführung der Überlegungen von P. CLASSEN, Die Verträge von Verdun und von Coulaines, S. 33, kann hier m. E. eindeutig von einer Lehnsbindung als Grundlage der verfassungsrechtlichen Konzeption gesprochen werden. Auch hier ist von Traditionskontinuität auszugehen, vor allem ob des im Text mehrfach angesprochenen Grundsatzes der Gleichbehandlung der Magnaten - eben wie zur Zeit Ludwigs des Frommen oder Karls des Großen. Rechtskontinuität gilt als Faktor dafür, daß Vergangenheit autoritativ gegenwärtig ist; das Neue kann die Z u k u n f t nur gestalten, indem es zunächst das Recht
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Coulaines
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seitiger Sicherheit verpflichtend und zwar insofern, als von einer Anzeigepflicht bei Bekanntwerden von gegen Herrschaft und Reich gerichteten Verbindungen ausgegangen wird, der alle nachkommen sollen, und zwar in der Weise, wie sie durch die mit consilio et auxilio erfaßten Handlungsmuster vorgegeben ist. Offenkundig wird das Zusammenwirken der weltlichen und geistlichen Instanzen bei der Strafverfolgung mit dem Ziel ut noster honor et potestas regia inconvulsa permaneat. Wird sinceritas als Prinzip verstanden, nach dessen Spielregeln die öffentliche Kommunikation zwischen König und Magnaten zu erfolgen hat, so impliziert dies die Einschränkung des königlichen Gewaltmonopols, indem den Vasallen Ämter und Besitz garantiert werden. Lehnsentzug und Ämterverlust sollen nur möglich sein nach Durchführung eines entsprechenden Gerichtsverfahrens, durch Urteilsspruch und gemäß dem Prinzip der Billigkeit des Vorgehens; Willkürakte sollen unterbleiben. Den Passus abschließend, verpflichtet sich Karl, den so umschriebenen Rechtsstatus seiner Magnaten nicht zu verletzen, wiederum in Anlehnung an das Prinzip der Gleichbehandlung. Die Aktualität der Rechte der Personen wird hiermit garantiert. Freiwillige Rechtsgarantien stellen eine wesentliche Komponente im vasallitischen Bezugssystem dar. Wird sie hier von Karl freiwillig und aus übergeordneter Position gegeben, so erfolgte bei der Rezeption dieses Textes in den Kanones von Meaux-Paris eine Umformulierung des Passus in ein Königsversprechen durch Verwendung der Verbalform promittimus und einer scheinbaren Aufwertung der Person des Königs durch die synonyme Bezeichnung als nostra magnificentia: Legem ... favente domino nostram magnißcentiam observaturum promittimus.68 Dies ist die einzige Abweichung der Textrezeption von der Vorlage. Der Inhalt der Kapitel vier und fünf ist kohärent im Sinne von Ursache und Wirkung. Es kommen die Mitwirkung der Magnaten und ihre Verantwortung für das Wohl aller zum Ausdruck, wenn die mentale Ebene angesprochen und eine Gesinnung gefordert werden, welche Königsnähe nicht als unlauteres Streben nach Vorteilen auf Kosten anderer nützt und damit den König durch Falschinformationen zum Handlungswerkzeug eigener Machtgier werden läßt. Eine Zukunftsfürsorge um das Wohl des Regnums kann nur durch respektvolle Behandlung der königlichen Autorität realisiert werden, indem der König die Magnaten ermahnt, ihn nicht in Intrigen zu involvieren. Gemeint ist wiederum die sinceritas, die Offenheit, der sachliche Umgangston, die sachbezogene Information, der Grad der Aufrichtigkeit, auf den der König angewiesen ist, um angemessen entscheiden zu können. Denn die Art, wie Informationen zum König gelangen und am Hof verwendet werden, bedingt die Reaktion, die kalkulierbar wird. Hierzu gehört das im fünften Kapitel konzis umrissene Recht des Einspruchs der Magnaten gegen unklare und unzutreffende Entscheidungen des Königs; allerdings soll dies competenter et fideliter, prout sublimitati regiae convenit et necessitatibus subiectorum expedit vorgetragen werden. Dieser Appell an die Vorgehensweise dient der Friedenssicherung; auch die Reaktion der Magnaten auf ungünstige Entscheidungen soll kalkulierbar bleiben, das Recht des Einspruchs Unruhestiftung gegen den König verhindern.
d e r v e r g a n g e n e n Zeit als g ü l t i g e s R e c h t a n e r k a n n t e - s o die V o r g a b e d e r o f f e n b a r g ä n g i g e n R e c h t s t h e o rie. V g l . HÖFFE, P o s i t i v i s m u s p l u s M o r a l i s m u s . S. 2 7 1 . 68
H i e r a u f h a t W . KlENAST, D i e f r ä n k i s c h e V a s a l l i t ä t , S. 3 2 1 a u f m e r k s a m g e m a c h t : vgl. M G H C o n c i l i a 3 nr. U . S . 8 I f f . , h i e r S. 87 c. 3.
Die Verträge von Verdun und
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Coulaines
Das große Thema der capitula von Coulaines ist der Treuegedanke als verfassungspolitisches Prinzip, das der Struktur der Königsherrschaft als Personenverband mit wechselseitigen Kompetenzen zugrunde liegt. Der Treuegedanke verkörpert die ethisch-moralische Konzeption des Regnums, in welchem sinceritas, die gegenseitige Aufrichtigkeit, aequitas, die Gleichbehandlung im Sinne einer Rechtskontinuität, sowie die Rechtmäßigkeit der Vorgehensweise durch Garantie eines Rechtsverfahrens bei Veränderungen den Modus der Interaktionen zwischen König und Magnaten regeln sollten. Der Text ist eine Admonitio an die Herrschaftsträger, den König, die geistlichen Würdenträger, die weltlichen Magnaten, in der Hoffnung, deren Handlungsweise nach ethisch-moralischen Komponenten im religiösen und vasallitischen Bezugssystems an Normen zu binden, und mit dem Ziel, den Fortbestand der Herrschaft zu erhalten. Präsent waren die Reichskrisen Ludwigs des Frommen und die Unzufriedenheit der Magnaten, die Lothar zum Kaiser erhoben und Ludwig im Kloster verwahrt wissen wollten. Enthielt der Text von Coulaines deshalb den Passus des Einspruchsrechtes der Magnaten mit der Zusicherung Karls, seine Entscheidungen korrigieren zu wollen, um die Magnaten auch bei Unzufriedenheit noch an seine Königsherrschaft zu binden und rechtfertigte dieser Passus nicht auch die Notwendigkeit der Strafverfolgung, wenn dennoch, gegen die getroffene Absprache, Unruhe und Rebellion eskalieren sollten? 69 Die Initiative, die notwendige Vorgehensweise der Strafverfolgung im letzten Punkt des Vertrages schriftlich festzulegen, ging von Karl aus - Tandem autem visum est nobis adnectere. Der Text ist sorgfältig formuliert, beschwört aber erneut die Mithilfe der Getreuen und skizziert einen Instanzenweg, in dem sich kanonisch-rechtliche und weltliche Vorgehensweise ergänzen, um den Übeltäter wieder in die Gesellschaft einzugliedern oder ihn aus ihr für immer zu verbannen. Entsprechend der Diktion der adnuntiatio werden hier die Beschlüsse als foedus concordiae salubris, quod propter pads caritatisque custodiam inivimus und als inconvulsum caritatis vinculum conservandam bezeichnet. Fomites dissensionum unkontrollierbar eskalierenden Zunder für Rebellion und Unruhestiftung - galt es zu vermeiden, so die Prämisse der adnuntiatio. So wird abschließend speziell die Geistlichkeit dazu aufgerufen, sich für die Friedenssicherung einzusetzen, da nur sie es vermag, iuxta monita divina die Menschen, die auf ihr Seelenheil bedacht sein müssen, zu erreichen und von Verschwörungen gegen König und Reich wirkungsvoll abzuhalten. - Konnten Geistliche nicht auch beteiligt sein? - In Analogie zu Kapitel zwei werden die Einsichtsfähigkeit des Abtrünnigen und der Erfolg einer geistlichen Mahnung unterstellt, seine Rückkehr in die Gemeinschaft der Gläubigen nach der Dogmatik von Reue und Buße. Entzieht er sich freilich diesem Weg, zielt das weitere Vorgehen gegen ihn auf seine Verurteilung ab. 70 So stehen am Ende der vertraglichen Abmachungen von Coulaines der honor regius und die potestas regia. Gestützt auf die Hilfe seiner Getreuen konnte Karl jedem Abtrünnigen 69
Ein admonitio-Verfahren
vermutet a u c h Η. H. ANTON, Z u m p o l i t i s c h e n K o n z e p t , S. 8 6 m i t A . 1 1 3 , der
hier e i n „ d e n G r o ß e n für den Fall, d a ß der K ö n i g s i c h v e r f e h l t ( ! ) , z u g e s t a n d e n e s R e c h t zur Kritik" s i e h t , w o h l a u c h mit der T e n d e n z e i n e s l e g a l e n R e c h t s m i t t e l s . 70
Z u m P r o b l e m der coniuratio
in o t t o n i s c h e r , s a l i s c h e r und f r ü h s t a u f i s c h e r Z e i t s. die A r b e i t e n v o n G.
ALTHOFF, K ö n i g s h e r r s c h a f t und K o n f l i k t b e w ä l t i g u n g im 10. und 11. Jahrhundert, in: F m S t 2 3 , 1 9 8 9 , S. 2 6 5 - 2 9 0 , ders., K o n f l i k t v e r h a l t e n und R e c h t s b e w u ß t s e i n : D i e W e i f e n in der M i t t e d e s 12. Jahrhunderts, in: F m S t . 2 6 , 1 9 9 2 , S. 3 3 1 - 3 5 2 . s o w i e ders., D e m o n s t r a t i o n und I n s z e n i e r u n g . V g l . aber a u c h für Ä m ter-, L e l m s - und B e s i t z v e r l u s t in k a r o l i n g i s c h e r , o t t o n i s c h e r und s a l i s c h e r Z e i t A . KRAU, A b s e t z u n g s v e r f a h r e n ; vor e i n e r E i n e n g u n g der F r a g e s t e l l u n g w i r d hier g e w a r n t , S. 3 7 3 f f .
Die Ordnung der Kräfte im Vertrag von Coulaines
225
ein S t r a f v e r f a h r e n androhen und es auch z u m A b s c h l u ß bringen. Die K o n s e q u e n z eines solchen V e r f a h r e n s hatte er indirekt schon vorher genannt, als er im dritten Kapitel in Form einer Sicherheitsgarantie vortrug, daß Besitz-, Lehns- und Ämterverlust nur nach gerichtlichem V e r f a h r e n möglich sein sollten. Es war auch bekannt, auf w e l c h e W e i s e die M i t w i r k u n g kirchlicher Kreise bei der S t r a f v e r f o l g u n g von Abtrünnigen einsetzte. Regelungen hierfür waren erst vor wenigen W o c h e n auf der Synode von Lauriere verkündet w o r d e n .
3.5.Die Phase zwischen beiden Verträgen
Im Vertrag von Coulaines war die Abstraktion eines Regnumsbegriffes gelungen und zwar deshalb, weil der dynastische Gedanke erstmalig in einer karolingischen Reichskonzeption nicht thematisiert worden war. Statt dessen wurde versucht, das Zusammenwirken der an der Herrschaft beteiligten Stände mit dem Ziel der Friedenssicherung und der Stabilität des Reiches durch Regelungen zu systematisieren, die dem ethisch-religiösen Kodex zuzurechnen sind. Erkannt worden war, daß eine Wechselwirkung zwischen dem König und den an der Herrschaft aktiv beteiligten Mittelgewalten nur dann für das Wohl aller forderlich und nicht hemmend sein konnte, wenn gegenseitige Aufrichtigkeit als Handlungsmaxime und Regulativ im Sinne von Selbstkontrolle und Mitverantwortung Beachtung fand. Erstmals wurde „Staatlichkeit" in karolingischer Zeit als Zusammenwirken aller Herrschaftsträger definiert, wobei der König als hieran Beteiligter an ihre Spitze trat und den Gesetzestext verkündete, durch den ihm das Gewaltmonopol entwunden wurde; er sollte jedoch auch künftig unbestritten an der Spitze des Herrschaftsverbandes stehen, auch in der Frage der Strafverfolgung und hinsichtlich der Möglichkeiten der Privilegierung einzelner. Diese sehr deutliche Distanz zu der bisher üblichen Anbindung der Königsherrschaft an den Spitzenvertreter der herrschenden Dynastie - indem dieses Herrschaftsprinzip ignoriert wurde - erscheint plausibel vor dem Hintergrund der soeben beendeten Bruderkriege. In diesen mußte die karolingische Herrscherdynastie nicht nur einen Imageverlust hinnehmen, sondern war vor allem auf die Hilfe der Mittelgewalten - somit der Spitzenmagnaten beider Stände - angewiesen, um einen durch dynastisches Machtstreben entfachten Existenzkampf zu überstehen. Das auf höchster Ebene inszenierte Intrigenspiel um die Nachfolgeregelung im Reich während der Zeit Ludwigs des Frommen ließ die Grenzen der Königsherrschaft, deren Selbstgefahrdung durch den Zwist der dynastischen Erbfolge und das Desaster der Reorganisation nach der Phase der Zerstörung deutlich werden. Hatte Nithard den Aspekt der Mitverantwortung der Magnaten für das Reich negativ thematisiert, indem er diese als das entscheidende Desiderat ansah für ein entstehendes westfränkisches Regnum, und das Streben nach Vorteilen und Gewinn als die dem Zeitgeist entsprechende mentale Einstellung der Magnaten anprangerte, so ließe sich der Vertragstext von Coulaines durchaus als Weiterfuhrung seiner Überlegungen vom Frühjahr 843 interpretieren, jedoch mit positiven Lösungen, weil eben jene von Nithard vermißte Bereitschaft zur Mitverantwortung durch die Einung der Magnaten offen bekundet worden war. Damit kann
Die Phase zwischen beiden
Verträgen
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nachgewiesen werden, daß eine Kräfteverteilung der Königsherrschaft auf die Mittelgewalten am Ende der Bruderkriege als vordringliches Desiderat diskutiert worden war - wobei Nithard diesen Weg für nicht realisierbar hielt - und daß eine solche Kräfteverteilung dann dennoch als das entscheidende Kriterium der Existenzfähigkeit der Königsherrschaft Karls II. im Vertrag von Coulaines verankert wurde. Entsprechend dem Axiom, das besagt, daß ungeteilte Macht auch ungeteilte Verantwortung beinhalte, ist hier zu fragen, ob im Umkehrschluß dann geteilte Verantwortung auch eine geteilte Macht bedeutet und ob eine Aufteilung der Machtkompetenzen und die Teilhabe der Mittelgewalten an der Königsherrschaft damals gewünscht waren oder ob hier nur auf mentaler Ebene an eine Mitverantwortung appelliert wurde? - Wie ernst der Text gemeint war, ja daß die Regelungen von Coulaines tatsächlich als „staatliche" Formgebung verstanden wurden, kann bei Hinkmar in seiner Schrift Pro ecclesiae libertatum defensione nachgelesen werden, wenn er dort in seiner admonitio an Karl II. daran erinnert, daß jene Beschlüsse durch Richwin sofort Ludwig dem Deutschen übermittelt worden seien. 71 Methodisch wird es daher notwendig sein, gerade die unmittelbare Vorphase des Vertragsabschlusses näher zu betrachten und dabei insbesondere der Frage nachzugehen, ob nach der Reichsteilung Dringlichkeitserwägungen hinsichtlich der Notwendigkeit einer verfassungspolitischen Formgebung des Westfrankenreiches den Abschluß des Vertrages von Coulaines forcierten und wenn ja, wodurch diese veranlaßt wurden. Die Fragestellung zielt also einerseits auf die Analyse der Faktizität der Monate nach Verdun ab, andererseits auf eine Suche nach Texten mit konstitutiver Normgebung und einer, den Vertrag vorbereitenden Tendenz. Überrascht schon die sehr abgewogene Textgestaltung im Vertrag von Coulaines, so erstaunt umso mehr, daß konkrete Vorverhandlungen nicht bekannt sind. Wie konnte ein solcher Text dann entstehen? Auch der Zeitraum zwischen August und November 843 als Zwischenphase wirkt kurz gewählt in Anbetracht so weitreichender Entscheidungen. Dennoch muß gerade in diesen Monaten jene Einung der Magnaten erfolgt sein, von der in der adnuntiatio die Rede ist und der Karl bei der Promulgation des Vertrages öffentlich beitritt. Spielraum zu Besprechungen ergab sich in jenen Sommermonaten sicherlich auf dem Kriegszug gegen die Bretonen und den abtrünnigen Widonen Lambert II., zumal Karl damals im Gebiet der ihn seit der Übernahme der Herrschaft stützenden Rorgoniden weilte. Ihre Mitwirkung an der Vertragsgestaltung und der Forcierung des Abschlusses sind zu unterstellen. Denn wurde in den Capitula 2 und 6 die Strafverfolgung von Abtrünnigen und Widersachern des Reiches angekündigt, so ist das Interesse der in jenen Monaten von solchen Machenschaften unmittelbar Betroffenen - der Rorgoniden und Bischof Aldrichs von Le Mans - an Nonnen der Strafverfolgung zur Befriedung der Region offensichtlich. Die Interdependenz von Zeitgeschehen und Normgebung wird hier greifbar. Des weiteren kann eine Abstimmung zwischen König und Kirche hinsichtlich ihres künftigen Zusammenwirkens in jenen Monaten nachgewiesen werden. Für den Herbst 843 sind zwei Synoden überliefert, die Einblick gewähren.
71
HINKMAR VON REIMS, Pro e c c l e s i a e l i b e r t a t u m d e f e n s i o n e , M I G N E P L 125, Paris 1878, Sp. 1 0 3 5 1070, Sp. 1066.
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3.5.1. Die Synoden von Germigny und Lauriere Noch fiir September war von Karl eine Reichsversammlung nach Germigny-sur-Pres nahe Orleans einberufen worden. Parallel dazu tagte am gleichen Ort eine Synode, deren Teilnehmer überwiegend Geistliche des Westfrankenreiches waren. Es existieren jedoch keine Dokumente und Hinweise in erzählenden Quellen hierüber außer einer Synodalurkunde und nur durch diese und eine wenig später ausgefertigte Königsurkunde zu gleicher Problemstellung ist die dort erwähnte Reichsversammlung von Germigny überhaupt bezeugt. 72 Durch das Diplom Karls II., das in wesentlichen Teilen nicht mit dem Text der Synodalurkunde übereinstimmt, weiß man, daß in Germigny die erste Reichsversammlung des Westfrankenreiches nach der Reichsteilung stattfand. Hierzu wird konstatiert: Deinde vero post pacem atque paterni imperii divisionem cum fratribus nostris, Chlothario scilicet et Hludovico regibus, miserante Domino celebratam, congregari jussimus Galliarum populos qui in partem nostram venerant in territorio Aurelianensi, in loco qui Germiniacus dicitur, cum sacris pontificibus et regni nostri principibus ...73 Es ist freilich nicht bekannt, ob und in welcher Form auf dieser Reichsversammlung wichtige Fragen der Königsherrschaft, insbesondere das Zusammenspiel von Königtum, weltlichen Magnaten und Reichskirche, besprochen und einer Entscheidung zugeführt wurden. Da der sehr abgewogen formulierte Vertragstext von Coulaines allerdings hervorhebt, daß Beratungen in Gremien vorausgegangen waren und daß in Coulaines dann eine endgültige Fassung als Resümee verabschiedet worden war, ist es naheliegend, solche Beratungen in Germigny zu vermuten. Wird doch auch in den capitula der Synode von Lauriere vom Oktober des Jahres davon gesprochen, daß der Status der Reichskirche und die Würde des Königtums durch einhelligen Beschluß geregelt worden waren, j a daß darüber sogar eine Urkunde (vor Coulaines!) aufgesetzt worden sei, die die Teilnehmer unterzeichnet hätten. 74 Damit kann nicht die überlieferte Synodalurkunde von Germigny gemeint sein, in der wohl exemplarisch eine Besitzbestätigung für das Kloster St-Lomer erfolgte und das Recht der freien Abtwahl nach der Benediktsregel festgelegt wurde. Ein Indiz dafür, daß in Germigny der bei den Beschlüssen von Lauriere genannte „Vorvertrag" zum Status von König und Kirche verfaßt worden sein könnte, der auch durch die Unterschriften der Teilnehmer als gültige Rechtsmeinung bestätigt worden sei, ist darin zu sehen, daß man in Germigny nachweislich sehr bemüht war, die Geltung der erlassenen Rechtstexte durch umfangreiche Unterschriftslisten besonders hervorzuheben, wie am Beispiel der Synodalurkunde ersichtlich. Bei diesem Schriftstück sollte es sogar möglich sein, nachträglich Unterschriften hin-
72
H i e r z u L o t / H a l p h e n S. 8 5 f . mit der Feststellung: „ O n ignore ce qui s ' y p a s s a " . - Vgl. die N a r r a t i o d e r S y n o d a l u r k u n d e M G H C o n c i l i a 3, nr. 1, S. 3. - B e s t ä t i g u n g s u r k u n d e K a r l s II. v o m 14. 10. 843, TESSIER I, nr. 27, S. 6 7 f f . , a u s g e f e r t i g t in C h e r i z a y (hierzu H. G ü i l l o t e l , L ' a c t i o n de C h a r l e s le C h a u v e , S. 13).
73 74
TESSIER I, nr. 27, S. 69f. Bei d e n B e s c h l ü s s e n v o n M e a u x - P a r i s v o m Juni 8 4 5 und F e b r u a r 8 4 6 w e r d e n d i e in Lauriere v e r a b s c h i e d e t e n K a n o n e s ü b e r l i e f e r t , M G H C o n c i l i a 3, nr. 11, cc. 1 3 - 1 6 , S. 93f., c. 16; d a z u W . HARTMANN, D i e S y n o d e n d e r K a r o l i n g e r z e i t , S. 2 0 8 f . , der allerdings d e n T a g u n g s o r t a pud
Lauriacum
mit Loire
w i e d e r g i b t , n i c h t w i e GU1LLOTEL mit Lauriere. Da dieser die I d e n t i f i z i e r u n g des O r t e s a u f t o p o g r a p h i s c h e S t u d i e n z u m Itinerar K a r l s II. stützt, ist seine A n g a b e hier v o r z u z i e h e n ; H. GÜILLOTEL, L ' a c t i o n d e C h a r l e s le C h a u v e , S. 12.
Die Phase zwischen
beiden
229
Verträgen
zuzufügen und dadurch die Anerkennung der Satzung zu bekunden, was auch getan wurde. 75 Speziell auf diese Art der Abfassung von Rechtstexten in Hinblick auf ihre Verbindlichkeit wird in einer Bestimmung des Konzils von Lauriere Bezug genommen, wenn es heißt: hec, que pro sancta matris ecclesie tranquillitate sacerdotalique rigore et regia dignitate a nobis unanimiter definita manibusque propriis roborata sunt.16 Es kann daher mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, daß in Germigny nicht nur Vorverhandlungen zur Konzeption der Herrschaftsstruktur stattfanden, sondern daß dort auch Vorverträge schriftlich fixiert worden waren. War dann die Einung der Magnaten, von der in der adnuntiatio von Coulaines die Rede ist, auch in Germigny erfolgt? Die Synodalurkunde aus Germigny und die wenigen überlieferten capitula der Synode von Lauriere behandeln wichtige Themen, die damals die Gemüter bewegten. Mit dem Vertrag von Verdun war eine Regierungsphase beendet worden, in der wichtige Voraussetzungen geschaffen worden waren. Die klare Begrenzung des Regnums bedingte jetzt die Notwendigkeit einer Neudefinition der Herrschaft, wie es der Text von Lauriere formuliert. Dabei ging es auch um die Interessen der Kirche des westfränkischen Regnums und die Abhängigkeit des Königs von kirchlichen Institutionen und denjenigen Geistlichen, die sie verkörperten. Wenn in Lauriere das Anathem als ein dem König zur Verfügung stehendes Rechtsmittel definiert wurde, um wirkungsvoll gegen Revolten und Verschwörungen vorgehen zu können, so wird damit auch ein deutlicher Hinweis gegeben, auf wen sich der König in Krisensituationen verlassen sollte: Für solche Fälle wurde von vornherein die Zusammenarbeit mit der Kirche des Regnums geplant. Kapitel 6 des Vertrages von Coulaines muß daher in Verbindung mit drei Beschlüssen des Erlasses von Lauriere - überliefert als capitula 14-16 im Textkompendium der Beschlüsse von Meaux-Paris - interpretiert werden, da sich beide Rechtsnormen ergänzen. 7 7 In Lauriere wurde festgehalten: (XI1II) Si quis contra regiam dignitatem dolose ac collide ac pernitiose comprobatus fuerit, nisi dignissime satisfecerit, anathematizetur. (XV) flato rit et ticam
satagere
Si quis potestati regie, que non est iuxta apostolum nisi a deo, contumaci et inspiritu, contra auctoritatem et rationem pertinaciter contradicere praesumpseeius iustis et rationabilibus imperils secundum deum et auctoritatem ecclesiasac ius civile obtemperare inrefragabiliter noluerit, anathematizetur.
(XVI) Quicumque superbie facibus accensi vel protervia stomachati hec, que pro sancte matris ecclesie tranquillitate sacerdotalique rigore et regia dignitate a nobis unanimiter definita manibusque propriis roborata sunt, violare aut quolibet argumenta inrumpere temptaverit, placet eos omnes anathematizari. Erstmals begegnet die Androhung des Anathems bei Zuwiderhandlungen der Magnaten gegen den König, worauf auch W. Hartmann in der Textkommentierung verwiesen hat. 78 Das enge Zusammenwirken von König und Geistlichkeit zum Schutz der Königsherrschaft ist
75
M G H C o n c i l i a 3, nr. I, S. 5 - 7 .
76
M G H C o n c i l i a 3, nr. 11, c. 16, S. 93f.
77
Ebd. c. 1 4 - 1 6 ; M G H C o n c i l i a 3, c. 6, S. 17.
78
M G H C o n c i l i a 3, S. 9 3 A. 5 9 .
Die Verträge von Verdun und
230
Coulaines
offenkundig und vor allem stärker betont, als im Vertrag von Coulaines, welcher mehr auf das Prinzip der Gleichstellung der an der Herrschaft mit zu beteiligenden Mittelkräften abzielt, als auf eine Überhöhung der Potestas Regia mit kirchlicher Hilfe. Eine Gefährdung der Reichskonzeption wurde primär von weltlichen Magnaten erwartet, während die Bewertung der Königsherrschaft als sakralisierte Herrschaftsform nach dem Apostelzitat das Zusammenwirken mit der Reichskirche - bezogen auf das in den neuen Grenzen festgelegte Teilregnum - vorgab. Deutlich wird demnach, daß der Text des Vorvertrages erheblich stärker, als im Vertragstext ersichtlich, auf das Zusammenwirken von König und Geistlichkeit abzielte. Im Vertrag von Coulaines wurde der Schutz der Königsherrschaft übernommen, und zwar gleichermaßen als eine auf die Person des Königs, wie auf den Vertrag des Königs mit den Mittelgewalten bezogene Prämisse. Die hierfür von Karl erwarteten Gegenleistungen können dem Text der Synodalurkunde von Germigny entnommen werden: Damals waren freie Abtwahl und die Sicherstellung der wirtschaftlichen Grundlagen am Beispiel von St-Lomer gefordert und beschlossen worden. Karl hatte dem zugestimmt und ein weiteres Privileg dem Kloster in Aussicht gestellt. Freilich hatten erst vor kurzem St-Lomer und der Abt dieses Klosters Heriricus ein sorgfältig erstelltes Privileg erhalten, durch das die wirtschaftliche Basis des Klosters bestätigt und vergrößert worden war. 79 Am 14. 10. 843 wurde dann eine weitere Königsurkunde für StLomer ausgefertigt. 80 Was aber hatte die Geistlichkeit zu der im Kontext der Quellen merkwürdig anmutenden Synodalurkunde veranlaßt? Aus den Diplomen Karls II. während dieser Monate geht hervor, daß er jetzt seine Helfer aus der Zeit der Bruderkriege durch Übereignung von Besitzungen entlohnte und auszeichnete. So wurde beispielsweise umfangreicher Lehnsbesitz fur den dilectum et amabilem nobis comitem nostrum Harduinum am 30. 8. in Allodialbesitz umgewandelt mit der Begründung, daß hier noch eine Dankespflicht abzustatten sei - honorare atque ... gratiam conferre. Vor Rennes hatte des weiteren der Königsvasall Atto mit gleicher Begründung größere Besitzungen im Gau Otlinga Saxonia erhalten, ausdrücklich mit dem Recht, diese Prekarien auch an seine Erben weitergeben zu können. Ferner wurden an Laienäbte vergebene Klöster damals mit Privilegien ausgestattet, so St-Martin-de-Tours, welchem Adalhard vorstand. 81 Es ist zu unterstellen, daß kirchliche Kreise gegenüber solcher Privilegierung zugunsten von Laien nicht untätig waren und ihrerseits Forderungen stellten, um dem entgegenzuwirken. Die Synode von Germigny hatte wohl ohnehin den Charakter einer Reformsynode, wie hinsichtlich der Begründung dieser Zusammenkunft vorgetragen wurde. 82 Ein Präjudiz konnte allerdings damals durch die Synodalurkunde für St-Lomer nicht geschaffen werden, auch wenn sie in dieser Absicht als „Musterurkunde" ftir ähnliche Fälle erstellt worden war. Karl II. ließ vielmehr das zugesagte Diplom in der üblichen Weise als Einzelentscheidung ausfertigen. Dennoch war in Germigny mit der Bestimmung des Status' des
79 80
TESSIER I, nr. 21, S. 4 9 f f . , v o m 8. 3. 843. TESSIER I, nr. 27, S. 6 9 f . Die Zustimmung Karls II. zur Synodalurkunde wird im Text erläutert.
81
TESSIER I, nr. 24, S. 5 9 f f . , ausgefertigt in Quierzy, s o w i e nr. 28, S. 7 I f f . , beide im Original erhalten; Adalhard ist als Abt des Königsklosters St-Martin-de-Tours im D i p l o m Karls II. v o m 23. 2. 8 4 3 bezeugt, TESSIER I, nr. 20, S. 4 6 f f . - Vgl. F. FELTEN, Ä b t e und Laienäbte, S. 2 9 7 . Vgl. auch LOT/HALPHEN, S. 97, A. 3.
82
M G H Concilia 3, nr. 1, S. 3.
Die Phase zwischen beiden
Vertragen
231
Klosters St-Lomer eine kirchenpolitisch bedeutsame Entscheidung getroffen worden. Dies macht der Vergleich der beiden Königsurkunden mit der Synodalurkunde deutlich, der kurz ausgeführt werden soll. 1. In einer früheren Urkunde vom März 843 für St-Lomer hatte Karl alle Möglichkeiten genützt, um dem Kloster den Status eines Königsklosters zu geben. Vorbereitungen dazu waren schon von Ludwig dem Frommen getroffen worden, als er dem Konvent einen günstigeren Standort Curbionis vocabulo zugewiesen hatte. Dadurch hatte er de facto eine Neugründung des Klosters nach der Benediktsregel veranlaßt. Dies wird in der Narratio der Urkunde berichtet. Karl bestätigt anschließend die Ausstattung des Klosters durch seinen Vater und erweitert sie beträchtlich durch Königsgut - a jure nostro in dominium eorum transferendumn Dabei sei zu berücksichtigen, daß das Kloster durch serviciis regalibus erheblich belastet werde. Aus diesem Grund habe Karl schon früher - also während der Bruderkriege und vor dem März 843 - im Sinne seines Vaters dem Kloster die Immunität bestätigt. Damals sei vor allem die eigenständige Gerichtsbarkeit erzielt worden, die das Kloster selbst der Kontrolle der Bischöfe entzogen habe: regali sanctione id sensimus observandum quod dive recordationis genitor noster imperiali majestate decrevit vel quod nos anteriori nostro privilegio ubi donacionem fecimus suprascriptarum aliarumve rerum sanximus, id est ut sub plenissima nostra defensione et immunitatis tuicione consistant, quod nullus episcopus contra reverenda statuta apostolice sedis canonumque decrβία, nullus judex publicus vel alia qualibet publica potest ate persona predict α ex eisdem rebus eos inquietare aut aliquid minuere vel exigere presumat fredaM Hinzukommt die Befreiung von jeglicher Verpflichtung zu Abgaben. Bisherige Leistungen sollten fortan dem Kloster zufließen mit festgesetztem Verwendungszweck: totum in necessitatibus illorum et usibus pauperum et in restauracionibus ac luminaribus ecclesiarum proficiat. Auch eine Schutztruppe sollte künftig das Kloster vor Feinden sichern. 85 Noch an anderer Stelle im Text nimmt Karl Bezug auf das frühere, von ihm für StLomer erlassene Privileg. Er erinnert daran, daß darin festgelegt worden sei, alle Rechtsstreitigkeiten, in die das Kloster verwickelt werde, grundsätzlich vor dem Königsgericht auszutragen. Mit dieser Bestimmung hatte Karl St-Lomer in besonderer Weise dem Königsschutz unterstellt. Verpflichtet war das Kloster zu servicia regalia und zu Gebetsdiensten für König und Reich, sowie fur das Seelenheil Ludwigs des Frommen. Von nahezu allen weltlichen Diensten befreit sollten die Mönche in St-Lomer religiöse Übungen und die Pflege der dynastischen Memoria unbelastet verrichten. Es wäre naheliegend gewe-
83 84 85
TESSIERI, nr. 21, S. 51. Ebd. S. 52. Ebd. - Karls Vorgehensweise erfolgte so, daß der Charakter einer Königsstiftung fur St-Lomer belegbar ist, vor allem hinsichtlich des Rechtsstatus' und der Schutztruppe für das Kloster. - Allgemein zum Problem der Klosterausstattung durch die karolingische Dynastie: H. ZlEL[NSKI, Die Kloster- und Kirchengründungen der Karolinger, in: Beiträge zu Geschichte und Struktur der mittelalterlichen Germania Sacra, hg. v. I. CRUSIUS, (= Studien zur Germania Sacra 17), Göttingen 1989, S. 9 5 - 1 3 4 .
232
Die Verträge von Verdun und
Coulaines
sen, in einem weiteren Schritt diesem neuen Königskloster einen Laienabt an die Spitze zu stellen, der auch der König selbst hätte sein können. 2. Solchen, den Zeitgenossen offenkundigen Tendenzen wirkten die auf der Synode von Germigny versammelten Geistlichen entgegen, als sie die freie Abtwahl explizit für St-Lomer forderten. Eindringlich wurde in der Synodalurkunde daran erinnert, daß der Mönchsstand von allen weltlichen Dingen unbelastet sein sollte: Hoc igitur dum perficere optaremus (sc. in melius reformare), inter cetera visum est nobis ad eius ordinis recuperationem atque sublimationem, quia apostolicae perfectioni melius congrueret, hoc est monachorum, qui relictis omnibus Christum sequuntur, sacratissimi regis curam specialius inflectere*b - Um den altehrwürdigen Status des Klosters herauszustellen, wurde zusätzlich auf eine lange Tradition verwiesen und eine Klostergründung in merowingischer Zeit behauptet, und zwar tempore Theoderici regis zur Zeit König Theuderichs. Gemeint sein könnten die Könige dieses Namens von Theuderich I., dem 533 verstorbenen Sohn Chlodwigs, bis zu Theuderich IV., dem vorletzten, 737 verstorbenen, merowingischen König. Demgegenüber wäre die spätere Neugründung durch Ludwig den Frommen sicher zweitrangig gewesen. Nicht Neues werde folglich mit der Synodalurkunde festgesetzt und bei der erbetenen Bestätigung solle Karl entsprechend den Vorgaben seines Vaters handeln. Es wird verschleiert, daß die Forderung der freien Abtwahl für St-Lomer offensichtlich ein politisches Novum darstellte, denn diesbezüglich habe man (wie gewohnt) nach der Benediktsregel zu verfahren. Rechtsnorm und Rechtswirklichkeit sind undifferenziert gleichgestellt, wenn hierzu konstatiert wird: abbatem iugiter ex se ipsis habeant secundum regulam sancti Benedicti, id est, ut talis, si fieri potest, ex iis, qui adsunt inter illos, ab omnibus concorditer eligatur, qui sit idoneus ad illud officium peragendum. In ipsa vero electione, si diversa senserint, eius partis sententia, quamvis minoris, eligatur, quae saniori consilio meliora providerit, et cetera fiant, ut inibi continetur,87 - Diese genauen Anweisungen zur Wahl des Abtes beeindrucken. Offensichtlich war eine Klosterreform nach den Wirren der Bruderkriege ein vorrangig behandeltes Thema der Synode von Germigny gewesen. Die Geltung dieser kanonisch-rechtlichen Normen war damals sogar unter Androhung des Anathems verkündet worden, das freilich nur indirekt ausgesprochen wurde in Hinblick auf den Verlust künftiger Glückseligkeit im Jenseits. In den Bereich des kanonischen Strafrechts war die transzendentale Ebene bekanntlich integriert; hier wird dies beispielhaft deutlich. 3. In seiner Bestätigungsurkunde weist Karl II. sehr ausführlich auf die Translation des Klosters von St-Mesmin-de-Micy nach Cw£/o/Belhomert hin. Die Neugründung und die durch Ludwig den Frommen gewährte Abgabenfreiheit werden betont. Von einer Gründung des Klosters in merowingischer Zeit und von freier Abtwahl zur Zeit seines Vaters spricht er jedoch nicht. Ausdrücklich erwähnt sind Karls Besuch im Kloster und das Privileg vom 8. 3. 843. Anschließend werden die Passagen über die Reformsynode von Germigny und die dem Kloster einzuräumende freie Abtwahl aus der Synodalurkunde wörtlich übernommen, wobei sich Karl ausdrücklich das Recht 86 87
MGH Concilia 3, nr. 1, S. 3. Ebd., S. 4f.
Die Phase zwischen beiden
Verträgen
233
vorbehält, einer solchen Wahl zuzustimmen - et inibi conßrmetur,88 Immerhin wurde dadurch ein königliches Mitspracherecht bei der Abtwahl künftig eingeräumt, wenn auch mit sehr geringem Spielraum, da nur eine formale Zustimmung vorgesehen war. Fehlte diese, war die Wahl formal unkorrekt. Aus dem Vorgenannten ist ersichtlich, daß in Germigny versucht wurde, Karls Klosterpolitik künftig an ein Reformprogramm zu binden, um an Reformbestrebungen der Zeit Ludwigs des Frommen anzuschließen. Den Vorstellungen des Königs, Klöster als Königsklöster auszustatten und an Laienäbte als lukrative Prekarien auszugeben, wurde bereits damals entgegengearbeitet. Die Übernahme der Passage zur Abtwahl in der Königsurkunde ist als ein Erfolg der Reformkreise zu verstehen. Nicht zu übersehen ist dabei freilich, daß die kanonisch-rechtlichen Vorschriften per se eingeschränkt worden waren, denn festgesetzt worden war, daß prinzipiell entsprechend der Regelung verfahren werden sollte, allerdings nur, wenn dies möglich war - si fieri potest. Es ist zu vermuten, daß die Aufnahme dieser drei Worte in den Text der Synodalurkunde heftig diskutiert worden war und auch Ablehnung gefunden hatte, daß aber andererseits erst dadurch die erbetene Bestätigung durch ein Diplom realisierbar wurde. Hieraus folgt: Die Interpretation der Synodalurkunde im Kontext der Quellen führte zu dem Ergebnis, daß in Germigny eine bedeutende Reformsynode getagt hatte. Eine solche Wertung hat diese Synode in der Forschung bisher nicht erfahren. Man kann ferner in der überlieferten Thematik der Synode einen durchaus geglückten Versuch der Geistlichkeit sehen, die Entscheidung des Königs nicht nur zu beeinflussen, sondern sie zu lenken. Der Text war in Urkundenform festgehalten worden und sollte mithin als Vorurkunde zur Abfassung des königlichen Diploms dienlich sein. Nach damaligem Verständnis ging es jedoch weniger darum, dem König die Worte sozusagen „in den Mund zu legen", als vielmehr um den Versuch, auf gleicher Ebene Einfluß zu nehmen und die Entscheidung mittels Formalkonzeption so zu lenken, wie sie in geistlichen Kreisen für richtig befunden wurde. Hinsichtlich der kirchlichen Besitzungen mag damals ein Zusammenwirken mit dem Königtum angestrebt worden sein, das formal wie inhaltlich verdeutlichen sollte, daß sich potestas regia und potestas episcopalis nicht widersprachen, sondern ergänzten. Hierzu ein weiteres, etwa zeitgleiches Beispiel: In einem Diplom Karls II., das der Abt Lupus von Ferneres gegen Ende des Jahres 843 für sein Kloster erwirken konnte, wird die gleiche Thematik angesprochen - Privilegierung des Klosters, Königsschutz und Besitzkontinuität, hier in Form der Zusicherung einer zukünftigen Restitution der cella des hl. Jodocus, welche - wie erwähnt - von Karl II. als Prekarie dem Grafen Odulf gegeben worden war, nachdem sich dieser ihm angeschlossen hatte. 89 Eine zusätzliche Rechtssicherheit sollte durch eine noch auszustellende Synodalurkunde erreicht werden, die ausdrücklich im Diplom als ergänzendes Schriftstück zugesagt wurde. Der entsprechende Passus findet sich im Anschluß an die Zusicherung der freien
88
TESSIER I, nr. 2 7 , S. 70. - G r u n d l e g e n d zur P r o b l e m a t i k sind ff. A r b e i t e n v o n J. SEMMLER: Le s o u v e rain o c c i d e n t a l et les c o m m u n a u t e s religieuses du IX C au d e b u t du XH siecle, in: B y z a n t i o n 6 1 , 1991, S. 4 4 - 7 0 ; ders., T r a d i t i o und K ö n i g s s c h u t z . Studien zur G e s c h i c h t e d e r k ö n i g l i c h e n m o n a s t e r i a , in: Z R G Kan. A b t . 4 5 , 1959, S. 1 - 3 3 ; ders., E p i s c o p i p o t e s t a s und k a r o l i n g i s c h e K l o s t e r p o l i t i k , in: V u F 20, 1974, S. 3 0 5 - 3 9 6 .
89
Vgl. o. bei 3.2. A . 14.
234
Die Verträge von Verdun und
Coulaines
Abtwahl - memoratum coenobium et cuncta quae ad ipsum pertinent, Lupo abbati et successoribus ejus monachis regulariter electis gubernandum permittimus - und lautet: Unde et episcopis Privilegium facere concessimus ut, nostro voto ipsorum etiam auctoritate firmato, nemo deinceps non profuturum sibi laborem assumat,90 Anders als in Germigny am Beispiel des Klosters St-Lomer versucht, wurde in diesem Fall nicht mehr von einer Synodalurkunde ausgegangen, welche ein Königsdiplom bestätigen sollte, sondern diesem sollte die Synodalurkunde folgen, sicher nicht nur als reiner Formalakt, sondern als die von einer übergeordneten Instanz zu billigende Revision des Vorgangs. Der Versuch einer Kontrolle königlicher Privilegierungsmaßnahmen wird hier deutlich, der Versuch einer Instanzenkontrolle, die den Hierarchiestreit zwischen potestas regia und potestas episcopalis anklingen läßt. Freilich wurde dieser Weg bald wieder verlassen, auch weil auf Synoden nach bewährter Methode Kirchenrechtsnormen erlassen und in der Regel nicht Synodalurkunden zur Entscheidung von Einzelfällen konzipiert wurden. 91 Durch massive Sanktionen bei Kirchenraub sollte Kirchengut generell geschützt werden. Der König wurde als oberster Schutzherr aufgerufen, Unterstützung zu gewähren und seiner Stellung entsprechend, gleichsam im Dienste Gottes zu handeln. Deum, qui te (sc. regem) creavit, gelte es durch den Schutz des Kirchengutes zu verehren, so das Anliegen des Konzils von Ver im Dezember 844. 92 Weshalb Lupus damals keine Synodalurkunde als zusätzliche Rechtssicherheit und Ergänzung erhielt, ist nicht einsichtig. Grundsätzlich wurden jedenfalls fortan auf Synoden Rechtsnormen, welche Sanktionen beinhalteten, zum Schutz von Kirchengütern bevorzugt, obgleich der oben versuchte Weg der Entscheidungsfindung im Einzelfall, konform mit der Verfügung des Königs gehend, eine effektivere Maßnahme zur Regelung solcher Fälle hätte sein können. Bei den zahlreichen Auseinandersetzungen über die Vergabe von Kirchenbesitz in der Folgezeit sollte daher nicht übersehen werden, daß bereits am Beginn der konstitutionellen Formgebung des westfränkischen Königtums nach einer Möglichkeit gesucht wurde, diese gar nicht erst aufkommen zu lassen, und daß vor allem die Gefährdung der inneren Stabilität der Herrschaft durch Besitz- und Kompetenzenstreit erkannt worden war. Mag sein, daß Lupus von Ferneres in jenen Monaten vor dem Vertrag von Coulaines sogar die Befürchtung hegte, nicht nur die cella des hl. Jodocus, St-Josse-sur-mer, für immer an den Grafen Odulf und dessen Nachkommen verloren zu haben, sondern daß er auch seine Stellung als Abt des Klosters für gefährdet hielt. Neben dem Hinweis auf seine rechtmäßige Wahl durch den Konvent versuchte er damals Fürsprecher unter Karls Magnaten zu gewinnen und hatte sich nachweislich auch an den Grafen Adalhard gewandt, dem er kurz zuvor eher ablehnend begegnet war. Anfang des Jahres 844 schrieb er an Abt Hugo von StQuentin, St-Bertin und Lobbes, daß ihm die cella des hl. Jodocus vom König zurückerstattet werden würde - offensichtlich aufgrund des am 27. 12. 843 erhaltenen Diploms; dabei habe ihm der sehr mächtige Adalhard geholfen. Freilich fürchte er weiterhin die Habsucht
90
TESSIER I, nr. 30, S. 74ff., hier S. 77.
91 92
Vgl. bei W . HARTMANN, D i e Synoden der Karolingerzeit, S. 4 5 8 f f . M G H Concilia 3, nr. 7, S. 36ff., hier S. 4 4 in der Adnuntiatio an Karl II. am Textende.
