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German Pages 932 [936] Year 1960
Friedrich Kluge / Etymologisches Wörterbuch
FRIEDRICH KLUGE
ETYMOLOGISCHES WÖRTERBUCH DER DEUTSCHEN SPRACHE 18. Auflage bearbeitet v o n
W A L T H E R MITZKA
BERLIN
1960
W A L T E R D E G R U Y T E R & CO. •
B E R L I N W 35
vormals G. J . Göschen'ßche Verlagshandlung — J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer Karl J . T r ü b n e r — Veit & Comp.
Erste Auflage und zweite Auflage 1883; dritte unveränderte Auflage 1884; vierte verbesserte Auflage 1889; f ü n f t e verbesserte Auflage 1894; sechste verbesserte und vermehrte Auflage 1899, davon zweiter Abdruck 1905; siebente verbesserte und vermehrte Auflage 1910 (seitdem Mitarbeit von A. Götze); achte verbesserte und vermehrte Auflage 1915; neunte durchgesehene Auflage 1921; zehnte vermehrte und verbesserte Auflage 1924; elfte Auflage, mit Unterstützung von Wolfgang Krause bearbeitet von Alfred Götze 1934, unverändert bis 14. Auflage 1948; Friedrich Kluge/Alfred Götze, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, fünfzehnte Auflage 1951 (unter Mithilfe von Hans Krähe besorgt von Alfred Schirmer); sechzehnte Auflage 1953, unveränderter Abdruck; siebzehnte Auflage unter Mithilfe von Alfred Schirmer bearbeitet von Waither Mitzka 1957.
Archiv-Nr. 450860 — Printed in Germany — Alle Rechte des Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe, der Übersetzung, der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, auch auszugsweise, vorbehalten. — Satz: Walter de Gruyter & Co., Berlin W 35 Druck: Thormann & Goetsch, Berlin-Neukölln
Vorwort zur 17. Auflage Nach dem Abschluß des vorliegenden Buches ist es mir eine angenehme Pflicht, meinen Dank allen denjenigen zu sagen, welche sein E n t s t e h e n ermöglicht oder es beim Werden mit fördernder Teilnahme begleitet haben. Diesen Satz stellte Friedrich Kluge an den Anfang der ersten Auflage 1883 und stellen wir selber mit dem Blick auf jenen ersten kühnen Wurf eines etymologischen knappen Handbuchs u n d die ausbauende Leistung des besten Kenners des frühneuhochdeutschen Wortschatzes Alfred Götze. Der Strom der Etymologieforschung wirbelt noch immer heftig dahin. Es gilt hier das Schiff zu alten Zielen und neuen Ufern der Wortgeschichte in manchmal wildtobenden Gewässern einigermaßen handbuchsicher zu steuern. Der Kurs war von Kluge in der f ü n f t e n Auflage 1894 über die Urverwandtschaft zu jener eingeschlagen. Die Forschung ging vom gedruckten Buchstaben weiter ins Freilicht der Volkssprache. Die 17. Auflage gibt einige Stichwörter auf, wie fremde Wörter f ü r fremdgebliebene Sachen, z. B.: Feluke, Kumyß, Pilaw, Samum, oder solche Mundartwörter engster Geltung wie Seilte, auch f ü r solche aus der Synomymik von Tier- u n d Pflanzennamen (Kalitte, Aberraute), wo die heutige Wortgeographie Tausende anderer nennen müßte. Wir begnügen uns mit wenigen großräumigen. Aufgenommen sind aber: Anemone, Apparat, Atom, Barras, Bereich, Brennessel, Fuge1, Glühwürmchen, Kopfschmerz, Miniatur, Model, Modell, Moll, Mumm, Ohrwurm, Patin, Pflugwende, Poker, Rauhreif, röntgen, Salpeter, Streichholz, Stricknadel, Strophe, Torso, überseeisch, Unfug, veredeln, Virus, wiederkäuen, Zahnschmerz u. a. Mit besonderer Neigung sind im urgeschichtlichen Bereich das Hethitische u n d das Tocharische, jene großartigen Entdeckungen unserer jungen Jahre, herangezogen f ü r kulturgeschichtlich so wichtige Stichwörter wie u. a. drei, du, dunkel, Ehre, ewig, Futter, kurz, säen, Schmerz, schwören, sehr, Speer, Speiche, sprechen, tapfer, tausend, Virus, Wesen, zehn. Gern ist neuer Lehre R a u m gegeben, z. B. f ü r Kipfel, kirre, lind, Tochter; s t a t t Konsonantendopplung vor n nehmen wir oft lieber Intensivierung a n : u. a. Dreck, locken, schnell, spannen. Neugefaßt sind u. a. ähnlich, ausmerzen, ganz, Glufe, Gör, Hebamme, Heuschrecke, impfen, Kater, Lurche. Ergänzt oder berichtigt ist manches Stichwort, so aus eigener Kenntnis der Sache draußen Aalraupe, Alant, Blei2, Einbaum, Tuckerkahn. Unter leidigem Raumzwang stehen die Zusätze aus Sprachatlas und Wortatlas. Das Hochziel bleibt die Bedeutungsgeschichte, sie wird aus mancher neuen E r kenntnis an Etymologie gefördert. Aber dabei bleibt in diesem H a n d b u c h die Zucht der Kernbedeutung im eigentlichen und im übertragenen Sinne. Nicht darf man ihm die sowieso nie zu erschöpfenden Nebenbedeutungen abfordern.
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VI
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F ü r die f r e u n d l i c h e n H e l f e r u n d K r i t i k e r h a b e ich den Satz des A n f a n g e s wiederholt. Alfred Schirmer h a t w i e d e r u m in der Zeit seit der l e t z t e n A u f l a g e d e n E r t r a g des Briefwechsels, der Rezensionen u n d der F o r t s e t z u n g s w e r k e m i t b e w ä h r t e m F e i n g e f ü h l v e r b u c h t . H . - F . W e i m a n n h a t a u s seinen P a r a c e l s u s s t u d i e n m a n c h e s erste V o r k o m m e n (z. B. Chemie, Nerv, Wismut) weiter h e r a u f g e r ü c k t . Die Stoffv e r m e h r u n g v o n m e h r e r e n Bogen ist vor allem d u r c h d e n U b e r g a n g zur A n t i q u a i m bisherigen U m f a n g des Buches a u f g e f a n g e n w o r d e n . M a r b u r g 1957
Walther Mitzka
Vorwort zur 18. Auflage Wieder sind neues u n d n a c h t r ä g l i c h a n g e t r o f f e n e s S c h r i f t t u m , K r i t i k e n , Besserungsvorschläge d a n k b a r g e n u t z t . A n W o r t a r t i k e l n sind n e u : Bammel, einseifen, Gezäh, Göpel, Grätsche, Judo, Kilo, Knüller, Masche2, Meter, Quiz, Satellit, Schnulze, Test; ganz u m g e a r b e i t e t Barras, Belt, bis, Bottich, Dampfmaschine, Enkel1, Ester, Gau, Gevatter, Kaviar, Lack, Liese, mausetot, Muckefuck, Osram, Pate, Pistole, Rüpel, Sohnsfrau, Strolch, Stulle, Stiefmütterchen, Zink; in E t y m o l o g i e u n d sonstiger W o r t g e s c h i c h t e wesentlich a u c h Aprikose, Arsenal, bizarr, Braut, Bulldogge, Dsiu-Dschitsu, Eidam, Fex, fies, Flieder, Fron, Fuchs2, Geist, Geräusch2, Gnom, Grille, hauchen, Humpen, Iltis, Kastenmännchen, Kees, Kittchen, Konditor, Kork, Kussel, Lachs, Mais, mies, Napf, Panne, Pantoffel, Park, Pimpernelle, Pinke, Polier, Porst, Pose, Quitze, Sau, Sauregurkenzeit, Schnur2, Schwager, Schwäher, Schwieger, -vater, -mutter, -söhn, -tochter, Tochtermann, Tomate, Topinambur, Torf, Uhu, Urkunde, Visier, Ziegenmelker; wichtige Z u s ä t z e e r f a h r e n abmarachen, Akrakadabra, Almrausch, Apfel, Arbeit, Armada, (s. A r m e e ) , Barbier, Biscuit, Deichsel, Gymnastik, halt, Harn, Heirat, Herr, Kux, Lappen, Laube, muten, naß, 1 2 Nudel, Ort, reichhaltig, rennen, Plane, Platz , Platz , Schi, Slalom, schmieren, schnuppe, Schnack, Schurz, Steuer f . , Strahl, Strand, trollen, Urteil, Wismut, Ziege, Zinken u. a. m . Zur vorigen A u f l a g e ist v o n m a n c h e n das Sachverzeichnis v e r m i ß t w o r d e n . E s m a g hier m i t v e r m e h r t e m W o r t b e s t a n d wiedererscheinen. Aber es b r i n g t d o c h in seiner A u f z ä h l u n g der L e i t w ö r t e r ( L e m m a t a ) n u r einen Teil des im T e x t v e r a r b e i teten Wortschatzes. M a r b u r g 1959
Walther Mitzka
Abkürzungen altgleichbed. a= Abstraktum Abstr. got. = = Adj. Adjektiv gr= Adv. Adverb Grdf. = aglfrz. anglofranzösisch hd. = ags. angelsächsisch hebr. = air. altirisch hethit. = Akk. Akkusativ holl. = albanisch alb. idg. alem. = alemannisch Imp. anfränk. = altniederfränkisch ind. anglonorm. == angloindekl. normannisch Inf. Aor. Aorist Instr. = = arab. arabisch Inter j. aram. = aramäisch intr. = armen. armenisch ion. = Attr. Attribut(iv) ir. = awest. awestisch isl. = bair. bairisch ital. = bait. baltisch jüd. (lit.,lett.,apreuß.) Kaus. = bask. baskisch kelt. Bed. = Bedeutung klass. bret. bretonisch = Kollekt. chald. = chaldäisch Kompar. dan. = dänisch Konj. Dat. = Dativ Konjunkt = dt. deutsch Kons. = dial. dialektisch kom. = dor. dorisch krimgot. = elsässisch els. kymr. engl. = englisch langob. europ. = europäisch lapp. feminin lat. = /• = far. färöisch lett. = finn. finnisch lit. flekt. flektiert lomb. = frank. fränkisch mFrequent. = Frequentativ m. fries. friesisch Ma. = = frz. französisch magy. gal. gälisch mal. = = gallisch Mz. gall. gallorom. = galloromanisch n= Gen. Genitiv n. germ. germanisch nd. = Ggs. Gegensatz nfrz. =
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gleichbedeutend gotisch griechisch Grundform hochdeutsch hebräisch hethitisch holländisch indogermanisch Imperativ indisch indeklinabel Infinitiv Instrumentalis Interjektion intransitiv ionisch irisch isländisch italienisch jüdisch Kausativ keltisch klassisch Kollektivum Komparativ Konjugation Konjunktion Konsonant komisch krimgotisch kymrisch langobardisch lappisch lateinisch lettisch litauisch lombardisch mittelmaskulin Mundart magyarisch malaiisch Mehrzahl neu-, niederNeutrum niederdeutsch neufranzösisch
ngr. = neugriechisch nhd. neuhochdeutsch = = niederländisch nl. = nnd. neuniederdeutsch = nnl. neuniederländisch = nnord. neunordisch Nom. Nominativ = nord. nordisch = = norw. norwegisch = 0ostobd. oberdeutsch = = obl. obliquus osk. oskisch = ossetisch osset. = ostasiat. = ostasiatisch ostgerm. = ostgermanisch = Partizip Part. = Perf. Perfekt = persisch pers. = piem. piemontesisch = Plur. Plural Plur.tant. = Pluraletantum = poln. polnisch = portugiesisch portug. = Pos. Positiv = Präd. Prädikat(iv) = Präfix Präf. = Präposition Präp. Präsens Präs. = Präteritum Prät. = Prät.-Präs Präterito - Präsens = Pronomen Pron. = provenzalisch prov. = rätisch rät. rätorom. = rätoromanisch Redupi. = Reduplikation reflexiv refl. = röm. römisch = = romanisch roman. rotw. rotwelsch russisch russ. schottisch schott. schw. == schwach flektierend schwäb. = schwäbisch schwed. = schwedisch sem. semitisch = serbisch serb. = Singular = Sg-
- vni skyth. slaw. slow. span. st. St. Subst. Suff. Superl. thrak. toch. trans. tschech. ugr.
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skythisch slawisch slowenisch spanisch stark flektierend Stamm Substantiv Suffix Superlativ thrakisch tocharisch transitiv tschechisch ugrisch
umbr. = umbrisch urgerm. = uigermanisch uridg. = urindogermanisch urverw. = urverwandt ved. = vedisch venet. = venetisch venez. = venezianisch Verbaladj. = Verbaladjektiv Verbalwz. = Verbalwurzel Vergr. = Vergrößerung Verkl. = Verkleinerung Vok. = Vokativ vorahd. = voralthochdeutsch vorgerm. = vorgermanisch Weitere Abkürzungen im Text
vulg. = vulgär w= westwal. = walisisch westgerm. = westgermanisch westidg. = westindogermanisch westsächs. = westsächsisch (Teil des Ags.) Wb. = Wörterbuch = Wurzel Wz. = Zeitschrift Zs. Ztw. = Zeitwort * = erschlossene Form = entstanden aus < = geworden zu >
Lautzeichen * über Vokal =
Länge.
" über Vokal =
Kürze.
über Vokal = . {h »?,
Betonung.
r) haben silbischen Wert von l, m, n, r.
.
unter i und u =
t
unter Vokal = offene Aussprache, in slav. und balt. Wörtern =
Halbvokal. Nasalierung.
' und " über Konsonanten bezeichnen die Stellung am Vordergaumen (Palatalisierung). e =
kurzes, geschlossenes e.
e
kurzes, offenes e.
=
a —
schwach gesprochenes e (wie in Lage).
CB —
ä, ce langes ä (mhd. nur als ce, also ohne ~ üblich).
te und nord. 0 = b =
langes ö.
stimmhafter Lippen-Reibelaut (bilabial oder labiodental)
6 — l$ch. ö =
stimmhafter Zahnreibelaut (wie in engl. thal).
p =
stimmloser Zahnreibelaut (wie in engl, thing).
ff =
stimmhafter Reibelaut des Hintergaumens (wie in Umgangssprache Wagen),
hi bedeutet gotisches gleichzeitig gesprochenes hw. '
=
5 =
Mittelzungen! (velar) mhd. Zeichen für das nhd. ß ( = stimmloses s).
!s bedeutet stimmloses, £ stimmhaftes sch. % bedeutet den Ich-Laut, x den Ach-Laut. H bedeutet den Nasal des Hintergaumens (wie gesprochenes n in lang). Got. al wird als kurzes ä, got. aü als kurzes o, got. ei als i, got. gg = fjg, gk = uk gesprochen. Dazu kommen besondere Zeichen fremder Sprachen wie hethit., aind., gr., lett., lit. (z. B. ' = Stoßton, ~ = Schleifton, * = betonte Kürze).
Hilfsmittel Adelung, Johann Christoph: Versuch eines vollständigen grammatisch-kritischen Wörterbuchs der Hochdeutschen Mundart. 1—6. Leipzig 1774—86. : Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart. 1—4. Leipzig 1793 bis 1801. Ahd. Wb. (s. F r i n g s / K a r g - G a s t e r s t ä d t ) . A l b e r u s , Erasmus: Novum dictionarii genus. Frankfurt a. M. 1540. A m a r a n t h e s (d.i. Gottlieb Siegmund Corvinus): Nutzbares, galantes und curiöses Frauenzimmer-Lexicon. Leipzig 1715. A n g e r s t e i n , Johann Karl: Kurze Anweisung, die gemeinsten Schreib- und Sprachfehler im Deutschen zu vermeiden. 1. 2. Stendal 1791—93. A p i n u s , Sigmund Jacob: Glossarium novum ad aevi hujus statum adornatum. Nürnberg 1728. A v é - L a l l e m a n t , Friedrich Christian Benedict: Das deutsche Gaunerthum. 1—4. Leipzig 1856 bis 1862. B a h d e r , Karl von: Zur Wortwahl in der frühneuhochdeutschen Schriftsprache. Heidelberg 1925. B a r t h o l o m a e , Christian: Altiranisches Wörterbuch. Straßburg 1904. B a u e r , Karl: Waldeckisches Wörterbuch hg. von Hermann Collitz. Norden und Leipzig 1902. B e h a g h e l , Otto: Geschichte der deutschen Sprache 19285. — - : Deutsche Syntax. 1 - 4 . Heidelberg 1923-32. Beitr. = Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur. Halle 1874ff. B e l e m n o n : Curiöses Bauem-Lexicon, Worinnen die meisten in unserer Teutschen Sprache vorkommende fremde Wörter erkläret. Freystatt 1728. B e n e c k e , Georg Friedrich: Mittelhochdeutsches Wörterbuch. Ausgearbeitet von Wilhelm Müller und Friedrich Z a r n c k e . Bd. 1. 2,1. 2. 3. Leipzig 1854—61. B e r n e k e r , Erich: Slawisches etymologisches Wörterbuch. Heidelberg 1908ff. B e r t h o l d , Luise: Hessen-nassauisches Volkswörterbuch. Marburg 1927ff. B e y s c h l a g , Daniel Eberhard: Sammlung ausländischer Wörter. Augsburg 1774. Bloch, Oscar, und W. v. W a r t b u r g : Dictionnaire étymologique de la langue française. 1. 2. Paris 1932, 2. Auflage 1950. Boisacq, Emile: Dictionnaire étymologique de la langue grecque. Heidelberg 1916; 4. Auflage 1950. B r a u n , Heinrich: Deutsches orthographisch-grammatisches Wörterbuch. München 1793. Brem. Wb. = Versuch eines bremisch-niedersächsischen Wörterbuchs. Herausgegeben von der bremischen deutschen Gesellschaft. 1—6. Bremen 1767—1771 und 1869. B r ü c k m a n n , Franz Ernst: Catalogus exhibens adpellationes omnium potus generum. Helmstädt 1722. B u c h r u c k e r , Bruno: Wörterbuch der Elberfelder Mundart. Elberfeld 1910. B ü c h m a n n , Georg: Geflügelte Worte. 25. Auflage. Berlin 1912. Campe, Joachim Heinrich: Proben einiger Versuche von deutscher Sprachbereicherung. Braunschweig 1791. •: Zweiter Versuch deutscher Sprachbereicherung oder neue, stark vermehrte Auflage des ersten. Braunschweig 1792. • : Dritter Versuch über die Reinigung und Bereicherung der deutschen Sprache (Preisschrift). Braunschweig 1794. Nachtrag dazu das. 1795. — — —: Wörterbuch zur Erklärung und Verdeutschung der unserer Sprache aufgedrungenen fremden Ausdrücke. Braunschweig 1801. •: Dasselbe. Neue Ausgabe. Braunschweig 1813. : Wörterbuch der Deutschen Sprache. 1—5. Braunschweig 1807—1811. Crecelius, Wilhelm: Oberhessisches Wörterbuch. 1—2. Darmstadt 1897—99.
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A -a, -ach in Bach- und Flußnamen, nach denen wieder Orte heißen können, gehen auf altdt. aha 'fließendes Wasser' zurück, vgl. Au. h hat den im Mhd. gültigen Lautwert noch heute am Südrand des Obd., aber jene Namen sind in der Weise fest geworden, daß h vom Md. an nach Norden geschwunden ist: Fulda, Werra gegen Eisenach, Urach, Salzach, Ötztaler Ache u. a.m.; auch selbständig: württembg. bayer. Ache; doch hat die Schweiz den Flußnamen Aa (so auch Westfalen); vgl. anord. ä 'Fluß'. Andrer Herkunft sind rheinische Namen wie Andernach, da liegt ein aus kelt. -äco 'zugehörig zu' romanisiertes Suffix voraus. Aal w. Ahd. asächs. öZ, ags. sei, engl, eel, nnl. aal, anord. all führen auf germ. *ela-, Außergerm. Verwandte fehlen. Wegen der Gestalt des Aales kann A h l e (s. d.) wurzelverwandt sein. Aalquappe f., der Fisch Lota vulgaris, gewöhnlich nhd. Q u a p p e (s.d.) genannt. Der Name A a l r a u p e ist seit Calvisius 1610, im 16. Jh. a(a)lrup(p), mhd. ruppe und rutte bezeugt, die über ahd. *rupta zurückführen auf lat. rubeta. Ein germ. Name lebt in schwäb. treusch, alem. iräsch, irisch: John Loewenthal 1929 Beitr. 53, 436 leitet ihn von germ. *preutskön, ags. ßreat "Gedränge' ab: liegt unter Steinen oder in Löchern (B. Benecke, Fische, F i s c h e r e i . . . in Ost- u. Westpreußen 1887, 89). Aar m. Ahd. aro, am, got. ara, anord. are, gm, führen auf germ. *aran, ahd. mhd. am, mnd. arn(e), arnt, mnl. aren{t), ags. earn, mengl. ern(e), anord. pro auf einen w-Stamm *arn-u, der aus flektierten Formen von *aran gefolgert ist. Dies ist urverwandt mit gleichbed. aslav. orilü, lit. •erli, korn. breton. er, kymr. eryr, wohl auch mit gr. ornis 'Vogel', das die Grundbed. des alten Wortes festhält. Ahd. ist aro Normalform, daneben tritt im 12. J h . adelare 'edler Aar' auf, •ein Wort der Falknerei, die die Jagdvögel in «die und unedle einteilt. Mhd. ar(e) tritt daneben zurück; im 16. Jh. ist A a r 'Weih', A d l e r *aquila'; im 17. J h . stirbt A a r außer in Zus.Setzungen wie F i s c h a a r aus. Es wird seitdem nur in poetischer Sprache verwendet, so von Gleim 1766, Goeckingk 1781. Suolahti 1909 Vogelnamen 346ff.; Kluge 1912 Wortf. und Wortgesch. 83 ff. E i a g e , Etymologisches Wörterbuch. 18. Aufl.
Aasn. mhd. ahd. asächs. äsn. = ags. ¿es 'Aas': Ableitung zu e s s e n ; germ. *esa- wie lat. esus 'gegessen' aus *ed-som, dazu lit. Idesis 'Fraß'. In der ursprgl. Bedeutung hat Gryphius 1639 Sonntagssonette 26, 9 H i m m e l s a a s 'Himmelsspeise'. S. A s e r und ä s e n . ab Adv., frühnhd. ( j e t z t Schweiz, schwäb., dazu schriftdt.) auch Präp. (daher a b h a n d e n eigtl. 'von den Händen') mhd. dbe, ab Präp.'herab von, von weg, ab' — Adv. 'herab', ahd. äba Präp. 'von weg, von hinab' — Adv. 'herab' = got. af (ab) Präp. 'von herab, von' (auch Adv.), mnl. a f , ave, asächs. af 'von', ags. engl, of, anord. af 'von': urverwandt mit aind. dpa 'weg, fort, ab', gr. apö, lit. apaiiä 'der untere Teil', lat. ab (für *ap statt *apo). — Vgl. a b e r 1 . Abbild w. vereinzelt im 17. J h . ; wird bekannter durch Haller 1730 (Ode „Doris" V. 14), der das Wort gebrauchte und deswegen von Schönaich im Neolog. Wb. 1754 noch verspottet werden konnte. Zeugnisse für das Umsichgreifen des Wortes bieten Withofs Gedichte und K. G. Lessing, Die reiche Frau. Noch Adelung bezeichnet das Wort als ungewöhnlich. abblitzen Ztw. (meist in den Verbindungen „er ist abgeblitzt", „sie hat ihn abblitzen lassen") seit etwa 1840 bezeugt, z . B . Grabbe 1838 Hermannsschl. 128. Das Bild stammt von dem wirkungslos aufblitzenden Schießpulver: „Das Pulver war nur von der Pfanne abgeblitzt" Tieck 1834 Nov.-Kranz 4, 113. Abc n. seit etwa 1200 allgemein üblich: für mhd. äbece stehen zahlreiche Belege des 13. Jh. zur Verfügung. Dafür spätags. (11. Jh.) abeeede (Anglia VIII 332), was im Zusammenhang mit lat. dbecedarium 'Gedicht, in dem jeder Vers mit einem neuen Buchstaben des Alphabets beginnt' zu beurteilen ist; entsprech. auch mhd. abeeede. Auch in älteren nd. Quellen des 15. und 16. J h . abeeede und abecete, aber daneben auch im deutschen Nordwesten verkürzt äbe bes. in der Zusammensetzung dbebuch ( = nnl. AB-boek), woneben in nd. Gebieten wieder ein verkürztes ABook (Firmenich, Völkerstimmen I I I 36). Daneben beachte die Nachweise unter A l p h a b e t , F i b e l und N a m e n b u c h . Abc-Schütz (e) m. verdeutlicht seit dem 16. Jh. ( A B C - S c h ü t z i g e n : Neander 1587 Menschen1
Abele
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Spiegel 78b) ein älteres S c h ü t z e (s.d.) im gleichen Sinn. F i b e l s c h ü t z e seit 1755. Neue Erweiterungen zur Erkenntnis 6, 178. Nyström 1915 Schulterminologie 47 u. 198 belegt A b c S c h u l e um 1700, A b e c e d a r i u s seit 1577, A b e c e s c h ü l e r seit 1592. Abele /. 'Pappel' (s. d.). Zum lat. Adj. albus
'weiß' stellt sich älbulus 'weißlich'. Aus dessen Verkleinerungsform *albellus geht afrz. albel, später aubel 'Weißpappel' hervor, dessen vortoniges au beim Übergang in germ. Sprachen zu a gekürzt wird: mnl. nnl. dbeel, eng), abele, mnd. abele. Heute gilt das von Voß gebrauchte Wort vom Rhein bis Pommern. Vgl. Alber. Abend m. Ahd. äband, as. äband, mnl. ovo,
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Abgott
superstilio A b e r g l a u b . Der Vocab. Opt. Leipzig 1504 hat für superstitio nur M i ß g l a u b oder U n g l a u b . Die in Zürich entstandenen Wörterbücher von Frisius und Maaler wie auch oberrhein. Schriftsteller des 16. Jh. kennen zwar A b e r g l a u b , bevorzugen aber ein seltsames A p o s t ü t z l e r e i (das den md. Schriftstellern wie Luther, Alberus, auch Dasypodius fremd ist); dies ist jedoch schon im 17. Jh. hinter A b e r g l a u b e auch in Oberdeutschlan d zurückgetreten. Im Nd. besteht bïglôve (Chyträus Kap. 132 bygelove). Die landschaftliche Herkunft von A b e r g l a u b e ist unklar; das erste Wortelement ist dasselbe wie in mhd. aberlist 'Unklugheit', frühnhd. A b e r g u n s t 'Mißgunst', A b e r n a m e 'Spottname', A b e r w i l l e , A b e r w a n d e l ; s.noch Aberwitz.
avent weisen auf idg. *eponto. Es ist verwandt mit gr. epi 'auf', epithe (6Tn6e) 'spät', 'hinten', abermal Adv. erst nbd., für mhd. aber 'wieder, opsi bedeutet somit zunächst 'der hintere (spätere) Teil des Tags'. Asächs. äband mit d statt d abermal', mit Suffix mal gebildet. Aberwitz m. mhd. aberwitze, abewilze 'Unvererklärt Holthausen 1921 Asächs. Elementarb. § 257 aus gramm. Wechsel. Ags. seien, engl, eve, stand'; vgl. mhd. abe 'ab' wie in mhd. abegunst afries. evend, anord. aptann usw. sind in ihrer 'Mißgunst' und A b e r g l a u b e . Abfütterung f . modernes Scherzwort z. B. Bildung von Morgen beeinflußt, wie auch ags. ¿efnung, engl, evening dem Partnerwort morning Kotzebue 1807 Kleine Romane (Des Pfarrers und umgekehrt nhd. m o r g e n d l i c h dem Adj. Tochter) I 7. Kirsch bucht 1718 a b f ü t t e r n a b e n d l i c h entspricht. Das Got. weicht in 'pabulum praebere'. abgebrannt Adj. 'wessen Haus durch Feuersandanahti 'Vornacht' und saggqs 'Sinken' ab. Schweiz, öba 'Abend werden' ist aus dem Subst. brunst zerstört ist' (z. B. 1587 Theatrum diäbohrum II 167° „Abgebraiite, und die durch abgeleitet, wie arba 'arbeiten' aus arbat. Abendrot « . a h d . abintröto schw. m., mhd. Wolckenbrüche und Wassersnoht schaden geäbenlröt s t . m . n . Die j-Ableitung A b e n d r ö t e litten, seyn die Jar her jhrer nicht wenig gegeht auf mhd. äbentrosie, n h d . 1587 Theatrum wesen"); im 30jähr. Krieg in die Soldatensprache diäbohrum I 66 b „Abendröte, Morgenschön, übergegangen als 'verarmt': Moscherosch 1640 Morgenröte bringt Wind oder Flut"; Keppler S. 314 „Underwegs stiesse uns auff ein gut Gesell, 1604 Von einem neuen Stern S. 2 b „in der klaren den ich wol kante, der beklagte sich, daß er abAbendröte leuchten"; mnd. aventröde. Vgl. gebrant war, das ist nach der Feldsprach so viel als daß er umb alles kommen und erarmet war, Morgenrot, Morgenröte. Abenteuer w. umgebildet aus mhd. ävenliure f . daß er alles zugesetzt und verlohren hatte"; am 'Wagnis': dies ein ritterliches Modewort vom Ende des 18. Jh. studentisch geworden (Zs.f.dt. Wortf. 12, 272) und von da gelegentlich liteEnde des 12. Jh. aus frz. avenlure. aber Adv.-Konjunkt. m h d . aber (aver) — abe rarisch: Goethe 1812 Jub.-Ausg. 23, 127 „Da er (ave) Adv.-Konj. 'wieder, abermals; dagegen, es (das Geld) ablehnen wollte und mit einiger aber', ahd. abur, avar Adv.-Konj. in beiden Be- Schalkheit zu verstehen gab, daß er nicht so abgebrannt sei, als es aussehen möchte". Vgl. deutungen (dazu ahd. avarön 'wiederholen' unter Brandbrief. äfern). Vgl. got. afar Präp. 'nach' — Adv. 'nachabgefeimt s. F e i m . her', anord. afar 'sehr' in Zusammensetzungen; abgeschmackt Adj. (übertr.) gebucht seit Duez den nsächs. Dialekten fehlte das Wort, wozu aber die Ableitung asächs. abaro, ags. eafora 'Nach- 1664; durch das 18. Jh. geläufig; z.B. Köhler komme' (vgl. got. afar 'nachher') vorhanden ist. 1734 Einleitung zur deutschen Poesie S. 4; früVerwandtschaft mit ab und seiner Sippe ist hester Beleg Schottel 1663 Haubtsprache S. 1219 wahrscheinlich; dazu vgl. noch ind. äpara 'der „abgeschmakt und kindisch"; älteres a b g e Spätere', apardm Adv. 'später, künftig', apari s c h m a c k z.B. Grimmelshausen 1669 Simpl. S. 59. Umformung für mhd. ä-smec 'geschmack'Zukunft'. Aberglaube m. im 15. Jh. aufgekommen; los' oder (J. Trier briefl.) zu frz. dégoûtant. Abgott m. 'falscher Gott; etwas wie Gott VerLuther bevorzugt M i ß g l a u b e vor A b e r g l a u b e und A f t e r g l a u b e (dies auch bei Dürer 1525 ehrtes', mhd. da% abgot, diu abgot neben der abUnterweisung der Messung Bl. A l b ). Alberus got, die abgote, -goter, ahd. abgot n. m. (Mz. abgot, 1540 unterscheidet diffidentia M i ß g l a u b und -a, 4, -ir, entsprechend dem bed.-verwandten
Abgrund
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3
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Absage
W i c h t ) , asächs. mnl. nnl. afgod, mnd. afgot, vokals dieser Verba: Leser 1914 Zs. f. d. Wortf. afries. ofgod m.: eine erst christliche Bildung, 15, 28; Schoppe 1923 Germ.-rom. Monatsschr. denn für den Heiden gab es keine Abgötter. 11, 184. Ableben n., aus mhd. abelïbe. Wohl als Missionswort dem got. Adj. afgußs abmarachen schw. Ztw., meist sich a. 'sich 'gottlos, frevlerisch, ruchlos' entlehnt, das im Gegensatz zu gagußs 'fromm' steht und zur abquälen', westfäl. sik afmarakeln, altmärk. sik Wiedergabe des gr. asebes 'gottlos' gebildet war. (af)marach'n. 1812 begegnet rotw. a b r a c h m e Ihm entsprechen die unabhängigen Bildungen nen 'anstrengen, ängstigen' (F. Kluge 1901 westfläm. afgod, norw. mundartl. avgud 'gott-Rotw. 294), das auf hebr. aram. ragam 'steinigen' loser Mensch': B . Karg-Gasterstädt 1944 Beitr. beruht. Dessen Part, meragem ergab manchen: E. Weißbrodt 1939 Zs. f. dt. Phil."64, 308. S. A. 67, 420 ff. Abgrund m. ahd. abgrunl st. m., mhd. dbgruni,Wolf, Wb. d. Rotw. 18: jidd. räch 'zart, schwach, mnd. afgrunt (daraus entlehnt dän. schwed. af- furchtsam'. Vgl. a b m u r k s e n , grund), mnl. afgront, nnl. afgrond m.; älter mhd. abmergeln s. a u s m e r g e l n , abgründe n., ahd. abgrunti, asächs. afgrundi, anfr. abmurksen schw. Ztw. "(heimlich) umbringen' dringt aus leichter Umgangssprache des 19. J h . afgrundi, mnl. afgronde, ags. œfgrynde aus westgerm. *afgrundia- n. 'Stelle, an der der Grund vereinzelt ins nhd. Schrifttumi Zuerst um 1800 abstürzt'. Abweichend gebildet ist das gleichbed. student., damit jünger als morixlen (1727 bei Basel): Ut vixit, ita morixil: Scherzbildung für got. afgrundipa f. mortuus est: A. Debrunner 1927 Idg. Forsch. 44, abhanden Adv., nd. afhenden, mhd. dbe fianden, ahd. aba hantum, anord. af hgndurn zus.-gerückt150. In md. Mundarten ist m u r k s e n 'herumaus Präp. ab (s. d.) u. dem Dat. Plur. von H a n d arbeiten, -schneiden, -pfuschen' älter nd. murin der umlautlosen Form des alten «-Stammes. ken 'töten' mnd. morken 'zerdrücken', ags. mure Grundbed. 'von, aus den Händen', Gegenwörter 'drückend' (vom Hunger), murc(n)ian 'sich v o r - , z u h a n d e n . Fügungen wie von a. b r i n - grämen'. Abort m. Euphemismus für 'Abtritt' (s. d.) gen, s i c h von a. m a c h e n , die seit dem 15. J h . auftreten, stammen aus Landschaften, denen die urspriingl. allgemein mnd. afort 'abgelegener Präp. ab fremd ist. Lebendig ist allein die Ver- Ort'. Synonyma bei Popowitsch 1780 Mundarten 4. bindung von a. mit k o m m e n geblieben. abrackern s . R a c k e r . Abhang m. erst frühnhd. z.B. Schedel-Alt Abrakadabra m. (z.B. Voß, Idyllen 66) ein 1500 Buch d. Chroniken S. 71 b , aber erst im 18. J h . durchgedrungen z.B. Haller 1721 Alpen bes. auf Amuletten gebrauchtes Zauberwort von Str. 35 (noch beanstandet von Schönaich 1754 Nekromanten und Quacksalbern des 16. J h . ; bei Neolog. Wb. S. 3); seit Heynatz 1796 gebucht. Thurneysser 1583 Onomast. 181 gebucht und bei Sinnverwandt südwestdeutsch H a l d e und bair.- Spangenberg 1594 Adelspiegel II 366 b belegt: ostfränk. L e i t e ; dichterisch seit Klopstock spätmlat. im 3. J h . n. Chr. bei Quintus Serenus Sammonicus Kap. 52. W. Brandenstein, Studies Hang. Abhilfe/, eine Wortbildung vom Beginn des presented to Whatmont 1957, 26: balkan. Her19. J h . ; seit Campe 1807 gebucht. A. ent- kunft, Sinn: 'Schaum und Rauch'. abrüsten Ztw. ( A b r ü s t u n g /.) Verdeutspricht dem frz. remède, wie das zugehörige schung für frz. désarmer, die 1866 üblich gea b h e l f e n dem frz. remédier à qe. abhold Adj. seit dem 15. J h . in OberdeutsGh- worden ist (Sanders 1871 Fremdwb. I, X I I I ) , land bezeugt und von Maaler 1561 bis Frisch aber früher schon bezeugt in der Bedeutung 1741 verzeichnet; den älteren md. Schriftstellern 'ein Gerüst abbrechen'. Absage /. spätmhd. abesage 'Aufkündigung von Luther bis ins 18. J h . fremd, ist es erst seit Wieland, Schiller u. Goethe Literaturwort: Kuh- der Freundschaft; Fehdebrief': von der Mitte des 16. J h . bis zum Ende des 18. kaum bezeugt. Von berg 1933 Verschollenes Sprachgut 33. Ablaß m. mhd. ablä^ m. ahd. abläz; n. 'Ablaß,Campe, dessen Zeit es nur als 'Lossagung von Erlaß, Vergebung', mnl. aflaet, nl. aflaat = got. etw.' kennt, 1807 mit Erfolg als der Erneuerung aflèts m. 'Erlaß, Vergebung' zu aflètan 'erlassen, würdig empfohlen in den Bedeutungen 'Aufvergeben', ahd. oblâççan. — Dazu ahd. auchkündigung der Freundschaft' und 'Ankündigung feindlicher Handlungen'. Zu a b s a g e n schw. antläs, heute tirol. antlas. Ablaut m. zuerst bei J . P. Zweigel 1568 For- Ztw. 'Gesagtes widerrufen, einem die Freundmularbuch 3 b ; bei Schottelius 1673 Bellum schaft kündigen, Fehde ansagen'. Das Part, gramm. mehrfach vom ungleichmäßigen Lauf der a b g e s a g t e r F e i n d 'einer der sich als Feind starken Verba, als herabsetzende Bildung wie erklärt hat' mit aktivem Sinn wie t r u n k e n , A b s c h a u m . Von J.Grimm 1819 Dt. Gramm. g e l e r n t u. ä.: O. Behaghel 1924 Dt. Syntax 2, 1, 10 für den gesetzmäß. Wechsel des Wurzel- 397ff.
abschätzig
-
abschätzig Adj. Zu a b s c h ä t z e n 'eine Ware für minderwertig erklären' stellt sich (wie g ä n g zu g e h e n , g ä b e zu g e b e n ) das ¿-Adj. a b s c h ä t z e zuerst in Tirol 1410 (Font. rer. Austr. II 34, 465). ä wird bair.zu a (Schmeller2 2, 492), a b s c h a t z ist als Adj. schwer kenntlich u. wird verdeutlicht durch Zusatz von - i g , zuerst in Graubünden 1431 (Schweiz. Id. 8, 1681). Das in den Ma. des dt. Südwestens bis heute lebendige Adj. wird durch Wieland ins Nhd. eingeführt (z.B. Agathon 2, 213), Lessing weist 1759 im 14. Lit.-Brief darauf hin, Jean Paul folgt 1789 Ausw. a. d. Teufels Papieren 2, 222 der Empfehlung. Seit Campe 1807 gebucht. Im älteren Bair. stehen h o c h - u. r i n g s c h ä t z i g daneben.
4
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Abt
In beiden Bedeutungen entspricht A b s t a n d , das im 16. Jh. im rechtl. Bereich entspringt. Nur die erste Bed. lebt fort in A b s t a n d n e h m e n v o n e t w a s , die zweite ist abgestorben, ebenso die später entwickelten 'Beiseitetreten', 'Reugeld' und 'Tod'. Eine neue Entwicklung setzt damit ein, daß Phil. Zesen in Mt. Dögens Kriegsbaukunst 1648 A. als Lehnübersetzung für D i s t a n z vorschlägt. Chr. Wolff führt das gute Ersatzwort in die Fachsprache der Mathematik ein, auch im Heer und bei den Turnern hat es sich durchgesetzt. Das Ztw. a b s t e h e n im entspr. Sinn ist gefolgt.
Abstecher m. In nnl. Seemannssprache, aus der wir seit 1681 afsteeken 'mit Hilfe des BootsAbseite/, ahd.absida.,mhd.apsiief.,mnd.afsidehakens abfahren' kennen (Kluge 1911 Seemanns'Apsis, Chor, Altarraum, Gewölbe', seit dem Ahd. spr. 8), ist seit 1718 een afsteker maken bezeugt: auch 'überwölbter Nebenraum in einer Kirche' es ist die kurze Fahrt im kleinen Boot, das mit mit volksetymologischer Anlehnung des mlat. dem Bootshaken vom großen Fahrzeug 'abahd. absida (gr. apsis) 'Gewölbe' an Site 'Seite'. sticht'. Kurz danach Äff Sieker 'Wegschleichung, abseits Adv., so seit Stieler 1691, vorher a b - Verschwindung' aus Reinbek bei Hamburg (Zs. s e i t : adverb. -s wie in d i e s - , j e n s e i t s usw.: f. d. Wortf. 8, 200). 1781 bucht Dähnert enen 0. Behaghel 1924 Dt. Syntax 2, 48. Die auf- afsiäker maken aus pomm. Mundart. Schon 1772 fallende Bildung erklärt sich aus Umkehrung wird nhd. A b s t e c h e r durch Bode, Humphry des früher danebenstehenden s e i t a b 'zur Seite Klinker I 114 u. ö. literaturfähig. weg*. Im 18. Jh. war a b s e i t s auf das Obd. zuabstimmen schw. Ztw. 'die Stimme abgeben', rückgedrängt, im übrigen Gebiet galt b e i s e i t e . seit den Tagen der Frz. Revolution („AbstimSeit Campe 1807 wird das von Goethe und Schil- mungen sämmtlicher Mitglieder der anmaßlichen ler verwendete a b s e i t s wieder als geläufig ge- Französischen National-Convention über das bucht. Eine ähnliche Zeit des Zurücktretens Endurtheil Ludwigs XVI." 1793) für älteres durchlebt das Adj. a b s e i t i g : Kuhberg 33. s t i m m e n (K. Ph. Moriz 1785 Reisen e. DeutAbsicht /. nur nhd. (von da schwed. afsigt), zu- schen in England 56 „Endlich aber kömmt es erst 1702 bei Kramer, dt.-it. Wb., vgl. Ising, D. doch zum Stimmen"). Ersatzwort für v o t i e r e n ; Erfassung d. dt. S p r a c h e . . . in d. Wbb. Kramers dies zu lat. votum wie s t i m m e n zu S t i m m e . u. Stielers 1956, 97. A b s i c h t ersetzt A b s e h e n abstillen Ztw. seit Adelung 1793 in der heu'zielendes Blicken auf etwas; Visier', wird zu tigen Bedeutung gebucht und von Heynatz 1796 'Richtung des Geistes auf etwas'. So 1721 bei Antibarbarus I 59 als neues Wort behandelt. J. Chr. Günther, Sämtl. Werke 4, 243 „doch Beleg: Nicolai 1783 Reise II 452. hab ich schon so manchen Freyer, Ohn AbAbsud m. eigtl. 'Abgesottenes' (zu s i e d e n ) ags. sicht einem zu gefallen, genau und sinnreich syde (< *sudï), mhd. sut gehen mit Absud (seit ausstudirt". — A b s i c h t l i c h nicht vor Adelung Adelung 1793 verzeichnet) auf germ. *supi mit 1 (1793) 108; fehlt bei ihm noch 1774. Ablauttiefstufe, aber aus andern Kasus mit abspenstig Adj., mit e geschrieben, weil die stimmlosem Reibelaut zurück. Dieser ist mit der Sprachmeister des 18. Jh. die Herkunft nicht Hochstufe in got. saups regelrecht. durchschauten (wie bei G e s p e n s t , s. d.). Zu absurd Adj. seit dem 17. Jh. geläufig; zuerst s p a n n e n (s. d.), ahd. spanan, mhd. sparten bei Wallhausen 1616 Kriegsmanual 198 mit der 'locken' gehört ahd. spenst f . 'Verlockung', dazu Bedeutung 'ungereimt' gebucht. Lehnwort aus das spätahd. Adj. spenstlg 'verlockend'. Wäh- lat. absurdus.— A b s u r d i t ä t / , schon bei Keprend frühnhd. äbspennig häufig ist, erscheint ler 1604 Von einem neuen Stern Bl. l b ; Weise a b s p ä n s t i g nicht vor Schweinichen 1566 Script, 1673 Erznarren Ndr. 136. rer. Siles. 4,74, in den Wb. erst seit Kirsch 1718, Abt m. aram. abbä, ein altes Lall wort für ein wieder verklungenes namentlich Schweiz. 'Vater', ergibt über bibelgr. abbäs (aßßäs) im (Gesinde) a b s p ä n s t i g e n 1728/46. Heute lebt 4. Jh. kirchenlat. albas, Akk. abbätem, volkslatvor allem die Formel e i n e m etw. (jem.) a b - *abbädem. Auf den lat. Bezeichnungen des Klospenstig machen. stervorstands beruhen die westeurop., z.B. ital. Abstand m., nd. nl. dän. afstand, schwed. af- abóte; afrz. abes, Akk. abé, frz. abbé ; ags. abbud, stand. Mhd. abstän, -sten bedeutet 'auf etwas engl, abbot-, air. àbb, Akk. abbaith. Mit Wörtern verzichten' und '(von einem Amt) zurücktreten'. der röm. Kirche wie M ö n c h , N o n n e , P a p s t ,
Abtei
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5
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Achse
P r i e s t e r , P r o p s t gelangt dbbätem zu den Ger- wohl aber die Nominalformen. Das Part, afmanen und ergibt mit Erstbetonung ahd. abbat, wesend erscheint in Magdeburg 1409 genau schon m h d . abbat, abbet, apt, m n d . mnl. abbet, nnl. abt, im Sinn unseres a b w e s e n d , ags. cefeweard: hier afries. abbet, ebbede. Auf Weitergabe aus ver- gewann das Nhd. die Entsprechung zu lat. äbschiednen westgerm. Sprachen beruhen anord. sens. Auch der subst. Inf. Abwesen n. setzt im abbati (umgedeutet zu äböti, indem das Wort als 15. Jh. auf nd. Boden ein; dabei bildet mnd. 'Sittenverbesserer' gefaßt wurde), schwed. abbot, in sinen affwesene das lat. in absentia nach. Mentels Bibel (Straßb. 1466) bietet Phil. 2, 12 dän. abbed. Abtei f . mit Lehnsuffix -ei zu A b t (wie K a p - in meim dbwesent, die Zainersche (Augsb. 1473) l a n e i , P r o p s t e i zu K a p l a n , P r o p s t ) . Dage- Hebr. 4 , 1 in abwesen. Dazu afwesenheit (zuerst gen beruhen ahd. abbateia, m h d . ableteie, m n d . Schwerin 16. Jh.), gebucht seit Hulsius 1696, ab(be)die, mnl. ab(e)die, nnl. abdij auf kirchenlat. während die obd. Belege erst 1648 einsetzen. abbätia, das ü b e r r o m a n . *abbaiäia afrz. abbaie er- Zum Inf. sind auch mhd. wSsenheit, vermügeriheit, geben hat ¡hieraus frz. abbaye und engl, äbbey. Auf nhd.Unwissenheit, W o h l h a b e n - . r e d e n h e i t Weitergabe des mnd. abbedle beruht dän. obbedì. gebildet. — Unserm A n w e s e n h e i t geht der Abteil n. aus A b t e i l u n g verkürzt wie Be- subst. Inf. Anwesen 'praesentia' voraus. Die such aus B e s u c h u n g : E. Lohmeyer 1893 Zs. Entwicklung ist hier schleppender, weil Beid. Sprachv. 8, 177. 0. Sarrazin schlägt in der wesen u. G e g e n w a r t den Bedarf decken. In
Köln. Ztg. vom 18. Juli 1886 Abteil für Coupé vor und verteidigt es in seinen Beitr. z. Fremdwortfr. (1887) 44. Das auch nach seiner amtlichen Einführung stark angegriffene Ersatzwort kommt im ersten Weltkrieg langsam in Aufnahme und hat sich erst nach 40 Jahren voll durchgesetzt: Pfaff 16f.; W. Linden 1943 Dt. Wortgesch. 2, 384. S. B a h n s t e i g . Äbtissin /. 'Vorsteherin einer Abtei': spätmhd. ebtissin erweitert (wie P r i n z e s s i n für Prinzeß) neben mhd. eppetisse, ahd. abbatissa. Dies aus kirchenlat. abbatissa, das zuerst in Glossen des 6. Jh. auf roman. Sprachboden begegnet. Auf volkslat. *abbödissa beruhen asächs. abdiska, m n d . abdisse (hieraus anord. àbbadis, dän. obbedisse), mnl. abbedesse, nnl. dbdis, ags. àbbudesse, verkürzt zu abdisse, engl, abbess.
biwesen entspricht dem lat. in praesentia,
an-
wesend dem lat. praesens. acli Interj. mhd. ach, ahd. ah 'ah (des Behagens), weh', mnl. nl. ach; dazu mhd. nhd. Ach, ahd. ah n. 'das Weh', sowie die spät-mhd. Ableitung ächzen eigtl. 'ach sagen'. -ach in Bach-, Fluß- und Ortsnamen s. -a; Ache rhein. 'Nachen' (s. d.). Achat m. Den Edelstein haben nach Plinius die Alten zuerst am sizil. Fluß Achates gefunden. Gr. achätes ergab alat. *acäta, worauf roman. *agata, ahd. agat, agatstein, m n d . äget, ital. agata,
frz. engl, agate zurückgehen. Dem lat. achätes ist um 1200 mhd. achät(es) entlehnt, uns zuerst greifbar als achätes bei Wolfram v. Eschenbach, Parz. 791, 11. Vgl. B e r n s t e i n . Achel s. Ähre. schein Ztw. 'essen' ein judendeutsches Wort, von hebr. äkhdl 'essen'; schon im Rotwelsch vom Beginn des 16. Jh. bezeugt. S. A. Wolf Wb. 30.