Die Phase zwischen
beiden
Verträgen
235
Odulfs. 9 3 Die Restitution der cella des hl. Jodocus war dem Abt von Ferneres zwar in Aussicht gestellt worden, jedoch mit vager Zeitvorgabe - erst für den Todesfall des Grafen Odulf oder falls dieser sie veräußern wolle. Für diese Klarstellung der Rechtsverhältnisse hatte sich Karl die Loyalität des Klosters ausbedungen, indem er in derselben Urkunde das Gebetsgedenken für sich, seine Gemahlin, für künftige Nachkommenschaft und für den Bestand des Reiches verfugte. Der dynastische Erbreichsgedanke, der im Vertrag von Coulaines ausgeklammert worden war zugunsten der Mittelgewalten, sollte mit der Memoria für die Königsfamilie in den Klöstern noch vor der Geburt eines Kindes eine neue Basis erhal-
3.5.2. Die Herrscherparänese des Lupus von Ferneres: eine mentale Einstimmung zur Königsherrschaft? Die Quellen der Zeit des Vertrages von Coulaines reflektieren die Suche, Königsherrschaft an Rechtsnormen zu binden. Hatte dies - wie gezeigt werden konnte - bei normativen Regelungen zur Folge, daß der dynastische Königsgedanke ignoriert wurde zugunsten einer Gewaltenteilung zwischen der Führungspersönlichkeit des Königs und den Mittelgewalten des geistlichen wie des weltlichen Standes im Sinne einer Teilhabe an der Königsherrschaft, so mußten dennoch die Rechtsstellung des Königs nach dynastischer Tradition beibehalten werden, sowie der ihm zukommende Vorrang vor allen übrigen Magnaten, um die gewünschte Stabilität des westfränkischen Regnums nach außen und im Innern behaupten zu können. Dies bewirkte nicht nur die im Vertrag von Coulaines Karl zugesagte Unterstützung der Magnaten, insbesondere durch kirchliche Kreise, sondern auch, daß dort Maßnahmen zur Rechtssicherheit festgeschrieben wurden, die die Strafverfolgung bei Unruhestiftung und Rebellion dem König als legales Machtmittel zuwiesen. - Um Willkürakte zu vermeiden und die Königsherrschaft an Vorgaben zu binden, wurde Karl freilich im Gegenzug die Zusage abgerungen, auf solche zu verzichten; ferner wurden die Möglichkeit des kirchlichen Rechtsweges bei Strafverfolgung erwogen und das Anathem als Regulativ fiir eine gesellschaftliche Ausgliederung von Rebellen und Aufständischen ins Spiel gebracht. Diskutiert wurden demnach in intellektuellen Kreisen die Prämissen der Königsherrschaft, um in Antworten, Vorgaben und Lösungsmodellen eine Richtschnur künftiger Herrschaftsausübung zu finden. Es wurde dabei grundsätzlich von der Problematik der Unruhestiftung im Reich ausgegangen. Ein solches Lösungsmodell hat Lupus von Ferneres damals in Form einer Herrscherparänese vorgelegt. Er war zweifellos einflußreich und nahm im Kreis der Hofgesellschaft einen festen Platz ein. 93 Sein Entwurf eines Modells der Persönlichkeitsstruktur des Herr93
94 95
LOUP DE FERRIERES, Correspondance 1, nr. 32, S. 146ff., hier S. 148; vgl. auch nr. 31, S. 140ff., S. 142, an Karl II.: Non admiltantur ergo a vobis monitores, quos bajulos vulgus appellat, ne gloriam veslram inier se ipsi partiantur et meliorum amorem aliertent α vobis. TESSIER 1, nr. 30, S. 77. Vgl. M. MANITIUS, Geschichte der lateinischen Literatur, S. 485ff., M. HARDY, A. LAHBE, Loup de Ferneres, Remi d'Auxerre et le peintre Fredilo, in: Melanges RENE LOUIS I, Vezelay 1982, S. 119-169, überwiegend zur Spätphase seines Wirkens zwischen 860 und 862. - Wohl nicht richtig ist die Meinung von R. BEZZOLA, Les origines et la formation de la litterature courtoise en Occident ( 5 0 0 - 1 2 0 0 ) t. 1,
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Die Verträge von Verdun und Coulaines
schers nach religiösen Vorgaben, das er Karl als Leitbild vorfuhrt, sollte dazu beitragen, einen Herrschertypus zu kreieren, der im System religiöser und moralischer Strukturen und Vorgaben berechenbar blieb. In seiner Mahnschrift an Karl II. hat Lupus damals zusammengetragen, was ihn bewegte. Er schöpfte aus den Quellen seiner Gelehrsamkeit und Menschenkenntnis und vermittelte in literarischer Briefform wesentliche Punkte eines Herrscherbildes sowie Lebensregeln, die durchaus erzieherischen Charakter haben. 96 Klug erinnert er zu Beginn an das bisher Erreichte, worin sich zeige, daß Gott Karl auf vielfältige Weise vor Widrigkeiten bewahrt habe und daß er ihm allein seine königliche Stellung zu verdanken habe. Daher müsse der tägliche Dialog mit Gott im Gebet die Prämisse seiner Herrschaft sein. Die zweite Leitlinie sei die ratio, die Vernunft, nach welcher der König - da er im Mannesalter stehe - sein Handeln ausrichten möge. 97 Hierzu gehöre es, die Dinge zunächst sorgfältiger Prüfung zu unterziehen und überlegen zu handeln, sowie den Rat der Getreuen einzuholen. Demgegenüber stellt Lupus die damals offenbar allgemein befürchtete Position eines einzelnen, übermächtigen Ratgebers schlicht als überflüssig dar, wenn er schreibt: „denn aus welchem Grunde würdet Ihr dann den königlichen Namen tragen, wenn Ihr nicht fähig wäret, zu regieren?" - Cur enim regium nomen praetenditis, si regnare nescitis? Diese etymologische Erklärung nach der Vorgehensweise des Isidor von Sevilla ist als Begründung der Argumentation unschlagbar. Und mit Blick auf die sakrale Ebene der Königsherrschaft, die eine Distanz zwischen dem Herrscher und der Sozialstruktur der Adelsgesellschaft setzt, wirft Lupus anschließend die Frage auf: „Wer weiß denn nicht, daß Ihr als Stellvertreter Gottes handelt?" - Vicem vos gerere Dei quis ignorat?98 Die sakrale Überhöhung des Herrschers zum Stellvertreter Gottes auf Erden versteht Lupus als unerreichbare Distanz des Königs, auch gegenüber seinen Ratgeber, die Königsnähe erstreben und die das Volk deshalb bajoli, Prinzenerzieher, nenne, den Grad ihrer Einflußnahme karikierend. 99 Im Bewußtsein dieser einzigartigen Position solle er Urteil sprechen, nämlich ohne Ansehen der Person und so, daß es die Mächtigen in Schrecken versetze; letztere Vorgabe begegnet später auch bei Hinkmar von Reims in seiner Schrift De ordine palatii und zwar in Übernahme einer Passage aus Pseudo-Cyprian. Die alttestamentarisch anmu-
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(= BEHE 286), Paris 1958, S. 211 f., der Lupus als Humanisten mit wenig politischer Außenwirkung sieht. Aus seinen Briefen ergibt sich ein anderes Bild; s. auch R. MCKITTERICK, Charles the Bald ( 8 2 3 877) and his library, S. 35. LOUP DE FERRIERES, Correspondance 1, nr. 31, S. 140-147. - Diese Mahnschrift wurde bisher in der Forschung nur am Rande erwähnt, obgleich sie viel sorgfältiger angelegt ist, als seine zweite Mahnschrift im Jahr darauf; vgl. zuletzt N. STAUBACH, Rex christianus, S. 23f. LOUP DE FERRIERES, Correspondance 1, nr. 31, S. 140. - S. dazu Η. H. ANTON, Fürstenspiegel und Herrscherethos in der Karolingerzeit (= Bonner historische Forschungen 32), Bonn 1968, S. 248ff., der die Mahnschrift weniger unter zeitgeschichtlichen Kriterien interpretiert. LOUP DE FERRIERES, Correspondance 1, nr. 31, S. 142. Hiermit korrespondiert die spätere Sentenz im Text: Ne metuatis potentes, quos ipsi fecistis et quos, cum vultis, extenuare potestis.(S. 144). Diese greift J. NELSON, Charles the Bald, S. 138, auf, um auf den zeitgeschichtlichen Hintergrund aufmerksam zu machen: „Coulaines was a response to Lupus's recent advice: ,Do not fear the potentes whom you yourself have made and whom, if you wish, you can diminish'." Dazu NLERMEYER, Mediae latinitatis lexicon minus S. 78. - Zur Interpretation dieser Textstelle und zur Rolle des Königs als vicarius Dei s. M. MACCARRONE, II sovrano „vicarius Dei" nell'alto medio evo, in: La Regalitä Sacra, (= Studies in the History of Religions IV), Leiden 1959, S. 581-594, S. 586f.
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tende Vorstellung, der König müsse Furcht und Schrecken verbreiten - in Anlehnung an den alttestamentarischen Gottesbegriff - , könnte auf einer Rezeption von Buch Ester 5, 1 und 2 beruhen, wo der Perserkönig Artaxerxes durch Esters Wort so beschrieben wird: „Ich schaute dich Herr wie einen Engel Gottes. Da wurde mein Herz aus Furcht vor deiner Herrlichkeit verwirrt". 100 Hier wird das Axiom klar vermittelt, daß die Gottesnähe des Herrschers ihn der menschlichen Gesellschaft entrückt und so verändert, daß Machtkonzentration und Transzendenz von ihm verkörpert werden, wodurch er selbst Furcht und Schrecken verbreitet. Der implizierten Unberechenbarkeit des Herrschers setzt Lupus eine Grenze, und zwar aus der Sicht der Getreuen des Königs, wenn er gleichzeitig die Ausübung dieses religiös legitimierten Gewaltmonopols an die Maxime bindet, daß ein einmal gesprochenes Urteil - wenn überhaupt - dann nur zum Besseren geändert werden dürfe. Solche Vorgehensweise lasse menschliche Tugenden erkennen, nämlich Standhaftigkeit, vollendete Sitten und Rechtschaffenheit. Zu vermeiden seien jedoch Nachlässigkeit und vor allem die Gesellschaft schlechter Menschen. Im übrigen könne der König die Macht der Mächtigen im Reich mindern. 101 Als Lebensregel hinsichtlich des Umgangs mit den Magnaten sei zu empfehlen, ehrenvoll zu handeln, sowie kluge Selbstkontrolle der Rede, denn zu bedenken sei das Sprichwort: non potest vox missa reverti - „einmal Gesagtes kann man nicht mehr zurückholen". 102 Merkwürdig muten die folgenden Ausführungen an zur Sorge um das Gemeinwohl. Das Engagement des Königs sei am Grad der Strafverfolgung erkennbar. Keiner dürfe die Gesetze Gottes und die der Menschen, so es sich bei diesen um gerechte Gesetze handle, mißachten, da Straflosigkeit böser Taten immer ein Anwachsen der Verbrechen hervorbringe. 103 Eine solche Aussage wird verständlich, wenn man die zeitbedingte Wertschätzung der kirchlichen Synodalgesetzgebung mitberücksichtigt, sowie die nach den Bruderkriegen in den Quellen angezeigte allgemeine Auffassung, daß die Strafverfolgung der inneren Sicherheit diene. 104 Wechselnde vasallitische Bindungen in rascher Folge hatten zu Rechtsunsicherheit und Desorientierung gefuhrt und zu einer Egalisierung der Grenzen von Recht und Unrecht, vor allem aber zu einer mentalen Veränderung des Unrechtsbewußtseins der Menschen - daher die Skepsis gegenüber weltlichen Gesetzen. Die Tendenz, Rechtssicherheit im Westfrankenreich durch Synodalgesetzgebung wiederherstellen zu wollen, um divinas leges aufzugreifen und Rechtsnormen an kirchlichen Vorgaben zu messen, ist unverkennbar. Diese Überlegungen zur Königsherrschaft ergänzend erinnert Lupus an das Ideal der Demut, und begründet dies mit der Vergänglichkeit alles Irdischen; der Erlöser selbst habe die Demut verkörpert. Hiermit in Zusammenhang stehe die Fürsorge des Königs für die Armen, deren ideeller Wert für den Gebenden nach dem Buch Tobias darin bestehe, im Jenseits einem versöhnlichen und gnädigen Gott zu begegnen. Am Ende der Mahnschrift erstrahlt das Bild König Davids; ihm gleich solle Karl danach streben, in allem Gott zu ver100
Hier Ester 5, 2 A ; vgl. HLNKMAR, De ordine palatii, S. 52 mit A. 90.
101
L o u p DE FERRIERES, Correspondence 1, nr. 31, S. 1 4 2 - 1 4 4 .
102
Ebd. S. 144 in Verwendung eines Horazzitates, S. 145 A. 8 - Nescit
vox missa reverti.
Vgl. HORAZ,
Ars poetica, hg. u. übertragen von E. SCHÄFER, Stuttgart 2 1 9 8 4 , Vers 390, S. 28. 103
LOUP DE FERRIERES, Correspondence 1, nr. 31, S. 144.
104
Besonders hierzu W. HARTMANN, ZU einigen Problemen der karolingischen
Konziliengeschichte,
s o w i e ders., Laien auf Synoden der Karolingerzeit, in: A H C 10, 1978, S. 2 4 9 - 2 6 9 ; s. auch H. MORDEK, Karolingische Kapitularien, S. 30f.
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herrlichen. Bei Befolgung dieser Ratschläge kann Lupus einen Sieg über Unruhestifter im Reich mit Gottes Hilfe in Aussicht stellen und zukünftiges Seelenheil - rebelles, Deo ut credimus pro vobis pugnante, comprimetis atque vincetis et post regnum temporale atque laboriosum consequemini sempiternum et vere quietumm In dieser ersten Mahnschrift an Karl II. wird die innere Haltung des Monarchen thematisiert, die mentale Ebene als Basis zur Ausübung von Königsherrschaft angesprochen. Hiervon ausgehend werden Lebensregeln und zahlreiche praktische Hinweise dem Text beigegeben, wie sich der junge, noch unerfahren wirkende Adressat in einer intriganten, egozentrisch ausgerichteten Hofgesellschaft zurechtfinden kann. Auf anderer Ebene wird die im Vertrag von Coulaines erkennbare gesellschaftliche Problematik angesprochen; nicht normative Regelungen sind Lösungen, sondern ethisch-moralische Vorgaben und Handlungsmaximen. So sollen sich untadeliges Verhalten und Herrscherbewußtsein, ehrenvolles Handeln, Demut vor Gott und Religiosität, iustitia in Hinblick auf konsequente Strafverfolgung und die pietas des biblischen Königs David, constantia und ratio harmonisch zu einem Herrscherbild ergänzen, das in der von Lupus vorgetragenen Form als globale Lebenshilfe verstanden werden kann. Die Bibelzitate zur Legitimierung der vorgetragenen Prämissen sind gekonnt ausgewählt und so aufeinander abgestimmt, daß in der Argumentationskette stets das Zitat aus dem Neuen Testament die mit alttestamentarischen Belegstellen begonnene Beweisführung abschließt. Die auf diese Weise vermittelte theologische Aussage der Vollendung des Alten im Neuen Testament zielt darauf ab, die heilsgeschichtliche Entwicklung chronographisch zu erfassen und mittelbar auf den Platz hinzuweisen, den das westfränkische Regnum, am Ende dieses Weges stehend, einnehmen muß. 106 Diese Kunst der theologischen Argumentationsführung wurde in späteren Fürstenspiegeln fur Karl II. nicht immer beherrscht. Bei Hinkmar von Reims etwa mutet manche Zusammenstellung willkürlich an; man vermißt in der Argumentation vor allem Aussagen aus dem Neuen Testament, so in seiner wohl um 873 entstandenen Schrift De regis persona et regio ministerio. Dieses Textkonglomerat gleicht einer Florilegiensammlung von Exzerpten aus Texten der Kirchenväter, verbunden durch Versatzstücke. Besonders häufig hat sich Hinkmar aus den Büchern I, IV und V aus Augustinus, De civitate Dei, bedient, ferner aus dessen Briefen. Mehrfach entnimmt er Texte den Homilien Gregors des Großen und seiner Moralia in Hiob, sowie aus Pseudo-Cyprian und aus Papstbriefen. Ganz ungewöhnlich erscheint eine Passage aus der 17. Homilie des Johannes Chrysostomos; diese muß aber über Rezeption bei Augustinus im Westen bekannt worden sein. An längeren Bibelzitaten enthält De regis persona in den Kapiteln 15 und 20 Texte aus dem Alten Testament. 107 Überhaupt vermißt man hier den Vor-
105
LOUP DE FERRIERES, C o r r e s p o n d a n c e 1, nr. 3 1 , S. 1 4 6 .
106
Es sei hingewiesen auf M. SCHMAUS, Katholische Dogmatik, II, 1, München 6 1962, S. I09ff., sowie auf die sehr klaren Ausführungen von Ρ. Β. T. BLLANIUK, The mystery of Theosis or Divinisation, in: ders., Studies in Eastern Christianity 1, (= Ukrainian Free University Monographs 25), Munich, Toronto 1977, S. 4 5 - 6 7 , bes. S. 50ff. HINKMAR VON REIMS, De regis persona et regio ministerio, MIGNE PL 125, Paris 1878, Sp. 8 3 3 856, nach WATTENBACH-LEVISON-LOWE V, S. 517, um 873 entstanden. Zur Rezeption der Homilien des Chrysostomos bei Augustinus vgl. CH. BAUR, L'entree litteraire de S. Chrysostome dans le monde latin, in: RHE 8, 1907, S. 2 4 9 - 2 6 5 , S. 264f., B. ALTANER, Altlateinische Übersetzungen von Chrysostomusschriften, in: ders., Kleine patristische Schriften, Berlin 1967, S. 4 1 6 - 4 3 6 , S. 420f., u. ders., Augustinus und Johannes Chrysostomus, ebd., S. 3 0 2 - 3 1 1 , sowie G. BARTELINK, Die Beein-
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bildcharakter, der Christus und seinem Wirken auf Erden in Hinblick auf die Königsherrschaft zukommt und den Lupus in seiner ersten Mahnschrift an Karl mehrfach herausstellt, um seine These zu verdeutlichen, daß der König der Stellvertreter Gottes auf Erden sei und zwar in der Nachfolge des Gottessohnes, wodurch sein Königsbild wiederum menschliche Züge gewinnt. Es ist ihm somit die schwierige Aufgabe gelungen, Karl Lebensregeln an die Hand zu geben und zugleich Ansätze einer Herrscherparänese zu einem tranzendentalen Königsbild in seine Mahnschrift einfließen zu lassen. Zwar fehlen in diesem Bild noch die klassischen Königstugenden prudentia oder sapientia, jedoch verweist er bereits auf die ratio als vernunftgemäße Entscheidungs- und Überlegungsgabe des Menschen, die ihm fur den jugendlichen König offenbar bei weitem angemessener erschien, als die zuvor genannten Königstugenden. Sie konnten erfahrungsgemäß erst nach einer Reihe erfolgreicher Regierungsjahre erreicht werden. Im Jahr darauf schrieb Lupus eine weitere Mahnschrift an Karl II. Der Text sei multa mediante - nach reiflicher Überlegung - entstanden und provoziert den Vergleich. 108 Enthält die erste Mahnschrift Stilelemente, die einen persönlichen, familiären Umgangston zwischen Verfasser und Rezipienten implizieren und es ersterem deshalb ermöglichen, Lebensregeln anzubringen, Ratschläge zu erteilen, so wirkt der zweite Text formvollendet. Manches hatte sich während des vergangenen Jahres verändert, Karls Königsherrschaft vor allem etabliert und sich im Grenzgebiet des westlichen Pyrenäenraumes als stabil erwiesen. Bereits die Anrede spiegelt die noch in der ersten Mahnschrift erwünschte Distanz zwischen Herrscher und Untertan in den hierfür bekannten Topoi: Explicari facile non potest, quam cupiam, domine mi rex gloriose Karole, ego ultimus vester famulus in omnibus vestram prosperitatem et spiritalem et saecularemm Dann wird die Imitatio eines Herrschertypus nach dem Beispiel des biblischen Königs David empfohlen auch bezüglich der Wahl der Ratgeber, denn non habitabit in medio domus meae quifacit superbiam; qui loquitur iniqua, non direxit in conspectu oculorum meorum (Psalm 101/100, 7)."° Die Königstugend der Weisheit wird nach dem so bezeichneten Buch König Salomons als Segen für die Welt gepriesen (Buch der Weisheit 6, 24); ihre Entfaltungsmöglichkeiten zur Friedenssicherung sind folglich an theologische Vorgaben gebunden; die hermeneutische Grenze benennt Lupus nach dem Buch der Sprüche 21, 30: non est sapientia, non est prudentia, non est consilium contra Dominum.'" Daher könne nach Buch Tobit IV, 18 nur der Verständige Rat erteilen - Consilium semper a sapiente perquire. Anzuschließen sei an die Herrschertradition der antiken Kaiser, wie sie Trajan und Theodosius verkörperten als Herrscher des Gottesstaates auf Erden: Maxime autem Trajanum et Theodosium suggero contemplandos, quia ex eorum actibus multa utilissime poteritis ad imitandum assumere. Ita diutissime regnetis, ut semper Deus regnet in vobis.1'2 Neben dem biblischen Königsethos wird demnach schon sehr früh das antike Kaisertum als Vorbild fur Karl II. propagiert, dessen Imitatio durch die Lektüre
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flussung Augustins durch die griechischen Patres, in: Augustiniana Traiectina, Paris 1987, S. 9 - 2 4 , hier S. 22f. - freundlicher Hinweis von Ρ. Β. T. BlLANIUK. LOUP DE FERRIERES, Correspondence l , n r . 37, S. 1 6 0 - 1 6 5 . Ebd. S. 160. Zitiert ebd. S. 162. Ebd. Ebd. S. 164 u. dazu S. 165 A. 5.
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der Gesta dieser Kaiser, die Lupus gleich mitgeliefert hat, erstrebenswert erscheint und auch möglich wird." 3 Die Ausführungen in der zweiten Mahnschrift hinsichtlich der Weisheit als Königstugend nach den Vorgaben im Alten Testament, vor allem durch Salomon, ergänzen nicht nur das Herrscherbild der ersten Mahnschrift, sondern geben diesem eine neue Dimension. Pietas und humililas, Religiosität und Demutshaltung sind demnach Grundvoraussetzungen fur einen Führungsstil, der sich an der sapientia ausrichtet und die Imitatio antiker Herrschergestalten erlaubt. Mit der sapientia als Königstugend wurde schon 844 an das Vorbild des biblischen Königs Salomon erinnert, welches in späteren Regierungsjahren Karls II. eine herausragende Bedeutung erhalten sollte." 4 Wenn man weiß, daß Lupus beim Aquitanienzug des Jahres 844 keine günstige Figur abgegeben hatte und sogar in Gefangenschaft geraten war, so läßt sich sein Hinweis auf die Vorbildhaftigkeit antiker Kaiser für Karl II. nur so verstehen, daß trotz Niederlagen territoriale Expansion möglich ist." 5 In der zweiten Mahnschrift geht es nicht mehr um praktische Lebensregeln zur Wahl der Ratgeber oder gegen Unruhestiftung im Reich, sondern nur noch darum - das in der ersten Schrift Gesagte vorausgesetzt - die Eckpunkte einer Herrscherparänese zu skizzieren. Dieser Ansatz ist zu einem so frühen Zeitpunkt einzigartig im Westfrankenreich.
3.5.3. Das Bild der Ereignisgeschichte im Westen des Reiches: Die Situation in Nantes Die Gesetzgebung zur Vorgehensweise gegen Unruhestiftung im Reich, insbesondere das Zusammenwirken kirchenrechtlicher und weltlicher Sanktionen, läßt auf massive Schwierigkeiten im bretonischen Grenzgebiet schließen. Notwendig geworden war ein Zug Karls mit militärischem Aufgebot bis Rennes, um den Grenzraum zu sichern; Warin dürfte erneut als Heerführer fungiert haben, wodurch sich auch seine exponierte Stellung bei der Ratifizierung des Vertrages von Coulaines plausibel erklären läßt: Hier wird das in archaischen Gesellschaften übliche Prinzip eines Zusammenhangs zwischen militärischer Führungsposition und Gesetzgebung deutlich, welches offenbar auch hinsichtlich der Zustimmung bis zu Spitzenvertretern der Mittelgewalten Wirkung entfaltete und beachtet wurde." 6 Da die Proklamation der Gesetze im germanischen Rechtsbereich häufig in Gegenwart des Heeres erfolgte - ein besonders schönes Beispiel ist die Präsentation des erstmals kodifizierten langobardischen Rechtes durch König Rothari im Jahre 643 vor versammelten Truppen, die das Volk repräsentierten - , könnte die militärische Aktion im Grenzbereich der Bretagne durch-
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Ebd. mit A. 4. - Nach DÜMMLER vermutet LEVILLAIN bei dem von Lupus genannten Werk die EPITOME DE CAESARIBUS des Aurelius Victor. Vgl. N. STAUBACH, Rex christianus, S. 105ff. ANNALES DE SAINT-BERTIN ad a. 844, S. 46f., dazu zahlreiche Anspielungen und Hinweise durch Lupus in seinen Briefen aus jener Zeit: LOUP DE FERRIERES, Correspondence 1, nr. 34, S. 152, nr. 35, S. 154, nr. 36, S. 160, nr. 45, S. 190. S. auch L. AuziAS, L'Aquitaine carolingienne, S. 209ff. LOT/HALPHEN, S. 86, A. 2, vermutet zu Recht eine militärische Führungsposition Warins für den Zug Karls in die Bretagne, weil jener eben in Coulaines in exponierter Position, gleichsam als letzte Kontrollinstanz begegnet.
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aus die Kulisse für die Gesetzespromulgation in Coulaines abgegeben h a b e n . " 7 Denn für die Anbindung der zunehmend eigenständig agierenden foederati im bretonischen Grenzraum und in Aquitanien hatten die relativ lange Phase des Präliminarfriedens und die dann folgende Zersplitterung des Frankenreiches durch die Dreiteilung von Verdun ungünstige Folgen: Das Regnum bot ein Bild der inneren Schwäche, ausgezehrt durch die Querelen um den Vorrang der Herrschaft, und nährte dadurch separatistische Neigungen in den genannten beiden Krisengebieten. Der Bretonenfiihrer N o m e n o e und der W i d o n e Lambert nützten die Gunst der Stunde für ihre Pläne. Es hat allerdings den Anschein, daß auch nach ihrem Anschluß an Karl vom Januar 841, Lothar zu beiden weiterhin Kontakte unterhielt und wohl auch deshalb gerade hier im Herbst 841 hoffte, erneut einen Krisenherd zu entfachen; offensichtlich war ihm dies gelungen. Galten doch die Widonen immer als Lothar getreue Magnaten und war doch bekannt, daß sie es durch Taktik und Weitblick verstanden hatten, ihre Stellung in der bretonischen Mark auch nach der Reichskrise Ludwigs des Frommen zu behaupten, indem eben nur ein Spitzenvertreter des Geschlechtes Lothar nach Italien folgte und als Herzog von Spoleto fungierte und der andere Teil der Familie das Frankenreich nicht verlassen hatte. Durch die Forschungen von E. Hlawitschka ist bekannt, daß j e n e r in der Grafschaft Nantes zurückgebliebene Lambert ein Bruder Widos von Spoleto w a r . " 8 Aber nicht nur er hatte die angestammten Besitzungen in der bretonischen Mark mit dem Zentrum Nantes nicht aufgegeben, um hier die Kontinuität der Herrschaftsansprüche der Familie für bessere Zeiten zu bewahren, auch seine Schwester Doda war in Nantes geblieben und zwar als Äbtissin im Kloster des hl. Clemens, welches vermutlich mit widonischem Besitz reich ausgestattet worden war. Während der S o m m e r m o n a t e des Jahres 843 hatte sich die Lage im bretonischen Grenzraum dann dramatisch verändert. Es ist generell davon auszugehen, daß die Grenzen der bretonischen Mark damals nicht exakt festgelegt waren und der Herrschaftsraum Karls II. hier eine Schwachstelle aufwies, die zu erkennen gibt, daß sich der bretonische Raum nicht in ein Regnum Karls II. eingliedern ließ. Bekanntlich datieren die Urkunden des Klosters Redon aus dieser Zeit nicht nach den Regierungsjahren Karls II., sondern benennen zur allgemeinen zeitlichen Orientierung nach Herrschaftsjahren die Gesamtherrschaft der karolingischen Brüdergemeinschaft mit besonderer Akzentuierung der tatsächlichen Herrschaftsbefugnis des Bretonenführers Nomenoe - und dies bis zum Friedensschluß von Angers vom Jahre 851 zwischen Karl und N o m e n o e s Sohn und N a c h f o l g e r Erispoe, wie bereits F. Lot betont hat. Im bretonischen Raum wurde demnach vom Fortbestand der Reichseinheit und einer Gesamtherrschaft der Brüdergemeinschaft ausgegangen, da sich eine solche Herrschaftskonzeption, welche die Hoheitsrechte Karls reduzierte, für separatistische Bestrebungen und die Betonung der ethnischen Sonderstellung als vorteilhafter erwies - regnantibus Karolo, Lothario vel Lodovico et Nominoe possidente Brittaniam, oder noch deutlicher: temporibus Lothario atque Karoli
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F. BEYERLE (Hg.), Die G e s e t z e der L a n g o b a r d e n , W e i m a r 1947, EDICTUS ROTHARI C. 3 8 6 , S. 156,
inquirentes et rememorantes antiquas leges patrum nostrorum, quae scriptae non erant, condedimus, et quodpro commune omnium gentis nostrae utilitatibus expediunt, pari consilio parique consensum cum primatos iudices cunctosque feiicissimum exercitum nostrum augenies constituimus in hoc membranum scribere iussimus. 118
Vgl. E. HLAWITSCHKA, Die W i d o n e n im D u k a t von Spoleto, S. 1 5 5 - 2 2 6 , in ders., Stirps regia, hier S. 1 6 2 f f .
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seu Lodowici reges, Nominoe gubernante BrittanniamV9 Die langjährige Auseinandersetzung im bretonischen Grenzraum, welche in der national ausgerichteten Geschichtsdarstellung heroisierend zum Befreiungskampf der Bretagne durch Nomenoe stilisiert wurde, erfordert es, die Situation des Jahres 843 genauer in den Blick zu nehmen. 1 2 0 Damals konzentrierte sich das politische Geschehen am Hof Karls II. auf die Vorbereitung der Reichsteilung und des Friedensschlusses mit Lothar. Karl residierte in den Königspfalzen in Neustrien, in Attigny und in Compiegne und bestätigte dort die ihm von geistlichen Magnaten vorgelegten Privilegien seines Vaters für deren Kirchen. Diplome für StRiquier und für die Bischofskirche von Autun sind erhalten. 121 Daß sich Karl damals auch gegenüber weltlichen Magnaten als großzügig erwies und Kirchengut an diese ausgab, wurde ihm später vorgehalten, insbesondere von Hinkmar von Reims. 1 2 2 Die Wünsche des Widonen Lambert, der um diese Zeit wohl erneut bei ihm vorstellig wurde, hat Karl aber offenbar nicht erfüllt. Anhand der schwierigen Quellenlage zu der dann folgenden ersten Phase des Konfliktes kann soviel erschlossen werden: Während der Bruderkriege hatte Lambert seine Entscheidung, sich Karl II. anzuschließen, mit Nomenoe abgestimmt. Beide traten im Januar 841 gemeinsam handelnd auf. Als dann Graf Richwin von Nantes in der Schlacht von Fontenoy gefallen war, hatte Karl Nantes durch Rainald von Herbauge besetzt, welcher der politischen Gruppierung der Rorgoniden zugerechnet werden darf; Karl hatte damit „angestammte" Rechte der Widonen in Nantes übergangen. 1 2 3 Allerdings haben Lambert und Nomenoe im Herbst 841 das Werben Lothars offenbar abgelehnt und keinen Parteiwechsel vollzogen, wodurch in späteren Zeiten eine Begünstigung für geleistete Treue von Karl II. gefordert werden konnte. Es ist daher nur allzu verständlich, wenn im Chronicon Namnetense als Grund für die Schlacht bei Blain vom Mai 843, in welcher Lambert seinen Rivalen Rainald tötete, die Enttäuschung Lam-
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CARTULAJRE DE REDON, hier zitiert nach F. LOT, Nominoe, Erispoe et L'empereur Lothaire, in: ders., Melanges d'Histoire Bretonne, Paris 1907, S. 3 3 - 4 0 , hier S. 35, A. 4. So das Standardwerk von A. DE LA BORDERIE, Histoire de Bretagne, 2 Bde., Rennes 1898; vgl. ferner J. KERHERVE, AUX origines d'un sentiment national. Les chroniqueurs bretons de la fin du Moyen Age, in: Bulletin de la Societe Archeologique du Finistere 108, 1980, S. 1 6 5 - 2 0 6 ; die bretonisch geprägte Geschichtsschreibung betont noch immer stark die Eigenständigkeit der Bretagne bereits für die erste Hälfte des 9. Jahrhunderts, so zuletzt J.-P. BRUNTERC'H, Le duche du Maine et la marche de Bretagne, in: La Neustrie Bd. 1, S. 2 9 - 1 2 8 , wenn er für die Zeit von 8 3 0 - 8 4 1 von den regna Bretagne und Neustrien spricht (S. 49), was doch problematisch erscheint, da das Territorium zwischen Seine und Loire zur Ausstattung Karls II. sicherlich die Funktion eines Unterkönigreiches erfüllen sollte, jedoch keineswegs terminologisch mit dem politischen Stellenwert der Bretagne im Reich Ludwigs des Frommen gleichgesetzt werden darf. In gleicher Weise schwierig erscheint seine Bewertung der verfassungspolitischen Einordnung der Bretagne fur die Jahre 8 4 1 - 8 5 1 , wenn dieser Zeitraum als „integration des comtes de Rennes et de Nantes au regnum breton" (S. 63 ff.) verstanden wird.
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TESS1ER I, nr. 22, S. 53ff. vom 21. 5. 843 u. nr. 23, S. 56ff„ vom 5. 7. 843.
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V g l . d i e VITA S. REMIGII EPISCOPI REMENSIS AUCTORE HINCMARO, e d . B . K r u s c h , M G H S S rer.
Merov. 3, Hannover 1896, S. 2 3 9 - 3 4 1 , S. 324: Quando tres fratres reges ... regnum post patris sui obitum inter se diviserunt, episcopium Remense, quod tenebat Folco presbiter, Karolus inter homines suos divisit; villam Luliacum Richuino in beneficium dedit - Zu diesem Problemkreis zuletzt M. STRATMANN, Hinkmar von Reims als Verwalter von Bistum und Kirchenprovinz, Sigmaringen 1991. 123
Vgl. dazu J. SMITH, Province and empire, S. 92, sowie R. M. HOGAN, The Rainaldi o f Angers: „ N e w Men" or descendants of Carolingian nobiles?, in: Medieval Prosopography 2, 1981, S. 3 5 - 6 2 , hier S. 39ff., sowie LOT/HALPHEN, S. 76ff. mit Anmerkungen, auch zur Schlacht bei Blain.
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berts a n g e f ü h r t wird, weil er nicht mit der G r a f s c h a f t N a n t e s belehnt w o r d e n war. Vorstellbar ist, d a ß er sich im Frühjahr 843, als sich das Ende der Bruderkriege abzeichnete, erneut um eine B e l e h n u n g mit Herrschaftsrechten im Nantais bemüht hatte. Die ihm nicht gewährte - seiner H e r k u n f t e n t s p r e c h e n d e - s t a n d e s g e m ä ß e Stellung wollte Lambert dann mit W a f fengewalt erzwingen. Einzelheiten über die o f f e n b a r länger a n d a u e r n d e militärische Auseina n d e r s e t z u n g enthält der Bericht im C h r o n i c o n N a m n e t e n s e mit der Möglichkeit d e r Datierung. 1 2 4 Sicher ist soviel: An der Spitze eines widonischen V e r w a n d t e n c l a n s betrieb Lambert d a m a l s g e m e i n s a m mit N o m e n o e die gewaltsame R ü c k g e w i n n u n g der a n g e s t a m m ten Rechte seiner Familie in der G r a f s c h a f t Nantes. Dies hatte zur Folge, d a ß bestehende Herrschaftsstrukturen zerstört wurden und ein M a c h t v a k u u m entstand, welches den Norm a n n e n durch Informationen über den Handel bekannt war und von ihnen als günstige Gelegenheit zur Plünderung und Zerstörung von Nantes am J o h a n n e s t a g des Jahres 843 genützt wurde. Es ist nicht notwendig, hierbei eine Aktion im Einvernehmen mit Lambert zu unterstellen - wie dies in den Quellen meist zum A u s d r u c k k o m m t ; eine S c h w ä c h u n g der gerade erst von Lambert durch Beseitigung des A m t s i n h a b e r s errungenen Machtposition in N a n t e s durch ihre a n s c h l i e ß e n d e Freigabe zur P l ü n d e r u n g und B r a n d s c h a t z u n g w ä r e doch unsinnig g e w e s e n . Was hätte Lambert hieran gelegen? Richtiger erscheint es aber, von einer eher indirekten M i t w i r k u n g L a m b e r t s auszugehen, da durch seine Zerstörung der O r d n u n g s strukturen im Nantais die n o t w e n d i g e n militärischen S c h u t z m a ß n a h m e n zur S i c h e r u n g der Stadt N a n t e s nicht mehr aufzubieten waren und das entstandene M a c h t v a k u u m von ihm noch nicht durch neue, eigenständige Herrschaftsstrukturen ersetzt werden konnte. Die Resourcen waren verbraucht und vor allem fehlte die A n b i n d u n g an das K ö n i g t u m ; die Sys t e m s c h w ä c h e war nicht durch Lamberts Rebellion an sich entstanden, sondern a u f g r u n d der K o n s e q u e n z e n , die solches Verhalten nach sich zog, nämlich A u s g l i e d e r u n g des Rebellen und seines M a c h t b e r e i c h e s aus dem H e r r s c h a f t s v e r b a n d , um gegen ihn vorgehen zu können. Ist es doch ein K e n n z e i c h e n der N o r m a n n e n e i n f ä l l e am Beginn der Regierungszeit Karls II., d a ß j e w e i l s in angespannten politischen Situationen bei regionalem M a c h t v a k u u m auch ein Einfall d e r N o r m a n n e n über die H a n d e l s w e g e der Flußläufe erfolgte. 1 2 5
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LA CHRONIQUE DE NANTES C. 4, S. 9ff.; es wird retrospektiv unter Verwendung älterer Vorlagen berichtet, vgl. die Einleitung der Edition von R. MERLET. S. X X X I X f f . - Nicht berücksichtigt wird diese frühe Phase des Konfliktes mit Lambert II. und den Bretonen bei W. DAVIES, On the distribution of political power in Brittany in the mid-ninth century, in: Charles the Bald, S. 9 8 - 1 1 4 .
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So etwa die Plünderung vom 12. 5. - 31. 5. 841 entlang der Seine, als Karl mit den dort aufgebotenen Truppen diese Gegend verlassen hatte und die militärische Auseinandersetzung mit Lothar vorbereitete. Einzelheiten überliefern LES PREMIERES ANNALES DE FONTENELLE ad a. 841, S. 75; der kurze Bericht zeigt die Vorgehensweise der Normannen: Plünderung und Brandschatzung, wenn geforderte Zahlungen nicht geleistet wurden; Gefangene konnten freigekauft werden, wobei als Lösegeld ein Preis von 3 Pfund Silber pro Mann für Fontenelle damals festgelegt und durch die M ö n c h e von StDenis beglichen wurde. Eine solche Vorgehensweise entspricht einer ausgeklügelten Form von Piraterie, nicht jedoch einer beabsichtigten Eroberung von Siedlungsräumen. Das wohl lange vorhaltende Mißverständnis hinsichtlich der Bewertung dieser Plünderungen auf Seiten der Franken, das sich in den Quellen spiegelt, könnte daraus resultieren, daß bei Zerstörung und Plünderung üblicherweise von einer beabsichtigten Eroberung, nicht aber von Beutezügen zu merkantilen Z w e c k e n ausgegangen wurde. Die Verwüstung von Rouen vom 14. 5. wird in den Annales Bertiniani bestätigt. - Bei der Plünderung von Quentowick/Etable, Dep. Pas-de-Calais, vom Oktober 842 sind Situation und Vorgehensweise der Normannen ähnlich; s. ANNALES DE SAINT-BERTIN ad a. 842, S. 42: Durch Zahlung
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Die Verträge von Verdun und
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Die mehrfach überlieferte Schilderung des Normanneneinfalls in Nantes am 24. 6. 843 beruht sicherlich auf Augenzeugenberichten; das Ereignis erfuhr allerdings der Tendenz der Zeit entsprechend eine hagiographische Deutung und Stilisierung in der Absicht, den Tod des Bischofs Gunhardus am Altar als Martyrium zu glorifizieren. 126 Die Nachricht aus Fontenelle spricht eine solche Bewertung sogar konkret an, in der Absicht, so einen neuen Heiligen zu kreieren: Eodem anno Nannetes urbem depopulati sunt Normanni et Guntbardum (sie!) episcopum martyrizaverunt.127 Interessant ist die Aufzählung der Beutegegenstände in jenem Augenzeugenbericht. Demnach konzentrierte sich die Aktion auf kultische Wertgegenstände und auf die Gefangennahme von Menschen verschiedener Altersgruppen; es kann daher als Motivation der Normannen die Gewinnung von Ressourcen für den Handel mit Sklaven und Edelmetallen durch Raub angesehen werden. Der Raub von ungeschützt zugänglichen Handelsressourcen dürfte aus Sicht der Normannen nicht als kriegerische Handlung verstanden worden sein, sondern schlicht als die dem Stärkeren zustehende Möglichkeit der gewaltsamen Bereicherung. 128 Nach den Angaben der Chronik von Nantes diente ihnen die Insel Noirmoutier in der Loiremündung seit einiger Zeit als befestigter Stützpunkt für Beutezüge sowie als Handelsplatz, denn der Konvent des dort ansässigen, ehrwürdigen Klosters des hl. Philibert hatte noch während der letzten Regierungsjahre Ludwigs des Frommen die Insel verlassen müssen, um dem Zugriff der Normannen zu entgehen - so bei Ermentarius, dem Chronisten des Klosters. Die mit der Übersiedlung ins Landesinnere nach Deas, später nach Cunault - verbundene Erleichterung, vielleicht auch Besserstellung des Konvents war eine Notmaßnahme, keine Problemlösung, weil durch das Ausweichen vor der Gefahr der Raub nicht unterbunden, sondern dem Räuber über den Handel der Weg ins Landesinnere zu den Städten und kultischen Zentren, die ja auch Marktplätze waren, gewiesen wurde. 129 Es ist bezeichnend für die Verkennung der Situation, daß erst zwei Jahrzehnte später, zu einem Zeitpunkt, als die Normannen plündernd auf allen Flußläufen den Handel im Westfrankenreich beherrschten und ihre Plünderungszüge zu einer flächendekkenden Gefahrdung der Sicherheit im Reich wurden, Maßnahmen zur Sicherung von Brükken, Flußläufen und Handelsplätzen als Strategie, vor allem entlang der Seine konzipiert
k a n n die V e r w ü s t u n g der G e b ä u d e verhindert w e r d e n . - Die b e s t e D a r s t e l l u n g der P r o b l e m a t i k der N o r m a n n e n e i n f ä l l e im W e s t f r a n k e n r e i c h hat A . D'HAENENS, L e s i n v a s i o n s n o r m e n d e s , u n e catastrop h e ? P a r i s 1970, vorgelegt. Z u m H a n d e l der W i k i n g e r sei an d i e s e r Stelle a u f d i e g r u n d l e g e n d e n A r b e i t e n von H. JAHNKUHN v e r w i e s e n , i n s b e s o n d e r e a u f ders., H a i t h a b u . Ein H a n d e l s p l a t z der W i k i n gerzeit, 6 I 9 7 6 , s o w i e , F r ü h e S t ä d t e im N o r d - und O s t s e e r a u m ( 7 0 0 - 1 1 0 0 n. Chr.), in: T o p o g r a f i a u r b a n a e vita cittadina n e l l ' a l t o m e d i o e v o in o c c i d e n t e (= S e t t i m a n e di studio 21), S p o l e t o 1974, S. 1 5 3 - 2 0 1 , s o w i e a u f T. CAPELLE, Die W i k i n g e r , S. 6 6 f f . 126
A m b e s t e n ist der T e x t ü b e r l i e f e r t bei Ch. URSEAU, C a r t u l a i r e noir de la c a t h e d r a l e d ' A n g e r s , (= D o c u m e n t s h i s t o r i q u e s sur l ' A n j o u 5), Paris, A n g e r s 1908, S. 8 7 f f . , zur R e k o n s t r u k t i o n d e s C a r t u l a i r e noir S. I X f f . und d a s Q u e l l e n v e r z e i c h n i s S. L X V ; s. a u c h LA CHRONIQUE DE NANTES S. 14ff.
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LES PREMIERES ANNALES DE FONTENELLE ad a. 843, S. 79.
128 129
C a r t u l a i r e noir, S. 89f. u. w e i t e r f ü h r e n d LA CHRONIQUE DE NANTES C. VII, S. 18ff. ERMENTARIUS, De t r a n s l a t i o n i b u s et m i r a c u l i s S. Filiberti I, 1 u. 2, S. 2 4 u. 2 6 z u r T r a n s l a t i o v o m 7. 6 . - 1 1 . 6. 8 3 6 von N o i r m o u t i e r n a c h Deas (= S t - P h i l i b e r t - d e - G r a n d - L i e u ) , s. d a z u II, 1, S. 63. A m 27. 12. 8 4 5 erhielt der K o n v e n t C u n a u l t als sicheren Z u f l u c h t s - und A u f e n t h a l t s o r t im L a n d e s i n n e r e n von Karl II. bestätigt, u m a b e r m a l s vor d e n N o r m a n n e n a u s z u w e i c h e n , TESSIER I, nr. 81, S. 2 2 7 - 2 2 9 . Z u C u n a u l t s. E. VAN CAUWENBERGH, in: D i c t i o n n a i r e d ' h i s t o i r e et d e g e o g r a p h i e e c c l e s i a s t i q u e s 13, P a ris 1956, Sp. 1109.
Die Phase zwischen beiden
Verträgen
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und ausgeführt wurden, die als Regulativ ernst genommen wurden. Ein Zeitgenosse vermerkte freilich kritisch, daß bei solchem Vorgehen auch kein Handel mehr möglich sei. 130 Dennoch wird durch den Bericht der Zeitzeugen glaubhaft vermittelt, daß die Plünderung von Nantes am Johannestag des Jahres 843 als Katastrophe empfunden worden war. Dementsprechend hoch gegriffen ist die Zahlenangabe der normannischen Schiffe vor Nantes, nämlich 67. Eine solche Handelsflotte ist aber eher fur die zweite Plünderung von Nantes im Juli des Jahre 853 vorstellbar und der Phase der gezielten Plünderungszüge zuzuord131
nen. Im Ergebnis konnte damit eine dreifache Gefährdung im bretonischen Grenzraum festgestellt werden: die Eigenständigkeitsbestrebungen der Bretonen unter Führung Nomenoes, die Rebellion Lamberts II., sowie die Plünderung von Nantes durch die Normannen. Die föderative Angliederung der Bretagne an das westfränkische Regnum während der Bruderkriege eröffnete Nomenoe die Möglichkeit, separatistische Bestrebungen als Ergebnis dieser Phase auch nach dem Friedensschluß zu forcieren. Ihm hatte sich der Widone Lambert angeschlossen, um sich auf diese Weise die ihm von Karl verweigerte Position in Nantes anzueignen. Dabei schien ein legaler Weg dadurch gegeben, daß Nomenoe offenbar die Zugehörigkeit der Bretagne zum Herrschaftsraum Karls II. ablehnte, nicht jedoch zum Gesamtreich; er akzeptierte die Brüdergemeinschaft der herrschenden karolingischen Dynastie und deren Oberhoheit, wodurch eine strukturelle Einbindung in das Westfrankenreich elegant vermieden wurde. Die Datierungen der Urkunden des Klosters Redon belegen diese verfassungsrechtlich interessante Kombinationsmöglichkeit, die offenbar auch Lambert für seinen okkupierten Herrschaftsraum in Nantes anstrebte. Die damit zugleich Lothar offerierten Möglichkeiten der Einflußnahme waren wohl bedacht. Tatsächlich unterstand der bretonische Grenzraum nach dem Vertrag von Verdun der Oberhoheit der Brüdergemeinschaft; die Konfliktlösungen mit Lambert und Nomenoe wurden auf den Königstreffen in Diedenhofen/Yütz und Meersen, 844 und 847, diskutiert und als entscheidender Schritt, der die Oberhoheit der Brüdergemeinschaft verdeutlicht - eine gemeinsame militärische Intervention bei weiteren Aggressionen im Grenzraum des Westfrankenreiches angekündigt. Für Lambert muß in Yütz eine Lösung gefunden worden sein, da er bald darauf als Graf von Angers, damit im aquitanischen Grenzraum begegnet und später sogar eine Tochter Lothars I. heiratete. I j 2 Weshalb sich dann dennoch im bretonischen Raum die Rebellion als ein die politische Szene beherrschendes Charakteristikum
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A. D'HAENENS, Les invasions normandes, une catastrophe?, S. 62ff., C. GLLLMOR, War on the rivers: Viking numbers and mobility on the Seine and Loire, 841-886, in: Viator 19, 1988, S. 79-109; ders., The logistics of fortified bridge building on the Seine under Charles the Bald, in: Anglo-Norman studies I I , 1989, S. 87-106, sowie besonders ebd. Β. DEARDEN, Charles the Bald's fortified bridge at Pitres (Seine): Recent archeological investigations, in: Anglo-Norman studies 11, 1989, S. 107-113. ERMENTARIUS, De translationibus et miraculis S. Filiberti II, praefatio, S. 59; vgl. ferner J. SMITH, Province and empire, S. 94. - Zur zweiten Plünderung von Nantes s. ANNALES DE SAINT-BERTIN ad a. 853, S. 66; vgl. ferner W. VOGEL, Die Normannen und das fränkische Reich bis zur Gründung der Normandie (799-911), Heidelberg 1906, S. 95ff., sowie bei J. STEENSTRUP, Les invasions normandes en France, (Les memorials des siecles), Paris 1969, überwiegend Quellen in französischer Übersetzung, jedoch keine Analyse der Ereignisgeschichte. Vgl. J. SMITH, Province and empire, S. 95ff., sowie zu Lambert A. KRÄH, Absetzungsverfahren, S. 98ff.
Die Verträge von Verdun und
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Coulaines
über viele Jahre hielt, mag auch an dem unliebsamen dritten Interessenten, an den Normannen, gelegen haben, deren Machenschaften den Gegner schwächen konnten, wenn man sie gewähren ließ. Das Interesse der Normannen konzentrierte sich bekanntlich nicht nur auf Nantes, sondern auf die Städte und Klöster entlang der Loire; ihre Plünderungszüge bewirkten damit eine sukzessive Schwächung der Herrschaft Karls - , die freilich zunächst nicht die Hofkultur unmittelbar tangierte, sondern die Ressourcen in der Region minderte. Karl wurde im übrigen erst tätig, als die Plünderung über die Seine seine Pfalzen, vor allem Pitres, erreicht hatte. Erkannt worden war von ihm im Herbst 843 daher wohl weniger die innere Schwächung des Reiches durch die Plünderungszüge der Normannen, sondern vielmehr die akute Gefährdung der gesamten Region durch die Lamberts Rebellion, welche eine Sicherung der Grafschaften an der Loire, die aufgrund der sich anschließenden Grenzlinie seines Herrschaftsraumes die Funktion von Marken erfüllten, dringend erforderlich werden ließ. Die Lösungen an der bretonischen Grenze im Herbst 843 lassen sich aufgrund der wenigen Quellenaussagen hierzu nicht konkret nachvollziehen. Sicher ist aber, daß Karl mehr erreicht hatte, als berichtet wird. Bekannt ist sein Kriegszug mit erheblichem Truppenaufgebot bis Rennes, nicht jedoch das Ergebnis der sicher erfolgten Verhandlungen mit Nomenoe. 133 Immerhin wurde es für so ausreichend befunden, daß der fur das Jahr 844 geplante Zug nach Aquitanien, vor allem in den östlichen Pyrenäenraum, unternommen werden konnte. Eine Bastion der Herrschaft Karls blieb nach wie vor das Bistum von Le Mans, dessen Güter für die Versorgung des Heeres auf dem Zug gegen die Bretonen in Anspruch genommen worden waren; Karls Itinerar in den Herbstmonaten des Jahres 843, das H. Guillotel präzisieren konnte, belegt dies, insbesondere der Nachweis, daß die Bestätigungsurkunde für St-Lomer vom 14. 10. 843 auf einem Gut der Bischofskirche von Le Mans ausgefertigt worden war datiert Carisiaco in villa sancti Salvatoris.134 Im Poitou mit Nantes begegnen um diese Zeit und im folgenden Jahr die Grafen Bego, Bernhard und Heriveus, wobei alle drei von Lambert als Konkurrenten beseitigt wurden. Die Nachrichten über die Niederlage der Grafen Bernhard und Heriveus im Herbauge und den Sieg Lamberts enthalten den Hinweis, daß Heriveus, der Sohn Graf Rainalds war. 135 Dies heißt aber doch, daß Karl mit Rainald und dessen Sohn Heriveus im Nantais die Herrschaft einer Adelsdynastie etablieren wollte, als Gegenposition zu den Widonen, auf deren angestammte Rechte sich Lambert als Mitglied der Sippe berief. Die Fehde als Mittel der Konfliktlösung war demnach bewußt einkalkuliert worden; dies wiederholte sich einige Jahre später bei der Auseinandersetzung zwischen Gauzbert und Lambert, wobei Gauzbert als Graf im Maine ein Mitglied der Rorgoniden war, die - nach der Beseitigung der Familie Rainalds - als Adelsclan Lambert verdrängen sollten. Die politische Großlage hat dann beiden den Untergang beschert. 136 Die kirchenpolitische Neuregelung für Nantes sah zunächst vor, das Bistum am 30. 9. 843 vorübergehend dem Schutz des Bischofs Susannus von Vannes zu unterstellen, den die 133
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Zum Itinerar s. TESSIER I, nr. 28, S. 7 Iff. vom 13. 11 .in tentoriis prope Redonis civitate, dann Coulaines, dann nr. 30, S. 74ff. vom 27. 12. in St-Martin-de-Tours, nr. 31, S. 82ff. vom 29. 12. ebd., nr. 32, S. 82ff. vom 8. 2. 844 in Limoges ausgefertigt. TESSIER I, nr. 27, S. 71, in Verbindung mit dem Bericht über die Bautätigkeit Aldrichs von Le Mans an s e i n e r B i s c h o f s k i r c h e in honore
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Sancti
Salvatoris,
A C T U S PONTIFICUM C E N O M A N N I S rN U R B E
DEGENTIUM, S. 303. H. GUILLOTEL, L'action de Charles le Chauve, S. 1 Iff. Vgl. ο. bei 2.2.3. Α. 81. Vgl. A. KRAH, Absetzungsverfahren, S. 104ff.
Die Phase zwischen beiden
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Gesta der Mönche von Redon als Häretiker kennen; gegen Jahresende fanden dann Wahl und Einsetzung des berühmten Bischofs Actard in Nantes statt, der bis in die letzte Phase der Regierungszeit Karls II. als aktiver Teilnehmer auf Synoden bezeugt ist, so zuletzt auf der Synode von Douzy vom Jahre 871. Auf ihr wurde die Übersiedlung Actards nach Tours einschließlich der Übernahme des vakanten Metropolitanstuhles von Tours mit päpstlicher Zustimmung beantragt - so Schrörs - , weil Actards Bistum Nantes von den Normannen zerstört worden war. 137 Hinkmar hoffte damals, dies durch eine feinsinnige Schrift zum Verbot des Bistumswechsels verhindern zu können. 138 Eine weitere, wirksame Maßnahme zur Sicherung des Grenzbereiches sieht Lot in der Reorganisation der Grafschaft Tours durch Karl, wo Ende des Jahres 843 für den Grafen Vivianus ein Machtzentrum errichtet wurde; neben der Grafschaft übernahm er die Leitung der Abtei St-Martin-de-Tours als Laienabt; sein Verwandter Rainald fungierte bis 845 als Abt, offenbar Laienabt, von Marmoutier. Nach ihm erhielt Vivian auch dieses traditionsreiche Kloster. 139 Der Bedeutung, die Tours an der Loire als Schlüsselposition zur Grenze Aquitaniens einnahm, und der Planung der Regelung der aquitanischen Fragen für das kommende Jahr entsprach es, das Weihnachtsfest in diesem strategisch wichtigen Herrschaftszentrum zu feiern. Hier lag auch Karls Mutter Judith begraben, die am 20. 3. des Jahres verstorben war. Da ihr während der Bruderkriege mehrfach die Repräsentation der Königsherrschaft ihres Sohnes für Aquitanien übertragen worden war, hatte die Feier des Weihnachtsfestes und des Jahresbeginnes an ihrem Begräbnisort programmatische Wirkung in Hinblick auf die Politik der nächsten Monate. Hatte doch ihr ganzer Einsatz an der Seite Ludwigs des Frommen der künftigen Königsherrschaft Karls II. gegolten. Für seine Erziehung hatte sie hervorragende Gelehrte ausgewählt, so den berühmten Walahfrid Strabo, und für ihr ungezwungenes Spiel mit dem Kind Karl hatte ihr Agobard von Lyon bittere Vorwürfe gemacht, weil sie sich dadurch als Kaiserin disqualifiziert habe. Durch seine Schrift ist dieser sympathische Zug der Kaiserin überliefert. 140 Sie hatte die schrittweise Ausstat137
A . CHEDEVILLE, H. GUILLOTEL (wie 3.4. A. 53); zu S u s a n n n u s von V a n n e s vgl. die GESTA SANCTORUM ROTONENSIUM, ed. v. C. BRETT, T h e m o n k s o f R e d o n , W o o d b r i d g e 1989. II. 10. S. 175ff., w o i h m H ä r e s i e vorgehalten wird. Leider enthält die Edition k e i n e K o m m e n t i e r u n g . In dieser Q u e l l e w i r d in III, 5, S. 2 0 1 f., auch von g e m e i n s a m e m V o r g e h e n L a m b e r t s II. und N o m e n o e s im N a n t a i s e r z ä h l t ; g e m e i n t ist a b e r wohl die Situation von 8 5 0 / 8 5 1 ; d a z u J.-P. BRUNTERC'H. Le d u c h e du M a i n e et la m a r c h e de B r e t a g n e , S. 73 mit A . 2 5 8 zu LES PREMIERES ANNALES DE FONTENELLE. S. 83. - Z u r Q u e l l e s. F. LOT, Les Gesta S a n c t o r u m R o t o n e n s i u m , in: ders., M e l a n g e s d ' h i s t o i r e bretonne, S. 5 - 1 3 , u. L. FLEURIOT, Α. P. SEGALEN, Histoire litteraire et culturelle de la B r e t a g n e 1, Paris G e n e v e 1987, S. 102; - z u r E i n s e t z u n g A c t a r d s in N a n t e s s. LA CHRONIQUE DE NANTES c. IX, S 2 5 f f . mit S. 2 6 Α . 1 u. 2. - Zu A c t a r d s. HARTMANN, D i e S y n o d e n der Karolingerzeit, S. 2 5 1 , 318. 3 2 0 f f . u. 3 2 6 mit A n m e r k u n g e n , und SCHRÖRS, H i n k m a r , E r z b i s c h o f von R e i m s , S. 351 f.
138
Vgl. d e n T e x t bei M I G N E P L 126, H i n k m a r , Epistola X X X I , D e t r a n s l a t i o n i b u s e p i s c o p o r u m , contra A c t a r d u m N a m n e t e n s e m , Sp. 2 1 0 - 2 3 0 , k o n k r e t d e n Fall a u f r o l l e n d in c. XI, Sp. 2 1 8 ; der Fall ist inhaltlich fixiert bei S. SCHOLZ, T r a n s m i g r a t i o n und T r a n s l a t i o n . S t u d i e n z u m B i s t u m s w e c h s e l der Bis c h ö f e von d e r S p ä t a n t i k e bis ins H o h e Mittelalter, ( = K ö l n e r hist. A b h l g . 37), K ö l n u. a. 1992, S. 130ff.
139
Vgl. LOT/HALPHEN, S. 8 9 mit A. 2 u. 3. Vgl. f e r n e r bei B. KASTEN, K ö n i g s s ö h n e und K ö n i g s h e r r s c h a f t , S. 4 4 5 .
140
Vgl. z u J u d i t h E. WARD, C a e s a r ' s W i f e , bes. S. 2 1 4 f f „ S. 2 2 1 zu W a l a h f r i d Strabo; zu W e r k und W i r k e n d e s h e r v o r r a g e n d e n G e l e h r t e n vgl. den Artikel „ W a l a h f r i d S t r a b o " von Β. K. VOLLMANN, in: D i e d e u t s c h e Literatur d e s Mittelalters. V e r f a s s e r l e x i k o n Bd. 10, L i e f e r u n g 2, 1997, Sp. 5 8 4 - 6 0 3 , zu
Die Verträge von Verdun und Coulaines
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tung Karls mit Herrschaftsräumen forciert und nach d e m T o d e d e s Kaisers den Kronschatz fur K a r l II. d i e e r s t e Z e i t b e i s i c h g e f u h r t . 1 4 1 S i e w a r e s , d i e i h m d a n n a u s A q u i t a n i e n z u m O s t e r f e s t d e s J a h r e s 8 4 1 d e n K ö n i g s o r n a t m i t d e r K r o n e r e c h t z e i t i g g e s a n d t hatte, u n d ihr v e r d a n k t e er d e n T r i u m p h d i e s e r T a g e . D e r V e r s u c h , A q u i t a n i e n für Karl z u b e h a u p t e n , ist ihr n i c h t g e l u n g e n . E i n e g r o ß e E n t t ä u s c h u n g d ü r f t e für s i e d a s V e r h a l t e n B e r n h a r d s v o n S e p t i m a n i e n , ihres f r ü h e r e n K ä m m e rers, g e w e s e n s e i n , d e r n a c h p o l i t i s c h e m K a l k ü l in e i g e n e r S a c h e u n d n i c h t l o y a l h a n d e l t e . N a c h K a r l s H e i r a t m i t E r m e n t r u d a m 13. 12. 8 4 2 s c h i e d J u d i t h a u s d e m k ö n i g l i c h e n H a u s halt a u s . M a g s e i n , d a ß m a n c h e a u c h d e s h a l b d e n ü b e r m ä c h t i g e n E i n f l u ß A d a l h a r d s d a m a l s b e f ü r c h t e t e n . B ö s e Z u n g e n h a b e n K a r l n a c h g e s a g t , d a ß er s e i n e r M u t t e r w ä h r e n d d e r l e t z t e n M o n a t e ihres L e b e n s B e s i t z u n g e n e n t z o g e n habe. D i e d e m K ö n i g s h a u s zur Ausstattung einer K ö n i g i n zur V e r f u g u n g s t e h e n d e n Güter w a r e n freilich begrenzt, s o d a ß d a v o n a u s z u g e h e n ist, d a ß K a r l n a c h s e i n e r H e i r a t b e m ü h t w a r , e i n e n T e i l d i e s e r G ü t e r s e i n e r G e m a h l i n a l s dotalitium
zuzuwenden.142
K a r l s V e r h ä l t n i s z u s e i n e r M u t t e r w a r p o s i t i v ; er hat ihr i m m e r e i n d e m e n t s p r e c h e n d e s G e d ä c h t n i s b e w a h r t . 1 4 3 In s e i n e n s p ä t e n R e g i e r u n g s j a h r e n s c h r i e b er a n P a p s t N i k o l a u s , d a ß
seinen Gedichten und seinen Kontakten zum Kaiserhaus bes. Sp. 585. - Der Vorwurf des ungebührlichen Spieles mit dem Kinde findet sich bei Agobard von Lyon, LLBER APOLOGETICUS 1, ed. L. VAN ACKER, Agobardi Lugdunensis opera omnia, C C C M 52, Turnholti 1981, S. 3 0 9 - 3 1 2 , c. 5, S. 311; ansonsten konnte er Judith nichts vorhalten! 141 142
Vgl. o. bei 2.1.1. und 2.2.1. Die gut informierten ANNALES XANTENSES berichten zum Jahr 843, daß Judith ihren Besitz verloren habe, S. 13: Eodem anno Judhit imperatrix, mater Karoli, predata a fiiio substantia omni Turonis civitate migravit a seculo. - Zur Ausstattung der Ehefrau mit einer dos nach fränkischem Eheschließungsrecht sind die Forschungen von P. MLKAT heranzuziehen; ders., Zu den Voraussetzungen der Begegnung von fränkischer und kirchlicher Eheauffassung in Gallien, in: Diaconia et ius, (= Festgabe für H. FLATTEN), Paderborn u. a. 1973, S. 1 - 2 6 , sowie ders., Dotierte Ehe - rechte Ehe. Zur Entwicklung des Eheschließungsrechts in fränkischer Zeit, (= Rheinisch-Westfälische Akademie der Wissenschaften, Vorträge G. 227), Opladen 1978, u. Ehe, in: HRG 1, Berlin 1971, Sp. 809ff.; W. OGRIS, Dos, in: HRG 1, Sp. 775ff.
143
Das Todesdatum der Kaiserin Judith ist überliefert in der im Original erhaltenen Urkunde Karls II. für die Bischofskirche von Paris vom 12. 5. 872, TESSIER II, nr. 364, S. 3 1 2 - 3 1 5 , S. 315. Als Gegenleistung wurde ein umfassendes Anniversargedenken fur die königliche Familie erwartet und eingerichtet: Genannt sind die Todestage Ludwigs des Frommen und Judiths, der Geburtstag Karls II. am 13. 6., der Tag seiner Königsweihe - diem a Deo concessae nobis unctionis der Geburtstag seiner zweiten Gemahlin Richildis und ihr gemeinsamer Hochzeitstag; es sollen später - so die Verfugung Karls Sterbetag und die Geburtstage der Nachkommen aus zweiter Ehe ergänzt werden. (Ermentrud und die Kinder aus erster Ehe sind nicht aufgeführt! Insofern ist dieser Eintrag zeitgebunden und programmatisch zu verstehen.) - Das Gebets- und Anniversargedenken für Judith kann in 12 Diplomen Karls II. in der Zeit zwischen 852 und 877 nachgewiesen werden. Sie wird grundsätzlich eingeschlossen in die Memoria der Königsfamilie; bei Anniversargedenken wird ihr Todestag genannt, meist ohne Datum. Diese Memoria wurde eingerichtet in den Klöstern Marmoutier (TESSIER I, nr. 147, S. 387ff., vom 3. 4. 852), St-Quentin (TESSIER II, nr. 251, S. 73ff., vom 12. 1. 863), St-Philibert (TESSIER II, nr. 378, S. 342ff., vom 19. 3. 875), St-Martin-de-Tours (TESSIER II, nr. 307, S. 179ff., vom 27. 12. 867 u. nr. 441, S. 488ff., vom 1. 8. 877), St-Martin-d'Autun (TESSIER II, nr. 444, S. 498, ca. 1 1 . 8 . 8 7 7 ) und vor allem in der Königsabtei St-Denis (TESSIER I, nr. 220, S. 549ff., vom 31. 8. 8 6 0 pro absolutione animae genitoris nostri Hludowici serenissimi augusti atque genitricis nostrae Judith aeque piissimae augustae\ TESSIER II, nr. 246, S. 53ff., vom 19. 9. 862, nr. 300, S. 158ff., vom 29. 8. 867, nr. 379, S. 347ff., vom 27. 3. 875); femer wurden in den Bischofskirchen von Chälons-sur-
Die Phase zwischen beiden
Verträgen
249
seine Mutter bei seiner Geburt Erzbischof Ebo von Reims um tägliches G e b e t s g e d e n k e n fur ihren kleinen Sohn gebeten und ihm deshalb als Zeichen ihrer Dankbarkeit einen Ring gesandt habe. 1 4 4 Diese Episode war Karl sicherlich durch die Erzählung seiner Mutter bekannt. D a ß er sie weitergab, beruhte nicht nur auf politischem Kalkül g e g e n ü b e r dem Papst, sondern spiegelt auch die Wertschätzung der Mutter durch den Sohn. Ähnliche Überlegungen m ö g e n ihn veranlaßt haben, zu Beginn des Jahres 844 von T o u r s aus die A q u i t a n i e n f r a g e in A n g r i f f zu n e h m e n , um ein Reichsgebiet seinem Regnum einzugliedern, um das sich sein Vater, aber auch seine Mutter Judith besonders b e k ü m m e r t hatten.
144
Marne und Mäcon Gebetsgedenken für die Königsfamilie errichtet (TESSIER I, nr. 153, S. 404f., vom 1 . 5 . 853 u. nr. 162, S. 427ff., vom 21. 5. 854). Die Briefe Karls sind unzureichend ediert mit manchen Unstimmigkeiten bei MIGNE PL 124, Paris 1879, Sp. 8 6 1 - 8 9 6 ; der Brief an Papst Nikolaus I., hier als nr. V, Sp. 8 7 0 - 8 7 6 , die Anekdote Sp. 872Γ.
3.6. Zusammenfassung
In den Territorien des entstehenden westfränkischen Regnums hatten sich während der Bruderkriege Herrschaftsstrukturen etabliert mit deutlicher Akzentuierung der Spielregeln des archaischen Gefolgschaftsverbandes. Ausgegangen wurde nicht von einem in seinen Grenzen fixierten Königreich und von Herrscherkompetenzen nach tradiertem Muster, vorgegeben etwa durch Designation, sondern von einer eher ideellen Regnumskonzeption mit verschiedenen Möglichkeiten der Realisation - den Lösungsvorschlägen Ludwigs des Frommen folgend und diese summierend - und von im einzelnen eher vagen Vorstellungen einer Königsherrschaft Karls II. Diese sollte zunächst nicht mehr als eine Spitzenfunktion zur Ausrichtung des entstehenden Ordnungssystems sein. Westfränkische „Staatlichkeit" orientierte sich an ihrem Beginn nach dem Personalprinzip der archaischen, kriegerischen Gesellschaft, nicht nach dem Territorialprinzip; letzteres wurde aktuell, weil Karls Kriegsstrategie erfolgreich gewesen war und Prämissen setzte für die Konstituierung seines Regnums, und zwar in zweifacher Hinsicht: fur die Strukturierung im Innern und die Akzeptanz von außen. Sein Gefolgschaftsverband hatte sich zunehmend vergrößert und dieser Gefolgschafts verband hatte Lothar besiegt und aus Aachen verdrängt. Das Ergebnis von Fontenoy und Sinzig war die Diskussion über die Größe des westfränkischen Regnums. Diese Frage stand somit nicht am Beginn sondern am Ende des Konfliktes. Die Größe des Regnums mußte dann aber - und dies war die Schwierigkeit auch für das Mittelreich - einem Ordnungssystem angepaßt werden, welches sich während der vergangenen drei Jahre sukzessiv etablieren konnte. Freilich basierten die Vorgaben im Mittelreich nach der langen Zeit der Mitherrschaft Lothars und der Phase seiner Usurpationsversuche auf jetzt bereits tradierten, eigenständigen Ordnungsmustern, während es im Westen darum ging, an den Modus der Aufteilung der Kompetenzen und an Handlungsmuster der Zeit Ludwigs des Frommen den Anschluß zu finden. Inwieweit Kontinuität erhalten blieb und in welchem Maße Veränderungen Herrschaftsstrukturen und Königsherrschaft prägen sollten, hing nicht allein vom Willen des Königs ab, sondern wurde maßgeblich durch die Vorgaben der Magnaten entschieden, die sich nach den militärischen Erfolgen als Einung und als konstitutives Gremium verstanden. Der Gefolgschaftsverband formierte das Regnum. Hatte er dann der Königsherrschaft auch Vorgaben und Grenzen gesetzt? Die Mitwirkung der Magnaten des Westreiches an den Verträgen von Verdun und Coulaines ist - wie gezeigt wurde - in den Quellen dokumentiert. Erkennbar ist eine paritätische
Zusammenfassung
251
Teilhabe an verfassungspolitischen und konstitutionellen Entscheidungen; deren Vorbereitung war großenteils den Magnaten überlassen worden. Sie fungierten als Mittelgewalten und Verwaltungsinstanzen bei der Konzeptualisierung der Verträge, und zwar aufgrund der ihnen übertragenen und damit systemimmanenten, rechtlichen und judikativen Kompetenzen bei der Verwaltung von Grafschaften und Bischofssitzen; diese wurden jetzt gebündelt eingesetzt zur Fixierung der territorialen und verfassungspolitischen Maximen des neuen Regnums. Bei den verschiedenen, besprochenen verfassungspolitischen Aktionen, die das Zusammenwirken geistlicher und weltlicher Magnaten erforderte und erkennen ließ, war jeweils eine offenbar standesspezifische Aufteilung der Kompetenzen erkennbar, wobei in Rechtsfragen grundsätzlich die Geistlichkeit als letzte Instanz befragt wurde - so bei der Vorbereitung der Reichsteilung in Koblenz - oder befragt werden sollte - so bei der Verfolgung von Rebellen im Reich entsprechend den Beschlüssen von Coulaines. Dies hängt wohl auch mit der Kontinuität archaischer Handlungsmuster in Friedenszeiten zusammen, nach welchen die weltlichen Magnaten als militanter Gefolgschaftsverband gleichermaßen rechtliche Aufgaben zu erfüllen hatten wie die geistliche Elite, letzterer jedoch in Fragen der Rechtsdiskussion unbedingt ein Vorrang eingeräumt wurde - vielleicht aufgrund des generell höheren Bildungsniveaus. Hatten sich bei militärischen Aktionen weltliche Spitzenmagnaten wie etwa die Grafen Adalhard und Warin ganz hervorragend bewährt, so wurden die Interaktionen auf dem Verhandlungsweg mit Lothar überwiegend der Geistlichkeit anvertraut, die auch die Verantwortung über das künftige Schicksal des Gesamtreiches trug und die Frage, ob Zwei- oder Dreiteilung, zu entscheiden hatte, und deren Aufgabe es war, über die Grenzen der entstehenden Regna hinaus die Einheit der fränkischen Reichskirche zu wahren. Inwieweit Drogo von Metz, der seit der Synode von Diedenhofen von 844 als Vikar des Papstes für das Gesamtreich Einheit und Frieden als höchste geistliche Instanz im Frankenreich garantieren sollte, bereits bei seinem Anschluß an Karl solche Pläne verfolgte, läßt sich nicht nachweisen. 145 Als sicher kann freilich gelten, daß Drogos Anschluß an Karl ein Zeichen für einen Stimmungswechsel der Geistlichkeit setzte, die nicht bei der sich abzeichnenden Konfliktlösung durch Reichsteilung auf ihre, das gesamte Reich umspannenden Kontakte und Besitzungen verzichten wollte. Ferner hatte Drogo wohl erkannt - ebenso sein Bruder Hugo von St-Quentin daß die von Lothar propagierte Reichseinheit nicht ohne Karl und Ludwig zumindest als ideelle Größe künftig Bestand haben konnte. Es ist wohl weniger die Retrospektive auf die Vorgaben Ludwigs des Frommen in seiner Ordinatio Imperii, die den Gedanken an die Reichseinheit bei der Reichsteilung hatte aufkommen lassen, sondern eher die Rücksicht auf Tradition und Kontinuität der Strukturen eines, das Gesamtreich umspannenden Ordnungssystems, das von der Geistlichkeit und dem weltlichen Adel getragen wurde und welches - trotz einer Neuorientierung der Gefolgschaftsverbände und ihrer Ausrichtung auf drei Herrschaftsträger der Königsdynastie - noch immer Bestand hatte. 146
145 146
Vgl. LOT/HALPHEN, S. 12Iff., u. o. bei 2.6.2. A. 345. H. BEUMANN, Unitas imperii, S. 548, sieht für 817 den theoretischen Versuch einer Konkordanz von unitas ecclesiae und unitas imperii für gegeben, der als Hintergrund für die Vereinbarungen von Coulaines zu berücksichtigen sei. Allerdings spricht er davon, daß Karl zu diesem Vertrag genötigt worden sei; die oben vorgestellte Textanalyse und auch die Bewertung des Textes von J. NELSON führten jedoch zu anderem Ergebnis.
252
Die Verträge von Verdun und
Coulaines
Für die Vorbereitung des Vertrages von Verdun konnte die von der Forschung ermittelte Vorgehensweise weiter konkretisiert werden: Entsprechend der Aufteilung des Reiches in die Verwaltungsbezirke der missatica, die wiederum die Grafschaften kontrollierten und umgekehrt, sollten die hier tätigen Verwaltungsorgane, sollten die missi regis ihre Bezirke bereisen und schriftlich über die Besitzverhältnisse im Reich Auskunft geben, insbesondere aber die Reichsgüter notieren. Zu klären war primär die Versorgungslage der Könige; die Teilung sollte auf der Basis eines Reichsgüterverzeichnisses möglich sein - per descriptas mansas, so die Xantener Annalen. 147 Erfaßt wurden aber auch Abteien, Bistümer und Grafschaften, ähnlich wie dies beim Vertrag von Meersen von 870 geschehen war, wohl um die Zahl der Prekarien zu schätzen auch für die Zukunft. Ausdrücklich ausgenommen von diesem Verfahren waren Bayern, Aquitanien und Italien. Wenn damit Aquitanien wie ein Königsland behandelt wurde, gibt dies einen Hinweis auf die anvisierte Konfliktlösung für Aquitanien: Die Rechte Pippins II. auf Königsherrschaft nach den Vorgaben der Ordinatio Imperii wurden endgültig negiert und die Degradierung seiner Herrschaftskompetenzen Karl überlassen. Vielleicht erscheint aus der Perspektive heutiger Geschichtsbetrachtung die mit der Übernahme der Herrschaft in Aquitanien verbundene Problematik größer, als sie von den Zeitgenossen empfunden wurde. Der Vergleich der drei Königsländer macht deutlich, daß jeweils ein größeres Land bezeichnet wurde, mit welchem früher eine Randposition im Reich fixiert wurde, das aber inzwischen durch intensive strukturelle Veränderungen vollkommen integriert worden war, allerdings in seinen jeweiligen Randbereichen „Verfugungsmasse" enthielt, die eine Ausdehnung der Königsherrschaft erlaubte, aber auch verloren gehen konnte. Bayern war im Südosten nicht erschlossen, wie die Conversio Bagoariorum et Carantanorum sehr deutlich zeigt, und die jahrzehntelange von Karlmann und Arnolf forcierte Strukturierung gerade dieser Schwachstellen im Südosten gegen Ende des Jahrhunderts reichte nicht aus, um die drohende Gefährdung durch die Grenznachbarn für die Zukunft abzuwenden. 148 Relativiert sich bei einem Blick auf Bayern als karolingisches Königsland nicht die Problematik der Herrschaft Karls II. in Aquitanien? Die Grenzziehung der Ostgrenze des Westfrankenreiches erforderte letztlich Zugeständnisse an Lothar, dessen Versorgung nördlich der Alpen sicherzustellen war, auch hinsichtlich der Frage der Repäsentanz des Kaisertums in den Traditionsstädten Aachen und Trier. Wenn man sich bei der Grenzziehung an den Flußläufen von Scheide, Maas, Saöne und Rhone orientierte, so heißt dies nicht, daß die Flüsse zu geographischen Grenzlinien werden sollten, sondern daß ihre Ufer beidseitig als Grenzsaum angesehen wurden, der mosaikartig untergliedert war und den vasallitischen Bindungen der hier ansässigen Magnaten entsprechend jeweils zu Lothars oder zu Karls Herrschaftsbereich gerechnet wurde. Als Beispiel wurde oben auf die Grafschaft Warins von Mäcon hingewiesen, die überwiegend am rechten Saöneufer lag und trotzdem nicht zum Mittelreich, sondern zum Westreich gehörte. 149 Die formale Konzeption des Vertrages von Verdun kann anhand der überlieferten Vertragstexte der Königstreffen der Folgezeit erschlossen werden, insbesondere der Dreiertreffen von Meersen von 847 und 851. Die übliche Unterteilung in adnuntiationes und capitula
147
S. o. bei 3.3.1. A. 20.
148
CONVERSIO BAGOARIORUM ET CARANTANORUM, ed. v. H . WOLFRAM, G r a z 1 9 7 9 , v o r a l l e m d i e
149
Textkommentierung S. 60ff., ders., Salzburg, Bayern Österreich (MIÖG Erg. Bd. 31) Wien 1995. Vgl. o. bei 3.3.2 A. 25.
Zusammenfassung
253
dürfte auch im Vertrag von Verdun eingehalten worden sein. Ideelle Basis war die fraternitas regum, die - bezogen auf die Vertragspartner - bereits im Abkommen von Ansille formuliert worden war. Für die Zukunft war bereits zu diesem Zeitpunkt ein Terminus gefunden worden, der die Einheit des Reiches verkörperte. Die Herrschaftsstrukturen des westfränkischen Personenverbandes haben im Vertrag von Coulaines ein verfassungspolitisches Konzept erhalten. In diesem wurde die Verantwortung für das Regnum allen drei an der Herrschaft teilhabenden Gewalten reziprok Ubertragen. Vorausgegangen waren Beratungen in Gremien, zunächst nach Ständen getrennt bei Diskussion standesspezifischer Fragen und Ordnungsvorstellungen der Königsherrschaft, dann im Zusammenschluß zu einer Einung der Adelselite des neuen Regnums, welcher der König beitrat. Hierdurch signalisierte er seine Zustimmung zu deren Beschlüssen. Es dürfte nicht zu weit gegriffen sein, hierin eine Vorform einer verfassungsgebenden Versammlung zu sehen. Das Zusammenwirken der geistlichen und weltlichen Elite in Fragen der Reichsordnung und der Gesetzgebung allgemein hatte im Karolingerreich seit den Tagen Ludwigs des Frommen Tradition, wobei während seiner Reichskrisen erkannt worden war, daß ein „Alleingang" der geistlichen ohne weltliche Magnaten und umgekehrt dem Reich nur schaden konnte. Der prägnanten Formulierung von P. Classen - „Es ist der Gedanke des gleichen und gemeinsamen Rechtes, der die im gleichen Teilreich zusammengeführten Herren eine Genossenschaft bilden läßt, die dem König gegenübertritt"' 5 0 - soll hier die stets gültige Prämisse hinzugefügt werden, nach welcher alle an der Herrschaft beteiligten Kräfte des westfränkischen Regnums handelten, die besagt, daß wer den Frieden will, das Recht stärken muß. Bekanntlich durchziehen der Rechtsgedanke und die Sorge um beständige Aktualisierung der Rechtsnormen die Regierungszeit Karls II. wie ein roter Faden. Seine Gesetzgebung kann freilich nicht nur als Anlehnung an die Tradition kirchenrechtlicher Konziliengesetzgebung eingeordnet und verstanden werden, sondern wohl eher als eine beständige Kontrolle der Herrschaftsstrukturen durch die Aktualisierung der Rechtsnormen und das Bestreben nach Reformen. Entgegen der bisherigen Forschungsmeinung, die besagt, daß Karl Zugeständnisse machen mußte, die sich auf seine Herrschaft ungünstig auswirkten, konnte anhand der oben durchgeführten Textanalyse gezeigt werden, daß durch diese Zugeständnisse die Königsmacht mittelbar gestärkt wurde, weil es gelungen war, die Verantwortung für den Fortbestand des Regnums auf die Mittelgewalten zu verlagern. Ihre Beteiligung an der verfassungspolitischen Konzeptualisierung des Westfrankenreiches und ihre Einbindung in das Konzept der Ordnungsstrukturen bedeuteten natürlich Rücksichtnahme des Königs auf angestammte Rechte und Herrschaftsstrukturen in kirchenrechtlichen wie in weltlichen Ordnungssystemen, aber gleichzeitig auch deren Rücksichtnahme auf die Herrschergewalt als oberste Instanz des Ordnungsverbandes, der Implikationen eines genossenschaftlich ausgerichteten Gemeinwesens aufwies, das ohne einen König nicht existenzfähig gewesen wäre. Ideell war eine solche Vorgehensweise, um Herrschaftsstrukturen zu fixieren, natürlich zunächst von traditionellen Handlungsvorgaben getragen, daß nämlich Veränderungen der Herrschaftsstruktur auch einer Neukonzeption bedurften, wie dies Ludwig der Fromme mit seiner Ordinatio vorgeführt hatte. Allerdings hatte der Krieg nicht nur die Zusammenset-
zt)
H i e r zitiert n a c h SCHIEFFER, D i e K a r o l i n g e r , S. 145f.
254
Die Verträge von Verdun und
Coulaines
zung des Gefolgschaftsverbandes verändert, sondern auch die Erwartungen in Hinblick auf die Zukunftsgestaltung. Sollte der Reichsfrieden von der Brüdergemeinschaft durch wechselseitige Hilfeleistungen gestärkt werden, so setzt sich dieses Prinzip innerhalb der Regna fort, indem die Mittelgewalten durch die Aufforderung, Rat und Hilfe zu erteilen, an der Stabilität im Innern aktiv beteiligt wurden. Die Führungsposition des Königtum wird durch Karls Promulgation des Vertragstextes von Coulaines akzentuiert; er trat erstmals aktiv als Gesetzgeber in seinem Reich auf und begründete eine Tradition der Gesetzgebung für sein Regnum, in dem weltliches Recht und Kirchenrecht koordinierbar waren durch häufig gleichzeitiges Einberufen von Reichsversammlungen und Konzilien. In seinem Bestreben, sich geistliche und weltliche Magnaten zu verpflichten, hat er allgemein Anerkennung gefunden, was Warin durch seine Zustimmung stellvertretend für den weltlichen Adel zum Ausdruck brachte. Thematisiert worden war in Coulaines ein verchristlichtes Gemeinwohl, angepaßt den ethisch-moralischen Kriterien und Vorgaben eines christlichen Herrscherbildes. Durch einen gewagten Vergleich am Ende des Proömiums mit der Führungsrolle, die Christus in seiner Kirche einnimmt, wird Karl II. zur Integrationsfigur für Herrschaft und Macht im Westfrankenreich stilisiert und in besonderer Weise bereits zu diesem frühen Zeitpunkt als rex christianus herausgestellt. Hier trifft die ideengeschichtliche Bewertung der Zeit durch J. Fried, der ausfuhrt: „Erst die zum ,corpus Christi' gewordene Welt bot in ihrer vertrauten Bildhaftigkeit dem 9. Jahrhundert die nötige Abstraktionsebene, auf der das zu reformierende Ganze zu begreifen war." 151 Die anschließenden capitula sind in Form von Gesetzesbestimmungen aufgebaut. Ihre Promulgation durch den König entspricht dem im Proömium skizzierten Herrscherbild. Der Text ist ein weltlicher Erlaß, auch hinsichtlich der weltlichen Bestimmungen, denn die Kirche hat hier die Funktion einer Reichskirche - sub dictione et tuitione regiminis nostri (c. 1); sie genießt Königsschutz und hat bezüglich ihrer materiellen Ausstattung einen weltlichen Rechtsstatus. Ein besonderes Anliegen war es, die Anzeigepflicht ungebührlicher und das Reich gefährdender Machenschaften und Vereinigungen in dem Vertrag zu verankern; gefordert wird die Mithilfe der Magnaten bei der Strafverfolgung. Lehnsentzug kann jedoch nicht willkürlich durch den König initiiert werden; das ihm zukommende Gewaltmonopol hat Grenzen, denn der Rechtsstatus der Magnaten ist prinzipiell zu wahren. Es konnte gezeigt werden, daß die Beschlüsse von Coulaines auf den Konzilien von Germigny und von Lauriere intensiv vorbereitet worden waren, allerdings mit dem Ziel einer noch stärkeren Ausrichtung auf kirchliche Belange. Parallel zu dem Konzil von Germigny war von Karl dorthin eine Reichsversammlung einberufen worden. Auf die damals erfolgten Absprachen und Vorverhandlungen wurde dann in den überlieferten capitula der Synode von Lauriere Bezug genommen. Nachzuweisen war auch, daß in Lauriere die Zusammenarbeit des Königs mit den Geistlichen bei künftigen Reichskrisen besprochen wurde (!). Bei Ludwigs Einfall im Westreich sollten sich solche Absprachen bewähren. Die von Karl zu erbringende Gegenleistung wurde in Hinblick auf die Privilegierung kirchlicher Institutionen erwartet, auch durch das Zugeständnis der freien Abtwahl. Exemplarisch war
151
J. FRIED, Der karolingische Herrschaftsverband im 9. Jahrhundert, S. 22ff.
Zusammenfassung
255
dies in G e r m i g n y für das Kloster St-Lomer gefordert w o r d e n . Die Textanalyse der Privilegien Karls und einer Synodalurkunde für S t - L o m e r brachte das Ergebnis, d a ß in G e r m i g n y eine K l o s t e r r e f o r m des W e s t f r a n k e n r e i c h e s vorrangig behandeltes T h e m a g e w e s e n war. Durch G a r a n t i e der freien Abtwahl sollte die V e r g a b e vom König privilegierter Klöster an Laienäbte unterbunden werden. Für das V o r g e h e n der Geistlichkeit dürften die durch die m o n a s t i s c h e Ideen geprägten ersten R e g i e r u n g s j a h r e Ludwigs des F r o m m e n ein Orientier u n g s m u s t e r g e w e s e n sein. Vermittelt der Vertrag von Coulaines die Führungsrolle Karls II. und die M i t v e r a n t w o r tung der M a g n a t e n für das westfränkische Regnum, so wurde in der ersten M a h n s c h r i f t des Lupus von F e r n e r e s an Karl ein Herrscherbild entworfen, das die Autorität des Königs zentriert. In Lebensregeln wird der Einsatz der ratio bei Entscheidungen angeraten und g e n e rell, Autorität auch zu zeigen (!). Die zweite M a h n s c h r i f t des Lupus im Jahr d a r a u f ist in der Tradition der schriftlich fixierten H e r r s c h e r p a r ä n e s e als literarisches W e r k verfaßt; L u p u s benennt sapientia und prudentia als H e r r s c h e r t u g e n d e n und weist auf antike V o r b i l d e r hin, auf T r a j a n und Theodosius, und erinnert damit an den R o m g e d a n k e n als Erbe karolingischer K ö n i g s h e r r s c h a f t . N a c h ethischen Vorbildern sollte Karls K ö n i g t u m gefestigt und an ihnen ausgerichtet w e r d e n , um sich auf Dauer behaupten zu könne. Dies m u ß t e zu einer A n n ä h e rung von K ö n i g und Kirche führen, zur Privilegierung letzterer gegen die Interessen der weltlichen Magnaten. 1 5 2 Sucht man nach einer Erklärung d a f ü r , w e s h a l b in drei D o k u m e n t e n aus den H e r b s t m o naten des Jahres 843, nämlich in der ersten M a h n s c h r i f t des L u p u s an Karl, bei den w e n i g e n überlieferten capitula des Konzils von Lauriere und bei den B e s c h l ü s s e n von Coulaines, Möglichkeiten f ü r das V o r g e h e n gegen U n r u h e s t i f t u n g im Reich, insbesondere durch Strafv e r f o l g u n g , a n g e s p r o c h e n wurden, so kann diese a n h a n d der politischen G e s c h e h n i s s e dieser M o n a t e g e f u n d e n werden. Denn w ä h r e n d noch die Reichsteilung vorbereitet und die N o t w e n d i g k e i t , die Basis künftiger K ö n i g s h e r r s c h a f t vertraglich festzulegen, diskutiert wurden, war eine A b s i c h e r u n g der bretonischen G r e n z e verzögert w o r d e n . Viel zu spät plante Karl den K r i e g s z u g gegen N o m e n o e und gegen L a m b e r t II., der - ihm abtrünnig g e w o r d e n - den von Karl in Nantes eingesetzten G r a f e n Rainald von H e r b a u g e in der Schlacht bei Blain v o m Mai des Jahres als unliebsamen Rivalen seiner Machtinteressen e r m o r d e t hatte. Dringlich erforderlich schien daher allen in Coulaines versammelten T e i l n e h m e r n dieses K r i e g s z u g s ein w i r k s a m e s Vorgehen gegen U n r u h e s t i f t u n g im Reich. Die A n d r o h u n g der S t r a f v e r f o l g u n g bei Unruhestiftung hatte einen konkreten Anlaß: Sie sollte L a m b e r t nach der N e u b e s e t z u n g der G r a f s c h a f t Nantes mit d e m Sohn des E r m o r d e t e n von weiteren Ü b e r griffen auf den Amtsträger abhalten. Für das G e s c h e h e n e konnte er wohl w e g e n der in C o u laines erlassenen allgemeinen Indulgenz nicht mehr zur R e c h e n s c h a f t g e z o g e n w e r d e n .
152
Zur Bedeutung dieser frühen Mahnschrift des Lupus vgl. auch P. RlCHE, Charles le Chauve et la culture de son temps, in: Jean Scot Erigene et l'histoire de la philosophie, (= Colloques intemationaux du Centre National de la Recherche Scientifique nr. 561), S. 3 7 - 4 6 , Paris 1977, hier S. 39f.
4. Die Tragfähigkeit der Herrschaftsstrukturen
Die Verträge von Verdun und von Coulaines sind als Abschluß und als Markstein in einer Entwicklung zu sehen, der eine Grenze setzt, die das bisher Erreichte von der Zukunft scheidet. Sie stehen am Ende der ersten Phase der Königsherrschaft Karls II. gleichsam als Höhepunkt und Bestätigung der politischen Zielrichtung und als Ergebnis eines Kampfes um Herrschaft und Macht. Letztere war insofern erreicht worden, als Karl von Lothar ein Herrschaftsbereich vertraglich zugesichert wurde - ohne dessen Kaisertum als eine Form der Oberhoheit akzeptieren zu müssen. Karls Königsherrschaft hingegen war durch die Normen des Vertrages von Coulaines in ein pluralistisch ausgerichtetes Herrschaftskonzept eingebunden worden mit paritätischer Kräfteverteilung zwischen den Herrschaftsträgern, in welchem Karl natürlich eine dominante Position belegte, die allerdings mehr durch die Tradition als durch die Machtkonstellationen innerhalb des Personenverbandes der Herrschaftsträger abgesichert war. Karl hatte sich der Einung der Magnaten angeschlossen - wie es heißt - und damit ein Herrschaftskonzept mit wechselseitigen Kontrollmechanismen akzeptiert. Betrachtet man daher die folgenden Regierungsjahre nach Verdun und Coulaines aus der Perspektive jener „Aufbaujahre" der Bruderkriege, so stellt sich die Frage nach der Tragfähigkeit der Herrschaftsstrukturen. Konnte sich die im Vertrag von Coulaines postulierte und bereits zuvor erfolgreich praktizierte Form der Teilhabe der Magnaten an der Herrschaft durch Mitverantwortung jetzt etablieren, so daß dadurch die Königsherrschaft dauerhaft durch die Mittelgewalten der Spitzenmagnaten beider Stände gestützt wurde, oder provozierte gerade die Möglichkeit der Mitverantwortung die Kritik der Magnaten? Lag hier vielleicht die Ursache für künftige Unzufriedenheit und für ein vermeintliches Recht zur Rebellion? - Karl hatte während der Bruderkriege von geistlichen wie von weltlichen Spitzenmagnaten und deren Gefolgschaftsverbänden Hilfe erfahren. Die Anerkennung seiner Königsherrschaft durch Lothar und ein in Reichsgrenzen fixiertes westfränkisches Regnum war auch ihr Ziel gewesen. Um dieses zu erreichen, war eine aus der Perspektive moderner Geschichtsbetrachtung perfekt anmutende Aufteilung der Kompetenzen zwischen weltlichen und geistlichen Magnaten erfolgreich umgesetzt worden: Was militärisch erfochten worden war, wurde durch die Geistlichkeit sofort legitimiert. Doch zeigt schon die oben dargestellte Vorphase der Textgestaltung des Vertrages von Coulaines, daß ein so harmonisches Zusammenspiel nicht mehr für nötig befunden wurde, sobald das Ziel erreicht worden war. Absehbar war, daß die Durchsetzung eigener Interessen und das Streben nach Königsnähe den Alltag nach der Phase des Krieges bestimmen würden, weshalb Karl sinceritas forderte, die Aufrich-
258
Die Tragfähigkeit
der
Herrschaftsstrukturen
tigkeit bei der Weitergabe von Informationen an ihn. In welcher Weise wurde dann in der Folgezeit Karls Königsherrschaft durch die Magnaten gestützt? Wäre er nicht ohne sie gescheitert? Ermöglichte ihm nicht erst die Zusicherung der Mitverantwortung für das Regnum durch seine Magnaten den Versuch, Aquitanien in sein Reich einzugliedern und dort noch bestehende Herrschaftsstrukturen aus der Zeit Ludwigs des Frommen zu intensivieren? Daß die Herrschaftsstrukturen des Westreiches tragfähig waren und sich - wie auch imm e r - während der weiteren Regierungsjahre Karls etabliert hatten, macht schon die Kaiserkrönung gegen Ende seiner Herrschaft deutlich. Doch nach seiner Rückkehr aus Italien erfolgte in Quierzy sofort die Anfrage der Magnaten nach ihren Rechten und die Bitte, Lehen an die nächste Generation weitergeben zu können und Karl mußte diese Bitte gewähren. War dann der Preis für seine Kaiserherrschaft, für die Überhöhung der Macht nach außen, ein Verlust an Herrschergewalt im Innern gewesen? Doch wie hatte sich gezeigt, daß die Tragfähigkeit der Herrschaftsstrukturen nach Coulaines von Dauer sein würde? Kann von einer Phase der inneren Konsolidierung gesprochen werden trotz der ungeklärten Situation in Aquitanien? Sicher ist, daß der Dialog zwischen Königtum und Magnaten fortgesetzt wurde, wie dies die Texte der Konzilien und Reichsversammlungen belegen. Es blieb auch die Diskussion des Herrscherbildes mit dem Ziel, ein Herrscherethos zu propagieren, das primär Außenwirkung entfaltete, das aber für einen Umbau der inneren Strukturen des Reiches zugunsten der Geistlichkeit - vielleicht das Ziel der geistlichen Verfasser panegyrischer Werke für Karl nicht geeignet war. Die Kontinuität der Handlungsmechanismen, insbesondere im Dialog mit den Magnaten, ließ „Problemfelder" kontrollierbar werden, und zwar aus der Perspektive einer Königsherrschaft, die es gewohnt war, Zugeständnisse machen zu müssen. Dies bedingte Flexibilität und Wendigkeit, die Karl Reichskrisen überstehen und Herrschaftskontinuität zur Basis hegemonialen Strebens werden ließ. Doch geht man von einer Phase der Konsolidierung nach den Verträgen von Verdun und von Coulaines aus, so ist zu fragen, wie Konsolidierung dann definiert werden müßte, wenn Katastrophenmeldungen über Normanneneinfalle in den Reichsannalen ernst zu nehmen sind, die freilich, was meist übersehen wird, fur alle Reichsteile und aus geistlicher Sicht berichtet werden. Methodisch wird auch hier einer textimmanenten Quellenanalyse vor anderem der Vorzug gegeben. Zunächst soll anhand der Diplome Karls II. fur Aquitanien im Jahr 844 die Frage beantwortet werden, wie sich Königsherrschaft in dem im Süden verbliebenen Krisenherd unmittelbar nach Abschluß der Phase der konstitutionellen Formierung der Regnumsstrukturen artikulierte. In einem zweiten Punkt wird dann die Legislative am Beispiel der Approbation von Synodalbeschlüssen näher beleuchtet werden, und zwar unter dem Gesichtspunkt des Zusammenwirkens der Herrschaftsträger des Reiches. Dabei soll auch den Anzeichen einer Konsolidierung des Reiches nachgegangen werden. Entsprechend der Ausgangssituation ist Konsolidierung in zwei Dimensionen zu verstehen: 1. Bezogen auf das Westreich meint Konsolidierung die Stabilität der Herrschaftsstrukturen und die verwaltungstechnische Erfassung des Landes. 2. Hinsichtlich der Gesamtkonzeption des Frankenreiches wird mit dem Begriff der Fortbestand der in Verdun beschlossenen Einheit der Regna angesprochen, welcher sich fur Karls Herrschaft in den Krisengebieten seines Regnums zunächst als forderlich erwies.