Abtritt m. in der heutigen Bedeutung in der Verbindung „heimlicher Abtritt, foriea" Stieler 1691. Frühster Beleg: Kellner 1689 Beschreibung d. Königreichs China S. 24 „derselbigen Gassen Achse /. Mhd. ahse, ahd. asächs. ähsa, afries. jede hat drey oder vier Abtritt oder gemeine axe, ags. eax, mnd. asse (so schon im 9. Jh. in Örter" (Schoppe, Mittl. d. Ges. f. schles. Volksk. Köln), auch mnl. asse, nl. as. anord. gxull setzen 20, 121). S. A b o r t . ein gemein-germ. Wort voraus, das mit gleichabtrünnig A d j . m h d . abetrünnee
(äbetrünne), bed. aind. dksah, gr. dxön, lat. axis, apreuß. assis, aslav. osl usw. auf idg. *ages-, *a/cs- zu-
ahd. ab(a)trunnlg (abatrunni) 'abtrünnig': eigtl. 'wer sich von etwas abtrennt', denn t r e n n e n enthält den gleichen Stamm; vgl. auch ahd. anttrunno 'Flüchtling', mhd. trünne 'abgesonderte Schar'. Vgl. e n t r i n n e n . Abweg m. mhd. abewèc, 'vom rechten abführender Weg': Luther 1534 Sprüche 2, 15. Dazu abwegig Adj. 'aus dem Weg liegend, irrig', zuerst in Nürnberg 1482. Das Wortpaar ist vom 17. Jh. an zurückgetreten und erst zur Zeit der Klassiker durch Wieland und Campe neu belebt worden: Kuhberg 34.
rückweist. Den Wagen und seine Teile kennen die Idg. schon in ihrer gemeinsamen Zeit; den Namen der Achse bilden sie vom Verbalstamm *ag- (in lat. agere, gr. dgein ' f ü h r e n ' ) aus, der
ursprünglich 'mit geschwungnen Armen treiben' bedeutete. Für unser Wort ergibt sich 'Achse samt den Rädern' als Ausgangsbed., die in gr. hämaxa (än-a§oc) 'Karren' deutlich wird. Nicht zufällig bedeuten die balt. Ausdrücke für 'Achse' (lit. asis, lett. oss) zugleich 'Klafter': alle Bezeichnungen der Armspanne gehen von Verben Abwesenheit /. Ahd. abawesan begegnet bei aus, die ein Recken der Arme ausdrücken. Notker als Lehnübers. des lat. abesse. Die finiten H. Reichelt 1929 Wörter u. Sachen 12, 112ff.; Formen des Ztw. haben nie eine Rolle gespielt, VI. Bana^eanu 1943 Rev. et. indo-europ. 3, 136f.
Achsel
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6
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Adagio
Achsel f . mhd. ahsel, ahd. ahs(a)la 'Achsel, zeichnen es die Wbb. von Maaler (Zürich 1561) Schulter', asächs. ahsla, mnd. asle, assel, mnl. bis Frisch (Berlin 1741) regelmäßig. Von Adelung assel(e), afries. ax(e)le, ags. eaxl, daraus engl. wird es 1774, von Heynatz 1796 veraltet geaxle, anord. gxl, dän. ahsel, schwed. axel führen nannt, von Campe 1807, im 19. Jh. durch Schriftauf germ. *ahslö 'Achsel'. Daneben dehnstufig steller wie G. Freytag eingebürgert: Kuhberg mnl. oecsel(e), nnl. oksel, ohne Z-Formans mhd. 1933 Verschollenes Sprachgut 34. achte Ordnungszahl mhd. dhtede, meist veruohse, üehse 'Achselhöhle', ahd. uochisa, uofisa (-na), -ina, ags. öxn f . 'Achselhöhle'. Außergerm, kürzt zu ähte, ahd. ahtodo = got. ahtuda, ags. entspricht am nächsten lat. ala (aus *agslä) eahioda, engl, eighth. Die dreisilbige Form a c h 'Achsel', später 'Flügel' mit axüla (aus *akslolä) t e d e stirbt im 15. Jh. aus (noch Steinhöwel), 'Achselhöhle; kleiner Flügel' (entlehnt zu air. aber im 15. 16. gelten a c h t e n d e (nach sieoxal 'Achselhöhle'), weiterhin armen, anui' (aus bende), a c h t e s t e . H.-F. Rosenfeld, Wiss. Zs. *asn-) 'Achselgrube', awest. aSayä Gen. Dual, Univ. Greifswald 6, 171. 'der beiden Achseln', aind. dksa- 'Schlüsselbein': Achtel «. s. unter Teil. alle zu der unter A c h s e (s. d.) entwickelten idg. achten schw. Ztw., mhd. ahlen, ahd. asächs. Wurzel *ag- '(mit geschwungnen Armen) trei- ahtön 'nachdenken, beachten, werten, glauben', ben'. Der Körperteil ist benannt nach der An- afries. achtia, as. ahtön, mnl. nnl. achten, ags. schauung der aus den Achseln bewegten Arme. eahtian 'schätzen, beraten, wachen über, preisen' acht Zahlw. Ahd. ahto, ags. eahta, engl, eight, neben A c h t /., mhd. ähte, ahd. ahta 'Beachtung, got. ahtau vereinen sich mit gr. oktö (ÖKTCO), lat. Aufmerken', mnd. afries. achte, mnl. achte, nnl. octö, altir. ocht, toch. B okt, lit. aütuoni, aind. acht, ags. eaht' Rat, Beratung, Schätzung, Wert'. astdu auf idg. *o&töu, offenbar eine Dualform, Zugrunde liegt der germ. Verbalstamm *äh- in die als 'zwei Vierer' zu deuten sein dürfte. Zur got. ahjan 'glauben, meinen', inahs 'verständig' Wurzel *alc-, *ofc- 'spitz' gehört mit gleichem Suf- usw. Außergerm, lassen sich gr. 6knos 'Bedenkfix wie *(de)1cm-tom 'Zehnerreihe, Hundert' zu lichkeit' und oknein 'zaudern', toch. B. äks idg. *de1cm 'zehn' ein idg. *oHelom 'Spitzenreihe', 'wach sein' auf idg. *ok- 'nachdenken' zurückdas im Dual *oHetöu die zweimal vier Spitzen führen. der Finger beider Hände (ohne Daumen) beachter nd. für a f t e r (z. B. A c h t e r w a s s e r zeichnen konnte: F. Muller 1927 Idg. Forsch. 44, 'Hinterwasser') s. unter A f t e r . 137; E. A. Ebbinghaus Beitr. 72, 319; zuletzt Schzen Ztw. Intensiv- und Iterativbildung zu Mayrhofer, Aind. Wb. 63: awest. alli- 'flache a c h , wie d u z e n zu d u , i h r z e n zu i h r ; schon Hand, Breite von vier Fingern' stimmt zu gr. mhd. echzen. palaste 'doppelt so viel'. Zur Viererzählung s. Acker m. Mhd. mnd. mnl. acker, ahd. ackar, v i e r , D u t z e n d , z w ö l f , Schock. acchar, ahhar, asächs. akkar, nnl. akker, afries. Acht1 f . Mhd. äht(e), ahd. ahta, mnd. mnl. ekker (alle mit westgerm. Kons.-Dehnung unachte, nl. acht, ags. öht 'Verfolgung, Friedlosig- mittelbar vor r), ags. oscer, engl, acre (hieraus keit' führen auf *arihtö. Dazu ä c h t e n , mhd. im 12. Jh. frz. acre), anord. akr, norw. aaker, cehten, ahd. ahten, asächs. ähtian, ags. sehian aus schwed. aker (beide mit Vokaldehnung in offner westgerm. *ähtjan, germ. *anht-jan 'verfolgen'. Silbe), dän. ager, got. akrs führen auf germ. Das älteste germ. Zeugnis bietet im 1. nachchr. *akra-, idg. *agro-. Außergerm, vergleichen sich Jh. der Männername Äctumerus. Außergerm, lat. umbr. ager, gr. agrös, armen, art 'Acker', vergleicht sich ir. echt (aus *anktu-) 'Totschlag aind. djra-. Dessen altertümliche Bedeutung aus Rache'; alle weiteren Verknüpfungen (auch '(grasbewachsene) Ebene' führt auf den Urdie mit gr. andnke (ttt| 'Griff', die übrige Sipp s. u. haben, Habicht, Hafen, Haff, Haft, - h a f t , haschen, heben, Heft, heften: sämtlich zum idg. Verbalstamm *kap'fassen'. bei Präp. Adv. mhd. ahd. bi (vgl. noch B e i c h t e und B e i s p i e l ) , die volltonige Form zu dem tonlosen Präfix be-; dazu auch nnl. Präp. bij, Praefix be-, Das Englische unterscheidet wie das Deutsche: ags. bl, engl, by 'bei', aber be- als Präfix. Dazu urnord. bi 'an', altnord. (alsPräverb) b-, Im Got., wo bi für beide Fälle gilt, hat bi die Bedeutung 'um — herum, bei'; dadurch wird Verwandtschaft mit gr. 011191, lat. amb(i)- gesichert, deren erstes Kompositionsglied dem germ. Worte fehlt (s. beide); vgl. auch um aus älterem umbi. — Die Lautgeographie zu 'bei' bietet der Dt. Sprachatlas.
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beiern
Beichte /. mhd. biht aus mhd. ahd. bijiht, bigihi zusammengezogen (entsprechend asächs. bigihto und nnl. beicht): regelmäßiges Verbalnomen zu mhd. bejehen, ahd. bi-jehan st. Ztw. 'beichten, bekennen'; auch das nicht zusammengesetzte jehan, meist 'sagen, aussagen', hat zuweilen die Bedeutung 'gestehen, beichten' (vgl. U r g i c h t ) ; daraus afrz. gehir. Ahd. jehan führt auf idg. *iek 'sprechen'. Nächstverwandt ist lat. iocus 'Scherz', urspr. 'Rederei'. beide Zahlwort mhd. beide, bede m. f. (beidiu n.), ahd. beide, bede (beido f., beidiu n.), asächs. belhia, mnl. beide, bede-, nnl. beide. Für die Beurteilung des Worts ist auszugehen von der Tatsache, daß der Stamm des Zahlworts in seinen ältesten Formen keinen Dental gehabt hat: ags. begen (älter biegen), bä, bü, got. bai, ba (urnord. Nom. Akk. Fem. baijoB, anord. Gen. beggja) 'beide', wozu noch das bis jetzt unerklärte got. bajöps 'beide'. Dazu aus den übrigen idg. Sprachen mit einem ersten Kompositionsglied, das dem germ. Worte fehlt, aind. ubhdu, toch. A. ämpi, ämpe, gr. dmphö (ccucpco), lat. ambö, aslav. oba, lit. abü. Vorausliegt idg. *m, ablautend *n, mit der Bedeutung 'zwei'. Die deutschen Formen mit Dental sind zweifellos sekundär; sie haben ihren Dental infolge einer verhältnismäßig jungen Verschmelzung des primären ba- 'beide' mit dem Artikel (vgl. Sievers, Beitr. 10, 495), so daß ahd. bede aus be de, beidiu aus bei diu, mittelengl. böthe (engl, both) aus ags. bä pä entstanden wäre (anord. bäper aus bai pai). Im got. wird ba mit dem Artikel verbunden: ba pö skipa 'beide Schiffe'; ähnlich im Griech. an- als Wz. (s. b l ü h e n ) zeigt als Grundbed. 'das Blühen'. Verwandt sind nnl. bloesem (neben bloem), ags. blöstm{a), engl, blossom; vgl. lat. flörere (für *flöse-re) u. flös, flöris. Ohne ableit. $ erscheint die Wz. *bhlö- in air. blath, engl. dial. blooth 'Blume'. Der schon ahd. Übergang vom M. zum F. (den B l u m e mit S c h l a n g e , S c h n e c k e u . a . teilt) mag durch das in ahd. Zeit entleimte P f l a n z e mitbedingt sein. Blnmenkohl m. Brassica bolrytis cauliflora ist vor Ende des 16. Jh. von Zypern nach Italien gelangt u. heißt hier cavolfiore (zu cavolo 'Kohl' u. fiore 'Blume'). Der ital. Name ist, wie er span. coliflor u. engl, cauliflower geliefert hat, mannigfach ins Deutsche gedrungen: Balth. Paumgartner 1687 Briefe 80 „Das ander soll ein rechter cavolifiorsamen sein"; Henisch 1616 Carifior; Amar a n t e s 1715 Frauenz.-Lex. 322 Carfiol. K a r f i o l gilt bis heute in Österreich, Oberschlesien, Bayern u. Württemberg, hier im Rückzug vor B l u m e n k o h l . Diese Lehnübersetzung tritt zuerst auf bei Tabemämontanus 1588 Kräuterb. 2, 111 „Blumenköll", gewinnt rasch Boden: Schwenckfeld 1600 Stirp. Sites. Catal. 244 „Blumenköl, Salatköl, Käslinköl, Caulifior"; Hulsius 1606 Blumköl; Henisch 1616 Blumenköl, u. gilt heute von der Schweiz bis Livland: Kretschmer 1918 Wortgeogr. 131. Auch frz. chou-fleur ist Lehnübers. aus dem Ital. blümerant Adj. Frz. bleu-mourant 'mattblau' ist nach „Der teutschen Sprache Ehrenkranz" (1644) 316 im 30jähr. Krieg als b l e u m o u r a n t nach Deutschland gelangt. Zesen 1661 Rosenmand 66 sucht es durch s t e r b e b l a u zu verdrängen; Schönaich 1764 Neolog. Wb. 61 tadelt es an Naumanns Nimrod (1763) als nicht literarisch. Trotzdem lebt es noch bei Brentano und Immermann, umgangssprachl. sogar bis heute in der Wendung mir wird blümerant 'schwindlig', wobei der Gedanke an f l i m m e r n mitgewirkt haben mag. Bluse f . In der ägypt. Stadt Pelusium wurden die mit Indigo blau gefärbten Kittel hergestellt, die schon die Kreuzfahrer über die Rüstungen zogen. Daher mlat. pelusia 'pelusisches Gewand', frz. engl, blouse. Das frz. Wort kommt 1827 mit einer neuen Frauentracht zu uns. Auch dän. Muse, schwed. Mus sind frz. Ursprungs. Seit der belg. Revolution 1831 gilt die Bluse als Arbeiterkleid.vonda wird B l u s e n m a n n 1848 zu' Revolutionär, Proletarier 5 : Lokotsch 1927 Etvm. Wb.
Blust
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Gamillscheg fragt 1928 Etym. Wb. d. frz. Spr. 116: blouse 'Fuhrmannskittel' (18. Jh.) vielleicht = blouse 'kurze Wolle' aus prov. lano blouso, ahd. blö% 'nackt' ? ; H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 89. Blust wz., alem. schwäb. bluest m. «., mhd. bimst f . 'Blüte' gehört zu der auch in ags. blösma, engl, blossom, lat. flös und flôrêre (für *jlös-ere) bewahrten Wurzelform idg. *bhlös-, einer Erweiterung von idg. *bhlö- in b l ü h e n , s. d. Blut n. Mhd. ahd. bluot, asächs. afries. ags. blöd, anfr. bluod, mnl. bloet (d), nnl. bloed, engl. blood, anord. blöd, dän. schwed. blöd und (mit gramm. Wechsel) got. blöp, blöpis, krimgot. plut. Die idg. Wurzeln *esr- und *krew- (in alat. aser und lat. cmor) 'Blut* sind im Germ, aus abergläubischer Scheu aufgegeben. Zu idg. *bhle 'quellen', Part. Perf. *bhlötö 'Gequollenes': H. W. J. Kroes, in Germ.-rom. Monatsschrift 1955, 347.
blutarm -jung Adj.: das Bestimmungswort hat mit B l u t von Haus aus nichts zu tun, sondern ist b l u t t , s. bloß. Blüte f . aus dem Plur. oder dem Gen. Dat. Sing, des gleichbed. mhd. bluot (PI. blüete), ahd. bluot (PI. bluoti) f.: germ. *blödi-, Ableitung aus Wz. blö in b l ü h e n ; im Oberd. wird B l ü t e durch blueSt (s. B l u s t ) vertreten. Blutegel in. mhd. mnd. ëgel, ahd. égala f . Zum gleichen idg. *eghi- wie Igel, s. d. Die kleine, nur die Haut durchschneidende Blutegelwunde macht auf den Laien den Eindruck eines tiefen Stichs, weil sie heftig u. lange blutet; die Narbe sieht aus, als rühre sie von einem Stich mit dem Dreikanteisen her. Ein Sekret des B. läßt die Wunde schnell heilen. — Nach der Ähnlichkeit mit der Gestalt des Blutegels ist später der L e b e r e g e l (Distomum hepaticum) benannt, der in den Lebergängen der Wiederkäuer schmarotzt. Schweiz. äggla f . erweist Zugehörigkeit zum gleichen Stamm. Bluttink s. Gimpel. blutrünstig Adj. aus mhd. bluolruns(ec) Adj. 'wund': zu ahd. mhd. bluotruns(t) m. f., das aus der abstr. Bed. 'Rinnen von Blut* in die konkrete 'blutende Wunde' übergegangen war. S. R u n s . Zu rlsen 'fallen' gehört gleichbed. mhd. bluotrisee, das sich mit b l u t r ü n s t i g kreuzt zu spätmhd. bluotristic, frühnhd. (Luther) b l u t r ü s t i g . Bö /. 'Windstoß* aus nd. Seemannssprache, hier bezeugt seit Röding 1794, älter buy Brem. Wb. 1 (1767) 176, bui Olearius 1696 Reisebeschr. 2, 2. Entlehnt aus nnl. bui, das seit Kilian 1598 als buy(d)e auftritt u. auch dän. by(g)e, norw. bya, schwed. by geliefert hat. Wenn man germ. *büjö- ansetzen darf, läßt sich Anschluß an ein lautmalendes idg. *bhu- 'aufblasen' gewinnen, das auch für aslav. bujl (aus idg.
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bockbeinig
*bhou-jo-) 'wild' u. russ. büjnyj 'ungestüm' vorausgesetzt wird. S. B ü h l und Pocke. Boa /. Im Lat. tritt boa f . 'Wasserschlange' seit Plinius als Fremdwort unbekannter Herkunft auf; die Anlehnung an boves 'Rinder", die zu vulgärlat. bova geführt hat, ist volksetymologisch: Palmer (1939) 149. Aus dem Lat. gelangt B o a 'große Schlange' seit C. Gesner 1689 Schlangenbuch S. 30 ins Nhd. Pariser Mode des beginnenden 19. Jh. nennt den schlangenförmigen Halspelz boa; danach bei uns seit 1831: H.Schulz 1913 Fremdwb. 1, 89 f. Bocher m. 'Schüler*. Hebr. bäehür 'Jüngling* ergibt judend. bocher 'Talmudbeflissener, Schüler des Rabbi', rotw. '(Polizei-)Beamter, der die Gaunersprache kennf. Schriftsprachl. seit Gutzkow 1859 Zauberer v. Rom 4, 272. S. A. Wolf Wb. 584. Bock 1 m. Mhd. ahd. boc, -ckes, asächs. anfr. engl, buch, mnd. buch, bock, mnl. boc, buc, nnl. bok, ags. bucca (bucc 'männlicher Hirsch'), anord. bukkr, bokkr, schwed. bock, dän. buk führen auf germ. *bukka- aus idg. *bhugru5-, n erscheint in dem urverwandten zigeuner. bumi 'Ziege*. Auf idg. *bhügo- 'Bock" (F. 'Ziege') beruhen awest. büza- m. 'Ziegenbock", pers. buz 'Ziege; Bock*, armen, buc 'Lamm*. Die kelt. Formen (air. bocc, ir. boc usw.) vereinigen sich auf urkelt. *bukko-, offenbar einer frühen Entlehnung aus dem Germ.: H. Güntert 1930 Beitr. z. n. Lit.-Gesch. 16, 10; den umgekehrten Weg nimmt. H. Hammerich, Beitr. 77 (1955) 187 an. Die sachlich zugehörigen Tiemamen(Geiß, H a b e r g e i ß , H i t t e , Zecke, Z i c k l e i n , Ziege usw.) s. bei A. Janzgn, Bock und Ziege (Göteborg 1938) u. K. Rein (s. Ziege). Bock2 m. 'Fehler*, erst nhd., wohl eine scherzhafte Umdeutung, die durch nhd. V e r s t o ß 'Fehler* veranlaßt wurde. Die Redensart einen Bock s c h i e ß e n mag daher rühren, daß bei Schützenfesten in alter Zeit (z. B. in Lenzkirch 1479: A. Götze 1942 Frühnhd. Lesebuch 29, 33) der schlechteste Schütze einen Bock als Trostpreis erhielt. Vgl. nhd. eine L e r c h e s c h i e ß e n gleich 'kopfüber fallen* sowie einen P u d e l (auch eine E n t e ) s c h i e ß e n . Bock3 m. 'Sitz des Kutschers hinter den Pferden' seit Frisch 1741 gebucht und durch das ganze 18. Jh. geläufig, z. B. Hölty 1772 Ged. I 69; M. Claudius 1789 Sämtl. Werke V 49. Die im 16./17. Jh. noch nicht auftretende Bed. geht zurück auf 'vierbeiniges Gestell oder Gerüst zum Tragen'. Nebenform K u t s c h b o c k , z.B. Jean Paul 1793 Grönl. Prozesse 86. bockbeinig Adj. in der übertragenen Bedeutung 'störrisch' im 19. Jh. aus dem Bairischen vordringend, aber noch nicht bei Adelung 1818 (V178). Zufrühst bockbeinigt 'hartnäckig' Westenrieder 1782 Beschr. v. München 324, bayr. bock-
Bockbier
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Bohle
boani 'hartnäckig' Zaupser 1789 Bair.-oberpf. Bodens' u. air. bond 'Sohle', kymr. bon 'GrundIdiot. 17, dazu Schwab, bockbeiniseh Schmid 1831 lage' auf idg. d oder dh zurückweisen. S. B ü h n e . Schwab. Wb. 84, Loritza 1847 Idiot. Vienn. 28 — Der Bodensee hat seinen Namen seit der bockbanig und tirol. bockbainerig Schöpf 1866 Karolingerzeit (vorher locus Brigantinus 'BreTirol. Idiot. 49. Vgl. auch Conlin 1709 Närrinnen genzer See') von der kaiserl. Pfalz B o d m a n , ahd. I 406 „aus Bockbainigkeit und dückischer Bodema, was Plur. zum Subst. B o d e n sein kann. bödmen Ztw., mnd. (verbodmen 'den Boden Weiß". Bockbier »., auch kurz Bock m. (daraus frz. eines Schiffs, Schiff u. Ladung beleihen', nsächs. maritima' boc) wie Rad zu Fahrrad usw. für B o c k b i e r bodemrije 'foenus nauticum, usura erst im 19. Jh. auftretend; um 1800 nur erst (1599), von da ausgehend nnl. bodemerij, engl. O a m b o c k oder Ambock als Münchener Wort bottomry, frz. bomerie, bilden den Ausgangspunkt (statt E i m b e c k e r Bier); vgl. die Entstehung des Reedereigeschäfts. Der Gläubiger des Bodvon Taler. An der Entstehung der Benennung mereibriefs (so seit 1610: Schirmer, Kaufm.-Spr. mag mitgewirkt haben, daß auch Schöps (in 35) heißt Bodmereigeber (seit 1732: Kluge, SeeSchlesien), S t e h r , Geiß und E n t e Bezeich- mannsspr. 110). Dagegen ist Bodmer alem. nungen für Bierarten waren. Axel Linqvist, Dt. Familienname (wie Boden, Imboden, BodenKultur- u. Gesellschaftsleben im Spiegel d. mann) 'wer auf einem Talboden wohnt', Gegensatz Berg(l)er. Sprache 1955, 70. Bofist B o v i s t m. Die zischend platzenden Bocksbeutcl1 m. heißt ein Würzburger Edelwein nach der Form der Flaschen, in die jetzt Staubschwämme (sonst F l o h b a l l , H e x e n die Frankenweine gefüllt werden; einst dem s t a u b , Staubsäckel) werden mit den BauchHodensack eines Bocks nachgebildet, der in winden (s. Fist) verschiedener Tiere verglichen. ältester Zeit zum Aufbewahren von Flüssig- Gr. ÀUKÓTTepSov, nlat. lycoperdan ist gleichbed. m i t nnl. wolfsveest. I m 15. J h . t r i t t vohenfist (zu keiten gedient hat. Bocksbeutel2 m. 'steif bewahrter Brauch', an mhd. vohe 'Füchsin') als Name des Pilzes auf das vorige nur äußerlich angeglichen, urspr. nd. (Lexer 3, 432). Der Anlaut des Worts wird gegen böks büdel. An der Hamburger Petrikirche stand den des zweiten Wortglieds dissimiliert, B o f i s t bis zum Brand 1842 eine weibliche Figur, die ihr als ostmd. Form wird nhd. (vgl. die Entwicklung Gesangbuch in einem Beutel trug. Darauf spielt von F l a c h f e l d zu Blachfeld). Anderwärts zuerst ein Hamburger Hochzeitsgedicht von 1640 wird der unverständlich gewordene erste Wortteil an, in dem der booksbüdel kennzeichnend für das zerdeutet: nd. pöfist (so Voß) geht mit P f a u e n zähe Festhalten der Frauen am Herkömmlichen f i s t Zehner 1622, das bair. u. henneberg. fortsteht. Schupp nennt noch 1684 das Scherzwort lebt, nd. bovist, schwäb. bubefiUlet mit B u b e n hamburgisch. Weiter dringt es durch H. Borcken- f i s t Bock 3 (1546) l b ; Lonicer 1551, 54; Bauhin stein 1742 B o o k e s b e u t e l . Zs. f. d. Wortf. 3, 1598 Hist. Font. Boll. 210. Bogen m. m h d . böge, ahd. bogo m., ags. boga, 136f. Bockshorn n. in der Redensart jem. ins engl, boto 'Bogen, Biegung'. Urverwandt ir. fidBockshorn jagen. Das beim H a b e r f e l d - bocc '(hölzerner) Bogen': Ableitung von biegen, t r e i b e n (s. d.) gebrauchte Bocksfell hieß ahd. wozu die gleichbed. Sippe von B u c h t . Vgl. die *bokkes hämo (s. Hemd, Leichnam). Es wurde, urgerm. Zusammensetzungen Ellenbogen und nachdem mhd. ham(e) m. 'Hülle' unverständlich Regenbogen. Ein Bogen Papier ist wohl urspr. geworden war, entstellt zu Horn. Der bei der Maßbez.: 'soviel man zusammenbiegt, -faltef. — Friedloslegung in ein Bocksfell Gezwängte wurde Vgl. Bausch. damit in Angst gejagt. Der alte Gefühlston ist Bohle /. Aus der Übereinstimmung der siebender Wendung geblieben, die man schon bei ihrer bürg. Formen mit den rhein. ergibt sich afränk. ersten Erwähnung kurz vor 1600 durch Seb. *boh für die Zeit vor 1141; das älteste nd. Zeugnis Braut in Basel (Zarnckes Ausg. S. 160 b ) nicht ist aus bolscip einer pomm. Urk. von 1286 (Hans. mehr verstand. Weiterhin haben Vorstellungen Urk.-B. 1, 1005) zu entnehmen. Nächstverwandt andrer Herkunft auf die altem Rechtsbrauch ent- mit mnd. bol(l)e 'Planke' u. mnl. bolle 'Baumsprungne Redensart gewirkt: W. Hartnacke 1942 stamm' ist anord. bolr 'Baumstamm', aus dem Neuphilol. Monatsschr. 13. 227f.; Th. Heiner- gleichbed. mengl. bole entlehnt ist und das mit mann 1944 Beitr. 67, 248. anord. boia 'Bäume fällen', ból-gxi u. a. unser Boden m., f r ü h n h d . m h d . bodem, ahd. bodam, Wort als gemeingerm. erweist; vgl. schwed. bài urgerm. *bupma. Mit anderem Dental ags. botm 'Stamm, Rumpf'. Überall liegt o aus germ. u vor. (engl, boüom), anord. botn. Die beiden Formen- Urverwandt sind aind. bhurijän 'Deichselarme', reihen weisen auf idg. Wurzelauslaut t neben d. lat. fuleire '(durch Balken) stützen' u. (mit anIdg. dh wird bezeugt durch aind. budhnd, gr. derer Ablautstufe, vgl. Balken) gr. phal-angai pytmen 'Boden', während lat. fundus "Stück 'Planken', aunä als germ. Ausgangsform, die (aus *babnä dissimiliert) auf idg. *bhabhä 'Saubohne' zurückweist. Dies ist die redupl. Stammform auch für gleiclibed. lat. faba, russ. hob und apreuß. babo, während gr. phakos 'Linse' und alban. bathe (aus *bhatcä) 'Saubohne' als Ableitungen auf verklein, -io der Redupl. nicht bedurften. Den Ausgangspunkt bildet eine Lautvorstellung idg. *bha, die von den aufgeblähten Backen auf die geschwollene Schote übergegangen ist. Die Bohne unsrer Urzeit war Vicia faba L.: J . Hoops 1913 Reallex. 1, 301. Unsre Gartenbohne (Phaseolus vulg. L.) stammt aus Amerika: ders. 1905 Waldb. u. Kulturpfl. 400. Über K a f f e e b o h n e s. K a f f e e . bolinen Ztw. Das W i c h s e n oder W a c h s e n der Böden (diese beiden Wörter in Süddeutschland, Österreich u. der Schweiz) heißt im nd. Osten b o h n e r n , im nd. Westen b o h n e n . Über die Abgrenzung Kretschmer 1918 Wortgeogr. 138. B o h n e r n i s t Iterativbildung ( w i e r ä u c h e r n , s c h i l l e r n , s c h l i m m e m , e r s c h ü t t e r n ) zu mnd. bönen 'blank reiben'. Dies führt mit gleichbed. mnl. nnl. boenen, ags. bönian auf westgerm. *bönian zur Wz. germ. *bön, vorgerm. *bhän. Zu ihr air. bän 'weiß', gr. phainö 'mache sichtbar", aind. bhänü- 'Schein, Licht, Strahl'. Bohnenlied n. in den Redensarten: etwas geht über das Bohnenlied 'ist nicht mehr erträglich' und: einem das B. singen 'ihm den Laufpaß geben' zurückzuverfolgen bis ins 15. Jh. Das Lied selbst (Text bei F. M. Böhme, Altd. Liederb. 435) schildert Verkehrtheiten u. Albernheiten. Es hat den Namen von seinem Kehrreim: Nu gang mir aus den Bohnen 'Laß mich ungeschoren': A. Kopp 1917 Zs. d. Ver. f. Volksk. 27, 36; H. Fischer 1904 Schwab. Wb. 1, 1289. Böhnhase m. 'Pfuscher' zu B ö h n 'Boden' (s. B ü h n e ) , der obd. Volkssprache fremd, ursprgl. die im nördlichen Niederdeutschland übliche Bezeichnung für den unzünftigen Schneider. In der Schreibung B e i n h a s e Felsenburg 2, 190; bei Stieler 1691 B e e n h a s e . Im Oldenburg. B ö h n h a s e (auch B a l k h a s e ) Name der Katze; die übertragene Bedeutung erinnert an das im Salzburgischen für den unzünftigen Zimmermann
Boje
übliche D a c h h a s e (eigtl. 'Katze') oder Z a u n h a s e (eigtl. 'Igel'): in der Heimlichkeit der Arbeit auf Bühne oder Speicher liegt die Vergleichung; nach Walther, Zs. f. d. Wortf. 8,191 war B ö h n h a s e , das im 14. Jh. zunächst als Personenname auftritt, eine nd. Scherzbenennung für 'Katze'Anderseits bietet die in Hamburg 1755 bezeugte Wendung B ö h n h a s e n j a g e n (die zünftigen Schneidermeister hatten das Recht, die unzünftigen Schneider unter Erlaubnis des Bürgermeisters mit polizeilicher Hilfe zu verfolgen, was Peisker 1685 De vemac. et rer. Germ, significaticme 31 schildert) einen weiteren Anhalt für die Bezeichnung B ö h n h a s e . Sie begegnet schon in der Wismarer Schneiderrolle von 1568, in einer Preuß. Landesordnung von 1577 sowie 1592 im nd. Wegekörter a l b und wird von Zeiller 1644 Episteln 4, 319 besprochen. Die hd. Literatursprache des 16. Jh. (z. B. Luther) sagte H ü m p l e r und S t ü m p l e r für "Pfuscher". Sonst begegnen für den unzünftigen Schneider die Benennungen S c h n e i d e r f r e t t e r und S t ö r e r , auch H o s e n k o c h und F e r k e n s t e c h e r (aus Neuß 1575 u. Deutz 1731: Mod. lang, notes 36, 485); der unzünftige Fleischer hieß in Zeitz B u h l e . bohren schw. Ztw. mhd. bom, ahd. asächs. borön, mnl. nnl. boren, ags. borian 'bohren', engl. bore (auch 'belästigen, langweilen', wie frz. scier aus 'sägen' zu 'langweilen' geworden ist), anord. bora, schwed. bona, dän. bore 'bohren' : zur idg. Verbalwurzel *bher- 'mit scharfem Gerät bearbeiten' mit schwundstufigem Wurzelvokal wie gr. pharö 'spalte', pharoö 'pflüge', während lat. foräre 'bohren' auf hochstufigem idg. *bhorä'das Bohren' beruht. Urverwandt sind ferner mir. bern 'Kluft', armen, heran, lit. burnà 'Öffnung, Mund', alb. brime 'Loch', aind. bhrnâti 'versehrt'. S. B a r c h . Boi m. Ein Wollgewebe, feiner als Fries und gröber als Flanell, heißt afrz. baie, wohl nach lat. badius 'kastanienbraun'. Von den Franzosen kommen Wort und Sache früh zu allen Nachbarn: ital. baietta, mnl. baeyseh läken, engl, bay, baize (dies aus dem Plur.), dän. bai. Während nd. baie über nnl. baaei zu uns gelangt und gelegentlich ins Hd. dringt (bayh(e) Henisch 1616), kann B o y (so seit Stieler 1691) dem Frz. erst entnommen sein, als dort boie galt. Schwed. boj entstammt dem Nhd. Boisalz s. B a i . Boje f . 'an Anker, Netze u. dgl. geketteter Schwimmer, Wahrtonne' : in nd. Seemannssprache zuerst 1575 als boye 'Ankertonne', vermittelt durch gleichbed. mnl. bo(e)ye (nnl. boei), das (wie engl, bvoy) aus afrz. boye (frz. bouée) stammt. Die afrz. Form ist lautgesetzl. entwickelt aus nfränk. *bokan 'Zeichen', das auf dem unter B a k e entwickelten germ. *baukna-
-bold
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beruht (k-Ausfall wie in frz. jouer aus lat. iocare): J . Modeer, Narnn och Bygd 1943 S. 143. -bold in Zus.-Setzungen wie L ü g e n - , R a u f - , S a u f - , W i t z b o l d ist Nachbildung altd. Männernamen wie Gari-, Huni-, Sigibald mit bald 'kühn' im zweiten Teil, deren Förstemami 199 aufführt. Im Nebenton ist für ahd. -bald mhd. -holt eingetreten. Von den appellativen Nachbildungen stehen die ältesten erkennbar im Übergang vom Eigennamen: hetzebolt ist erst Name eines bestimmten Jagdhunds, dann 'Jagdhund' allgemein. Kurz(e)bolt ist zunächst Übername eines Untersetzten, dann 'kurzes Gewand'. Außerdem leben schon mhd. trunken- und wankelbolt. Frühnhd. trunkenbolz ist hyperhd. Form. Der zweite Teil ist verselbständigt, wenn im 16. J h . t r u n k e n e r B o l d erscheint, im 19. (Rückert) kleine B o l d e . S c h i l l e r b o l d , um Brandenburg S c h r i l l b o l d , S c h r e e b o l d 'Libelle'enthalten nd. bolt 'Bolzen* u. ist mit -d unserer Gruppe nur angeglichen: Liselotte Druxes-Schäfer Wortkarte 'Libelle' beiMitzka, Dt. Wortatlas II (1953). bölken Ztw. 'brüllen', zumal von Rindern, nnl. lulken, md. (16. Jh.) bülken; bed.-verwandt nnl. bälken (vom Esel), mnl. mnd. belken. Sämtlich mit fc-Formans zur gleichen Wz. wie b e l l e n : Zs. f. d. Wortf. 12, 34. Bolle /. Aus einer Grundbed. 'Knollenartiges' hat sich einerseits 'Zwiebel', anderseits 'Knospe, rundliches Gefäß, Schale' entwickelt. Bei der ersten Entwicklung mag ital. cipolla (s. Zwiebel) mitgewirkt haben. Die Bed. 'Schale' ist schon in ahd. ags. bolla, anord. bolle vorhanden. Engl. bowl 'Napf' (schon um 950) hat um 1770 nhd. B o w l e ergeben, zuerst in Göttingen. Zum Begriff der 'rundlich erhöhten Form' ahd. hirni-, ags. heafodbolla 'Hirnschale'. Weiter sind verwandt mhd. boln, ahd. bolön 'rollen, werfen', vielleicht auch B a l l . Vgl. B e l c h e 1 und B o i c h . Böller m. In Regensburg erscheinen 1343 die ersten pöiler, die Schmeller a l , 231 als 'Schleudermaschinen' deutet. Sie kehren in der Zeit der beginnenden Feuerwaffen als kleine Kanonen wieder (H. Fischer, 1, 1277), wie sie noch heute zu Signalschüssen u. Festen benutzt werden. Zu mhd. boln 'schleudern' (s. B o l l e ) : während sonst die zu trans. Ztw. gebildeten Mask. auf -er den Träger der Handlung bezeichnen, hat sich bei B ö l l e r dieselbe alte Freiheit der Bildung bewahrt wie in P e l z e r , P f r o p f e r , S e n k e r : A.Götze 1909 Zs. f. d. Wortf. 11, 269. Bollwerk n. Ein im 16. J h . auftretendes mhd. böl(e)werk 'Wurfmaschine' kann die Auffassung von B ö l l e r (s. d.) stützen, mit dem es zu boln 'schleudern' gehört. Zukunft hatte allein gleichzeitiges lolwerk 'munimen' (Lexer 1, 324; H. Fischer 1, 1279), das an B o h l e f. (s. d.) anzuschließen ist: aus starken Planken wurde das
Bombe
Werk, der Schutzbau geschichtet. Gleichen Ursprungs sind mnd. mnl. nnl. bolwerk, aus dem Deutschen entlehnt frz. boulevard (aus älterem bouleveri), engl, bulwark, spätanord. bolvirki, dän. schwed. russ. bolverk, lett. bulverk'is: J . Seliwers 1925 Zs. f. vgl. Sprachf. 53,101; W. Stammler, Kl. Schriften 1954,194. Bolzen m. mhd. ahd. bolz, mnd. bolte(n) 'Bolzen, Fußfesseln, Meßstab, Rolle', mnl. bout(e), nnl. bout, ags. engl. dän. bolt, schwed. bult. Die got., anord., afries. u. asächs. Formen entgehen uns. Auf Entlehnung aus dem Germ, beruht das seit dem 8. J h . bezeugte mlat. bollio, das ital. bolzone ergeben hat. Urverwandt sind lit. beldü, btMau 'klopfe', baldas 'Stoßstange', mit denen B . auf einen Stamm *bheld- 'pochen' zurückweist, der mit einem nur präsentischen d zur Wz. *bhel 'schallen' gehört, so daßB. in seiner vorgeschichtl. Grundbed. 'Holznagel' nach dem Klang beim Einklopfen benannt wäre. Auf 'Holznagel' beruhen die geschichtl. Bed. des Worts: J . Brüch 1936 Zs. f. dt. Alt. 73, 75ff. — Zu B o l z ( e n ) 'Kater' vgl. B a l z . bombardieren s. B o m b e . Bombardon n. Die Baßposaune hieß frühnhd. P o m m e r ; daneben tritt B o m b a r d o n (nach ital. bombaräone) seit Prätorius 1619 Syntagma mus. 2, 36. Bombasin m. leichter Baumwollstoff, doch auch Mischgewebe mit Wolle, Kamelshaar oder Seide. Pers. pänbä 'Baumwolle' liefert über gr. Ttaijß&Kiov lat. bombacium, das ital. bombagino und frz. bombasin ergibt: Lokotsch 1927 Etym. Wb. 1617. Die Sache gelangt von Süden u. Westen zu uns, so daß an frühnhd. bombasin (so seit Frisius 1666 Dict. 1426 a, spätmhd. wammasln m.) beide roman. Nachbarsprachen Anteil haben dürften: Schweiz. Id. 4,1268; H. Fischer 1,1283; Lexer 1, 325. Bombast m. Zu den unter B o m b a s i n entwickelten Baumwollstoffen stellt sich engl, bombast, ein Gewebe, das vor allem zur Auswattierung der Wämser benutzt wurde. So ging das engl. Wort in die Bed. 'Schwulst' über, es wurde in der weiteren Bed. 'Wortschwall' zum Schlagwort der literar. Kritik u. als solches durch Gottsched 1730 Crit. Dichtk. 228 bei uns bekannt. Lessing hat es eingebürgert. B o m b a s t i s c h seit Wieland 1774 Abderiten 3, 2. B o m b a s t , seit dem 16. J h . Beiname der Herren von Hohenheim bei Stuttgart, so von Paracelsus, zu mlat. bombacium; auch W a m s ist schwäb. Familienname. Bombe /. Frz. bombe aus ital. borriba 'Sprengkugel' erscheint bei uns seit 1616. Das frz. Wort bed. 'summendes Geschoß', zu lat. bornbus, gr. bömbos 'dumpfes Geräusch'. Im 19. J h . entstammen B o m b e n e r f o l g , - g e d ä c h t n i s , - r o l l e , - m ä ß i g über die Schauspielersprache dem jidd.