4.1. Karls offensive Aquitanienpolitik des Jahres 844 im Spiegel seiner Diplome
Im Vertrag von Verdun war Aquitanien als traditionelles Königsland Karl II. zugesprochen worden; in gleicher Weise wie Bayern und Italien blieb Aquitanien von der zu teilenden Masse des Reichsgebietes ausgenommen, und zwar als Kernland der Königsherrschaft mit Entwicklungsmöglichkeiten im südlichen Markenbereich. Damit war klar, daß Karl in der Tradition seines Vaters den Westen des Reiches regieren sollte. Die Versuche Pippins II., als Lothars Bündnispartner während der Bruderkriege die Anerkennung als Nachfolger seines Vaters in der Königsherrschaft über Aquitanien zu erhalten, waren damit endgültig gescheitert und dies auch deshalb, weil Pippin I. als Unterkönig nach tradiertem Modell Königsherrschaft ausgeübt hatte im Sinne einer paritätischen Teilhabe an der Herrschaft der Dynastie und in deutlicher Abstufung zur Kaiserherrschaft seines Vaters und ihm weisungsgebunden, jedoch niemals unabhängig von ihm. Hinzu kam, daß Pippin I. noch zu Lebzeiten seines Vaters verstorben war und daß dieser dann nicht einer Sohnesfolge in der Enkelgeneration zugunsten Pippins II. bei der Nachfolgeregelung des aquitanischen Unterkönigreiches den Vorzug gab, sondern nach dem Modus imperialer Herrschaft unabhängig von den politischen Gegebenheiten und ohne Rücksichtnahme auf die während der Königszeit Pippins I. entstandenen Strukturen entschied und hier seinen zweitehelichen Sohn Karl einsetzte. Er wollte damit alle drei „Kronländer" des Reiches wieder durch potentielle Nachfolger seiner Herrschaft aus der ersten Generation versorgt wissen. 1 Dieses Prinzip war im Vertrag von Verdun bestätigt worden. Hatte Karl Aquitanien als traditionelles „Kronland" der Königsherrschaft erhalten - wobei auch sehr deutlich wird, welche enorme Bedeutung Aquitanien für die Herrschaft Karls haben sollte - , so stand es ihm frei, hier wiederum ein Unterkönigreich zu errichten und Macht und Herrschaft an einen Unterkönig mit exekutiven Funktionen zu übertragen, allerdings ohne die zwingende Notwendigkeit, Pippin II. bei der Vergabe berücksichtigen zu müssen. Es war hingegen naheliegend, die Herrschaft Pippins II. sofort auf einen überschaubaren Territorialbereich zu beschränken und in Aquitanien die eigene Königsmacht stärker zu verankern, um dann in einem zweiten Schritt Aquitanien als „Erbland" in Form eines Unterkönigtums an die nächste Generation innerhalb der eigenen Familie weiterzugeben, wie später geschehen. So sollten Ludwig der Deutsche mit Bayern und Lothar mit Italien verfahren und Karl wählte zunächst die gleiche Strategie, mußte dann aber, weil sich Pippin II. als Konkurrent um die Königsherrschaft in Aquitanien durchaus er1
Vgl. o. bei 2.1.1. A . 2 4 f f .
260
Die Tragfähigkeit der
Herrschaftsstrukturen
folgreich halten konnte und von seinen Anhängern über viele Jahre in diesem Bestreben unterstützt wurde, verschiedene Lösungsmodelle nacheinander ausprobieren, die sich wechselseitig blockierten. 2 Sein Recht auf Königsherrschaft in Aquitanien hat Karl dabei niemals zur Disposition gestellt, auch nicht im Vertrag von St-BenoTt-sur-Loire vom Frühsommer des Jahres 845, als er Pippin II. die Herrschaft in Aquitanien übertrug - ausgenommen waren das Poitou, Saintonge und Angoumois, somit das Markengebiet mit dem Herrschaftsbereich der Rorgoniden; für diesen hatte Pippin I. nachweislich in seiner Funktion als Unterkönig Privilegien erlassen, überwiegend zur Regelung wirtschaftlicher und besitzrechtlicher Fragen.3 Durch eine Bemerkung in der ausfuhrlicheren Fassung des Translationsberichtes der Reliquien des hl. Germanus aus diesem Jahr ist bekannt, daß Bischof Ebroin von Poitiers den Vertrag vermittelt hatte und daher bezüglich der Sonderstellung des Poitou auch im eigenen Interesse und dem seiner Verwandten handelte, denn dort heißt es: cum ...Ebroinus vero, antistes egregius piusque huius monasterii pastor, in Aquitaniam ob impetrandam pacem, pro qua semper certare non cessat, directus esset ...4 Der Vertrag von St-Benoit war durch das Ritual der Huldigung beidseitig konzipiert nach seiner Huldigung wurde Pippin von Karl die Herrschaft übertragen - , offensichtlich in Form eines Inversionsrituals - entsprechend den von Althoff für ein solches als notwendig konstatierten Voraussetzungen - , wobei Pippins Opposition gegen Karls Königsherrschaft in Aquitanien als Ungehorsam des Neffen gegenüber dem Onkel bewertet worden war und als ein Verschulden des jüngeren gegenüber dem älteren und höher stehenden Herrschafts2
Die Arbeit von L. AUZIAS, L'Aquitaine carolingienne, basiert für die Darstellung der Zeit nach dem Scheitern der Lösung von St-Benoit, also nach 848, auf einer genauen Analyse der Fakten und der wechselseitigen Machtverhältnisse in Aquitanien und ist daher nach wie vor für diese schwierige Phase der Entwicklung als grundlegendes Werk heranzuziehen; für die Zeitspanne zwischen 848 und 867 dort S. 249-359. 3 Vgl. bei L. LEVILLAIN (Ed.), Recueil des actes de Pepin Γ et de Pepin II, rois d'Aquitaine (814-848), Paris 1926, etwa die beiden großen Diplome für St-Philibert de Noirmoutier vom 18. 5. 826, nr. 6, S. 19ff., und fur St-Hilaire-le-Grand de Poitiers, nr. 7, S. 21 ff.; in dem Diplom für St-Philibert wird interessanterweise auf eine Vorurkunde Ludwigs des Frommen Bezug genommen, mit welcher dieser offenbar während seiner Zeit als Unterkönig Aquitaniens dem Kloster zollfreie Schiffahrt auf den Flüssen in Aquitanien zugesichert hatte. Dies wird bestätigt; LEVILLAIN vermerkt freilich, daß die Vorurkunde Ludwig verloren sei. Die entsprechende Passage lautet (S. 20): ... adiit serenitatem culminis nostri venerabilis Hilbodus, abba ex monasterio sancti Filiberti, ubi ejusdem praeclarissimus venerabile corpus requiescit, obtulit obtutibus nostris praeceptum de sex navibus a genitore nosiro compactum in quo continebatur quod, ob amorem Dei et venerationem ipsius sancti, immunes ab omni teloneo, quae per alveum Ligeris, Helerium, Carim, Vincenna vel per caetera diversa flumina ob necessitates ipsius monasterii fulciendas discurrent, eidem concessisse monasterio, ut scilicet teloneum, quod annuis recursibusßscus ex ipsis navibus jure exigere poterat, in elemosina sua ibidem concessisse. Die Sprache entspricht exakt der eines Königsdiploms; eine Differenzierung, durch welche die Abstufung der Herrschergewalt als Status eines Unterkönigtums auch sprachlich kenntlich gemacht werden würde, erfolgte nicht. Es läßt eine inhaltlich starke Angleichung der Machtbefugnisse an die der Königsherrschaft vermuten. Dies wird im Text durch die Aussage bestätigt, daß die fiskalischen Einnahmen in Aquitanien grundsätzlich dem Hof des Unterkönigs zugeflossen sind und ihm daher eine wirtschaftlich autarke Stellung ermöglichten. 4
TRANSLATIO S. GERMANI PARISIENSIS, in: Analecta Bollandiana II, Paris u. a. 1883, S. 69-98, c. 5, S. 73, zur Meldung vor dem Normanneneinfall in der Seine vom Frühjahr 845. - Zum Vertrag von StBenoit vgl. LOT/HALPHEN, S. 149ff. sowie L'AUZIAS, L'Aquitaine carolingienne, S. 209ff. mit A. 44ff. u. S. 216ff.
Karls offensive Aquitanienpolitik
des Jahres
844
261
träger der königlichen Dynastie den Ordnungsmechanismen des Familien- und Hausverbandes zugeordnet wurde; denn ausdrücklich wurde im Vertrag festgelegt, daß Pippin künftig Karl in einer solchen Weise treu sein solle wie ein Neffe gegenüber seinem Onkel. 5 Erneut wurde also eine verfassungspolitische Regelung in das Modell des Familienverbandes der Königsdynastie eingebunden und im Raster dynastischer Kriterien ausgerichtet, und zwar analog zu dem Modus der Regelungen Ludwigs des Frommen im Konflikt mit Lothar und in Abwandlung des Modells der Fraternitas. Dem Vertrag von St-Benoit war die Niederlage der Ersatztruppen Karls im Angoumois gegen Pippins Heer im Vorjahr vorausgegangen, wodurch Karls Plan, nach seinem Zug nach Toulouse und in den östlichen Pyrenäenraum und nach der Beseitigung Bernhards von Septimanien in einem zweiten Schritt Pippins Anspruch auf Königsherrschaft in Aquitanien durch einen Sieg über ihn zu widerlegen, gescheitert war. Auzias hat die Eckpunkte der Position Pippins II. im politischen Koordinatensystem jener Jahre exakt fixiert, wenn er diese Phase der Aquitanienpolitik als „Pepin II isole et victorieux" betitelt. 6 Wegen dieser Niederlage vom 14. Juni 844 wurde die erste Phase der Aquitanienpolitik Karls II. in der Forschung überwiegend negativ bewertet. Zuletzt hat Jane Martindale die immerhin abgewogene Meinung vertreten, daß Karls Aquitanienzug von 844 und seine Belagerung von Toulouse von der historischen Forschung bisher als unklare Aktionen eingestuft worden wären - „but historians have been unable to agree whether Charles's action affected the outcome of the siege of Toulouse, or on the motives which prompted the king to take this drastic step" (gemeint ist die Hinrichtung Bernhards von Septimanien nach dem Urteil der Magnaten in Hochgerichtsverfahren gegen ihn). 7 Die Lösung des Problems sieht sie in dem seit der Zeit Ludwigs des Frommen anhaltenden Antagonismus zwischen aufstrebenden Magnaten und Herrscherdynastie, der in der Aquitanienfrage eine neue Variante gefunden habe. Thematisiert wird also nicht eine Sicht des Herrschaftsverbandes, in welchem Magnaten beider Stände und die dynastischen Träger der Königs- und Kaiserherrschaft als Interessenverband mit wechselseitigen Gruppierungen gemeinsam agieren, sondern das Geschichtsbild einer karolingischen Königsherrschaft, welche in Opposition zu den Interessen der Magnaten sich versteht und so agiert. Doch ist Antagonismus stets nicht Ursache, sondern Reaktion, und zunächst nicht System, sondern Reaktion auf Systemschwächen, hier als eine Folge der Reichskrise Ludwigs des Frommen. Es sollte daher nicht von Systemschwächen ausgehend argumentiert werden, um Strukturen des Herrschaftsverbandes erkennen zu wollen, sondern vielmehr nach denjenigen Quellenbelegen gesucht werden, die Herrschaftsstrukturen kenntlich machen und überliefert haben, um von hier ausgehend die Reaktion auf eine Folge der Systemschwäche einzuordnen, die dann nicht mehr als reiner Gewaltakt in die Nähe tyrannischen Handelns zu weisen wäre. Einen solchen Weg haben Lot/Halphen und Auzias durch Hinweise auf die Urkundentätigkeit Karls II. während der
5
ANNALES DE SAINT-BERTIN ad a. 845, S. 50. Z u m Inversionsritual, d a s ALTHOFF bei d e m W e c h s e l r h y t h m u s v o n H u l d i g u n g u n d W i e d e r b e l e h n u n g n a c h O p p o s i t i o n zu R e c h t f u r g e g e b e n hält, vgl. o. bei 1. A . 2 3 u. 2 . 6 . 3 . A . 3 5 8 .
6
A u s f ü h r l i c h d a z u bei AUZIAS, L ' A q u i t a i n e c a r o l i n g i e n n e , S. 2 0 9 f f .
7
J. MARTINDALE, C h a r l e s t h e Bald a n d the g o v e r n m e n t o f t h e k i n g d o m o f A q u i t a i n e , in: C h a r l e s t h e Bald, S. 1 1 5 - 1 3 8 , S. 119f. Z u r S a c h l a g e vgl. bei KRAH, A b s e t z u n g s v e r f a h r e n , S. 8 9 f f .
262
Die Tragfähigkeit
der
Herrschaftsstrukturen
Zeit der Belagerung von Toulouse vorgegeben, indem von ihnen manches angedeutet wurde, das zu einer anderen Sichtweise führen könnte. 8 In der Tat vermitteln die dürftigen Quellenaussagen zur ersten Hälfte des Jahres 844 ein obskures Bild, wenn man - wie Martindale - nur die wenigen Stationen im Itinerar Karls II. betrachtet, weil die dazwischenliegenden zeitlichen Abstände nicht recht erklärt werden können. 9 Als eine ungünstige Ausgangsbasis erweist sich nämlich in diesem Fall die Methode der Itinerarforschung, die - bei größeren zeitlichen Lücken angewandt - freilich zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis führt, sondern ausschließlich die folgenden Eckpunkte des zeitlichen Ablaufs markiert: Demnach war Karl noch im Januar von Tours aufgebrochen und urkundete am 8. Februar in Limoges. 10 Anfang April hielt er sich am Tarn auf - am 5. 4. 844 urkundete er in Avens; hier oder bereits im „Castel-Ferrus", nördlich von Toulouse, feierte er am 13. 4. das Osterfest." Es ist anzunehmen, daß Karl während dieses Zuges permanent Truppen für die Belagerung von Toulouse ausgehoben und diese dann an der Tarnlinie zusammengezogen hatte. Hierfür wäre ein Zeitaufwand von acht Wochen sicherlich nicht zu kurz bemessen. Als Stützpunkt für sein Vorgehen gegen Bernhard von Septimanien diente ihm dann das stategisch günstig gelegene Kloster St-Sernin vor den Toren von Toulouse. Hier ist er vom 11.5. bis zum 30. 6. 844 urkundlich nachzuweisen. Einzelheiten der Vorgehensweise lassen sich für die ersten drei Monate des Jahres 844 nicht anhand der Quellen ermitteln. Bemerkenswert erscheint freilich, daß die in den Vorjahren häufig von Nithard notierte gemeinsame Politik Pippins II. mit Bernhard von Septimanien jetzt offenbar nicht fortgeführt wurde, da sich Bernhard im Süden und Pippin im Westen aufhielt, wodurch der Plan für getrennte militärische Aktionen - zunächst gegen Bernhard und dann gegen Pippin - möglich wurde. Mit gleicher Taktik wie im Vorjahr im bretonischen Grenzraum ließ Karl jetzt Truppen des Gefolgschaftsverbandes im aquitanischen Raum südlich von Limoges aufbieten, primär allerdings - und dies ist zu dem oben Gesagten zu ergänzen - mit der Forderung ihrer Teilnahme an dem für Anfang Juni nach Toulouse einberufenen Reichstag und an dem parallel dazu abgehaltenen Konzil der Geistlichkeit in Aquitanien. Die Beschlüsse der Synode sind in Form eines königlichen Kapitulars überliefert, ebenso die auf dem Reichstag verabschiedeten Erlasse zugunsten der spanischen und gotischen Bevölkerung in Septimanien, in denen die Rechte dieser Bevölkerungsgruppen auf der Basis der Gesetze Ludwigs des Frommen vom Jahre 815 normativ festgelegt wurden. 12 Die Anwendung der Regelungsmechanismen kirchlicher und weltlicher Gesetzgebung zur Strukturierung der Landesherrschaft im Süden des Reiches wird ergänzt durch eine Fülle von Einzelentscheidungen, die in den Diplomen aus jenen Wochen der Belagerung von Toulouse schriftlich fixiert wurden. Während keiner anderen Phase seiner Herrschaft hat Karl in so kurzer Zeit so viele Diplome ausfertigen lassen, so daß bei dieser Vorgehensweise eine 8 9 10 11 12
LOT/HALPHEN, S. lOOff. und AUZIAS, S. 191 fF. MARTINDALE, Charles the Bald, S. 125. TESSIER 1, nr. 32, S. 82ff. - Besitzbestätigung für die Bischofskirche St-Maurice in Angers. TESSIER I, nr. 33, S. 88ff. vom 5. 4. u. nr. 34, S. 9 I f f . vom 29. 4., ausgefertigt in Castel-Ferrus, vgl. LOT/HALPHEN, S. 98. Die Beschlüsse der Synode von Toulouse sind ediert in MGH Concilia 3, nr. 4, S. 20ff., dazu W. HARTMANN, Die Synoden der Karolingerzeit, S. 203f. - Das Praeceptum pro Hispanis vom 11. 6. 844, ed. MGH Capit. 2, nr. 256, S. 258ff., eine französische Übersetzung bei L. AUZIAS, S. 194ff.
Karls offensive Aquitanienpolitik
des Jahres 844
263
politische Z i e l v o r g a b e zu vermuten ist, die erreicht werden sollte. Sie stehen als Quellenzeugnisse für die B e w e r t u n g der Aquitanienpolitik des Jahres 844 zur V e r f ü g u n g , wurden aber bisher nicht in diesem Z u s a m m e n h a n g interpretiert. Es können insgesamt 25 Diplome anhand der Editionen von Tessier und D ' A b a d a l i de Vinyals nachgewiesen werden, die in der Mehrzahl für Klöster ausgestellt w u r d e n . Inhaltlich sind sie d e m „karolingischen System der Schutzprivilegien" f ü r den östlichen Pyrenäenraum z u z u o r d n e n , dessen A n f ä n g e Odilo Engels f ü r die Zeit L u d w i g s des F r o m m e n nachg e w i e s e n hat. Einige sind im Original erhalten. 1 3 N e b e n einer Reihe von Klöstern begegnen als U r k u n d e n e m p f ä n g e r die Bischofskirche von T o u l o u s e mit den ihr z u g e h ö r i g e n Klöstern St-Marie, innerhalb der Stadtmauern, und St-Sernin, außerhalb der Stadt gelegen, A u f e n t haltsort Karls II. und T a g u n g s o r t der R e i c h s v e r s a m m l u n g , ferner die B i s c h o f s k i r c h e von G e r o n a mit Bischof G u n d e m a r und die erzbischöfliche Kirche von N a r b o n n e . 1 4 Überwiegend w u r d e dabei der Rechtsstatus der geistlichen Einrichtungen, einschließlich ihrer wirtschaftlichen E i n k ü n f t e festgelegt, häufig entsprechend den vorgewiesenen Privilegien durch L u d w i g den F r o m m e n . In zwei Fällen waren U r k u n d e n Pippins I., w e l c h e dieser in seiner Funktion als U n t e r k ö n i g Aquitaniens erlassen hatte, von Karl als K ö n i g s u r k u n d e n anerkannt w o r d e n (!), indem er sie bestätigte, nämlich in dem Schutzprivileg der e r z b i s c h ö f l i c h e n Kirche v o n N a r b o n n e vom 20. 6. und in d e m Privileg für das Kloster Estree/Indre, das er wohl um die gleiche Zeit ausfertigen ließ. 15 Der erzbischöflichen Kirche von N a r b o n n e bewilligte Karl auch die Hälfte der gesamten Z o l l e i n n a h m e n der G r a f s c h a f t als zusätzliche wirtschaftliche E i n k ü n f t e . Zur Quellenlage der U r k u n d e Karls für Estree ist zu ergänzen, daß diese V e r f ü g u n g nicht als Einzeldiplom erhalten ist, sondern - wie die V o r u r k u n d e Pippins I. durch den Translationsbericht des Schutzpatrons, des hl. G e n u l f u s , überliefert wurde. Dort wird auch gesagt, daß Pippin I. die K l o s t e r g r ü n d u n g von Estree durch den G r a f e n W i f r e d von B o u r g e s bestätigt und d e m Kloster Immunität gewährt habe. 1 6 In diesen U r k u n d e n wird die o f f e n b a r bei Privilegierung kirchlicher Institutionen im aquitanischen R a u m typische K o m b i n a t i o n von Königsschutz, Immunität und freier Abtwahl gewährt, die den Klöstern eine rechtlich und wirtschaftlich autarke Stellung garantierte, w e l c h e w i e d e r u m Basis war f ü r den vom K ö n i g erwünschten L a n d e s a u s b a u durch Kultivierung und Intensivierung der kirchlichen Struktur auf dem Lande. A u f diese W e i s e wurde in St-Sernin der Rechtsstatus f ü r folgende Klöster bestätigt oder festgelegt: Im N a r b o n n a i s f ü r St-Laurent und St-Aignan (St-Chinian), im R a z e s f ü r St-Pierre de C u b i e r e s und St-
13
R. D'ABADAL I DE VINYALS, C a t a l u n y a C a r o l i n g i a II, B a r c e l o n a 1 9 2 6 - 1 9 5 0 , v e r w e n d e t v e r s c h i e d e n t lich e i n e a n d e r e D a t i e r u n g und Z u o r d n u n g der S c h r i f t s t ü c k e als TESSIER. - V g l . O . ENGELS, Die „ A u t o n o m i e " d e r P y r e n ä e n g r a f s c h a f t e n Pallars und R i b a g o r z a und d a s k a r o l i n g i s c h e S y s t e m d e r S c h u t z p r i v i l e g i e r u n g , in: ders., R e c o n q u i s t a und L a n d e s h e r r s c h a f t . Studien zur R e c h t s - und V e r f a s s u n g s g e s c h i c h t e S p a n i e n s im Mittelalter, (= R e c h t s - und S t a a t s w i s s e n s c h a f t l i c h e V e r ö f f e n t l i c h u n g e n der G ö r r e s - G e s e l l s c h a f t N F 53), P a d e r b o r n u. a. 1989, S. 5 1 - 7 8 , d e u t s c h e F a s s u n g seines A u f s a t z e s von 1969: ders., La „ a u t o n o m i a " de los c o n d a d o s p i r e n ä i c o s de Pallars y R i b a g o r z a y el s i s t e m a c a r o l i n g i o de p r i v i l e g i o s de p r o t e c c i o n , in: A n u a r i o de estudios m e d i e v a l e s 6, B a r c e l o n a 1969, S. 1 1 - 4 1 .
14
Vgl. in d e r Liste unten den N u m m e r n 1 u. 1 8 - 2 0 .
15 16
Ebd. nr. 2 0 u. nr. 22. Vgl. LEVILLAIN, nr. 16, S. 58f. und TESSIER, nr. 51, S. 147f.; der Z u s a m m e n h a n g der T e x t e ist a m besten z u e r k e n n e n in der Edition der TRANSLATIO S. GENULFI d u r c h 0 . HOLDER-EGGER in: M G H SS 15/2, H a n n o v e r 1888, S. 1 2 0 4 - 1 2 1 3 , hier S. 1207f.
264
Die Tragfähigkeit
der
Herrschaftsstrukturen
Polycarpe, im Roussillon für St-Clement (= Reglelle/Regleille) und für das Andreaskloster Sureda, im Vallespir für Notre-Dame d'Arles, im Besalu für die Klöster Sant Pere d'Albanyä, St-Marie de Lagrasse (= Banyoles) - auch für Lagrasse ist ein Privileg Pippins I. bekannt, überliefert sogar als Original und datiert auf den 3. September 838 17 - und St-Martin am Muga (= Les Escaules), in der Kirchenprovinz Gerona für das Kloster Amer, in Urgel für Senterada, ferner für Psalmodi im Nimois und für St-Benoit de Castres im Albigeois ohne Vordiplom für Sant Pere d'Albanyä, St-Pierre de Cubieres und das neu gegründete Kloster St-Clement am Tet im Roussillon (Regleille). 18 Somit wurden 14 Klöster im Süden Aquitaniens mit Schutzprivilegien ausgestattet; ein weiteres erhielt damals das zu Bourges gehörende Kloster Devre. Diese Klöster liegen mit Ausnahme von Senterada und Castres im östlichen Pyrenäenraum zwischen Psalmodi im Norden und Amer oder Estree im Süden. Nimmt man die Urkunden für die Bischofskirchen von Gerona und Narbonne hinzu, sowie die damals für weltliche Empfanger erlassenen Diplome, so verdichtet sich das gewonnene Bild, weil anhand der Urkundenempfanger, namentlich der Hispani, und anhand ihrer Besitzungen in Beziers, nordöstlich von Narbonne, in d'Aspiran und d'Albagnan, und mit der gotischen und spanischen Bevölkerung von Barcelona und Tarrasa, deren Rechtsstatus im genannten Praeceptum pro Hispanis neu geregelt worden war, die Verankerung der Königsmacht Karls II. in weiten Teilen dieses Küstenstreifens nachzuweisen ist. 19 Schon diese kurze Übersicht läßt ein gezieltes Vorgehen Karls II. erkennen und zwar wiederum durch Verlagerung von Herrscherkompetenzen auf „Zwischenschichten" innerhalb der Bevölkerungsstruktur, hier auf der Ebene der Privilegierung sozialer Gruppierungen durch die Gewährung von Immunität und vor allem Königsschutz. 20 Dadurch entstand im septimanischen Küstenstreifen zwischen Narbonne und Barcelona ein stabiles und funktionsfähiges Wirtschaftssystem, in welchem die privilegierten Klöster und Familienclans aus der spanischen Oberschicht eigenständig wirtschafteten und Landesausbau in „Eigenregie" betrieben. Diese intensive Privilegierung blockierte die traditionell einem dux im Markengebiet zukommende Aufgabe des Landesausbaus - wie sie in etwa auch für die Markgrafen der Ostmark, der pannonischen oder der Kärntner Mark zur Zeit Ludwigs des Deutschen, Karlmanns und Arnolfs bekannt ist - und schwächte damit seine Position, da Machtsteigerung durch territorialen Zugewinn im eigenen Interesse künftig mit den Interessen der einheimischen Magnaten und der Klöster konkurrierte, die zudem der König schützte. Damit wird die Absetzung Bernhards von Septimanien nicht nur als Gewaltakt Karls II., der ihn
17 18 19 20
LEVILLAIN, nr. 34, S. 152-161; in dem Diplom Karls II. wird allerdings nur das Privileg Ludwigs des Frommen als Orientierungsmuster erwähnt, TESSIER, nr. 37, S. 98ff., hier S. 100. Vgl. in der Liste nr. 5, 9, 24. Ebd. nr. 2, 10, 17. Das Phänomen wird über mehrere Jahrhunderte verfolgt bei O. ENGELS, Schutzgedanke und Landesherrschaft im östlichen Pyrenäenraum (9.-13. Jahrhundert), (= Spanische Forschungen der Görresgesellschaft, 2. Reihe, Bd. 14), Münster 1970, S. 39f. zu den Urkunden Karls II. für die erzbischöfliche Kirche von Narbonne von 844 und die Bischofskirche in Gerona; S. 51 f. zu St-Polycarpe und Banyoles; zum westgotischen Einfluß auf die Klosterpolitik Ludwigs des Frommen ebd. S. 58ff. - Zur Auflösung des Systems im 10. Jahrhundert: ders., Königsschutz und Papstschutz in Katalonien (10. u. 11. Jahrhundert), in: L'Eglise de France et la papaute (X c - ΧΙΙΓ siecle), publ. par R. GROSSE, Bonn 1993, S. 392ff.
Karls offensive Aquitanienpolitik
265
des Jahres 844
bekanntlich vor Toulouse hinrichten ließ, zu bewerten sein, sondern auch als eine synchron dazu eingeleitete Neustrukturierung der septimanischen Mark, basierend auf dem von Ludwig dem Frommen initiierten System der Schutzprivilegien. Durch die flächendeckende Privilegierung kleiner Herrschaftsträger wurde dieses Territorium direkt an die Königsherrschaft angebunden und die Funktion des Herzogs auf die eines Amtsinhabers reduziert. Dem künftigen Ausbau einer Herzogsherrschaft im septimanischen Grenzraum, den die Söhne Bernhards zunächst durchaus erfolgreich betrieben, waren mit dieser 844 eingeleiteten Neustrukturierung deutliche Grenzen gesetzt, die beide Söhne - Wilhelm und Bernhard - scheitern ließen. Hierzu die folgende Übersicht: Die Urkundenempfänger Edition
Datierung
des Aquitanienzuges
Empfänger
Tessier (d'Abadal)
Vordiplom
von 844 Königsschütz
Personen am Hofe Karls
Ludwigs d. Fr.
l . n r . 33
5.4. Avens/ Tarn
Bischofskirche Toulouse, Klöster StMarie u. St-Sernin
Bischof Samuel von Toulouse
2. nr. 34
29. 4. CastelFerrus
span. Flüchtlinge (fideles) der dritten Generation
Ato, Epsarius, Regnopolus
3. nr. 35 (Original)
30. 4. CastelFerrus
Hildricus fidelis in suburbio Narbonense
Hildricus
4. nr. 451
Hildricus, Besitz in „Drappas"/ Razes 21
5. nr. 36 (S. 6)
11.5. St-Sernin
Sant Pere d'Albanyä/ Besalu 22
Abt Donnulus von Sant Pere d'Albanyä
6. nr. 37 (S. 48ff.) 23
13. 5. St-Sernin
St-Marie de Lagrasse sur l'Orbieu (Banyoles)
Abt Elias von StMarie de Lagrasse
7. nr. 38 (S. 11) (Original)
14. 5. Toulouse
Kloster der Heiligen Emeter u. Genesius im Gau Gerona (Amer)
Abt Wilera von Amer
21
Vgl. die Vorbemerkung bei TESSIER II, nr. 4 5 1 , S. 506f.; der Text ist der späteren Urkunde König Karlmanns v o m 4. 2. 8 8 4 entnommen.
22
Festgelegt wurde der Rechtsstatus des Klösterchens, das 8 6 9 zu N o t r e - D a m e d'Arles gehörte, s. TESSIER II, nr. 3 2 1 , S. 2 0 6 f f .
23
Vgl. auch TESSIER II, nr. 2 8 9 , vom 1 1 . 2 . 8 6 6 für Banyoles.
266
Die Tragfähigkeit
der
Herrschaftsstrukturen
Edition
Datierung
Empfanger
8. nr. 55 (154) (Original)
12. 5. (?) St-Sernin
St-Martin am Muga/ Besalu (Les Escaules)
χ
Abt Adulfus von St-Martin
9. nr. 39
14. 5. St-Sernin
St-Pierre de Cubieres im Razes
χ
Abt Lazarus von St-Pierre
10. nr. 40 (Nr. 335)
19.5. St-Sernin
Hispani: Ranemirus Hansemundus (presb.) Aurifolio, Elias, Cicila, Mirabilis (presb.) in d'Aspiran u. d'Albagnan/ Beziers
Gruppe der Spanier; Magnaten 24
11. nr. 122 Mai. (S. II) 2 5 s. 1.
Andreaskloster Sureda
Abt Froysclus (Graf Suniaire interveniert)
12. nr. 41 (Original)
20.5. St-Sernin
St-Laurent en Narbonais
13. nr. 42
??
Bischöfliches Kloster Devre
Erzbischof Radulf von Bourges
14. nr. 43 (S. 338)
5. 6.
vassus Teodtfredus in Septimanien
Teodtfredus 2 6
15. nr. 44
5. 6.
St-Aignan en Narbonnais
Abt Richifredus von St-Aignan
Kloster d. hl. Grata am Bossia (Senterada) zur Kirche von Urgel gehörend
Abt Igila/Agila von Senterada
St-Sernin
St-Sernin 16. nr.45 (S. 263)
9. 6. St-Sernin
Vordiplom
χ (Gerichtsentscheidung Dipl. Pippins I.)
Königsschütz
Personen am Hofe Karls
Abt David von St-Laurent
24
Die in der Urkunde genannten Magnaten sind: Erzbischof N o t o von Arles, Markgraf Sunifred und Graf Suniaire, s o w i e der Pfalzgraf Elmeradus, S. TESSIER I, S. 110.
25
Die von D'ABADAL vorgenommene Einordnung der Urkunde zum Mai 8 4 4 ist richtig und zwar a) w e gen des Gesamtzusammenhangs, b) w e g e n der Intervention von Graf Suniaire bei der Schenkung von Königsbesitz an das Kloster im zweiten Teil der Urkunde; er ist auch im D i p l o m v o m 19. 5. genannt.
26
Vgl. TESSIER I, nr. 118, S. 3 1 3 f f . , D'ABADAL, S. 343, v o m 7. 10. 8 4 9 , ausgestellt in Narbonne; die ihm 8 4 4 zugesprochenen Besitzungen Fontes und Fontjoncosa werden 8 4 9 in Eigenbesitz umgewandelt.
Karls offensive Aquitanienpolitik Edition
Datierung
267
des Jahres 844
Empfänger
Vordiplom
Königsschutz
Personen am Hofe Karls
17. nr. 46 27 11.6. St-Sernin (S. 422)
Gotische und span. Bevölkerung von Barcelona und Tarrasa
Kapitular von 815
X
Vertretergruppe des Personenkreises
18. nr. 47 (S. 125)
11. 6. St-Sernin
Bischof Gundemar 28 u. Bischofskirche von Gerona
X
X
Bischof Gundemar von Gerona
19. nr. 48
12. 6. St-Sernin
Bischofskirche der Märtyrer Justus u. Pastor in Narbonne
20. nr. 49 (interpol.)
20. 6. St-Sernin
Bischofskirche von Narbonne
X u. Dipl. Pippins I.29
X
Erzbischof Berarius von Narbonne
21. nr. 50
20. 6. Toulouse
St-Polycarpe en Razes
X
X
Abt Centullus von St-Polycarpe
22. nr. 51
??
Kloster Estree (SaintGenou)
Vordipl. Pippins I
X
Abt Dodo von Estree
X
X
Abt Recesindus
X
Praepositus Sintremundus
X
Abt Theobaldus von Psalmodi
23. nr. 53 30 25. 6. (S. 27) St-Sernin
Notre-Dame d'Arles
? 24. nr. 388 (S. 180) 31 s. 1.
Kloster St-Clement am Tet/Roussillon
25. nr. 54
30. 6. St-Sernin
Kloster Psalmodi im Nimois
26. nr. 56
??
St-Benoit de Castres
X (Fallentscheidung)
Abt Gislibertus
Um so viele Privilegien in St-Sernin und Toulouse in so kurzer Zeit ausfertigen zu lassen, bedurfte es der Anwesenheit der königlichen Kanzlei mit allen Verwaltungseinrichtungen des Königshofes. Die erheblichen Kosten für Versorgung und Unterkunft des Hofstaates und für das Heer waren vorab Anfang April geklärt worden: Sie waren von der Bischofskirche von Toulouse zu tragen. Indiz hierfür ist die erste Urkunde Karls anläßlich seines Aquitanienzuges, die Bischof Samuel für seine Bischofskirche von Toulouse mit den Klöster St27
PRAECEPTUM PRO HISPANIS, Μ G H Capit. 2, nr. 2 5 6 , S. 2 5 8 f f .
28
E n d e e i n e s längeren Streitfalles, dessen „ V e r s a t z s t ü c k e " die U r k u n d e w i e d e r g i b t , s. die V o r b e m e r k u n g bei TESSIER I, S. 134; den Fall erörtert O . ENGELS, S c h u t z g e d a n k e , S. 3 9 f f .
29 30
D a s V o r d i p l o m L u d w i g s des F r o m m e n weist ENGELS, S c h u t z g e d a n k e , S. 39 n a c h . Vgl. a u c h TESSIER II, nr. 3 2 1 , S. 2 0 6 f f . , S c h u t z p r i v i l e g mit B e s t ä t i g u n g u m f a n g r e i c h e r B e s i t z u n g e n im R o u s s i l l o n und B e s a l u .
31
E i n o r d n u n g n a c h D'ABADAL. Für S t - C l e m e n t w u r d e d e r R e c h t s s t a t u s neu festgelegt.
268
Die Tragfähigkeit der
Herrschaftsstrukturen
Marie und St-Sernin erhielt, wodurch seine Anwesenheit am Tarn bezeugt ist. Damals hatte der Bischof sein Anliegen, Königsschutz und Immunität entsprechend dem Prinzip der Gleichbehandlung - wie zu Zeiten Ludwigs des Frommen - , von Karl in einem ausführlichen Privileg bewilligt erhalten - vorab als eine Form der Gegenleistung für die Belastungen der nächsten Monate, insbesondere für die Kosten von Konzil und Reichsversammlung. Auch hatte sich Bernhard wohl schon um diese Zeit in Toulouse verschanzt und der Plan, ihn von St-Sernin aus zu belagern, war offenkundig. Mit der Bewilligung der bischöflichen Immunität wurde ferner künftig die Herrschaft über die Stadt als Bischofsherrschaft festgelegt und die Macht des Markgrafen dadurch eingeschränkt. Zu erinnern ist an dieser Stelle an die globale Strukturierung Aquitaniens in Markgrafschaften durch Karl den Großen anläßlich der Einsetzung Ludwigs des Frommen als Unterkönig Aquitaniens, wobei der Astronomus, der eine Liste der Markgrafen überliefert, dabei auf die fränkische Herkunft dieser Magnaten verwiesen hat. Die dort genannten Machtzentren, wie Bordeaux, Poitiers und Toulouse, bezeichnen zugleich umfangreiche Verwaltungsund Machtbereiche der Amtsinhaber und - auch aufgrund ihres militärischen Potentials eine herzoggleiche Position, die in der Folgezeit immer wieder zu Konflikten gefuhrt hatte. 32 Eine den Eigenständigkeitsbestrebungen dieser Art konträre Entwicklung wurde mit den Schutzprivilegien für kirchliche Institutionen, für den einheimischen Adel und die gentil unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen von Ludwig dem Frommen eingeleitet und von Karl II. weiter durch Privilegien gefordert und bei der Beseitigung der Machtstellung Bernhards von Septimanien im Süden des Reiches als entscheidendes Machtmittel gegen ihn benützt. Denn mit Bischof Samuel von Toulouse, Erzbischof Berarius von Narbonne, Bischof Gundemar von Geronna und den in den Diplomen genannten Äbten der Klöster im östlichen Pyrenäenraum standen wichtige Vertreter der Kirche Septimaniens auf der Seite Karls II., die sein Vorgehen gegen Bernhard unterstützten. Die Dauer der Belagerung von Toulouse kann entsprechend der Datierung der Urkunden fur den Zeitraum vom 19. 5. bis zum 25. 6. 844 exakt angegeben werden. Mehrfach ist dort der Hinweis dum obsideretur Tolosa zu finden, so auch in dem Privileg für die spanischen Bewohner von d'Albagnan und d'Aspiran, das in Anwesenheit bedeutender Magnaten des spanischen Raumes bewilligt wurde. Genannt sind Erzbischof Noto von Arles, ein Pfalzgraf Elmeradus - zuständig vermutlich fur den septimanischen Bereich - , Markgraf Sunifred und Graf Suniarius; betont wird die Anwesenheit weiterer Adeliger - diversisque nobilibus nostris welche wohl nur deshalb nicht namentlich angeführt werden, weil sie nicht der regionalen Adelsschicht angehörten, die die Entscheidung zu befürworten hatte. 33 In der Urkunde vom 30. 6. für das Kloster Psalmodi ist dann nicht mehr von der Belagerung von Toulouse die Rede, hingegen von einer Restitution von Besitzungen des Klosters, die Markgraf Bernhard an Gefolgsleute verteilt habe. Die vorausgegangene Rechtsentscheidung zusammen-
32
V g l . KRAH, Absetzungsverfahren, zu Chorso von T o u l o u s e S. 2 0 f f . , S i g i w i n u s von Bordeaux 52f., Beranus von Barcelona, S. 5 5 f f . , Bernhard von Septimanien S. 68f., Bernhard und E m e n o S. 7 8 f f . , alle von L u d w i g dem Frommen abgesetzt; vgl. zur Strukturierung Aquitaniens: ASTRONOMUS c. 3, S. 2 9 0 292.
33
Der Urkundenvermerk dum obsideretur Tolosa ist in folgenden D i p l o m e n zu finden: TESSIER I, nr. 4 0 , v o m 19. 5. 8 4 4 , nr. 4 4 , v o m 5. 6., nr. 4 7 , v o m I I . 6. u. nr. 53, v o m 25. 6. - V g l . das D i p l o m flir die spanische Bevölkerungsgruppe im Bezier, TESSIER I, nr. 4 0 , S. 109f., Liste nr. 10.
Karls offensive Aquitanienpolitik
des Jahres 844
269
fassend wird konstatiert, daß Bernhard - einst Graf (!) - in maßloser Überheblichkeit dem Befehl Ludwigs des Frommen nicht nachgekommen sei, diese Besitzungen zurückzuerstatten: contemptus superbiae Bernardus quondam comes eandem genitoris nostri iussionem implere neglexit34 Demnach muß Toulouse nach dem 25. 6. von Karl eingenommen worden sein und das in den Annales Bertiniani berichtete Hochgerichtsverfahren gegen Bernhard vor dem 30. 6. stattgefunden haben, möglicherweise auch seine Hinrichtung. Karl handelte damals durchaus in der Hochstimmung seines Sieges, als er in der Urkunde für Psalmodi seine königliche Autorität im Titel durch eine bewußt gesetzte, nicht alltägliche Formulierung herausstellen ließ - Theobaldus abba monasterii sancte Dei genitricis Marie ... que apellatur Psalmodia ... adiens culminis nostri serenitatem,35 Kurz darauf muß die Nachricht von der katastrophalen Niederlage der Ersatztruppen Karls vom 14. 6. am Königshof in StSernin eingetroffen sein. Pippin war es gelungen, ein Heer unter der Führung erprobter Magnaten, wie den Grafen Gundhard, Richwin und Eckhard von Amiens sowie den Äbten Hugo von St-Bertin, Richboto von St-Riquier und Lupus von Ferneres aufzureiben. 36 Die Phase aggressiver Politik Karls II. in Aquitanien war damit zunächst beendet: Pippin II. kontrollierte nach seinem Sieg den Westen, Karl wich in den Osten aus und zog über die Auvergne zurück nach Compiegne/ 7 Durch diesen Zeitablauf wird deutlich, daß Reichstag und Synode keinesfalls nach dem Ende der Belagerung von Toulouse erst einberufen wurden, sondern währenddessen getagt hatten. Die konzeptionelle Umstrukturierung in Septimanien läßt sich anhand der Verfugungen Karls auch fur die weltlichen Herrschaftsstrukturen, insbesondere die Besitzverhältnisse nachweisen, und zwar für Mitglieder unterschiedlicher sozialer Schichten. Bereits in der Urkunde vom 19. 5. wird Graf Sunifred von Urgel und Cerdagne als marchio dieser Gegend bezeichnet, was seinen sozialen Aufstieg in die Reihe der Mitglieder der Führungsschicht der Spitzenmagnaten anzeigt und zugleich, daß Karl im Pyrenäenraum mit einer Parzellierung in Herrschaftsbereiche nach dem Markensystem begonnen hatte - noch vor der Absetzung Bernhards. Er setzte dort einen ihm besonders treuen Vasallen ein, den er schon zu Beginn des Jahres 843 mit einer Schenkung königlicher Besitzungen im Roussillon und Conflent, sowie in den Gauen Urgel und Cerdagne ausgezeichnet hatte. 38 In der Folgezeit schützte Sunifred die Reichsgrenzen nach Süden mit dem wichtigen Küstenstreifen gegen das muslimische Spanien und verfugte über hervorragende Kontakte zu den dortigen Machthabern und zur gotischen Oberschicht des Landes. In dieser Schutzfünktion fiir das Markengebiet - als militärischer Befehlshaber über Grenztruppen und als wendiger Diplo-
34
TESSIER I, nr. 54, S. 153; d a z u KRAH, A b s e t z u n g s v e r f a h r e n , S. 8 9 - 9 3 mit w e i t e r e r Literatur.
35
TESSIER I, nr. 54, S. 153; vgl. ferner bei 2. Α. 1. u. 2.2.4. A. 105 und im W o r t v e r z e i c h n i s bei TESSIER 111, S. 4 0 0 mit w e n i g e n B e i s p i e l e n .
36
ANNALES DE SAJNT-BERTIN ad a. 844, S. 46f. mit LOT/HALPHEN, S. 113 Α . 1 mit richtiger D a t i e r u n g auf d e n 14. 6. 844. TESSIER I, nr. 57f., S. 161 ff.
37 38
TESSIER I, nr. 4 0 , S. 110. - D a z u J. CALMETTE, Les m a r q u i s d e G o t h i e s o u s C h a r l e s le C h a u v e , in: A n n a l e s du M i d i 14, T o u l o u s e 1902, S. 1 8 5 - 1 9 7 , S. 186 u. R. D'ABADAL I DE VLNYALS, La institucio c o m t a l c a r o l i n g i a en la p r e - c a t a l u n y a del segle IX, in: A n u a r i o de e s t u d i o s m e d i e v a l e s 1, B a r c e l o n a 1964, S. 2 9 - 7 5 , hier S. 44f. u. ders., C a t a l u n y a C a r o l i n g i a III, B a r c e l o n a 1955, S. 1 0 7 - 1 0 9 , u. Bd. II, S. 3 3 2 f . , in der V o r b e m e r k u n g der Edition d e s D i p l o m s . - Vgl. o. bei 3.3.2. A . 2 5 z u m D i p l o m K a r l s II. fiir S i c f r e d u s / S u n i f r e d u s .