bombenfest
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Borax
poiribe'pomphaft': S. A. Wolf, in: Muttersprache tritt. In nhd. Text belegt H. Schulz 1913 Fremd1955,102. Frz. bombarder liefert seit Stieler 1691 wb. 1, 92 b o n v i v a n t seit 1714. Bonze m. Japan, bonsö 'buddhist. Priester', b o m b a r d i e r e n , bombardement seit 1708 Leopold d. Gr. 1, 55 B o m b a r d e m e n t 'Beschie- dahin aus chin. fan-seng 'religiöse Person' mit dem Buddhismus entlehnt, ist in der engl. frz. ßung' : Ii. Schulz 1913 Fremdwb. 1. 90. bombenfest, - s i c h e r Adj. bezeichnen in Form bonze über die Welt verbreitet. Bei uns eigentl. Bed. etwas als so fest u. sicher, daß auch zunächst rein beschreibend B o n z y Plur. (Schultze ein Volltreffer es nicht zerstören kann. So Nettel- 1676 Ostind. Reise 134 a), dann schon kritisch beck 1823 Lebensbeschr. 3, 177 „ein Weinkeller, B o n z i e r (seit Hübner 1732 Staatslex. 276), seit den man für bombenfest hielt". Erst neuerdings der Aufklärungszeit in frz. Form B onze als Spottwort für bigotte Pfaffen (Wieland 1767 Agathon unsinnlich: „das steht b., mein Wort ist b." böiriig Adj. 'stumpf von den Zähnen nach 2, 7), dazu B o n z e n w e s e n von priesterl. BeGenuß von Saurem', ein Ausdruck der Mark schränktheit (Seume 1800 Mein Leben 8), B o n Brandenburg und ihrer Nachbarlandschaften, z e n g i f t u. B o n z e r e i (Ladendorf 1906 Schlagvon den alten Siedlern aus den südl. Niederlanden wb. 31), neuerdings von Vorgesetzten u. harmlos mitgebracht, wo seit langem boomig gilt. Die von Würdenträgern jeder Art, aber auch von Auffassung 'sich bäumend' wird gesichert durch Fanatikern ihrer Überzeugung ( P a r t e i b o n z e n ) : den gleichbed. Ausdruck „es stehen einem die Zs. f. d. Wortf. 13, 98. 15, 179; H. Schulz 1913 Zähne auf", den man im ostfränk./oberpfälz. Fremdwb. 1, 92; Lokotsch 1927 Etym. Wb. Grenzgebiet gebraucht, wenn man Allzusaures Nr. 331. Boot n. zu germ. *beta-, aus idg. *bhed-, *bhod zu essen bekommt. Die niedersächs. Entsprechung ä g i g (auch egg, ege, äge) gehört zu *ag- in mnd. 'stechen', dazu lat. fodio 'grabe', lit. bedü, beiMti egge f . 'scharfe Kante, Schneide'. Sie stimmt zu 'graben', gr. bothros 'Grab, Grabe'. Das Boot ist egghighe fanden 'stupidi dentcs', das von je in den also zunächst der ausgehöhlte Baumstamm, der nördl. Niederlanden gilt: H. Teuchert 1932 Einbaum, so wie der Nachen, lat. navis: J . Sverdrup, Maal og Minne 1922, 49. Aus anord. Mir Brandenburgia 41, 5f. Bonbon n. Das nach Kinderart doppelt gesetzte wird engl, bat, mengl. bot, engl, boat entlehnt frz. bon 'gut" hat frz. boribon 'Zuckerplätzchen' mnl. (13. Jh.) boot, mnd. boot (14. Jh.), kymr. ergeben, das obd. G u t ( e ) l e , G u t s ( e ) l e ent- bäd, ital. batto, battello, span. batel, frz. bateau. spricht, aber sich mit abweichender Bed. (Gutsei Im Nd. ist boet m. 'kleines, offenes Beischiff' das im Haus gebackene Zuckerwerk, B. die im zuerst Hamburg 1292 bezeugt, dazu viele Zus.Laden gekauften Leckereien ohne Mehl: H. Fi- Setzungen, von denen bösman 'Matrose' zuerst scher, Schwäb. Wb. 1, 1284. 3, 967) daneben schriftsprachlich wird: loßleut Waldis 1548 Esop erhält, seit es um 1770 (H. Schulz, Fremdwb. 1, 2, 30. Später nimmt das Wort die etymologisie91) entlehnt ist. Moritz 1793 Gramm. Wb. 170 rende Gestalt B o o t s m a n n u. die Bed. 'Unterbefürwortet das Fremdwort, Kinderling 1796 offizier auf Kriegs- u. Handelsschiffen' an. Reinigk. 116 u. Campe 1813 Verd.-Wb. 154 sind B o o t s m a a t ist Klammerform aus B o o t s mit ihrem Widerspruch nicht durchgedrungen. m a n n s m a a t . Zu der Kurzform B o o t s Zs. f. d. B o n b o n n i e r e /. aus frz. bonbonnière (s. B a r - Wortf. 8, 40. In hd. Text tritt podel oder poet riere) seit 1794 Neuer Teutscher Merkur 3, 204 seit Ulr. Schmidel 1554 Reisen 27 auf. Seit He„Ich habe heute noch die Bonbonniere mit ihrem nisch 1616 wird B o o t gebucht, fortan drängt es Portrait in Händen gehabt, die mir der englische md. K a h n und Z i l l e , obd. N a c h e n , N a u e , Gesandte geschenkt hat". Westfäl. gilt klümpken S c h e i c h u. W e i d l i n g zurück, die in frühnhd. Zeit allein galten. Zus.-Setzungen wie B o o t s für 'Bonbon*. g e s e l l u. - k n e c h t haben einen gewissen VorBönhase s. B ö h n h a s e . Bonmot n. Frz. bon-mot 'Witzwort' tritt zuerst sprung vor dem einfachen Wort, das erst um 1708 in deutschem Text auf: H.Schulz 1913 1760 für eingebürgert gelten kann, nun auch als Fremdwb. 1, 91. Die anfangs lebendige Wort- 'kleineres, selbständiges Fahrzeug zu Fischfang gruppe, die bis 1790 den Plur. B o n s m o t s bildet, u. Küstenfahrt' Fr. Kluge 1911 Seemannsspr. erstarrt, so daß Prof. Will in Altdorf 1749 eine 117. Nd. Herkunft sind auch unter vielen anderen Kritik der Bonmots schreibt. B o n m o t i s t i s c h die Seemannswörter B a k e , D u c h t , E b b e , F l o t t e , leck, s t o p p e n , Takel, Tau. — Nestroy Zs. f. d. Wortf. 12, 243. Bonne /. Aus der frz. Anrede ma bonne „meine Andere Herleitungen überzeugen neben der HerGute" (so Bürger 28b Bohtz) ist der Name der leitung aus altnord. bat nicht, so von Wolf-RottKinderfrau hervorgegangen, bei uns seit Campe k a y in der Anglia 71 (1952) 140: zu isl. beitan, ags. beetan 'die See beißen lassen, kreuzen'. 1801 gebucht. Borax m. Pers. büräh 'borsaures Natron' ist Bonvivant m. 'Lebemann' (s. d.) aus frz. bon vivant, das seit langem hinter frz. viveur zurück- r über arab. büralc, bauraq in die europ. Sprachen
Bord
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gelangt. Über mlat. borax entsteht spätmhd. buras, frühnhd. borros.Daraus ist nhd. B o r , B o r s ä u r e , - w a s s e r gewonnen. Bord m. n. 'Deck- und Seitenplanken eines Schiffs', mit B a c k - u. S t e u e r b o r d aus nd. bo(o)rd mit unverschobenem d entlehnt, bord als Schiffsausdruck begegnet zufrühst im Ags., wo es tabula übersetzt. Es ist eine gemeingerm. Ablautvariante für B r e t t (s. d.) u. entspricht diesem in der Bed. Idg. *bhf-tö-m und *bhrel6m
gehören zu der unter b o h r e n genannten Wurzel *bher-. In einer ostfries. Urkunde von 1457 ist von einem schepe van vyff borden grot 'fünf Plan-
ken hoch' die Rede; vgl. D r e i b o r d . Die urspr. Bed. kehrt wieder in got. föiubaürd 'Fußbrett' und nnl, dambord 'Damenbrett'. Mit diesem Wort vereinigt engl, board ein zweites, das 'Rand' bedeutet u. durch Schwund eines r aus brord (ahd. brort, brart) entstanden ist. Mit diesem vergleicht man aslav. brazda 'Furche'. — Kluge 1911 Seemannsspr. 127. Börde f . mnd. hörde, so zuerst in Hildesheim 1300 und Magdeburg 1314, älter gebärde, ahd. giburida f . 'was einem zukommt, zufällt'. Es gehört zu asächs. ahd. beran (lat. ferre) '(eintragen' und bezeichnet im Mnd. ein der Stadt(kirche) zins- oder steuerpflichtiges Landgebiet, später 'Gerichtsbezirk, Landschaft', heute in Fügungen wie Soester, Magdeburger Börde 'fruchtbare Ebene, Flußebene': Dt. Rechtswb. 2 (1935) 408; E. Schröder 1941 Nd. Jb. 65/66, 33f. Bordell n. Mhd. bort 'Brett' (s. Bord) wird früh ins Roman, entlehnt u. entwickelt hier ein Demin. mlat. bordellum, ital. bordello, frz. bordel 'Hüttchen', das in der Bed. 'Freudenhaus' zu den germ. Nachbarn zurückkehrt: engl, bordel, brothel, mnl. bordeel. Bei uns zufrühst Bordäl Fischart 1575 Garg. 90; bordeel bucht Schueren, Teuthonista (Kleve 1477), ebenso noch Henisch (Augsb. 1616). Das Wort ist, mhd. vrouwenhüs verdrängend, den Rhein hinauf, die Donau hinab gewandert. B o r d e l l e r e y Laukhard 1802 Mein Leben 5, 133, B o r d e l l das. 130 beleuchten das Milieu. bordieren Ztw. Dem afränk. *bord 'Rand' entstammt frz. border 'den Rand besetzen, einfassen', das seit Fischart 1575 Garg. 185 rückentlehnt erscheint. Nachmals spielen das Part, (ver-) b o r d i e r t und die Ableitung B o r d ü r e /. 'Einfassung' eine Rolle: H. Schulz 1913 Fremdwb. I, 92. Borg(schwein) s. B a r c h . borgen Ztw. Im Ablaut zu b e r g e n (s. d.) steht ein germ. schw. Ztw. der Grundbed. 'jem. Sicherheit gewähren', das sich einzelsprachlich in den Dienst der beginnenden Geldwirtschaft gestellt hat: ahd. bor(a)gen 'sich vor etwas hüten, sich schonen', dann 'jem. mit Zahlung ver-
Börse
schonen', mnl. borghen 'beschirmen', dann 'Bürge sein für jem.', ags. borgian 'behüten', dann 'leihen', spät anord. borga 'Bürgschaft übernehmen für jem.'; heute isländ. 'bezahlen'. Borke /. Die rauhe Baumrinde heißt hd. R i n de; B o r k e ist von Haus aus ein nd. Wort (mnl. bare, mnd. borke, westfäl. bark, borke), das um-
gangssprachl. bis zu einer Linie Barmen—Breslau gilt (Kretschmer 1928 Wortgeogr. 141), aber auch schriftsprachl. u. in B o r k e n k ä f e r , - t i e r auch wissensch. gebraucht wird. Mit anord. bgrkr (Grundform *barku-) u. dem daraus entlehnten engl, bark weist es auf urgerm. *barkus. Hierin sieht Petersson, Idg. Forsch. 23, 403 eine ¡/-Erweiterung des Verbalstammes *bher- 'schneiden'. Er kann sich dabei auf das Verhältnis von lat. eortex 'Rinde' zu gr. Jceirein 'schneiden' usw. berufen. Born m. md. nd. Form für B r u n n e n . borniert Adj. Zu frz. bome f . 'Grenzzeichen, Ziel' stellt sich borner Ztw. 'beschränken', dessen Part, b o r n i r t seit Schiller 1787 Briefe 1, 362 in nhd. Text erscheint. Dazu im 19. J h . B o r n i e r t h e i t f.: II. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 93. Borretsch m. Die Pflanze Borrago offiänalis L. ist von den alten Ärzten als schweißtreibendes Mittel verwendet worden. Arab. abü 'araq 'Vater des Schweißes' (zum zweiten Glied der Formel vgl. A r r a k ) hat über mlat. borrägo (so seit dem 14. Jh.) die europ. Formen geliefert. Spätmhd. borretsch ist uns durch das Roman, vermittelt. Das unmittelbar auf dem Lat. beruhende borage(n) lebt mundartlich fort: H. Fischer 1904 Schwäb. Wb. 1,1296. Börse /. Mlat. bursa 'Geldbeutel' (zu gr. btfrsa 'Leder') hat im 13. Jh. der Brügger Kaufmannsfamilie van der Burse den Namen gegeben, die drei Geldbeutel im Wappen führte. Im 15. Jh. ging der Name burse auf den Platz vor deren Haus in Brügge über, wo die Iombard. Kaufleute zu Geschäftszwecken zus.-traten. 1409 ist mnl. burse die Zs.-Kunft der Kaufleute in Antwerpen. 1518 bekommt sie ein Haus, das 1531 Bursa heißt: damit ist die Bed. 'Börsengebäude' erreicht. Seit 1558 dringt der Name über Hamburg nach Deutschland, zunächst in der Form B ö r s , die dem nnl. beurs entspricht. Vom Gebäude geht die Bez. auf die Versammlung der dort handelnden Kaufleute über. Seit etwa 1850 bedeutet B ö r s e auch 'Markt für versch. Waren', womit Zus.-Setz. wie Geld-, G e t r e i d e - , T r ö d l e r - , W a r e n b ö r s e ermöglicht sind. Ein Vorschlag, das Fremdwort durch H a n d e l s h o f zu ersetzen, ist bisher nicht durchgedrungen. — Auch in seiner alten Bed. 'Geldbeutel' dringt nnl. (geld-) beurs ins Nhd., zuerst 1730 als G o l d - B e u r s e , seit Zachariä 1754 Schnupftuch (1, 278) B ö r s e . S. B u r s c h e .
Börsianer
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Bote
Schmidt 1901 Hist. Wb. d. eis. Ma. 61), schwäb. botschmh geliefert. Dieses lebt in botsche 'Hausschuhe' bis heute, gleicher Herkunft ist österr. P a t s c h e n 'Pantoffeln'. Boße m. 'Bund Stroh oder Flachs', ahd. bö%o, burst, borst, ags. byrst n. 'Landsturz', engl, hurst mhd. bö^e, mnd. böte, westfäl. baute 'Bund Flachs', *Riß, Bruch'. Zu b e r s t e n , s. d. stellt sich zu dem unter Amboß, B e u t e l 1 und Borste f . m h d . börste /. — lürst, borst m. n., bosseln behandelten Ztw. mhd. bö%en 'stoßen'. a h d . burst m. n., ags. byrst u . mit Z-Ableitung Heute gilt das Wort in der Rheinpfalz und westbrystl, engl, bristle 'Borste', anord. burst /. 'steifes licher, ferner in obd. Ma. vom Elsaß und der Haar, Dachrücken', bursti m. 'Bürste': *bors als Schweiz bis Kärnten, s. H. Fischer 1, 1310, der germ. Gestalt der Wurzelsilbe steckt auch in zur Bed.-Entfaltung an den „Stoß Papier" erengl, bur 'Klette' aus ags. *burr (für *burzu- 'die innert. Borstige'). Vorgerm. *bhers- kehrt wieder in aind. bosseln Ztw. ist in den Bed. 'Kegel schieben', bhjs-tl 'Spitze, Zacke, Ecke', lat. fastigium 'kleine Arbeit verrichten' und 'erhabene Arbeit 'Gipfel', gr. pdskos, lit. bafsiis 'Rübe', russ. borsi machen' gleichen Ursprungs. Das unter Amboß 'Bärenklau'. u. Beutel 1 entwickelte Ztw. bö%en hat schon mhd. Borte /. 'Band, Besatz aus Goldfäden und neben seiner gangbaren Bed. 'stoßen' die jüngere Seide', älter einfach 'Rand', mhd. borte m. 'Ein- 'Kegel schieben' entwickelt (Lexer 1, 336). Dazu fassung, Band, Rand', ahd. borto 'Saum, Besatz' mhd. bö%kugel und als Demin. unser erstes (ital. bordo 'Rand, Einfassung', frz. bord sind bosseln. Das zweite hat landschaftlich dieselbe germ. Ursprungs), ags. borda 'Saum, Besatz'. Verkürzung des Stammvokals erfahren; das Vgl. das verwandte Bord. spätmhd. böfeln bed. etwa 'klöpfeln'; ein Mask. Böschung f . Mit der unter Busch behandelten boss(el) 'geringer Knecht' in obd. Ma. ist wohl Sippe ist durch ein Mittelglied bosch 'Gras- erst aus dem Ztw. rückgebildet. Mit dem gleichbüschel' ein alem. Wort zu verbinden, das in bed. b a s t e l n ist dieses bosseln unverwandt. — der Schweiz als bosch 'mit Gras bewachsenes Neben ahd. bö%an stand afränk. *bötan "(aus-) Stück Boden' seit langem und heute noch lebt schlagen, sprießen' mit der Ableitung *bötja (Schweiz. Id. 4, 1763). Dazu wird im 16. Jh. 'Sproß'. Sie wird entlehnt zu gallorom. *bottia, Böschung 'mit Rasen bekleidete Abdachung das in prov. bosa, frz. bosse 'Beule, erhabene eines Walls' gebildet. Es tritt bei Kriegsschrift- Arbeit" fortlebt. Hieraus wird im 16. Jh. frz. stellern wie Speckle 1689 Architect. 9 a u. ö. auf bosseler 'erhabene Arbeit machen' abgeleitet, und gelangt in die Gemeinsprache als 'Ab- woraus in der Renaissancezeit das gleichbed. dachung'. Zugleich wird das kurze ö zur Länge. frühnhd. bosseln entlehnt ist. Aus ital. bozza böse Adj. Mhd. bcese, ahd. asächs. bösi, mnd. 'Erhabenheit' (das eben auch germ. Ursprungs mnl. böse, nnl. boos, afries. *bäs (in bäs(a)feng ist) stammt spätmhd. possen m. 'Körpergestalt' 'unzüchtiger Griff'), schwed. mundartl. bös 'wild, bei Osw. v. Wolkenstein (f 1446) 4, 6. 21, 6. 30, verwegen, hochfahrend', norw. bans 'stolz, keck" 12 Schatz. Dazu posnieren 'nachbilden' das. führen auf germ. *bausia-, *bausu-, Nächst- 68, 17. 94, 24. verwandt sind mengl. bösten, engl, boast 'prahBotanik /. 'Pflanzenkunde'. Zu gr. botäne len', ursprünglich 'sich aufblähen'. So stellt sich 'Pflanze' stellt sich ßoTaviKii (tTnorrinT)), das das Adj. als s-Erweiterung der idg. lautmalenden über nlat. botanica (scientia) seit Schorer 1663 Wurzel *bhöu- 'aufblasen' dar, die auch unter Arzn. d. Reis. 178 „Botanic oder KräuterB a u c h , B a u s c h , bausen, Beule und Busen Wissenschaft" ergibt. B o t a n i s c h ist in lat. genannt ist. — Bosheit und b o s h a f t bleiben botanicus vorgebildet, b o t a n i s i e r e n (seit Thilo ohne Umlaut, weil ahd. i der Fuge schwand, ehe 1716) in gr. ßoTcxviJeiv 'Pflanzen sammeln'. Als es Umlaut wirken konnte. Dagegen ist mhd. Mask. galten im 18. Jh. B o t a n i s t nach frz. und bcesewiht (mit innerer Beugung) jüngere Zus.- B o t a n i c u s nach lat. Vorbild; erst seit Campe Rückung des Adj. mit W i c h t , s. d. — Die Laut- 1801 erscheint B o t a n i k e r : H. Schulz 1913 geographie bietet der Dt. Sprachatlas. Fremdwb. 1, 94. Boß m. 'Halbstiefel*. Das dem frz. botte prov. Bote m. ahd. boto, asächs. anl. bodo, afries. bbta f . 'Stiefel' vorausliegende roman. bota ist vor ags. boda, anord. bodi führen auf germ. *budan-, der hd. Lautverschiebung entlehnt worden und Nomen agmtis zu der in b i e t e n enthaltenen hat danach mhd. bo%(sehuoch) (Lexer 1, 336f.),Wz. germ. *bud, idg. *bhudh: zu entbieten und alem. boß, bößle (Schweiz. Id. 4, 1736), schwäb. Gebote auszurichten war sein Amt. Auch B o t bosse (H. Fischer, 1,1315), bair. poß(en), poßschu s c h a f t f . ist schon altgerm.: ahd. boloscaft, (Schmeller 11, 294) ergeben. Entlehnung von frz. älter botascaf, asächs. bodscepi, afries. bodiscip, botte in frühnhd. Zeit hat eis. bot{t)schüh (Ch. ags. bodseipe. S. - s c h a f t . Börsianer m. nach G o e t h i a n e r , Wagner i a n e r zuerst Glagau 1876 Börsenschwindel 88, nachdem noch Spielhagen 1874 Ultimo 452 allein B ö r s e n m a n n gebraucht hatte. Borst m. 'auseinandergebrochene Stelle', mnd.
botmäßig
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botmäßig Adj. 'zu Gehorsam verpflichtet, Untertan', spätmhd. potmce^ig 'verpflichtet, sich nach den Geboten zu richten', im 15. Jh. als Behördenwort zu mhd. bot n. 'Gebot, Befehl' gebildet. Der alte Sinn war verdunkelt, als im 19. Jh. u n b o t m ä ß i g 'widersetzlich' aufkam. Botschafter m. Frühnhd. gilt für 'Gesandter' das konkret gebrauchte B o t s c h a f t , zuerst in den Reichsabschieden vom Ende des 15. Jh., zuletzt im Regensburger Abschied von 1664. Nach K u n d s c h a f t e r und G e s e l l s c h a f t e r stellt sich B o t s c h a f t e r seit Heyden 1584 Plinius 408 in nichtamtlichem Gebrauch ein, z. B. für Brieftauben oder Merkur als Götterboten; als 'Führer einer Gesandtschaft* nicht vor Tectander 1610 Iter Pers. 14. Amtlich wird B o t s c h a f t abgelöst durch A m b a s s a d e u r , zu dessen Verdrängung Heraus 1721 Ged. 273 B o t s c h a f t e r empfiehlt, mit Erfolg vor allem darum, weil der Wiener Hof im Streit der diplomatischen Rangklassen, der in Nimwegen 1677 einsetzte, einen gehobenen Ausdruck brauchte ( A b g e s a n d t e r galt für envoyé). So ist im Reich, von Wien ausgehend, seit Anfang des 18. Jh. B o t s c h a f t e r Vertreter mindesten eines Kurfürsten. Bottich m., ahd. potega, poteche, mhd. botige, butche, aus lat. (aus d. Griech.) apolhëca 'Vorratskammer, Weinlager'; später 'Vorratsgefäß'. Im Span, bodega 'Weinkeller', ital. bottega 'Magazin'. Vgl. B ü t t e : Johannes Hubschmid, Schläuche und Fässer = Romanica Helvetica 64. Das Nomen agenlis B ö t t ( i ) c h e r (spätmhd. botecher, Luther, büttiger, bötticher, nd. boddiker, bödeker, dän. bedker, schwed. böekare) ist Schriftwort vom nd. md. Osten her, wo von alters Bier das Hauptgetränk war. Der B. heißt nach dem Braubottich. Im Weinland am Rhein und Main gilt K ü f e r , in Altbayern S c h ä f f l e r , fränk.-alem. K ü b l e r , ostfränk. B ü t t n e r , im ganzen Südsaum B i n der. Leo Ricker, Z. landschaftl. Synonymik d. dt. Handwerkernamen; A. Götze Neue Jahrb. 41, 130; P. Kretschmer Wortgeogr. 142; M. Âsdahl-Holmberg, Studien z. d. nd. Handwerkerbezeichnungen d. MA. 1950,171. Boudoir «. Zu frz. bouder 'schmollen', das etwa von 1760 bis 1850 auch bei uns gegolten hat, ist nach einem Vorbild wie dortoir 'Schlafsaal' im 18. Jh. boudoir gebildet, das sich alsbald aus 'Schmollwinkel' zu 'Zimmer der Dame' entwickelt hat. So bei uns seit J. Moser 1778 Patr. Phant. 3, 132 mit der Umschreibung L a u n e winkel. Das von Campe empfohlene Ersatzwort S c h m o l l w i n k e l entspricht dem Sprachgebrauch der Lausitz. Bouillon /. 'Fleischbrühe' seit Amaranthes 1715 Frauenz.-Lex. 109 aus frz. bouillon m., das im 12. Jh. aus gallorom. *bullione 'Aufwallung'
Brack
entwickelt ist. Dies gehört als Fem.-Abstr. zu lat. bullire 'sieden', urspr. 'Blasen aufwerfen* (s. Bulle). Unser Fem. steht unter Einfluß von B r ü h e und Suppe. Bovist s. B o f i s t . Bowle s. Bolle. boxen schw. Ztw. 'mit Fäusten kämpfen'. Gleichbed. engl, box (vielleicht verwandt mit pochen) gelangt im 18. Jh. zu uns und erscheint mit a, das auch in F r a c k (s. d.) dem engl, o entspricht: b a a k s e n Vers. e. brem. Wb. 1 (1767) 42; b a c k s e n f . M. Klinger 1776 Sturm u. Drang 3, 3; bei K. A. Kortum 1784 Jobsiade 2, 6, 26 im Reim auf w a c h s e n ; b a x e n noch bei Campe 1807, B a x e r bei II. v. Kleist 1810 Werke 4,194 E. Schmidt. Unsre Form tritt mit neuer Berufung auf England seit K. Niebuhr 1778 Reisebeschr. 2,176 auf: H. Schulz 1913 Fremdwb. 1,95. Boykott m. Über Hauptmann Charles Boycott, Gutsverwalter zu Lough-Mask in der irischen Grafschaft Mayo, sprach die irische Landliga 1880 ihren Bann aus, so daß niemand für ihn arbeitete oder mit ihm verkehrte und B. das erste Opfer des nach ihm benannten Verfahrens wurde. Bismarck hat B. 'Verruf' alsbald aufgenommen. Das Ztw. b o y k o t t i e r e n entspricht dem engl, to boycott, nnl. boyeolten. Brache /. ahd. brähha, mhd. bräche, mnd. mnl. bräke (zu b r e c h e n wie S p r a c h e zu s p r e c h e n ) 'Umbrechung des Bodens im Juni' (ahd. brähmänöt), ein Kunstwort der Dreifelderwirtschaft, bei der ein Drittel der Feldflur in, ze bräche liegt. Indem in der Formel die Präp. schwindet (wie in p r e i s g e b e n , W e t t l a u f e n : Behaghel 1928 Gesch. d. dt. Sprache 350), entsteht ein junges Adj. brach, das Verbindungen wie B r a c h f e l d , - l a n d eingeht. Dagegen zum Subst. gehört B r a c h v o g e l , ahd. brähfogal: Dän. brokfugl, schwed. brockfägel sind aus dem Nd. entlehnt. Brachsen m., B r a c h s e f.,nd. B r a s s e n , B l e i 2 (s. d.). Im hd. Sprachgebiet ist der alte Reibelaut vor s erhalten: daher Schweiz, brachsme, schwäb. brachse wie mhd. brahsem, ahd. brahs(i)a, brahsema, brahsima; dazu schwed. braxem. h vor s ist geschwunden: md. brasme, mnd. brassem, münsterl. braissem (ai aus ö), nl. brasem, dän. brasen, norw. brasma, mlat. brasmus. Mit Ablaut stehen daneben md. brësme, Alberus 1650 Fabeln 19, 71 bressum, asächs. brëssemo, mnd. mnl. brëssem. Aus *brahsima ist frz. brème entlehnt, daraus engl, bream. Der Name des glänzenden Fisches gehört zu germ. *brehwan 'glänzen' (idg. Verbalstamm *bhereH-)\ s. B r a u e , B i r k e . Brack w. 'Ausschuß', b r a c k Adj. 'minderwertig", b r a c k e n Ztw. 'ausmustern': seit dem 14. Jh. als Wörter des norddeutschen Handels belegt von A. Schirmer 1911 Wb. d. dt. Kaufm.Spr. 212, woneben im nd. Text wrack und
Bracke
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wracken gelten. Dies ist das Ursprüngliche (s. W r a c k ) : br ist Lautsubstitution für das den Hd. ungewohnte wr: Behaghel 1928 Gesch. d. dt. Spr. S. 385. Bracke m. 'Spürhund', mhd. mnd. mnl. brache, ahd. braccho, dazu asächs. Bracka als Name eines Jagdhunds. Auf den germ. Wörtern beruhen ital. bracco, afrz. brac(on), frz. brächet, braque, mlat. bracco 'Jagdhund', barmbraccus 'Schoßhund'; aus dem Frz. stammt engl, brach 'Spürhund'. Mit mhd. brcehen 'riechen' und lat. fragräre 'stark riechen' zu idg. *bhrag-ros 'riechend'. Brackwasser n. 'Gemisch von süßem und Salzwasser', in hd. Text seit Andersen 1669 Orient. Reisebeschr. 23, doch schon Olearius 1647 Reise 276 „da freilich das Wasser . . . süße oder Brack ist". Häufiger nd. nl. brahwaier zu mnl. brac "salzig"; dazu engl, brackish (water), dän. brakvand, schwed. brakvatten. Das Wasser heißt nach dem schneidenden Geschmack: idg. *bhrogos gehört zum Verbalstamm *bher 'schneiden' wie nl. brine 'Salzwasser* zu dessen gleichbed. Erweiterung *bhrei. Brägen m. 'Gehim'. Herrn. Osthoff, Morpholog. Untersuch. 5, 92 setzt idg. *mregh, *mrogh an, woraus einerseits gr. ßpexpis 'Vorderhaupf, anderseits das wurzelverw. germ. *bragna- 'Gehirn' hervorgegangen ist, das durch ags. brcegen, engl, brain, afries. nl. brein, mnd. bregen gesichert ist. Zur Vertretung von idg. mr durch germ. (m)br im Anlaut s. Kluge 1913 Urgerm. S. 80. Brem- in B r a m r a h e , - s e g e l , - s t a n g e usw., nl. bramra, -Zeil, -steng wird aus bram 'Prunk* gedeutet, so daß diese Segel usw. urspr. 'Renommiersegel' wären. Zu stützen durch gleichbed. engl, top-gallant-sail (zu g a l a n t ) und S c h ö n f a h r s e g e l . Die älteren deutschen Formen brandsegel, -Stenge u. ä. beruhten dann auf irrender Umdeutung: Kluge 1911 Seemannsspr. 136. Bramarbas m. 'Prahlhans'. 'Bramarbas, Cypems Herr und Kaiser" beginnt eine Ode in der anonymen Satire „Cartell des Bramarbas an Don Quixote" hg. von B . Mencke 1710 Unterr. von d. d. Poesie 220, durch Gottsched 1741 D. Schaubühne 3, 16 beflügelt: Büchmann 1912 Geflüg. Worte 111; H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 95. Dazu b r a m a r b a s i e r e n 'großtun' seit Geliert 1761 Briefe vom Geschmack 4, 149. Zu span. bramar 'schreien, heulen'. Brand m. Ahd. brant, Mz. br?nti, mhd. mnl. brant (d), asächs. mnd. nnl. ags. engl. dän. schwed. branä, afries. brond, anord. brandr führen auf germ. *branda-, das dichterisch (wegen des Glanzes) für 'Schwert' steht, auch im entlehnten afrz. brant, ital. brando. So ist es in Namen wie B r a n dolf und H i l d e b r a n d gemeint, während Ortsund Flurnamen wie E b e n - , N e u e n b r a n d an
Brandsohle
eine durch Brennen gerodete Waldstelle erinnern. Das M. ist zum Stamm des st. Ztw. b r e n n e n (s. d.) auf germ. -ßa, idg. -to gebildet wie F r o s t zu f r i e r e n , gr. thdnatos 'Tod' zu öccvelv 'sterben', pötos 'Gelage' zu pinein 'trinken': F. Kluge 1926 Stammbildungsl. § 117. Die roman. Sippe von frz. brandon 'Fackel' stammt aus afränk. *brand 'brennendes Holzstück*. Brandbrief m. tritt in Bayern 1396 als 'Verordnung gegen Brandstifter* auf, ohne in dieser Bed. über den Anfang des 16. J h . hinaus fortzuwirken. In Hamburg begegnet brantbref zuerst 1514 als 'Schreiben, wodurch das Abbrennen von Haus und Hof angedroht wird'. Dieser Gebrauch, der etwa dem des hd. F e h d e b r i e f s entspricht, gilt im Raum zwischen Antwerpen, Braunschweig, Erfurt, Berlin und Lübeck bis ins 19. J h . ; nach Süddeutschland dringt nur gelehrte Kenntnis davon. Von hier geht 1617 die Hauptbed. aus: 'obrigkeitl. Verfügung, die zum Sammeln von Gaben für Brandgeschädigte berechtigt'. So in der Schweiz, Württemberg und Sachsen; hier entspringt der verallgemeinerte Gebrauch 'dringlicher Brief (um Geld)', der durch Vermittlung der Stud.-Sprache von Leipzig (seit 1767), Halle usw. in Umgangssprache und Mundarten dringt. branden Ztw. das Wallen erregten Wassers haben die Alten gern dem Brennen und Sieden verglichen: B r u n n e n , S o d , lat. aestus. So gehört nd. nl. branden zu B r a n d m. und bedeutet urspr. 'sich wie Flammen bewegen'. Nhd. erst durch Klopstock u. Voß eingebürgert. — B r a n dung, nd. nl. branding, dän. brcending, schwed. bränning, seit Vischer 1720 Robinson I, 66 in hd. Texten, löst älteres B r e n n u n g ab, das nd. bränning, baming entspricht: Kluge 1911 Seemannsspr. 141. 147. Brander m. nd. nnl. dän. brander 'mit Brennstoff geladenes Schiff, mit dem man feindliche Schiffe in Brand zu stecken sucht*. In nhd. Texten seit Schultze 1676 Ostind. Reise 262 b , vorher (seit Hulsius 1613 Schiffahrt 10, 38) das hd. Bildungsgewohnheit entsprechende B r a n d s c h i f f : Kluge 1911 Seemannsspr. 139. brandmarken Ztw. 'ein Zeichen einbrennen* erst nhd. Dän. broendemerke, schwed. brännmärka sind aus dem Deutschen entlehnt. Das Subst. heißt frühnhd. brandmerk. Die Sitte, Verbrechern oder Gefangenen Stigmata einzubrennen (siehe K a i n s z e i c h e n ) , auch bei Griechen u. Römern. brandschatzen schw. Ztw., spätmhd. brantschatzen 'eine Geldauflage festsetzen, durch die Gebäude usw. von kriegsüblichem (Plündern und) Niederbrennen losgekauft werden'. Übertragen 'stark in Anspruch nehmen'. Brandsohle /. die innere Sohle des Schuhs (so seit Ludwig 1716) aus B r a n d l e d e r (seit Stieler
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Brasse
1691), d. i. solchem, das durch das Brandzeichen der Tiere geschädigt ist: W. Krämer 1941 Gestaute Flut 64. Klammerform aus B r a n d {leder-)sohle. Die Schuhmacher kaufen beim Gerber B r a n d s o h l e n l e d e r : E. Ochs 1940 Bad. Wb. 1, 307. Brasse f . Die Bed. 'Seil am Ende der Segelstange' ist schon an lat. brachium entwickelt, das urspr. 'Arm' bedeutet. Sie geht über frz. bras auf nnl. bras über und gelangt von da 1702 in hd. Seeschriften. Gleichen Ursprungs ist engl. brace. — b r a s s e n Ztw. 'die Rahen durch Ziehen an den Brassen in Stellung bringen', vom vorigen abgeleitet, im Hd. mit ihm gleich alt. Nd. nl.
brauen
Bratwurst /. Ahd. mhd. brätwurst gehört zum
st. M. brät 'Fleisch ohne Speck und Knochen, schieres Fleisch' und ist Dauerware wie unsere F l e i s c h - , M e t t - , Z e r v e l a t w u r s t , nach dem Hauptbestandteil der Füllung benannt wie B l u t - , H i r n - , L e b e r w u r s t . Die zu raschem Verbrauch in gebratenem Zustand bestimmten B r a t w ü r s t e sind jung. S. B r a t e n , W i l d b r e t und Edw. Schröder, Anz. f. d. Alt. 41, 96. 53, 234; L. Wolff, Muttersprache 1949, 333. brauchen Ztw. mhd. brüchen, ahd.
brühhan,
afries. bruka, ags. brücan 'genießen, verdauen, ertragen', engl, brook, asächs. brükan, got. brükjan. Dem Nord, ist das Ztw. urspr. fremd. Die brassen, dän. brase, schwed. brassa, engl, io brace vorgerm. Gestalt der Wz. *bhrug stimmt zu lat. aus frz. brasser.
fruor, das über *früuor aus *früguor entstanden
Brassen s. B r a c h s e n . Braten m. Im 6. Jh. erscheint in Westfranken bei dem byzant. Arzt Anthimus brädö, -önis m. "Schinken', ein germ. Wort; von da aprov.brazon •"Wulst am Arm', afrz. braon 'Walde, Wulst'. Dazu asächs. brädo 'Wade', ahd. brät(o) 'Fleisch ohne Speck u. Knochen, schieres Fleisch', ags. br&d 'Fleisch', anord. bräd 'Fleisch als Nahrung für Menschen oder Tiere'. Mhd. brate, mnd. mnl. bräde werden durch das unverwandte Ztw. b r a t e n in die Bed. 'gebratenes Fleisch' umgelenkt; ein Rest der alten Bed. hält sich in W i l d b r e t . Falls der Anlaut auf idg. mr- beruht, kann Verwandtschaft mit m ü r b vorliegen.
ist. Das aus dem Part, hervorgegangene Subst. früctits 'Nutznießung, Nutzen, Genuß; Ertrag, Feldfrucht' u. Mz. früges zeigen den Velar im Wurzelauslaut. Nominalbildung zu Wz. *brük (bhrüg) ist nhd. B r a u c h , ahd. brüh m.
Brauchtum n. 'Gesamtheit der (volkstümlichen) Gebräuche einer Landschaft, einer Zeit, einer Volksgruppe': seit etwa 1917 rasch durchgedrungen. Braue /. mhd. brä(we), ahd. bräwa, afries. Ire,
ags. brsrn. Zwei laut- u. bed.-verwandte Wörter gehen im Germ, nebeneinander her, die sich mehrfach gemischt haben. Den alten Unterschied zeigen anord. brün 'Augenbraue', brä 'Wimper'. braten Ztw. mhd. braten, ahd. brätan, asächs. Im Ahd., wo das alte brü 'Braue' (idg. aind.
brädan, mnl. brädeii, afries. breda, ags. brsedan. bhrü-, gr. óphrys, aslav. brüvi, lit. bruvis, brùné
Verwandt mit B r o d e m und b r ü t e n . Zugrunde liegt wohl eine idg. Wz. *bhrU, zu der auch lat. jreium 'Wallung des Meers', fretäle 'Bratpfanne', fernere 'sieden' und fermentum 'Sauerteig' gehören. Ohne Dentalerweiterung auch B r ü h e . Bratenroek m. Stieler 1691 verzeichnet B r a t e n w a m s 'veslis convivalis'; seit der Biedermeierzeit spielt der G e h r o c k (s. d.) seine Rolle. Dazwischen steht der B r a t e n r o c k , der bei Müller 1789 Emmerich 6, 150 als Gewand der Leipziger •Stutzer auftritt, gefolgt von B r a t e n k l e i d 1790 Origines Backel 1, 93. T. Tobler 1837 Appenz. •Sprachsch. 79 verzeichnet broteshosa neben bro•iesrock, Ch. Schmidt 1896 Wb. d. Straßb. Ma. 21 b gebrodesrock. Vgl. engl, roasimeat
clothes:
'Braue', air. irà'Rand, lit. briaunà' Kante', anord. brün 'Rand, Kante') ausstarb, sagte man dafür ubarbräwa, obarun bräwa, wie ags. oferbrüa, mengl. uvere brèjes. Mit idg. *bhrü- steht ahd.
bräwa in keiner Verwandtschaft. Es beruht vielmehr auf idg. *bhereii- 'glänzen' und ist verwandt mit got. brah augins 'Augenblick', anord. augna-
bragd 'Zwinkern mit den Augen', bregda 'eine rasche Bewegung machen*. — Die Laut- und Wortgeographie von 'Augenbraue' bietet Martin Dolch bei Mitzka, Dt. Wortatlas I (1952), die Etymologie usw. Zs. f. Mundartfg. 20 (1952) 146: B r a u e , Lid, W i m p e r haben oft Gemeinschaftsnamen, wie in anderen Sprachen auch.
W.
brauen Ztw. Mhd. brüwen, briuwen, brouwm, ahd. briuwan, brüwan, asächs. breuwan, mnd. Bratling m. der Pilz Lactarius volemus, der in brüwen schw. Ztw., mnl. brouwen, brüwen, nnl. Butter gebraten genossen wird: H. Fischer 1904 brouioen, afries. briüwa, ags. brèowan st. Ztw.,
Fischer 1943 Dt. Wortgesch. 2, 361.
Schwäb. Wb. 1,1360; H. Marzell 1943 Der Biologe 12, 180. Bratsche f . 'Altgeige' ist im 17. Jh. verkürzt aus älterem B r a t s c h g e i g e , das seinerseits Lehnübersetzung aus ital. viola da braeeio 'Armgeige' ist und im Gegensatz zur K n i e g e i g e , ital. viola •di gamba, unserm G a m b e , steht: H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 96. 236.
engl, brew, anord. brugga (Part, bmgginn), norw. brugga,
bryggja,
schwed. brygga,
dän. brygge
'brauen' führen auf idg. *bh{e)reu-: *bh(e)m'wallen, aufbrausen, gären', wozu auch B r a n d , brennen, brodeln, Brot, Brunnen, Brunst, b r u n z e n , W i n d s b r a u t . Außergerm. Verwandte sind lat. fervere 'sieden', defmtum 'eingekochter Most', gr. 9peccp 'Brunnen', thrak. ßpütos
braun
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Bräutigam
(Hesych ßpoO-ros), ßpü-rov 'Gerstenbier", air. Brausekopf m. kaum vor 1792 T. Merkur, bruth 'Glut; Wut', 'mir. Iruith 'kochen', bret. Nov. 317 „Fanatismus wilder Brauseköpfe". Gebroud 'heiß; gärend', bucht seit Campe 1807. brausen Ztw. mhd. mnd. brüsen, von da entbraun Adj., die Farbe des Bären und Bibers lehnt dän. bruse, schwed. brusa. Falls die Bed. (s. d.), mhd. ahd. asächs. afries. ags. brün, mnl. bruun, nnl. bruin, engl, brovm, anord. brünn, 'rauschen' aus älterem 'wallen, sieden' entwickelt dän. schwed. brun. Der gemeingerm. Farbname, ist, mag b r a u s e n s-Erweiterung zur Wz. von der vielfach auch 'blank, glänzend' bedeutet b r a u e n sein. — B r a u s m., mhd. brüs 'Lärm' (Ingerid Dal, Germ, brün als Epitheton von ist aus dem Ztw. rückgebildet, wie Saus aus Waffen, Oslo 1937), ist früh zu den Nachbarn s a u s e n , nnl. bruis 'Schaum, Gischt' aus bruisen entlehnt worden, nach Westen (seit Isidor, t 636) 'schäumen'. — Eine zweite Rückbildung ist mlat. brünus, frz. brun, ital. bruno, nach Osten B r a u s e f., der das Wasser mit Gebraus durchlit. brünas, tschech. bruny, serb. brun. Urverwandt lassende Ansatzteil von Gießkanne u. Dusche, sind russ. mundartl. bryndP, ablautend brunä' dann diese selbst. Aus nd. brüse Brem. Wb. 1 'weiß, gelblich, grau schimmern', russ. bron (1767) 150 durch Schriftsteller wie Lüeder 1773 'weiß; bunt (von Pferden)', kleinruss. brenlty Küchengarten 600 u. Voß 1777 Ged. 1, 44 in die 'falb werden, reifen'; gr. phryne, phryrws 'Kröte' Schriftsprache eingeführt. Braut f . In lat. und gr. Inschriften Dalmatiens (ursprünglich 'die Braune') tochar. A. pamo, B. perne- 'glänzend'; -«-Bildungen zu idg. *bher- erscheint seit dem 3. Jh. brutis, ßpoü-ns 'ver'hell, braun'. — Die von Tobias Hübner 1622 heiratete Tochter, junge Frau'. Darin ist i Lautgeprägte Barockformel b r a u n e N a c h t bildet substitution für p: gemeingerm. *brüpi- 'Neufrz. nuit brune 'düstre Nacht' (seit Ronsard) vermählte, bes. am Hochzeitstag' (so noch engl. nach; ital. ombra bruna begegnet schon bei bride, nord. brud) spiegelt sich in got. brüps Petrarca, Bojardo und Tasso: K. Vietor 1938 Zs. 'Schwiegertochter', anord. brüdr, ags. bryd, f. dt. Philol. 63, 284f. — Andrer Herkunft ist afries. breid, asächs. brüd, ahd. mhd. brüt. Außerb r a u n mit der Bedeutung 'violett'. Lat. prünum germ. Verwandte sind nicht gesichert. Aus dem (das, vor der hd. Lautverschiebung entlehnt, den Germ, entlehnt ist afrz. bru 'Schwiegertochter', Namen der P f l a u m e ergeben hat) ist in ahd. das sich in nordfrz. Ma. als 'junge Ehefrau' erZeit nochmals entlehnt worden, nun zur Bezeich- hält; auch dt.-mundartlich wird die Bedeutung nung der zwischen rot und blau schwebenden 'Schwiegertochter' für B r a u t vereinzelt beFarbe der Frucht: ahd. prün, mhd. brün, nhd. zeugt; s. F. Debus, Die dt. Bezeichnungen für b r a u n , b r ä u n l i c h bezeichnen zumal im Süden die Heiratsverwandtschaft, Dt. Wortfg. in europ. u. Westen die Farbe des Veilchens, die kirchl. Bezügen, hrsg. v. L. E. Schmitt 1 (1958), 37. Trauerfarbe usw. bis zur späten Entlehnung von Die alte Bed. 'Neuvermählte' bleibt nach v i o l e t t und l i l a : A. Götze 1910 Zs. f. d. Wortf. Braune, Beitr. 32, 30 und Kauffmann, Zs. 12, 200; ders. 1918 Wege des Geistes in der f. d. Phil. 42, 129, bis Luther die aus dem Sprache 20; K.Borinski, Sitz.-Ber. d. Bayr.Akad., ostmd. Literaturdialekt stammende Bed. 'Verphil.-hist. Kl. 1918, 10. 1920, 1. K. Vietor 1938 lobte' durchsetzt u. mhd. gemahel aus diesem Zs. f. dt. Philol. 63, 284ff. — Die Lautgeographie Sinn verdrängt. Mundartlich gilt H o c h z e i t e r i n . zu 'braun' (der braune Hund) bietet der Dt. Frühnhd. und nd. ist H e r r B r a u t Anrede der Braut am Hochzeitstag: Sommer 1608 EthnograSprachatlas. phia 2, 48; Weichmann 1732 Poesie d. NiederBräune f . mhd. briune 'Braunsein', später in sachsen 2, 176. Vgl. B r ä u t i g a m , B r a u t l a u f , versch. Richtungen besondert: zum Namen des G e m a h l und W. Krogmann 1931 Idg. Forsch. Braunsteins Zs. f. d. Wortf. 13,108, wie zu den 49, 202; ders. 1932 Glotta 20, 177; ders. 1934 versch. Krankheiten der Luftwege, die die Wörter u. Sachen 16, 80ff. Schleimhäute braunrot verfärben. Zuerst ParaBräutigam m. bedeutet urspr. (übereinstimcelsus 1625 (Werke I, 2, 149): brenne f . 'Angina; mend mit der Grundbed. von B r a u t ) 'junger Diphtherie', 1528 preune f., preuni f . (I, 7, 445) Ehemann am Hochzeitstag', so ahd. brütigomo, in gleichen Bedeutungen. Gleichlaufend mlat. mhd. briutegome, asächs. brüdigumo, ags. brydprunella, ital. prunela, frz. prunelle. guma, anord. brüdgumi. Zweiter Wortteil (in Brausche f . mhd. brüsche, nd. brüs(ch) '(mit engl, bridegroom angelehnt an groorn 'Jüngling') Blut unterlaufene) Beule'. Der nächste germ. ist ahd. gomo, got. ags. gurrta 'Mann', urverw. mit Verwandte ist anord. briösk 'Knorpel': Bildung lat. homo, lit. ¡mogus, Smogiis, älter irnuö 'Mensch, auf -k zur idg. Wurzel *bhreus- 'schwellen', die Mann' aus idg. *gh{d)mon. In nd. und md. Mundunerweitert in air. brü 'Bauch' und B r ü n n e arten hat sich B r ä u t i g a m , wenn auch vielfach (s. d.) vorliegt und zu der als -¿-Bildung B r u s t entstellt (westfäl. brümer nach Vorbildern wie gehört; s. d. und B r o s c h e n . B r u d e r ) erhalten, dagegen ist es eis. schwäb. K l u g e , Etymologisches Wörterbuch. 18. Aufl.
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Brautlauf
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bair. durch Hochzeiter ersetzt, wie B r a u t durch Hochzeiterin. Thür, gilt B r a u t für 'Bräutigam', ähnlich frühengl. bride für bridegroom. Got. erscheint brüp-faps, eig. 'Brautherr'; das zweite Glied, got. japs, .entspricht dem gr. 1TÖC71S (aus *trÖTis), aind. paii 'Herr'.
Breme
„etw. in Stücke brechen", aus ihm ist der intr. entwickelt. Die Bed. 'eine schnelle Bewegung vollziehen' in Wendungen wie „aus dem Busch brechen" ist abzuleiten aus älterem „den Busch durchbrechen". Für sich (er)brechen 'vomere'
steht f r ü h n h d . der mögen (er)bricht sich {mit Brautlaal m. ahd. brülhlauft, später brütlouft, gewalf). Dan. (sig) brcekke ist aus dem Deutschen m h d . brüllouf(l), asächs. brüdloht, ronl. bruud- jung entlehnt, ebenso schwed. bräcka. S. B r a c h e , locht, anord. brüdhlawp, spätags. brydhhp. Die Brocken. — DerDt. Sprachatlas bietet die Laut-
germ. Bez. der Hochzeit, urspr. 'Tanz des Bräuti- geographie zu 'gebrochen' auf den Karten 28 gams auf die Braut zu': Edw. Schröder, Zs. f. d. bis 30, 76. Brecher m. 'Sturzsee' im Sing. hd. kaum vor Alt. 61, 17; W. Krause, Die Frau in d. Sprache der aisl. Familiengesch. 216f. Wie in B r ä u t i g a m 1883 in Nachbildung von gleichbed. engl, breaker, steckt auch in B r a u t l a u f als erstes Glied B r a u t vorher hd. B r e c h s e e : Kluge 1911 Seemannsspr. 'junge Frau am Tag der Hochzeit", ebenso in nhd. 146. Der Plur. nd. brakers 'Brandung' das. seit B r a u t f ü h r e r , - j u n g f e r , mhd. brütleich 'Hoch- 1855. zeitlied', ags. brydlac 'Hochzeit', mnd. brülkosie Bregen s. Brägen. 'Hochzeitmahl', -dach 'Hochzeittag'. Zweites Brei m. Mhd. bri(e), ahd. brlo, Gen. brlwes, Glied ist das Verbalnomen germ. *hlaufti zu mnd. mnl. brl, nnl. brij, ags. briw führen auf l a u f e n , nur in der anord. u. der daraus entlehnten westgerm. *brlwa-, das man als 'Sud, Gekochtes' ags. Form das Mask. anord. hlaup 'Lauf'. (vgl. österr. Koch n 'Mehlspeise') mit lat. brav Adj. Lat. barbarus 'ausländisch' hat mlat. jrigö, gr. , die im Volkslatein erhalten blieb, s. E l e f a n t ) lat. ampora, dessen Demin. ampulla 'Flasche' fortlebt. Das Volkswort, das die Germanen mit der Sache kennenlernen, wird in einer roman. Form mit b und Wandel zum Mask. entlehnt und ergibt ahd. arribar, ags. aniber, ambor. Bestätigt wird diese Form, die in österr. amper fortwirkt, durch die gleichbed. Ableitungen ahd. ampri n., ags. embren sowie durch die aus dem Germ, entlehnten aslav. gborü, aruss. uborük, poln. wgborek und das aus dem Slav. stammende apreuß. wumbaris. Die jüngeren Formen ahd. eim-, einbar, asächs. embar beruhen auf volksetym. Anlehnung an ein und bSran 'tragen', vollzogen, nachdem sich die zweiohrige Kruke zum Kübel mit Henkel gewandelt hatte (s. Zuber). Weiterhin ist mb zu mm assimiliert (mnd. mnl. emmer) und (wegen des vorausgehenden Diphth.) zu m vereinfacht worden. Dän. ember, schwed. ämbar sind vor jener Assimilation aus dem Mnd. entlehnt. Wie lat. amphora war E i m e r von vornherein auch Flüssigkeitsmaß; in den Alpenländem ist diese Bed. heute die wichtigste. Umgangssprachlich wird das Gebiet des Wortes bedrängt von B ü t t e und K ü b e l : Kretschmer 1918 Wortgeogr. 186ff. ein Das gemeingerm. Zahlwort für eins (ahd. mhd. ein, asächs. en, afries. ags. an, anord. einn, got. ains) entspricht dem gleichbed. alat. oinos, lat. ünus, air. den, aslav. inü, lit. vienas, apreuß. ains; aind. ena- 'er, dieser, jener'. Zum Pron.Stamm idg. e-, i-. Dazu gr. dial. oinös 'ein' und
einander
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oine "Eins auf dem Würfel, As'. Zum unbest. Art. ist schon ahd. ein abgeschwächt, engl, hat dieser in a(ri) eigene Formen neben dem Zahlwort one. — Der Dt. Sprachatlas bietet die Lautgeographie von 'ein', 'eine'. einander In der Zusammenstellung mit andar bewahrt ahd. ein die unflektierte Form: ein aftar anderemo giang Otfrid 3, 17, 45. Aus Fügungen mit Dat. oder Akk. Plur. (also ungelih sint sie alle ein anderen Notker 1, 491) geht e i n a n d e r hervor, dessen Erstarrung zur Formel schon im Ahd. beginnt: Behaghel 1923 Dt. Synt. 1, 409f. 447; Giulio Subak, Einander (Triest 1930). Einbaum m. Das aus einem Baum gehöhlte Boot heißt E. zuerst bei Zaupser 1789 Bair.-oberpfälz. Id., Nachlese 45. Die (lovö^uAoc sind bei den Nord seegermanen uralt. Sie werden als Kriegsfahrzeuge von Tacitus Hist. 5, 23 und Plinius Nat. hist. 16, 76 beschrieben (Reallex. d. germ. Altertumsk. 1, 637) und heißen ahd. einloumlg seif Ahd. Glossen 4, 205, anord. askr, eikja, ags. än-byme scip, mnd. ehe, nd. bömschipp: Kluge 1911 Seemannsspr. 207; Schweiz. Id. 4, 1234. Im Gebrauch sindEinbäume im dt. Sprachgebiet auf dem Aegerisee in der Schweiz und dem Mondsee im Salzkainmergut: Mitzka, Dt. Bauern- u. Fischerboote 1933. Einbeere /. Name der Paris quadrijolia unserer Wälder, die eine einzige (giftige)Beere trägt: ahd. einber(e) Zs. f. d. Wortf. 3, 285; mhd. ein-, embere, dän. etbcer, engl, one-berry. Bei Stieler 1691 und Steinbach 1734 aus ostmd. Ma. Sodann erhält der nord. und nd. Name des Wacholders (anord. einir, schwed. en, nd. eneke, enke, germ. *jainia- zu *ioinio- in lat. iüniperus) den verdeutlichenden Zusatz Beere, die Wortkarte 'Wacholder' von Margarete Reetz bei Mitzka, Dt. Wortatlas (1953) zeigt ein Gebiet mit Einbeerbusch an der ostpommerschen Küste. Die nd. Vorkommen deuten auf Entlehnung in schwedischer Zeit. einbilden schw. Ztw., mhd. inbilden, danach nnl. inbeeiden, dän. inbilde, schwed. inbilla: kommt Ende des 13. Jh. auf als Wort der Mystiker (wie E i n f a l l , e i n l e u c h t e n , E i n s c h l a g u. a.). Ausgangsbed. ist 'in die Seele hineinbilden', in häufigem kirchl. Gebrauch verblaßt zu 'einprägen, vor die Vorstellung bringen', seit Luther 'eine irrige Vorstellung beibringen'. Entsprechend unter Einfluß des frz. s'imaginer, se figurer sich e i n b i l d e n 'sich vorstellen', später 'wähnen', besonders 'eine (zu) hohe Meinung von sich haben'. Das Part, e i n g e b i l d e t kann außer der gewöhnlichen pass. Bedeutung (eine eingebildete Krankheit) auch akt. Sinn haben: der eingebildete Kranke (nach Molares Malade imaginaire), ein eingebildeter Mensch (wie: ein gelernter Arbeiter, der Studierte, ein Bedienter). — E i n b i l d u n g f., mhd. inbildunge, geht etwa den
Eingang
gleichen Weg. Ohne Tadel bleibt E i n b i l d u n g s k r a f t , das seit dem 17. Jh. für lat. vis imaginationis steht. S. P h a n t a s i e . einblasen s. v o r s a g e n . Einblick m. mhd. inblic, dän. indblik: bei den Mystikern im Sinn des lat. intuitus, z. B. Hnr. Seuse f 1366 Dt. Schriften 20 Bihlmeyer: nu tu einen frcelichen inblic in dich. Auch seither mit Vorliebe von geistigem Erfassen. Eindruck m. Schon das Alte Test, braucht den Vorgang des Siegeins als Bild für die unio mystica; aus Cant. 8, 6 übernimmt ihn Apokal. 5, 9. 9, 4. Plato und Aristoteles vergleichen das Beharren von Vorstellungen im Gedächtnis dem Verbleiben eines Siegelabdrucks im Wachs. Von den Stoikern übernehmen Cicero und Augustin impressio, das samt seinen roman. Folgeformen das dt. Wort beeinflußt. Mhd. indruck, neben ingesigel häufig bei den Mystikern des 14. Jh., geht von der rein sinnlichen Bed. aus. In nicht-mystischer Sprache tritt es bis 1700 zurück, wird dann von den Pietisten belebt und erst von ihnen aus in weltl. Sprachgebrauch überführt: G. Lüers 1926 Sprache d. dt. Mystik 201; H. Sperber 1930 Dt. Vierteljahrsschr. für Lit.-Wiss. 8, 508; Dt. Wortgesch. 1, 208. 235. 253. 260. 2,107. einlach s. - f a c h . Einfall m. 'unerwarteter Gedanke', mhd. Inval seit den Mystikern des 14. Jh. (Lexer 1, 1445; DWb. 3, 170). Das Ztw. invallen in entspr. Sinn, bei dem Lehnübersetzung aus lat. incidere vermutet werden kann, kaum vor 1500: Weißbrodt 1914 Zs. f. d. Wortf. 15, 290. Einfalt f . Ahd. einfalti, got. ainfalßei, Abstrakta zum Adj. ahd. einfalt, got. ain-falps, dies vielleicht Lehnübersetzung von lat. simplex, offenbar von frühen Glaubensboten vollzogen. Zur späteren Bed.-Verschlechterung vgl. albern, eitel, gemein, gewöhnlich, mäßig, schlecht. Der zweite Wortteil ist urverwandt mit gr. -paltos in dipaltos 'zwiefach'. Einfaltspinsel s. Pinsel. Einfluß TO., mhd. invlu%, nnl. invloed, dän. indflyclelse, schwed. inflytelse. Bildliches injluere in animos steht bei Cicero, influence in astron. Sinn bei Jean de Meung, influxus in religiöser Bed. bei Thomas v. Aquino. Dessen Satz Opusc. 70: Lux infhixa divinitus in mentem est lux naturalis führt zugleich zu A u f k l ä r u n g , s. d. und Dt. Wortgesch. 1, 208. 235. 257. einfriedigen Ztw. Zu mhd. vride 'Umzäunung' (s. F r i e d h o f ) gehört mhd. (be)vriden, frühnhd. bevridigen. Dafür dringt seit 1772 (Bode, Klinker 3, 31) e. von Norddeutschland ein. Eingang m. mhd. inganc, nnl. ingang, dän. indgang, schwed. ingäng: Lehnübersetzung des lat. iniroitus. Aus dem 'Hineingehen' als Handlung ist die 'Stelle, an der man ins Haus, in den
Eingeweide
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Saal geht' geworden, neuerdings auch die 'Gesamtheit der eingegangenen Geschäftssachen, Mannschaften' usw. Vgl. Zugang. Eingeweide n. mhd. frühnhd. ingeweide, mit in 'innerhalb' verdeutlicht aus mhd. geweide; dazu ausweiden 'die E. ausnehmen', weidwund 'ins E. getroffen'. Wie diese ist E. ein altes Jägerwort; es bezeichnet urspr. das Gekröse des erlegten Wildes, das die Meute bekommt. S.Weide 2 und Wunderlich 1911 DWb. 4, 1, 3, 5430; Fowkes, Journ. of E. a. Germ. Ph. 1953, 478. einhändigen schw. Ztw. 'überreichen': Kanzleiwort des 17. Jh., nicht vor 1618 nachgewiesen (Londorp 1622 Acta publica des Teutschen Krieges 1, 37öb), gebucht seit Duez 1664. Aushändigen erscheint erst seit Zesen 1645 Adr. Rosemund 19 Ndr., behändigen ist älter: Luther verpönt es 1523 Yorr. zu den 5 Büchem Mosis als „von der herrn Canceleyen, lumpenpredigern und puppenschreibern neu erdichtet", gleichwohl ist es in der Wetterau schon 1484 vorhanden. Mhd. galt gleichbed. behenden, Zutat der Kanzlei ist -igen (vgl. beherzigen). Bei einhändigen mag die Endung begünstigt sein durch das Adj. einhändig 'manui insertm' das seit 1568 in Fügungen wie,,einem etw. zustellen u. inhändig machen" bezeugt ist. Schwed. irihändiga bed. seit dem 18. Jh. 'in die Hände bekommen': Impiwaara 1934 Annales Acad. Seient. Fenn. B 30, 323 ff. einhellig Adj. spätmhd. einMllec 'übereinstimmend': aus ahd. einhel(K) Adj., das seinerseits aus der verbalen Formel in ein teilen (so bei Notker) abgeleitet ist. S. hell und mißhellig. Einhorn n., mhd. eirihorn, -hume, -hürne, ahd. einhurno 'Nashorn', ags. ärihorn(a) m. neben änhyrne deor. Dafür im dt. Südwesten Eingehürn, frühnhd. einküm; ein Schwabe heißt 1283 Hainricus diclus Einkurne. Lehnübersetzung des 9. Jh. für lat. ünicornis m., achtmal im Alten Testament für gr. (xovÖKEpcos 'Rhinozeros'. Entsprechend engl, unicorn, frz. unicorne, bret. akorn. uncorn, kymr. ungorn. einig Adj. ahd. einag, ags. eenig, anord. einigt 'einzig, allein'; Ableitung von ein. — einigermaßen Adv. kaum vor Leibniz 1699 Dt. Schriften 2,122, doch begegnet noch tief im 18. Jh. einiger Maßen als Gen.-Formel in zwei Worten, z. B. Heister 1739 Chirurgie 7. Einkorn n. Triticum monococcum ist seit der jüngeren Steinzeit eine der wichtigsten Getreidearten Mitteleuropas, die sich z. B. in Thüringen und Schwaben bis heute als Winterfrucht gehalten hat. Den Namen ahd. einkom. ein(a)chorn(o), einkurne (Zs. f. d. Wortf. 3, 285), mhd. einkorn trägt diese Dinkelart daher, daß man ihr nur ein Korn in jeder Hülse zuschrieb. einleuchten Ztw. 'als Licht in etwas dringen'. Die Mystiker des 14. Jh. brauchen inliuhtunge /.
einst
'Erhellung' (Lexer 1,1437), S. Franck einleuchtend (H. Fischer 2, 626. 6, 1806. 1811) im Sinn religiöser Eingebung. Die Pietisten beleben diesen Gebrauch (Sperber 1930 Dt. Vierteljahrsschr. für Lit.-Wiss. 8, 508), ins Weltliche wenden ihn Lessing (Vorr. zum Laokoon 1766) und Wieland (DWb. 3, 227). einmütig Adj., begegnet seit Hans Sachs 1535 (Fastn. 8,128) häufig. Einöde /. Ahd. einöti n., asächs. enödi, ags. änad sind zu ein 'einsam, allein' mit Suffix ahd. -öli, germ. -ödus (got. mannisködus 'Menschlichkeit'), vorgerm. -ätus (lat. magislr-, sen-ätus) gebildet, vgl. A r m u t , Heimat. In mhd. Zeit ist einoete durch Anlehnung an Öde zu eincede geworden. Die Volksetymologie hat auch das Genus bestimmt und die Bed. umgefärbt. einsam Adj. im 15. Jh. zu mhd. ein 'allein' mit der Endung -sam (s. d.) gebildet, wobei als Vorbild namentlich das schon ahd. gimeinsam dienen konnte. Luther verwendet einsam zwanzigmal1 in der Bibel, auch für 'unverheiratet', und führt es damit in die nhd. Schriftsprache ein. Unter deren Einfluß stehen nl. eenzaam, dän. ensom, schwed. ensam, die z. T. bodenständige Bildungen, verdrängen oder umgestalten: älter dän. ensarnen, anord. einn saman (einn samt), später einnsamann. einn samall, norw. mundartl. eismall. — E i n s a m k e i t / , zuerst in Wbb. des 15. Jh. für lat. sölitüdo; danach nl. eenzaamheid, dän.. ensomhed und schwed. emsamhet. Es fehlt in der Lutherbibel. einsehen st. Ztw., eigentl. 'in etwas hineinsehen', übertragen 'verstehen, erkennen'. Mhd. Insehen, Lehnübersetzung des lat. inspicere (Zs.. f. dt. Wortf. 3, 225), verwendet Joh. Tauler im Sinn religiösen Erkennens. Dieser Gebrauch, selten bei Luther (Ph. Dietz Wb. zu Luther) wird von Pietisten belebt: Dt. Vierteljahresschr. f. Lit.-Wiss. 8 (1930) 506f. einseifen schw. Ztw. 'betrügen', zu jidd. sewel 'Dreck': Wolf in Muttersprache 1956, 68. Einsicht f . , nitfht vor J. C. Günther 1719 Sämtl. Werke 6, 95 Krämer nachgewiesen, noch 1755 von Aug. Dornblüth, Observationes 65 bekämpft, in der Zwischenzeit aber durch fromme Dichter wie Tersteegen im Sinn des Erkennens religiöser Wahrheiten eingebürgert, von Kant und Goethe ins Weltliche gewendet. Einsiedel m. ahd. einsidüio zu ahd. sedal 'Sitz'' (s. u. siedeln). Lehnübers. von gr.-lat. monachm (s. Mönch). Zu Einsiedler (spätmhd. einsideIcere) s. Behaghel 1901 Zs. f. d. Wortf. 1, 64. einst Adv. (in den Ma. dafür einmal) ahd. eines, ags. tenes: adv. Gen. zu ein, wie ander(e)s 'zum zweitenmal' zu ander. Schon bei Notker steht einest-, einest ist noch Luthers Form. In einstmals für älteres einsmals, mhd. eines males,
Eintagsfliege
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Eisen
Einzelwesen n. schlägt Campe 1791 Sprachliegt sekundäre Vermischung vor, ebenso in derm a l e i n s t aus mhd. der mâle eines: Paul 1916 Dt. bereicherung 33 für lat. individuum vor. Früh Gramm. 1, 328; W. Horn 1923 Sprachkörper 114; aufgenommen von Jean Paul 1807 Levana (Werke 66, 8. 21 Hempel). R. Glasser 1940 Idg. Forsch. 57,186f. Eintagsfliege /. tritt im 18. Jh. als LehnüberEis n. Mhd. ahd. asächs. mnd. afries. ags. is, setzung von gr.-lat. ephemera auf, wird 1774 und mnl. nnl. ijs, engl, ice, anord. tss, Mz. isar, dän. noch 1793 von Adelung getadelt, aber von Gram- schwed. is führen auf germ. *isa-, Außergerm, matikern wie Heynatz 1796 Antibarb. 1, 348 und vergleichen sich afghan. asai 'Frost', awest. Schriftstellern wie Jean Paul 1796 Siebenk. 3, 677 isav- Adj. 'frostig', ae%ar 'Eis', pamir. 'Kälte', durchgesetzt. osset. 'Eis'. Es ist nicht gelungen, die für Eintracht /. Zu t r a g e n in Wendungen wie die Frage der Urheimat wichtige idg. Wurzel over ein dragen 'übereinstimmen' gehören mnd. *eis- an Stämme andern Sinnes anzuschließen. — eindracht und eindraehtich, die als eintraht und Bed. 'Speiseeis' seit 18. Jh., österr. gilt Geeintrehtec bei md. Schriftstellern der nachklassi- f r o r n e s (entsprechend dem ital. gelato), in der schen Zeit auftreten. E i n t r ä c h t i g sind zwei, Schweiz das frz. Glace, wovon unser Eis Lehndie Wasser an einer Stange tragen. Luthers eyn- übersetzung ist: Kretschmer 1918 Wortgeogr. trechlig wird in Ecks und der Zürcher Bibel durch 188 f; H. Fincke, Zs. „Süßwaren" 1958, 8. Der einerlei Sinns ersetzt: Kluge 1918 Von Luther bis Dt. Sprachatlas bietet die Lautgeographie von 'Eis' auf Karte 74, das Wort ist in den Ostalpen Lessing 100. Vgl. Z w i e t r a c h t . Eintrag m., frühnhd. Intrag (J. Geiler v. weithin M. Eisbein n. Entwicklungen von zwei verschieKaisersb.), eintracht (Luther) 'die in den Aufzug am Webstuhl eingebrachten Querfäden', wie denen Ausgangspunkten her haben zur gleichen sonst E i n s c h l a g . In dt. Rechtssprache seit 1388 Endform geführt. Lat. ischia, -orurn 'Hüftgelenk' 'die in die Beweisführung des Gegners eingewor- (entlehnt aus gr. T& i a / l a , Mz. zu taxlov 'Hüftfenen Einreden, -wände', daher 'Abbruch, Nach- bein', dessen Ableitung I s c h i a s 'Hüftweh' bei teil'. Hierzu b e e i n t r ä c h t i g e n s.d., E i n t r a g uns lebt) gelangt in die ärztliche Fachsprache und t u n war Rechtsformel im Sinn von 'wider- steht mit früher Umdeutung in ahd. Ispein, asächs. sprechen'. Unabhängig davon ist E i n t r a g seit mnd. isben, mnl. isebeen, nnl. ijsbeen, mundartl. dem 16. Jh. 'was Fleiß ins Haus trägt, Ertrag, iscfibeen, engl, mundartl. ice-bone, dän. isben. Die Einnahme, Gewinn', dazu e i n t r ä g l i c h 'gewinn- Wiedergaben schwanken zwischen Hüft-, Schamund Sitzbein. Im Nhd. begegnet dieser Name bringend', zuerst in Köln 1336. eines Beckenknochens seit Begardi 1639 Index eintreiben s. b e i t r e i b e n . sanit. 21*. Die Herkunft hat schon Frisch 1741 eintrichtern s. T r i c h t e r . einwecken Ztw. Den oberbad. Familiennamen richtig erkannt. — In heutiger Umgangssprache Weck (urspr. Übernahme eines Bäckers, wie ist E i s b e i n 'Schienbein des Schweins'; alte ZeugFlad, Hebel, Hornstoff, Stoll) trug der öflinger nisse für diese Bed. fehlen. Mit dem ansitzenden Fabrikant, der 1894 ein Verfahren, Obst, Gemüse Fleisch gilt norddt. E i s b e i n für ein Gericht, bair.-österr. und Fleisch keimfrei einzukochen, erfand. Die das md. S c h w e i n s k n o c h e n , von seiner Firma hg. Zeitschrift 'Frischhaltung' S c h w e i n s h a x e n , in Teilen der Rheinpfalz E i s k n o c h e n , im Südwesten S c h w e i n s f ü ß e verwendet das Ztw. seit 1906. Einzahl /. für lat. (numerus) singularis bei heißt: Kretschmer 1918 Wortgeogr. 189f. Nur Campe 1807 als dessen Schöpfung. Eimele sai für diesen Knochen trifft die von Sperber 1914 hatten Gueintz und Schottel «schon 1641 gesagt, Wörter u. Sachen 6, 51 ff. gegebene Deutung zu: E i n z e l z a h l Stieler 1691: E. Leser 1914 Zs. f. d. aus dem 'Eisknochen' wurden Schlittschuhe gefertigt; die das Schienbein nach vom abschlieWortf. 15, 60. einzeln, einzig Adj. Vom Zahlwort ein ist ein ßende Gerade gab die Kufe. Entspr. ist in schwed. seltenes Adj. ahd. einaq abgeleitet, dessen Spirans Mundarten isläggor Mz., norw. islegg, isl. isleggr ableitend ist, wie die von emsig. Mit verwandtem (Grundwort anord. leggr 'Wade; Röhrknochen') Suffix ist gr. KpuirràSios 'heimlich' gebildet. zum Namen der Knochenschlittschuhe geworden. Zu eina% gehören mit bisher unerklärtem Sprung Eisen n. Mhd. Isen, ahd. Isan, älter isarn, von der Spirans zur Affrikata mhd. einz-ec (wie asächs. anord. isarn, mnl. Iser, seltner Isen, nnl. einig), einz-el (wie lützel), eim-eht (wie t ö r i c h t ) . ijzer, afries. iser{n), irsen, ags. ise(r)n, mit gram. Dieses lebt in bair. schwäb. eis. eimeeht fort, die Wechsel Iren, engl, iron, got. eisarn führen auf beiden ersten sind schriftsprachlich geworden. germ. *lsarna-. Aus *lrarn (älter *izam) mag Dabei hat einzel (so bis ins 19. Jh. und noch in durch Dissimilation anord. tarn, später järn entE i n z e l h a f t , - h e i t ) ein ausi. « entwickelt, wie standen sein, dem schwed. järn, dän. jern folgen. a l b e r zu a l b e r n geworden ist. Vorbild mochten Auf urkelt. Hsarno- beruhen der gall. Festungsb l e i e r n , e i s e r n , l e d e r n sein. name Isarnodori und der brit. Männemame Isar-
Eisenbahn
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Ekstase
ninus. Urkelt. -s- ist lenisiert zu -h- (Cat-ihernus dazu stehenden Selbstschätzung verbunden ist. heißt ein breton. Priester des 6. Jh.), das später Die Bedeutung 'leer' zeigt die Gegenwartswortverstummt ist: air. iarann, iam, kymr. haiarn, karte 'leer' von Hilde Bald bei Mitzka, Dt. Wortakorn. hoern 'Eisen'. Die germ. wie die kelt. atlas IV (1955) mit der Bezeichnung eitel, in den Wörter gelten für entlehnt aus dem Illyr.: die Formen eidel, edel, mit ripuarischer Gutturalisieillyr. Hallstattkultur war im wesentlichen schon rung egdel, assimiliert eggel im Luxemburgischen. eine Eisenkultur. Nur im Illyr., nicht im Germ, Eiter m. Der Sippe von l a t . aemidus 'geoder Kelt., konnte % aus ei entstehen, eine Grund- schwollen', gr. oîdos, (olSos, oTSna) 'Geform *eisarnom aber wird vorausgesetzt durch schwulst', otSäco 'schwelle' (vgl. ödem 'Gedas urverwandte lat. Ira (aus *eisä) 'Zorn, Heftig- s iwulst'), aslav. jadro 'Schwellen, Busen', jadü keit': Eisen ist das starke, kräftige Metall im 'Gift' (über *édo- aus *oido-) entsprechen die Gegensatz zur weicheren Bronze. Lat. aes 'Erz' germ. Stämme *aita-, *aüra- 'giftiges Geschwür'. ist unverwandt. Die späteren Italiker und die Der erste ergibt anord. eitill, ahd. mhd. ei%, alem. Germanen haben ein gemeinsames Wort für eisse, bair. aiß 'Eiterbeule, Geschwür'. Im zweiten Bronze, vgl. ehern. Das Wort für Eisen haben bleibt tr unverschoben (wie in bitter, lauter, Otter, die Kelten und die Germanen gemeinsam, darum, treu, Winter, zittem), daher anord. eitr, ags. muß ihre Nachbarschaft jünger sein: Hans Krähe, ät(t)or, afries. äi{t)er, asächs. ettar, ahd. eit(t)ar. Zum Genus Feldmann 1905 Zs. f. d. Wortf. 7, 56; Sprache und Vorzeit 1954,122. Eisenbahn f . tritt zunächst im Bergbau an H. Paul 1917 Dt. Gramm. 2, 69. 71. Stelle von F ö r d e r - , H o l z b a h n zur BezeichEiweiß «., das Wendungen wie m n d . eiges ivitt, nung der Gleise, auf denen gefördert wird. Guß- dat witte van dem eie ablöst, ist bisher nicht vor eiserne Schienen hat 1775 Maschinendir. Fried- Jean Paul 1795 Hesp. 4,163 nachgewiesen. Schon rich in Klausthal eingeführt. Der Name E. 1818 frühnhd. ist Eierweiß (Heußlin 1557 Vogelb. im Konv.-Lex. 2 2 368. Im Anschluß daran wird 135a), dem anord. eggjdhinta f . entsprechend und sogleich bei Beginn des Dampfbetriebs 1825 das urspr. auf das Weiße im gekochten Ei beschränkt. neue Verkehrsmittel E. genannt, wie frz. chemin Beim rohen Ei heißt der entspr. Teil anord. eggde fer, schwed. järnväg, ital. ferrovia, span. ferro- jaklär, mhd. frühnhd. eierklär n. Das Wort lebt caril, ngr. aiSqpöSpopos, auch nachdem die in Süddeutschland, der Schweiz und Österreich Schienen stählern geworden waren: Goethe 1825 fort. Nordd. gilt Eigelb für das dort nicht volksBriefe 39, 216; Götze 1917 Nomina ante res 9. tümliche D o t t e r : Kretschmer 1918 WortEiß m., Eiße f . 'Blutgeschwür; Eiterbeule', geogr. 190. obd., s. E i t e r . Ekel m., bei Luther meist Eckel, mußte Eisvogel m. In früher Vorzeit, als das blau- seinen obd. Zeitgenossen verdeutlicht werden glänzende Eisen erst zur Herstellung von Schmuck mit Greuel, G r a u e n , Abscheu, U n l u s t u. ä.: diente, ist der blauglänzende Vogel danach be- F. Kluge 1918 Von Luther bis Lessing 99. 113. nannt worden. Neben ahd. isarnovogal stellt sich Älter ist das Adj. ekel, nd. èkel, von da entlehnt die Kürzung isarno, ags. Isern 'der Eiserne', wie dän. ekkel 'heikel', wie schwed. äcklig auf gleichneben amarvogal ahd. ame.ro (s. Ammer1). Als die bed. nd. eklig beruht. Vorauszusetzen ist germ. Farbvorstellung beim Eisen verblaßte, wurde *aikla-, woneben *aikkla- in md. eckel, so isarno unter Einfluß des gelehrten Berichts, Luther, z. B. Weim. Ausg. 30,1,126, 21. Weitere alcedo hecke im Winter (Plinius Nat. hist. 10, 47), Verknüpfungen sind bisher nicht gesichert. umgedeutet zu is-aro "Eis-Aar', wobei die RaubEkelname m. 'Spitzname'. Zu der unter auch vogelweise, mit der er nach Fischen stößt, den entwickelten Sippe von germ. *auk- 'mehren' Vergleich erleichtern mochte. Gewandelt zu spät- stellen sich anord. aukanafn 'Bei-, Übername', ahd. mhd. isvogel wird der deutsche Name Vor- schwed. öknamn, dän. egenavn, mengl. eke-, bild f ü r nl. ijsvogel, dän. isfugl, schwed. isf&gel: nekename, nd. ökelname, das unter ZurückdränKralik, Gött. gel. Anz. 1914,134ff. gung von mhd. äname ins Nhd. gelangt und hier Eiszeit f . von dem Naturforscher Karl Schimper in Anlehnung an Ekel entstellt ist. aus Mannheim 1837 gebildet: Burg 1909 Zs. f. d. Eklat m. 'Glanz, Aufsehen, aufsehenerregender Wortf. 11, lOff. Vorfall', e k l a t a n t Adj. 'glänzend, aufsehenerreeitel A d j . ahd. ital, asächs. idal, anl. idil, afries. gend, deutlich, schlagend' : am Ende des 17. Jh. ags. idel: nur westgerm.; dän. schwed. idel sind entlehnt aus frz. éclat, älter esclat. Bei uns aus dem Mnd. entlehnt. Außergerm. Verwandte zuerst als esclat 'Glanz' J. Rachel 1677 Sat. Ged. lassen sich nicht glaubhaft nachweisen. Aus der 116 Ndr. Afrz. esclater 'lärmend brechen' stammt Grundbed. 'leer' entwickelt sich der Sinn 'für über vulgärlat. *esclatiare aus got. *slaitjan 'zersich, nichts als' (eitel Gold; Eitel Friedrich gegen- reißen', s. schleißen. über Friedrich Wilhelm) sowie 'eingebildet': dies, Ekstase f . Gr. ékstasis 'Heraustreten (der Seele weil Gehaltlosigkeit oft mit einer in Mißverhältnis aus dem Leib)' wird über kirchenlat. eestasis im K l u g e , Etymologisches Wörterbuch. 18. Aufl.
11
Elan
-
162
16. J h . entlehnt. Häufiger wird es erst, seit im 17. J h . frz. extase 'höchste Erregung' zu wirken beginnt. E k s t a t i s c h 'begeistert' seit Wieland 1759 Cyrus 1, 402: H.Schulz 1913 Fremdwb. 1,166. Elan m. Bei Fürst Pückler 1831 Briefe 1, 263 erscheint élan noch in frz. Schreibung. Älter frz. élans zu élancer aus mlat. laneeäre 'die Lanze schwingen'. elastisch Adj. Im älteren Deutsch wird der Begriff durch weich gedeckt: „weiche ding sein gut zu piegen" A. v. Eyb, D. Schriften 1, 10 (DWb. 14, 1, 460). Das Fremdwort (über nlat. elasticus zu gr. elaünein 'treiben') steht seit 1661 bei Naturforschern in der Formel vis elastiea für die Treibkraft der Luft. Von ihr auch E l a s t i c i t e t Scheuchzer 1711 Phys. 2, 21, der doch 2, 66 das F. auch schon auf die Schnellkraft anderer Körper anwendet: H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 166f. Elch m. Caesar Bell. Gall. 6, 27 nennt ihn alcës (Plur.), Pausanias 6, 12, 9, 21 âÀKT] ; Tacitus Germ. 43 alcis. Sie geben ein germ. Wort wieder, k ist Lautsubstitution für germ. h. Ahd. elaho, ags. eolh führen auf idg. *elk-. In Ablaut dazu steht •oVe, das vorgerm. *alkis, germ. (mit gramm. Wechsel) *algiz ergibt, wie es durch anord. elgr, schwed. älg vorausgesetzt wird. Urverw. sind gleichbed. russ. los', apoln. los aus urslav. *olsl, idg. *olki, desgl. aind. fsas, jsyas 'Bock der Gazelle'. Cervus alees war nach Ausweis von Ortsnamen wie E l l w a n g e n einst über Deutschland verbreitet; seit frühnhd. Zeit ist das Wort zurückgedrängt durch E l e n t i e r N. Dies Wort ist mit «-Suffix zum gleichen Stamm gebildet, zu dem mit fc-Suffix E l c h gehört. Elentier steht verdeutlichend (wie Kamel-, Maul-, Murmel-, Renntier) für frühnhd. Elen(d) („Ellendt platiceros" Pinician Augsbg. 1516), das aus gleichbed. lit. élnis entlehnt ist. Dieses, alit. ellenis, aslav. jelenï 'Hirsch', weist mit aslav. lani 'Hinde' auf *olnia, zu dem sich gr. éllôs (aus *eAv6$) 'Hirschkalb' und kymr. elain 'Hinde' stellen. Eldorado n. 'Gold-, Wunderland'. Span, el dorado (pais) 'das vergoldete (Land)' ist seit den Tagen des Pizarro ( f 1541) das in Venezuela gesuchte Goldland (d- aus lat. deauräre auch in frz. dorer 'vergolden'). Sagenbildend wirkte die Kulthandlung des Kaziken von Guatafila, der, am ganzen Körper mit Goldstaub gepudert, im heiligen See badete: G. Buschan 1909 Völkerkunde 161. Aus dem Span, gelangt das Wort 1679 ins Nhd.: Palmer 35. Die engl. Entsprechung ist seit 1696, die frz. seit 1745 bezeugt. Elefant m. Das Tier heißt altägypt. jëbu, danach kopt. ebon, lat. ebur, aind. ibhah; gr. eléphas, danach lat. elephantus, das die Germanen vor der hd. Lautverschiebung (etwa 600f.) und vor
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Element
der Abwanderung der Angelsachsen übernehmen. Germ. *elpandus (mit der dem Volkslat. eignen Unterdrückung des Mittelvokals und mit altlat. Aussprache des ç als p, s. E i m e r ) lebt in ags. elpend, ylpend, ahd. ëlpfant, ëlafant als gelehrter, hëlfant als volkstümlicher Form (s. E l f e n b e i n ) , deren h offenbar auf Anlehnung an ahd. hëlfan beruht. Aus volkslat. Lautvorgängen erklärt sich die Lehnwortgruppe got. ulbandus, anord. ulfaldi, aschwed. ulvalde, ahd. olbanta, asächs. olbundeo, ags. olpend{a), -e, die die Bedeutung 'Kamel' angenommen hat: statt el erscheint ol wie in lat. volvö 'wälze' aus älterem *velvö (gr. elyö), colö 'bewohne' aus *quelö (gr. pélomi). In der Folge ol + Kons, wird o weiter zu u wie in lat. uleus 'Geschwür' (gr. élkos), vuU 'er will' über volt aus *uelii-. Aslav. vellbqdü 'Kamel' ist durch eine germ. Nachbarsprache vermittelt. — Nhd. E l e f a n t für 'Person, die die Aufmerksamkeit (von Liebespaaren ab und) auf sich lenkt' wie der Elefant bei der Tierschau, begegnet zuerst 1856 bei Bäuerle, Direktor Carl. elegant Adj. Lat. êlegans, -antis 'wählerisch', Nebenform zum Part, eligens von ëligere 'auswählen', gelangt über frz. élégant 'geschmackvoll' Anfang des 18. J h . zu uns, zunächst als Wort der künstlerischen Kritik, von da vor Ende des J h . auf Kleider u. ä. übertragen. — E l e g a n z f. war im 16. J h . aus lat. elegantia 'Gewähltheit' als literar. Ausdruck entlehnt worden. In umfassendem Sinn wird es im 18. J h . aus frz. élégance neu übernommen und nun erst volkstümlich: F . Seiler 1912 Entw. d. d. Kultur 4, 190; H. Schulz 1913 Fremdwb. 1 , 1 6 7 . elektrisch Adj. Zu gr. ëléktôr m. 'strahlende Sonne', das mit aind. ulkä 'Feuerbrand' urverwandt ist, gehört elektron ». 'Bernstein', woraus gleichbed. lat. electrum entlehnt ist. Der engl. Physiker Gilbert, der im Bernstein den Hauptträger der unbenannten Kraft sah, bildete dazu in s. Schrift De magnete (1600) nlat. electricus. In Deutschland spricht als erster Otto v. Guericke 1672 Expérimenta nova 136 von der electrica attractio. E l e c t r i s c h seit Scheuchzer 1711, e l e c t r i s i r e n und E l e c t r i c i t ä t seit 1744: H. Schulz 1913 Fremdwb. 1,168. Die Atomforschung schuf das Wort E l e k t r o n . S. B e r n s t e i n und Glas. Element n. mhd. elemënt von Feuer, Wasser, Luft und Erde, im 13. J h . entlehnt aus lat. elementum 'Grundstoff'. Diese und die andern philos. Bedeutungen des lat. Wortes beruhen auf Lehnübersetzung des gr. stolcheïa (von stoichos 'Reihe'). Älteste Bed. ist 'Schriftzeichen': die Kinder der Vornehmen lernten das Buchstabieren an elfenbeinernen Buchstaben, demgemäß aus *elepantum, lat. Lehnwort aus gr. eléphas (s. E l f e n b e i n ) . Der Wandel von p zu m mag
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elend
unter Einfluß des sinnverwandten rudimentum vollzogen sein. — E l e m e n t e 'Anfangsgründe' nicht vor Wächtler 1709: W. Hartnacke 1943 Mutterspr. 58, 53 f. elend Adj. ahd. eli-l?nti, asächs. eli-lendi, ags. eilende 'in fremdem Land, aus dem Frieden der angeborenen Rechtsgenossenschaft ausgewiesen, verbannt', mhd. eilende 'unglücklich, jammervoll'. Dazu das Abstr. E l e n d n., ahd. eli-lenti, asächs. eli-lendi, mhd. eU#nde 'Ausland, Verbannung, Not'. Der erste Wortteil kehrt wieder in E l s a ß (frühmlat. Alisätia zu ahd. Eli-säfäO 'Bewohner des andern Rheinufers'), got. aljis 'anderer', ur-
Elster
ed, 'Elfenbeine' olifant-ou. Verdeutlichend tritt w i e a g s . elpen-,
ylpenbän
a h d . helfantbein
'Ele-
'Ausländer', anord. elja 'Nebenbuhlerin', eig. 'die andere'. elf Zahlw. ahd. einlif (tirol. noch aindlif),
fantenknochen' auf, woneben schon im 10. J h . die abgeschwächten Formen helfan-, helfenbein erscheinen. Das anl. h hält sich bis ins 17. Jh., für die Weglassung wird Luthers elphen-, elffenbein maßgebend. Die roman. Namen des Elfenbeins, die auf lat. ebur zurückgehen, liefern engl. ivory und nl. ivoor, aber keine deutschen Formen. Elixier n. Gr. xerion 'trocknes Heilmittel' hat dem Stein der Weisen seinen Namen arab. air iksir geliefert. Dem Glauben an seine heilende und verjüngende Kraft entspricht die Bed. 'Heiltrank', die das von da entspringende elixlrium des Alchemisten-Lateins seit dem 13. J h . den europ. Sprachen vermittelt hat. Elle f. Eines der verbreitetsten natürlichen Längenmaße, vom Ellenbogen bis zur Spitze des Mittelfingers, demgemäß *olenä 'Vorderarm' benannt (vgl. F u ß , K l a f t e r , Spanne),
asächs.