Die Tragfähigkeit
270
der
Herrschaftsstrukturen
mat - begegnet er im Jahre 858 im Bericht über die Translatio spanischer Märtyrerreliquien, als er nämlich den Pilgermönchen aus St-Germain-des-Pres die Reise über die Grenze bis ins muslimische Cordoba und ebenso eine glückliche Rückkehr ermöglichte. 39 Wie bereits erwähnt, lassen sich die Begünstigungen für weltliche Magnaten und soziale „Zwischenschichten" im septimanischen Raum anhand der Urkunden sehr genau nachweisen. So erhielt ein Hildricus fidelis - offenbar ein mächtiger Adeliger der Gegend - am 30. 4. in Castel-Ferrus die königliche villa Censerada mit der Kirche des hl. Genesius zueigen, gelegen in der Vorstadt von Narbonne, und in einer weiteren Schenkung Besitzungen im Razes. 40 Anhand eines weiteren Beispiels, der Urkunde für Teodtfred, kann die Entwicklung einer Eigengesetzlichkeit besitzrechtlicher Regelungen in Septimanien schrittweise nachvollzogen werden: Jener Königsvasall konnte nämlich ein Schriftstück seines Vaters Johannes vorweisen, mit welchem diesem Besitzrechte an der villa Fontes, einschließlich der Einkünfte der Einöde Fontjoncouse von Karl dem Großen bereits bewilligt worden waren, und zusätzlich einen Brief Ludwigs des Frommen an einen Grafen Sturmion gleichen Inhalts. 41 Diese Besitzrechte wurden ihm zunächst bestätigt. Darüber hinaus erhielt Teodtfred alle künftigen, von ihm von Fontes aus kultivierten Ländereien als unbegrenzte königliche Schenkung, sowie die frei gewordenen Rechte seines Onkels Wilimirus an der Einöde Fontjoncouse und zwar per aprisionem, als vererbbaren Eigenbesitz mit der Auflage zu weiterer Kolonisation, was einer Regelung der Eigentumsverhältnisse zugunsten Teodtfreds gleichkam; Zinsabgaben entfielen für immer. Diese Regelung entsprach dem gängigen Wirtschaftssystem im Süden, welches den Landesausbau durch Grunderwerb attraktiv werden ließ und gleichzeitig die Anbindung des Herrschaftsraumes an das Königtum garantierte, da durch dieses privilegiert. Durch die grundlegenden Arbeiten von P. Imbard de la Tour, bereits 1902, E. Magnou-Nortier - in ihrer These de doctorat 1974 - und zuvor A. Dupont sind diese Zusammenhänge erforscht, die hier schlaglichtartig in der Urkunde Karls II. beleuchtet werden 4 2 Ähnliches verfugte er für die in d'Aspiran und d'Albignan lebenden Hispani\ denn Ranimirus und der Priester Hansemundus, Aurefolio, Elias, sowie Cicila und ein weiterer Priester Mirabilis und ihre Verwandten hatten dort Land kultiviert, Gebäude errichtet, Gärten und Weinberge angelegt und gleichzeitig hierfür verbriefte Besitzrechte an diesen Ländereien erworben, nämlich als aprisiones ... quasi proprietario jure possiderent. Auch künftig sollte dieser Rechtsstatus dem Familienclan erhalten bleiben; Königsschutz wurde 39
Wichtige
Ausführungen
zu
den
Verhältnissen
im
spanischen
Grenzraum
bei
ALMOIN,
DE
TRANSLATIONE S S MARTYRUM GEORG!! MONACHI, AURELII ET NATHALIAE, M I G N E P L 1 1 5 , P a r i s
1 8 7 9 , Sp. 9 3 9 - 9 6 0 , c. 3 - 5 , Sp. 9 4 2 f . , dazu A. KRAH, Reliquienverehrung und Reliquienerwerbung im 9. Jahrhundert, in: The Divine Life, Light and Love, ( = Festschrift in Honour o f Petro Β. T. BLLANIUK), hgg. v. R. PILLINGER U. E. RENHART, Graz 1992, S. 9 7 - 1 0 9 . - Zu den Grafschaften im septimanischen Raum vgl. die Tabelle bei D'ABADAL, La institucio comtal, nach S. 48. 40
V g l . in der Liste nr. 3 u. 4.
41
Vgl. in der Liste nr. 14; TESSIER I, nr. 43, S. 120.
42
Vgl. zur Wortbedeutung von aprisio NLERMEYER, S. 53; P. IMBART DE LA TOUR, Les colonies agricoles et l'occupation des terres desertes ä l'epoque carolingienne, in: M e l a n g e s PAUL FABRE, Paris 1902, S. 1 4 6 - 1 7 1 . A . DUPONT, L'aprision et le regime aprisionnaire dans le Midi de Ia France, in: M A 77, Bruxelles 1965, S. 1 7 9 - 2 1 3 u. S. 3 7 5 - 3 9 9 , u. ders., Considerations sur la colonisation et la vie rurale dans le Roussillon et la marche d'Espagne au XI e siecle, in: Annales du Midi 67, Toulouse 1955, S. 2 2 3 - 2 4 5 ; einleitend bei E. MAGNOU-NORTIER, La s o c i e t e laique et l'Eglise dans la province ecclesiastique de Narbonne de la fin du VIII e ä la fin du XI e siecle, Toulouse 1974.
Karls offensive Aquitanienpolitik
des Jahres 844
271
den in den Urkunden genannten Eigentümern ausdrücklich zugesichert - mundeburdo nostrae defensionis contra omnium infestationes semper consistant. Im Todesfall sollten diese aprisiones wie Erbbesitz behandelt werden, der - wenn keine Abkömmlinge des Verstorbenen lebten - sogar an Seitenverwandte vererbt werden konnte. 41 Gleiches Recht konzedierte Karl generell der spanischen und gotischen Bevölkerung von Barcelona und Tarrasa im Praeceptum pro Hispanis, in Ergänzung der Bestimmung Ludwigs des Frommen - wiederholt in Kapitel 7. Was auf neu kultiviertem Land im Umkreis von Einöden geerntet werde, dürfe man behalten, ebenso die erwirtschafteten Erträge der aprisiones. Künftig sollten alle Abgaben und Leistungen entfallen mit Ausnahme der servitia regalia - Kapitel 6. 44 Eine solche Privilegierung der Kolonisatoren unterwanderte die Wirtschaftskraft übergeordneter Verwaltungsinstanzen, förderte hingegen den Aufstieg von Familienclans durch Grunderwerb, welcher durch Gleichstellung der ethnischen Minderheit innerhalb des Gefolgschaftsverbandes zusätzlich begünstigt wurde. Denn Karl ließ den Gesetzestext Ludwigs des Frommen, mit welchem dieser der spanischen Bevölkerung das Recht zugesichert hatte, sich dem Gefolgschaftsverband des Ortsgrafen durch Kommendation anzuschließen, durch den Zusatz ergänzen, daß dieser Schritt künftig so wie bei allen anderen fränkischen Gefolgsleuten vollzogen werden solle. 45 Damit wird klar, daß die oben skizzierten Einzelentscheidungen zugunsten namentlich genannter Kolonisatoren den geltenden Rechtsnormen des septimanischen Raumes entsprachen. Diese waren von Ludwig dem Frommen zugunsten des Landesausbaus, den der Kaiser direkt seinem Schutz unterstellte, exakt als System konzipiert worden, - bei der Ausführung von ihm gestützt durch Einzelentscheidungen in strittigen Fällen, wie die von Teodtfred vorgelegten Schriftstücke zeigen. An die Gesetzgebung seines Vaters anschließend und diese deutlich erweiternd hatte Karl das Besitzrecht der spanischen Kolonisatoren freizügiger gestaltet. Die von ihnen kultivierten Ländereien konnten wie Eigentum behandelt werden und wurden bei erfolgreicher und ertragreicher Kolonisation künftig in Eigentum umgewandelt, das dem Reichsgut, aber auch dem Zugriff herausragender Adeliger in Spitzenfunktionen für immer verlorenging, weil selbst bei Kinderlosigkeit im Erbfall immer irgendwelche Seitenverwandte Rechtsansprüche geltend machen konnten. Diese Privilegierung hat die „Clanbildung" der einheimischen Bevölkerung und ihren Aufstieg gefördert, die Mobilität fränkischer Siedler verhindert, die Ausbaufähigkeit der Ämter für fränkische Amtsträger beschränkt, das Prestige Karls II. in jener für ihn schwierigen Phase der Beseitigung der Herrschaft Bernhards von Septimanien jedoch erheblich gestärkt. Ausgehend von den unterschiedlichen sozialen Gruppierungen, die in St-Sernin durch Schutzprivilegien begünstigt wurden, läßt sich der Aquitanienzug Karls II. als Umritt in einem Gebiet seiner Politik zuordnen, für das ihm zwar normativ Königsherrschaft im Vertrag von Verdun bestätigt worden war - bei gleichzeitiger Negierung sämtlicher Herrscherrechte Pippins II. - , in welchem diese Königsherrschaft aber noch nicht anerkannt worden war. Als sicher kann gelten, daß in St-Sernin Huldigung und Treueide von den Magnaten beider Stände und den niederen Bevölkerungsschichten der ethnischen Minderheiten geleistet wurden, deren Anwesenheit aufgrund der namentlich in den Urkunden genannten Mitglieder 43
TESSIER I, n r . 4 0 , S.
44 45
MGH Capit. 2, nr. 256, S. 260. Ebd. c. 10.
109f.
Die Tragfähigkeit
272
der
Herrschaftsstrukturen
dieser Bevölkerungsschichten bekannt ist. Hatte Bernhard damals seine während der Bruderkriege erfolgreich eingesetzte Taktik beibehalten, sich aufgrund eines früheren Lehnseides einer Kommendation entziehen zu wollen, um einen rechtlich breiteren Handlungsspielraum für seine Machtpolitik im Süden einzusetzen, und sich dabei dann auch des Herrschaftszentrums Toulouse bemächtigt, so waren seine Isolation innerhalb der Mauern von Toulouse, die Belagerung der Stadt und seine Hinrichtung nur eine Folge dieser Strategie, mit der er im Kampf gegen die Königsherrschaft unterlegen war. Die Meinung, daß Karl in einem Gewaltakt Bernhard von Septimanien beseitigt habe, wäre mit Blick auf die Gesamtentwicklung in Aquitanien und den Umritt Karls bis Toulouse dann so zu modifizieren: Durch die Reichsversammlung in St-Sernin, die Synode und durch Privilegien hatte Karl nach den Vorgaben der Politik seines Vaters in diesem Raum eine weitere Parzellierung der Herrschaftsstrukturen vorgenommen - durch Privilegierung der Bischofskirchen und Klöster sowie durch Intensivierung der Kolonisation und deren Anbindung an seine Königsherrschaft - und dadurch ein Raster der Herrschaftsstrukturen geschaffen, in welchem für Bernhards Machtstreben kein Platz mehr war. Offenkundig ist der große Zulauf der Versammlungen, auf denen Rechtsfragen der sozialen Zwischenschichten nur deshalb diskutiert und normativ geregelt wurden, weil sie anwesend waren. W. Hartmann hat betont, daß die Landpriester in den Synodalbeschlüssen von St-Semin in besonders auffälliger Weise vor Repressalien durch ihre geistlichen Vorgesetzten geschützt wurden. 46 Die Erklärung dafür, weshalb damals diese Vorschrift erlassen wurde, ergibt sich aus dem politischen Konzept Karls II. für die südliche Region; denn auch Landpriester leisteten in Septimanien vor Ort Pionierarbeit für den Landesausbau und bedurften des Königsschutzes, um neu entstandene Pfarreien als kleine kultische Mittelpunkte der Kolonisationsgebiete wirtschaftlich abzusichern und nicht Vorgesetzten eine lukrative Pfründe einzurichten. Man wird- wohl eine Verbindung zwischen den Synodalbeschlüssen zugunsten der Landpriester und dem Privileg ftir den im Beziers siedelnden spanischen Familienclan sehen müssen, da bei den begünstigten Personen die beiden Landpriester Mirabilis und Hansemundus genannt werden. In der Forschung wurde auch die Frage nach den Teilnehmern der Synode von Toulouse gestellt. Eine Teilnehmerliste ist bekanntlich nicht überliefert. Anwesend waren aber die in den Urkunden Karls II. verzeichneten Geistlichen, unter ihnen die Erzbischöfe und Bischöfe des Landes. Es kann daher folgender Teilnehmerkreis ermittelt werden: Erzbischöfe: Noto von Arles Bera von Narbonne Radulf von Bourges Äbte:
46
Donnulus von Sant Pere d'Albanyä Elias von Banyoles Wilera von Amer Adulfus von Les Escaules Lazarus von St-Pierre-de-Cubieres Froysclus vom Andreaskloster Sureda
W. HARTMANN, Die Synoden der Karolingerzeit, S. 203f.
Bischöfe: Samuel von Toulouse Gundemar von Gerona Priester:
Hansemundus Mirabilis
Karls offensive
Praepositus:
Aquitanienpolitik
des Jahres
844
273
David von St-Laurent en Narbonnais Richifred von St-Aignan Agila von Senterada Centullus von St-Polycarpe D o d o von Estree Recesindus von Notre-Dame d'Arles Theobaldus von Psalmodi Gislebertus von Castres Sintremundus von St-Clement en Roussillon
So kann im Ergebnis festgehalten werden, daß Karls Aquitanienpolitik des Jahres 844 während der ersten Phase durchaus erfolgreich verlief. Im Süden des Landes hatte er durch Privilegierung eine Neustrukturierung eingeleitet, die sich mit ziemlicher Sicherheit während seiner gesamten Regierungszeit als stabil erwies und seine Königsherrschaft aufgrund der direkten Anbindung der privilegierten Schichten hier stützte. Diese ganz außergewöhnliche Privilegierung der Klöster und der Bevölkerungsschichten im septimanischen Raum nach den Vorgaben seines Vaters bildete ein flächendeckendes System eines wirtschaftlich unabhängigen Siedlungsraumes, an dessen Rechtsstellung auch in der Folgezeit Amtsherzöge und Markgrafen regelmäßig scheiterten bei dem Versuch, den eigenen Machtbereich zu erweitern, eben aufgrund eines systemimmanten Antagonismus. Beispiele sind die Konflikte und Absetzungen Wilhelms von Barcelona, Markgraf Hunfrids im Jahr 864 und Bernhards von Gotien 8 78. 4 7 Erreicht worden war demnach von Karl eine direkte Anbindung der entlegenen Gebiete des südöstlichen Pyrenäenraumes an seine Königsherrschaft, während freilich der Plan, Pippins Herrschaft in einem zweiten Schritt seiner Aquitanienpolitik des Jahres 844 zu beenden, nach der Niederlage der Ersatztruppen im Angoumois nicht weiter verfolgt werden konnte. Mit seinem Sieg hatte Pippin II. seinen Anspruch auf Herrschaftsrechte in Aquitanien erfolgreich verteidigt; nach den Spielregeln der Machtverteilung innerhalb der Königsfamilie und nach den Erfahrungen der Bruderkriege war dies von Karl bei einer Konfliktlösung zu berücksichtigen, vor allem um den Pippin stützenden Gefolgschaftsverband nach vasallitischen Vorgaben in das System der Königsherrschaft einzubinden. Mit der Huldigung Pippins und der Zuerkennung königgleicher Herrscherrechte im nächsten Jahr im Vertrag von St-Benoit wurde nach dem Prinzip von Über- und Unterordnung Pippins Gefolgschaftsverband in Aquitanien in den Personenverband der Gefolgschaft Karls eingegliedert und damit in das System seiner Königsherrschaft integriert. Diesen notwendigen Handlungsablauf impliziert eine Bemerkung des Prudentius, mit der er aus der Sicht eines Kirchenmannes Kritik übt und den Erfolg des Vertrages negiert, wenn er sagt, daß nach dem Vertrag von St-Benoit auch diejenigen Magnaten Aquitaniens, die Karl bisher unterstützt hatten, sich Pippin II. angeschlossen hätten. Es ist hier aber prinzipiell zu differenzieren zwischen Karls Gefolgschaftsverband, bestehend aus den Anhängern Karls in Aquitanien, der nicht gemeint ist, und dem Regulativ der Rechtsnorm des Vertrages, mit welcher generell die Schicht des Gefolgschaftsverbandes in Aquitanien Pippin II. zugewiesen wurde aufgrund seiner Funktion als ein vom König jetzt autorisierter Herrschaftsträger
47
Vgl. K r a h , Absetzungsverfahren, S. 93, S. 123ff. u. S. 143ff.
274
Die Tragfähigkeit
der
Herrschaftsstrukturen
der „Mittelgewalt". Vor allem durch die Huldigung Pippins sollten künftig mit der Königsherrschaft konkurrierende Handlungen als nicht systemkonforme Handlungen ausgeschlos•
48
sen sein. Demnach waren Pippin II. nach seinem militärischen Erfolg Herrschaftsrechte nach dem Modell der Königsfamilie zuerkannt worden. Als Seitenverwandter mußte er jetzt berücksichtig werden. Dieser Schritt war damals auch deshalb möglich, weil Karl II. Aquitanien noch nicht als Unterkönigtum innerhalb der eigenen Familie an Söhne ausgeben mußte. Der Konflikt war jedoch absehbar, sowie fur männliche Abkömmlinge Karls ein Vorrecht geltend gemacht werden konnte, was dann auch geschah. Als wenig flexibel erwies sich die Kirche bei solchen Konfliktlösungen innerhalb der königlichen Familie. In Herrscherparänesen aus der Feder geistlicher Verfasser war Königsherrschaft nahezu ausschließlich als Königsmacht definiert - wie oben skizziert - , und einer Teilhabe der Königssöhne und anderer Mitglieder der dynastischen Familie wurde kein Spielraum eingeräumt. Die geistliche Herrscherideologie zielte auf Überhöhung der Herrscherfigur ab, nicht auf „Gewaltenteilung", weil letztere die Möglichkeiten einer sittlich-moralischen Kontrolle des Königtums durch die Geistlichkeit minimierte, eine Überhöhung der zentralen Position des Herrschers durch Sakralisierung hingegen denjenigen eine Kontrolle erlaubte, die ihm diese Position durch die Weihe vermittelt hatten. Das Prinzip der Unteilbarkeit des Regnums - von Herrschaft und Reich - ist demnach auch ein sehr kirchliches Prinzip. Eine Reduktion der Herrschergewalt Pippins II. sollte später über das Regulativ der Machtbeschränkung innerhalb des Familienverbandes möglich werden. Denn seit den Tagen Ludwigs des Frommen war bekannt, daß Teilhabe an der Königsherrschaft den Söhnen den Weg zum Widerstand wies und eine Machtbeschränkung nach dem Prinzip des Gehorsams gegenüber dem Vater geboten schien, und wie mit Neffen umzugehen war, denen Königsherrschaft als Rebellion ausgelegt werden konnte, hatte das Beispiel Bernhards von Italien nur allzu deutlich gezeigt. Durch Übernahme geistlicher Handlungsmechanismen, die eine Reduktion des Handlungsspielraums und der Handlungsfreiheit des Menschen implizieren, wurde die Mönchung von Karl mehrfach als Regulativ fur drastische Machtbeschränkung gegenüber den Kindern und Neffen angewandt, so gegenüber seinem Sohn Karlmann und modifiziert und wenig erfolgreich in Form einer Klosterhaft gegenüber seiner Tochter Judith, um ihr ein künftiges Klosterleben nahezubringen; ferner im Jahre 852 dann gegenüber Pippin II. und zuvor 849 gegenüber dessen Bruder Karl, dem späteren Erzbischof von Mainz. 4 9 Eine solche Vorgehensweise war moralisch gerechtfertigt, da gestützt auf die kirchlichen Rechtsnormen bei Rebellion, die in Laurieres und Coulaines fixiert worden waren; sie ließ sich ohne Skrupel umzusetzen, weil j a immer das Seelenheil des vermeintlichen Rebellen gerettet werden mußte und durch Klosterhaft gelingen konnte, was bei Ausübung potentieller Herrscherfahigkeiten als in jeder Hinsicht verurteilenswert galt.
48 49
ANNALES DE S A I N T - B E R ™ ad a. 845, S. 50. Vgl. v o r a l l e m T h . SCHIEFFER, Karl von A q u i t a n i e n , in: U n i v e r s i t a s 2, 1960, S. 4 2 - 5 4 , hier S. 4 6 f . Karl von A q u i t a n i e n w a r das P a t e n k i n d K a r l s II.; P r u d e n t i u s w e r t e t d i e s e M ö n c h u n g als m o d e r a t e Disz i p l i n a r m a ß n a h m e des P a t e n o n k e l s , s. ANNALES DE SAINT-BERTIN ad a. 8 4 9 , S. 5 7 f . Die U r s a c h e für die von P i p p i n II. und s e i n e m B r u d e r Karl b e t r i e b e n e R e b e l l i o n in A q u i t a n i e n w a r j e d o c h d e r B r u c h d e s V e r t r a g e s v o n S t - B e n o l t d u r c h Karl II.
Karls offensive Aquitanienpolitik
des Jahres 844
275
Es bleibt die Überlegung zu prüfen, ob Karl nicht durch seine enorme Urkundentätigkeit in St-Sernin und Toulouse ein Defizit an Macht und Präsenz seiner Königsherrschaft ausgleichen mußte? Eine solche Fragestellung nimmt Karls Position als Unterkönig in Aquitanien in den Blick, für die es zunächst keinerlei urkundliche Belege gibt. Anhand der Quellen konnte für die kurze Zeitspanne seiner Herrschaft als Unterkönig in Aquitanien nach dem Tode Pippins I. und bis zum Tode Ludwigs des Frommen nur festgestellt werden, daß es Ludwig dem Frommen noch gelungen war, die Herrschaft seines Sohnes in den civitates entlang der Loire im aquitanischen Markenbereich im Nordwesten und südlich der Karl zugesprochenen Territorien zwischen Loire und Seine zu verankern und zwar durch Unterstützung und Parteinahme des Rorgonidenclans - wie oben ausgeführt wurde - und wahrscheinlich eine Teilung Aquitaniens zwischen Karl und Pippin II. mit einer Grenzlinie Limoges Clermont, als Modell der Zukunft anzuvisieren 50 . Belege der Ausübung eigenständiger Herrschergewalt, weisungsgebunden an die Kaiserherrschaft, fehlen fur Karl II. hier aber gänzlich. Wie Königsherrschaft in einem Unterkönigreich doch zunehmend eigenständig auszuüben war, um das „Kronland" zu einem territorialen Machtzentrum und zum Stützpunkt einer künftigen, vom Kaiser unabhängigen Königsherrschaft werden zu lassen, haben Ludwig der Deutsche, aber auch Pippin I. durch ihre Urkundentätigkeit mustergültig vorgeführt. Zunächst zur Unterkönigsherrschaft Ludwigs des Deutschen: Die 25 erhaltenen Diplome dieser Herrschaftsphase - ausgefertigt zwischen den Jahren 829 und 837 - lassen keinen Zweifel aufkommen, daß Ludwig eine vollgültige Form der Königsherrschaft nach außen hin repräsentierte, allerdings sehr lange beschränkt auf das Territorium Bayern, denn er urkundet als Hludouuicus divina largiente gratia rex Baioariorum. Die Machterweiterung auf den gesamten östlichen Raum des Karolingerreiches zeigt die Veränderung des Herrschertitels in der wichtigen Besitzbestätigung fur St. Gallen vom 19. 10. 833 an, erlassen in Frankfurt; der Zusatz, der die regionale Begrenzung angibt, entfällt, denn dort heißt es: Hludouuicus divina favente gratia rex.5' Wenn man die Problematik der dann folgenden Zeit der wechselnden Proportionen durch Machterweiterung und Machtbeschränkung Ludwigs des Deutschen durch seinen Vater beiseite läßt und nur die ersten zwölf Urkunden als Zeugnisse für Königsherrschaft in Form von Unterkönigsherrschaft heranzieht, ist hinsichtlich der Fallkonstellationen kein Unterschied zu späteren Diplomen erkennbar, etwa aus der Zeit nach 840, außer daß die Empfänger alle in Bayern angesiedelt sind. Diplome erhielten die Klöster Mondsee, Niederaltaich, Herrieden, St. Emmeram in Regensburg, sowie die bischöflichen Kirchen von Regensburg und Passau und die erzbischöfliche Kirche in Salzburg, ferner der Priester Hunroc und der Diakon Gauzbert. 52 Auch in diesen Urkunden geht es vielfach um Fragen der Kolonisation und des Landesausbaus im östlichen Markenraum, wobei deutlich wird, daß von den genannten Klöstern und Bischofskirchen die Kultivierung großflächiger Gebiete im Osten im Anschluß an die Unterwerfung der Awaren durch Karl den Großen durchgeführt wurde. Ludwig urkundet daher für Herrieden und Niederaltaich in Weiterführung der Politik seines Großvaters - in den Urkunden nimmt er darauf Bezug; er versteht sich als Rechtsnachfolger des Kaisers, wenn er Niederaltaich die Wachau mit Aggsbach nunmehr durch eine Urkunde als Besitz bestätigt 50 51 52
Vgl. o. bei 2.1.1. A. 21. MGH D L. d. Dt. nr. 2, S. 2; nr 13. S. 15. Vgl. MGH D L. d. Dt. nr. 1 - 1 3 . S 1-15.
276
Die Tragfähigkeit
der
Herrschaftsstrukturen
und für die Zukunft schriftlich fixiert, was von Karl dem Großen permissu atque consensu dem Kloster von neu erobertem Königsbesitz geschenkt worden sei - mit gleicher Formel für die Besitzungen des Klosters Herrieden aus der Zeit quando terra Auarorum a domno Karolo imperatore ex parte subiugata fuisset, nämlich in Bielach, Melk und Grünz. 53 Das Erzbistum Salzburg erhielt aus dem gleichen Grund den Ort Ybbs in Sclauinia an der Ybbs als königliche Schenkung (837) und schon früh in provintia Carantana eine Kolonie beim Einfluß der Görtschitz in die Gurk, wobei das Ausgreifen des Erzbistums über den Lungau nach Kärnten durch Landesausbau hier belegbar wird. 54 Auch wenn Ludwig morem parentum nostrorum regum videlicet sequentes zwei einst von königlichen Barschalken gekaufte Hufen seinem Diakon Gauzbert schenkt, wird durch ihn die Kontinuität karolingischer Königsherrschaft in Bayern verkörpert. Nachzuweisen ist darüber hinaus seine bewußte Personalpolitik am Beispiel der Besetzung des Salzburger Erzbischofsstuhles, indem er dem Erzbistum eine Schenkung des fidelis noster Liuprammus bestätigt, und zwar von dessen Gütern an der Alz im Chiemgau und jener Liupramm wenig später als neu amtierender Erzbischof in Ludwigs Urkunden auftritt. 55 Erst die Kontrastierung des Defizits an Königsherrschaft, das für Karl II. während der kurzen Phase seiner Herrschaft als Unterkönig feststellbar ist, mit dem politischen Aktionsradius der Regierungszeit Ludwigs des Deutschen als Unterkönig in Bayern während weniger Jahre läßt die Schlußfolgerung zu, daß Aquitanien - obgleich Karl II. es als Kronland erhalten hatte - niemals eine zentrale Position in seiner Königsherrschaft zukam und zukommen konnte. Während Ludwig der Deutsche seine Politik in den späteren Jahren immer wieder auf Bayern konzentrierte und überwiegend dort in seinen Pfalzen residierte, 56 wo ihm als erstem Vertreter der karolingischen Königsfamilie ein eigener Machtbereich in Form eines Unterkönigreiches eingerichtet worden war, blieb Aquitanien für Karl eine Randzone. Wichtig war es deshalb, dort den Anschluß an die Herrschaftsstrukturen Ludwigs des Frommen zu finden, die das Land geprägt hatten, freilich bereits nahezu eine ganze Generation zurücklagen, von der Königsherrschaft Karls II. durch die Regierungsphase Pippins I. getrennt, die mehr als ein „Intermezzo" gewesen war. Wie Ludwig hatte Pippin I. den Königstitel verwendet, bezogen auf den aquitanischen Herrschaftsraum - Pippinus, gratia Dei rex Aquitanorum, so in der Bewilligung des Marktrechtes für das berühmte hl. Kreuz Kloster in Poitiers, an Orten im Poitou und im Angoumois oder in der Schenkung eines Klösterchens am Tarn an das Kloster St-Antonin en Rouergue. 57 Nach der Reichskrise spiegelt der Titel ein gesteigertes Herrscherbewußtsein, wenn Pippin dem Kloster Malaste en Carcasses auf Intervention des Grafen Oliba genannte Besitzungen zuspricht und bestätigt und zugleich Königsschutz und Immunität gewährt; ebenso in seinem großen Schutzprivileg für das Kloster Conques vom 23. 8. 838, das im Original erhalten ist. Sein Titel lautet dort: Pippinus, gratia preordinante divinae majestatis, 53
M G H D L. d. Dt. nr. 2, S. 2, u. nr. 3, S. 4.
54
M G H D L. d. Dt. nr. 4, S. 5, nr. 25.
55
M G H D L. d. Dt. nr. 7, S. 9, und nr. 21.
56
V g l . W. STÜRMER, D i e Bedeutung der früh- und hochmittelalterlichen Pfalz Altötting für das Herzogtum Bayern und das Königtum, in: Z B L G 58, 1995, S. 1 9 1 - 2 0 7 , hier S. 199ff., u. ders., Karolingische Pfalzen in Franken, in: Regensburg, Bayern und Europa, (= Festschrift für Kurt REINDEL zum 70. Geburtstag), hgg. V. L. KOLMER u. P. SEGL, Regensburg 1995, S. 1 6 1 - 1 7 3 , S. 169ff.
57
LEVILLAIN, nr. 3, S. 9ff., v o m 1. 4. 825, nr. 4, S. 12ff., v o m 31. 10. 8 2 5 .
Karls offensive Aquitanienpolitik Aquitanorum
rexi%
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des Jahres 844
D u r c h z a h l r e i c h e S c h u t z p r i v i l e g i e n für K l ö s t e r n a c h d e m M u s t e r d e r
P r i v i l e g i e r u n g d u r c h L u d w i g den F r o m m e n w a r P i p p i n s H e r r s c h a f t im S ü d e n A q u i t a n i e n s etabliert, g l e i c h e r m a ß e n w i e im N o r d e n - hierzu das B e i s p i e l d e r M a r k t r e c h t e f ü r d a s hl. K r e u z K l o s t e r - u n d ü b e r seinen a q u i t a n i s c h e n H e r r s c h a f t s r a u m h i n a u s a n e r k a n n t , als er a m 2 3 . 4. 8 3 8 d e m n e u s t r i s c h e n K l o s t e r J u m i e g e s d e s s e n B e s i t z u n g e n im A n j o u a u f W e i s u n g d e s K a i s e r s (!) bestätigte. D i e g e g e n s e i t i g e A k z e p t a n z d e r Z u s t ä n d i g k e i t s b e r e i c h e z w i s c h e n V a t e r u n d S o h n ist hier klar d o k u m e n t i e r t , a l l e r d i n g s a u c h ein s a k r a l e s H e r r s c h e r b e w u ß t s e i n f ü r P i p p i n , d e r in der A r e n g a f o l g e n d e s f e s t h a l t e n ließ: nunc hinc ob indulgentiam
divine
re-
propitiationis et genitoris nostri Hludovici serenissimi augusti debitam ammonitionem ad pristinam rectitudinis normam reducere omnimodis satagimus, dum nobis ob id angelosque ejus et intercessiones eorumdem sanctorum anime ad gloriam regnique a Deo nobis commissi ad diuturnam stabilitatem propitiare minime dubitamus.59 In d e n J a h r e n 8 3 5 u n d 8 3 6 s c h e i n t d e r H ö h e p u n k t d e r M a c h t e n t f a l t u n g v o n P i p p i n I. err e i c h t w o r d e n z u sein, g l e i c h z e i t i g a u c h ein N i v e a u s e i n e r e i g e n s t ä n d i g e n K ö n i g s h e r r s c h a f t , d a s bis z u s e i n e m T o d e b e i b e h a l t e n w u r d e - so d a s B i l d d e r U r k u n d e n . D e n n n a c h d e r Erw e i t e r u n g s e i n e s H e r r s c h e r t i t e l s , d e r in d i e s e r F o r m d a s erste M a l im J a h r e 8 3 5 v e r w e n d e t w u r d e , w u r d e im J a h r d a r a u f im K l o s t e r S t - J u l i e n - d e - B r i o u d e , d a s z u r b i s c h ö f l i c h e n K i r c h e v o n C l e r m o n t g e h ö r t e u n d d e r L e i t u n g d e s B i s c h o f s u n t e r s t a n d , ein a u s f u h r l i c h e s S e e l e n g e d e n k e n f ü r d i e k ö n i g l i c h e F a m i l i e e i n g e r i c h t e t als „ G e g e n l e i s t u n g " f ü r e i n e d a m a l s g e w ä h r te, i n t e n s i v e F o r m v o n K ö n i g s s c h u t z u n d I m m u n i t ä t : In streitigen A n g e l e g e n h e i t e n d ü r f e sofort e i n e A p p e l l a t i o n an d e n K ö n i g s h o f e r f o l g e n ; zu v e r h a n d e l n sei d a n n d o r t v o r d e m P f a l z g r a f e n . 6 0 D i e Memoria
ist b e g r e n z t a u f d i e e i g e n e F a m i l i e u n d s c h l i e ß t a u f f ä l l i g e r w e i s e
d i e V e r w a n d t e n d e r K ö n i g i n ein. D a s G e b e t s g e d e n k e n s o l l e d e m n a c h f ü r P i p p i n I. und seine, h i e r I n g e l t r u d a g e n a n n t e G e m a h l i n u n d z u m S e e l e n h e i l s e i n e r M u t t e r E r m e n g a r d stattfinden, f e m e r für die Grafen Thetbert und Nebelong, den Vater und den G r o ß v a t e r der Kö-
58
LEVILLAIN, nr. 23, S. 84ff., nr. 32, S. 133ff., hier S. 148; die von LEVILLAIN hervorragend aufbereitete Diskussion des Forschungsstandes und der Fragen und Kriterien hinsichtlich der Authentizität des Diploms für Conques führen fur ihn zu dem Ergebnis, daß diese zu bestätigen ist, vgl. ebd. S. 135-147, S. 147: „Concluons: il nous a paru que nous ne devions pas taire les raisons qui avaient jete dans notre esprit un doute sur l'authenticite du document, meme si, en derniere analyse, apres avoir bien pese le pour et le contre, nous etions conduits ä proclamer bon et loyal Γ instrument d'archives qui est le joyau des collections de la Societe des lettres, sciences et arts de l'Aveyron; et e'est ä ce dernier parti que nous nous sommes arretes, puisque aussi bien nous ne pouvions pas ne pas conclure: nous admettons done l'authenticite de L'acte." - Es sei an dieser Stelle bemerkt, daß der jüngst von B. KASTEN, Königssöhne und Königsherrschaft, S. 367 als „selbstherrliche Datierung" ausgewertete Text der Datumszeile der Urkunde Pippins I. fur das Kloster Saint-Mesmin dies nicht hergibt, weil - wie LEVILLAIN notiert - die Datumszeile gefälscht bzw. verderbt ist und dies durch Formelvergleich etwa mit der nächsten Urkunde in der Edition zu kontrollieren ist; LEVILLAIN nr. 21, hier S. 80 - anno Christo propitio imperii Pipini (!) serenissimi augusti regis nostri, und LEVILLAIN, nr. 22, S. 84 - anno XXII imperii domni Hludowici serenissimi augusti et XXI regni nostri. Daß im ersten Text Teile ausgefallen bzw. verderbt sind, ist offenkundig. Der Unterschied in der Zahlung zwischen Kaiser- und Königsjahren um ein Jahr ist durchgängig für die Diplome Pippins I. belegbar.
59 60
LEVILLAIN, nr. 29, S. 125ff., hier S. 126. LEVILLAIN, nr. 25, S. 94ff., hier S. 106.
278
Die Tragfähigkeit der
Herrschaftsstrukturen
nigin, für ihre gemeinsamen Nachkommen und den Bestand des Reiches, nicht aber für Ludwig den Frommen. 61 Nun hat Karl Ferdinand Werner betont, daß das Diplom Pippins I. vom 12. 3. 836 für das Kloster Brioude von Levillain in der Edition als Fälschung erwiesen sei; allerdings hat Levillain das Diplom nicht unter den Fälschungen ediert. Die Aussage von Werner läßt sich demnach modifizieren. Diese Klassifikation signalisiert bei einem so gründlichen Editor, wie es Levillain war, daß manches verfälscht und im Text interpoliert wurde, der Text jedoch als überwiegend echt gelten kann und inhaltlich auf einer Vorlage eines echten Diploms Pippins I. basiert, die für ihn immer noch kenntlich ist. In einer ausführlichen Vorbemerkung erläutert Levillain schrittweise sein Vorgehen anhand des Formelvergleiches, welcher für ihn methodisch nahelag, weil dieses Diplom als einziges für Pippin I. eine Invocatio enthält - die sonst für Pippins Urkunden komplett entfällt, nicht aber etwa für die Urkunden Ludwigs des Deutschen während seiner Zeit als Unterkönig und daher nicht eine Abstufung der Kompetenzen sein kann und weil die Invocatio In nomine sanctae et individuae Trinitatis exakt dem Formular der Diplome Karls II. entspricht, so auch verwendet in dessen Urkunde für Brioude vom 16. 11. 874. 62 Diese Urkunde Karls II. stimmt im Text bis auf wenige Abweichungen mit der Urkunde Pippins I. überein - das sind im wesentlichen Namen und Datierung, die den aktuellen Zeitpunkt der Ausfertigung fixieren; sie ist aber keine Bestätigung einer Vorurkunde Pippins I. Eine entsprechende Passage wurde nicht im Text aufgenommen. Von diesem Sachverhalt ausgehend und nach Prüfling der weiteren verwandten Formeln nach den Kriterien des Urkundenvergleiches kommt Levillain für beide Urkunden zu dem bereits angesprochenen Ergebnis, nämlich daß beide Texte auf einem authentischen Diplom Pippin I. für Brioude beruhen müssen, welches dieser vielleicht sogar mit der genannten Datierung hatte ausfertigen lassen: „La date que se donne le diplöme faux repond au 12 mars 836; les trois elements du synchronisme concordent. C'etait peut-etre la date du modele authentique, comme la date du diplome faux de Charles le Chauve peut, eile aussi, avoir ete copiee textuellement sur l'acte authentique de ce prince". 63 Hierin stimmte ihm Tessier zu. Dies heißt nun aber, daß die Urkunde nicht generell als Fälschung abzutun ist, sondern in ihrem Inhalt sehr wohl als Rechtsentscheidung Geltung hat. Ein Fälschungsvorbehalt kann sich daher nicht auf den ganzen Text, sondern nur auf einzelne Passagen beziehen, wobei generell der Text der Urkunde Pippins näher an der Vorlage ist, als der Text der Urkunde Karls, da für diese gilt, daß durch weitere Aktualisierung des Sachstandes der Text auch weiter verfälscht wurde. Dies gilt auch für den Passus der Memoria·. Enthält der Text der Urkunde Pippins konkrete Namensnennungen und ist sehr bedacht mit Blick auf den Fortbestand des aquitanischen Regnums formuliert, so wurde in dem auf Karl II. bezogenen Text die volle Länge der Passage übernommen, jedoch ohne Namens-
61
62 63
Ebd. S. 106f.; eine weitere Memoria für die königliche Familie, allerdings ohne daß die Namen der Mitglieder verzeichnet sind, wurde in der Restitutionsurkunde für die Bischofskirche von St-Maurice d'Angers verfugt, wohl als Gegenleistung für Besitzungen, die Pippin 1. zuvor an namentlich angeführte Vertraute ausgegeben hatte, - nostra largitione se habere dicebant, LEVILLAIN, nr. 26, S. 107ff., hier S. 109. Dort heißt es: quatinus degentes inibi sacro ordine fratres pro nobis et stabilitate regni nostri, coniuge proleque nostra indesinenier preces fundere delectet. K. F . W E R N E R , Die Nachkommen Karls des Großen, S. 446; L E V I L L A R N , nr. 25, S. 95ff., ferner T E S S I E R I I , nr. 376, S. 336ff. L E V I L L A I N nr. 25, S. 105; vgl. zum Diplom Karls I I . ebd. S. 97.
Karls offensive Aquitanienpolitik
des Jahres 844
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nennung. Im Text der Urkunde Pippins 1. heißt es: et jamdicits clericis sub praetextu nostrae donationis ac pro incolumitate nostra uxorisque nostrae Ingeltrudae reginae et pro remedio animarum Hermeingardae quondam reginae genitricisque nostrae, Thetberti ac Nebelongi comitum, patris et avi ejusdem Ingeltrudae et prole regnique statu hbencius Dei misericordiam delectet implorare. In der auf Karl II. bezogenen Urkunde wird dies folgendermaßen umgewandelt: et jam dictis clericis supratextu nostrae donacionis quiete vivere ac pro nobis, conjuge et prole regnique nostri statu Hbencius Dei misericordiam delectet imptorareM Stutzig werden läßt natürlich der hier genannte Name lngeltruda für die Gemahlin Pippins I., weil Ermoldus Nigellus in seinem Carmen In honorem gloriosissimi Pippini regis für die Königin den Namen Ringart überliefert hat, andererseits die Reichsannalen zum Jahr 822 lediglich die Heirat Pippins I. mit der Tochter des Grafen Theotbert von Madrie melden, nicht aber ihren Namen überliefern, und dieser Theotbert in der Memoria als Vater der Königin richtig erwähnt ist; ebenso ja auch die Kaiserin Ermengard. 65 Diese Unstimmigkeit in der Namensnennung für die Gemahlin Pippins I. ist freilich sekundär, um die von ihm in Brioude errichtete Memoria für Familie und Reich mit Levillain als zutreffend bewerten zu können. Die vielen Arbeiten aus der Schule von Karl Schmid haben immer wieder im Ergebnis gezeigt, daß eine Memoria sehr bewußt in Auftrag gegeben wurde und daher nach politischen Implikationen befragt und interpretiert werden muß. 66 Auch das Beispiel der Memoria Pippins I. in Brioude enthält eine klare Aussage: 1. Durch den Eintritt in den Familienverband seiner Gemahlin war Pippin als Unterkönig Aquitaniens kein „Außenseiter" des Herrschaftsverbandes, sondern wurde durch einen mächtige neustrischen Adelsclan an der Eure gestützt. 2. Im Frühjahr 836 verstand Pippin seine Königsherrschaft primär als unabhängige Form der Herrschaft, sekundär als integriert in den Herrschaftsverband des Reiches nach dem Modell Ludwigs des Frommen, dessen „Hausherrschaft" sich in der Parzellierung des Regnums in Unterkönigreiche und deren Vergabe an seine Söhne spiegelt. In deutlicher Abgrenzung von einer solchen Familienstruktur und dem politischen Kurs Ludwigs des Frommen zur Ausstattung Karls setzte Pippin fest, daß sein Vater nicht in die Memoria aufgenommen werden sollte. Statt dessen läßt er die Eigenständigkeit des aquitanischen Regnums herausstellen mit dem Ziel, daß durch spirituelle Mittlerschaft im Gebet diese Herrschaft seinen Nachkommen erhalten bleiben solle. Pippins Königsherrschaft hatte sich demnach längst von den Vorgaben seines Vaters emanzipiert und eigene Wege gefunden, die eine mentale Umsetzung eines Teilungsplanes implizierten, der die Ordinatio freilich nie gewesen war, den sie aber durch die Vergabe der Kronländer an die Königssöhne nach 817 und deren Teilhabe an der Königsherrschaft vor64
LEVILLAIN, nr. 25, S. 106f., TESSIER II, nr. 3 7 6 , S. 340.
65
ERMOLD LE NOIR, A d P i p p i n u m regem, ed. E. FARAL, Les c l a s s i q u e s de l ' h i s t o i r e d e F r a n c e au m o y e n ä g e 14, P a r i s 1964, S. 2 0 2 f f . , hier S. 2 3 2 , V e r s 2 0 7 ; vgl. die hier a n s e t z e n d e Kritik von WERNER (wie A . 6 2 ) ; V g l . ANNALES REGNI FRANCORUM, ed. F. KURZE. M G H SS rer. g e r m , in u s u m schol., H a n n o v e r 1895, ad a. 8 2 2 , S. 159. L. LEVILLAIN geht allerdings in seiner Studie „ L e s N i b e l u n g e n historiques et leur a l l i a n c e s de f a m i l l e " Teil 2, in: A n n a l e s du Midi L l a n n e e . 1938, S. 5 - 6 6 , von einer G e m a h l i n P i p p i n s I. n a m e n s Ingeltrud aus; vgl. die g e n e a l o g i s c h e T a b e l l e nach S. 46.
66
S. die Z u s a m m e n s t e l l u n g der A r b e i t e n bei J. FRIED, Die F o r m i e r u n g E u r o p a s 8 4 0 - 1 0 4 6 , S. 127f.
280
Die Tragfähigkeit
der
Herrschaftsstrukturen
gegeben hatte und vor allem durch Berücksichtigung des Eintrittsrechtes der nächsten Generation. 67 Hieran anschließend hatte Pippin II. gehandelt, als er nach dem Tode seines Vater sofort dem Kloster Solignac Königsschutz und Immunität gewährte, sowie Einnahmen des Fiskus zusicherte zur Kerzenbeleuchtung, und damit die Privilegierung des Klosters, die sein Vater im gleichen Jahr wohl noch begonnen hatte, erheblich intensivierte. 68 Vor diesem Hintergrund muß die Beurteilung der Aquitanienpolitik Karls II. im beschriebenen Zeitraum doch moderater ausfallen. In großen Teilen des Landes war ein Herrschaftsanspruch Pippins II. nicht zu umgehen, weil von der Adelsschicht und von den Klöstern mental und tatsächlich unterstützt. Logistisch war es daher richtig, dort mit einer Privilegierung und Anbindung der Herrschaftsstrukturen anzusetzen, wo von Ludwig dem Frommen während seiner Zeit als Unterkönig Aquitaniens eine Basis geschaffen worden war, die offensichtlich noch unverändert bestand, und dafür bot sich der septimanische Bereich mit dem östlichen Pyrenäenraum an. Dies war freilich nur möglich, wenn die mit einem solchen System konkurrierende Machtposition Bernhards von Septimanien beseitigt werden würde. Die Einbindung Pippins II. und seines Gefolgschaftsverbandes in den Herrschaftsverband Karls II. im Vertrag von St-Benoit kann für Karl als einem an militärischen Niederlagen und Erfolgen trainierten Herrscher nur eine Zwischenlösung gewesen sein, die er bei besseren Machtverhältnissen sofort revidieren würde. Auch diese Taktik ist eine Fortsetzung der Herrschaftsstrategie seines Vaters.
67 68
Vgl. o. bei 2.1.2. A. 42. LEVILLAIN, nr. 36, S. 163ff. u. nr. 49, S. 185ff., erhalten im Original.
4.2.Kirchliche Gesetzgebung und Königsherrschaft in den Jahren nach Coulaines
Im Titel ihres 1983 in der Festschrift für John Michael Wallace-Hadrill erschienenen Beitrags „Legislation and Consensus under Charles the Bald" nennt Janet Nelson die beiden Stichworte für das Ordnungssystem des westfränkischen Reiches, mit welchen das Niveau der Königsherrschaft hermeneutisch angegeben wird und dies schon deshalb, weil für das Ostreich Ludwigs des Deutschen weder Texte normativer Gesetzgebung überliefert sind, noch Zeugnisse für deren Akzeptanz durch zustimmende Willenserklärung. 69 Die große Anzahl der Rechtstexte der Zeit Karls II. mit weltlicher Gesetzgebung und Synodalrecht haben in der Forschung zu einer Unsicherheit hinsichtlich der Standortbestimmung der Gesetzesinitiative gefuhrt; aus den verschiedenen Perspektiven mediävistischer Forschung wurde letztere entweder dem König als höchsten Instanz des Regnums zweifelsfrei zugesprochen, oder aber zwischen weltlicher Gesetzgebung und Synodalgesetzgebung unterschieden, weil die Gesetzesinitiative bei der Synodalgesetzgebung doch wohl meist von einem Bischofsgremium auszugehen pflegte. 70 Die wiederholte Teilnahme Karls II. an Synoden, insbesondere sein Auftreten auf diesen - zuletzt als Kaiser in prunkvollem Ornat zu Beginn der Synode von Ponthion am 21. Juni 876 - sowie die häufig parallel angesetzten Termine fur Reichstage sind zunächst allerdings Argumente, die im Ergebnis die Gesetzesinitiative auf den König beziehen. Versteht man „legislation and consensus", normative Rechtssetzung und deren Approbation durch zustimmende Willenserklärung, nicht als abstrakte Rechtsinstitute eines monarchischen Herrschaftssystems mit deutlicher hierarchischer Abstufung hinsichtlich der Möglichkeiten der Beteiligten, überhaupt Zustimmung oder Ablehnung äußern zu können, sondern als austauschbare Bezugsgrößen eines hierarchisch strukturierten Gesellschaftssystems, so daß consensus nicht notwendigerweise als zweitrangige Ergänzung der gesetzgebenden Gewalt gesehen wird, sondern durchaus auch - wie in Coulaines geschehen - als der entscheidende Schritt des Königs, indem er die Einung der Magnaten billigte und seinen Beitritt zu dieser
69
J. NELSON, Legislation a n d c o n s e n s u s in the reign o f C h a r l e s the Bald, in: P. WORMALD u. a. (Eds.), Ideal and Reality in F r a n k i s h and A n g l o - S a x o n Society, (= Studies p r e s e n t e d to J. Μ . WALLACEHADRILL), O x f o r d 1983, S. 2 0 2 - 2 2 7 , a u c h in: dies., Politics and Ritual in early m e d i e v a l E u r o p e , O x f o r d 1986, S. 9 1 - 1 1 6 ; h i e r a u s wird zitiert.