w i e s i c h a u s g r . ölene JwKivr\),
v e r w . m i t g l e i c h b e d . l a t . alius,
g r . dllos, a i r .
aile\
vgl. gall. Allo-broges. Der Pron.-Stamm *aljar ist früh durch *anpera- verdrängt, doch unmittelbar m i t ahd. elilenti vergleichbar urnord.
elleban
a n o r d . ellifu,
(aus
g o t . ainlif:
*enliban),
ags.
alja-markiR
änleofan,
a u s e i n u n d -lif, d a s i n
zwölf (got. twalif) wiederkehrt, f ist verschobenes p, das für idg. k» steht (vgl. Wolf mit gr. lykos). So gelangt man zu idg. *liku- 'übrig sein' (s. leihen) und faßt elf als 'eins darüber'. Entspr. bildet das Lit. die Reihe 11 bis 19: vienuölika (zu
( a u s *oMnä),
*alinö
l i t . alkune,
l a t . ulna,
air.
uilen
a p r e u ß . alkunis,
germ.
ergibt, das seinerseits aus got.
aleina,
anord. Qln, ags. ein, asächs. ahd. elina, alle in der Bedeutung 'Ellenbogen' zu erschließen ist. Nach Schwund des Mittelvokals ergab Angleichung von n an l mhd. eile. Verwandt sind weiterhin vienas ' e i n s ' ) , dvy-, try-, keturiö-lika u s w . D e m aind. aratnih, 'Ellenbogen' aus dem Iran, entmhd. eil(i)f entspr. gilt eilf noch bei Adelung 1793. lehnt russ. arsin 'Elle'. Ellenbogen m. eig. 'Armbiegung', zu E l l e Die Form ölf beruht auf Vorausnahme des Vokals von zwölf beim Hersagen der Zahlenreihe, 'Vorderarm'. Bei fast allen Germanen: ahd. elf in der Volkskunde: H.-F. Rosenfeld, Nd. el(l)inbogo, m n l . ellenböghe, a g s . elnboga, a n o r d . glribogi; v g l . a s ä c h s . armbugil. J b . 79, 115. Eller s. E r l e . Elfe f., E l f m. Dem mhd. alp, alb (s. Alb) entspricht engl, elf aus ags. celf rn. Das engl. Wort Elritze /. Der Fischname begegnet in Osnarückt durch Bodmer in den deutschen Gesichts- brück 1541 und wird in Gesner-Fores Fischkreis. Er hatte 1732 faerie ehes in Miltons Verl. buch (1575) 159 meißn.-nsächs. genannt. DaParadies durch „zauberische Waldfeyen" wieder- zu stimmt, daß das Wort heute in Thüring., gegeben. 1742 setzt er 'z. Aelfen'; in seiner gleich- Obersächs. und Schlesischen gilt. Fürs Westmd. zeitigen Abhandlung über Miltons Sprache ver- bezeugt Tabernämontanus 1593 Wasserschatz teidigt er den Gebrauch von „Aelfen, Wasser-, 18. 2 3 4 erlitz; dem entspricht irlitsa in der heutiLandälfen, so oft wir die Art Geister anzeigen gen Wetterau. Diese Formen und ahd. mhd. wollen, welche die Angelsachsen mit diesem erling, bair. E r l i n g erweisen Verwandtschaft Nahmen genannt hatten". Demgemäß ver- mit E r l e ; zu dessen Nebenform E l s e stellt sich wendet Wieland 1764 das Wort in s. Übersetzung nnl. elzenvoomtje, zu E l l e r gehört der Name von Shakespeares Sommernachtstraum und 1771 E l l erling, den der Fisch am Harz führt. Die Amadis 10 Str. 5: 1913 Zs. f. d. Wortf. 14, Zugehörigkeit des Fisch- zum Baumnamen läßt 204. sich dadurch stützen, daß auch im Magy. derselbe Elfenbein n. mit deutscher Betonung, die bei Fisch (egri) seinen Namen von der Erle (eger, E l e f a n t (s.d.) der fremden gewichen ist. Wie eger, Stamm egr-) hat: Ö. Beke 1934 Idg. Forsch. g r . elephas, l a t . elephas k a n n a h d . helfant a l l e i n 52, 137. Am Bodensee und im Südosten heißt schon 'Elfenbein' bedeuten, als das einzige, was Phoxinus laevis pfrille, im Neckargebiet pfelle man von dem Tier zu sehen bekam, ebenso frz. (aus mlat. pelanus), im Elsaß milling, im alten olifant (so seit dem 13. Jh.; die schwer erklärbare Z ü r i c h bachbamebele, härlüchli, oberlaus, bolrGrundform *olifanius wird auch durch germ. fiü, blut-atsl, w e s t f ä l . grimpel, s a u e r l ä n d . grernb, Mundarten vorausgesetzt). Auch im Kymr. hieß a s ä c h s . grimpo, g r . ehremps. oliffant 'Elfenbein' (heute veraltet). Das Breton, Elster /. Corvus pica L. Der Vogelname erscheidet nur in der Mz.: 'Elefanten' heißt olifant- scheint schon ahd. und asächs. in vielen Gestalli»
Eltern
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ten, die auf zwei Grundformen zurückgehen: asächs. nfränk. mfränk. agastr(i)a, sonst agalstra. Beide sind um eine Endung erweitert; ags. agu führt auf westgerm. *agö, wohl 'die Spitzige' (s. Eck) wegen des spitzen Schwanzes. Mit der Bildungssilbe, die A m m e r (s. d.) zu E m m e r i t z e erweitert, entsteht got. *agatja, ahd. agaz(z)a, dessen Nebenform *agiza die heute schwäb. Benennung H e t z e ergeben hat, indes Hai. gazza, frz. (seit 14. Jh.) agace, engl, haggess
auf agaz(z)a beruhen. Die erweiterte Form *agazala liefert über ackzel (so im 15. Jh.) nhd. Atz e 1, s. d. Auch aga(l)stra, mhd. agelsier (hieraus über eilsier nhd. Elster), mnd. elcster (im Namen der Externsteine, 1093 Agisterstein) sind aus *aga erweitert, und zwar mit (-Z- und) -(i)strjön: F. Kluge 1926 Stammbildungsl. § 49. Die Kons.Häufung wird auf verschiedne Arten erleichtert,
empor
gelangt 1783 zu uns: H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 171. Emir m. Arab. amir 'Befehlshaber' (zu amara
'befehlen') ist in der Aussprache emir in fast alle europ. Sprachen gelangt. Bei uns erscheint es, vermittelt durch nnl. emier, seit 1728: K. Lokotsch 1927 Etym. Wb., Nr. 69a. Vgl. A d m i r a l . Emmer m. Triticum dicoccum, im alten Deutsch-
land wichtiger als heute, da es nur in der Schweiz und in Teilen Süddeutschlands angebaut wird, hieß ahd. amar(o), amari. Zur ersten Form s. Ammer 1 , die letzte ergibt emmer{-korn), schwäb. auch M e r k o r n (H. Fischer 4, 1620. 6, 1822). Im alten England heißt die Getreideart speit, im Norden ist sie nie gediehen, außergerm. Verwandte des Namens fehlen. Sinnverwandt sind D i n k e l , E i n k o r n , Spelt.
Emmeritz, Emmerling s. A m m e r 1 , empfangen, empfinden s. e n t - , u. v. a. Formen entstehen. Die Wortkarte empfehlen st. Ztw., mhd. entfelhen angeglichen 'Elster' von Ilse Bäumer bei Mitzka, Dt. Wort- zu enpfelhen, m d . enpfelen; mnd. entfeien. Unter so daß ägerst, alster (über *aglster),
a(g)laster
atlas IV (1955) bietet die bunte Synonymik. Die größten Flächen nehmen ein: Heister von Oldenburg bis Westmecklenburg, von da Häsier bis Ostpommem, an der mittleren Weichsel, Heister im Weichsel- und im Memeldelta, Atzel vom Nordelsaß bis Oberhessen, Schackelster vor allem im Brandenburgischen, Ehster im Emsland und am Niederrhein, sonst weithin Elster. Eltern Plur. ahd. altiron, eltiron, asächs. eldiron, mnl. ouderen, afries. eldera, ield(e)ra, ags. eldran,
yldran: in allen westgerm. Sprachen ist der Plur. des Komp. von a l t 'die älteren' zur Subst.-Bed. erhoben. Ags. wird der zugehörige Sing, yldra zu 'Vater'. Vgl. H e r r , J ü n g e r und got. airizans 'Vorfahren'. Email n., E m a i l l e /. Der Stamm unseres Ztw. s c h m e l z e n (s.u.) ist früh ins Roman, gelangt und hat mlat. smeltum, ital. smalto 'Schmelzglas' geliefert. Mit der frz. Miniaturmalerei kommt frz. émail 'Schmelzglas, emailliertes Stück' seit Sperander 1727 zurück, nach frz. émailler wird schon 1699 e m a l l i r e n gebraucht, E m a i l l e seit Schiller 1787: H. Schulz 1913 Fremdwb.l, 169f. Emanzipation f . Lat. ¿mancipatio 'Freilassung'
(urspr. durch dreimalige mancipatio 'Übernahme zu Eigentum' und manumissio 'Entlassung aus der Gewalt'), schon in den Tagen der Frz. Revolution politisches Schlagwort, wird vollends dazu, seit (etwa 1830 beginnend) die Befreiung der amerik. Negersklaven erörtert wird. Von E. der Juden wird seit Börne 1833, von E. der Frauen seit Gutzkow 1839 gesprochen, während e m a n c i p i r t schon in kirchenpolit. Kämpfen des 17. Jh. eine Rolle spielt : H. Schulz 1913 Fremdwb. 1,170f.
b e f e h l e n (s.d.) ist 'bergen' als Grundbed. des abgestorbenen einfachen Ztw. (mhd. velhen, ahd. felahan) entwickelt. Demgemäß war *entfelahan 'zur Verbergung, Verwahrung übergeben', dann "übertragen, anvertrauen', wie noch in seine Seele G o t t e m p f e h l e n . Aus der Übergabe ist nhd. der bloße Hinweis als auf etwas Annehmbares geworden. Empfindelei f . für S e n t i m e n t a l i t ä t beansprucht Campe 1791 Proben einiger Versuche von d. Sprachbereich. 12 als seine Schöpfung, doch steht es seit 1778 mehrfach bei Wieland, Kant, Gotter u. a., zuerst Allg. Dt. Bibl. 35, 1, 184: Zs. f. d. Wortf. 6, 304. empfindsam Adj. für engl, sentimental schlug Lessing 1768 seinem Freund Bode, dem Übersetzer von Yoricks empfindsamer Reise (von L. Sterne) vor. Beide meinten, es sei damit neu geprägt, doch findet es sich mehrfach schon seit 1757, zuerst in einem Brief der Gottschedin, der freilich erst 1771 gedruckt wurde: Feldmann 1905 Zs. f. d. Wortf. 6, 307; Wh. Pfaff 1933 Kampf um dt. Ersatzwörter 28; Ganz, Einfl. d. Engl. 65. Emphase f . Gr. ¿mphasis 'Kraft des Ausdrucks' und emphatikos 'nachdrücklich' gelangen über gleichbed. lat. emphasis und emphaticus zu u n s :
e m p h a t i s c h seit Zeidler 1700 Sieben böse Geister 105, das F. in lat. Gestalt bei Sperander 1728, in der durch frz. emphase bestimmten seit Forster 1788 Kl. Sehr. 89: H.Schulz 1913 Fremdwb.l, 172. empor Adv., f r ü h n h d . entbor, m h d . enbor(e),
ahd. in bor 'in die Höhe', in bore 'in der Höhe': Präp. in mit Akk. und Dat. des F. mhd. ahd. bor Embonpoint n. En bon point 'in gutem Zu- 'Höhe, oberer Raum'. Dies zum ablautenden stand' befindet sich der, den wir gleich schonend Ztw. ahd. beran 'tragen' (s. B a h r e , B ü r d e , e n t 'wohlbeleibt' nennen. Der frz. Euphemismus b e h r e n , G e b ä r d e , g e b ä r e n , G e b ü h r , Ge-
Empore
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eng
b u r t , U r b a r ) mit derselben Stufe des Ablauts Enakskind n. sagen wir nach 4. Mos. 13, 23. 29 wie ags. borettan 'schwingen', urspr. 'empor- für 'Riesenkind, riesig starker Mensch'. Wortheben'. Als Ableitung gehört zum F. bor ahd. bildung wie A d a m s k i n d ; K i n d e r I s r a e l . burian, mhd. bürn 'erheben'; zur Bedeutung Goethe liebt das geflügelte Wort (Wahlverw. I stimmt gr. pheristos. Die Entwicklung des Gleit- 11; W. Meisters Wanderj. III 1), Wieland (Amalauts t in frühnhd. entbor wie in e n t b e h r e n , der dis 1771 I Str. 24) zieht E n a k s s o h n vor. Wandel von entbor zu e m p o r wie in wintbrä zu Ende n. Ahd. enii (M) «., asächs. endi, afries. W i m p e r . Dehnung des o in geschlossener Silbe enda, anl. ags. ende, anord. ende(r), got. andeis m. vor einfachem r wie in vor. führen auf germ. *andja- aus vorgerm. *antjö-, Empore f . 'erhöhter Raum', namentlich in das in lat. antiae, aind. dntah m. 'Ende, Grenze, Kirchen. Im 18. Jh. gekürzt aus E m p o r k i r c h e Rand' toch. antus, hethit. hanza 'Vorderseite' (s. empor). Dafür mhd. borkirche, alem. bor- wiederkehrt; dieselbe -¿o-Bildung in gr. ardlos kilche seit 1303. Ein gleichbed. nd. priehel, prlckel 'gegenüber', aind. dntyah 'der äußerste, letzte'. beruht auf germ. *brugi, s. B r ü c k e . Ahd. anord. Bed. wie 'Spitze, Stirn, Front' empören Ztw. ahd. anabören, mhd. enbceren, legen Zus.-Hang mit air. ¿tan (aus *antano-) zu mhd. bor 'Trotz', das mit ahd. burian (s. em- 'Stirn', lat. antiae 'Stirnhaare' nahe. Damit por) zusammenhängt. Als Faktitiv bed. em- ist Beziehung zu lat. ante 'vor', gr. anti 'gegen' p ö r e n urspr. 'erheben machen'. Ins Nhd. führt gegeben, hethit. hant- 'Front'. Vgl. ent-, Luther das Ztw. ein; Ad. Petris Bibelglossar muß endgültig s. g e l t e n . es 1523 seinen Basler Lesem mit erheben, strensen endigen schw. Ztw., spätmhd. endigen, nnl. verdeutlichen. Zu -p- vgl. e m p o r . eindigen: Ableitung zu einem seltenen Adj. mhd. Emporkömmling m. für frz. -parvenu (Schulz- ertdec 'zu Ende kommend'. Basler 1933 Fremdwb. 2, 387) bedarf noch bei Endivie f . Im Januar (ägypt. tybi) gibt es in Campe 1807 der Erläuterung durch das Fremd- Ägypten das Gemüse Cichorium, endivia L., daher wort: Zs. f. d. Wortf. 13, 99. Brandes 1787 Berl. gr. erdijbioi Mz. Hieraus lat. intubus m. f . und Monatsschr. Nov. 397 lehnt E. ab: „Man verzeihe intubum n. In der Kaiserzeit erscheint, der gr. das frz. Wort. E. für Parvenü klingt zu gezwun- Aussprache angenähert, lat. intybum n., später gen und ist nur von Einem Schriftsteller gebraucht intiba f., volkslat. *erdiba, landschaftlich auch worden." Nach H. Dunger 1882 Wb. v. Verdeut- *endiba. Bei uns wirkt zunächst lat. u fort: 794 schungen 45 ist das Posselt. Aufgenommen wird intubas im Capitulare de vülis, mhd. um 1400 E. von Ramler 1796 Beitr. z. dt. Sprachk. 2, 81 enduvie, während mnd. nhd. endivie von der und Wieland 1804 Hör. Sat. 2, 233, durchgesetzt volkslat. Form ausgehen, woneben Einfluß von im Kampf gegen Napoleon: Ladendorf 1906 mlat. ital. endivia und frz. endive nicht auszuSchlagwb. 68 f. Goethe I 12, 213 bleibt bei Par- schließen sind: K. Lokotsch 1927 Etym. Wb. venü. S. G l ü c k s p i l z und Wh. Pfaff 1933 Kampf 2124; H. Marzell 1943 Wb. d. dt. Pflanzennamen um dt. Ersatzwörter 29. 1, 988f. Endzweck m. Jakob Böhme verwendet Zweck emsig Adj. ahd. ema^ig, emifäig (auch mit tz) 'beständig, beharrlich, fortwährend'. Neben mhd. im Sinne von 'Ziel'. Gleichzeitig übersetzt Joh. em%ec (mit lautgesetzl. Ausfall des mittleren e) Arndt, Vier Bücher vom wahren Christentum steht emeq-liche, womit Ableitung aus ahd. (1606—09) lat. causa finalis mit E n d z w e c k emi% Adj. 'beständig' erwiesen ist, dessen nächste (A. Gombert 1896 Bemerk, u. Ergänz. 8, 19). germ. Verwandte man in anord. ama 'plagen, Leibniz nimmt die Lehnübers. auf (H. Dunger belästigen', amask 'Anstoß nehmen, Unwillen 1895 Wiss. Beih. z. Zs. d. Sprachv. 2,123), Kant, fühlen, sich mit etw. abplagen', isl. amstr 'rastlose Goethe u. Schelling setzen sie durch. Arbeit' sieht. Auch Amali als Name des ostgot. Energie f . Gr. energeia 'Tatkraft' (zu ¿rgon, Königshauses und ags. Amuling, ahd. Amalung s. Werk) gelangt über lat. energia zu uns, zuerst der Heldensage gehören dazu. Außergerm, ver- Zinzendorf 1732 T. Sokrates 301. Durch Herder gleicht man aind. arm- m. 'Andrang', dmate 1787 bekommt das Wort seinen wiss. Sinn 'wir'bedrängt', gr. (hom.) önohos 'plagend', omokle kende Kraft': A. Gombert 1908 Bresl. Progr. 10; 'Drohung'. G. Schoppe 1916 Mitt. der schles. Ges. f. VolksEmu m. Der australische Strauß wurde von kde. 19, 224. seinen Entdeckern dem Kranich (portug. emd) eng Adj. Adv., mhd. $nge Adj., ange Adv., ahd. verglichen und, weil er nicht fliegt, ema di gei engi, älter angi Adj., ango Adv., asächs. engi Adj., 'Erdkranich' benannt. Daraus gekürzt engl. emu. mnl. enghe Adj., anghe Adv., nnl. eng, ags. enge Mit B u m e r a n g , K ä n g u r u h , t a b u , t ä t o - Adj., ange Adv., anord. engr, got. aggmis 'eng': w i e r e n , W o m b a t eines der wenigen Wörter, zur idg. Wurzel *angh- 'eng, einengen, schnüren'. die das Nhd. Australien und seiner Inselwelt Außergerm, vergleichen sich u. a. lat. angiportus verdankt. 'Gäßchen', angö 'drücke zusammen', angor
Engel
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'Angst', gr. an,chö (ccyxco) 'schnüre', ¿r/x^vr) 'Strick, Erdroßlung', ctyxi, ö y x ° ü 'nahe', ässon (aus *cxyx-iov) 'näher', aslav. gzota 'Enge', (jzüfeü, lit. ankStas, arm. anjuk, aind. qhü- 'eng', qhas- 'Enge'. Kelt. Verwandte wie bret. enk 'eng', ir. kymr. ing 'bedrängte Lage' setzen idg. *engh- voraus. — Die Beziehung zu A n g s t und b a n g e (s. o.) haben die Grammatiker des 17. Jh., als sie die Schreibung mit e vorschrieben, nicht erkannt (so wenig wie die von anstrengen, edel, Stengel zu Strang, Adel, Stange). Engel m. Neutestamentl. öyyeAos 'Bote', Lehnübersetzung von hebr. maläk 'Bote (Gottes)' gelangt mit der ersten Welle des Christentums zu allen Germanen. In ahd. angil, engil, asächs. fngil, mnd. ags. engel, anord. engeil wirkt das i von got. aggilus fort: E n g e l ist mit seinem Gegenwort T e u f e l schon von der arianischen Gotenmission des 6. Jh. donau-aufwärts getragen worden. Lat. angelus hätte im 8. Jh. angel ergeben, so lautet das Wort aber nur im Afries.: Kluge 1909 Beitr. 35,136. Aus dem Mnd. ist lett. e-hgäis entlehnt: J . Sehwers 1927 Zs. f. vgl. Sprachf. 64,172. Engelsfiß n. Der Wurzelstock des Famkrauts Polypodium vulgare hat süßen Geschmack. Nach dem Volksglauben ist es als Mittel gegen Schlaganfall von Engeln zur Erde gebracht, daher spätmhd. engelsüeze, nnl. engehoet, dän. engelsed. Engerling m. Zu *ang"Qi)i- 'Wurm', das in lat. anguis, aslav. oii, lit. angls 'Schlange', anMtirai 'Finnen, Engerlinge', mir. escung 'Aal' erscheint, stellt sich ahd. angar(i), mhd. anger, enger 'Made'. Verkl. Ableitung hierzu ist ahd. engirinc (g), mhd. ?nger(l)inc 'Wurm, Finne'. Die Bed. 'Maikäferlarve' teilt das Nhd. mit dem Nnl. E n g e r i n g hält sich in Bayern; in der Schweiz gelten anger, inger(i), engerich, ostmd. enderle. Enkel1 m. 'Fußknöchel'. Ahd. anchläo, mnl. anclau, ankel, ags. ancleow, engl, ankle, anord. okkla zeigen Anlehnung an Klaue. Ursprünglicher sind schwed. ankel, ahd. anehal, enchil, mhd. mnd. mnl. enkel, wo das Wort nomin. Ableitung ist (wohl instrumental) zu mhd. anke m. 'Gelenk' (heute Bayern, Schwaben, Mittelrhein 'Nacken'), s. A n k e f. Aind. anga 'Glied' kennt Verkl. anguli 'Finger': Edeltraud Knetschke, Genick und Knöchel lat. ungulus '(Finger-)Ring' 1956. Enkel2 'Kindeskind'. Spätahd. eninchili, mhd. eninkel, enenkel sind Verkl. zu ahd. ano 'Ahn': der wiedergekommene Ahn. Dadurch ist der idg. Name des Enkels, der in lat. nepös fortbesteht, bei uns verdrängt (s. Neffe). Frühnhd. begegnet neben enigklein, enigke gleichbed. en-lein mit Z-Demin., während E n k e l altes -inkll(n) aufweist, das in ahd. huoninklin 'Hühnchen' wiederkehit, s. H ü n k e l . Demin. zu Ahn (s.d.) sind
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entbehren
auch aslav. vünukü 'Enkel' und lat. avuneulus 'Oheim'. Luther sagt selten E n c k e l , meist K i n d s k i n d oder N e f f e . Ostfränk. gilt Diecht e r n. 'Enkel', mhd. diehter, tiehter: mit aind. lökd- n. 'Kinder, Nachkommenschaft', tokman 'junger Gerstenhalm', tökma-h 'junger Halm, Schößling', awest. taoxman- 'Keim, Same', Mz. 'Verwandtschaft', apers. taumä 'Geschlecht', pers. tuxm 'Same. Geschlecht' zu idg. *teuk- "Keim, Same, Nachkommenschaft'. Das bei uns spät auftretende Wort setzt germ. *piohter aus *teuktèr voraus. Innerhalb des Idg. ist die durchsichtige Bildung offenbar jünger als *pater, *mâtêr usw. Vom 13. bis in den Anfang des 18. Jh. ist diechter (in), -lein im Rhein- und Ostfränk. zwischen Bingen und Bamberg gut bezeugt und hier auch zum Fam.-Namen geworden. Danach wird es durch E n k e l verdrängt. Heute lebt es nur in Mundarten des bair. Franken, des Vogtlands und Südthüringens: K. v. Bahder 1925 Wortwahl 82f. — Andere Synonyme sind im nd. Nordwesten, der E n k e l 1 bewahrt, G r o ß - , K l e i n - , K i n d s k i n d . Im Freiberger Stadtrecht um 1300 bedarf E n k e l noch der Erläuterung „eninckel da% sint kindeskini" Cod. dipl. Sax. reg. II 14, 41. Enquete f . Frz. enquête (zu lat. quaestio 'Befragung') erscheint bei uns seit Fallati 1846 Zs. f. d. ges. Staatswiss. 3, 617 als staatswiss. Fachwort. Von da in den 80er Jahren verallgemeinert: H. Schulz 1913 Fremdwb. 1,174f. ent- Vorsilbe, die sowohl die Richtung auf etwas hin bezeichnet, als die Trennung von etwas. Dem gr. anti 'gegen, statt', lat. ante 'vor' aind. dnii 'gegenüber, vor, nahe', hethit. hanli 'vorne, besonders' entspricht germ. *and(a), das im Got. als Präp. and 'entlang, auf etw. hin' erscheint, als betonte Vorsilbe in nhd. A n t l i t z , - w o r t fortbesteht (s. d. und a n t - , a n h e i s c h i g , H a n d w e r k ) . Als unbetonte Vorsilbe (vor Verben und ihren Ableitungen) entspricht ahd. int-, mhd. ent. Vor f wird es zu emp-, daher e m p - f a n g e n , f e h l e n , - f i n d e n aus ahd. int-fähan, -*fëlhan, -findan. Gerät ein so entstandenes pf in Mundarten, die kein pf als Ergebnis der hd. Lautverschiebung besitzen, so können Formen wie empangen entstehen (wie hanibel, mumbel, drump, oppern aus H a n d - , M u n d - v o l l , T r u m p f , o p f e r n ) : Behaghel 1928 Gesch. d. dt. Spr. 422. Nur scheinbar liegt die Vorsilbe e n t - vor in e n t behren, entgegen, entlang, entweder (s. d.) und e n t z w e i (mit tz für z aus mhd. enzwei, ahd. in zwei 'in zwei Teile'). Vgl. E n d e . entbehren Ztw. ahd. inbëran, mhd. enbërn: vor das unter B a h r e und g e b ä r e n behandelte st. Ztw. ahd. heran 'tragen' ist die unter n e i n , n i c h t , nie dargestellte Negation gerückt. Die urspr. Bed. 'nicht tragen' ist über 'nicht haben' zu
entdecken
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'ermangeln' entwickelt. Der Gen., den das Ztw. bis ins Nhd. regiert, ist der von der Negation abhängige Partitiv. Gleichgebildet sind lat. nescire 'nicht wissen', nolle 'nicht wollen', ags. nytan, nyllan, nasbban 'nicht wissen, wollen, haben'. Belege für starke Beugung von e n t b e h r e n bietet noch das 16. Jh. t tritt nach dem Vorbild der vielen mit e n t - anlautenden Ztw. ein, zufrühst im Mnd., aus dem dän. undvœre entlehnt ist. entdecken schw. Ztw., mhd. endecken, entecken, ahd. intdecchan, nnl. onddekken. Dazu das F. E n t d e c k u n g , im 14. Jh. intteckunge. Die alte sinnliche Bedeutung (Luther 1643 Jes. 47, 2 „entdecke den Schenckel") wird seit langem von a u f d e c k e n und e n t b l ö ß e n getragen. Die entsprechende uneigentliche Verwendung (Luther 1630 Hesek. 16, 67 „da deine Bosheit noch nicht entdeckt war") hält sich bis über die Tage der Klassiker. Heute ist e n t d e c k e n meist 'etwas bis dahin Verborgenes, Unbekanntes gewahr werden, auffinden'. Frz. découvrir durchläuft dieselbe Entwicklung. Ente 1 f . Ahd. anul, mhd. ant, mnd. an(e)t, asächs. anad (in Ortsnamen), mnl. aent, ags. œnid, ened, anord. gnd führen auf germ. *anudiz, urverw. mit gleichbed. lat. anas, lit. dntis, aslav. çty, gr. nêssa (aus *nälia), aind. ätls. Dies aus weniger wahrscheinlich (wegen des Akzents) aus *ètl- 'Eider'. Der reich entwickelte Ablaut (idg. *(a)nät- : *anat- : "ant- : *nl-) spricht für das hohe Alter des Vogelnamens. Neben dem fem. ¿-Stamm anut steht ahd. erweitertes anata und (mit Suffixablaut) enita. Dies liegt der nhd. Form voraus, nd. Mundarten sind bei änt(e) geblieben. Die verdeutlichende Zus.-Setzung anetvogel lebt vom 13. J h . bis in heutige Mundart. Bei der zahmen Ente haben Koseformen wie pile, wudle, wurri den Entennamen vielfach ersetzt; eine davon, das zum lautmalenden Ztw. r ä t s c h e n gehörige Rätsch(er), bedeutet alem. 'Enterich'. Dessen ahd. Name ist anutrehho, mhd. antrech aus *anut-trdhho, dessen zweites Glied (westgerm. *drako 'Männchen') als selbständiger Name im gleichbed. engl, drake, nd. dräke, thür. draclie, schwäb. (t)rech begegnet. Die alte Bildung antrech hat sich nachmals an die Männernamen auf -rieh angelehnt: so ist nhd. E n t e r i c h entstanden und hat seine Bildungsweise auf G ä n s e r i c h u. a. ausgedehnt. Die Synonymik zu 'männliche Ente' bietet Reinholdis Wiepen bei Mitzka Dt. Wortatlas II (1963): im Nordwesten von Holland her an der Küste bis an Mecklenburg heran Wart, Wort, Mecklenburg bewahrt altwestfäl. Wedik, das in Westfalen zu Week, Wiäk u. ä. kontrahiert ist, dazu hat Ostpreußen auch Wetk, an der Mittelweser Drake, dazu ost-, rheinfränk. schwäb. Antdrache, alem. Ratsch, bair.
Enthusiasmus
Anlerer und Ableitungen, ostbayr. Antenreiher, Mittelrhein Entenhahn, Entenvogel, zur dortigen Westgrenze stimmt (fläm.) obersächs. Wenderich; in kleinen Flächen: Entenmann, Enter, Geit, Reff, Kaischer, Patscher, Schlicker, Schnaggela, Piele. Die Benennungsmotive gehen auf Tierstimme, Gangart, Körperform, Farbe, Geschlecht, Charakter, Lock- und Kosenamen. Zu E r p e l s. d. S c h e l l d r a k m. 'Fuligula clangula'. Grundwort ist das bei E n t e entwickelte westgerm. *drako'männliches Tier', das Bestimmungswort gehört (wie das von S c h e l l a d l e r 'Aquila naevia') zu mhd. schellen 'ertönen lassen' nach den durch den Flügelschlag erzeugten Tönen, die einem Glockengeläut ähnlich sind. Der weibliche Vogel heißt S c h e l l e n t e : E. Schwentner 1936 Beitr. 69, 316. Ente 2 f . 'Zeitungslüge' hat mit der frühnhd. Wendung „von blauen Enten predigen" nichts zu tun, sondern tritt nach 1860 als Übersetzung von frz. canard auf, das seit 1711 in Formeln wie donner des canards 'einem etwas vorlügen' auch Deutschen bekannt ist, während frz. bailleur de canards schon 1612 begegnet. Herleitung aus einem Lügenbericht des Niederländers Comelissen von 1804 über die Gefräßigkeit der Enten ist demnach zeitlich unmöglich; ein anderer Erklärungsversuch bei Murray 1893 New Engl. Diel. 2, 60; vgl. W. Feldmann 1912 Zs. f. d. Wortf. 13, 2861.; A. J. Storfer 1936 Wörter u. ihre Schicksale 99ff. Enterich s. E n t e 1 . entern Ztw. Lat. inträre 'hineingehen' liefert frz. entrer, das als nl. enteren die Bed. 'ein feindl. Schiff besteigen, um es zu überwältigen' erlangt. In hansischen Urkunden seit 1468, nhd. seit Stieler 1695 Zeitungslust: Kluge 1911 Seemannsspr. 222. entgegen Adv. ahd. ingagan, ingegin, mhd. engegen, asächs. angegin, ags. ongean, engl, again. S. gegen und e n t - . Die Entwicklung von en- zu ent vergleicht sich äußerlich dem Vorgang bei e n t b e h r e n , s . d . Die Zus.-Setzungen mit e n t gegen- bleiben bis etwa 1740 auf Ztw. der Bewegung begrenzt (entgegengehen, -laufen). Kurz vor dem Auftreten Klopstocks, von ihm dann, mächtig gefördert, tritt ein pietist. Gebrauch auf, der seelische Empfangsbereitschaft bezeichnet (entgegenjauchzen, -lächeln, sich e.-sehnen): Sperber 1930 Dt. Vierteljahrsschr. f. Lit.-Wiss. 8, 611. Enthusiasmus m. Gr. ivöouaiaatiö; 'Gottbegeisterung' (zu ¿n-theos 'gottbegeistert') gelangt als lat. enthusiasmus in die Sprache der Gelehrten und der Kirche. Hier spielt auch gr. evöouaiacrrii; 'Begeisterter, Schwärmer' dauernd eine Rolle. Die religiöse Bed. weicht im 18. Jh. den weltlichen „Begeisterung eines nach hohem Ziel strebenden Menschen" und „Erregt-
entlang
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heit des schaffenden Künstlers', (vgl. Schillers „des Gottes voll"). Daran haben frz. enthousiasme, enthousiaste, enthousiasmer Anteil. Wie sich die Gruppe seit dem 16. Jh. mit deutschem Geist durchtränkt, wird erkennbar bei H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 175f. entlang Adv. Präp. Gleichbed. engl, along aus mengl. on long. E n t l a n g , nicht vor Campe 1807 als schriftsprachlich anerkannt, stammt aus dem Nd. Dem Meer e n t l a n g ist mit Ersparung der ersten Präp. entwickelt aus bl dem mere in lanc. Dieses e. folgt urspr. dem Dat. Ein adv. Akk. kann durch e. näher bestimmt werden: er g e h t den Weg e., daraus mnd. wart ern lang den wech nä röpen — eine dritte Fügung, die sich mit den vorigen mischt: „längs dem Meer" Arndt; „entlang des Waldgebirges" Schiller; „manchen jugendlichen Tag entlang" Goethe. — S. l ä n g s und Behaghel 1924 Dt. Syntax 2, 49f. entrinnen st. Ztw., mhd. entrinnen, ahd. intrinnan, nur hd., fehlt der Umgangssprache und den Mundarten. Zwei Bildungen sind zus.-gefallen: 1. e n t - r i n n e n , von Flüssigem gesagt, zum st. Ztw. r i n n e n , s. d. 2. e n t - t r i n n e n 'fliehend entkommen'. Das einfache t r i n n e n (ahd. trinnan, wozu a b t r ü n n i g ) ist untergegangen, sein Bewirkungsztw. als t r e n n e n (s. d.) erhalten. entrüsten Ztw. Mhd. entrüsten 'die Rüstung ausziehen' ist abgeschwächt zu der Bed. 'aus seinem geordneten Zustand bringen'. Dies mit Obj. wie geist, muot oder reflexiv gebraucht ergibt 'aus der Fassung bringen, kommen'. Nd. ontrusten hat eine entspr. Entwicklung hinter sich. S. r ü s t e n . Entsagung f . im heutigen Sinn wird noch von Klinger 1794 Faust 2 372 mit R e s i g n a t i o n erläutert. Um dies zu ersetzen, hat man E. aus seiner im 17. Jh. auftretenden Bed. 'Ab-, Aufsage (einer Freundschaft)' abgebogen: Feldmann 1904 Zs. f. d. Wortf. 6,108. entsetzen Ztw. mhd. entsetzen 'absetzen, außer Fassung bringen', Faktitiv zu mhd. entsitzen, ahd. intsizzen 'aus dem Sitz kommen, sich fürchten'. Wie nahe der Übergang liegt, zeigen got. and-sitan mit seiner Bed. 'scheuen' und nhd. e r s c h r e c k e n , s. d. entsprechen Ztw. im heutigen Sinn 'gemäß sein' ist alem. Lehnübersetzung von frz. répondre, seit Geiler belegt. Aus Schweiz. Sprachgebrauch nimmt der junge Wieland e. auf und wird dafür von Lessing 1759 gelobt: „Dieses entsprechen ist itzt den Schweitzern eigen, und nichts weniger als ein neugemachtes Wort" 6, 31 Lachm. Heynatz hatte 1775 Handb. 255 e. als Modewort verpönt, 1796 Antibarb. 365 billigt er es. enttäuschen Ztw., eig. 'aus einer Täuschung herausreißen'. Campe 1813 Wb. z. Verdeutschung 256 sagt zu frz. désabuser: „Man könnte ent-
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Enzian
täuschen dafür bilden. C. Cramer hat das Wort schon gebraucht." 260 bietet er e. als Lehnübers. von frz. détromper. Von Goethe und Arnim aufgenommen, hat sich das Ztw. rasch durchgesetzt. E n t t ä u s c h u n g seit Huber 1828 Skizzen a. Spanien 1, 258. entweder Konjunkt. Als Pronomen, das eine von zwei gegebenen Größen ausschließt, besteht asächs. êndihwëdar, mhd. eintwëder. Ahd. ist nur ein weder (aus Notker) zu belegen, das seine Stütze in asächs. odar hwëdar findet. Behaghel 1928 Dt. Syntax 3, 169 versteht das als ein — odar, hwëdar 'eines oder das andere — welches von beiden?' und faßt t im mhd. Pron. eintwëder als nachträglich entwickelten Gleitlaut. Das Neutr. dieses Prom. wird zur Konjunkt. in Sätzen wie Hnr. v. Melk 1150 Todes gehügede188: eintweder diu Schrift hat gelogen oder si chôment 'eines von beiden: die . . . ' Das zweite Glied wird regelmäßig durch oder eingeleitet. Wenn, auch dort wieder e n t w e d e r steht, so hat das Vorbild der Formel w e d e r — w e d e r gewirkt. entwerfen st. Ztw., mhd. entwërfen, mnl. nnl. ontwerpen, urspr. von der Bildweberei, die mit dem Weberschiffchen die Kunstleistung vollbringt: der Einschlag wird in den Aufzug oder die Kette (mhd. werf, mnl. warp) eingeschossen. Die Fäden werden beim Durchziehen durch dieLitzen aufgelöst, auseinandergedreht: Heinertz, Studier i modern sprogvetenskap 1947, 57. Mhd. warf und wobei, mnl. warp off webel, ags. wefl inwarp erweisen eine westgerm. Formel. Von der Bildweberei ist e n t w e r f e n 'zum Bild gestalten' auf jede Kunst und schon im Mittelalter auch auf literarische und geistige Entwürfe übertragen. Durch Einfluß des mlat. projectäre dringt der Begriff des Vorläufigen ein, der im M. E n t wurf 'projectum' (nicht vor Ph. Zesen 1645Ibrahim 153) von vornherein enthalten ist: Zs. f. dt. Wortf. 4 (1903) 127; Edw. Schröder 1931 Zs. f. dt. Alt. 68, 283f. S. W e r f t , entziffern s. Ziffer, entzwei s. ent-, Enzian m. Für die als Heil- und Genußmittel wichtige Pflanze fehlt ein gemein-germ. Name, wohl weil ihre Arten zerstreut auftreten und in vielen Teilen des germ. Wohngebiets fehlen. Auf Oberdeutschland beschränkt bleibt für den Kreuzenzian Gentiana crueiata (H. Marzeil, Wb. d. dt. Pflanzennamen 1954, 2, 619) ahd. mädalger, mhd. mädelger, frühnhd. und mundartl. mödelger u. ä., das von Haus aus Männername mit germ. *mapla 'Versammlung' im ersten Glied ist. In anord. sœta 'Süße' führt die Bitterwurz einen iron. Namen. Lat. gentiana mag illyr. Ursprungs sein, wenn auch die von Plinius 25, 71 erzählte Entdeckung durch den Illyrerkönig Genti(u)s eine Volksetymologie sein wird. Das lat. Wort
Epaulette
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ergab — wir wissen nicht, wieso es sein g- verloren hat, das im afrz. gentiane und daraus stammenden engl, gentian erhalten ist — ahd. enciän, mhd. enziän, friihnhd. ention, entzion, dessen heutige Formen (schwäb. enzfäu mit äu aus än wie gäu, lau) mundartecht sind: Bohnenberger 1902 Zs. f. d. Wortf. 2, 4; Björkman 1904 das. 6 , 1 8 0 ; Hoops 1913 Reallex. 1, 614. Epaolette /. 'Achselstück'. Frz. épaulette ist Demin. von épaule 'Achsel', das Uniformstück ist nach demselben Verfahren benannt wie Ä r m e l , L e i b c h e n , K o r s e t t . Bei uns seit Wagner 1776 Kindermörd. V. 289, zunächst mit Plur. auf -s: H.Schulz 1913 Fremdwb.l, 177. Epidemie f. Zum gr. Adj. epi-dëmios 'im Volk (demos) verbreitet' stellt sich epidemia nósos 'Volkskrankheit', das in der mlat. Form epidemia seit 1529 in deutschen Texten erscheint, um 1735 als E p i d e m i e eingebürgert wird: H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 177f. Epigone m. Gr. epi-gonoi 'Nachgeborene' heißen bei Pindar und Euripides die Söhne der im ersten theb. Krieg gefallenen Heerführer, bei Strabo u. a. die Nachkommen von Alexanders d. Gr. Nachfolgern, dann allg. schwache Nachtreter berühmter Vorgänger. Bei uns lebt E . als geflügeltes Wort, seit sich Karl Immermann 1830 entschloß, in einem Roman „Die Epigonen" Segen und Fluch des Nachgeb orenseins zu schildern: Schulz, Fremdwb. 1, 178. Epigramm n. Gr. epi-gramma, eig. 'Aufschrift', ist schon bei den Alten in die Bed. 'Sinngedicht' (s. d.) übergegangen. Während Opitz 1624 Poet. 24 E p i g r a m m a schrieb, veröffentlicht Lessing 1771 Anmerkungen über das Epigramm: H.Schulz 1913 Fremdwb. 1, 178. episch Adj., Epos n. Gr. èpos n., urverwandt mit erwähnen (s. d.), bedeutet Ursprünglich 'Gesagtes', dann 'Erzählung', seit Xenophon ( f 354 v. Chr.) 'Gedicht'. Die Mz. épea setzen Herodot und Pindar für 'Heldengedichte, -lieder'. Seit dem 18. J h . gilt E p o s in unsrer Kunstlehre. Das gr. Adj. epikós ist Attribut von poiêsis (s. Poesie), entsprechend lat. ejrieus, frz. épique, engl. epic. Bei uns wird von epischen Ged i c h t e n zuerst 1744 gesprochen: H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 178. Episode f. Frz. épisode m. 'Nebenhandlung, Einschiebsel' ist um die Mitte des 18. J h . entlehnt worden, als es noch f. war. Es stammt aus gr. éir-eicr-óSiov als Fachwort der Bühne: 'Handlung, die zwischen zwei Chorgesänge eingeschoben ist'. Urspr. hieß nur das erste Stück des Dialogs so, weil die Schauspieler, die es vortrugen, zum Chor, der schon vorher aufgetreten war, „noch hinzutraten". E p i s o d i s c h (seit Campe 1813) hat sein Vorbild in frz. épisodique: Seiler 1924 Entw. d. d. Kultur 3 2 248.