70
Vgl. e t w a in der E i n l e i t u n g bei W . HARTMANN, Die S y n o d e n der K a r o l i n g e r z e i t , S. 3 f f . , u. ders., R e z e n s i o n von J. HANNIG, C o n s e n s u s fidelium, Stuttgart 1982, in: D A 4 1 , 1985, S. 2 9 1 f .
Die Tragfähigkeit der
282
Herrschaftsstrukturen
erklärte, so wird klar, daß auch die Rollenverteilung der an der Gesetzgebung Beteiligten nach unterschiedlichen Gesichtspunkten erfolgen konnte und nicht in jedem Fall entsprechend den Vorgaben des hierarchischen Gesellschaftssystems. Eine Variante der Erteilung des consensus zu bereits vom König gebilligten Rechtsnormen enthält - wie oben ausgeführt - der Vermerk, daß die Capitula von Coulaines schließlich consensu Warini verabschiedet worden seien, womit nicht ausschließlich die Zustimmung eines einzelnen gemeint war, dem sicherlich eine herausgehobene Spitzenposition zukam, sondern auch die des von ihm geleiteten Gremiums. Es hatte in letzter Instanz die zu approbierende Textfassung einer abschließenden Prüfung unterzogen. 71 Über die Arbeit der Gremien bei Gesetzesentwürfen anläßlich von Reichs- und Hoftagen, also hinsichtlich der weltlichen Gesetzgebung, hat Hinkmar von Reims Auskunft gegeben. Freilich idealisiert er aus der Retrospektive des Jahres 882 den harmonischen Ablauf zur Zeit Karls des Großen und Ludwigs des Frommen - er bezieht sich hierbei auf die Autorität Adalhards von Corbie - und wertet die Rolle des Königs deutlich ab, wenn er ausführt, wie dieser - während wichtige Erlasse in Gremien vorbereitet werden - abseits des Geschehens sich leutselig ergehe. 72 Ein solches Bild paßt sicherlich ebensowenig in die Zeit Karls des Großen wie in die ersten Regierungsjahre Karls II., außer daß eben Gremienarbeit für die Gesetzgebung grundsätzlich nachweisbar ist. Die Frage, in welcher Weise kirchliche Erlasse auf einer parallel zu einer Reichsversammlung tagenden Synode dann der Approbation durch den König bedurften, umgeht Hinkmar geschickt; er erwähnt lediglich, daß sich kirchliche Würdenträger räumlich getrennt von den weltlichen Magnaten versammeln konnten. 73 Die Vorphase des Vertrages von Coulaines mit den Konzilien von Lauriere und Germigny machte aber deutlich, daß Synodalbeschlüsse mit politischen Implikationen hinsichtlich der Veränderung von Herrschaftsstrukturen durchaus der Bewilligung durch den König und der Akzeptanz im Gremium der weltlichen Magnaten bedurften. Dies hieße aber, daß immer dann, wenn der Modus gesellschaftlicher Strukturen Veränderungen unterlag, beide Stände nach Lösungsvorschlägen befragt wurden, und daß in solchen Fällen es erforderlich wurde, diese Lösungsvorschläge der kirchlichen und weltlichen Gremien gegeneinander abzugleichen. Vielleicht könnte von dieser eher soziologischen Perspektive aus die Erklärung für die große Zahl der capitula mixta versucht werden, wobei sich hinter der mangelnden Ordnung der einzelnen Regelungen in den Erlassen eine andere Sichtweise verbirgt, die dem modernen Menschen, der an systematische Aufbereitung und Anordnung der Rechtsnormen gewöhnt ist, zunächst einmal nicht geläufig ist. Denn ein in solcher Weise geordnetes, harmonisches Zusammenspiel kirchlicher und weltlicher Gesetzgebung mit den Entscheidungen und der Politik des Königs, wie es im Vorgenannten für die politische Konstellation von Toulouse/St-Sernin nachgewiesen werden konnte, entsprach offenbar nicht dem Normalfall. Für die zweite Hälfte des Jahres 844 und die folgenden Regierungsjahre Karls II. sucht man vergeblich nach Rechtstexten, in denen weltliche Belange geregelt werden, und ein ähnlich strukturierter gesellschaftspolitisch relevanter Vertragstext, wie der in Coulaines er71
V g l . o. bei 3 . 4 . 1 . A . 5 8 .
72
HINKMAR, D e o r d i n e palatii, S. 9 0 f f , Z. 5 7 5 f f . , hier vor a l l e m Z. 5 9 0 f f .
73
Ebd., S. 9 4 , Z. 6 0 4 f f .
Kirchliche
Gesetzgebung
und
Königsherrschaft
283
lassene Vertrag, der als „eine Verbindung von den wesentlichen, Inhalt prägenden profanrechtlichen Bestimmungen mit typisch christlichen Vorstellungen" zu bezeichnen wäre, - so Hans Hubert Anton in seiner Studie „Zum politischen Konzept karolingischer Synoden" fehlt ebenso. 74 Überliefert sind ausschließlich Synodalbeschlüsse, die in der zweiten Hälfte des Jahres 844 auf den Konzilien von Yütz und Ver verabschiedet wurden, vor allem aber das große kirchenrechtliche Kompendium der Synoden von Meaux-Paris vom Juni 845 und Februar 846, so daß der Verdacht aufkommt, ob nicht auf diesen Versammlungen der Versuch unternommen wurde, das Kräfteverhältnis der Herrschaftsstrukturen eindeutig zugunsten kirchlicher Strukturen zu verändern. 75 Ganz ähnlich war auch auf der Synode von Aachen im Jahre 816 vorgegangen worden, als eine vermeindliche Schwäche der Herrschaftsstrukturen nach dem Regierungsbeginn Ludwigs des Frommen - aufgrund der Neuformierung des Gefolgschaftsverbandes - in kirchlichen Kreisen für Reformziele genützt und der Formulierung einer „Staatsideologie" auf der Synode von Paris von 829, die die Führung den Bischöfen zusprach, der Boden bereitet worden war. 76 Könnte also, so ist zu fragen, während der frühen Regierungsjahre Karls II. eine ganz ähnliche Zielrichtung und Einflußnahme von kirchlicher Seite versucht worden sein und konnte dann dieser doch einseitigen Belastung das Konzept der Herrschaftsstrukturen entsprechend den Errungenschaften der Bruderkriege und den vertraglichen Regelungen von Coulaines noch standhalten? Die Konzilstexte sind demnach nach der politischen Zielrichtung zu hinterfragen, insbesondere hinsichtlich der deutlich erkennbaren Bestrebungen, Herrschaftsstrukturen durch Einflußnahme entscheidend korrigieren zu wollen. In welcher Weise die Synoden der Karolingerzeit beispielsweise dazu geeignet waren, den Primat der Bischöfe nach traditionellen Vorstellungen gesellschaftspolitisch zu institutionalisieren, hat die erwähnte Studie von Anton gezeigt. 1. Zur Synode von Yütz: Parallel zu dem Königstreffen von Diedenhofen im Oktober 844 tagte im nahegelegenen Yütz unter dem Vorsitz Erzbischof Drogos von Metz eine Generalsynode mit Vertretern aus allen Reichsteilen. Aufgabe beider Versammlungen war es, im Anschluß an den Friedensvertrag weitere Abmachungen zu treffen, um den Reichsfrieden auch künftig zu erhalten, und zwar zum einen durch ein Beistandsabkommen gegen Unruhestiftung im Reich und gegen Reichsfeinde von außen, zum anderen durch eine Reichskonzeption, die von der Einheit des Reiches, nicht von Teilreichen, ausging und folgerichtig auch den Zusammenhalt der königlichen Brüder durch eine christliche Interpretation der Fraternitas als Caritas thematisierte. 77 Die kurze Zusammenfassung in den Annales Bertiniani durch Prudentius enthält die wesentlichen Stichworte der Synodalbeschlüsse, wobei schon hier deutlich wird, daß die Regnumskonzeption des Gesamtreiches gleichsam als äußerer Rahmen für den Fortbestand der Einheit der karolingischen Reichskirche diente, die nunmehr als Institution gesehen wurde. Prudentius schreibt: habitoque diebus aliquot amicabilipernecessarioque conloquio, inter se fratemitatis et caritatis iura in posterum non uiolanda confirmant. Omnes 74
Η. H. ANTON, Z u m p o l i t i s c h e n K o n z e p t , S. 86.
75
B e s t e Edition der T e x t e in M G H C o n c i l i a 3, nr. 6, S. 2 7 f f . , nr. 7, S. 3 6 f f . u. nr. 11, S. 6 1 f f .
76
Vgl. HARTMANN, D i e S y n o d e n der K a r o l i n g e r z e i t , S. 155ff., S. 1 8 I f f .
77
Vgl. LOT/HALPHEN, S. 1 2 2 f f . u. R. SCHNEIDER, B r ü d e r g e m e i n e , S. 125f.
Die Tragfähigkeit
284
der
Herrschaftsstrukturen
quoque discordiarum satores cauturos sollicitius exsecraturosque, et statum ecclesiarum, inminentibus necessitatibus foedissime rebus dilaceratum, ac persortis minus congruis, id est laicis, vulgo contraditum, redintegraturos sese promittuntli Ausdruck der Fraternitas Regum sind nicht nur die in Diedenhofen formulierten gemeinsamen Botschaften an Pippin II., an Lambert und an den Bretonenflihrer Nomenoe, welche notfalls durch eine gemeinsame militärische Intervention zum Anschluß an Karl II. bewogen werden sollten, sondern vor allem die Approbation der Synodalbeschlüsse von Yütz durch Lothar, Ludwig und Karl und ihre fideles. Für den fünften Kanon muß allerdings die in der rezipierten Form dieser Beschlüsse in den Synodalakten von Meaux-Paris erhaltene, wesentlich schärfere Fassung zur Frage der Laienäbte vorgelegen haben, die in Yütz abgelehnt worden war, wie Hartmann nachgewiesen hat. 79 Für alle weiteren Überlegungen ist wichtig, daß mit diesen Synodalbeschlüssen einheitliches Reichsrecht verabschiedet worden war, das im Gesamtreich Geltung haben sollte. Daher verwundert es nicht, daß die Belange der weltlichen Magnaten nicht Thema waren, besitzrechtliche Fragen ausgenommen wegen der bestehenden und erhobenen Restitutionsansprüche geistlicher Eigentümer. Die Rolle der Magnaten war durch individuelle Bindungen im vasallitischen Gefolgschaftsverband der einzelnen Regna nicht einheitlich konzipiert und vor allem dem Einfluß der kirchlichen Institutionen entzogen. So ist es weniger eine Negierung der Rolle der weltlichen Magnaten in den Regna, wenn von ihnen im Text von Yütz nur als populus die Rede ist. Hier spiegelt sich vielmehr der Versuch wider, das Standesunterschiede einebnende Gesellschaftsschema der christlichen Gemeinde als kirchliches Reichskonzept vorzutragen, in welchem einerseits den Bischöfen grundsätzlich ein Vorrang eingeräumt wurde, und zwar aufgrund der ihnen traditionell zugesprochenen gesellschaftlichen Leitungsfunktion, und das andererseits der kirchlichen Hierarchie das Volk der Gläubigen als indifferente Masse global zuordnet. Bei der Formulierung des Textes wurde zunächst von dem im Vertrag von Coulaines gesteckten Rahmen für die Einbindung der kirchlichen Strukturen in das Westfrankenreich ausgegangen, welcher jetzt auf das Gesamtregum übertragen wurde, allerdings erheblich schärfer gefaßt und mit einer deutlichen Korrektur der Herrschaftsideologie. Aus dem Proömium des Vertragstextes von Coulaines wurde die Situationsschilderung am Ende der Bruderkriege versatzstückartig übernommen, die die Begründung lieferte für die Neukonzeption - j e t z t nicht mehr ein Desiderat für das Reich Karls II. sondern fur das Gesamtreich. Völlig negiert wurden die Reichsteilung von Verdun und j e d e Form der eigenständigen Entwicklung der Regna, sowie die bereits seit einem Jahr anhaltende Friedenszeit und die in Mellecey und Verdun dokumentierte Fraternitas Regum als Dreierbündnis mit Wirkung für die Zukunft. Statt dessen wurde konservativ argumentiert und von einem nach wie vor anhaltenden Zustand der discordia ausgegangen, weil nunmehr die Reichskirche zerrissen und angeschlagen sei (c. 1), mit einer Assoziation in Richtung Reichsteilung und zwar mit negativer Bewertung, so die Interpretation der Textstelle bei Anton. 8 0
78 79
ANNALES DE SAINT-BERTIN ad a. 844, S. 48. V g l . die Vorbemerkung von HARTMANN in seiner Edition der Synodalakten von Yütz, M G H Concilia 3, S. 27.
80
Η. H. ANTON, Zum politischen Konzept, S. 88.
Kirchliche
Gesetzgebung
und
Königsherrschaft
285
Aus der in Yütz vorgetragenen Perspektive der institutionalisierten Reichskirche, konnten die Verträge von Verdun und Coulaines nicht als Konfliktlösungen gelten; eine solche wird in der Wiederherstellung der Reichseinheit gesehen, wobei jetzt - um diese zu erreichen - folgerichtig den Bischöfen als vicarii Christi mit alttestamentarlicher Überhöhung der Priesterfunktion als Weisungsfunktion gegenüber den Königen die leitende Aufgabe zufalle, die Reichseinheit zu wahren - interroga sacerdotes legem meam et interroga patres tuos et adnuntiabunt tibi, a nobis quamquam indignis, Christi tarnen vicariis, quaerere et benigna devotione, velut revera ex ore ipsius dei, expectare dignaminiu Daß die für das westfränkische Regnum verfaßte Reichskonzeption im Inhalt eine bewußte Korrektur erfahren sollte, lassen die vielen wörtlichen Übereinstimmungen vermuten, die aber im Synodaltext von Yütz am Herrschaftskonzept einer kirchlich zu begründenden Reichseinheit ausgerichtet wurden; bezweckt wurden ein ganz anderes Gesellschaftsbild und andere Herrschaftsstrukturen. Bei Textvergleich ist dies nachvollziehbar. Verwendet wurden die Schiffssymbolik für die Reichskirche - wie im Vertrag von Coulaines am Beginn des Textes - sowie Matthäus 10, 20, Non enim vos estis, qui loquimini sed spiritus patris vestri, qui loquitur in vobis, ebenfalls am Textende, im Synodaltext von Yütz allerdings pointiert auf die Geistlichkeit bezogen und nicht - so der Text von Coulaines auf die übergeordnete, sakralisierte Königsherrschaft Karls II. und die durch seine Promulgation des Textes von ihm verkörperte Einstimmigkeit, mit welcher die Approbation der Beschlüsse durch ihn und die an der Herrschaft Beteiligten beider Stände erfolgte. 8 2 Doch dem System der Reichskirche, die durch den Eifer der Vorfahren der königlichen Brüder ihre frühere Beschaffenheit wiedererlangt habe, werden nicht - wie in Coulaines - weltliche Herrschaftsstrukturen gegenübergestellt und ein Konsens dahingehend versucht, daß alle am Gemeinwohl consilio et auxilio mitwirken sollten. Diese Formel ist im Synodaltext von Yütz auf die Brüdergemeinschaft bezogen, quocumque quis indiget pro viribus vero consilio et prompto auxilio, ab altero adiuvetur, quoniam scriptum est: Frater, qui adiuvatur a fratre, quasi civitas firmaV Zuständigkeitsbereiche und Funktionen des Adels sind komplett reduziert auf das hierarchische Prinzip zwischen Königen und weltlichen Magnaten, das hier nach christlicher Diktion als Unterordnung des Volkes gegenüber der Obrigkeit verstanden wird - communis totusque populus, populus vobis commendatus und populi generalitas (Proömium, c. 1, c. 6). In auffalligem Kontrast steht die Bezeichnung der Herrschaftsträger im Text von Yütz zu einer ähnlichen Formulierung des Vertrages von Coulaines; dort heißt es in der vorgetragenen Bitte, dem ordo ecclesiasticus Gerechtigkeit willfahren zu lassen (als Sammelbegriff für konkrete Erwartungen bei Bistumsbesetzungen und fur Ansprüche auf Besitzrestitution): et populi generalitas una cum ecclesiastica devotione iudicium quod honor regis diligit, et iustitiam, qua thronus eiusßrmatur, per dispositionem vestram suscipiat (c. 6). Demgegenüber findet sich in c. 6 des Vertrages von Coulaines die Reihe pontificalis auctoritas, regalis sublimitas, in caritatis connexione persistentium magnanimitas. Auffalligerweise sollte in Coulaines mit Caritas und magnanimitas die Haltung der Genossenschaft der weltlichen Magnaten charakterisiert werden, während die Caritas der Brüdergemeinschaft in Yütz und
81 82 83
MGH Concilia 3, nr. 6, S. S. 30. MGH Concilia 3, S. 29 u. S. 35. Ebd., S. 30.
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Die Tragfähigkeit
der
Herrschaftsstrukturen
Diedenhofen zunächst eine Forderung darstellt, eine unabdingbare Voraussetzung, um das Modell der künftigen Reichseinheit unter Leitung einer königlichen Führungsgemeinschaft überhaupt ernsthaft vortragen zu können. Der hierfür wichtige Gegensatz discordia und Caritas, die aus Sicht der Geistlichkeit offenbar noch latent vorhandene Zwietracht der Könige und das antithetisch hierzu verstandene Bündnis der Caritas im Text von Yütz in c. 1, kann auf eine Übernahme aus der Vorrede des Vertrages von Coulaines zurückgeführt werden mit eindeutiger Zuordnung nach sittlichreligiösen Wertvorstellungen, denn dort heißt es - bezogen auf die verfaßte Kirche: inimico homine iuxta sanctum evangelium in agro dominico superseminante discordiae zizania in medio tritici deo amate caritatis adeo est ... vexata. Wenn dann im gleichen Satz wenig später der soeben geschlossene Frieden von Verdun als „bescheidene Atempause" - quantulacumque fieret respiratio - bezeichnet wird, muß es nicht verwundert, wenn eine solche Einschränkung des Erreichten von offensichtlichen Gegnern einer Parzellierung des Reiches sofort als Ansatzpunkt benützt wurde, um diesem Herrschaftskonzept erneut das Modell der Reichseinheit in einer den Veränderungen angepaßten Form entgegenzusetzen. Offensichtlich wurde in Yütz erfolgreich versucht, der von kirchlicher Seite forcierten Reichseinheit eine andere Basis zu geben. Hinsichtlich der Privilegierung der Kirche wurde in Yütz dann, analog zu Coulaines, das Zusammenwirken von Königen und Verwaltungsorganen gefordert - ordo ecclesiasticus ... per potestatem vestram et per ministerium ministrorum dominationis vestrae, secundum antiquam consuetudinem suum vigorem recipiat (c. 6); dazu die Textstelle in c. 1, Coulaines: et sacerdotes ac servi dei vigorem ecclesiasticum et debita privilegia iuxta reverendam auctoritatem optineant; eisdem vero regalis potestas et inlustrium virorum strenuitas seu rei publice administratores, ut suum mynisterium competenter exequi valeant, in omnibus rationabiliter et iuste concurrant. Die den Königen einzuräumende Leitungsgewalt - gubernare ecclesiam - wurde reduziert auf den Königsschutz, auf die defensio der Kirche und dabei an die gelasianische Definition der Gewalt des Königs erinnert, daß nämlich nur Christus allein zugleich König und Priester sein konnte - quia bene nostis ab illo, qui solus merito et rex et sacerdos fieri potuit, ita ecclesiam dispositam esse, ut pontificali auctoritate et regali potestate gubernetur ( c · 2). 84 Ein einfacher Grund fur diese restaurativen Bestrebungen des Reichsepiskopats kann mit der Bewilligung der Wiederbesetzung vakanter Bischofsstühle in Yütz und der Anbindung der Kanonikerstifte an diese angeführt werden (c. 2, 4, 5, 6). 85 Doch dürften diese aktuellen Fragen nur der Auslöser gewesen sein für den Versuch, eine generelle Wende einzuleiten und über einheitliche Regelungen bei Bistumsbesetzungen die Könige in ein Konzept der Kirche als der übergeordneten Institution einzubinden, welches zur Reichseinheit zurückführen sollte. Da mehrfach betont wird, daß der Zustand der Kirche nach den Vorgaben Karls des Großen und Ludwigs des Frommen erhalten bleiben solle, ist zu vermuten, daß Drogo von Metz als maßgeblicher Vertreter der Generation Ludwigs des Frommen im karolingischen Königshaus und als der soeben auf der Synode von Rom bestellte päpstliche Vikar für die Kirche des Frankenreiches hier seine Vorstellungen einer künftige Einheit des 84 85
Ebd., S. 31, A. 15, Kommentierung durch HARTMANN. Vgl. HARTMANN, Die Synoden der Karolingerzeit, S. 199ff.
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und
Königsherrschaft
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Reiches nach dem Bauplan der verfaßten Kirche realisieren wollte, die mit der Caritas eine neue Herrschaftsmaxime den Königen vorgab. Zugleich wurde die Stärkung des Bischofsamtes nachdrücklich gefordert. Ein solches Herrschaftsmodell - ohne Berücksichtigung weltlicher Herrschaftsträger entsprach im Westen des Reiches nicht der Realität; auch wurde Drogos Anspruch auf eine solche Stellung bald wirkungslos, weil nie - wie im Dezember 844 auf der Synode von Ver gefordert - in einem kirchlichen conventus Galliae Germaniaeque bewilligt. 86 Es war aber den Bestrebungen von kirchlicher Seite nützlich, um weiter Forderungen nach einer rechtlichen Besserstellung auf Konzilien zu formulieren und dem König zur Approbation vorzutragen. Die Synode von Yütz zeigt deutlich, daß die Geistlichen ohne die Anwesenheit der königlichen Brüder getagt und ohne deren Einflußnahme Beschlüsse formuliert hatten, welche dann - in einem zweiten Schritt - ihnen zur Approbation als kirchliches Reichsrecht vorgelegt worden waren. 2. Zur Synode von Ver: Die grundsätzliche Forderung der Reform kirchlicher Institutionen war im Dezember 844 auf der in der Pfalz zu Ver tagenden Synode diskutiert worden mit dem Ziel, über die Regelung dringlicher Angelegenheiten zu beschließen und diese Beschlüsse dann dem König und einer Versammlung weltlicher Magnaten zur Approbation vorzulegen. Die Zustimmung des Königs wurde in mehreren Punkten in devoter Weise erbeten. Wird auch hier in der Vorrede von der discordia der Könige als Ursache kirchlicher Mißstände gesprochen, so wird diese jedoch nicht als anhaltendes Übel betrachtet, sondern auf die eingetretene pax der Könige und auf concordia verwiesen und damit auf eine Besserung der Zeitumstände, mit denen so scheint es - jetzt auch die ausstehenden kirchlichen Regelungen erfolgen sollen. Dieser Sichtweise entspricht, daß die Zwietracht der Könige nicht ausschließlich als Ursache angegeben, sondern die allgemeine Schuldhaftigkeit der Menschen ins Spiel gebracht wurde, wodurch der Kirche zweifellos Schaden entstanden sei - ceterum ..., ut de statu ecclesiae, qui vehementer magnitudine ac multitudine peccatorum nostrorum confusus est, tractaremus ..., quae communi deliberatione repperimus, celsitudini vestrae ac populi fidelis devotioni humiliter aperimus%1 Mit den im Bild der Sündhaftigkeit der Menschen enthaltenen kirchlichen Weisungen zu Reue und Sühne wird die Möglichkeit der Veränderung entsprechend den Vorschlägen mental nahegelegt, da diese deo inspirante beschlossen worden seien. Die im Vergleich mit den Synodalbeschlüssen von Yütz erheblich abgewogenere Bewertung der Gegenwart heißt aber nicht, daß die konkreten Forderungen zur Wiederbesetzung der vakanten Bischofsstühle von Orleans und Reims und hinsichtlich einer vom König durchzuführenden Kontrolle der kirchlichen Disziplin in mehreren Bereichen nicht mit Nachdruck vorgetragen wurden - so die Überwachung der regelmäßigen Abhaltung des Sonntagsgottesdienstes, wie zur Zeit Karls des Großen verordnet. Die Möglichkeit der Ablehnung wurde in der Vorrede entschieden als negatives Verhalten nach dem Johanneswort disqualifiziert (Joh. 8, 47): propterea vos non auditis, quia ex deo non estis.M 86
S. U. PENNDORF, D a s P r o b l e m der „ R e i c h s e i n h e i t s i d e e " , S. 7.
87
Μ G H C o n c i l i a 3, nr. 7, S. 3 9 . V g l . HARTMANN, D i e S y n o d e n der Karolingerzeit, S. 2 0 4 f .
88
M G H C o n c i l i a 3, nr. 7, S. 39.
288
Die Tragfähigkeit
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Herrschaftsstrukturen
Konsequenterweise wurde dann die prompt erfolgte Ablehnung der Beschlüsse von Ver im Kompendium der Synodaltexte von Meaux-Paris auch als Machwerk des Teufels bezeichnet - sed invidia ac malicia diaboli seu ministrorum eius nondum principis et populi auribus propalatum.89 Lupus von Ferneres, der die ausführlichen Passagen der Beschlüsse von Ver, Vorrede, c. 1 und vor allem das in Form einer admonitio an Karl abgefaßte c. 12 zur Restitution von Kirchenbesitz, verfaßt hatte und die von ihm redigierte Fassung der Beschlüsse noch vor dem Konzil von Paris vom Februar 846 an Hinkmar gesandt hatte, damit sie dieser dem König vortragen könne, hatte hier wohl in eigener Sache erfolglos agiert. 90 Denn nirgends - so Hartmann - sei in karolingischer Zeit so nachhaltig die Trennung von geistlichen und weltlichen Ämtern und Belangen gefordert worden wie hier. 91 Die Rückgabe von Kirchenbesitz wird in einer Weise verlangt, daß sich bei Nichterfüllung auch eine Vision über eine Bestrafung im Jenseits anschließen ließe, wie dies Audradus Modicus beim Tod des Grafen Vivian getan hatte, der um diese Zeit als Laienabt in StMartin-de-Tours eingesetzt wurde und weitere Klöster in dieser Funktion leitete. 92 In diesem Sinne formulierte Lupus in c. 12 der Beschlüsse von Ver: Οßdeles deo ... reddite deo sua, ut vestra cum pace possideatis, tormenta evadatis aeterna, und mit Blick auf die Einsetzung von Laienäbten brachte er die Ämtertrennung nach Ständen auf die kurze Formel: Saeculares honores saeculares possideant, ecclesiasticos ecclesiastici sortiantur,93 Mit der Ablehnung dieser Beschlüsse wird die Grenze kirchlicher Einflußnahme spürbar, obgleich das Konzil von Ver hochrangig besetzt war durch Vertreter der Geistlichkeit, wie den Erzkanzler und Bischof Ebroin von Poitiers, Abt Ludwig von St-Denis, Abt Lupus von Ferneres, Erzbischof Wenilo von Sens und den Mönch Hinkmar aus St-Denis, den Kandidaten fur die nachdrücklich geforderte Neubesetzung des erzbischöflichen Stuhles von Reims (c. 9), also mit Geistlichen, die Karl während der Bruderkriege unterstützt hatten. Einer solchen Formulierung kirchlicher Rechtsnormen fehlte jedoch die Effektivität und der Bezug zur Rechtswirklichkeit. Gleiches gilt für die Beschlüsse von Meaux-Paris. 3. Die Konzilien von Meaux-Paris: Auf den beiden Konzilien von Meaux und Paris wurde ein großes Kompendium kirchlicher Reformgesetzgebung erarbeitet und verabschiedet, das eine geschickte Vorgehensweise der versammelten Geistlichen erkennen läßt. Der Aufbau ist zweigeteilt, denn den kirchlichen Rechtssätzen wurden die Texte der Versammlungen von Coulaines (ganz) und Yütz (in modifizierter Form durch Einschub eines Kapitels, das in der Einzelüberlieferung fehlt) sowie der Konzilien von Lauriere und von Beauvais vom April 845 vorangestellt, immerhin 24 Texte, gegenüber den dann folgenden 59 neuen Kirchenrechtsverordnungen. Dadurch wurden in einer Schrift bereits approbierte Erlasse mit solchen verbunden, die den Charakter 89
M G H Concilia 3, nr. 11, S. 82.
90
Vgl. ο. bei 3.2. Α. 14; ähnlich auch F. FELTEN, Konzilsakten als Quellen fur die Gesellschaftsgeschichte des 9. Jahrhunderts, in: G. JENAL (Hg.), Herrschaft, Kirche, Kultur. Beiträge zur Geschichte des Mittelalters, Festschrift für F. PRINZ zu seinem 65. Geburtstag, (= Monographien zur Geschichte des Mittelalters 37), Stuttgart 1993, S. 1 7 7 - 2 0 1 , hier S. 188.
91
HARTMANN, Die Synoden der Karolingerzeit, S. 2 0 5 . Vgl. LOUP DE FERRIERES, Correspondance 1, nr. 43, S. 182; dazu auch NELSON, Legislation and consensus, S. 2 0 4 .
92
F. FELTEN, Äbte und Laienäbte im Frankenreich, S. 50.
93
M G H Concilia 3, nr. 7, S. 44.
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Gesetzgebung
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von Rechtsvorschlägen hatten, in der Absicht, mit dieser Sammlung geltendes Recht zu verbreiten, was auch gelangt, wie die einzigartige Rezeption dieser Beschlüsse eines Konzils bis zur Aufnahme in das Dekret Burchhards von Worms bewiesen hat. 94 Hierzu paßt auch die auffällig gute Systematik der Entscheidungen im zweiten Teil mit einer Textanordnung nach inhaltlichen Kriterien. Daß die Beschlüsse von Ver fehlen, obgleich Lupus auf Hinkmars Vermittlung wohl erst bei deren Aufnahme in das Textkompendium der Beschlüsse von Meaux-Paris gehofft hatte, könnte ein weiterer Beleg dafür sein, daß bei der Textauswahl sehr sorgfältig vorgegangen wurde und diese, in der Forschung als radikale Forderungen bewerteten Formulierungen des Lupus, dem ganzen eher geschadet hätten. Wilfried Hartmann hat mehrfach betont, daß sich nur wenige Zitate älterer Autoritäten in diesen Texten finden, vornehmlich aus Papstbriefen und insbesondere aus denen Gregors des Großen, und in dieser Vorliebe eine Nähe zur Großfälschung der pseudoisidorischen Dekretalen vermutet. 95 Aufhorchen läßt ferner die prägnant formulierte Anordnung i n c . 81 fur eine generelle Rezeption der von Karl dem Großen und Ludwig dem Frommen promulgierten kirchlichen Kapitularien, womit durchaus eine Nähe zur Rechtssprache der Kapitulariengesetzgebung besteht, in welcher traditionell die Rechtskontinuität, ausgehend von den Erlassen Karls des Großen und Ludwigs des Frommen betont wird, bei isolierter Feststellung ohne Textkonnexion aber doch die Frage aufkommt, ob hier nicht ein konkretes Textkompendium gemeint ist. Hartmann sieht hierin ein Rezeptionsgesetz zur Approbation der unter dem Namen Benedictus Levita gefälschten Kapitulariensammlung und weist für einige Kanones der neu erlassenen Synodaltexte von Meaux-Paris inhaltliche Übereinstimmungen mit diesen falschen Kapitularien nach - so etwa die liturgische Vorschrift in c. 46, daß das Chrisma nur am Gründonnerstag geweiht werden dürfe, oder auch ein Zusatz zur Einschränkung des Begräbnisrechtes innerhalb der Kirchen in c. 72, welcher wörtlich mit Additio IV, 146 von Benedictus Levita übereinstimme. 96 Von diesen Kirchenrechtsnormen, die überwiegend Anweisungen zur Verbesserung der Amts- und Lebensführung für Bischöfe und Priester wie auch für Laien enthalten, einschließlich mehrerer Regelungen zu Fragen des Kirchenbesitzes, wurden auf der Reichsversammlung von Epemay im Juni 846 nur wenige approbiert - von insgesamt 83 Kanones nur 19. Über das unerwartet neuartige, geradezu despektierliche Verhalten des Königs und der Magnaten äußert sich Prudentius von Troyes erbost in den Reichsannales, wenn er die Versammlung von Epernay erwähnt: Gegen die Gewohnheit habe damals Karl II. auf dem Hofgut des hl. Remigius in Epernay eine Reichsversammlung abgehalten, auf der die so dringlich notwendigen Synodalbeschlüsse - er verwendet hierfür das Wort admonitio, wie Lupus in c. 12 der Beschlüsse von Ver - über die kirchlichen Rechtsverhältnisse mit solcher Geringschätzung behandelt wurden, daß wohl kaum jemals in christlicher Zeit von solcher Mißachtung der Stellung der Bischöfe zu lesen sei. 97 Dies betont doch sehr die Selbständigkeit des Königs. Allerdings vertritt hier Prudentius primär die Sicht des Kirchenmannes, der die Synodalgesetzgebung als vorrangiges Regulativ gesellschaftlicher Fragen versteht, da er - wie J.
94 95 96
HARTMANN, Die Synoden der Karolingerzeit, S. 217. Ebd. S. 210, u. ders., Vetera et nova, S. 83ff. HARTMANN, Die Synoden der Karolingerzeit, S. 215 u. ders., Vetera et nova, S. 86f.
97
ANNALES DE SAINT-BERTIN a d a. 8 4 6 , S. 5 2 .
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der
Herrschaftsstrukturen
Nelson zu Recht hervorgehoben hat - weder die Gesetzgebung von Coulaines noch die wichtigen verwaltungstechnischen Regelungen der Beschlüsse von Servais in den Reichsannalen vermerkt und mit dieser bewußten Selektion einen Modus zur Bewertung von Rechtsnormen als Quellen der Zeitgeschichte vorgibt, den Hinkmar später bei der Fortschreibung der Annalen aufgegriffen hat, wenn er Synodalbeschlüsse als Textteile in den Gesamtzusammenhang der Ereignisfolge des Zeitgeschehens einfugte. 98 Für die Auswahl der Kanones in Epernay lassen sich kaum Kriterien angeben; weder trifft es zu, daß - wie Lot/Halphen meinen - alle Vorschriften, die das Leben der Laien tangiert hätten, nicht bewilligt wurden, noch waren inhaltliche Überlegungen entscheidend für eine Auswahl entsprechend den zitierten „älteren Autoritäten", wie Hartmann in seiner Studie gezeigt h a t . " Denn komplett abgelehnt wurden drei Kanones, durch welche der gesellschaftliche Umgang mit Juden drastisch eingeschränkt werden sollte, jeweils mit Hinweis auf Handlungsmaximen und Entscheidungen aus dem IV. Konzil von Toledo von 633 und der spätantiken Gesetzgebung, sowie den germanischen Rechtstexten der Lex Salica und Lex Ribuaria.100 Es ist freilich ein Zusammenhang dieser Texte mit dem um die gleiche Zeit von Amulus von Lyon verfaßten Liber contra Iudeos bekannt, woraus geschlossen wurde, daß Bischof Godelsad von Chalon-sur-Saöne als Suffraganbischof der Erzdiözese Lyon diese Texte der Synode vermittelt hatte. 101 Nun konnte aber oben gezeigt werden, daß jener Godelsad, dessen Diözese in Karls Reich lag, von Karl während der ersten Wochen des Jahres 842 in Chalon eigenmächtig eingesetzt worden war - im Vorgriff auf die Weihe durch Erzbischof Amulus von Lyon - und daß damals die von Karl beabsichtigte Besetzung des Bistums Autun mit seinem Verwandten Bernus scheiterte, weil der Erzbischof auf Karls Werben nicht reagiert hatte und zum vorgeschlagenen Zeitpunkt in Autun nicht erschienen war. 102 Ob dieser Brüskierung verwundert es nicht, daß Kanones aus der Feder dieses Erzbischofs von Karl nicht approbiert wurden; in der Vorbemerkung der approbierten Fassung wird sogar unterstellt, daß Amulus auf den Synoden von Meaux-Paris anwesend war, was aber wohl eher unwahrscheinlich gewesen sein dürfte. I O j Eine Textfassung von 19 Titel ist in vier Handschriften erhalten, in denen neben drei Textteilen aus den Beschlüssen von Coulaines 16 Kanones von Meaux-Paris wörtlich wiedergegeben werden. Daß sie in dieser Form in einer im dritten Viertel des 9. Jahrhunderts also fast zeitgleich mit ihrer Kodifikation - im Reimser Skriptorium angelegten Handschrift ihren Platz fand zwischen den Beschlüssen der Synode von Toulouse/St-Sernin und dem Text des Königstreffens von Meersen vom Jahre 847, belegt, daß die Beschlüsse von Epernay als Reichsrecht galten, nicht jedoch das Rechtskompendium der Synode von Meaux/Paris. Da dem Text eine Kapitelübersicht und der erwähnte Hinweis zur Kodifikati-
98
J. NELSON, Legislation and consensus, S. 2 1 4 . Vgl. dies., The ,Annals o f St. Bertin', in: Charles the Bald, S. 2 3 f f . , s o w i e M. MEYER-GEBEL, Zur annalistischen A r b e i t s w e i s e Hinkmars von Reims, in: Francia 15, 1 9 8 7 , hier S. 75f.
99
LOT/HALPHEN, S. 165, W. HARTMANN, Vetera et nova, S. 83.
100
Im Anmerkungsapparat der Edition mit Stellenangaben s o w i e im Text optisch gekennzeichnet, M G H Concilia 3, S. 1 1 9 - 1 2 4 .
101
W. HARTMANN, Vetera et nova, S. 90.
102
Vgl. o. bei 2.6.1. A. 3 3 6 .
103
Vgl. M G H C a p i t . 2, nr. 2 5 7 , S. 261.
Kirchliche Gesetzgebung
und
Königsherrschaft
291
on vorangestellt wurden, liegt hier vermutlich die offiziöse Textfassung vor.' 04 Aufgrund der Forschungen von Hubert Mordek sind Überlieferungsfragen sowie die Anlage der Texte dieser heute in zwei Teilen aufbewahrten Handschrift geklärt. Während im ersten Teil Berlin Phill. 1762 - Kapitularien Ludwigs des Frommen, die Kapitulariensammlung des Abtes Ansegis mit Anhängen und Karls des Großen Capitulare Aquisgranense von 802/803 niedergeschrieben sind, ist im zweiten Teil - heute Den Haag, Rijksmuseum MeermannoWestreenianum 10 D 2 - eine Gesetzessammlung Karls II. erhalten, deren Inhalt die Beobachtung bestätigt, daß die kirchliche Einflußnahme auf die Gesetzgebung Karls II. sehr begrenzt wirksam wurde, solange nicht in der Synodalgesetzgebung der Einfluß der dominanten Persönlichkeit Erzbischof Hinkmars von Reims festzustellen ist. Diesen hält Hartmann ab dem Jahr 853 für gegeben. 105 Beginnend mit den Beschlüssen von Coulaines, wurden als zweiter Text die Kanones von Yütz in die Sammlung aufgenommen, denen die Beschlüsse von Ver und Beauvais als Anhang beigefügt sind; es folgen der Synodalerlaß von Toulouse/St-Sernin sowie die Einleitung für die in Epernay approbierten Kanones mit den Commemorationes von Coulaines und 16 Kanones der Synode von Meaux-Paris, anschließend die Texte der Königstreffen von Meersen von 847 und 851, sowie das 853 in Soissons erlassene Capitulare missorum und weitere Kapitularientexte in chronologischer Anordnung bis zum Jahre 856. 106 Da mit dieser Sammlung ein Kompendium der aktuellen Gesetzgebung vorgelegt wurde, muß die Vorrede der 19 Titel-Sammlung der Erlasse von Meaux-Paris doch so verstanden werden, daß ausdrücklich festgehalten sein sollte, daß eben nur 19 Kanones als geltendes Recht bewilligt wurden. Demnach waren die Kanones in Epernay dem König und den anwesenden weltlichen Magnaten zur Begutachtung vorgelegt worden. Dabei muß es zum Eklat gekommen sein, weil ein großer Teil der Rechtsvorschriften nicht akzeptiert wurde: Als nämlich damit begonnen wurde, zwischen den einzelnen Kanones zu selektieren, verließen die Bischöfe unter Protest die Versammlung. Die dann erstellte Textauswahl wurde approbiert - ohne daß hierfür Bischöfe anwesend sein mußten - und ihnen als Rechtskompendium durch das Gremium der weltlichen Magnaten übergeben: ex omnibus Ulis capitulis haec tantum observanda et conplacenda sibi collegerunt et episcopis scripto tradiderunt, dicentes non amplius de eorum capitulis acceptasse, quam ista, et ista se velle cum principe observarem Wenn aber ein so planmäßiges Auswahlverfahren stattfand, dann wurden die Konzilsbeschlüsse als kirchenrechtliche Normen eindeutig disqualifiziert; sie hatten demnach nur noch den Charakter von Rechtsvorschlägen. Der umsichtig angelegte Versuch, eine umfassende Kirchenreform im Westreich durchzuführen und über grundsätzliche Regelungen ei-
104
Vgl. M G H Concilia 3, nr. 11, S. 66, zur Übersicht der zweiten Handschriftengruppe, sowie H. MORDEK, Bibliotheca capitularium, S. 65.
105
W. HARTMANN, Vetera et nova, S. 91: „Spätestens seit der Synode von Soissons 853 bis hin zum Konzil von Fismes im Jahre 881 standen die westfränkischen Konzilien mit wenigen Ausnahmen unter dem bestimmenden Einfluß Erzbischof Hinkmars von Reims." H. MORDEK, Bibliotheca capitularium, S. 64ff., vgl. auch bei J. NELSON, Legislation and consensus, Appendix 1, verglichen mit einer mit den Erlassen von Epernay einsetzenden, in vatikanischen Handschriften überlieferten Gesetzessammlung Karls II., allerdings mit Rechtstexten bis zum Jahr 876. M G H C a p i t . 2 , S. 261.
106
107
292
Die Tragfähigkeit
der
Herrschaftsstrukturen
nen bestimmenden Einfluß von kirchlicher Seite auf die Gesetzgebung nehmen zu wollen, war damit gescheitert. Hiermit konform geht die umsichtige Textauswahl, bei der - mit Ausnahme der Judenerlasse des Erzbischofs Amulus von Lyon wegen der persönlichen Aversion Karls II. gegen ihn - weder ganze Sachkomplexe gestrichen wurden, noch zwischen in der Tradition begründeten Rechtssätzen und Neuerungen selektiert wurde, entsprechend dem häufig in normativen Texten erwähnten Grundsatz der Gleichbehandlung. Daß es sich generell bei den Kanones von Meaux-Paris um Neuerungen handelte, hat bereits Prudentius vermerkt. Vielleicht ist aus dieser Perspektive der von kirchlicher Seite als dringlich für notwendig befundenen Reformbestrebungen, die die Lebensführung der Gesellschaft in den genannten Schichten verändern sollte, auch das ungewöhnlich hohe Strafmaß verständlich, das generell bei Nichtbeachtung dieser Kanones Laien wie Geistliche erwarten sollte, nämlich öffentliche Degradation durch Ämterverlust, für Geistliche in Synodalprozessen (c. 82). Die moralische Besserung der Gesellschaft ist aber die Forderung, mit welcher kirchliche Kreise auf die Normanneneinfalle zu reagieren pflegten. Dieses Thema wird in der Vorrede der Beschlüsse von Meaux-Paris unter Verwendung des Jeremiaswortes aus 1, 14 ab aquilone pandetur malum - „von Norden her drängt das Unheil heran" - sehr deutlich angesprochen und zwar im Anschluß an die Bemerkung, daß die Reformbeschlüsse von Ver abgelehnt wurden. Der Eindruck der Plünderung der Bischofsstadt Rouen im Frühjahr 845 sowie der Klöster der Umgebung bis Paris, wo Karl II. zwar St-Denis durch Tributzahlungen geschützt hatte, jedoch die Plünderung von St-Germain-des-Pres nicht verhindern konnte, dürfte dann entscheidend gewesen sein, daß auf der Synode von Paris im Frühjahr 846 unter dem Vorsitz des Erzbischofs Guntbald von Rouen ein grundsätzliches Reformprogramm versucht wurde, um zwei Dinge zu erreichen, die aus Sicht der Geistlichen notwendig waren, die massive Gefährdung durch die Normannen langfristig abzuwenden: 1. die Veränderung der Lebensführung in allen Gesellschaftsschichten mittels Einflußnahme auf die Gesetzgebung aufgrund einer behaupteten spirituelle Legitimation der Synodalbeschlüsse und 2. die hierarchische Überhöhung der Stellung der Bischöfe innerhalb der Gesellschaftsordnung als vicarii Christim So verwundert es nicht, daß bei der Auswahl der Texte offensichtlich sehr genau nach der Tragweite der einzelnen Bestimmungen selektiert wurde. Approbiert wurden folgende Rechtsbestimmungen: Die Aufforderung zur Inventarisierung der Reichsgüter, um den Stand zur Zeit Ludwigs des Frommen und Karls des Großen feststellen zu können und Verluste zu überprüfen, auch in Hinblick auf die Privilegierung kirchlicher Institutionen (c. 20), die Billigung von Tauschgeschäften durch Amtsverwalter bei Sedisvakanz (c. 21) sowie ein grundsätzliches Verbot, Kirchenbesitz anderweitig zu vergeben; Prekarien sollten alle fünf Jahre erneuert werden (c. 22); hierzu gehört die Aufforderung an Karl II., Kirchengut vor räuberischer Entfremdung zu schützen (c. 24). Während der Fasten und der Adventszeit sollte den Bischöfen die Visitation ihrer Diözesen künftig möglich sein durch Befreiung vom Königsdienst (c. 28); das Verbot für Kleriker, Waffen zu tragen, wurde erneuert und
108
MGH Concilia 3, nr. 11, S. 8 2 - 8 4 . Zu den Normanneneinfällen in der Seine 845 und der Plünderung von Rouen vgl. A. KRAH, Zeitgeschichtliche Aussagen in den Miracula Sancti Germani, S. 113ff.