er-
Epoche /. Gr. epoche 'Innehalten, Haltepunkt in der Zeitrechnung, bedeutsamer Zeitpunkt' gelangt über lat. epocha und in dessen Form in das Gelehrtendeutsch des 17. J h . Bevor sich (mit Ramler und Wieland) die heutige Form durchsetzt, schreiben unter Einfluß des frz. (bei den Enzyklopädisten beliebten) époque Moser, Klopstock u . a . jahrzehntelang E p o k e . „Epoche machen" bildet frz. faire époque nach: H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 178. Eppich m. ist die S e l l e r i e (s. d.) Apium graveolens L., als Kulturpflanze im frühen Mittelalter aus Italien nach Deutschland gelangt, mhd. epfieh, ahd. epfi(ch), epfe u. ä., md. mnd. eppe 'Sellerie'. Ins Nhd. mit md. pp aufgenommen. Entlehnt aus lat. apium 'von der Biene (apis) bevorzugte Pflanze'. Aus dem Nd. und Ostmd. in die slav. Sprachen weiterentlehnt: poln. russ. opich, tschech. apich, slov. kroat. opih. Verwechslung mit E f e u (s. d.) ist ostmd. Sie beginnt im 16. Jh., begegnet bei Dichtern der schles. Schulen, von da gelegentlich bei Goethe (Weim. Ausg. I 6,197). Equipage f. 'herrschaftliche Kutsche'. Unser Neutr. S c h i f f gelangt in unverschobener Form früh ins Roman. Anord. skipa 'ein Schiff ausrüsten' ergibt gleichbed. afrz. esquiper. Dazu frz. équipage m., das nacheinander 'Ausrüstung, Aufzug, den ein Herr mit Wagen, Pferden und Dienern macht, Kutsche' bed. Rückentlehnt zuerst im Heerwesen: 'Reise-, Kriegsausrüstung' Wallhausen 1616 Kriegsmanual; 'Rüstwagen eines Stabsoffiziers' Scheibner 1695. Zum Genuswechsel Zs. f. d. Wortf. 7 (1905) 57, zur Abgrenzung gegen K u t s c h e Kretschmer 1918 Wortgeogr. 312. er, es Pron. ahd. mhd. ër, ëj, got. is, ita, urverw. mit lat. is, id, zum idg. Pron.-Stamm der з. Pers. *i-, Nhd. ist der Vokal vor r in geschl. Silbe gedehnt, wie in der, wer, mir, e m p o r , vor. Bei Anlehnung an vorhergehendes Ztw. wird er zu f ; schon mhd. reimt bat er auf vater. Enklitisches es wird s. Die Lautgeographie von 'er' bietet der Dt. Sprachatlas auf Karte 48: zwischen den Typen obd. er und nd. he liegen alte Formen her (wie ahd. im Hildebrandslied). Zur Herkunft vgl. H. F. Rosenfeld, Forschungen и. Fortschritte 1955, 160. 175. — 'Ihn', 'ihm' stellt der Dt. Sprachatlas auf handschr. Karten dar. Vgl. es. er- als Vorsilbe (ahd. ar-, ir-, ur-, mhd. er-) ist die unbetonte Entsprechung der Tonform ur-, s. d. Aus dem Satzzusammenhang nach d, t, r, I, n ist weithin mundartl. der- entstanden, vgl. Ahldén, der- = er-, Geschichte und Geographie^ Göteborg 1953. Der Dt. Sprachatlas zeigt die Verbreitung: vor allem imBair., Ostfränk., z.T. im Elsaß. Im Mittelalter reichte dies der- bis Ostpreußen und Schlesien.
erbarmen
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erbarmen Ztw. ist mit b a r m h e r z i g (s.o.) Lehnübersetzung von lat. miserere und misericors aus der Zeit vor Wulfila. Got. (ga-)arman 'sich erbarmen' gehört zum Adj. arms wie lat. miserere zu miser, während gr. £ASEIV als Vorbild nicht in Frage kommt. Da asächs. armön, ahd. armen in der Bed. 'arm sein' festlagen, griffen die Glaubensboten, um den Sinn 'erbarmen' zu erzielen, zur Erweiterung durch Vorsilbe. Ags. of-earmian, altlimb. onl-f-ermen zeigen, daß das af- war. Dem entspricht hd. ab-, das in ahd. (ir-)b-armen aus *ab-armen sein anl. a- verloren hat, mit derselben Verlegung der Silbengrenze, wie sie asächs. tögjan gegenüber got. at-augjan 'vor Augen führen' aufweist: Kluge 1906 Zs. f. d. Wortf. 8, 29. erbauen schw. Ztw., mhd. mnd. erbüwen: zunächst körperlich 'zu Ende bauen', doch schon im Mittelalter nach bibelgr. OIKOSOHSIV, lat. aedificäre geistlich gewendet, wie schon ags. ontimbran: M. Förster, Beibl. z. Anglia 1944 S. 239. Die Pietisten verbreiten E r b a u u n g und erbaulich. Erbe n. m. Die Vorgeschichte von arm (s. d.) ergibt einen Stamm germ. *arb-, idg. *orbho'verwaist', der bestätigt wird durch lat. orbus 'beraubt', gr. orph(ari)6s 'verwaist', armen, orb 'Waise', aind. drbha 'klein, schwach; Kind'. Hierzu mit ja-Ableitung das N. got. arbi, umgelautet ags. ierfe, afries. erve, asächs. erbi, ahd. erbi 'das Erbe als Besitztum eines Verwaisten)'. Dazu wieder (mit Suffix germ. -an: Kluge 1926 Stammbild. § 16) das M. got. arbja, urnord. arbija, ags. ierfa, afries. erva, mnd. erve, ahd. arbeo, umgelautet erb(e)o 'der Erbe'. Zum N. gehört das schw. Ztw. e r b e n , ahd. mhd. erben, mnd. erven, afries. frvia, ags. ierfan, anord. erfa. Wie alt die Gruppe ist, verrät das Zus.-Treffen von got. ga-arbja und air. com-arbe 'Miterbe'. Die Urbed. beleuchtet anord. erfi n. 'Leichenschmaus, Begräbnismahl'. S. Arbeit. Erbfeind m. Mhd. erbe-wnl ist seit Herb. v. Fritzlar 1212 Troj. 2665 der Teufel, dessen Feindschaft die Menschheit mit der E r b s ü n d e (Lehnübers. von peccatum hereditarium) von Adam geerbt hat. So noch bei Goethe. Des Teufels Sohn ist der Türke, auf den das Schlagwort im 16. J h . übertragen wird. Die Türkenliteratur des 16./17. J h . bringt die Hochblüte des Worts; Nachklänge noch im 19. J h . Von diesem Gebrauch ausgehend spricht Kaiser Maximilian 1613 vom Franzosen als „dem Erbfeind, der gegen den Rhein steht": Janssen, Frankreichs Rheingelüste2 17. Sein Wort findet Nachfolge in den Freiheitskriegen und im Weltkrieg: Behrend 1916 Altd. Stimmen 7—25; Schoppe 1917 Mitt. d. schles. Ges. f. Volksk. 19, 224 f. Erblasser m. zus.-gebildet aus der mhd. Formel da? (rbe län. Bei Schottel 1663 Ausf. Arbeit 333
Erde
nur von dem, der ab intestato beerbt wird. Seit Stieler (1691) 1073 auch vom testator, den Schottel u. noch Kinderling 1795 Reinigkeit 73 E r b s e t z e r nennt. Für E r b l a s s e r entscheiden Jean Paul u. Campe: Wh. Pf äff 1933 Kampf um dt. Ersatzwörter 29 f. Erbschleicher m. Nachbildung von lat. heredipeta, kaum vor Thomasius 1696 Ausübg. der Sittenl. 292. Gebucht seit Steinbach 1734. Erbse /. Pisum sativum ist den Südgermanen in vorgeschichtl. Zeit von Süden her bekannt geworden. Die Namen ahd. araweij, (Björkman 1902 Zs. f. d. Wortf. 2, 231f.), mhd. arw(e)i%, ärw(e)ibair.-österr. arbe(i)s, asächs. er(iw}it, mnd. mnl. erwete vereinigen sich auf germ. *arwait-. Trennt man als zweiten Teil germ. *ait'Kom' (in ags. die, engl, oats 'Hafer') ab oder sieht man auch in -ait bloßes Suffix, so darf man für den ersten (*arwo-) Urverwandtschaft mit lat. ervum 'Hülsenfrucht', gr. örobos, er&rinihos 'Kichererbse', mir. orbaind 'grains' vermuten; Grundform *eregu(h)- mit den entspr. Ablautformen. Als die Angelsachsen im 6. J h . abwanderten, kannte Jütland die Erbse noch nicht. In England wurde ags. peose, pise aus gallorom. pisa (Mz.) entlehnt, daneben ist das seltene ags. earfe 'Wicke' Lehnwort aus lat. ervum. Nach dem 6. J h . gelangte asächs. erit nach dem Norden, erhielt im Dan. ein Plural-r, das bei Weitergabe an die andern nord. Sprachen als stammhaft gefaßt wurde. Daher anord. ertr, Plur. Gen. ertra, Dat. erirum (statt erta, ertum): Hoops 1913 Reallex. 1, 622ff.; A. Debrunner 1918 Neue Jbr. 41, 445. Erchtag s. D i e n s t a g . Erdbeere /. Fragaria vesca L., ahd. erdberi, ags. eoröberie sind nach der E r d e benannt, auf der sie oft liegen. Auch ags. streawberie, engl, strawberry (zu streaw 'Stroh') tragen einen einzelsprachlichen Namen. Das Lat. bewahrt mit frägum ein Erbwort, dem jede befriedigende Anknüpfung abgeht. Die Griechen haben die Erdbeere nicht gekannt. Schwab, brästling m. 'Gartenbeere' zu mhd. brasten, prasleln 'knacken', von den „knakkenden" Beeren (1954 H. Marzeil, Wb. d. dt. Pflanzennamen 2, 466). Bair. pröbsiling (Schmeller I 2 467) beruht auf Volksetym., denn mhd. liegt bresteling voraus (Lexer 1, 350). Ebenfalls nach der Erde benannt sind russ. zemljanika, poln. pozimka, lit. iemoge, lett. zemene 'Erdbeere': J . Sehwers 1927 Zs. f. vgl. Spracht. 54, 30. Das Synonym Rotbeere ist obd. Typ. Erde /. Mhd. erde, ahd. erda, asächs. anfr. ertha, mnl. eerde, aerde, nnl. aarde, afries. erthe, ags. eorde, engl, earth, anord. jgrd, dän. schwed. jord, got. airpa führen auf germ. *erpö 'Erde': Dentalerweiterung des gleichbed. germ. *erö, das unerweitert in ahd. ero und gr. *irä 'Erde' (in
erden
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Erker
IpctÇe 'zur Erde') auftritt. Eine -wo-Erweiterung Gegenst. d. dt. Spr. 2 R e s u l t a t mit der Anm.: erscheint in anord. jgrfe m. 'Sand(feld)', kymr. „Ungerne bediene ich mich dieses fremden Worts, korn. erw f . 'Landstreifen, Morgen Felds', akorn. weil ich noch kein gleichgeltendes teutsches erw, ereu, abret. ero 'Furche'; vgl. lit. êrdvê gelesen habe, auch kein dergleichen mir einfallen 'Raum'. Zur Wurzel *er-, *ert-, *eru 'Erde'. Vgl. will". Das im 17. Jh. entlehnte frz. résultat stammt aus kirchenlat. resultaium, Part, zu lat. Art-. erden schw. Ztw. 'mit der Erde verbinden', resuliäre 'zurückprallen, widerhallen', mlat. auch von Telegraphen- und Fernsprechleitungen auf 'entspringen, entstehen'. ergötzen Ztw. Zu ahd. irgë^an, mhd. erdas Rundfunkgerät übertragen. Nach B. Buchrucker 1916 Zs. d. Sprachv. 31, 343 von westdt. geben 'vergessen' (s. d.) gehört als Faktitiv ahd. irgeizan, mhd. ergetzen 'vergessen machen (bes. Telegraphenarbeitern gebildet. Kummer)', ö tritt für e zuerst obd. im 16. Jh. ein, Erdkunde s. Geographie. erdrosseln Ztw. Ableitung des 17. Jh. zu wie in Hölle, Löffel, Schöffe, zwölf. Bis ins 19. J h . schwankt der Schreibgebrauch : H. Paul 1916 Drossel 2 , s. d. Dt. Gramm. 1, 216. Irrig trennen Wood in Kuhns Erdgeschoß s. P a r t e r r e . Erdöl n. galt in der Umgangssprache des dt. Zs. 46, 69 und K. Schneider 1941 Idg. Forsch. 68, Südwestens von je für P e t r o l e u m (s. d.). 1899 47 ergötzen von vergessen und stellen es zu erhob der Entwurf zum Zolltarifgesetz den um- den slav. Verwandten von G a t t e und zu toch. gangssprachlichen Ausdruck zum amtlichen. Er kät-k 'sich freuen'. erhaben Adj., urspr. Part, zu mhd. erheben konnte zu Öl (mit Ölgebiet, - g e s e l l s c h a f t , - h e r r s c h a f t , -könig, - t a n k , - t ü r m , Rohöl 'in die Höhe heben'. Im Paradigma ist (er)-hob usw.) vereinfacht werden, nachdem das frühere —(er)hobennach Vorbildern wie wob — woben, ö l zum Speiseöl verengt war. Die Entwicklung wog — wogen im 18. Jh. durchgeführt: H. Paul vergleicht sich der von Veloziped und Auto- 1917 Dt. Gramm. 2, 235. Die Entwicklung von mobil über F a h r r a d und K r a f t w a g e n zu körperl. Sinn (erhabene Arbeit) zum ästhet. und Rad und W a g e n : W.Linden 1943 Dt. Wort- sittl. Begriff wie in hoch, frz. relevé (mit Relief), nnl. verheven. gesch. 2, 384f. erheblich Adj. Mlat. relevons 'schwer genug, Erdschocke f . eingedeutscht aus Artischocke, um die andere Waagschale zu heben' entwickelt s. d. ereignen Ztw. Ahd. (ir-)ougen 'vor Augen sich zum Kanzleiwort im akt. Sinn 'ausrichtsam, stellen' (Ableitung zu ahd. ouga n. 'Auge') ergibt durchschlagend'. Dazu als Gegenwort lat. irrelemhd. eräugen, frühnhd. ereugen. Nebenform dazu vans, ital. (ir)rilevante. Unsere Lehnübers. (un-) ist mhd. eröugnen, das sich auf dem Boden ent- erheblich verdrängt nach Mitte des 16. Jh. ein rundender Mundarten zu ereignen entwickelt nicht viel älteres erheblich im pass. Sinn 'erund (gestützt auf das unverwandte Adj. eigen) reichbar, tunlich', zuerst in Frankf. Archivalien im 17. Jh. schriftsprachlich wird. So hat Schleife von 1553 „wider ein vnerhebliche im rechten vnd (aus mhd. slöufe) an schleifen Stütze gefunden, der geschichten vngegrundte exception" : A. Götze ( a b ) s t r e i f e n (aus mhd. ströufen) an s t r e i f e n 1909 Zs. f. d. Wortf. 11, 254ff. Erika f . heißt das Heidekraut erst seit dem 18. 'umherschweifen': H.Paul 1916 Dt. Gramm. 1, (oder 16./17.) Jh. und mehr im Munde der Gärtner 222. erfahren Ztw. mhd. ervarn urspr. 'reisend und Städter, als in dem des Volks. Gr. eretkê hat über lat. ërïca roman. *erîca, ital. érica ergeben. erkunden'. Zu f a h r e n , s. d. Erfolg m. Mhd. ervolgen, frühnhd. erfolgen Die dt. Erstbetonung hat nichts mit der roman. 'erreichen, erlangen' zieht die Rückbildung Er- Kürzung der Mittelsilbe zu tun, sondern beruht folg (kaum vor Helvicus 1619 Sprachkunst 36) auf Annäherung an den Vornamen E r i k a (neben nach sich, wie die Ztw. abbilden, aufwenden, Erich): H. Marzeil 1943 Wb. d. dt. Pflanzenbeweisen, einwenden, erlösen die Subst. Abbild, namen 1, 734. erinnern Ztw. Zum Kompar. ahd. innaro 'der Aufwand, Beweis, Einwand, Erlös. Auch das gleicligebildete frz. succès (nach succéder 'folgen') Innere' ist ahd. innarön, m h d . {erinnern gebildet. Die urspr. Bed. 'machen, daß jem. etwas beschränkt sich auf günstige Ausgänge. Ergebnis n. für R e s u l t a t seit Veit Weber innewird, bekannt machen mit' ist schon bei (Leonh. Wächter) 1792 Sagen d. Vorz. 4, 430 Luther (2. Makk. 16, 9; Joh. 14, 26; 1. Kor. 16,1) „dann rief er das Ergebniß seiner Gedanken aus". der des lat. monère gewichen. Aus dem Nhd. Ein falsch gebildetes E r g i e b n i ß Großmann 1791 stammen nnl. herinneren, dän. erindre, schwed. Lessings Denkmal 12ff. ist rasch erledigt worden, erinra. Erker m. Mhd. arkêre, ärker, erker(e) erscheint indem Heynatz und Campe für E r g e b n i s eintraten: Campe 1813 Wb. z. Verd. 534f. Noch 1798 im 12. Jh. (zuerst im Herzog Ernst und in Velverwendet Senckenberg, Gedanken über einige dekes Eneit) als Lehnwort aus ält. nordfrz.
erklecklich
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arquiere 'Schießscharte', eig. 'Schützenstand'. Vorauszusetzen ist mlat. *arcuarium zu lat. arcus 'Bogen'. Vom Wehrbau ist der Bauteil in den Wohnbau gewandert. Frühnhd. (alem.) ärkel zeigt Dissimilation von r gegen r wie Mörtel, murmeln, Turteltaube. M. Heyne 1899 Wohnungsw. 210. 319. 349; G. Baist 1909 Zs. f. d. Wortf. 10, 209 ff. erklecklich Adj. Ahd. kleclcan, mhd. klicken wandelt seine Grundbed. 'tönend schlagen' über 'gut vonstatten gehen' zu 'gut ausgeben'. Demgemäß bedeutet das allein noch übliche Adj. (kaum vor Stieler 1691) 'ausreichend'. Gleichbed. dän. klcekkelig ist aus dem Nhd. entlehnt. S. k l e c k e n und Klecks. erlangen s. g e l a n g e n . erlauben Ztw. Zur ablaut. Wz. germ. Hub, *liub, *laub gehört mit L o b , lieb und G l a u b e auch ahd. irlouben, mhd. erhüben, erlauben, ags. älyfan, got. uslaubjan. Grundbed. ist 'gutheißen', urverw. aind. löbhäyati 'erregt Verlangen, lockt an'. Ein altes Abstr. zu e r l a u b e n ist U r l a u b . Vor Labial ist obd. kein Umlaut des alten oit eingetreten. Von da ist die umlautlose Form in die Schriftsprache gelangt, während Luther und md. Schriftsteller noch des 17. Jh. e r l e u b e n schreiben. Entspr. verhalten sich glauben, Haupt, kaufen, raufen, Taufe. erlaucht Adj. mhd. erliuht, md. erlüht, Part, zu erliuhten (s. l e u c h t e n ) : unter denselben Bedingungen wie d u r c h l a u c h t (s. o.) als Lehnübers. von lat. illustris verwendet. erläutern s. l a u t e r . Erle f . Alnus glutinosa, auch E l l e r im germ. Wohngebiet von je häufig, auch waldbildend und in der Volksheilkunde wichtig. Den Namen teilen die Germanen mit Kelten, Slaven, Balten, Griechen und Italikern. Ahd. erila (mit Umstellung aus älterem elira, wozu Eller), asächs. elora, mnd. alre, elre (*alizö), eise (*älisö), mnl. eise (von dort in Brandenburg: Teuchert, Nl. Sprachreste d. 12. Jh. 188) nnl. eis (dazu E i s b a u m , - b e e r e Prunus tornunalis wohl nach den ähnlichen Blättern), ags. alor, engl, alder, anord. glr (*aluz), isl. jglstr (*elustra), got. *alisa (zu erschließen aus span. aliso 'Erle') zu germ. *alisö-. Frz. alise 'Eisbeere' beruht auf gall. *alisia, dazu Älisontia (Alsenz = Nebenfluß der Nahe, E i s e n z = Nebenfluß des Neckar), Ortsnamen wie Alisia, Älsincum. Dem germ. *alisö- unmittelbar gleichzusetzen ist russ. ölicha 'Erle', auch maked. älixa 'Weißpappel', während aslav. jelicha auf *elisä beruht. Lit. alksnis, elksnis, apreuß. alskande führen auf *alisnis, lat. alnus über *alsnos auf *alisnos. Zu idg. *el-: *ol- in Baumnamen gehört auch U l m e ; vielleicht besteht Beziehung zu ahd. elo 'gelb'. Vgl. E l r i t z e , zur Umstellung
Ernte
auch E s s i g . Die -s-Form sonderte sich vom Niederrhein durch Westfalen bis zur Weser aus dem -r-Gebiet aus: Th. Frings in Festschr. f. v. Wartburg 1958, 239. Eine Namensgemeinschaft aus landschaftlicher Homonymie hat die Erle im Typ Ellhorn an der unteren Weser und Elbe mit dem Ahorn (s. d.) und dem Holunder (s. d.). Erlkönig m. Herder hat, als er 1778 Erlkönigs Tochter aus dem Dän. übersetzte, dän. ellerkonge (aus elverkonge) 'Elfenkönig' mißverstanden. Goethe übernimmt 1782 den Irrtum. ermitteln schw. Ztw. hat in seiner heutigen Bedeutung 'feststellen, ausfindig machen' im 19. Jh. die Nachfolge des seltner gewordenen a u s m i t t e l n angetreten. Im 17. Jh. bedeutete e r m i t t e l n 'durch angewandte Mittel möglich machen'. ermutigen Ztw. Nach nnl. aanmoedigen bildet Zesen 1679 Simson 634 a n m u t i g e n . Wohl im Anschluß daran erweitert Stieler (1691) 1301 die Gruppe -mutigen: an-, auf-, be-, ent-, ermutigen. 1768 verzeichnet das Brem. Wb. 3 , 1 7 0 (an)nwdigen 'den Mut beleben'. Von Norddeutschland haben sich um 1800 nhd. e n t - , e r m u t i g e n durchgesetzt. Ernst m. mhd. ern{e)st 'Ernst, Kampf', mnd. ernest, ahd. asächs. ernust 'Ernst, Festigkeit', ags. eornost 'Ernst, Eifer, Kampf', engl, earnesl: zu germ. *ami-, arnja- in got. arniba 'sicher', sonst umgelautet, so auch in anord. ern 'tüchtig', jarna 'Kampf'. Das Suffix ist idg. -st mit Zwischenvokal u, wie in A n g s t , D i e n s t (s. d.), mit der Bedeutung 'zugehörig zu'. Die Grundbedeutung ist hier also 'was mit der Eigenschaft sicher, entschieden verbunden ist, entschiedenes Auftreten': Hans Krähe, PB Beitr. 71, 239. Der nächste außergerm. Verwandte ist awest. aranu- '(Wett-) Kampf', ein «-Stamm. Als Männername ist schon ahd. Ernust häufig. Das Adj. e r n s t ist jung, es entspringt Sätzen wie mhd. mir ist ernest, nhd. es i s t , w i r d E r n s t : W. Schulze 1935 Zs. f. vgl. Spracht. 62, 198. Ernte /. mhd. ernde f., ahd. *arnöti, Mz. zu arnöt m., ags. emd /. 'Kornernte': mit Endung -öd (F. Kluge 1926 Stammbildungsl. §135) gebildet zu fränk. alem. ärn, mhd. ern(e), ahd. ar(a)n, afries. ags. ern m. 'Ernte' (auch in rugem 'Roggenernte, August'). Dazu ahd. amen, ön 'ernten'. Außerhalb des Westgerm, vergleichen sich anord. gnn (aus *aznu) 'Feldarbeit' (zusammengeflossen mit gnn 'Eifer, Anstrengung') und got. asans f . 'Ernte, Sommer'. Mit Bed.Entwicklung von 'Feldarbeit' zu 'Verdienst daraus' sind zu vermitteln asächs. asna 'Lohn, Abgabe', mnd. asne 'Einkünfte', afries. esna 'Lohn'; ahd. amen, mnd. amen, ags. earnian, engl, earn 'verdienen'; ahd. asni, esni, ags. esne, got. asneis 'Knecht'. Die nächsten außergerm.
erobern
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Verwandten sind aslav. jeserii, russ. öseni, apreuß. assanis (für *essanis?) 'Herbst'. — Ein M. wie schwäb. e(r)mt steht unter Einfluß von H e u e t TO. 'Heuernte'. Die Schreibung Ä r n t e sind wir spät losgeworden: Gottsched forderte sie, weil das Wort von Ä h r e komme. — Vgl. a s t e n , August. erobern Ztw. Ahd. dbarön, mhd. (er)6bem bed. gemäß seiner Herleitung von o b e r (s. d.) urspr. 'der Obere bleiben, werden', danach '(durch Waffengewalt) überwinden'. erörtern schw. Ztw. begegnet zuerst als Rechtswort 'verhandeln' in Speyer 1514. Schon mhd. ist örtern 'genau untersuchen', zum Plur. Ö r t e r von O r t (s. d.) im Sinne des lat. terminus, somit Lehnübersetzung von determinare 'ein Urteil auf seine termini (gr. töpoi 'Begriffsgrenzen') zurückführen. Die frühnhd. Parallelbildung a u s e c k e n ist nicht durchgedrungen. erotisch Adj. Zu gr. erös (ipcos) TO. 'Liebe' gehört erölikös Adj. Über frz. irotique kommt seit Wieland 1776 e. auf, zunächst zur Bez. von Dichtwerken: H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 179. ErpelTO.mnd. mnl. fläm. erpel 'Enterich'. Bei uns zuerst in Magdeburg 1497 und Wittenberg 1552, vorher in Flandern. Von da haben es Siedler in die Mark Brandenburg mitgebracht, von wo es nach allen Seiten, bis Waldeck und Ostpreußen, ausstrahlt: H. Teuchert 1926 Kluge-Festschr. 149; ders. 1944 Sprachreste d. nl. Siedlungen 16. 66ff. Die Jägersprache hat Erpel allgemein verbreitet, zunächst für die männl. Wildente. Neben der unter R e b h u h n entwickelten Wz. *rebh'dunkel' steht ein ablautendes *erebh-, zu dem über Wz. *erhhnö-, germ. *erp(p)a- das Farbadj. anord. jarpr, ags. eorp, ahd. erpf 'dunkel' gebildet ist. Es war längst verklungen, als erpel 'Enterich' aufkam, weshalb der Vogel nicht unmittelbar der 'Dunkle' genannt sein kann, was auch sachlich kaum paßt. Das Adj. war in Männernamen wie asächs. Erpo, ahd. Erpfo eingegangen, die in Ortsnamen wie E r f u r t (8. Jh. Erpesford), schwäb. E r p f i n g e n , E r p f e n s c h w a n g fortleben. Der Enterich trägt in E r p e l einen Männernamen, wie der Gänserich in G ä r e t und G a b e r ('Gerhart' und 'Gabriel'). Die Wortgeographie bietet Reinholdis Wiepen beiMitzka, Dt. Wortatlas II (1953). erpicht Adj. seit Stieler 1691 (auf das Lernen, die Arbeit e.), vorher v e r p i c h t (Grimmelshausen 1669 Simpl. 2, 20), eig. 'wie mit Pech an ein Tun geklebt'. Mit ähnlichem Bild: auf etw. v e r s e s s e n sein. erqnicken Ztw. ahd. irquicchcm 'neu beleben'. Zu k e c k (s. d.) in s. urspr. Bed. 'lebendig'. Vgl. Quecksilber. erratisch Adj. 'wandernd': lat. erraiicus (zu erräre 'irren') gelangt über frz. Hoc erratique
erwähnen
'wandernder Stein' als Fachwort der Geologie 1832 zu uns. Durch Scheffels Gedicht „Der erratische Block" im Gaudeamus 1864 allg. bekannt geworden: H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 179. Errungensehaft f . zuerst in der rheinpfälz. Kanzlei 1582 als Lehnübers. von mlat. acquaestus (frz. acquêt, engl, acquest) zur Bezeichnung des von Ehegatten während der Ehe erworbenen Vermögens. Seit Wehner 1624 Pract. juris 130 gebucht, wahrt es seinen Kanzleiklang noch bei Heynatz 1 (1796) 384. Erst Görres 2 (1814) 110 streift den jur. Sinn ab. Durch den Berliner Aufstand im März 1848 wird E. zum Fahnenwort: es kennzeichnet die der Regierung abgenötigten Zugeständnisse. D a z u M ä r z e r r u n g e n s c h a f t e n , V e r l o r e n s c h a f t (Gutzkow), V e r s p r o c h e n s c h a f t (Scherr). Von da wird E. zum Wort der Gemeinsprache: Arnold 1905 Zs. f. d. W o r t ! 6, 359; Ladendorf 1906 Schlagwb. 72. erschrecken Ztw., mhd. erschrecken, daneben erschricken, ahd. irscricchan 'aufspringen': s. Schreck. erschüttern Ztw., r-Intensivum zu mhd. erschallen, ahd. irscutten 'schütteln, erschüttern'. Verwandt mit s c h ü t t e ( l ) n . Alt auch intrans.: H. Paul 1909 Zs. f. d. Wortf. 10,112. ersprießlich Adj. E r s p r i e ß e n 'hervorsprießen' wird frühnhd. gern im übertragenen Sinn von 'gedeihen' gebraucht. Dazu e. 'gedeihlich' seit Anfang des 16. Jh. (DWb. 3, 962), von Luther 1523 Einl. zu den 5 Büchern Mosis (Bindseil 7, 315) als junges Kanzleiwort abgelehnt, zugleich mit b e h ä n d i g e n , b e h e r z i g e n und e r s c h i e ß l i c h : F. Kluge 1918 Von Luther bis Lessing 51. erst Adj. asächs. êrislo, ags. éèrest, engl, (veraltet) erst: Superl. zu dem bei e h e r entwickelten Kompar. got. airiza, ags. serra, afries. erra, ahd. êr(i)ro 'der frühere'. Den Positiv bewahren got. air, anord. âr, ags. sêr, engl, ere 'frühe', ahd. êracchar (aus *ér-wakkar) 'frühe, wach'. Wahrscheinlich wurde der Stamm urspr. nur von der Tageszeit gebraucht, wie f r ü h und der idg. Verwandte gr. Sri (aus *äjeri) 'morgens'. Erstantffihriing s. U r a u f f ü h r u n g , ersticken Ztw. Erbe des mhd. Intrans. ersticken und des davon abgeleiteten trans. Faktitivs ersiecken 'ersticken machen'. Zu s t e c k e n (s. d.), Grundbed. von ahd. irsticchen ist 'mit dem Atem stecken bleiben'. Ertag s. D i e n s t a g . ertappen Ztw. 'erwischen' seit d. 16. Jh. zu frühnhd. tappe 'Pfote', s. d. erwähnen Ztw., mit Vorsilbe er- kaum vor J. R. Sattler, Teutsche Orthographey (Basel 1607). Statt dessen mhd. gewähenen, gewuoc, gewogen, ahd. giwahan(en), giwahvnen (mit -en aus -jan) schw. Präs. mit st. Prät. giwuog (mit gramm.
Erz
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Esel
Wechsel, ohne präs. n), Part, giwaht neben giwa- konnte. Mhd. ? ist zu s geworden, damit sind hanit. Dazu (wieder mit gramm. Wechsel) mhd. beide Formen zusammengefallen. Der Gen. in uriiegen 'gedenken machen, in Erinnerung brin- Wendungen wie „es ist Zeit", „ich bin's zugen', asächs. giwegi 'suggérât', mnd. gewogen, frieden" wird als solcher nicht mehr empfunden, mnl. ghewaghen, gheiooech 'vermelden', nnl. ge- sondern zum Nom. oder Akk. umgedeutet und wogen, ahd. giwaht 'Ruhm', md. gewach m. 'Er- demgemäß nachgebildet: „das walte Gott". Der wähnung', mnd. gewach, mnl. ghewach, nnl. gewag Dt. Sprachatlas bietet die Lautgeographie. 'Vermeidung', ags. wöm(a) m. 'Lärm', anord. Vgl. er. Esch m. 'Gemarkung'. Mit lat. ador (aus ömun f . 'Stimme' (aus *wöhma-), vätta (aus *wahtön) 'bezeugen', vättr (aus *wahtaf) 'Zeugnis', *ados-) 'Spelt' urverwandt scheint got. atisk isl. ömr 'Laut'. Von W a h n und w ä h n e n ist die 'Saatfeld, Feldflur'. Ihm entsprechen ahd. ffäisc, Sippe zu trennen. Außergerm. Verwandte sind mhd. e^esch, asächs. ezk (aus *etisk) in Ortsu. a. apreuß. wackis 'Geschrei', lat. vöx 'Stimme', namen wie Varenesch in Oldenburg, Schildesche vocö 'rufe', gr. épos 'Wort', ops 'Stimme', toch. und Ternesche (889 Ternezca) in Westfalen, mnd. A wak, B wek 'Stimme', aind. vdkti 'redet', väk, esch 'Saat, Feldflur', bair. e$(l), schwäb. öi, hess. vâSas 'Rede'. Alle zum idg. Verbalstamm *ueku-: eS, westfäl. ostfries. esk: Solmsen, Idg. Eigen*uoku- 'sprechen'. — Nhd. â durch Kontraktion namen (1922) 61. Esche f . 'Fraxinus exelsior L.' Mhd. esehe f., aus ähe wie in Ä h r e , v e r m ä h l e n , Z ä h r e , mit diesen einer der Falle, in denen h früh zum bloßen asch m., ahd. asächs. dän. schwed. ask, mnl. esce, nnl. esch, nordfries. esk, ags. cesc, engl. ashy Dehnungszeichen geworden ist. Erz n. ahd. aruz(zi), asächs. arut n. (Ahd. anord. askr m. weisen auf urgerm. *askiz, aus Glossen 2, 672). Dazu altgutnisch ertaug, aisl. *osk-, das wohl auf *os-sko- zurückzuführen ist. ertog, ertug f . Öre' aus urnord. *arutitaugu Dieselbe Grundform setzen voraus gr. oxye, 'Erzfaden'. Die Sippe, unverw. mit got. aiz, ahd. oxea 'Buche; Speer', alban. ah 'Buche', armen. er 'Erz' (s. ehern), ist mit lat. raudus 'formloses haci 'Esche'. Mit «-Erweiterung entsprechen urErzstück als Münze', aslav. ruda 'Erz, Metall' slav. *asceni, *asenü 'Esche' mit breitem, gleichu. a. entlehnt, am ehesten aus sumer. urud(u) bed. Gefolge, lat. ornus (aus *osinos) 'wilde Berg'Kupfer': H.Hirt, Idg. Gramm. 1, 168; T. E. esche; Speer', urkelt. *onnä (aus *osnä) mit air. huinnius, kymr. akorn. onnen, bret. ounnenn Karsten 1928 Die Germanen 196. Erz- als Vorsilbe stammt aus gr. äpxi- (ge- 'Esche'. Das unerweiterte *ösis zeigen lit. sprochen arki) 'der erste, oberste', vermittelt usis, lett. üsis, apreuß. woasis 'Esche'. Die Esche durch kirchenlat. archi- mit der von Nordafrika ist ein Charakterbaum der Urheimat gewesen; ausgehenden z-Aussprache (vgl. Arzt). Nach zuerst im Germ, ist Asei-burgium (Tacitus) und einem Vorbild wie archi-episcopus entsteht ahd. 'AaKißoupyiov öpos bezeugt. Nhd. E s c h e hat erzi-bischof, mhd. folgen erz-priesler, -engel, diesem Umlaut aus der Mz. (wie G r ä t e , Schläfe,. wieder erz-bote und im 15. Jh. weltliche deutsche S c h ü r z e , T r ä n e , T ü c k e , Zähre), auch das Bildungen wie erz-biwbe, -kanzler, -marschalc, Adj. eschen (mhd. eschin) mag mitgewirkt -schelm, im 17. Jh. Adjektiva wie e r z f a u l , haben. Umlautloses Asche noch bei Goethe in. Briefen (hg. v. Ph. Stein II 191 und 217; III -dumm. erzen Ztw. "mit Er anreden' seit Zaupser 1789 272). Aus Eschenholz werden Lanzen, Schiffe und Geräte hergestellt, die darum oft den BaumBair.-oberpf. Id. 23. Nach d u z e n , s. o. Erzeugnis n. fehlt noch bei Adelung 1774, namen tragen, s. Asch und anord. askr 'Speer, erscheint als Wiener Ersatzwort für P r o d u k t , kleines Schiff, Gefäß', ags. cesc 'Speer', mnd. aschy in Deutschland ungebräuchlich, bei C. F. Nicolai esch 'Gefäß, Dose': Hoops 1913 Reallex. 1, 631. 1785 Beschr. e. Reise im Jahr 1781, Bd. 6, 310 Esel m. mhd. mnd. mnl. fsel, ahd. asächs. esil, „Erzeugnisse der k. k. Erblanden", beifällig auf- nnl. ezel, ags. e(o)sol, got. asilus: sämtlich aus lat. genommen von Adelung 1793, Heynatz, Anti- arinus mit l aus n (wie Igel, Kessel, Kümmel)barb. (1796) 395 und Campe 1801 Verd.-Wb. 650 a . oder aus vulgärlat. asellus, dagegen anord. asni Allgemein durch Schiller, Goethe und J. H. Voß entlehnt aus afrz. asne. Dän. cesel ist dt. Lehn1800 Virgils Ländl. Ged. 3, 259. Wesentlich ist wort. Die Germanen haben sehr früh das Tier von geworden, daß das Bürgerl. Gesetzb. (schon im den Römern kennengelernt; germ. *asiluz gehört Entwurf 1896 § 196) von (land- und forstwirt- zu unsern ältesten lat. Lehnwörtern. Lat. asinits schaftlichen) Erzeugnissen spricht. — Nnl. (schon bei Plautus, 1184 v. Chr.) ist wie gleichvoortbrengsel ist älter. bed. gr. önos durch thrak.-illyr. Vermittlung aus es Pron. ahd. mhd. êç, Gen. ës: zu dem unter einer kleinasiat. Sprache im Süden des Schwarzen er (s. d.) entwickelten Pron. der 3. Pers. idg. *i-. Meers entlehnt; dazu armen. eS 'Esel'. Die VerKürze ist geblieben, weil neben e s keine flektierten bindung mit der Mühle, wo der Esel die SteineFormen standen, in denen der Vokal offen werden drehte, bevor er die Säcke trug, zeigen schon got„
Eselsbrücke
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asilu-qairnus und ags. esuleweom. Aus germ. stammt aslav. osüü. Auf jüngerer Entlehnung aus dem Slav. beruhen lit. äsilas und apreuß. asilis: J . Brüch 1926 Festschr. f. P. Kretschmer lOff.; E. Schwentner, Idg. Forsch. 65, 147. Gleichbed. mit E s e l sind das zunächst rotw. L a n g o h r (Rotw. Gramm. 1765 S. 14) und der Märchenname G r a u s c h i m m e l . K e l l e r e s e l 'Assel' bildet ital. asello nach. (Maler-)Esel 'Staffelei' seit Stieler (1691) 206 „Bock . . . lignum cui tabula cum pingitur imponi solet, alias ein Esel" stammt (wie engl, easel) aus nl. ezel: mit S t i l l e b e n (s. d.) eine Erinnerung an die Vorherrschaft der holl. Malerei. S. Assel. Eselsbrücke f . pons asinorum ist nach Eislers Wb. d. philos. Begriffe urspr. eine 'logische Verhältnisse veranschaulichende Figur'. Demgemäß J. Chr. Günther 1735 Ged. 462 „ein Schulfuchs, der die Eselsbrücke tritt". Adelung bucht 1774 E. als 'Schwierigkeit, welche Unwissende in Verlegenheit setzt*. Seit Schwan 1783 Deutsch-frz. Wb. 1, 80 in heutiger Bed. 'pont aux ânes, ein elender Behelf für Unwissende': Zs. f. d.Wortf.4, 127. 7,139. Dafür in neuerer Schülersprache auch pons f . Eselsohr n. 'Knick im Blatt eines Buchs' seit Martin 1637 Parlement nouv. 12. Im 18. Jh. auch Ohr schlechtweg. Schwed. hundöra. Eskorte /. Spätlat. *excorrigere 'achtgeben' liefert ital. scorgere 'einen Zug ordnen, ihn geleiten'. Dazu ital. scorta, frz. escorte 'Schutzgeleit', das seit Scheibner 1695 bei uns erscheint. Unmittelbar aus ital. scorta war frühnhd. scart f . 'Wache' entlehnt, als neues Wort bei J. v. Schwarzenberg 1634 Kummertrost 17 V. 45 Scheel. Espe /., auch 'Zitterpappel' 'Populus tremula L.\ mhd. aspe, ahd. aspa, mnd. mnl. fspe, nnl. esp, ags. cesp(e), anord. gsp, dän. schwed. engl. asp. Dazu das Adj. e s p e n , mhd. ahd. espin, mnd. afries. espen ags. œspen, engl, aspen (dies umgefärbt nach dem Subst.). Germ, -sp- ist umgestellt aus älterem -ps- (vgl. ags. cepse und Wespe). Außergerm, entsprechen gleichbed. lett. apsa, apreuß. abse, nordlit. apuSis, russ. osina (aus *opsina; vgl. mhd. espin), poln. os(in)a. Gr. aspis 'Schild' erinnert als 'aus Espenholz' an nördlichere Urheimat, Griechenland selber hat keine Espe, daher auch den Baumnamen nicht mehr. Auch das rituelle Holzschwert aind. sphya kann solchen Relikt darstellen: P. Thieme, Akad. Mainz, Geistesw. Kl. 1953, 11, 647. Aus dem ältesten Armen, entlehnt sind türk. apsak 'Pappel' und tschuwaschisch éwës 'Espe', ein idg. *apsä bestätigend. Damit ist die Espe als Char rakterbaum der Urheimat von Germanen und Indogermanen gesichert, s. Esche. Dort ist auch das seit dem 16. Jh. auftretende nhd. E s p e erklärt.