Kirchliche Gesetzgebung
und
Königsherrschaft
293
bei Übertretung Degradation angedroht (c. 37); 109 verfallene Pilgerherbergen und Spitäler sollten wiederhergestellt (c. 40) sowie das Verbot der Simonie bei der Vergabe geistlicher Ämter beachtet werden (c. 43) - ut nemo per simoniacam heresim regiminis locum optineat. Aufgenommen wurden ferner eine Schutzbestimmung für Bischofskirchen und die Besitzungen eines Bistums, mit welcher Laien als Verwalter von Bistümern ausgeschlossen werden sollten (c. 47), und eine Bauverordnung zur Errichtung von Wohngebäuden für Kanonikerstifte (c. 53). C. 56 verweist auf sorgfältige Prüfung der Sachlage, wenn ein Anathem als Strafe ausgesprochen werden soll; ferner sollte künftig Mönchen der Aufenthalt am Königshof verboten sein (c. 57); Baulasten in Kirchen sollten nach dem doppelten Zehnten eingebracht werden (c. 62). Beim Raub von Nonnen wurde das Strafmaß gemildert (c. 67) und eine Regelung zum Verlöbnisrecht akzeptiert (c. 68). Schließlich war auch hinsichtlich des Begräbnisrechtes in Epernay der Vorschlag angenommen worden, künftig Laien nicht quasi hereditario iure innerhalb der Kirchen zu begraben, sondern nach der Bewertung der Lebensführung des Verstorbenen durch Bischöfe und Priester - pro qualitate conversationis et vitae (c. 72). Insgesamt ist durchaus eine Tendenz erkennbar, vor allem Rechtsnormen zum Schutz kirchlicher Besitzungen in verschiedenen Varianten zu approbieren; daher ist die Regelung zum Begräbnisbrauch auch in diesem Zusammenhang zu verstehen, daß nämlich der Kirchenraum als Sakralraum erhalten bleiben und Kirchenstiftungen nicht generell zu Grabeskirchen der Stifterfamilien werden sollten. Die Vorschriften für eine moralische Besserung der Lebensführung der Laien sind reduziert auf Fragen zum Raub von Nonnen und zum Verlöbnisrecht, um offenbar fur einen gesellschaftlichen Usus eine moderate Lösung anzubieten. Die Regelungen zur Instandsetzung der Spitäler, zur Frage der Verteilung der Baukosten für Ausbesserungsarbeiten an Kirchen und die Bauordnung zur Errichtung von Wohngebäuden der Kanonikerstifte sind als notwendige Maßnahmen zu verstehen, weil während der Bruderkriege solche Gebäude verwüstet worden waren, wie am Beispiel der Bautätigkeit Aldrichs von Le Mans oben gezeigt werden konnte," 0 ebenso durch die Normanneneinfälle über die Seine im Frühjahr 845 und an der Loire. Gegen König und Laien richten sich nur zwei der approbierten Kanones, nämlich das Verbot der Simonie und der Verwaltung kirchlicher Besitzungen durch Laien; letzteres war ein eher allgemein gehaltenes Verbot der Einsetzung von Laienäbten. Bereits 1971 hat J. Nelson als Resümee der Ereignisse von Epernay festgehalten, daß doch damals den Bischöfen deutlich vor Augen geführt worden sei, daß eine Synodalgesetzgebung ohne die Mithilfe des Königs unangemessen war - „with the rebuff at Epernay in 846 when the king rejected much of the synodists' programm, the bishops were forced to
109
Zur M i l i t a r i s i e r u n g d e s K l e r u s in k a r o l i n g i s c h e r Z e i t B e i s p i e l e bei F. PR[NZ, K l e r u s und
Krieg,
S. 1 1 5 f f . u. ders., F o r t i s s i m u s a b b a . K a r o l i n g i s c h e r K l e r u s und K r i e g , in: C o n s u e t u d i n e s m o n a s t i c a e . F e s t s c h r i f t fur K . HALLINGER, hg. v. J. ANGERER u. J. LENZENWEGER, ( = S t u d i a A n s e l m i a n a 8 5 ) , R o m 1 9 8 2 , S. 6 1 - 9 5 . S. f e m e r F. LOT, L'art m i l i t a i r e et l e s a r m e e s au m o y e n ä g e e n E u r o p e et d a n s le P r o c h e - O r i e n t 1, Paris 1 9 4 6 , S. 1 0 5 f f . , u. M . MCCORMICK, L i t u r g i e et g u e r r e d e s c a r o l i n g i e n s a la p r e m i e r e c r o i s a d e , in: Atti d e l l a u n d e c i m a S e t t i m a n e i n t e r n a z i o n a l e di s t u d i o , M e n d o l a , ( = M i s c e l l a n e a e del c e n t r o di studi m e d i o e v a l i 13), M i l a n o 1 9 9 2 , S. 2 0 9 - 2 3 8 , m i t ü b e r w i e g e n d l i t u r g i s c h e n S t u dien. 110
Vgl. bei 2.2.3. A. 82.
Die Tragfähigkeit
294
der
Herrschaftsstrukturen
recognize the inadequacy of synodal action without royal cooperation".' 1 1 Ob es angemessen war, ein so umfassendes Kompendium kirchlicher Rechtsnormen für ein Reformprogramm dem König und der Versammlung der Magnaten in Epernay vorzulegen, kann natürlich erwogen werden. Doch dürfte das rein quantitative Ungleichgewicht der vorgelegten Kanones zu den dann bewilligten ein für die Bewertung sicher nicht zu übersehendes Argument sein, jedoch auch nicht das entscheidende. Der Approbationsmodus für kirchliche Rechtsnormen in einem Gremium von Laien, dem der König angehörte, erwies sich in Epernay als unumgängliches Regulativ, um Gesetzgebung zu steuern, da Rechtsnormen eben bewilligt oder abgelehnt werden konnten. Das umfangreiche Kompendium der Synodalbeschlüsse von Meaux-Paris war damals sicherlich als eine Herausforderung an das Königtum und als ein massiv angelegter Versuch der Geistlichkeit verstanden worden, diese Hürde zu nehmen. Vor dem Hintergrund der Ablehnung der Konzilsbeschlüsse von Ver nach gleichem Procedere wäre dann zu argumentieren, daß ein weiterer Versuch der Geistlichkeit, Synodalrecht als Reichsrecht zu approbieren, nur durch Intensivierung der in Ver abgeblockten Forderungen vorzutragen war, um nicht erneut mit Reformvorschlägen zu scheitern. Die Textanordnung nach Sachkomplexen - obgleich auch nicht ausschließlich so verfahren wurde - könnte durchaus in der Absicht vorgenommen worden sein, eine Auswahl zu ermöglichen. Denn eine weitere Ablehnung der gesamten Beschlüsse, hätte die seit Coulaines festgelegte Kräfteverteilung der Herrschaftsstrukturen ebenso nachteilig beeinflußt, wie eine komplette Bewilligung. Das Königtum Karls II. erwies sich demnach in Epernay als starke Herrschaftsform im Einklang mit den Interessen der weltlichen Magnaten. Es war aber auch verstanden worden, durch eine abgewogene Auswahl einiger weniger Kanones einen vielleicht befürchteten künftigen „Alleingang" der Synodalgesetzgebung zu vermeiden und die Geistlichkeit weiterhin in das Herrschaftskonzept einzubinden. In der Approbation der 16 Kanones aus den verschiedenen inhaltlichen Sachkomplexen könnte sogar ein bewußtes „Zugehen" auf die Geistlichkeit gesehen werden, wenn berücksichtigt wird, daß die Aussage des Prudentius, der von einer groben Mißachtung der Geistlichkeit spricht, eine sehr subjektive Wertung aus der Sicht eines Bischofs ist, für den die Kanones von Meaux-Paris zunächst verbindlich waren." 2 Daß ein solcher „Alleingang" zumindest versucht wurde, spiegelt der Inhalt einer Synodalurkunde für das Kloster Corbie wider, die auf einem weiteren Reformkonzil in Paris 846 oder 847 verfaßt wurde, welches allerdings ohne Wirkung blieb. Man wollte sich damals jedoch nicht mehr auf den Königsschutz als Rechtsgarantie für kirchliche Besitzungen verlassen, sondern sah in der Androhung des Anathems durch die Bischöfe und generell in einer Synodalurkunde ein wirksameres Mittel als in der von Karl dem Kloster am Beginn seiner Regierungszeit gewährten Schutzurkunde, welche natürlich auf früheren Schutzurkunden der karolingischen Könige basierte." 3 Die Hilfe des Königs wurde damit eindeutig abgewertet.
111
J. NELSON, National synods, kingship as o f f i c e and royal anointing: an early medieval syndrome, in: Councils and assemblies, ed. by G. J. CUMING u. a., (= Studies in Church History 7), 1971, S. 4 1 - 5 8 , hier S. 47f.
112
Vgl. ο. bei Α. 97.
113
Vgl. hierzu bei HARTMANN, Die Synoden der Karolingerzeit, S. 2 1 8 , u. s. E. BOSHOF, Traditio romana und Papstschutz im 9. Jahrhundert, in: E. BOSHOF u. H. WOLTER, Rechtsgeschichtlich-
Kirchliche Gesetzgebung und
Königsherrschaft
295
Interessant ist, daß hier ganz ähnlich vorgegangen wurde, wie bei der oben besprochenen Synodalurkunde für das Kloster St-Lomer; auch für das Kloster C o r b i e wird explizit herausgestellt, daß das Procedere der B i s c h ö f e von Karl II. gebilligt worden sei. Unter Umgehung der karolingischen Tradition der Klosterprivilegierung wurde wiederum an einen viel älteren und ehrwürdigeren Status der Anschluß versucht, nämlich an die merowingische Klostergründung. Der oben m ö g l i c h e Urkundenvergleich für S t - L o m e r zwischen der Synodalurkunde und den für das Kloster erstellten Königsurkunden hatte aber gezeigt, daß ein solcher „Alleingang" unter Berufung a u f eine altehrwürdige merowingische Gründung des Klosters nicht ohne weiteres vom K ö n i g akzeptiert, sondern nach seinem Gutdünken erheblich modifiziert wurde. D i e Synodalurkunde für Corbie wäre demnach nur als ein weiterer Versuch der B i s c h ö f e zu verstehen, die Tradition der königlichen Privilegierung durch eigenes Handeln zu unterwandern. Vielleicht wurde gerade deshalb, weil solchen Versuchen keine große R e s o n a n z beschieden war, später ein neuer Ansatz durch die Traditio
von Klöstern an den Papst ver-
sucht, wodurch eine Einflußnahme des Königs mit dem Verzicht a u f seine Privilegierung ausgeschlossen bleiben s o l l t e . " 4 Es ist daher auch wahrscheinlich, daß Synodalurkunden, da Einzelentscheidungen, damals ebenfalls approbiert werden mußten und rechtlich wie a u f Synoden erlassene Kirchenrechtsnormen behandelt wurden. Durch den Approbationsmodus war vom K ö n i g und dem Gremium der weltlichen M a gnaten den Geistlichen hinsichtlich der Synodalgesetzgebung ein Handlungsrahmen vorgegeben worden - und weil approbiert wurde, konnte dieses Procedere auch künftig nicht negiert werden. In Epernay scheiterte freilich der Versuch der Geistlichen, mit Hilfe der Approbation
von
globalen
Zusagen,
etwa der Kanones
81
und 8 2 ,
für weitere
Re-
formgesetze künftig eine Einzelbewilligung zu umgehen (!). Dies vorausgesetzt, wäre eine Sonderstellung
der
Synodalgesetzgebung
erreicht
worden,
ferner
die
Möglichkeit
schrittweisen, unkontrollierbaren Einflußnahme a u f die Veränderung von
der
Gesellschafts-
strukturen nach moralischen V o r g a b e n , wodurch dann - bei unterstellter moralischer B e s s e rung - die Voraussetzungen für die dringend nötige Abwehr der äußeren Gefahren aus der Sicht der B i s c h ö f e erbracht worden wären. Das
am
Approbationsmodus
erkennbare
Kräfteverhältnis
der Herrschaftsträger
des
Westfrankenreiches hat offenbar über längere Zeit das Herrschaftssystem geprägt. Weitere massive Reformforderungen der Geistlichkeit unterblieben. Allerdings muß es auch eine grundsätzliche Annäherung des Königs als exponiertem Herrschaftsträger an das von geistlicher Seite ihm angetragene Herrscherbild gegeben haben, das neben anderem in der Herrscherweihe Karls II. 8 4 8 in Orleans schon bald öffentlich vorgestellt wurde. Denn erkannt worden war, daß durch sakrale Überhöhung des Herrschaftsanspruches und der Herrscherfähigkeiten Karls II. für Aquitanien die Position Pippins II. problemlos entkräftet werden konnte, weil dieser eine solche Legitimation nicht vorweisen konnte. Das Ende seiner Urkundentätigkeit mit dem Jahr 8 4 8 ist eine F o l g e des veränderten Selbstverständnisses der Herrschaft Karls II. in Aquitanien, das dann auch die im Vertrag von S t - B e n o i t Pippin II. eingeräumte Unterkönigsherrschaft nicht mehr gestattete.
d i p l o m a t i s c h e Studien zu frühmittelalterlichen Papsturkunden ( = Studien und V o r a r b e i t e n zur German i a P o n t i f i c i a 6 , hg. v. T h . SCHIEFFER) K ö l n 1 9 7 6 , S. 1 - 1 0 0 , hier S. 7. 114
Zur S y n o d a l u r k u n d e für S t - L o m e r vgl. o. bei 3 . 5 . 1 . A. 8 0 f f .
296
Die Tragfähigkeit der
Herrschaftsstrukturen
Des weiteren war bekanntlich über die Mönchung Pippins II. ein kirchenrechtlich „legaler" Weg gefunden worden, seine Königsherrschaft zu beenden ohne ihn physisch zu beseitigen, weil der Wechsel in den Mönchsstand - den Pippin nach einem mißglückten Fluchtversuch auf der Synode von Soissons öffentlich erklären mußte (!) - seine Rückkehr auf den Königsthron wirksam verhindern konnte." 5 Was in Coulaines grundsätzlich über die Hilfe geistlicher Magnaten bei der Strafverfolgung von Rebellen festgelegt und in der Anwendung kirchenrechtlicher Sanktionen in Lauriere zuvor konkret angesprochen worden war, war jetzt zur Fallentscheidung angewandt worden: Unterstellt wurde die Bußfahigkeit des Kontrahenten mit der Konsequenz, sein Seelenheil durch Standeswechsel retten zu wollen (vgl. c. 6 Coulaines)." 6 Über Zugeständnisse Karls II. an die Vertreter der Kirchenreform kann nur spekuliert werden. Hatte ihn doch 848 offensichtlich Wenilo von Sens geweiht, der auf den Synoden von Ver und Meaux-Paris als Teilnehmer bezeugt ist, und auch Hinkmar von Reims dürfte bereits damals für den Entwurf der sakralen Überhöhung der Königsherrschaft Karls II. durch das Ritual der Königsweihe nicht untätig gewesen sein. 117 Nicht zu übersehen ist aber das veränderte Verhältnis zwischen König und Geistlichkeit bei den auf der Synode von Soisson 853 verabschiedeten Gesetzen. Die Synodalerlasse waren nicht mehr dem König vorzulegen, sondern dieser schwenkte mittels der dort mit einem Kapitular eingebrachten Reaktivierung des Verwaltungssystems der Missaticabereiche auf die Belange und Forderungen der Geistlichen ein, welche dadurch - ohne Approbation - grundsätzlich akzeptiert worden waren, wohl als eine Form der Gegenleistung für deren Mitwirkung an der Beseitigung der Königsherrschaft Pippins II. Von einer Zustimmung der Magnaten ist nicht mehr die Rede." 8 - Unruhen unter den Magnaten in Aquitanien und in den zentralen Gebieten des Westreiches als Reaktionen auf die veränderte Gewichtung der Herrschaftssträger, den Anschluß des Königs an die Geistlichkeit und damit auf eine Veränderung der Herrschaftsstrukturen sollten nicht ausbleiben.
115
ANNALES DE SAINT-BERTIN a d a. 8 5 3 , S. 6 6 .
116 117
Vgl. im Text o. bei 3.4.2. A. 65. ANNALES DE SAINT-BERTIN ad a. 848, S. 55; L. LEVILLAIN, Le sacre de Charles le Chauve Ä Orleans, in: BECh 64, 1903, S. 31-53, bes. S. 47, R. FOLZ, Les trois couronnements de Charles le Chauve, in: Byzantion 61, Bruxelles 1991, S. 93-111. W. HARTMANN, Die Synoden der Karolingerzeit, S. 245 ff., hier S. 249.
118
5. Ergebnisse
Um jene von der Geschichtsforschung fast „vergessene" Zeit am Beginn der Geschichte des Westfrankenreiches, nämlich die Phase nach dem Tode Kaiser Ludwigs des Frommen bis zum politischen „Debüt" Hinkmars von Reims, in ihrem Verlauf, ihrer Entwicklung und ihrem Stellenwert zu erkennen, waren Fragestellungen notwendig, die auf die Erfassung der Phänomene und deren Zuordnung zu einem historischen Kontext gerichtet waren. Sehr bald wurde klar, daß nicht die bekannten, herausragenden Einzelphänomene, wie die Schlacht von Fontenoy und der Vertrag von Verdun, das Kennzeichen dieser ersten Regierungsphase Karls II. sind, sondern lediglich Höhepunkte einer nach politischen Vorgaben und nach einer strategisch exakt umgesetzten Planung verlaufenden Königsherrschaft, in welcher der Herrschaftsanspruch Karls II. bewußt zentriert wurde. In dieser Zeit, in der indifferente Handlungen ebenso wenig gefragt waren wie Antagonismus, ging es primär darum, das Bestehende in seiner Verschiedenheit zu erhalten und zu einer Gesamtkonzeption, einer Regnumsidee, zu integrieren. Nicht die Zersplitterung des Reiches und die Abspaltung der Regna sollten am Ende der Bruderkriege stehen, sondern die Aufteilung in Regna und deren Integration zur Einheit der Regna. Ein solches Herrschaftsgefuge hatte bereits Karl der Große mit seiner Nachfolgeregelung für das Frankenreich geplant; die Divisio des Imperiums in Regna, welche integriert sein sollten in einem Gesamtgefüge imperialen Zuschnitts, war nach dem Tod des Kaisers bekanntlich deshalb nicht zu verwirklichen, weil nur Ludwig der Fromme den Vater überlebt hatte. Daher war eine thematische Annäherung an jene erste Phase der Herrschaft Karls II., in welcher das Fundament für eine eigenständige potestas regia des Westfrankenreiches gelegt wurde, nur durch eine Fragestellung möglich, die zunächst seine gesamte Regierungszeit in den Blick nimmt. Wurde doch gerade fur Karl IL, der seinen Anspruch auf eine eigenständige, von Lothar unabhängige Königsherrschaft wohl am unmißverständlichsten hatte vortragen lassen, während seiner letzten Herrscherjahre der imperiale Zuschnitt seines Regnums zur Devise, zum politischen Programm. Seine Kaiserherrschaft hat die Zersplitterung des Karolingerreiches zwar letztlich nicht aufhalten können, jedoch in ihrer Entwicklung entschieden gebremst, weil er das Kaisertum als übergeordnete verfassungspolitische Institution des Frankenreiches noch einmal in die Gebiete nördlich der Alpen zurückgebracht hatte, und weil damit dokumentiert wurde, daß die Idee der Reichseinheit ein dynastisches Prinzip bleiben sollte.
298
Ergebnisse
Neu waren nicht die einzelnen Komponenten des Herrschaftsmodells, Königreiche und Kaiserherrschaft, neu war deren Zusammenschluß in einem Gesamtkonzept, was von den Nachfolgern Ludwigs des Frommen die gegenseitige Akzeptanz ihrer Herrschaftsansprüche erforderte, ohne daß hierfür Orientierungsmuster vergangener Zeiten verfugbar waren. 1 Fest stand nur - und dies galt fur die königlichen Brüder, wie für die sie stützenden Gefolgschaftsverbände - , daß von den während der Regierungszeit Ludwigs des Frommen errungenen Prämissen grundsätzlich nichts aufzugeben war. So erschien es nicht verwunderlich, daß die beiden konträren Herrschaftskonzepte, hegemoniales Kaisertum und Königsherrschaft in Teilregna bei gleichzeitiger Abdrängung Lothars nach Italien, von den Kontrahenten zunächst auf ihre Durchsetzbarkeit erprobt wurden, dann zu nicht mehr realisierbaren Maximalforderungen reduziert und schließlich als Lösungsmöglichkeiten insofern abgewertet wurden, als keine ohne die andere den richtigen Regelungsmodus vorgab. Daher wird die Phase der Auseinandersetzung um ein Herrschaftsmodell des karolingischen Reichsverbandes nach dem Tode Ludwigs des Frommen nur verständlich, wenn man sie als Fortführung einer Diskussion versteht, die während seiner gesamten Regierungszeit geführt worden war und zwar als existentieller Kampf um Macht und Herrschaft. Der Tod des Kaiser war nicht gleichzeitig der von ihm erreichte Endpunkt der Auseinandersetzung, nicht die Lösung, sondern die Veränderung der Vorgaben, wodurch das Erreichte revisibel geworden war. Auszugehen war natürlich von „definierten Kriterien" der Königsherrschaft, von Regnum und Imperium als territorialen Größen und als Aussagen über Macht und Herrschaft, sowie als Bezugsgrößen hinsichtlich eines dynastischen Anspruchsdenkens auf Königsherrschaft und auf das Kaisertum. Doch neben dem dynastischen „Erbstreit", der an sich in der Geschichte in die Reihe ähnlich verlaufender dynastischer Kämpfe um Land und Herrschaft nach privatrechtlichen Kriterien zu stellen wäre, drängte sich die Frage nach den Veränderungen des Ordnungssystems in den Vordergrund der Überlegungen. War das Regnum nicht mehr „festgefligt" durch die Zuordnung der verschiedenen Herrschaftsverbände und der Unterkönigreiche an den Kaiser, so hatte dies Auswirkungen fur den Gefolgschaftsverband, auf -das System kohärenter Abhängigkeiten, wodurch der Wandel der Strukturen eingeleitet wurde. Die entscheidende Mitwirkung des Gefolgschaftsverbandes an der Neustrukturierung des Regnums durch die Anbindung an den König, eröffnete Karl II. erst die Chance, Herrschaft und Territorium zu gewinnen. Daher war die Frage nach der Entstehung der Pot est as regia in Westfrankenreich/Frankreich auf zwei Ebenen methodisch zu diskutieren, nämlich zum einen auf der Ebene der innerdynastischen Auseinandersetzung, zum anderen im soziokulturellen Kontext mit Blick auf die Formierung der inneren Ordnungsstrukturen des Westfrankenreiches. Interessant war dabei, daß Karl nicht in Randzonen auf Streubesitz als „Apanage" abzudrängen war, wie dies Lothar plante, als er ihm im Abkommen von Orleans einen solchen, aus seiner Sicht adäquaten Platz zuweisen wollte. Dies mißlang, weil nicht nur Karl sondern vor allem der ihn stützende Gefolgschaftsverband in Neustrien und Austrien und an der Loire sich Lothars Machenschaften widersetzte und weil dieser Gefolgschaftsverband da-
1 Vgl. o. bei 2. A. 4.
Ergebnisse
299
mals durch geschickte Verhandlungstaktik Karl die Krone rettete, deren Absicht Lothar nicht erkannte. Dies heißt aber doch, daß Karls Herrschaftsanspruch sich nach dem Tode Kaiser Ludwigs sofort realisieren ließ, weil die Herrschaftsstrukturen in den genannten Zentralräumen des Frankenreiches so angelegt waren, daß seine Nachfolge noch zu Lebzeiten des Vaters nicht nur vorgesehen, sondern bereits institutionalisiert worden war. Dies konnte durch die in seiner Umgebung auftretenden Familienclans und Spitzenmagnaten belegt werden, die als getreue Helfer Ludwigs des Frommen bekannt sind, wie etwa die Rorgoniden unter der Ägide Bischof Ebroins von Poitiers, Graf Warin von Mäcon, Bischof Aldrich von Le Mans, Abt Ludwig von St-Denis und andere mehr. Da der Kaiser seinem Sohn durch Kanzlei, Hofkapelle und einen für militärische Aktionen einsatzfähigen Gefolgschaftsverband ein funktionsfähiges Instrumentarium zur Ausübung von Königsherrschaft an die Hand gegeben hatte, konnte von diesem der Kampf um Herrschaft und Macht auch sofort gefuhrt werden mit dem Ziel, nicht Herrschaft und Reich zu gewinnen, sondern nach dem Erbstreit bestätigt zu erhalten. Wieder sollte die Kohärenz von Personalprinzip und Wirtschaftsprinzip als ein die Menschheitsgeschichte prägendes Axiom für Herrschaft und Macht die Basis bilden zur Ausübung von Königsherrschaft, hier umgesetzt im vasallitischen Gefolgschaftsverband, der Karl II. als König an seine Spitze stellte. Wichtig war die Definition der Königsherrschaft von Johannes Fried, der im Königtum die konstitutionelle, im Reichsverband die katalytische Kraft sieht, die Begriffe „Staat" und „Staatlichkeit" zu Recht vermeidend, weil den verfassungspolitischen Bezugssystemen der Antike und der Neuzeit verhaftet. Es zeigte sich jedoch, daß die „verfassungsgebende" Einung der Magnaten, die Voraussetzung war für den Versuch, die bestehende Gesellschaftsordnung des westfränkischen Regnums in die vertragliche Abmachung von Coulaines auf Dauer einzubinden, beide von Fried genannten Komponenten beinhaltete: Der Vertrag von Coulaines war eine sehr selbstbewußte Aktion der Magnaten zur Erhaltung der inneren Ordnung, mit welcher die Einzelaktionen gebündelt und katalytisch forciert wurden, um den König für die Proklamation des „Gesellschaftsvertrages" zu gewinnen und die Zustimmung von Warin zu erhalten, der damals die Fäden der Königsherrschaft zu koordinieren schien. 2 Karls Herrschaftsanspruch war in einer gezielten Beweisführung öffentlich zu inszenieren, nicht jedoch zu begründen. Hierfür vermitteln die Quellen eine Vorgehensweise auf drei Ebenen: 1. Militärische Aktionen gegen Lothar, die als defensio der Königsherrschaft Karls verstanden wurden. 2. Die Anbindung von Territorien und eines beständig wachsenden Gefolgschaftsverbandes, um die Kontinuität der Herrschaft zu demonstrieren. 3. Die Legitimation des Herrschaftsanspruches im sittlich-religiösen Kontext des für Karl entworfenen Herrscherbildes. Methodisch wurde daher von einer textimmanenten Quellenanalyse ausgegangen, um erst einmal die Phänomene exakt zu fixieren und in einem dann zu erstellenden chronographischen Bezugssystem zu piazieren, freilich unter Berücksichtigung von Schreibintention der Verfasser, der Bewertung der Aussagen im historischen Kontext, der Aussagen der Gegen-
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Vgl. o. bei A. 27, ferner bei den Punkten 3.4. und 3.6.
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seite, der Tragfähigkeit normativer Texte. 3 Reflexionen über textspezifische Kriterien für einzelne Quellen und Textgruppen ermöglichten eine erheblich effektivere Auswertung. Dies gilt insbesondere fur die Historia Nithards als vorrangiges Werk der Zeitgeschichte und der Phase der Bruderkriege, wobei vor allem sein Zeitbewußtsein und die Bemessung der Gegenwart zu hinterfragen waren, aber auch für normative Texte hinsichtlich der Frage der Geltungsdauer sowie hinsichtlich der Textstrukturierung bei Konzilsbeschlüssen; ebenso für den Komplex der frühen Urkunden Karls II. Festzustellen war, daß die Aussagen Nithards viel subtiler zu gewichten sind, als bisher üblich, auch weil Nithard manches übergeht oder aus der Perspektive der sich wandelnden Gegenwart vergangene Ereignisse bewertet, der Gegenwart zuordnet. Für kirchenrechtliche Beschlüsse auf Konzilien galt damals ein Approbationsmodus, der dem König und dem Gremium der weltlichen Magnaten die Möglichkeit einräumte, eine Auswahl zu treffen, Rechtsnormen zu bewilligen oder auch nicht. Dieses Procedere war als Anzeichen fur eine von kirchlichen Vorgaben autarke Stellung des Königs zu bewerten, weil Synodalrecht eben nicht automatisch als Reichsrecht akzeptiert wurde. Die Königsnähe der weltlichen Magnaten scheint für den betrachteten Zeitraum generell vorrangig gewesen zu sein gegenüber der Stellung der geistlichen Magnaten. Schließlich erwiesen sich Karls Königsurkunden als schlagkräftiges Instrumentarium seiner Königsherrschaft in mehrfacher Hinsicht: a) um getreue Vasallen für militärische Hilfeleistungen zu entlohnen, b) um einen Herrschaftsraum - hier den östlichen Pyrenäenraum und Septimanien nach dem Muster Ludwigs des Frommen gezielt als Siedlungsraum durch wirtschaftliche Privilegierung zu fördern und so in besonderer Weise an die Königsherrschaft zu binden; c) um den mittels Synodalurkunden von kirchlicher Seite Karl II. angetragenen Handlungsmodus für zukünftige Klosterprivilegien gezielt zu modifizieren. Im einzelnen konnten folgende Ergebnisse ermittelt werden: Zu Punkt 1: Auch wenn grundsätzlich für Nithards Werk gilt, daß der Verfasser seine Schilderung nach den Vorgaben des augustinischen Weltbildes antithetisch ausgerichtet hat, um die Wechselwirkung von „gut" und „böse" im Verlauf der Ereignisgeschichte zu demonstrieren, wodurch eine moralisch-sittliche Wertung intendiert wird, wurde in seinen Berichten deutlich, daß Karls Erfolge durch logistische Planung der Einzelaktionen meßbar wurden. Entscheidend waren hierfür exakte Zeitvorgaben für günstige Terminabsprachen mit der Gegenseite, die genügend Spielraum ließen, um aufzurüsten - etwa bei dem Treffen mit Lothar von Attigny. Geplant waren Blitzaktionen, ebenso wie strategisch erforderliche Verzögerungen mit dem Ziel, rechtzeitig präsent zu sein oder den Gegner zu stoppen und bis zum Zusammentreffen mit Ludwigs Truppen auf Abstand zu halten. Zeitliche Vorteile wurden als Chancenvorsprung bewertet und strategisch umgesetzt, nicht jedoch der Sieg über Lothar von Fontenoy, der bei den Siegern Friedensbereitschaft hatte aufkommen lassen, welche hinsichtlich der nächsten Schritte zu Verzögerungen führte, die Lothar wiederum nützte, um aufzurüsten. Daß von Karl und Ludwig Geländevorteile bei den Vorbereitungen zur Schlacht von Fontenoy beachtet wurden, konnte anhand der verschiedenen Situationsberichte im einzelnen
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S. die Überlegungen zum Stellenwert der chronographischen Methode am Beginn von 2.2.1.
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nachgewiesen werden, die eine Kenntnis der Regeln des Vegetius vermuten lassen. Auch Lothars Lagerplatz ließ sich neu bestimmen. Um Lothar zum Einlenken zu zwingen, wurde dann entscheidend, daß es seinen Brüdern im Frühjahr 842 gelungen war, ihn aus den Stammlanden seiner Kaiserherrschaft am Rhein zu verdrängen und in Aachen die Zweiteilung des Gesamtreiches als Maximalforderung ihrer Herrschaftsansprüche verkünden zu lassen. Militärische Taktik und Herrschaftskonzeption wurden als sich ergänzende Komponenten einer Erfolgsstrategie wechselseitig und gebündelt eingesetzt, so auch für das Abkommen mit Lothar auf Ansille, als es ihm nicht mehr gelang, Pippin II. in die Herrschaftsteilung miteinzubeziehen, obgleich sich jener mit seinen Truppen in der Nähe aufhielt. Zu Punkt 2: Im Vertrag von Verdun war Karl II. ein erheblich größeres Reichsgebiet von seinen Brüdern als Herrschaftsraum bestätigt worden, als jemals von Ludwig dem Frommen in den verschiedenen Modellen der Ausstattung für ihn vorgesehen war. Zugeständnisse waren im alemannischen und burgundischen Bereich zugunsten Lothars notwendig geworden. Allerdings hatte Karl hier in Warin von Mäcon einen entschiedenen Parteigängern seiner Sache gefunden, dessen militärischen Aktionen - auch im eigenen Interesse - Karl die Erweiterung seines Machtbereiches im burgundischen Raum verdankte. Geplant war offensichtlich auch die Okkupation der Gegend am Oberrhein auf Dauer. Die frappierende Diskrepanz zwischen den beiden Positionen, die Karl am Beginn und am Ende der Bruderkriege Lothar gegenüber einnahm - nämlich die des Unterlegenen, der im Vertrag von Orleans die mit der Zuweisung weniger Grafschaften durch Lothar verbundene Abwertung seines Herrschaftsanspruchs akzeptieren mußte, und die des Siegers von Fontenoy und gleichberechtigten Vertragspartners bei der Reichsteilung - ließ sich durch die in den Quellen belegbare sukzessive Anbindung von Herrschaftsräumen und Gefolgschaftsverbänden erklären. Obgleich der von Nithard suggerierte „Siegeszug" in manchem der Korrektur und vor allem der Reflexion im Spiegel anderer zeitgenössischer Quellenaussagen bedurfte, wurde deutlich, daß von Karl die bekannte Taktik des Umrittes am Herrschaftsbeginn genützt wurde, um mittels Huldigung und Lehnsbindung Land und Leute zu gewinnen und den Kontrahenten abzudrängen. Mit gleichem Procedere hatte Lothar agiert, nur zeigte sich im Ergebnis, daß Karl in Einzelaktionen - etwa an der Seine, im Gebiet von Le Mans oder bei seinem Zug an die Maas im Herbst des Jahres 841 - viel erfolgreicher war, als bisher angenommen wurde. Nicht nur weil Karl mit Drogo von Metz und Hugo von St-Quentin damals hervorragende Spitzenmagnaten des Herrschaftsverbandes und Führungspersönlichkeiten, die der karolingischen Dynastie angehörten, als Parteigänger gewinnen konnte, sondern weil er durch seine Präsenz und die Privilegierung der ihn stützenden Magnaten seine Königsherrschaft mit territorialen Ordnungsstrukturen vernetzte, gelang die Anbindung. 4 Für den burgundischen Raum konnte nachgewiesen werden, daß Karl die anstehenden Neubesetzungen in den Bistümern Autun und Chalon-sur-Saöne zum Anlaß nahm, hier „Wunschkandidaten" einzusetzen, wie den ansonsten wenig bekannten Karolinger Bemo/Bernus, und den Einfluß des Lothar-treuen Erzbischofs Amulus von Lyon einzuschränken, was zumindest bei der Besetzung von Chalon-sur-Saöne möglich war. 5
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Vgl. bei 2.5.3. A. 252. S. bei Kapitel 2.6.1.
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Schließlich ließ sich die Methode der Anbindung von Herrschaftsräumen durch Privilegierung auch für die Zeit nach den Bruderkriegen nachweisen und insofern auch Herrschaftskontinuität, als diese in der Frage der Durchsetzbarkeit der Königsherrschaft in Aquitanien in zweifacher Hinsicht wirksam wurde: Zum einen ließ sich durch Privilegierung von Geistlichen, Bischofskirchen, Klöstern und der im östlichen Pyrenäenraum siedelnden Bevölkerungsschichten der Machtkomplex Bernhards von Septimanien beseitigen - der sich ganz offensichtlich nach römisch-rechtlichen Gepflogenheiten zunehmend als foederatus, und nicht mehr als Vasall Karls II. verstand zum anderen die Abhängigkeit der genannten Personengruppen herstellen und auf diesem Wege Karls Königsherrschaft flächendeckend in einem entlegenen Herrschaftsraum institutionalisieren. Zu Punkt 3:
a) Fraternitas Die Legitimation des Herrschaftsanspruchs im sittlich-religiösen Kontext eines Herrscherbildes war zunächst als Legitimationsstrategie konzipiert, um Lothars aggressiver Forderung nach hegemonialer Kaiserherrschaft zu begegnen. Als hierfür ungeeignet erwies sich sehr bald das von Ludwig dem Frommen und der Kaiserin Judith favorisierte Modell der Patenschaft, weil der im Ritual der Taufe begründete Schutzgedanke des Paten fur das Patenkind Lothar nicht zum Schutz der Königsherrschaft Karls II. verpflichtete. Er verstand vielmehr das mit der Patenschaft verbundenen Verhältnis von Über- und Unterordnung als Handlungsspielraum, um Karls Königsherrschaft nach Gutdünken einzuschränken. Wirkungsvoller war das Modell der Fraternitas, das nach dem germanischen Hausrecht das Prinzip der Gleichstellung erbfähiger Brüder und damit den Gedanken der Herrschaftsteilung nach privatrechtlichen Vorgaben zentrierte. 6 So wurde Fraternitas im Vertrag von Orleans als friedenstiftendes Dreierbündnis Lothar angetragen, dann als Zweierbündnis der kooperierenden Vertragspartner Ludwig und Karl gegen den gemeinsamen Aggressor, gegen Lothar, in den Straßburger Eiden und der Reichsteilung von Aachen propagiert und schließlich wieder zum Dreierbündnis erweitert, um die Einigung mit Lothar auf der Basis eines „Hausvertrages" im Abkommen von Mellecey/Ansille einzuleiten. Der bereits am Vorabend der Schlacht von Fontenoy anvisierte Teilungsmodus aequa lance(a) entspricht exakt dem Gleichheitsprinzip der Fraternitas,7 Nachdem mit dem Modell der Fraternitas ein Herrschaftskonzept für das Gesamtreich nach ethisch-moralischen Handlungsmustern vorgelegt worden war, konnte Lothars Streben nach hegemonialer Kaiserherrschaft negativ piaziert werden. Die noch in Orleans zusätzlich angesprochenen Möglichkeiten der Bündnisgestaltung nach den Implikationen von amicitia und foedus - nach eher „staatsrechtlichen" Kriterien - wurden in der Folgezeit zweitrangig eingestuft. Eine modifizierte Form der Fraternitas begegnet mit dem Begriff der fraterna concordia, welche am Hofe Karls als Modell einer Herrschaftsordnung des Gesamtreiches nach den Kriterien von Pax und Concordia intensiv diskutiert wurde - so wiedergegeben in dem Brief eines Spitzenmagnaten an die Kaiserin Ermengard, der seinen Namen nicht nennt. 8
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S. bei 2.4. A. 170. Vgl. bei 2.2.4. A. 124. Vgl. bei 2.4.2. A. 197.
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Die in der Forschung bisher kaum beachtete Phase der Einigung mit Lothar brachte wichtige Argumente, mit welchen die Ausrichtung der Regnumskonzeption am Modell der Fraternitas bereits für diese Zeit nachzuweisen war. Gleiches gilt für die Bewertung der Niederlagen Lothars, die nur deshalb als iudicium Dei in prozessuale Verfahren mit transzendentaler Dimension hinsichtlich ihrer Bewertung zu transponieren waren, weil er in dem Modell der Fraternitas von vornherein als gleichrangiger Vertragspartner in einem nach ethisch-moralischen Prinzipien bemessenen Handlungsspielraum eingestuft wurde. Sein Kaisertum, das er mit dem Titel imperator orthodoxus so nachhaltig betonte, berechtigte zu einem ideellen Vorrang gegenüber den Brüdern, nicht zu einem politischen. 9 Es ließ sich zeigen, daß das Modell der Fraternitas als politisches Konzept funktionalisierbar war und durch die Diskussion von Pax und Concordia die entscheidende Akzentverschiebung erhalten hatte, so daß nicht mehr die familiären Bindungen einer Generation der herrschenden Dynastie im Vordergrund standen, sondern vielmehr ein bestimmter Handlungsmodus: Die ethische Prämisse der Concordia war im Bezugssystem der Brüdergemeinschaft umsetzbar. Fraternitas war somit der Rahmen für ein ausbaufähiges Reichskonzept. Die Entwicklung zeigte, daß zunächst von einem Bezugssystem innerfamiliärer, persönlicher Bindungen ausgegangen worden war, das durch ethische Prämissen hermeneutisch umgedeutet und an der politischen Notwendigkeit der Friedenssicherung ausgerichtet wurde. In späterer Zeit - etwa bei den Königstreffen von Meersen 847 und 851 - wurde durchaus wieder auf die Bezugsgröße des Familienverbandes zurückgegriffen, welche zuvor durch die Ausrichtung an ethischen Prämissen neutralisiert worden war. 10 b) Das Herrscherbild In welchem Maße mit dem politischen Konzept der Fraternitas ein Handlungsmodus nach den Vorgaben von Herrschertugenden gemeint war, konnte beispielsweise anhand der Straßburger Eide und der sich anschließenden Kampfspiele vorgeführt werden Das eigentliche Thema war damals der Treuegedanke gewesen und zwar sowohl als Ordnungsprinzip gesellschaftspolitischer Strukturen, wie auch als Maßstab christlichen Handelns unter Brüdern. Durch die Vernetzung beider Bedeutungsebenen - in den Ansprachen der Könige und den wechselseitigen Eiden - gelang eine reziproke Zuordnung der Gefolgschaftsverbände und ihrer Könige Ludwig und Karl und deren Bündnis zu einem Herrschaftsverband zweier Regna. Gleichzeitig wurde für beide Vertragspartner ein idealisiertes Herrscherbild bestätigt durch die Bewertung ihrer Handlungsweise bei den Kampfspielen nach Herrschertugenden als audax, prudens, largus und moderatus.u Aussagen zu einem nach ethischen Vorgaben stilisierten Königsbild Karls II. können den Quellentexten relativ früh entnommen werden. Sie sind zunächst als Motive für herausragende Ereignisse diesen zugeordnet, dann komprimiert und vervollständigt im Bild zu ersten Herrscherparänesen in der Absicht, mit einer attraktiven Königsethik zugleich einen Verhaltenskodex subtil zu unterbreiten. Karls Herrscherbild war von Anfang an als theologisches Herrscherbild konzipiert, das ausbaufähig war, um einen hegemonialen Herrschaftsanspruch
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Vgl. bei 2.6.2. A. 348 u. bes. 2.6.4. A. 375ff. S. o. bei 3.3.2. A. 27 u. 3.3.3. A. 45. S. Skizze 4 bei 2.5.5. A. 306, u. bei A. 311.
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zu begründen und ihn andererseits an die gelasianische Zweigewaltenlehre zu binden, die schon früh artikuliert wurde. 12 Nithards Episode über die Restitution der Herrschaft Karls II. in der Krondomäne Laon war dahingehend interpretierbar, daß hier ein Herrscherbild „inszeniert" worden war nach militärischem und ethisch-moralischem Tugendkatalog. Nachtmarsch, Befreiung eines Vasallen und Wiederherstellung des Rechtszustandes ergeben den Handlungsrahmen, um Herrscherkompetenzen durch Königstugenden oder deren Epitheta zu benennen, so ius und iustitia, fortitudo und virtus, misericordia, benignitas und dementia, und um vor allem den Treuegedanken zu thematisieren: zum einen durch die Schutzfunktion des Seniors Karl, der seinen Vasallen rettet, zum anderen in dem Ritual der Huldigung der unterlegenen Stadtherrin und Stiefschwester Karls, Hildegard, wodurch sie künftige Treue öffentlich versprach. 13 Die beabsichtigte Legitimation der Vorgehensweise nach den bekannten Handlungsmustern der Königstugenden hatte - in der Kurzform dieser Episode verbreitet - Propagandawirkung. Das Königsbild Karls II. erhielt nach den Verträgen von Verdun und von Coulaines in der Herrscherparänese des Lupus von Ferneres eine andere Dimension durch seinen Versuch, einen Herrschertypus zu kreieren, der berechenbar blieb. Seine beiden Mahnschriften an Karl II. aus den Jahren 843 und 844 sind als sich ergänzende Werke angelegt. Denn während die erste Lebensregeln vermitteln will - indem etwa an die ratio als Leitlinie zur Prüfung der eigenen Handlungsweise appelliert wird - , wirkt die zweite formvollendet, wenn der Königstypus an der imitatio der Vorbilder aus dem Alten Testament und der Antike, an den Königen David und Salomon und den römischen Kaisern Trajan und Theodosius, ausgerichtet wird. Legitim ist jetzt eine Königsherrschaft, die eine Distanz setzt zwischen dem König und den anderen, auch seinen Ratgebern. Im Ergebnis war hierzu festzuhalten, daß Karl entsprechend einer Passage aus Pseudo-Cyprian ausdrücklich aufgefordert wurde, wie ein Herrscher des Alten Bundes Furcht und Schrecken zu verbreiten - auch bei der angesprochenen Strafverfolgung-, dies allerdings in einer Demutshaltung gegenüber Gott. 14 Doch auch die Demutshaltung Karls II. war interpretationsfähig und funktionalisierbar für die bildliche Darstellung von Gottesnähe, so in einer späteren Miniatur in seinem Gebetbuch: Dort reicht die geöffnete rechte Hand Karls II., der auf der linken Buchseite kniend im Krönungsornat abgebildet ist, über den Bildrand hinaus, so daß sich die Königsdarstellung optisch auf die die rechte Seite einnehmende Kreuzesdarstellung Christi zu bewegt. Karls Demutshaltung verkörperte demnach in späterer Zeit zwar noch eine Erwartungshaltung, aber vor allem das Bewußtsein, durch sein Königtum der Theosis teilhaftig werden zu kön-
12 13 14 15
So von Lupus von Ferneres, s. bei 2.6.1. A. 332, und in c. 2 der Beschlüsse der Synode von Yütz, s. bei 4.2. A. 84. Vgl. bei 2.5.4. A. 278. S. bei 3.5.3. Die beiden Miniaturen im Gebetbuch Karls II., München, Schatzkammer der Residenz, fol. 38v-39r wurden zuletzt bei N. STAUBACH, Rex christianus, abgebildet, s. Abb. 3, vgl. dazu W. KOEHLER, F. MÜTHERICH, Die karolingischen Miniaturen 5: Die Hofschule Karls des Kahlen, Text- und Tafelband, Berlin 1982, S. 72f„ 85ff.
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c) Die Memoria Während der besprochenen Phase der Veränderung der Herrschaftsstrukturen des Frankenreiches war das dynastische Gebetsgedenken als ein weiteres Mittel eingesetzt worden, den Anspruch auf Königsherrschaft nachhaltig zu dokumentieren. In Urkunden für die Bischofskirche von Orleans, das Kloster des hl. Launomarus in Curbio und für Ferneres wurde im Jahre 843 fiir König und Reich, das Gemeinwohl aller - tociusque publice rei statu - , für Kaiser Ludwig, für Karls Gemahlin und zukünftige Nachkommen gebetet. Doch während der Auseinandersetzung um neustrische Gebiete zwischen Lothar und Karl im Herbst des Jahres 841 hatte Lothar in St-Pierre-des Fosses an der Seine gezielt eine dynastische Memoria errichtet, fiir sich, seine Gemahlin und seine Kinder, wenig später gleichermaßen in dem Kloster Nesle-la-Reposte im Gau von Morvois. 16 Die Intention der dynastischen Memoria in jener Zeit, einen Herrschaftsanspruch durch konstante Wiederholung im Zyklus der Liturgie auch im Gedächtnis der Menschen immer wieder zu aktualisieren, wurde besonders deutlich in dem Gebetsgedenken, das Pippin I. 836 im Kloster St-Julien-de-Brioude einrichten ließ, damit ihm und seiner Familie die Königsherrschaft im Unterkönigreich Aquitanien erhalten bliebe. Unter den genannten Familienmitgliedern der vorhergehenden Generation fehlt freilich Ludwig der Fromme, der damals wohl bewußt übergangen wurde, weil er aquitanische Gebiete für Karl II. vorgesehen hatte. 17 Die ersten Regierungsjahre Karls II. waren von der Diskussion um die innere Ordnung des westfränkischen Regnums geprägt, die während der Bruderkriege und damit erheblich vor der Reichsteilung von Verdun eingesetzt hatte und mit dem „Gesellschaftsvertrag" von Coulaines nicht beendet war. Im Ergebnis war festzustellen, daß Karls Königsherrschaft fiir modifizierbar gehalten wurde und modifizierbar war und vor allem als ein von Vorbedingungen abhängiges Herrschaftsmodell konzipiert wurde. Es ließen sich zwei grundlegend unterschiedliche Ansätze im Kontext der Quellen ermitteln: Die weltlichen Magnaten forderten eine weitere Mitbeteiligung an der Königsherrschaft, deren tragfähige Konditionen sie für Karl II. und für sich erkämpft hatten, auch aufgrund ihrer Rechtsstellung bei den Straßburger Eiden. Die Geistlichkeit hingegen favorisierte eine tiefgreifende Reform aller Gesellschaftsschichten und damit die Kontrolle der Ordnungsstrukturen durch kirchenrechtliche Normen und moralische Leitlinien. Das vorgelegte Reformprogramm der Konzilien von Meaux-Paris von 845/46 und zuvor von Ver 844 scheiterte dann daran, daß es von Karl II. im Gremium der weltlichen Magnaten nicht approbiert wurde. In diesem war die gleichermaßen für notwendig befundene Veränderung des Reiches zum Besseren als Form der Zukunftsfiirsorge auf anderer Ebene und nach anderen Prämissen diskutiert worden; denn mit den Bedeutungsinhalten von res publica und utilitas publica wurden Herrschaftsvorstellungen aktualisiert, die die Gleichwertigkeit der Mitglieder des herrschenden Personenverbandes intendieren und nicht das Prinzip von Über- und Unterordnung. 18 Dieses blieb freilich als Konstante im Bezugssystem der christlichen Herrschafts- und Gesellschaftsordnung verankert, wurde aber durch die Diskussion der Gleichwertigkeit der Mitglieder abgeschwächt.
16 17 18
Vgl. bei 2.5.4. A. 268. S. bei 4.1. A. 61. Vgl. o. bei Punkt 2.4.3.
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Dadurch waren die Einung weltlicher und geistlicher Magnaten im Vorfeld des Vertrages von Coulaines möglich gewesen, der Karl als letzter beitrat, sowie die Konzeption der Regnumsstrukturen in diesem Text bei Beteiligung aller. Am Vorrang der sakral legitimierten Königsherrschaft Karls II. wurde damals nicht „gerüttelt", jedoch durch gegenseitige Sicherheitsgarantien - vor Willkürhandlungen und Unruhestiftung - das Herrschaftsgeftige neutralisiert und Karl wohl auch dadurch das Gewaltmonopol entwunden, daß die Strafverfolgung bei Unruhestiftung im Reich nach Kirchenrechtsnormen festgelegt wurde: nach dem Prinzip von Reue und Buße und durch Anwendung von Kirchenstrafen. Dieser Wandel der Ordnungsstrukturen war auch ein Wandel der persönlichen Bindungen. Karls Gefolgsleute sind fideles und vasalli nostri, auch foederati, amici mit unterschiedlicher Intensivierung der Bindungen, die bei außergewöhnlicher Machtposition einzelner Magnaten veränderbar erschienen. Die in den Quellen erkennbaren Formen der Modifizierung vasallitischer Bindungen - etwa durch Sohneskommendation bei gleichzeitiger einseitiger Reduktion der Verpflichtungen des Vater unter dem Gesichtspunkt einer föderativen Allianz oder aber die wechselseitige Zuordnung zweier Gefolgschaftsverbände und ihrer Könige bei den Straßburger Eiden, um die Eckpunkte der Möglichkeiten anzuführen - bestätigten die Beobachtung von Gerd Tellenbach, daß Willensbildung und Handeln in karolingischer Zeit vor allem ein kommunikativer Vorgang ist. 19 In der Auseinandersetzung Karls II. mit Bernhard von Septimanien waren die auf beiden Seiten möglichen „Spielarten" für eine Konfliktaustragung und Konfliktlösung im vasallitischen Bezugssystem angewandt worden, wobei sich Karls Königsherrschaft in jeder Hinsicht als tragfähig erwies: Durch Umstrukturierung im südlichen Aquitanien war die Anbindung der kirchlichen Institutionen und der wirtschaftlich wichtigen Zwischenschichten der Bevölkerung an die Königsherrschaft erreicht worden bei gleichzeitiger Ausschaltung des potentiellen Gegners. 2 0 Auf der Generalsynode vom Oktober 844 in Yütz war auf der Basis der Textgestaltung des Vertrages von Coulaines von kirchlicher Seite ein Konzept für den Fortbestand des Gesamtregnums entworfen worden, das die königlichen Brüder approbierten. Das erklärte Ziel war die kirchliche Einheit des Frankenreiches sowie vordergründig die Besetzung der noch vakanten Bischofsstühle. Allerdings läßt sich auch der Versuch nachweisen, durch restaurative Bestrebungen die im Vertrag von Coulaines konzipierte Ordnung des westfränkischen Regnums zu unterlaufen. In Yütz waren nämlich der mit dem Präliminarfrieden von Mellecey/Ansille und der Teilung von Verdun verkündete Reichsfrieden und die beschlossene Kontinuität der Gesamtkonzeption des Karolingerreiches unter der Leitidee der Fraternitas und der fraterna concordia bewußt negiert worden, da im Text von einer immer noch anhaltenden discordia der königlichen Brüder die Rede ist, und eine Einigung auf der Basis der hierzu antithetisch verstandenen Caritas-Idee als Lösung vorgeschlagen wird. Es konnte gezeigt werden, daß dieser Gedanke dem Text von Coulaines entnommen worden war, in welchem mit Caritas und magnanimitas die Haltung der Genossenschaft der weltlichen Magnaten umschrieben wurde. In Coulaines war allerdings Karl II. die Führung der Kirche seines Regnums zugesprochen worden, welche in Yütz in ihrer Bedeutung herabgesetzt werden
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Vgl. bei 2.1. A. 10. S. bei 4.1.
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sollte durch die Betonung der kirchlichen Einheit des Frankenreiches als zentrale kirchliche Institution. Die damals von geistlicher Seite propagierte Reichseinheit erwies sich in den Krisengebieten Karls II., in Aquitanien und im bretonischen Grenzraum dennoch als Stütze seiner Herrschaft, nicht nur weil Pippin II., Nomenoe und der Widone Lambert zu Feinden des Gesamtregnums erklärt wurden, sondern vor allem weil im bretonischen Grenzraum solange die Herrschaft der karolingischen Brüdergemeinschaft anerkannt blieb, bis im Vertrag von Angers im Jahre 851 die Einigung zwischen Nomenoes Sohn Erispoe und Karl II. möglich geworden war. 21 Synodalbeschlüsse mußten in jenen Jahren von den Königen und in weltlichen Gremien approbiert werden, um für das Gesamtreich oder im Westfrankenreich Geltung zu erlangen. Dies geschah durch gezielte Textauswahl oder - wie hinsichtlich der Beschlüsse von Ver durch Ablehnung der kirchlichen Initiative. Durch die nachweisbaren Beratungen über die Entwürfe des Vertrages von Coulaines auf den Konzilien von Germigny und Lauriere wurden konträre Interessen geistlicher und weltlicher Magnaten deutlich, ferner daß Bestrebungen von geistlichen Magnaten, durch Gesetzesentwürfe sie begünstigende Veränderungen zu bewirken, dadurch gesteuert werden konnten, daß der Consensus der weltlichen Magnaten einzuholen war. Insgesamt läßt sich eine starke Stellung des Königs und der weltlichen Magnaten belegen. Spitzenmagnaten und deren Vasallen wurden von Karl II. für treue, während der Zeit der Bruderkriege geleistete Dienste mit kirchlichen Besitzungen in Form von Prekarien oder Klöstern belohnt: so Graf Odulf mit der cella des hl. Jodocus, zugehörig zum Kloster Ferneres, oder Karls Kämmerer Vivian mit den Abteien von St-Martin-de-Tours und 845 Cunault an der Loire. Der Vorrang der geistlichen Magnaten war im Westfrankenreich solange umstritten, bis mit Hinkmar von Reims der Primat kirchlicher Rechtsnormen neu verankert wurde. Während der ersten Regierungsjahre Karls belegen freilich weltliche Magnaten die Plätze neben dem König. Entspricht dem nicht auch die Darstellung der Adelsgesellschaft auf dem Thronbild Karls II. in der Viviansbibel aus diesen Jahren? Dort wurde eine Momentaufnahme festgehalten und zugleich eine politische Aussage ins Bild gebannt, welche die in den Quellen erkennbare Rangordnung hinsichtlich der Frage von Königsnähe fiir weltliche und geistliche Magnaten bestätigt: Karl thront erhaben auf einer Wolkensphäre in der Mitte der oberen Bildhälfte; über ihm ist der Bereich des Göttlichen durch drei Schleier abgeteilt. Die Hand Gottes weist von oben auf den König. Neben ihm stehen auf der Wolkenbank vier weltliche Magnaten; die Innenstehenden stützen den Thron an beiden Seiten, wobei die rechte Person als der Stifter der Bibel, Graf Vivian, identifiziert werden kann. In seiner Funktion als Laienabt weist er mit der rechten Hand auf die im unteren Bildbereich von den Mönchen des Martinsklosters von Tours hergestellte und dem König nunmehr präsentierte Bibel, welche Karl durch eine Geste mit der rechten Hand entgegennimmt. In der unteren Bildhälfte wurde halbkreisförmig eine Gruppe von Geistlichen piaziert. Die Handgesten der einander gegenüberstehenden Personen lassen den eifrigen Disput erkennen; am rechten Bildrand
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Vgl. bei 3.5.3. A. 119ff.
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agiert zwischen beiden Ebenen im Raum ein weltlicher Magnat, die Aussagen der Geistlichen offenbar an die höher stehenden weltlichen Magnaten vermittelnd. Dieses Dedikationsbild spiegelt ein soziales Ordnungsgefüge, in dem genau unterschieden wurde nach dem Rang der Einzelpersonen und der Stände. Auffälligerweise wurde hier Königsnähe - in Form eines Platzes auf der Wolkensphäre, die Karl umgibt - von keiner der vertretenen geistlichen Personen erreicht. 22
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Vgl. Die Handschrift Paris B.N. Ms. lat. 1, fol. 423r, datiert auf das Jahr 846, zuletzt abgebildet bei N. STAUBACH, R e x c h r i s t i a n u s , A b b . 6 u. in „ L a N e u s t r i e " , e d d . p. P. PERIN ET L . - C H . FEFFER, S. 2 3 9 ;
dazu ebd. die Beschreibung der Illuminationen der Handschrift mit Literaturhinweisen.
Quellen- und Literaturverzeichnis
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Personen- und Ortsregister
A b k ü r z u n g e n : A. = Abt/Äbtissin; Bf. = Bischof; bibl. = biblisch; Ebf. = Erzbischof; Fl. = Fluß; Gf. = Graf; G e m . = G e m a h l / G e m a h l i n ; Hl. = Heilige/Heiliger; Hz. = H e r z o g ; K. = Kaiser, Kaiserin; Kg. = König, Königin; Kl. = Kloster; M. = Mutter; M g f . = M a r k g r a f ; P. = Papst; Pf. = Pfalz; Pgf. = Pfalzgraf; span. = spanisch; To. = Tochter; V. = Vater.
Aachen Pf. 27, 39, 50, 65, 92, 103, 111, 114, 121, 129, 139, 1 4 1 - 1 4 3 , 146, 1 5 1 153, 1 5 5 - 1 5 7 , 161, 163f„ 166f„ 172f„ 177, 179, 185f., 191, 198, 2 1 3 f „ 250, 252, 283, 301f. A b r a h a m bibl. Gestalt 94. Actard Bf. (v. N a n t e s ) 247, Adalbert Gf. (v. Metz) 35, 65f. Adalgar ( M a g n a t ) 125f. Adalhard A. (v. Corbie) 15, 282. Adalhard Gf. 21, 42, 77, 80f., 84, 86, 98, 104, 106, 118f„ 122, 135, 158, 162f., 170, 177, 1 9 9 , 2 1 4 , 2 3 0 , 2 3 4 , 2 4 8 , 2 5 1 . Adrevald v. St-Benoit-sur-Loire (Hagiograph) 82f. A d u l f u s A. (v. Les Escaules) Agambert (Mönch) 157. Aggsbach 275.
266, 272.
Agila (s. Igila) Agnellus v. Ravenna (Chronist) 77, 81. A g o b a r d Ebf. (v. Lyon) 113, 143f., 247f. A i m o i n v. St-Germain-des-Pres (Hagiograph) 65. Aisne Fl. 109. Albigeois 264. Aldrich Bf. (v. Le Mans) 62f., 90, 93, 9 6 -
98, 119, 123, 170, 1 9 1 , 2 2 7 , 2 4 6 , 2 9 3 , 299. A l e m a n n i s c h e Gebiete
38,104.
A l f o n s Kg. (v. Asturien) 94. Alpen 21, 48, 75, 91, 102f., 1 6 1 - 1 6 3 , 196, 252, 2 9 7 . AlsenserGau 131. Altheus Bf. (v. A u t u n ) 147. Alz Fl. 276. A m b r o s i u s Ebf. (v. M a i l a n d ) 44. A m e r Kl. 264f. A m u l u s Ebf. (v. Lyon) 1 4 3 - 1 4 6 , 148f., 166, 2 9 0 , 2 9 2 , 3 0 1 . Angers 241,245,262,307. Angilberga/Engilberga K. 36, 68. Angilbert A. (v. St-Riquier, Gelehrter) 34, 175, 1 7 8 - 1 8 2 . Angilbert (Poet) 77, 80f. Angouleme 53. Angoumois 177, 179, 2 6 0 f „ 273, 276. Anjou 277. Ansegis A. (v. St-Wandrille) 291. Ansille (Saöneinsel) 147, 149, 153, 158f„ 161f., 164f., 167, 171 f., 176, 1 9 4 , 2 0 0 , 253, 301 f., 306. Aquitanien
17, 19, 23, 31, 34, 35, 3 7 - 4 0 ,
338 44, 46f., 52-55, 57, 61, 66, 73, 89f., 92, 102, 104, 109, 117, 152, 161, 164, 167, 175, 186, 189f., 1 9 5 , 2 4 1 , 2 4 6 - 2 4 8 , 2 5 2 , 258-261, 263f., 268f., 273-277, 280, 295f., 302, 305-307. Arcadius K. 44. Arnolf von Kärnten Kg./K. 12, 23f., 41, 68, 1 4 7 , 2 5 2 , 2 6 4 . Arnulf Mgf. (v. Flandern) 64. Arnulf A. (v. St-Martin-d'Autun) 132. Arras 197. Artaxerxes Kg. (der Perser) 237. Astronomus (Biograph) 44, 91 f., 102, 268. Ato (span. Flüchtling) 265. Attigny Pf. 44, 57, 59, 61, 63, 65-68, 83, 85,90, 105, 116, 118, 123, 147, 176,242, 300. Atto (Vasall) 191,230. Audradus Modicus Chorbf. (v. Sens) 288. Augustus Κ. 157. Augustinus 43, 101, 106f., 160, 181, 222, 238. Aurelianus Reomensis (Musiktheoretiker) 145 f. Aurelius Victor (Historiograph) 240. Aurifolio 266,270. Austrien 114f., 196, 298. Autbert Gf. (v. Avallon) 53. Autun 59, 131, 144f., 1 4 7 , 2 4 2 , 2 9 0 , 3 0 1 . Auvergne 269. Auxerre 39, 70, 73, 78f„ 84, 118, 131, 158, 173. Auxois 131 f. Avallon 131. Avens 262,265. Awaren 275. Babylon 154. Banyoles Kl. 264f. Barcelona 2 6 4 , 2 6 7 , 2 7 1 . Baldricus (Magnat) 201. Bar-le-Duc 197. Bar-sur-l'Aube 131. Basilius K. (Byzanz) 157.
Personen-
und
Ortsregister
Basken 38. Baudonivia (Hagiographin) 181. Bayern 31,33,40,46,49,65,92,102104, 122, 152, 161, 167, 189, 195, 202, 252, 259, 275f. BeauvaisPf. 119,288,291. Bego Gf. 246. Benedictus Levita 289. Benedikt A. (v. Aniane) 32. Beranus Mgf. (v. Barcelona) 268. Berarius Ebf. (v. Narbonne) 267f., 272,. Bernhard (Kg. v. Italien) 21, 55, 102, 274. Bernhard Mgf. (v. Septimanien) 52, 5 7 61, 85, 90, 93-96, 99, 104, 1 17f., 248, 261 f., 264f., 268f., 271 f., 280, 302, 306. Bernhard Mgf. (v. Gotien) 2 6 5 , 2 7 3 . Bernhard Gf. (v. Poitiers) 62, 246, 268. Bernhard/Berno/Bernus A. (v. Reome) 144-147,290,301. Bernward Bf. (v. Hildesheim) Berny (Königshof) 120. Besalu 264-266f. Besanfon 197. Beziers 264, 266, 268, 272. Bielach 276. Blain 242,255.
101, 108.
Bois de Briottes (Waldgebiet) 78f. Boisselle (im Parisis) 129. Bonneuil-sur-Marne 126. Bordeaux 268. Bossia Fl. 266. Bourges 52-54, 57, 59-61, 64, 90, 143, 147, 264. Brabant 197. Bretagne 23, 191, 208, 240, 242. Bretonen 57, 227, 243, 245f. Bretonische Mark/Raum 39, 55, 62, 129, 186, 197, 199, 240-242, 245f., 255, 262. Brittas 77-79. Buisson Hery (Höhenzug) 79-81. Burchhard Bf. (v. Worms) 289. Burgund 23, 39, 65, 124, 132, 143, 164, 190. Burgundische Raum 60, 158, 301.
Personen- und Ortsregister Byzanz Cambrai
339
30,122,149,160,202. 197.
Castel-Ferrus (bei T o u l o u s e ) 270. Castres Kl. 264. C e n s e r a d a (kgl. Villa) 270.
262, 265,
Centullus A. (v. St-Polycarpe) 267, 273. Cerdagne 197,269. Chälons-sur-Marne 34f., 6 8 - 7 0 , 83, 85, 118, 120, 129, 13 lf., 139, 143, 1 4 8 , 2 4 8 . Chalon-sur-Saöne 60, 144f., 150, 166, 196, 2 9 0 , 3 0 1 . Chartres 55. Chiemgau 276. C h o r s o Mgf. (v. T o u l o u s e ) 268. Chlothar II. Kg. 49f. C h l o d w i g Kg. 232. Cicero 105f., 181. Cicila (hispanus) 266, 270. Clermont 39,53,144,275,277. C o m p i e g n e Pf. 119, 153, 242, 269. C o n q u e s Kl. 277. Conflent 197, 169. Conques 276. Corbeny 121 f. C o r b i e Kl. 294f. Cordoba 94,270. Coulaines 20, 26, 110, 141, 1 8 6 - 1 8 9 , 2 0 5 - 2 0 9 , 2 1 2 - 2 3 0 , 235, 238, 2 4 0 f „ 246, 250f., 2 5 3 - 2 5 5 , 257f., 274, 281, 2 8 3 286, 288, 290f., 294, 296, 299, 304, 306. Cunault Kl. 244, 307. C u r b i o / B e l h o m e r t Kl. 109, 231 f., 305. Dardeia ( K ö n i g s h o f ) 124. David bibl. Kg. 94, 2 3 7 - 2 3 9 , 304. David A. (v. St-Laurent) 266, 273. Deas (= St-Philibert-de-Grand-Lieu) Kl. 244. d'Albagnan 264, 266, 268, 270. d'Aspiran 264, 266, 268, 270. Devre 264,266. D i e d e n h o f e n Pf.
122, 124, 130, 165, 180,
192, 245, 251, 283f., 286. D h u o d a ( G e m . B e r n h a r d s v. S e p t i m a n i e n ) 94-96. D o d a A. (v. St-Clemens in N a n t e s ) 241. D o d o A. (v. Estree) 267, 273. Donnulus A. (v. Sant Pere d ' A l b a n y ä ) 265, 272. D o n z e r e Kl. 59. Douzy 247. D r o g o Ebf. (v. Metz) 45,75,121,145, 148, 166, 2 5 1 , 2 8 3 , 2 8 6 f „ 301. Eberhard Mgf. (v. Friaul) 167.
122, 151, 158,
Ebo Ebf. (v. Reims) 55, 120f., 248. Ebroin B. (v. Poitiers) 39f., 47, 90, 98, 170, 1 9 0 , 2 6 0 , 2 8 8 , 299. Eckhard Gf. (v. A m i e n s ) 269. Egbert Gf. 151,158. Eifel 149. Elias (hispanus) 266, 270. Elias A. (v. St-Marie de Lagrasse) 272.
265,
E l m e r a d u s Pfgf. 266, 268. Elsaß 31,130,132. E m e n o Gf. 62, 268. E m e n o Bf. (v. N o y o n ) 122. Emeter Hl. 265. England 205. Epernay 222, 2 8 9 - 2 9 1 , 2 9 3 - 2 9 5 . E p ö n e (arr. Mantes) 119. Epsarius (span. Flüchtling) 265. Erchanbert Bf. (v. Freising) 201. Erich/Ericus ( M a g n a t ) 61, 63, 93, 98. Erispoe ( B r e t o n e n f u h r e r ) 241, 307. E r m e n g a r d K. ( G e m . Ludwigs d. Fr.) 277, 279. E r m e n g a r d K. ( G e m . Lothars I.) Ermentrud Kg. ( G e m . Karls II.)
9 8 f „ 302. 162f.,
199, 248. Ermentarius ( H a g i o g r a p h ) 116. E r m o l d u s Nigellus (Poet) 25, 44, 92, 279. Ester Kg. (bibl. Gestalt) 237. Estree/Indre/St-Genou Kl. 108, 263f., 267.
Personen- und Ortsregister
340 Eure Fl.
279.
Fagit 7 7 , 7 9 . Faremoutier Kl. 108. Ferneres Kl. 68, 90, 191, 235, 305, 307. Flavigny Kl. 5 9 , 2 1 4 . Flodoard (Annalist) 120. Florus v. Lyon (Poet) 170, 184. Fontenelle/St-Wandrille Kl. 64f., 117, 243 f. Fontenoy 13f., 29f., 42f., 49, 51, 61 f., 7 3 75, 77-87, 89, 93f., 96, 98, 103, 105, 111-114, 116-119, 121f., 130, 134f., 140, 143, 147f., 151, 158, 163, 169, 171, 173, 175-177, 191, 1 9 7 , 2 0 6 , 2 1 3 , 2 4 2 , 250, 297, 300, 302. Fontjoncosa 266, 270. Fosses Kl. 9 7 , 1 0 8 . Francia/Franzien 18f., 38, 41, 55, 103, 119f., 124, 128f., 141. Franco Bf. (v. Le Mans) 97. Frankfurt Pf. 3 6 , 5 3 , 2 7 5 . Frankenreich 12, 16, 1 8 , 2 4 , 3 1 , 3 7 , 3 9 , 42f., 4 5 - 4 8 , 50, 75, 91, 139-142, 150, 153, 157, 159, 161, 185, 187, 190f., 196, 199-201, 206, 241, 258, 286, 297, 3 0 5 307. Frankreich 28. Frechulf v. Lisieux 84. Fredegar (Chronist) 181. Friesland 39, 142. Froysclus A. (v. Sureda) 266, 272. Fulco A. (v. Fontenelle) 64. Fulda Kl. 131,149. Gailinus (Vasall) 191. Gallien 192. Gauzbert Gf. 98, 246. Gauzbert (Diakon) 275f. Genesius Hl. 265. Genulfus Hl. 263. Georg Ebf. (v. Ravenna) 77, 81, 83, 111. Gerardus princeps 53. Gerhard (Magnat) 98.
Gerhard Gf. (v. Bourges) 39, 143-145, 166. Gerhard Gf. (v. Limoges) 143. Gerhard Gf. (v. Paris) 55, 64, 143, 197. Gerhild M. (Aldrichs v. Le Mans) 96. Germanus Hl. 260. Germigny-sur-Pres 147, 2 2 8 - 2 3 0 , 2 3 2 234, 254f., 282, 307. Gerona 2 6 3 f , 267. Gisela Gem. Eberhards v. Fraul 151. Giselbert Gf. (v. Maasgau) 54, 121 f. Gislibertus A. (v. Castres) 2 6 7 , 2 7 3 . Godelsad Bf. (v. Chalon-sur-Saöne) 145, 290. Görtschitz Fl. 276. Gregor d. Große P. 106, 192, 238, 289. Grünz 276. Gundemar Bf. (v. Gerona) 263, 267f., 272. Gundhard Gf. 269. Gunhardus Bf. (v. Nantes) 244. Guntbald Ebf. (v. Rouen) 292. Guntbold (Magnat) 54, 64, 93, 118. Gurk Fl. 276. Hadrian P. 198. Hamadeus (Vasall) 36. Hansemundus (presbyter) 266, 270, 272. Harduin Gf. 230. Hariulf (Chronist) 177f., 181. Haspengau 12 If. Hatto Gf. 139. Helena (Μ. K. Konstantins) 181. Heimo (ministerialis Arnolfs v. Kärnten) 147. Heinrich I. Kg. 44. Heinrich II., Kg./K. 12,91,108. Heinrich von Mügeln (Dichter) 220. Herbauge 246. Hermann Bf. (v. Nevers) 59, 147. Heriricus A. (v. St-Lomer) 230. Heriveus Gf. 62f., 246. Hermann (Vasall) 128. Herold/Heriold (Dänenführer) 25, 130,
Personen- und Ortsregister
341
139. Herrieden Kl 275f. Herstal Pf. 148. Hetti Ebf. (v. Trier) 149,166,186. Hildegard Kg. (Gem. Karls des G r o ß e n ) 19. Hildegard (Schw. Lothars I.) 125-128. Hildricus (fidelis) 265, 270. Hilduin A. (v. St-Denis) 55, 65, 128. H i n k m a r Erzbf. (v. Reims) 15, 21, 23, 28, 93, 100, 102, 106f., 1 12, 135, 140, 161, 163, 168, 170, 201, 203, 227, 238, 242, 247, 282, 2 8 8 - 2 9 1 , 296f., 307. Hispani
264, 266, 270f.
H o n o r i u s K. 44. H o r a z (Poet) 237. H r a b a n u s M a u r u s A. (v. Fulda) 27, 112f., 130f., 148f., 159f. H u g o A. (v. St-Quentin) 75, 121 f., 124, 159, 166, 179, 1 9 1 , 2 3 4 , 2 5 1 , 3 0 1 . Hugo (Magnat) 54. Hunfrid Mgf. (v. Gotien) 273. H u n r o c (presbyter) 275. Igila/Agila A. (v. Senterada) 266, 273. Ingelheim Pf. 37, 44, 52, 55. Ingelbert A. (v. St-Pierre-des-Fosses) 121, 124. Ingeltruda 277,279. irmingard To. K. Ludwigs II. 68. Isembert/Isembardus Gf. (v. M ä c o n ) Isidor Bf. (v. Sevilla) 236.
147.
Israel 154f., 169f. Israeliten 115. Italien I 8 f „ 21, 23, 27, 32, 39, 41, 47, 61, 92 f., 102, 104, 141, 148, 151, 157, 163, 1 9 5 , 2 5 2 , 2 5 9 , 2 7 4 , 298. J o d o c u s Hl. 191,233-235. J o h a n n e s (V. T e o d t f r e d s ) 270. Johannes Chrysostomos 238. Jonas Bf. (v. Orleans) 17, 53, 1 0 9 , 2 0 1 . Jonas Bf. (v. A u t u n ) 147. Joseph (bibl. Gestalt) 94.
Josippus ( M a g n a t ) 151,158. Judith Κ. 17, 20, 36f., 39, 44, 47f., 5 4 f „ 65, 68, 94, 97, 102, 105, 151, 158, 2 4 7 249, 302. Judith Kg. (To. Karls I I . ) 274. Jumieges Kl. 117,277. Kärntner M a r k / K ä r n t e n 264, 276. Kapetinger 28. Karl der G r o ß e , Kg./K. 12,17,19,24,34. 47, 50, 71, 75, 91f., 9 6 f „ 102, 104, 106, 116, 121 f., 141, 143, 145f., 157, 1 5 9 161, 174f., 1 7 7 - 1 7 9 , 181, 1 8 3 - 1 8 5 , 189, 195, 202, 222, 268, 270, 275f., 282, 287. 289, 2 9 1 f . , 2 9 7 . Karl II. (der Kahle) Kg./K. 1 2 - 1 4 , 17, 19-77, 79-94, 97-100, 102-111, 114129, 1 3 1 - 1 4 8 , 1 5 1 - 1 5 6 , 1 5 8 - 1 6 6 , 1 6 8 172, 1 7 5 - 1 8 3 , 1 8 5 - 1 8 7 , 1 8 9 - 1 9 2 , 1 9 5 209, 2 1 2 - 2 1 7 , 2 2 1 - 2 2 5 , 227f., 2 3 1 - 2 3 3 , 235-255, 257-264, 267-276, 278-285, 288, 2 9 0 - 2 9 2 , 2 9 4 - 3 0 8 . Karl III., Kg./K. 12,23,68. Karl Kg. (der Provence) 204. Karl von Aquitanien, Ebf. (v. M a i n z ) 274. Karlmann (S. Karls II.) 20, 274. Karlmann Kg. (S. Ludwigs d. Dt.) 139. 252, 264. Karlmann Kg. (S. Ludwigs d. S t a m m l e r s ) 265. Karolingerreich 15, 22, 46, 51, 216, 2 7 5 . 297. KobboGf. 158. Koblenz 104,139,148,165,176,180, 185, 192, 194f., 201, 203f., 251. Köln 148, 150. Kohlenwald 54, 75, 93, 1 1 5 , 1 5 9 . Konrad I. Kg. 44. Konrad II., Kg./K. 12,127,213. Konrad Gf. (v. Auxerre) 98, 1 5 8 , 1 7 0 . Konstantin K. 181. Konstantinopel 44, 157. Lagrasse Kl.
264.
342 Lambert II. Gf. (v. Nantes u. Angers) 6 1 63, 93, 1 19, 131, 208, 227, 241-243, 245-247, 255, 284, 307. Lambert v. Hersfeld (Annalist) 149. Langobardia/Lombardei 104, 152, 161, 167, 202. Langres 59, 117, 120f., 145. Laon 121,125-128,163,176,304. Lauriere 225, 228f., 254f„ 274, 282, 288, 296, 307. Lazarus A. (v. Cubieres) 266, 272. Le Defens 79. Le Mans 61-64, 67, 90, 97f., 118f., 208, 246, 301. Leo IV. P. 159,199. Leo Bf. (v. Vercelli) 91. Le Perche (Waldgebiet) 129. Limoges 38f., 53, 246, 262, 275. Liupramm Ebf. (v. Salzburg) 276. Lobbes Kl. 234. Loing Fl. 66. Loire Fl. 39, 54-58, 63, 90, 92, 97, 103, 117, 129f., 190, 197, 200, 242, 244, 246f., 275, 293, 297, 307. Lothar I. K. 14, 18-22, 24-29, 32f., 3 6 68, 70-77, 79-93, 97-100, 102-106, 112-114, 117f., 121-126, 128-135, 137— 143, 147-153, 155-167, 169-171, 173, 176, 179f., 183f., 186f., 190-192, 194, 196-200, 203, 208f., 224, 228, 241, 243, 245, 250-252, 257, 259, 261, 264, 284, 297-303, 305. Lothar II. Kg. 204. Lotharingien/Lothringen 23, 195, 197. Ludwig (der Fromme) Kg./K. 13f., 16-19, 21, 2 3 - 2 7 , 29-32, 35^42, 4 4 ^ 7 , 49-55, 57, 59f., 62, 64f., 71, 75, 78, 87-89, 9 1 9 3 , 9 5 - 9 9 , 102, 104-106, 109f., 112, 116, 120, 123, 125, 133, 141, 144, 146, 151154, 156-160, 162-164, 171, 174-177, 179-181, 184f., 189f., 195, 201f., 205, 209, 222, 224, 226, 231-233, 241f., 244, 247f„ 250f., 253, 255, 258, 260-265, 267-271, 274f„ 277-279, 282f„ 286,
Personen- und
Ortsregister
289, 291 f., 297-302, 305. Ludwig II. K. 36, 157, 160f., 204. Ludwig (der Deutsche) Kg. 14, 19, 21f., 26, 31, 36f., 39f., 42, 45f., 48f., 51-53, 55, 57f., 66, 68-77, 79-82, 84-87, 89-91, 102f., 105, 114, 117, 120-123, 125f., 129-143, 145, 147-153, 155f., 158, 160, 163-166, 170-172, 176, 180, 183, 187, 192, 196, 198-201, 204, 206, 227f., 242, 251, 254, 259, 275f., 278, 281, 284, 300, 303. Ludwig (der Stammler) Kg. 12, 19, 93, 112. Ludwig III. K. (d. Blinde) 68. Ludwig A. (v. St-Denis) 47, 129, 181, 288,299. Lungau 276. Lupus A. (v. Ferneres) 26, 28, 53f., 66, 68, 90, 109, 135, 143-145, 149, 157, 170, 191, 233-240, 255, 269, 288f., 304. Lügenfeld 3 2 , 6 4 , 1 1 1 . Lüttich 121 f. Lyon 139, 143-145, 148, 166, 197, 290. Lyonnais 144, 151. Maas Fl. 41, 49, 53-57, 67f., 103, 117, 121, 123f., 142f., 148, 155, 158, 187, 190f., 196f., 252, 301. Maasgau 54, 121. Maasgebiete 39, 57, 122, 124, 134, 159. Maastricht 118,122. Mäcon 147,161,196,214,249. Maine 63, 97f„ 129-131, 246. Mainz 44, 121, 127, 138f. Malaste en Carcasses 276. Marchiennes Kl. 147. Marmoutier Kl. 247f., Marne Fl. 109,121,124,126. Meaux/Paris (Konzil) 192, 222f., 228f., 283f., 288-292, 294, 296, 305. Meersen 195f., 198, 203f., 208, 245, 252, 290. Melk Kl. 276. Mellecey 22, 100, 150-153, 155-157,
Personen- und Ortsregister 162, 167, 173, 179, 186, 284, 302, 306. Melun 115. Mettlach Kl. 149. Metz 161,165,176,180. M i c o ( M ö n c h v. St-Riquier) 177, 179. Mildrut ( G e m . Heimos) 147. Mirabilis (presbyter) 266, 270, 272. Mittelreich 23, 2 7 f „ 141, 197, 203, 250. M o d o i n Bf. (v. Autun) 53, 144, 146f., 191. Mötsch 149. M o n d s e e Kl. 275. Morvois (Gau) 125,305. M o s e s (bibl. Gestalt) 84, 94. Mosel Fl. 103, 138f., 143, 148f., 172, 176.
343 Oberrhein 66. O d o A. (v. F e r n e r e s ) O d o A. (v. Glanfeuil)
O d o Gf. (v. Orleans) 163. OdulfGf. 191,233-235,307. Oise Fl. 109. OlibaGf. 276. Orleans 33, 38, 5 4 - 5 6 , 58f., 61, 63, 65, 67, 84, 8 8 - 9 2 , 103, 109, 115, 151, 186, 191, 228, 287, 295, 298, 3 0 1 f „ 305. Ornois 197. Orosius (Historiograph) 43f. Ortiuineas (kgl. Villa) 197. Ostfränkisches Reich/Ostfrankenreich 12, 23,28, 188,203. Ostmark
N a n t e s 62, 119, 2 4 0 - 2 4 3 , 2 4 5 - 2 4 7 , 255. Nantais 243,246f. N a r b o n n e 263, 265, 267, 270. Narbonnais 263. N e b e l o n g Gf. 277, 2 7 9 . Nesle-la-Reposte Kl. 125,305. Neustrien 18, 23, 31, 5 4 f „ 114f., 118f., 121, 131, 134, 138, 197, 2 4 2 , 2 9 8 . Neuville-sur-Sarthe 97. Nevers 59f. Niederaltaich Kl. 275. N i k o l a u s 1. P. 248f. Nlmois 264,267. N i m w e g e n Pf. 36. Nithard (Historiograph) 12, 24, 2 6 - 2 8 , 3 3 - 3 7 , 4 0 ^ 1 3 , 5 2 - 6 1 , 63f., 66f., 6 9 - 7 1 , 73, 7 5 - 8 2 , 84f., 89, 9 5 f „ 9 9 - 1 0 6 , 1 ΙΟΙ 16, 1 1 8 - 1 2 0 , 122f., 1 2 5 - 1 3 6 , 1 3 8 - 1 4 2 , 147f., 151 f., 158f., 1 6 1 - 1 6 5 , 1 6 7 - 1 8 7 , 192, 194f., 198, 2 2 6 f „ 262, 300f., 304. N o i r m o u t i e r (Insel) 244. N o m e n o e ( B r e t o n e n f ü h r e r ) 61 f., 130, 208, 2 4 1 - 2 4 3 , 2 4 5 - 2 4 7 , 255, 284, 307. N o r d g a u (Bayern) 189. Normannen 65, 72, 99, 116f„ 141, 150f„ 154f., 158, 243f., 246f. N o t r e - D a m e d ' A r l e s Kl. 264, 267. N o t o Ebf. (v. Arles) 266, 268, 272.
53f., 66. 98.
264,275.
Otbert ( M a g n a t ) 65. Otgar Ebf. (v. Mainz)
6 5 f „ 1 3 0 - 1 3 2 , 139.
Othe ( W a l d g e b i e t ) 66. Otlinga Saxonia ( G a u ) 230. Otto I. Kg./K. 21. Otto III. K. 108. O u a n n e Fl. 79. Pallars 263. P a n n o n i s c h e Mark 264. Paris 5 4 , 6 5 , 9 2 , 115, 1 1 8 - 1 2 0 , 126, 158, 248, 283, 288, 292, 2 9 4 . Passau 275. Paulus (Märtyrer)
160.
Paulus Diaconus 19. Pippin Kg. 145. Pippin Kg. (v. Italien) 157. Pippin I. Kg. (v. Aquitanien) 17, 19, 31, 37f., 44, 4 6 f „ 53, 102, 105, 259f., 2 6 3 f „ 2 6 6 f „ 2 7 5 - 2 7 9 , 305. Pippin II. Kg. (v. Aquitanien) 39, 4 6 ^ 8 , 5 1 - 5 3 , 55, 57, 6 0 - 6 2 , 7 3 - 7 6 , 7 8 f „ 8 1 f „ 86, 89, 99, 117f., 122, 125, 129, 144, 164, 179, 195, 200, 252, 2 5 9 - 2 6 2 , 269, 271, 2 7 3 - 2 7 5 , 280, 284, 2 9 5 f „ 301, 307. Pippin Gf. (s. Kg. Bernhards v. Italien) Pitres Pf. 246. Poitiers 4 7 f „ 268.
55.
344 Poitou 98, 246, 260, 276. Ponthion 147,281. Provence 23, 57, 59, 90, 103, 204. Prudentius Bf. (v. Troyes, Annalist) 63, 101, 117f., 130, 136, 162, 169, 179, 192, 196f., 273f., 283, 289, 292, 294. Prüm Kl. 199. Psalmodi Kl. 264, 267-269. Pseudo-Cyprian 236, 238, 304. Pyrenäenraum 108, 202, 239, 246, 261, 263f., 268f„ 273, 280, 300, 302. Quentowick/Etable 243. Quierzy Pf. 39, 53f., 97, 118, 230, 258. Rabanus (signifer Karls II.) 122, 134. Radegundis Kg. 181f. Radulf Ebf. (v. Bourges) 266, 272. Raginardus (Vasall Warins) 147,214. Rainald Gf. (v. Herbauge) 53, 62, 119, 191,242,246,255. Ranemirus 266,270. Rasdorf (cella v. Fulda) 149. Ratbert (Historiograph) 32. Rather Bf. (v. Limoges) 39. Razes 263, 265-267, 270. Recesindus A. (v. Notre-Dame d'Arles) 267, 273. RedonKl. 241,245,247. Regino A. (v. Prüm. Chronist) 38, 168. Regnopolus (span. Flüchtling) 265. Reichenau 37. Reims 119-121, 199, 287f. Rennes 191,230,240,246. ReomeKl. 145. Rhein Fl. 35, 48, 65, 69f., 75, 103, 117, 122, 130, 132, 138f., 143, 148f„ 155, 301. Rheingebiete 18. Rheininsel 44. Rhone 103, 139, 143f., 151, 158, 164, 166, 196, 252. Ribagorza 263. Richbodo A. (v. St-Riquier) 122, 177-
Personen-
und
Ortsregister
179, 269. Richifredus A. (v. St-Aignan) 266, 273. Richildis Kg. (2. Gem. Karls II.) 248. Richwin Gf. (v. Nantes) 119, 227, 242, 269. Riculfus (Vasall Warins) 214. Ries 3 5 , 6 9 , 7 1 , 1 17. Ringart Kg. 279. Rivolus Burgundionum/ruisseau de St-Bonnet 79,86. Robertiner 28. Rom 27f., 32, 44, 102, 108, 121, 160f. Rorigo Gf. 97. Rorgoniden 47, 57, 62, 98, 119, 123, 128, 130f., 197, 227, 242, 246, 260, 275. Rothari Kg. (der Langobarden) 240. Rotes Meer 115. Rotrud (To. Karls des Großen) 47. Rouen 64, 116f., 243, 292. Roussillon 197,264,267,269. Rudolf (v. Fulda, Annalist) 48. Rudolf Gf. 163. Sachsen 27, 104, 150f. Saintonge 260. Salomon bibl Kg. 94, 169, 239f., 304. Sallust (Historiograph) 106. Salzburg 275f. Sambre Fl. 197. Samoussy 126f. Samuel Bf. (v. Toulouse) 265, 267f., 272. Sant Pere d'Albanyä Kl. 264f. Saöne 131, 135, 143f., 150, 155, 158, 164, 166, 196f., 252. Savonnieres 136. Scheide Fl. 187, 196f., 252. Schlei Fl. 202. Schwaben 52. Schwäbische Alb 65. Sedulius Scottus (Poet) 201. Seine Fl. 39, 53-55, 57f., 64-67, 90, 92f., 97, 103, 109, 115-117, 122-125, 128130, 143, 190f., 197, 242-244, 260, 275, 301, 305.
Personen- und Ortsregister
345
Senlis Pf. 59. Sens Pf. 66,118,125,129. Senterada Ki. 264, 266. Septimanien 57, 61, 90, 94, 266, 2 6 8 - 2 7 0 , 272, 300. Sergius P. 121. Servais 214,290. Sicfridus (Vasall) 197. Sigebert v. G e m b l o u x (Historiograph) 146.
St-Julien-de-Brioude Kl. 2 7 7 - 2 7 9 , 305. St-Laurent 263, 266. S t - L o m e r Kl. 228, 2 3 0 - 2 3 4 , 246, 255, 295. St-Marie de Lagrasse (= Banyoles) Kl. 264f. St-Marie de T o u l o u s e Kl. 263, 265, 268. St-Martin d ' A u t u n Kl. 248. St-Martin am M u g a (= Les Escaules) Kl. 264, 266.
Sigibert Kg. 182. Sigiwinus M g f . (v. B o r d e a u x ) 268. S i n t r e m u n d u s (Praepositus) 267, 273. Sinzig Pf. 103, 114, 138f., 142f., 148f.,
St-Martin-de-Tours Kl.
1 6 4 - 1 6 6 , 170, 173, 191, 250. Slawen 150. SoissonsPf. 119f., 291, 296. Solemnat/Solennat 77-79. Solignac Kl. 280. Sommegau 197. Spoleto 241. Straßburg 48, 108, 131f., 135, 143, 152, 190,204. St-Aignan (St-Chinian) Kl. 263, 266. St-Antonin en R o u e r g u e Kl. 276. St-Benoit de Castres Kl. 264, 267. St-BenoTt-sur-Loire Kl. 83, 118, 260f., 273f., 280, 295. St-Bertin Kl. 234. St-Calais Kl. 119. St-Clement (= Reglelle/Regleille) Kl. 264, 267. St-Cloud Kl. 32, 1 1 4 - 1 1 7 , 123, 125f., 169, 171. Ste-Croix-de-Poitiers Kl. 181, 276f. St-Denis Kl. 32, 65, 105, 1 15, 117, 123, 126, 128, 2 4 3 , 2 4 8 , 2 8 8 , 2 9 2 . St. E m m e r a m Kl. ( R e g e n s b u r g ) 275. St. Gallen Kl. 275. S t - G e r m a i n - d e s - P r e s Kl. 32, 65f., 109, 1 2 8 , 2 7 0 , 292. St-Gery (Stift) 197. St-Hilaire-le-Grand Kl. St-Josse-sur-mer (cella)
260. 234.
109, 191, 230,
2 4 6 - 2 4 8 , 288, 307. S t - M e d a r d Kl. 120, 152f. S t - M e s m i n - d e - M i c y / C u r b i o Kl. 232, 277. St-Quentin Kl. 118,121,197,248. St-Paul-de-Cormery Kl. 108f. St-Pierre de Cubieres 263f., 266. St-Pierre-des-Fosses/St-Maur-des-Fosses' Glanfeuil Kl. 98, 121 f., 124, 126, 305. St-Philibert-de-Noirmoutier/Deas/Cunault Kl. 244, 248, 260. St-Polycarpe Kl. 264, 267. St-Riquier 175,177-182,242,269. St-Sernin Kl. 262f., 2 6 5 - 2 6 9 , 271 f., 275, 282, 290. St-Vaast Kl. 197. Stellinga ( S a c h s e n b u n d ) 104f., 150. Straßburg 48, 108, 131 f., 135, 143, 152, 190, 204. Sturmion Gf. 270. Suniarius/Suniaire Gf. 266, 268. Sunifred M g f . 197, 266, 2 6 8 f . Supponiden 36. Sureda (Andreaskloster) 264, 266. Susannus Bf. (v. V a n n e s ) 246f. Tarn Fl. 262, 265, 268, 276. Tarrasa 264, 267, 270. Tassilo III. Hz. 202. T e o d t f r e d u s (Vasall) 266, 270f. Tet Fl. 264, 267. Thegan (Biograph) 102. T h e o b a l d u s A. (v. Psalmodi) 267, 269, 273.
346 Theodosius K. 44, 239, 255, 304. Theodulf Bf. (v. Orleans) 92. Theotbald/Theutbald Bf. (v. Langres) 59, 65, 145. Thetbert Gf. (v. Madrie) 277, 279. Theudericus/Theuderich Gf. 95 f. Theuderich I. Kg. 232. Theuderich IV. Kg. 232. Thury 74, 78, 82, 86. Tobias (bibl. Gestalt) 237, 239. Toledo 290. Toul 130-132, 145, 197. Toulouse 261-263, 265, 267-269, 272, 275, 282, 290f. Tours 54,118,248,262,307. Trajan Κ. 239, 255, 304. Trier 2 7 , 1 4 9 , 1 6 6 , 2 5 2 . Trojaner 170. Troyes 3 4 , 6 6 , 7 2 , 9 0 , 118, 13 lf., 139, 143, 145, 148, 164, 173, 175f., 209. Urgel 197,264,266,269. Uzes 95. Uzeges 197. Vallespir 264. Vegetius 8 4 - 8 6 , 3 0 1 . Venedig 122. Ver Pf. 59, 234, 283, 287-289, 291, 294, 296. Verdun 13f., 22, 27, 29, 30, 101, 141 f., 147, 150, 162, 186-190, 194-204,208, 227, 241, 245, 250, 252f., 257-259, 271, 284-286, 297, 301, 304f. Vienne 143, 197. Vise 122. Vivarais 197. Vivian Gf. 170,191,247,288,307. Vogesen 131. Wachau 275. Wala Gf. 21,91f., 181. Walahfrid Strabo (Poet) 26, 37, 247. Walcheren 130.
Personen- und
Ortsregister
Warin Gf. (v. Mäcon) 59, 65f., 80, 82, 84, 86, 90, 114, 135, 147, 155, 164, 170, 196f., 206, 209, 212, 214, 222, 240, 25 lf., 254, 2 8 2 , 2 9 9 , 3 0 1 . Warnar (Magnat) 64. Wasseiges 122. Weifen 98, 163. Wenilo Ebf. (v. Sens) 135f., 143-145, 166, 198,288,296. Westfrankenreich/Westreich 12f., 23, 2 5 - 2 9 , 4 1 , 110, 137, 144, 154, 158, 165, 169, 186-191, 196-201, 203, 205f., 227f., 237, 240, 244f., 250, 252f., 255, 258,281,284,291,296-298. Wido I. Mgf. (v. Sopleto) 63, 241. Widonen 61f.,90, 97, 119, 1 3 1 , 2 0 8 , 2 2 7 , 241 f., 246. Wifred Gf. (v. Bourges) 263. Wilera A. (v. Amer) 265, 272. Wilhelm Gf. (v. Gellone) 95. Wilhelm Mgf. (v. Barcelona) 94-96, 103, 117, 265,273. Wilimirus 270. Worms Pf. 40f., 47, 49, 65, 121f., 162, 165. Wulfardus (Vasall) 6 4 , 1 1 7 . Ybbs 276. Ybbs Fl. 276. Yonne Fl. 109. Yütz 2 4 5 , 2 8 3 - 2 8 8 , 2 9 1 , 3 0 6 .