Essig
Esplanade /. Zu lat. explänäre 'ausebnen' gebildet ist span. ex-, esplanada, frz. esplanade 'Raum zwischen Stadt und Zitadelle, der dieser auch nach der Stadtseite freies Schußfeld sichert'. Gelangt im 17. Jh. mit dem frz. Festungsbau zu uns. Zesen 1667 Handb. der jetzt üblichen Kriegsbaukunst 30 schlägt dafür F e l d s c h u t t vor. Esse f. Zur idg. Wz. *as 'brennen' vgl. Asche (in lat. äridus 'dürr', ardere 'brennen', awest. ahya 'Darre') stellt sich germ. *asjö (vorausgesetzt durch das früh entlehnte finn. ahjo) 'Esse, Feuerherd des Metallarbeiters'. Lautgerecht entwickeln sich daraus aschwed. (BSja, schwed. ässja, ahd. ?ssa (über *essja aus *assia), mhd. esse. Die Schreibung Ässe haben die Sprachmeister lange begünstigt, um das Wort gegen essen abzuheben, ö s s e hält sich von Geiler bis Goethe als hyperhd. Schreibung. Heute ist E s s e 'Abzugsrohr für den Rauch' wesentlich ein Wort des östl. Mitteldeutschlands. Gleichbed. gilt nordd. S c h o r n s t e i n , thür. nordbair. S c h l o t , südwestd. und tirol. K a m i n , österr. R a u c h f a n g . Auf das Gebiet von E s s e ist das junge E s s e n k e h r e r (nie Fam.-Namel) beschränkt (gegenüber Schornstein-, Schlot-, Rauchfangkehrer, Kaminfeger): Kretschmer 1918 Wortgeogr. 436ff. Vgl. Asche 1 . essen st. Ztw., mhd. S^en, ahd. e ^ a n , asächs. ags. etan, anfr. eton, mnd. mnl. nnl. eten, afries. eta und (mit Übergang in die ¿-Klasse) Ita, engl. eat, anord. eta, schwed. äta, dän. cede, got. itan: mit Aas, a t z e n , ä t z e n , f r e s s e n und Z a h n zur idg. Wurzel *ed- 'essen' in lat. edö, Perf. edi, gr. edonai, lit. edu, früher emi (aus *edmi), lett. emu, aslav. ja(d)mi, aind. ddmi, hethit. edmi 'ich esse'. Wie alt die Sippe ist, verrät die Übereinstimmung unsres subst. Inf. E s s e n , ahd. e^an n., mit gleichbed. gr. edanön, aind. ädana-, hethit. adanna, oder des dehnstufigen Prät. wir a ß e n , got. etum, mit gleichbed. lat. edimus, aind. ädimä. Essenz /. Lat. essentia als Lehnübersetzung von gr. usia (OÜCTIOC) 'Wesen' geht auf Cicero zurück. Bei uns tritt essensje 'Wesen' spätmhd. auf (Germ. 18, 272), als theol. Wort wirkt es noch lange fort: G. Schoppe 1914 Zs. f. d. Wortf. 15, 183. Wichtiger wird E. als Wort der Alchimisten. Nach pythagoreischer Lehre ist neben den vier Elementen quinta essentia der unsichtbare Luftoder Ätherstoff; daraus entwickelt sich Q u i n t essenz 'Auszug aller feinen Kräfte'. Paracelsus widmet das 4. Buch seiner Arehidoxa der Quinta Essentia und wechselt im Ausdruck zwischen q. e. und essentia; schon 1525 spricht er von essenlien (Werke I 3,156). Nach ihm hat Leonh. Thurneysser 1578 Essentz vollends eingebürgert: H. Schulz 1913 Fremdwb. 1,180. Essig m. Mit dem Wein (s. d.) dringt aus Rom die Kenntnis des W e i n e s s i g s (DWb. 14, 1,
Essigmutter
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907) früh nach Deutschland. Lat. acëtum (mit acidus 'sauer' und aeêre 'sauer sein' zu äcer 'scharf' wie gr. 6xos n. 'Weinessig' zu oxys 'scharf') ergibt got. akeit, asächs. elcid, ags. eced, Schweiz, achiss, eehiss. Dagegen sind über *atêcum entlehnt : asächs. mnl. anord. edik, mnd. et(t)ik, ahd. mhd. ffälh. Ähnliche Kons.-Umstellungen bei E r l e , F i e b e r , k i t z e l n . Ahd. mhd. i, anzusetzen wegen spätmhd. esseich, entspricht dem lat. é, vgl. M ü n z e und M. Förster 1941 Themse 679. Nhd. -g aus -eh ist in nachtoniger Silbe lautgesetzlich entstanden, s. a d l i g , b i l l i g , R e i s i g . Durch got. Vermittlung gelangen Wort und Sache nach Osteuropa: aus got. akeit stammt aslav. otitü. Altheimische Benennung des Essigs im westl. Niederdeutschland ist sür n. Essigmatter f . 'Bodensatz im Essig' zu M u t t e r 2 'Hefe', das z. B. bei Stieler 1691 und Frisch 1741 allein f ü r E. steht. Dieses kaum vor Thurneysser 1578 Hist. u. Beschr. 61, nachmals beliebt bei J e a n Paul. Merkwürdig das Zus.Treffen mit einer gleichbed. roman. Sippe: venez, madre, mailänd. mader, afrz. mere, sav. meire, mare '(Essig)-Hefe'. Ester m. 'chemische Verbindung, die durch Vereinigung von Säure und Alkohol unter Wasseraustritt entsteht'. Zuerst bei Leop. Gmelin 1848 Handb. d. organ. Chemie 4 1, 182. Kurz vorher in Justus Liebigs Gießener Laboratorium als Klammerform aus E s s i g ä t h e r entstanden: A.Götze 1939 Mutterspr.54, 337f. Entsprechend h a t Zeise 1833 M e r k a p t a n aus Corpus Mercurium captans gebildet, 1835 J . C. Poggendorff A l d e h y d aus Alcohol dehydrogenatum. Estrich m. Frühmlat. astracus, astricus 'Pflaster' (die Formen stehen nebeneinander wie monacus und monicus 'Mönch' und gehen zuletzt auf gr. ôstrdkon 'Scherbe' zurück, wie pavimentum testacium auf testa 'Scherbe') ergeben urdeutsch *astrak, *astrik, woraus ahd. astrlh, estirlh, mnd. astrak, esterik, mhd. esterïch. Römische Siedler haben das Wort mit der Sache ins Rhein- und Donautal gebracht; es fehlt dem Md., auch Luther kennt es nicht. Von Tirol bis Basel heißt der (früher manchmal gepflasterte) Dachraum E., rhein.-pfälz. die Zimmerdecke: Kretschmer 1918 Wortgeogr. 134.168; zur Sache M. Heyne 1899 Wohnungswesen 78. 251 f. Zum Wandel von gr. ôstrdkon zu lat. astracus ist wichtig Isidor, Etym. XV 8, 11 = X I X 10, 26: Ostracus est pavimentum testaceum, eo quod fractis testis ealce admixto feriatur; testa enim Graece östra dicunt. Dazu F. Sofer, Glossa 18,129. Etage /. Zu lat. stäre 'stehen, verweilen' gehört mlat. *staticum n., ital. staggio, frz. étage m. ""Aufenthalt, Wohnung, Stockwerk', das im .17. J h . bei uns eindringt. Genuswechsel wie bei
euch
den andern auf - a g e (Blamage, Renommage, Stellage). Zesen schlägt 1664 für das damals junge Fremdwort Ü b e r s a t z , V e r h ö h u n g vor, es h a t sich auch von Köln bis Oberbayem eingenistet für G a d e n , G e s c h o ß , S t o c k ( w e r k ) : Kretschmer 1918 Wortgeogr. 538. Etappe f . Mnl. stäpel 'Stapelplatz' ergibt afrz. estaple 'Warenniederlage', frz. étape 'Verpflegplatz fürs Heer, Rastort, Standquartier'. Seit Sperander 1728 in unser Heerwesen übertragen, h a t das Wort auch erweiterte Bed. wie 'Strecke, Halt in einer Entwicklung' angenommen. Etikette f . Nd. sticke 'Stiftchen', verwandt mit S t e c k e n , ergibt nordfrz. estiquete, frz. étiquette, das sich kaufmännisch über 'Stift zum Anheften eines Zettels' zu 'Bezeichnungszettel' entwickelt. So bei uns zuerst in einem bair. Generalmandat vom 26. Nov. 1701 A r z n e i - E t i q u e t t e n . Im Gebrauch des Pariser Hofs wird é. aus 'Zettel' zu 'Zettel mit der Hofrangordnung', danach 'Inbegriff der (bei Hof geübten) Förmlichkeiten'. So zuerst in Wien 1708: H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 182. Zum Genus Zs. f. d. Wortf. 7, 57; H. Paul 1917 Dt. Gramm. 2,148. etlich Pron. Zu got. aißßau 'vielleicht, etwa' (s. o d e r ) stellt man ein pronominales ahd. ëdde(s) 'irgend', das in ahd. ëdde(s)hwëlih mit w e l c h verbunden erscheint. Mit innerer Kürzung wird hieraus ahd. ëta-, ëteslïh, mhd. ëte(s)lïch 'irgendeiner', Plur. 'manche'. Spätmnl. etlick, nnl. ettelijk ist aus dem Mhd. entlehnt. Formeln wie „etliche zwanzig" aus älterem „etliche und zwanzig" lassen die Einerzahl unbestimmt, vgl. „zwanzig Gulden und ungerade Kreuzer" bei Hebel. O.Behaghel 1923 Dt. Syntax 1, 385f. Etui n. 'Kapsel, Behältnis', bei uns seit J . T. Hermes 1778 Sophiens Reise 5, 439. Aus gleichbed. frz. étui, afrz. estui. Dies ist Rückbildung aus afrz. estuier 'in eine Hülle legen' aus vulgärlat. *studiare 'eifrig um etw. bemüht sein'. etwa Adv., mhd. etewär 'irgendwo', s. e t l i c h und wo. Entspr. e t w a n , mhd. ëtewanne 'irgendeinmal', e t w a s n. zu ahd. mhd. ëtewër 'irgendeiner'. Etymologie /. Zu gr. étuhoç 'wahrhaft' und Àôyoç 'Wort' gehört ÊTuno-Âoyicc 'Nachweis des Ursprungs eines Worts', das über lat. etymobgia in die deutsche Wissenschaft gelangt, als etymologei 1620 bei Paracelsus (Werke I 1, 21), als etkimologey bei Emser 1521 (Luther und Emser hg. Enders 2,145). Eingebürgert seit 1641 durch Gueintz und Schottelius. E t y m o l o g i s c h kaum vor Bödiker 1729: Zs. f. d. Wortf. 1 5 , 1 5 f . euch Pron. Mhd. iu(wi)ch, ahd. iuwih Akk. (Dat. ahd. mhd. iu), ags. low, später ëow(ie) Akk., êow Dat. anord. ydr, yd(v)ar (mit d aus R, dies aus 2), got. izwis (für Dat. und Akk.). An den Stamm des Pron. der 2. Pers. idg. *es-, germ. *iz-
euer
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Exkönig
zum Pron. *idg. e tritt germ. *-wiz (idg. *-wes, manski 1932 Der Ever der Unterelbe (Quellen u. aind. vas, lat. vös). Dann wäre germ. *eswis ein Darst. zur hans. Gesch., N. F. 9). ewig Adj. mhd. ewic, ahd. asächs. ewig, mnl. alter Dual wie gr. sphö ( ahd. prestar, impf(if)5n, pfari(fri)t. Das Wort lebt auch im Familiennamen Fliedner. flimmern Ztw. nur nhd. (zuerst Chr. Reuter 1696 Schelmuffsky 65), Weiterbildung zu f l i m m e n , das lautmalend neben f l a m m e n steht. F l i m m e r m. (nicht vor Steinbach 1734) ist aus dem Ztw. rückgebildet wie S c h i m m e r aus s c h i m m e r n : Nichtenhauser 1920 Rückbild. 19. Dän. flirnre ist aus dem Nhd. entlehnt. flink Adj. ist vom Nd. ins Nnl., Dän., Schwed. und Hd. ausgestrahlt, hier kaum vor Stieler 1691, obd. Volkssprache dauernd fremd. Nd. f l i n k bed. urspr. 'glänzend, blank', so Ludwig 1716, Frisch 1741. Ein Ztw. f l i n k e n 'glänzen', Musculus 1555 Hosenteufel 3; F l i n k e n Plur. heißt bei Henisch 1616 eine Art Weißfische; mhd. kupfervlinke 'flimmerndes Kupferschüppchen'. Im Ablaut dazu bair. flank 'Funke'; nhd. f l u n k e r n (s. d.). Die außergerm. Verwandten von germ. *flinka- 'flimmernd' entbehren des Nasals: aind. phalgü-, phdlguna- 'schimmernd'; andre weisen anlautend s- auf: lett. spulguol 'glänzen, funkeln', spulgis 'Morgenstern' (urspr. 'der Funkelnde'), spulgans, spilgans 'schillernd'. Flinte f . zuerst bei A. Olearius, Beschr. d. orient. Reise (1647) 14, verkürzt aus F l i n t b ü c h s e (wie gleichbed. dän. flint aus flintbesse); daneben stand F l i n t r o h r (Olearius 228). Beide Zus.-Setz. meinen 'Gewehr mit Steinschloß': die langrohrige Handfeuerwaffe gab bis in den 30jähr. Krieg mit Radschloß und Lunte Feuer. Um 1630 stattete ein frz. Erfinder den fusil ä silex mit dem Feuerstein aus, den bis dahin nur die mit einer Hand gelösten Fäustlinge oder Puffer (s. P i s t o l e ) gehabt hatten. Der Steinsplitter heißt ahd. flins, mhd. vlins (s. F l i e s e ) . Daß F l i n t b ü c h s e die (nd. nl. engl, nord.) Form flint erhielt, beruht entweder darauf, daß in den entscheidenden Jahren Holland in der Waffenherstellung führend war oder daß im großen Krieg schwed. flinta f . 'Feuerstein' maßgebend wurde. Das wäre dann die einzige Spur des schwed. Krieges in unserm Wortleben. Die Herleitung vom Feuerstein zuerst bei Frisch 1741, nachdem noch Stieler 1691 gemeint hatte, F l i n t e komme von f l i n k „dieweil es flink und ohngespannet abgehet". Flinte, heute wesentlich 'Gewehr des Jägers', war einst auch soldatische Waffe. Erinnerung daran ist die Redensart d i e F. i n s K o r n w e r f e n 'hastam abicere', die
flirren
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voll dem zum Schlachtfeld gewordenen Kornfeld stammt. — Lett. plinte ist um 1750 aus dem Dt. entlehnt. flirren schw. Ztw., tritt unvermittelt bei Schottelius (Braunschw. 1663) 1317 als 'volitare' auf. Die Bed. 'flimmern' erscheint bei Bürger 1778, die erste Buchung folgt bei Campe 1808. Aus den Mundarten läßt sich beiziehen ostfries. fliren 'flimmern, schwirren': Doornkaat Koolman 1, 512. F. Sommer 1933 Idg. Forsch. 51,250 vermutet Mischbildung aus f l i m m e r n (oder f l i e g e n ) und s c h w i r r e n . Flirt m. rückgebildet aus dem Ztw. f l i r t e n , das 1894 im Titel eines Lustspiels von Klara Ziegler erscheint. Es kommt um 1890 für 'kokettieren' auf und ist entlehnt aus engl, to flirt 'sich benehmen wie ein Courmacher', das aus afrz. fleureter 'mit Blumen verzieren' stammt: O. Ladendorf, Schlagwb. (1906) 85f.; H. Schulz, Fremdwb. 1 (1913) 219; E . Gamillscheg, Etym. Wb. d. frz. Sprache (1928) 425. flispern schw. Ztw. 'flüstern; beim Sprechen mit der Zunge anstoßen'. Seit Mitte des 18. J h . wesentlich aus Norddeutschland beizubringen. Mischbildung aus f l ü s t e r n (s. d.) in seiner älteren Form f l i s t e r n und wispern. Auch wispeln und l i s p e l n mögen mitgewirkt haben: V. Pisani 1930 Idg. Forsch. 48, 243; F. Kainz 1943 Dt. Wortgesch. 2, 309. Flitter m. Um einen Begriffskern 'unstete Be wegung' sammeln sich mhd. vlütern Ztw. 'flüstern, kichern', gevlitter n. 'heimliches Gelächter, Gekicher', ahd. flitarezzen 'schmeicheln, liebkosen' (vgl. F l i t t e r w o c h e n ) , mengl. fliteren 'flattern', engl." flittermouse 'Fledermaus'. Frühnhd. Rückbildung zum älteren Ztw. ist F l i t t e r m., das im 16. J h . als 'kleine, blinkende Blechmünze' erscheint, wie sie auch Bestandteil von Frauentrachten wird. Früh bei B. Trochus 1517 Prompt. L 4 a : flammulelflittern. Flitterwochen Plur. (kaum vor Sachs 1539 Fabeln 55, 19) schließt sich an frühnhd. flittern 'liebkosen'. Als diese Bed. verklungen war, suchten die Erklärer andere Wege, so Frisch 1741 Wb. 1, 278 „von den Hauben und Bändlein mit Füttern geziert . . . welche die jungen Weiber noch eine Zeitlang nach der Hochzeit trugen" — was schon sachlich nicht zutrifft. Gleichbed. frühnhd. kusswoche, küssmonat, österr. käßwoche, bair. kuderwoche (zu kudern 'kichern'), Schweiz, trüllerwoehe (zu trüteln 'Hebkosen'), nordd. zärtelwoche, westfäl. stütenweken ( S t u t e n w o c h e n Fritz Reuter 1866 Dörchläuchting 6), nnl. mttebroodsweken, schwed. smekmänad und (selten) honungsvecka, engl. honeymoon, vielleicht umgedeutet aus anord. hjünötlsmänapr 'Hochzeitsnachtmonat', doch
Floh
vgl. frz. lune de rniel, ital. luna di miele: Nysvenska Studier 18 (1938) 107. flitzen schw. Ztw. Zum Verbalstamm von f l i e g e n (s. d.) gehört mit germ. Bildungssilbe *-ikön ein F. afränk. *fliugika 'Fliegendes; Pfeil', gesichert durch das daraus entlehnte frz. fleche, greifbar in mnl. vlieke, mnd. flieke, flehe 'Pfeil'. Im 16. J h . kehrt das frz. Wort heim und ergibt nl. flits, nnd. frühnhd. fli(t)sche, flits(e): Hnr. v. Stade 1579 Moskauer Staat 21. Weil das einfache Wort nicht überall verstanden wurde, verdeutlichte man es zu F l i t s c h e n - , F l i t z ( e ) p f e i l (Seb. Franck 1531 Chron. 246»), das zu Beginn des 19. J h . ausstarb. Zäher ist F l i t z bogen (Hnr. v. Eppendorff 1540 Türk. Kaiser Ankunft 14), das sich als Wort norddt. Jungensprache noch hält. Zu F l i t z e f. gehört f l i t z e n 'mit Pfeilen schießen' (Hnr. v. Stade 1555 Reisen 172 Klüpfel), das mit dem Wandel der Schußwaffen in seinem alten Sinn aus der Schriftsprache geschwunden ist, in der Volkssprache aber bleibt u. als 'sich pfeilschnell bewegen' aus dem Berlin, u. Schles. des 19. J h . wieder in die Schriftsprache gelangt, zuerst durch K. v. Holtei 1824 Theater 2, 141. Das im DWb. 1862 noch nicht gebuchte Ztw. kann seit Ende des 19. J h . für eingebürgert gelten, auch in Zus.-Setz. wie an-, davon-, hin-, vorbei-, vorüber-, zurückflitzen. Flocke /. Mhd. vlock st. M., vlocke schw. M. 'Flocke (vom Schnee, von den Blüten der Bäume und den Funken des Feuers), Flaum, Flockwolle', ahd. floccho, flocko, mnd. mnl. vlocke, nnl. viok, engl, flock, dän. flok(ke), schwed. flock{a) führen auf vorgerm. *plukn6n-, Die verschiedenen Verwendungsweisen vereinigen auch die Urverwandten, z. B. lett. plauki 'Schneeflocken' und plaukas 'Fasern, Abgang von Wolle und Flachs'. Damit wird die Annahme entbehrlich, F l o c k e 'Wollbüschel' sei dem gleichbed. lat. floccus entlehnt (dessen germ. Verwandte s. u. Plane). Wenn dagegen obd. F l o c k e n m. 'Mönchsgewand' bedeutet, so beruht das darauf, daß die Wollkutte der Benediktiner mlat. floccus hieß. Floh m., landschaftl. auch f. 'Pulex irritans L.', mhd. vlö(ch), ahd. flöh, mnd. mnl. vlö, nnl. vlo, ags. fleah, engl, flea, anord. flö: gemeingerm. Bildung zu f l i e h e n (s. d.), somit 'der Aufspringende, Entkommende', wie schon J . Fischart 1573 Flöhhaz 1183 richtig sieht: „Vom Fliehen will ich Floh dich nennen". Verwandtschaft mit lat. pülex ist nur über die Annahme, daß Laute wegen eines Tabu, also eines Sprachzaubers (Specht, Deklination 42) umgestellt und ausgewechselt worden seien, vorstellbar: aus *blus-, *bsul-, *pusl. Gr. psyllos, psijlla, aslav. blücha und lit. blusä 'Floh', aind. plüsi. Die
Flom
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208
nnord. Sprachen haben anord. flö aufgegeben: die Neubildung norw. mundartl. schwed. loppa, dän. loppe 'Floh' wird als 'kleiner Klumpen' gedeutet. — Dekliniert wurde mhd. vlöeh Sing., vlcehe Plur. Hier, im Inlaut, vor unbet. Vokal, ist h lautgesetzl. verstummt, aber in der Schreibung beibehalten (wie in n a h e , R e h e , zähe). Das bestimmte nachmals die Aussprache auch des Sing, (wie in n a h , R e h , zäh). Flom, F l a u m m., meist Mz. F l o m e n , mnd. vlöme f . 'das rohe Bauch- und Nierenfett der Schweine, Gänse, Fische', heute wesentlich ein Wort der norddt. Umgangssprache und Mundarten. Von Kurhessen bis zur Schweiz entspricht Flame(n), Fläme(n) f . m., das auch als 'Rahm auf der Milch, Fett auf der Suppe, Schimmel, dünner Belag' erscheint und auf mhd. vlmme f . 'Fetthaut' beruht. Es ist urspr. das oben schwimmende Fett; insofern setzen die ablautenden Formen ahd. flourn 'Fett, Sahne; Spülicht' fort (zu ahd. fbuwen, flewen 'spülen, waschen'), dem anord. flaumr, norw. flaum, ostnorw. flöm 'Strömung', dän. flom 'Sumpf', jüt. auch 'Schaum' und weiterhin gr. plyma 'Spülicht' entsprechen. Stammbildung wie in Blume; wie neben diesem B l ü t e , so F l u t neben unsern Wörtern: P. Kretschmer, Wortgeogr. 328; E. Damköhler 1927 Wiss. Beih. z. Zs. d. Sprachv. 6,185 ff.; E. Christmann 1930 Zs. f. dt. Philol. 55, 230ff. Flor m. 'feines Gewebe', im 16. Jh. entlehnt aus gleichbed. nl. floers; dies über afrz. velous aus lat. villösus 'haarig'. Einschub eines r auch in frz. velours 'Samt'. Auch unser F l o r kann 'Haare am Samt' bedeuten: Zs. f. d. Wortf. 14, 149. Florett n. Der Stoßdegen heißt nach dem knospenähnlichen Knopf (lat. flös) an seiner Spitze frz. fleuret. Danach bei Krämer 1678 F l ö r e t ; seit Trichter 1742 Ritterlex. 804 latinisiert z u F l o r e t t : H. Schulz 1913 Fremdwb. 1,220. Florin m. Der Gulden (s. d.) wird fl. abgekürzt wegen seines mhd. Namens jlörin. So heißt die zuerst in Florenz geprägte Goldmünze nach mlat. flörinus (zu lat. flös 'Blume'), weil sie die Lilie des Stadtwappens zeigte. Floskel /. L a t . flosculus
m., Verkl. zu flös
'Blume', erscheint in deutschen Texten seit 1689 neben gleichbed. B l ü m l e i n , W o r t b l u m e n . Die eingedeutschte Form, seit Schubart 1774, folgt (auch im Geschlecht) der älteren F o r m e l : H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 220. Flosse f . ahd. flo^a zu f l i e ß e n in seiner Bed. 'schwimmen'. Neben mhd. vlo^e tritt gleichbed. vlo^vedere, dazu frühnhd. fischfeder. Entspr. stand asächs. f'ethara 'Flosse'; auch gr. pteryx und lat. pinna vereinen die Bed. 'Flosse' und 'Feder*.
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Flottille
Floß n. ahd. mhd. vlö% m. n. auch in den Bed. 'Strömung, Flut, Fluß', zu f l i e ß e n . Ebenso nnl. vlot 'Floß' neben mnd. vlot, dän. flede 'Sahne', schwed. flott 'Schmalz', ags. fleot, flota 'Schiff' neben flyte ' R a h m , flos ¡actis'. Vgl. asächs. thurhflötian und vlotön.
flößen, f l ö z e n , schw. Ztw. Zum st. Ztw. m h d . vlieqen, vlöj gehört als F a k t i t i v
vlcetzen.
vlceqen 'fließen machen, hinabschwemmen'. Die Doppelheit der Formen (wie bei mhd. heitzen, reitzen
neben heilen,
reiben)
b e r u h t auf
der
germ. Flexion *flautju, *flautiz: tj wurde über tt zu hd. tz, einfaches t zu 5. Flöte f . Auf prov. fläut 'Flöte' beruhen afrz. flaute, fleute, die über mnl. flute, fleute, floite (nnl. fluit) m h d . vloite, flöute, f r ü h n h d . F l e u t e
geliefert haben. Das Fremdwort ist im Nib.Lied (österr. um 1200) schon vorhanden. Der Vokal von nhd. F l ö t e (seit Virdung 1511) beruht auf Lautsubstitution. Das ostmd. nd. F l a d us e 'Schmeichelei' bezeichnet urspr. die Flötengattung fleute douee und ist unter Einfluß von frz. flatter umgebildet. flötengehen dt. Ztw., aus hebr. pSletä ' E n t -
rinnen' über Portugal, Niederlande in Hamburg: S. A. Wolf Wb. d. Rotw. 1498; vgl. pleite. Dat Geld ist fleuten gähn Richey 1755 H a m b . Id.
63; gebucht seit Adelung 1774, literar. durch Hermes 1778 Sophiens Reise 1, 672. Waither, Nd. Korr.-Bl. 1908, 41; Lokotsch Etym. Wb. 1643. flott Adj. Zu f l i e ß e n (asächs. fliotan) gehört nd. nl. vlot 'schwimmend', das als Schiffswort in der Formel flott werden seit Olearius 1647 Reise 208 ins Hd. gelangt. Auch die verhochdeutschte Gestalt f l o ß wird gelegentlich gewagt. Die naheliegende Übertragung „flott leben" stammt aus der Stud.-Sprache und gelangt von da um 1750 in die Schriftsprache: Kluge 1911 Seemannsspr. 271. Flotte /. ein Nordseewort: ags. (8. J h . ) flota, mnl. vlöte, vloot, m n d . (nicht vor 1368) vlöte,
anord. floti, dän. flaade: sämtlich in Ablaut zu f l i e ß e n . Aus dem Germ, stammen frz. flotte, ital. flotta, die nachmals auf das heimische Wort zurückgewirkt haben, so daß frühnhd. seit Ende des 16. Jh. flotta gilt, als Fremdwort 1617 im Teutschen Michel 29 verhöhnt. Hd. ist S c h i f f u n g , S c h i f f s z e u g , Modewort um 1600 ( S c h i f f - ) A r m a d a . Engl. navy beruht auf afrz. navie 'Flotte': Kluge 1911 Seemannspr. 271 ff.; Kurrelmeyer, Mod. lang, notes 34, 263. 36, 485 f. Flottille f . Zu den aus F l o t t e stammenden roman. Lehnwörtern gesellt sich span. flota. Dessen Demin. flotilla wird als Name der kleinen span.-amer. Silberflotte bei Hübner 1717 und Frisch 1741 gebucht. Nach Zedier 1736 seit Anfang des 18. Jh. auf kleine Ostseeflotten
Flöz
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ausgedehnt, recht eingebürgert doch erst im 19. J h . : Kluge 1911 Seemannspr. 274. Flöz n. 'waagrechte Schicht Gestein, Erz oder Kohle, mit Lippenrundung von e zu ö nach / und l (vgl. Löffel) aus f r ü h n h d . fletz. Die bergmännische Verwendung beginnt im Erzu n d Riesengebirge im 16. J h . : H. Veith 1871 Bergwb. 188f.; E . Göpfert 1902 Bergmannsspr. 26f. Voraus liegt mhd. vletze, vlez 'geebneter Boden, Tenne, Hausflur, Stubenboden, Lagers t a t t ' , ahd. flezzi, älter flazzi 'Tenne, Hausboden', asächs. flçt, Gen. flettis, nnl. engl, anord. fiel, afries. ags. flçtl ' F l u r , Boden; Halle, Wohn u n g ' : Substantivbildung zum A d j . /iaç, asächs. flat, anord. flatr 'flach, eben', das in andrer Substantivierung a h d . flazza ' H a n d f l ä c h e ' ergeben h a t . Außergerm, kommen a m nächsten lett. -plade 'Mutterkuchen', pladina 'flaches Boot', plandlt 'breit m a c h e n ' : zur idg. Wurzel *plad- 'breit und flach; ausbreiten'. Größeres Gefolge h a t gleichbed. idg. *plät-, s. u. F l a d e n . Zum F l e t t des germ. Hauses H j . Falk 1913 Reallex. d. germ. Alt.-Kde. 2, 66. fluchen Ztw. Mhd. vivachen schw. Ztw., ahd. fluohhan, -ön ( P a r t , jarfluahhan 'verworfen'), asächs. flökan ( P a r t , farflökan 'verflucht'), m n d . vlöken, nl. vloeken, afries. flöka ( P a r t , ürflökin 'verwünscht'), ags. flöean und got. flökan ( P r ä t . faiflök) vereinigen sich auf ein gemeingerm. redupl. Ztw. *flökan. Wie die urverwandten lat. plangere '(die Hand auf die Brust) schlagen', gr. piège 'Schlag', plëgnynai 'schlagen'. Sie wird von got. flökan vorausgesetzt, das f ü r gr. koptesthai 'sich t r a u e r n d an die Brust schlagen' steht. F ü r das Urnord. ist die sinnliche Bed. gesichert durch anord. flökinn 'verwirrt', flöki '(gestampfter) Filz', norw. floke 'wirre Masse'. Ags. flöced hyre folmum deutet Max Förster 1921 Texte u. Forsch, z. engl. Kulturgesch. 165 'sie schlägt mit ihren H ä n d e n die Verwünschungsgeste'. Mit dem Blick auf die bei mittelmeerischen Idg. noch übliche Verwünschungsgebärde gewinnt m a n den Übergang von 'schlagen' zu 'maledicere'. Geschickt haben Mönche in F u l d a u. a. mit dem gemeingerm. Ztw. den kirchlichen Begriff 'fluchen' in allen Fällen seines Vorkommens zu decken verstanden. — Postverbal ist F l u c h m., m h d . vluoch, ahd. fluoh, mnd. vlök, nl. vloek. Flucht 1 /. Ahd. fluh-t ist ¿¿-Abstrakt zu fliohan (wie fart, zuht, traht zu faran, ziohan, tragan). Die Bildung ist westgerm.: asächs. fluht, anl. flucht, afries. flecht, ags. flyht, engl. flight, dagegen anord. flötte, got. piaühs m. Flucht 2 /. 'zus.-fliegende Schar Vögel', in Zus.-Setz. wie B a u f l u c h t , F l u c h t l i n i e auch ' R i c h t u n g , Gerade', gelangt im 17. J h . ins Nhd. aus älterem nd. flugt. Dieses ist (mit m n d . nnl. vlucht, engl, flight 'Flug') ¿¿-Abstrakt zu f l i e g e n . K l u g e , Etymologisches Wörterbuch. 18. Aufl.
Fluh
Fing m. m h d . vluc (PI. vlüge), ahd. fing, asächs. flugi, ags. flyge, anord. flugr: gemeingerm. Verbalabstr. zu f l i e g e n . — f l u g s , nnL fluks, ist der zum Adv. erstarrte Gen. zu F l u g , mhd. fluges 'schnell'. Kürze h a t sich vor Doppelkons. erhalten wie in h ü b s c h neben H o f , g e r b e n neben g a r , die verkürzte Gen.-Form wie in a b e r m a l s , k e i n e s w e g s , t a g s z u v o r . Flugblatt ra. dem frz. feuille volante von Schubart 1787 nachgebildet, der d a f ü r von Pfarrer K e r n 1789 Sendschreiben an Herrn Schubart (Zs. f. d. Wortf. 11, 108) getadelt wird. Von Campe 1808 aufgenommen. D a n . flyveblad s t a m m t aus dem N h d . Flügel m. m h d . vlügel, m n d . vlSgel, mnl. vlfighel, spätanord. flygill, ags. norw. flygel: jüngere Bildung zu f l i e g e n (wie G r i f f e l , Schlägel, Schlüssel, Wirbel, Würfel, Z ü g e l zu g r e i f e n , s c h l a g e n , s c h l i e ß e n , w e r b e n , w e r f e n , z i e h e n ) . Auffallend genug fehlt ein gemeingerm. Synonym, s. F a r n , F e d e r , F i t t i c h . In den Bed. 'Seite, Flanke eines Gebäudes, einer Mühle, eines Heeres, der Nase' h a t lat. äla, teilweise auch frz. aile eingewirkt. F l ü g e l , dän. schwed. flygel, heißt eine Art Klavier wegen der Gestalt; so zuerst als m n d . viughel ' H a r f e ' in Wismar 1343; in nhd. Text k a u m vor Hermes 1778 Sophiens Reise 3, 144. flügge A d j . Zum S t a m m von f l i e g e n ist westgerm. *fluggj- gebildet, das ags. flycge, engL fledge, mnl. vlugghe, m n d . vlügge, nnl. vlug 'gewandt, schnell' ergeben h a t . Mit regelrecht zu ck verschobenem gg entspricht a h d . flucki, m h d . vlücke, das in obd. Ma. als fluck f o r t l e b t ; so noch bei Rückert. Das Schriftwort f l ü g g e ist in Luthers Tagen aus nd. flügge entlehnt u n d h a t von da gg behalten (wie b a g g e r n , D o g g e , F l a g g e , s c h m u g g e l n ) . Grundbed. ist 'imstande zu fliegen'. So stehen ahd. lucki, m h d . lücke, asächs. luggi, n o r d h u m b r . lycce 'lügnerisch' neben l ü g e n . flugs s. F l u g . Flugschrift f . f ü r frz. feuille volante von Schubart 1788 gebildet, ihm verübelt wie F l u g b l a t t (s. d.), von Campe 1794 Reinigung 3, 247 empfohlen, von Goethe I 26, 204 aufgenommen. D a m i t sind B r o s c h ü r e , P a m p h l e t , P a s q u i l l zurückgedrängt. Fluh f . 'Fels'. Mhd. vluo, ahd. fluoh 'Felsw a n d ) ' , ags. flöh f . 'Stück, Fliese', flöh stänes 'Felsstück', anord. flö n. 'Schicht', Mz. fleer, flär 'Absatz an einer Felswand' (germ. *flah-iz), schwed. m u n d a r t l . und norw. flo 'Schicht, Lage'. Das alte W o r t h a t sich in Schweiz. Mundarten erhalten u n d ist von d a in Schillers Teil 4, 1 gelangt. Aus 'Bergabsturz' ist 'Vorderteil des Schiffs' geworden in oberrhein. F l u h e bei 14
Flunder
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210
J . Geiler v. Kaisersberg: F . Kluge 1911 Seemannsspr. 276. Daneben steht mit Ablaut und gramm. Wechsel mhd. vlage, anord. flaga 'dünne Erdschicht', norw. flag 'offne See'. Außergerm, entsprechen lit. plokas 'Estrich', lett. plakt 'flach werden', plaka 'Kuhfladen', plakans 'flach', pinoci 'Lage, Schicht', gr. plax 'Fläche', Mz. plákes 'Hochebenen', plakóeis 'flach', lat. placidus 'eben, glatt, ruhig', piacére 'gefallen', placare 'ebnen, beruhigen', toch. pläkäm 'Zustimmung'. S. N a g e l f l u h und f l a c h . Flunder f. m. Neben der idg. Wz. *plat 'flach sein' in F l a d e n usw. steht eine nasalierte Form *plant, z. B. in lat. planta 'Fußsohle'. Beide haben andere Stufen des Ablauts neben sich. So stehen als Namen des flachen Fischs, den die Germanen in Ost- und Nordsee fingen, mhd. vluoder, spätmhd. nd. flander, mnd. vlundere, neunorw. fiandra. Weisen die letzten Formen auf germ. *flunprön, so auf *flunpriön ostp euß. flinder, norw. flynder, dän. flyndre. F l u n d e r wird von Gesner 1556 De piscibus 119 als engl. Name verzeichnet; dahin ist flounder aus dem Nord, gelangt. Zur Bedeutungsgeschichte stimmt die wissenschaftliche Bezeichung „Plattfische" als Oberbegriff. flunkern Ztw. Zu f l i n k in seiner Bed. 'schimmernd' gehört frühnhd. flinken 'glänzen'. Damit nächstverwandt ist f l u n k e r n 'flimmern'. Über 'Schein erregen' hat sich die zunächst nd. Bed. 'gloriose mentiri' entwickelt, früh im Brem. Wb. 1 (1767) 430, doch auch in nnl. flonkeren. Flunsch s. f l e n n e n . Flur m. f. Mhd. vluor '(Feld-)Flur, Saatfeld; Samen, Saat; Boden(fläche)', mnd. vlör, mnl. nnl. vloer, ags. flör m. f. 'Flur, Fußboden; Pflaster, Grund, Boden', engl, floor 'Flur', anord. flörr, norw. flor 'Diele des Viehstalls zwischen den Standreihen der Kühe; Viehstall' führen auf germ. *flörus, *flöra, aus *pläros, *plära. Außergerm, entsprechen air. lär, kymr. llawr m. f., bret. leur f. 'Boden'. Zur gleichen Wurzel idg. *peh-, pía-'breit flach; ausbreiten' auf -n gebildet sind apreuß. plönis, lett. pläns 'Tenne', lit. pionas 'dünn', lat. planus 'flach', gr. pélanos 'Kuchen'. — Die Gebietsteilung, daß F l u r m. 'area', f. 'ager, seges' bedeutet, ist erst nhd. Zur Geschichte des Begriffs F l u r n a m e s. Mitzka in Festschr. f. E.Fehrle 1940,66. Über die Verbreitung von F l u r 'Hausgang' in hd. Umgangssprache s. P. Kretschmer 1918 Wortgeogr. 203 f. fluschen s. f l u t s c h e n . Fluß m. mhd. ahd. vlu% (55) asächs. fluii (dies noch als Grundwort in Ortsnamen wie W i n k e l s f l ü e t e bei Harsewinkel im westfäl. Kreis Warendorf): eine bloß deutsche Bildung zu f l i e ß e n (s.d.), auf germ. *fluti- weisend.
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Fohlen
Alte Ausdrücke für 'fließendes Wasser' sind - a ( c h ) , Au, F l e e t , S t r o m . Unserm Adj. f l ü s s i g entsprechen nur mhd. vlü^ec und ahd. flufäig. — F l u ß als Name rheumatischer Leiden beruht auf gr. £cO(icc, w e i ß e r F l u ß übersetzt lat. fluor albus. flüstern schw. Ztw., frühnhd. und bis ins 19. J h . f l i s t e r n , nd. f l ü s t e r n , flüstern nnl. fluisteren. Hat mit den ahd. Glossen fovitl flist(i)rit (Steinmeyer-Sievers 1, 224, 25) nichts zu tun, sondern ist eine Bildung des 16. J h . (zuerst: sililarelflisleren myd der tunghen Diefenbach, Gloss. lal.-germ. 632 a ), die aus nd. Ma. ins Nhd. dringt, als Lautmalerei schon von Frisch 1741 erkannt. Bodenständig ist f l ü s t e r n im Nordsaum des Rheinlands, in Ostfriesland, Bremen, Holstein u. Pommern, von da setzt sich spät auch ü gegen älteres i durch (Lippenrundung nach /, ¡vgl. Flöz). Hd. Ma. verfügen über eine Fülle sinnverwandter Ausdrücke. Flut /., einst auch m. Mhd. ahd. fluot, md., vlüt, asächs. afries. ags. flöd, anfr. fluod, mnl. vloet (d), nnl. vloed, engl, flood, anord. flöd, schwed. dän. flod, got. flödus führen auf germ. *flödus, vorgerm. *plöiü-s: auf idg. -tu- (F. Kluge 1926 Stammbildungsl. § 133) gebildet zur idg. Wurzel *plö- in gr. plöein 'schiffen', plotös 'schwimmend'. Vgl. ags. flöwan, anord. flöa 'überfließen'; im übrigen s. f l i e ß e n und F l u ß . — F l u t , mnd. flöt als Gegen wort zu E b b e ist seit dem 15. J h . bezeugt: F . Kluge 1911 Seemannsspr. 276. flutschen schw. Ztw., mit langem u, 'schnell, auch flüchtig arbeiten, gut vorankommen, -gehen'. Jüngere lautmalende Bildung, nd. und ostmd. Dazu assimiliert fluschen in jener positiven Bedeutung, berühmt durch den Ruf der pomm. Landwehr, die in der Schlacht von Großbeeren am 23. August 1813 die im Regen unbrauchbaren Flinten umkehrte und mit den Kolben arbeitete: Dal fluscht bäter. Literar. durch Chamisso 1839 Werke 6, 139. Focksegel n. 'Segel am Vormast', erst nhd. und nicht seemännisch. Dort vielmehr seit etwa 1500 nd. nl. dän. schwed. fok, fock(e). So urspr. (seit Comenius 1638 Sprachentür § 463) ins Hd. entlehnt: Kluge 1911 Seemannsspr. 278. Während das Segel hinten im Boot T r e i b e r heißt (das. 793), ist F. 'Zieher': zu älter nd. focken ' Segel hissen', nnl. fokken 'aufziehen'. Nach der Dreieckgestalt des Segels heißt fries. fok 'dreieckiges Stück Land', norw. fokka 'keilförmiges Stück Erde'. Schon isl. ist Fokka als Ortsname bezeugt. Fohe /. 'Füchsin' s. F u c h s . Fohlen n. Ahd. asächs. folo, ags. fola, anord. foli, got. fula führen auf eine gemein-germ. Bezeichnung des Jungen von Pferd und Esel, die
Föhn
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211
aus vorgerm. *pulon- entstanden ist und in Ablaut zu alban. pel'e 'Stute', gr. pölos 'junges Pferd, Junges' (s. f o l t e r n ) , lat. pullus 'junges Tier' steht; Wz. *pö(u)l-: *paul-\ *pul-. Hierzu frz. poulain 'Füllen'. F o h l e n ist hess. und nd. allein üblich, während hd. F ü l l e n (s. d.) dort fehlt. Zu den Fem.-Bildungen anord. fylja, ahd. fulihha, mhd. fülhe 'weibl. Füllen' s. Kluge 1926 Stammbild. § 38. 45. Föhn m. 'heiß zu Tal stürzender Südwind', ahd. phönno, mhd. fcenne 'Regen-, Tau-, Wirbelwind'. Ein Wort zunächst des Hoch- und Mittelalem., danach auch des Oberschwäb., Südbair. und Tirol., spät erst des Nhd. Lat. (ventus) favönius 'lauer Westwind', urspr. 'der wärmende' (zu fovere 'warm machen') ergibt vulgärlat. faönius, das früh zu den Germanen gelangt: über *faünjo, *fdunjo sind die ahd. und späteren Formen entwickelt. Churw. favougn, favoign, fagugn, fuogn, tessin. fogn, schweiz.-frz. foe, foen haben nicht vermittelt. Urspr. M., ist F ö h n seit dem 14. J h . in Teilen der Schweiz F. geworden, offenbar nach dem Vorbild von B i s e (s. d.). Damals konnte der Artikel d' mit dem anlautenden / verschmelzen: daher der Anlaut pf- in Mundarten der Schweiz und Oberschwabens. In der Schriftsprache hat sich das M. (das Schiller 1804 Teil 1, 1. 3 bei J . J . Scheuchzer 1706 Beschr. d. Nat.-Gesch. des Schweizerl. 1, 182. 2, 87 vorfand) nach Vorbildern wie S t u r m und W i n d behauptet: H. Wehrle 1907 Zs. f. dt. Wortf. 9, 166 f. Föhrdo f. zu F j o r d m. 'schmaler Meeresarm', jung entlehnt aus gleichbed. dän. norw. schwed. jjord, die auf anord. fjerdr, urnord. *ferßu-, aus *pertu- beruhen; dies mit Endung -tu zum Verbalstamm *per- 'übersetzen', s. f a h r e n und Furt. Der Sinn liegt also in der Eignung zu bequemer Schiffsüberfahrt über solche Gewässer. Ein ablautendes gall. *ritum 'Furt' im gall.-lat. Ortsnamen Augustoritum. Auch engl, firth, früh 'Seebucht' beruhen auf Entlehnungen aus dem Nordischen. Föhre f. 'Pinns silvestris, gemeine Rotkiefer'. Mhd. vorhe, ahd. for(a)ha, asächs. furie, ags. furh, anord. schwed. fura, norw. furu, dän. fyr (hieraus entlehnt engl, fir) führen auf germ. *forhu-, Die urspr. Bed. ist 'Eiche', der Sinn hat sich gewandelt, s. B u c h e . Die ablautenden ahd. fereheih, langob. fereha bedeuten 'Speiseeiche'. Idg. *perkit(o) liegt vor in aind. parkatl'heiliger Feigenbaum' und (mit offenbar älterer ßed.) ind. pargäi 'Steineiche' sowie in lat. quercus (aus *ptikus) 'Eiche'. Eine Bed.-Entwicklung von 'Eiche* über '(Eich-)Wald' zu ' ( W a l d g e birge' voraussetzend, schließen sich an kelt. 'ApKuvia öpr), Hercynia silva, Orcynia 'das deutsche Mittelgebirge'. Vor dem im Kelt. laut-
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Folter
gesetzlichen Schwund des p-, also sehr früh, entlehnt ist lat.-germ. Fergunna, Firgunnea, ahd. Virgunnia, -undia als Name md. Gebirgszüge. Aus dem Namen in appellativen Gebrauch überführt sind got. fairguni 'Gebirge' und ags. fiergen- 'Bergwald'. Föhre ist mit B i r k e , B u c h e und F i c h t e unter unsern Baumnamen einer der wenigen, die über das Germ, hinausgreifen. Nächstverwandt sind F o r s t und K i e fer. Die Götternamen anord. Fiergynn, lit. Perkünas, gr. Zeùç q>Tiyovaïos bleiben fern. Vgl. W. Horn 1929 Behrens-Festschr. 110. folgen schw. Ztw., mhd. mnd. nnl. volgen, ahd. folgen, asächs. folgon, mnl. volghen, afries. jolgia, fulgia, ags. folgian, fylgan, engl, follow, anord. isl. norw. fylgja, schwed. följa, dän. feige. Die got. Entsprechung entgeht uns, weil Wulfila laistjan (s. l e i s t e n ) vorzieht. Um die Deutung haben sich schon die Alten bemüht, ihre Bildungen (ags. fui èode 'er folgte', ags. asächs. fulgangan, ahd. fola gän 'folgen') sind sämtlich irreführend. Vielmehr ist germ. *folg- urverwandt mit kymr. ol '(Fuß-)Spur', ar ol 'nach, hinter', olafiad 'Nachfolger', korn. ol 'Fußspur' und abret. ol, Mz. olg-ou "Aufspürung, Untersuchung', die auf *polgh- zurückführen, das auch dem germ. Ztw. vorausliegt. — F o l g e f. ist postverbal; ahd. allein in Notkers Zus.Setzung selbfolga 'Partei'. Das Adj. f o l g l i c h , zuerst bei Stieler 1691, hat Gottsched durchgesetzt. folgenschwer Adj. für frz. gros de conséquences bei Schubart um 1780: Zs. f. d. Wortf. 11, 108. folgerecht, -richtig Adj. treten seit Knigge 1788 als Ersatz für k o n s e q u e n t auf. Danach f o l g e w i d r i g für i n k o n s e q u e n t Campe 1813 Wb. z. Verd. 370, von Goethe aufgenommen: Zs. f. d. Wortf. 4 , 1 2 8 . 6, 216. Folgezeit f. 'posterior aetas', bekannt durch Gg. Neumark (f 1681) 'Wer nur den lieben Gott läßt walten' Str. 6 „Die Folgezeit verändert viel Und setzet jeglichem sein Ziel". Gern bei Hagedorn, Denis, Niebuhr; durchgesetzt von den Klassikern. Foliant m. 'Buch in ungefalteten Bogen' (s. Duodez), zu älterem F o l i o um 1650 gebildet: H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 221. Folter f. zuerst in Isny 1406 Oberschwäb. Stadtrechte 1, 207 „ain schädlichen Man mit Föltrit im Turn gichtigen", das Ztw. (nnl. seit 1599 folteren) schon 1396 Quellen z. Gesch. d. Stadt Köln 6, 436 „gevangen, bitterligen gefoltert ind gepynigt". Die dem germ. Recht fremde Folter ist vom Mittelmeer zu uns gekommen. Das scharfkantige Gestell, auf das der Verdächtigte mit beschwerten Füßen gesetzt wurde, hieß nach der Ähnlichkeit mit einem Fohlen spätgr. polos. Dazu in nachklass. 14
Fontäne
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Latein poledrus, das mit Hilfe des gleichbed. ciceronianischen eculeus 'Pferdchen' durchsichtig blieb u. bei der Übernahme in der Richtung auf F o h l e n umgestaltet werden konnte. Fem. ist F o l t e r Ende des 15. J h . nach dem Vorbild des älteren M a r t e r geworden. Folter, foltern mit Folterer, folterisch u. zahlreichen Zus.-Setzungen finden sich jahrhundertelang nur in Rechts- und Geschichtsquellen; wahrer Volkssprache ist die Sippe stets fremd geblieben. Fontäne /. Zu lat. fons, fontis 'Quelle' gehört spätlat. fontäna, das über afrz. fontaine 'Quelle' kurz nach 1200 mhd. fonläne, funtäne, über mnl. fontaine mnd. fonteine ergibt. Die nl. Gartenkunst liefert fontein 'Springbrunnen' 1604 Volksb. v. d. Heymonsk. 177; fontin v. d. Groen 1669 Nl. Gärtner C 2. Aus Entlehnung aus frz. fontaine begegnet F o n t a i n e in hd. Zeitungen seit 1603: H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 222. foppen Ztw. Das Augsburger Achtbuch von 1343 b r a n d m a r k t fopperin, die nement sich unsinne an vnd warsagens (Kluge 1901 Rotw. 1, 2). Entspr. vopper Basl. Betrügn. um 1450 (das. 13 f.), vopper(in) Liber vagat. 1510 (46), hier auch voppen 'lügen', das zuerst bei Brant 1494 Narr. 63, 42 begegnet und von der Schweiz aus seit H. R. Manuel 1548 Weinsp. 219 schriftsprachlich wird: H. Schulz 1908 Zs. f. d. Wortf. 10, 242. NnL foppen ist aus dem Hd. entlehnt. Da -pp- in einem heimischen Worte des obd. Bodens, auf dem f o p p e n jahrhundertelang allein auftritt, unmöglich ist und einleuchtende Vorbilder im Hebr. wie in andern Fremdsprachen fehlen, ist f o p p e n wohl als Wort für den Gebrauch der Gauner künstlich zurechtgemacht, vielleicht nach Vorbildern, die uns entgehen. S. A. Wolf 1956 Wb. d. Rotw. 1512. fordern schw. Ztw., mhd. vo(r)dern, ahd. fordarön, mnd. vorderen. Nnl. vorderen, dän. fordre, schwed. fordra und slav. fodrowac beruhen auf Entlehnung aus dem Deutschen. Das Ztw. ist in ahd. Zeit zu v o r d e r (s. d.) gebildet und bedeutet ursprünglich 'verlangen, daß etwas (jemand) hervorkommt'. Vergleichbare Bildungen sind außer f ö r d e r n (s. d.) ä n d e r n , a n - , e r w i d e r n , ä u ß e r n , h i n d e r n . Die Form f o d ( d ) e r n geht im 14. J h . vom Ostmd. aus und überwiegt schriftsprachlich noch im 18. Jh., zumal im Reim; mundartlich gilt sie weithin bis heute. Vor dem zweiten r ist das erste, das vor d stand, geschwunden wie in K ö d e r . Wie F o r d e r u n g f., mhd. vo(r)derunge, ahd. fordrunga 'praerogativa' (Steinmeyer-Sievers 2, 551, 50) h a t f o r d e r n sein Glück als Rechts wort durch den Sachsenspiegel gemacht. fördern Ztw. ahd. furdiren, mhd. vürdern, mnl. vorderen, ags. fyrdran, (ge)fordian, engl, afford: westgerm. Bildung *furpirjan zum Adv. ahd.
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Form
furdir, mhd. vürder 'vorwärts' (s. f ü r d e r ) , demgemäß die Bed. 'vorwärts bringen, kommen', die zweite noch im 18. J h . gut entfaltet (Zs. f. d. Wortf. 10, 116). Bergm. f ö r d e r n eig. 'aus dem Schacht fortschaffen' seit Mathesius 1562 Sar. 196; dann bed. es 'fortbewegen' schlechthin: vom Erz wie von den Bergleuten gesprochen; H. Wolf 1958 Bergmspr. 196. r-Ausfall wie in f o r d e r n . Forelle f . Salmo fario L. Mhd. forhe(n), forhel, ahd. forhana weisen auf westgerm. *forhna, bestätigt durch asächs. furnia, mnd. vorne, mnl. voorne, ags. forn(e) 'Forelle'; daneben mit Ablaut schwed. färna (aus *ferhna) 'Weißfisch'. Vorgerm. *prknä, dem gr. perlce, lat. perea 'Barsch', poreus 'Stachelflosser', neuir. earc 'Lachs' (neben earc 'rot, gesprenkelt') am nächsten stehen, wird zu aind. pt$ni-, gr. pcrk(n)os ' b u n t ' (s. F a r b e ) gezogen: die Forelle heißt nach ihren roten Tupfen (wie russ. pestruika 'Forelle' nach pestryj 'bunt'). Unsre Schriftform h a t Adelung durchgesetzt. Den Ton auf der schweren Mittelsilbe bezeugt zuerst E. Alberus 1550 Fab. 25, 74. Die nhd. Form beruht auf der mhd. Nebenform forhel (Suffixwechsel wie in O r g e l ) . Thür, forelle, rheinfr. fvrälle wahren den alten Ton. Infolge d. Ton Versetzung entstehen eis. lux. hess. sauerl. frell(e). Ohne l bleiben bair.-österr. förchen, fehrne, älter schwäb. forhen, Schweiz. for(n)e. Auf Entlehnung aus dem Nhd. beruhen dän. forelle, schwed. forell, norw. forel. Forke /. Eiserne Heu- und Mistgabeln sind mit dem röm. Handel früh zu den Germanen gekommen. Ihr Name, lat. gemeinroman. furca (frz. fourche) ergibt ags. foree f., forca m. (engl. fork), mnl. vorke, mnd. forke, förke. E r lebt in rhein. funk, westfäl. ostfries. forke 'Mist-, Heugabel' bis heute. Unabhängig von dieser frühen Entlehnung des Nordwestgebiets wird im Südsaum mit der klösterl. Gartenkunst spätahd. furka aus dem Lat. übernommen. Als Schweiz, schwäb. furke lebt die jüngere Entlehnung in den Mundarten des Südwestens; im Gelände bezeichnen F u r k a , F u r g g e l e n (lat. furcula) Pässe und Talgabelungen. Zur 'Tischgabel' ist F o r k e selten geworden. Vgl. G a b e l , G a f f e l , Zwiesel. Form f . Lat. forma, dessen Deutung unsicher ist u. dessen Zus.-Hang mit gleichbed. gr.mor/ihe schwierig bleibt, ergibt um 1250 mhd. forme; so noch bei Luther 1543 (Dietz 1, 692), anderseits form 'Gestalt' schon bei Konr. v. Megenberg 1350 B. d. Natur 271. — F o r m a t n., das subst. Part, zu lat. formäre 'gestalten', erscheint seit Rivius 1558 Büchsenmeisterei 3, 1, 29, seit 1634 bei den Buchdruckern: Klenz 1900 Drukkerspr. 43. — F o r m e l /. in dieser Gestalt seit
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formgewandt
S. Rot 1671, lautet im 16. Jh. formul und bleibt damit dem lat. formula, Demin. von forma, näher. Im algebr. Sinn seit 1747: Schirmer 1912 Wortsch. d. Math. 24. formgewandt, -vollendet A d j . nach A. Gom-
berts Programm von 1908 nicht vor 1840. Formular n., nl. (seit 1599) formulaer
'Vor-
druck' nach lat. formulärium, s. F o r m e l . 1484 begegnet F o r m u l a r i als Titel eines gedruckten Briefstellers. Die endgültige Form in kaufmännischem Bereich bei Math. Schwartz, Buchhalten (Augsburg 1618) 4 b „der kan sich auß dem Muster oder Formular wohl verrichten". Die Mz. bleibt dem Lat. zunächst näher: Fab. Frangk 1531 Kanzleibüchl. 3 b „auß den selben Formularien des Brieffdichtens", heute Plur. Formulare. forsch A d j . Frz. force ' K r a f t ' (von lat. fortis
'stark') war im 16. Jh. entlehnt worden, im 17. hatte es nach der deutschen Lautregel, die rs auch in B a r s c h , b i r s c h e n , B u r s c h e usw. zu rl wandelt, F o r s c h e ergeben. Demgemäß wird die nd. Neubildung fors 'kräftig' zu forsch. Greifbar zuerst bei Bach 1812 Alberts Jugendjahre 11, älter offenbar in Studentenmund. Kluge 1895 Stud.-Spr. 91; Zs. f. d. Wortf. 4, 311. 12, 278. forschen
schw. Ztw., m h d . vorsehen,
ahd.
forskön (aus *jorhskön) 'fragen nach': eine hd. Bildung zu ahd. forska f . 'Frage'. Mnd. nnl. vorsehen sind aus dem Mhd. entlehnt, dän. forske, schwed. forska aus dem N h d . Dem ahd.
F. entspricht aind. pfeeha 'Frage, Erkundigung'. Daneben sind aind. prcchäti 'fragt', toch. prakäsmär
'fragen', lat.
poseere
(aus
*porscere)
'fordern' -sio-Präsentien (*pf£-s£ö) zur idg. Wurzel *perfe-: pfic- 'fragen, bitten' (s. f r a g e n ) : Idg. Forsch. 45,156f. 58,129. Forst m. f . Herkunft umstritten. J. Grimm: ahd. forha (s. Föhre) ist mit der Bildungssilbe germ. -istra (F. Kluge, Nom. Stammbildungsl. 1926 § 94a) *forhist 'Föhrenwald' gebildet, das im merow. Westfranken sein h verliert und seine Bedeutung über 'Nadelwald' und 'Wald' wandelt zu '(königl.) Bannwald, in dem das Holzen und Jagen verboten ist'. So zuerst 648 in e. Urkunde Sigeberts III., durch die der König den Mönchen von StabloMalmedy ein umfangreiches Gebiet schenkt „in foreste nosira nuneupata Arduenna"
(Mon.
Germ.,
Dipl. I 22). Als 'Bannwald' tritt forst m. um 800 Ahd. Glossen I 214, 316 auf, in dt. Waldnamen bald danach von der Nordsee bis Österreich. Die geschlossene Belegreihe für das mhd. Appellativ forest beginnt erst kurz vor 1200. Daneben zeigen mhd. foreht, fureht n. eine Ubergangsstufe des verstummenden afrz. s, mhd. foreis(t) beruht auf ostfrz. Formen mit parasit. i.
¡Frack
Frühe Verkürzung zu forst mag das Vorbild von hurst bewirkt haben. Neunord, forst ist aus dem Deutschen entlehnt: Suolahti 1929 Frz. Einfluß 295f.; E. Gamillscheg, Rom. Germ. 1 (1934) 155. 212f.; E. Christmann 1938 Beitr. z. Flurnamenforschg. d. Saarpfalz 11 f. Anders J. Trier 1940 Nachr. v. d. Ges. d. Wiss. zu Göttingen, phil.hist. Klasse, Fachghippe 4, Bd. 3, Nr. 4: Zu F i r s t = mnd. vorst; noch anders W. Kaspers, Wiss. Zs. d. K.-Marx-Univ. Leipzig 7, 87 : romanisch. Vgl. auch E. Lerch, Roman. Forchungen 58,183; Zs. f. rom. Phil. 1944. K.-H. Borck, Festschr. Trier 1954, 456; Schützeichel, Zs. f. d. A. 1956, 105. Fort n. Lat. fortis Adj. 'stark' liefert gleichbed. frz. fort, das im 16. Jh. als 'fester Platz' substantiviert und kurz vor dem 30jähr. Krieg ins Deutsche entlehnt wird: F o r t n. 'Feste' Henisch 1616; F o r t e n Plur. Wallhausen 1616 Kriegsmanual 78. Gleichzeitig wirken gleichbed. nnl. fort und ital. forte ein.
fort Adv. mhd. vort 'vorwärts, weiter, fortan', asächs. afries. forth, ags. forp 'weg'. Germ. S t a m m *forpa,
aus *pfto, von *pro 'vorwärts'
gebildet wie got. hap 'wohin' zum germ. Pron.Stamm *hwa, aljap 'anderswohin' zum Stamm von aljis 'anderer'. Verwandt mit v o r , v o r d e r , fördern. Fortschritt m. Lehnübersetzung von frz. progrès, nach Kinderling 1795 Reinigk. 388 nach 1750 von Mylius und Wieland eingeführt; etwa 1830 (wiederum wie frz. progrès) polit. Schlagwort: Rieh. M. Meyer 1900 Vierh. Schlagw. 91; 0. Ladendorf 1906 Schlagwb. 87f.; Zs. f. d. Wortf. 2, 66. 3, 226. 8, 6. 10, 235. 13, 99. Fourage s. F u r a g e . Foyer w. Zu lat. foeus 'Feuerstätte' ist über foeärius 'zum Herd gehörig' frz. foyer 'heizbarer Raum' gebildet, das seit Matthisson 1803 als 'Gesellschaftssaal im Theater' bei uns erscheint: H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 224. Fracht f . Ein urspr. fries. Wort, das nach allen Seiten ausgestrahlt ist: mnl. vraeht, mnd. frächt, frueht (seit 1292: Kluge 1911 Seemannsspr. 282f.), dän. fragt, schwed. (seit 1529) frakt, engl. fraught, freight (dies aus der mnd. mnl. Nebenform vreeht). Aus dem Nd. gelangt das Handelswort seit 1522 ins Hd. (Schirmer 1911 Wb. d. d. Kaufm.-Spr. 65). Auszugehen ist von germ. *fraaihti (das zweite Glied zum gleichen Stamm wie eigen, s. d.), dessen Bed. aus ahd. freht 'Lohn, Verdienst' erkennbar ist. Über 'Preis der Überfahrt' wurde die Bed. 'Ladung' erreicht. Frz. fret, port, freie, span. flete 'Mietpreis, Schiffslohn, Befrachtung' stammen aus dem Germ. Frack m. Afränk. *hrok (s. Rock) ergibt frz. froe 'Kutte' (mit demselben Wandel des Anlauts wie f r a p p i e r e n ; vgl. F l a n k e , flau) und wei-
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fragen
terhin engl, frock, das nach 1760 rückentlehnt wird. Der F r a c k (so seit Goethes Werther 1774) mit a, weil engl, o nach a hin klang: K. Luick, Hist. Gr. d. engl. Spr. § 534 A. 1; vgl. b o x e n , F ä c h e r , L a b s k a u s , T o r t e . W. Fischer 1943 Dt. Wortgesch. 2, 360. Ganz, Einfl. d. Engl. 75. fragen Ztw. ahd. frühen, mit gramm. Wechsel fragen, asächs. frägön, ags. frägian, afries. fregia,
mnl. vräghen; dazu mit Ablaut ahd. fergön 'bitten'. Außerhalb des Deutschen ist nächstverwandt gleichbed. ags. fricgan (aus *fregjan). Daneben mit w-Präsens got. fraihnan (frah, frehum), anord. fregna, ags. frignan, frlnan 'fragen'.
Germ. Wz. *freh- (mit gramm. Wechsel *freg-) aus idg. *preH-: prlc- (s. forschen). Dazu lat. preces 'Bitten', precäri 'bitten', procus 'Freier', aind. prasna 'Befragung', aslav. prositi, lit. pram% 'fordern, bitten'. Vgl. P r a c h e r . Fragezeichen n. übersetzt lat. signum
inter-
rogationis seit Schottel 1641 Sprachkunst 540: Zs. f. d. Wortf. 15, 40. Fragment n. L a t . fragrnentum
'abgebrochnes
Fratze
zurück; vom Sprachverderber 1644 wird es erstmals gerügt. Aus der Formel (il) porto (é) franco 'das Tragen ist frei' gelangt f r a n k o zur Bed. 'postfrei'. Das zugehörige f r a n k i e r e n ist seit Schupp 1663 Schriften 256 dem ital. francare 'freimachen' nachgebildet. S. P o r t o und a l t fränkisch. Franse f . Lat. fimbria 'Franse, Troddel am Gewand' (seit Cicero; wohl zu lat. fibra 'Faser') ergibt über spätlat. *frimbia afrz. fringe, frenge und weiterhin mnl. frange, frandje. Spätmhd. franze f . setzt ein vor 1250 entlehntes mhd. *franse voraus: nur so erklärt sich s für frz. z, denn zwischen 850 und 1250 wurde ahd. s ähnlich wie £ gesprochen: M. Förster 1941 Themse 557 f. Danach wandelten auch Wörter mit ursprünglichem s dieses in z, daher das spätmhd. Ztw. franzen 'mit Troddeln besetzen'. In obd. Mundarten gelangt das Lehnwort aus ital. frangía. Gleichbed. engl, fringe hat die afrz. Aussprache bewahrt. Franzband m. 'Ledereinband nach frz. Art', kaum vor Swift 1729 Märchen v. d. Tonne 129: Zs. f. d. Wortf. 12, 182. Franzbranntwein m. 'frz. Branntwein' seit Ettner 1697 Chymicus 507. Vgl. K o g n a k , W e i n b r a n d . — Etwas älter ist F r a n z w e i n 'frz. Wein': Birken 1669 Brandenb. Ulysses 62. Franzbrot n. kommt um 1700 für eine Art frz. Pasteten auf und wird von Amaranthes 1715 Frauenz.-Lex. 569 mit M u n d - S e m m e l umschrieben: Zs. f. d. Wortf. 12, 183. In Leipzig ist es gegenüber der gröberen Semmel eine feinere Art Brötchen. Franzmann m. 'Franzose' seit Krämer 1678
Stück' (zu frangere 'brechen', s. d.) gelangt im 16. Jh. auf gelehrtem Weg zu uns und erscheint in deutschem Text zuerst in der Zimm. Chron. 1, 187; gebucht seit Sim. Rot 1571. Die Lehnübersetzung B r u c h s t ü c k verzeichnet zuerst Duez 1642. fragwürdig Adj. von Aug. Wh. Schlegel dem engl, questiomble in Shakespeares Hamlet 1, 4 nachgebildet, das dort die ungewöhnliche Bed. 'zum Befragen auffordernd, des Betragens würdig' hat. Von der Bühne her wurde das ungewohnte Wort zu 'unsicher, bedenklich' umgedeutet; es erreichte damit den gangbaren Sinn des engl. Vorbilds: G. Ellinger 1935 Zs. f. dt. wie nnl. Fransman (zu frans A d j . 'französisch'). Phil. 60, 22. Ganz, Einfl. d. Engl. 76. Dafür im 18. Jh., z. B. bei Goethe, F r a n z e ; Fraktur /. L a t . fraetüra zu frangere 'brechen' dazu bei dems. F r a n z t u m . Deutsches 2 für ist 'Bruch' in jedem Sinn, z. B. als 'Knochen- frz. c auch in L a n z e , L a t z , L i t z e , r a n z i g , bruch'. In Anwendung auf die 'deutsche Schrift' Schanze. mit ihren gebrochenen Linien ist F. seit Sim. frappieren schw. Ztw. Afränk. *hrapön 'rupRot 1571 verkürzt aus F r a k t u r b u c h s t a b e . fen, raufen, raffen' gelangt ins Roman, und erDer übertragene Gebrauch, heute in Wendungen gibt (mit demselben Lautwandel wie F r a c k , wie „Fraktur mit einem reden", beginnt 1612 s. d.) im 12. Jh. frz. frapper 'schlagen'. Als f r a p mit der Formel „mit grober Fractur hindten p i e r e n kehrt es zu Beginn des 18. Jh. zurück auff den Buckel schreiben": Klenz 1900 Drucker- (Belege seit 1719 bei H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, spr. 44; Zs. f. d. Wortf. 7, 134. 8, 127; Laden- 225), nun im übertragnen Sinn 'treffen, Eindorf 1906 Schlagwb. 89; Mitt. d. schles. Ges. f. druck machen'. Entspr. f r a p p a n t seit Lessing Volkskde. 20 (1918) 137. 1758; um 1770 Modewort: Zs. f. d. Wortf. 8, 71. frank Adj. 'frei'. Der Stammesname der FranFraß m. mhd. vrä% 'das Essen' postverbal ken gelangt zu den roman. Nachbarn und wird zu f r e s s e n . Ahd. frä%, mhd. wä% bed. auch über mlat. francus 'fränkisch' als frz. franc, ital. 'Fresser'. span. port. franco zur Bezeichnung des freien Fratze f., österr. F r a t z m. Ital. frasche, Mz. Mannes: die Franken waren in ihrem nordfrz. von frasca 'Laubast, wie er vor allem als SchankHerrschaftsgebiet francs ei libres de toules tailles. zeichen ausgesteckt wird', gelangt infolge des Spät im 15. Jh. wird das franz. Adj. zurück- ausgelassenen Treibens beim Ausschank zur Bed. entlehnt und in der Formel f r a n k u n d f r e i 'Possen'. So lernt Luther in Italien das Wort viel gebraucht. Im 17. Jh. gelangt ital. franco kennen, er braucht seit 1521 (Weim. Ausg. 3,523)
Frau
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F r a t z e n als 'Possen, albernes Gerede'; durch ihn und seine Anhänger (Waldis, Kirchhof, Fischart) kommt das Wort in Schwung, immer als 'Possen'. Die Bed. 'entstelltes Gesicht' wird i m 18. Jh. über F r a t z e n g e s i c h t (so Frisch 1741 Wb. 1,290) erreicht. Aus dem Nhd. stammt nnl. fratsen, aus dem Ital. frz. frasque. Dem germ. Norden bleibt das Wort fremd. Unhaltbar Hollander 1906 Zs. f. d. Wortf. 7, 296; Littmann 1924 Morgenland. Wörter 47 f. und W. Hartnacke, Neuphil. Wochenschr. 1943 S. 37 f. Frau /. mhd. vrouwe, ahd. frouwa 'Herrin', asächs. früa, anord. Freyja: Fem.-Bildung zu germ. *frawan, *fraujan (idg. *proym) 'Herr'; vgl. ahd. frö (aus *frawö), got. frauja 'Herr'; dazu anord. Freyr (aus *fraujaz). Das Mask. ist bei uns früh ausgestorben, doch s. F r o n ( e ) , f r o n . Außergerm, sind verwandt die ablautenden Bildungen aind. pürva (idg. *pfuo-) 'früherer, erster', aslav. prüvü 'erster', aind. pürvyd 'früher'. Den Bedeutungswandel von 'erster' zu 'Herr' hat auch F ü r s t vollzogen. Die Lautgeographie von 'Frau' bietet der Dt. Sprachatlas. Frauenglas s. M a r i e n g l a s . Frauenmantel m. heißt Alchemilla vulgaris L. seit etwa 1500 nach den großen, rundlichen, etwas gefalteten Blättern, die mit dem Mantel verglichen werden, wie ihn auf Heiligenbildern Maria trägt. Die Tautropfen stehen am Rande in regelmäßiger Perlenkette. Landschaftliche Namen wie L i e b f r a u e n - , M u t t e r g o t t e s - , M a r i e n m a n t e l stützen die Deutung, ebenso mlat. (16. Jh). S. Mariae pallium, nl. (lieve) vrouwenmantel, engl. (1548) (our) Lady's mantle, schwed. (1638) Mariek&pa, dän. (1772) vor frues kaabe. Marzell Wb. 1, 174 (Sinau). Frauenzimmer n. Im 15. Jh. erscheint vrouwenzimmer 'Frauengemach'. Diese Bed. gilt in der Lutherbibel (Esther 2, 3. 9) und hält sich bis 1750. Daneben erscheint zuerst in Schwaben 1450 die Bed. "Gesamtheit der Frauen im Gemach': Dt. Texte des MA. 24, Nr. 10, V. 422. In dem so kumpt bereyt Ir frauwenzymmer gantz. An die Stelle dieser Sammelbed. tritt (wie bei B u r s c h e , I m m e , K a m e r a d , R a t ) das Einzelwesen: das. V. 539 Der frauwenzymmer vil Der ich keins nennen teil Denn besunder zwey (Frau Aventüre und Venus). Noch Luther kennt diese dritte Bed. nicht; sie wird seit 1595 häufiger, zunächst bei unbestimmtem Artikel und in der Anrede, bei den schles. Dichtern auch in freiem Gebrauch, den doch noch Gottsched 1758 Beobacht. 424 als lächerlich verwirft zugunsten von W e i b s p e r s o n (DWb. 14, 1, 451). Trotzdem wird das Wort nach 1750, zunächst für vornehme Frauen, allgemein Schriftdeutsch, Plur. und Verkl. werden möglich, bis im 19. Jh. der sozial
Fregatte
gesunkene Ausdruck durch D a m e , F r a u , F r ä u l e i n , M ä d c h e n abgelöst wird: C. Müller, Seidenadel, Jellinek Zs. f. d. Wortf. 3, 253. 6, 59ff. 6, 380; Edw. Schröder 1937 Zs. f. d. Alt. 74, 163. Fräulein n. Mhd. vrouwelln als Verkl. zu vrouwe 'Herrin' geht im 12. Jh. von obd. Höfen aus; als md. nd. Ausdruck steht ihm M ä d c h e n zur Seite. Die Bed.'Jungfrau vornehmen Stands' gilt von Anbeginn bis 1820 (deutlich so Goethes Faust V. 2906 „der Herr dich für ein Fräulein hält"). Im 19. Jh. löst F. M a m s e l l und Dem o i s e l l e ('dominicella', verhält sich zu D a m e 'domina' wie F r ä u l e i n zu F r a u ) als 'Mädchen bürgerl. Stands' ab, was noch Campe 1813 für undurchführbar hält. Für die Tochter von Adel rückt g n ä d i g e s F. nach, das seit Mitte des 19. Jh. zu den Bürgerlichen sinkt. Wie bei M ä d c h e n und W e i b (DWb. 14, 1, 332f.) geraten bei F r ä u l e i n natürl. und gramm. Geschlecht in Widerstreit; die F. seit Gryphius 1698 Ged. 1, 846. Plur. F r ä u l e i n s häufig seit Gottscheds Dt. Schaubühne 4,190: H. Paul 1917 D. Gramm. 2, 118. 131; Zs. f. d. Wortf. 2, 278. 5, 23. 6, 2. — Zur Bedeutung im Schwäb. 'Großmutter', 'Hebamme' s. d. frech Adj. Mhd. vreeh 'mutig, kühn, tapfer, keck, dreist, lebhaft', ahd. freh (hh) 'ungezähmt, geizig, habsüchtig', mnl. vrek 'gierig, böse', ags. free 'gierig, eifrig, kühn, gefährlich', anord. frekr (dän. frmk und schwed. fräck beruhen auf junger Entlehnung aus dem Dat.), got. friks (in faihur friks 'habgierig', s. Vieh) führen auf germ. *freka- mit der Grundbed. 'gierig', die früh zu 'kampfgierig' gewendet erscheint. Daher ags. freca m. 'Held, Krieger' und Männernamen wie Friculf, Fricarius, Frieco (ähnliche Besonderungen auf Kampf und Krieg erleben b e r e i t , f e r t i g , k ü h n und r ü s t i g ) . Afrz. frique und nprov. fricaud 'munter, lebhaft' sind germ. Ursprungs. Im Ablaut mit *freka- stehen schwed. norw. mundartl. frakk (vgl. f r a n k ) , ags. fr&c 'gierig', norw. frsek 'mutig, tüchtig, stark', anord. freien, frekinn, asächs. frökni, ahd. fruohhan 'gefährlich, kühn'. Urverwandt sind poln. pragnqS 'gierig verlangen', kymr. rhewidd (aus *pragio-) 'Geilheit'. So gelangt man zu *preg- 'gierig, heftig'. Fregatte /. erscheint für Mittelmeerschiffe seit 1565 in Formen wie fahaden, fra-, fre-, fri-, fro-, frugatte in obd. Quellen, zunächst als 'Schiffsbeiboot', dann als 'navigium exploratorium', seit 1572 als 'kleineres, schnelles Kriegsschiff' und nicht vor 1668 als 'dreimastiges Handelsschiff'. Goethe, Jub.-Ausg. 26, 261 schreibt am 26. März 1787 aus Neapel: „Donnerstag . . . geh' ich mit der Korvette, die ich, des Seewesens unkundig, in meinem vorigen Briefe zum Rang einer Fre-
frei
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gatte erhob, endlich nach Palermo". Das Wort ist roman. Ursprungs. Frz. frégate, zuerst 1621 als fmyale, beruht auf span. jragala, frégade bei J . Rabelais auf venez, fregada. — Der tropische Seevogel Pelicanus aquilus heißt seit Beginn des 18. Jh. wegen seines schnellen, kühnen Flugs bei unsern Seeleuten F r e g a t t e , bei den engl, man of war bird: Kluge 1911 Seemannsspr. 284 ff. frei Adj. Ahd. asächs. frl, ags. frèo, frï, got. freis führen auf germ. *frija- 'frei'. Ursprünglich 'mit freiem Halse' (gegenüber dem Sklaven), ist ahd. mhd. frlhals m. 'der Freie' ; anord. ist das entspr. frjäls als Adj. an Stelle des dort fehlenden *frir getreten; got. freihals, ags. frêols sind aus 'Zustand der Freihalsigkeit' zum Abstr.-Begriff 'Freiheit' entwickelt. So ist die heutige Bed. 'frei' schon gemeingerm., urspr. bedeutet idg. *priios 'lieb'. Spuren dieser älteren Bed. haben bewahrt: ostschweiz. frï 'lieb, freundlich, artig'; got. frijön 'lieben', frijapwa 'Liebe', ags. frèod (für *frijödus) 'Gunst', frlgu 'Liebe', frêodryhten 'der liebe Herr', freo-bearn 'das liebe Kind'. Die damit erwiesene germ. Wurzel erscheint auch in got. frei-djan, mhd. Knien'schonen' ( s . f r e i e n , F r e u n d , F r i e d e , F r i e d h o f ) . Die Freunde, die man liebt und schont, sind urspr. die Stammverwandten, die der Germane f r e i nennt im Gegensatz zu den fremdbürtigen Sklaven ( 0 . Schräder, Zs. f. Sozialwiss. 1, 342). Als Grundbed. wird 'lieb' gesichert durch urverw. aslav. prijati 'beistehen', prijateljï 'Freund', aind. priyä~ 'lieb, beliebt' zur Wz. *prl 'erfreuen, geneigt machen'. Aind. bed. das Fem. des Adj. priya 'Gattin, Tochter': dazu stimmt ahd. Frla, asächs. frl, ags. frèo f . 'Weib', anord. Frigg (aus urgerm. *frijjö, aus *prij.â). S. F r e i t a g . Freibeuter m. Ein fürs Mnl. vorauszusetzendes op vrijbuit gaen (Horae belg. 2 2 82) liefert nnl. wijbuiten Ztw., vrijbuiter m. Dieses ergibt nd. fnbüter und erscheint 1679 als F r e y b e u t e r in Sibers Gemma gemm. 262. Aus dem Nnl. stammen auch engl, freebooler (seit 1670), dän. fribytier, schwed. fribytare 'Seeräuber' : Kluge 1911 Seemannsspr. 287. Freidenker m. Engl, freethinker ist seit 1692 belegt und wird von Toland 1711 aufgenommen. 1713 entwickelt Collins in seinem Discourse on Freethinking ein von Dogma und Autoritätsglauben freies Christentum, redet von einer Sekte der freethinkers, was aufgeklärte Zeitgenossen als Selbstbezeichnung weit verbreiten: frz. libre penseur, ital. liberi pensatori. Nhd. F r e i d e n k e r seit 1715: Guhrauer, Leibniz 2, 487. Ganz, Einfl. d. Engl. 76. freien Ztw. Zu dem unter f r e i entwickelten asächs. frï n. 'Weib' gehört mnd. md. vrien 'zur Frau machen, zur Ehe nehmen'. Als 'heiraten' verwendet Luther das Ztw. In Stellen wie Matth.
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Freimaurer
6, 32 „wer ein abgescheidete freiet, der bricht die ehe" konnte daraus 'werben' entstehen. In diesem Sinn ist das Ztw. nach anfänglichem Widerstand (Kluge 1918 Von Luther bis Lessing 35. 108) ins Hd. gelangt. Freigeist m. Im 14. Jh. spielt die Sekte der Brüder des frlen geistes eine Rolle, von ihren Gegnern die valschen frlen geisie gescholten. Für Luther sind die freien geiste die leichtfertigen Religionsverächter (Dietz 1, 703). Die Zus.Setzung, als Lehnübersetzung von frz. esprit libre, seit Schottel 1663 Hauptspr. 488: Ladendorf 1906 Schlagwb. 91 ff. ; Zs. f. d. Wortf. 3,227. 6, 95. 7, 140. 10, 236. 13, 99. Freihandel m. seit 1848 Zs. f. d. ges. Staatswiss. 6, 276, Lehnübers. des engl, free-trade, das selbst von Cobbet 1823 aus älterem freedom of trade zus.-gezogenist. F r e i h ä n d l e r , Lehnübers. des engl, free-trader, scheint etwas jünger zu sein. Freiheitskrieg m. steht zuerst für den Unabhängigkeitskrieg Nordamerikas: Schubart 1775 dt. Chron. 679. Seit 1793 wird es auf den Kampf der Frz. Republik um ihr Gedankengut angewendet, bei H. v. Kleist 1811 Werke 4, 166 auf den Aufstand der Niederlande. Im Zeitalter Napoleons fordern Arndt u. Schenkendorf zum F r e i h e i t s k a m p f auf, 1814 erscheint J . C. Gädickes Chronol. Gesch. oder Tagebuch vom dt. Freiheitskriege. B e f r e i u n g s k r i e g zuerst in den 'Zeiten' 46 (1816) 7: Stammler 1934 Zs. f. dt. Philol. 69, 203 ff. freilich Adv. Mhd. milche, eig. 'unverdeckt', daher 'offenbar, sicherlich', gehört zum Adj. frl, wie ganz-, scelec-, miUecllche zu ganz, sœlec, mille. Wie andere Adv., die der Bestätigung dienen (ja, zwar, wohl, schon, allerdings, gewiß), ist f r e i l i c h zum Träger eines Gegensatzes geworden: man kommt dem Gesprächspartner durch eine Anerkennung seiner Aussage entgegen und macht dann erst die eigenen Bedenken geltend: Behaghel 1928 Dt. Syntax 3, 49f. 174f. Freimarke s. B r i e f m a r k e . Freimaurer m. Engl, free mason war im späteren Mittelalter der Bauhandwerker, genauer Steinmetz, der die Gesellenprüfung bestanden hatte und frei durchs Land ziehend Arbeit suchen durfte. Dem ihn einstellenden Meister bewies er das durch Geheimzeichen. Als zur Renaissancezeit die aus Italien eingeführte neue Bauweise den Anteil auch der Gebüdeten fand, wurden Vornehme als accepted masons in die Bauhütten (lodges 'Lauben') aufgenommen und in deren geheime Verkehrsformen eingeführt. Um 1700 gründeten engl. Deisten einen Geheimbund, der seinen Religionsübungen jene Zeichen zugrunde legte, indem er sie zu Sinnbildern umdeutete. Daraus erwuchs 1717 die engl. Großloge. Lehnübersetzung zu frz. franc-maçon und nhd.
Freimut
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F r e i m a u r e r . Dies zuerst in der Voss. Ztg. 1733, Nr. 6 (Buchner, Das Neueste von Gestern 2, Nr. 600) „Bey der neulich zu London gehaltenen Versammlung der Fremesen oder FreyMaurer-Gesellschaft . . . dergleychen Fremesen oder Frey-Maurer". Ganz, Einfl. d. Engl. 78. S. Loge. Freimut m. Während f r e i m ü t i g und F r e i m ü t i g k e i t schon bei Maaler (Zürich 1561) auftreten, begegnet F r e i m u t nicht vor Stieler (Erfurt 1691), als das einmalige mhd. vrimuot (Lexer 3, 620) längst verklungen war. S. E i n m u t und die dort genannten Bildungen auf - m u t : H. Ruppel 1911 Rückbild. deutscher Substantiva 12. Freischütz m. Auf dem Glauben an Schützen, die sich durch Teufelsbündnis Freikugeln verschaffen, von denen sechs treffen, während die siebente vom Teufel gelenkt wird, beruht eine aus den Monatl. Unterredungen von dem Reiche der Geister 1730 St. 5 geschöpfte Erzählung „Der Freischütz" bei Apel und Laun 1810 Gespensterbuch 1, 1. Aus ihr stammt Fr. Kinds Text, den C. M. v. Weber 1821 seiner Oper zugrunde gelegt hat. Unabhängig davon verwendet E. T. A. Hoffmann 1814 Elixiere des Teufels 121 F r e i s c h ü t z als 'Wilderer'; diese Bed. buchen Adelung und Campe: Rh. Köhler, Kl. Sehr. 3, 200. Freisinn m. und f r e i s i n n i g Adj. bucht Campe 1808 als neugebildete Wörter. In der Tat waren damals freisinnig 'geistig gesund' (H. Sachs, Werke 6,305 Keller) und Freysinnigkeit (Moscherosch 1643 Insomnis cura par. 20) längst verklungen. F r e i s i n n i g ersetzt seit Börne 1819 das in polit. Sinn zuerst in den span. Cortes 1812 gebrauchte l i b e r a l . F r e i s i n n ist schon 1840 verfemtes polit. Schlagwort. Zu parteiamtlicher Geltung kommt die Gruppe erst 1884 durch die deutsche freisinnige Partei: Zs. f. d. Wortf. 3, 226; Ladendorf 1906 Schlagwb. 94f.; SchulzBasler 1942 Fremdwb. 2, 24. Freistaat m. als Ersatz wort für R e p u b l i k seit Wieland 1774 Abderiten 6. Freistatt, - s t ä t t e /. 'öffentliche Schutzstätte für flüchtige Verbrecher', zuerst 1326 im westfäl. Flurnamen vristad. Ph. v. Zesen 1645 Ibrahim Bassa 549 empfiehlt F r e i s t a t t als Ersatzwort für Asyl. In Nürnberg 1678 folgt die erste Buchung in M. Krämers N. Dict, seitdem allgemein: Zs. f. dt. Wortf. 12, 183. 13, 48. Vereinzelt bleibt die Bed. 'Richtstätte': Dt. Rechtswb. 3 (1938) 824. Freitag m. gemeingerm. Benennung des (nach christlicher Zählweise) sechsten Wochentags: ahd. (seit dem 9. Jh.) frla-, frijetag, mhd. vrltac, mnd. mnl. vridach, nnl. Vrijdag, afries. frla-, frigen-, fredei, ags. frige-, Friggandceg, engl. Fri-
frenetisch
day, dän. schwed. Fredag, dazu altisl. frladagr. Im 4. Jh. dem spätlat. Veneris dies (frz. vendredi) nachgebildet, das seinerseits gr. 'A Gau) ist aus den obliquen Kasus übernommen. Das zugrunde liegende germ. *ga-aw-ja ist ein neutr. Kollektivum (vgl. Gebirge) zu *a(g)w-jö 'Aue, Wasserland' (s. Aue) in der Bedeutung 'Umgebung eines Gewässers', also 'Siedlungslandschaft' (so zuerst A. Burk 1902 Zs. f. dt. Wortf. 2, 341). Dieser Herkunft entsprechen die frühmittelalt. -*gaw>ja-Landschaftsnamen, die zum größten Teil Flußnamen enthalten (Rinähgouwe 'Rheingau', Loingä 'Leinegau'); in den wasser- und moorreichen ndl.-fries. Niederungslandschaften wurde ursprünglich statt *gawja das einfache *agiojölähwjo (Islöi, Ästrahi) verwendet. Schon früh ist die Bed. zu 'Landschaft, Gegend, Gebiet' verallgemeinert (4. Jh. Brisigavi 'Leute aus d. Gegend v. Breisach'), im Ahd., Mhd. und heutigen Obd. zu 'fruchtbare Gegend, Bauernlandschaft' verengt (daher der wiss. geogr. Terminus Gäulandschaft). Die polit. Bed. 'abgegrenzter Bezirk' begegnet zunächst okkasionell in -jowe-Namen fränkischer Grafschafts- u. Fiskal- und alem.-bair. Allodialbezirke, usuell nur in mnd. gö 'Gogericht'; im Fries. z.T. 'Kirchspiel, Dorf'. Seit 17. Jh. ist das der Hochsprache verlorengegangene Wort von Historikern, die aus den urkundl. iw-pago-Lageangaben eine systematische staatl. 'Gaueinteilung' zu rekonstruieren versuchten, als verfassungsgesch. Begriff neubelebt, dann von Sprachreinigern (Mylius, Campe, Jahn u. a.), Dichtern
gaukeln
(Voß, Bürger, Wieland, Romantikern) und Germanisten als Ersatz für Kanton, Distrikt, Provinz, Revier verbreitet worden. Der großräumige polit. Verwaltungsbegriff G. des dritten Reiches ging auf den Sprachgebrauch des Vereinslebens im 19. Jh. zurück (so noch heute als Untergliederung von Gesangs- und Turnvereinen). — P. v. Polenz, Landschafts- u. Bezirksnamen i. frühmittelalt. Dtld., Bd. 1, 1960, mit weiterer Lit. Gauch s. K u c k u c k . Gauchheil n. Das Unkraut Anagallis arvensis L. heißt seit dem 15. Jh. hd. gouchheil, nl. guichelheil, weil es bei den alten Ärzten als Mittel gegen Geisteskrankheiten galt (daher auch G e c k e n - , N a r r e n h e i l , V e r n u n f t - , W u t k r a u t ) . Der Name wurde vermengt mit dem älteren gähheila 'schnell heilende Pflanze', der Heilkräutern wie der Schafgarbe galt: H. Marzell 1943 Wb. d. dt. Pflanzennamen 1, 253. Gaucho m. Der berittene Bewohner der Pampas von Argentinien und Uruguay heißt araukan. cauchu. In nhd. Text erscheint G a u c h o zuerst bei A. Caldcleugh 1826 Reisen in Südamerika 120. Engl, guachos ist seit 1824 nachgewiesen: Palmer 38. Gaudieb m. 'Gauner'. In hd. Text zuerst bei Schupp, Freund in d. Not (Hamb. 1657) 42 Ndr., deutlich aus nd. gaudeef (Richey 1743 Id. Hamb. 71), von wo auch dän. gavlyv. Älter nnl. gauuidief, mnl. gouwe dief: zum Adj. j ä h (s. d.) in seiner mnd. Form gauwe und seiner Bed. 'schnell, behend'. gaukeln schw. Ztw., ahd. gouggolön und (mit Dissimilation gegen den Anlaut) goukolön, mhd. goug(g)eln, jünger goukeln, md. göukeln, mnd. gökelen (hierzu ostmd. gokeln 'mit dem Feuer spielen'), mnl. göghelen, häufiger gökelen, nnl. gooehelen 'Zauberei, Narrenpossen treiben'. Abgeleitet von G a u k e l m. (Adelung), mhd. goukel, -gel, ahd. goucal, eoukel n. 'Zauberei, Taschenspielerei, närrisches Treiben'; daraus über das Nd. entlehnt dän. gjegl, schwed. gyckel 'Spaß'. Zum Ztw. das M. G a u k l e r , mhd. goukekere 'Zauberer, Taschenspieler' ahd. gouggaläri, jünger goukaläri, mnd. gökeler (hieraus entlehnt dän. gjegler, schwed. gyeklare), mnl. gögheläre, häufiger gökeläre, nnl. gooehelaar, ags. geog(e)lere. Ein reiches, ablautendes Zubehör verbietet, in den westgerm. Wörtern Entlehnungen aus lat. ioculäri, ioculäris, ioculätor zu sehen, die immerhin eingewirkt haben mögen, so gut wie G a u c h : ahd. gougarön, mhd. gougern 'umherschweifen', mhd. gogel Adj. 'ausgelassen', gogelen 'sich ausgelassen benehmen', giege(l) m. 'Betörter' (wozu österr. G i g e r l 'Kleidernarr'), nnl. guig 'Narr'. Außergerm, vergleicht sich lett. gaugties 'sich ergötzen' zur Wurzel *gheugh- '(Zauber-)Possen treiben'.
Gaul
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Gaul m. gilt heute, im Süden von R o ß , im Westen und Norden von P f e r d umschlossen, im Gebiet zwischen Kaufbeuren, Birkenfeld und Paderborn. Die Bed. schwankt zwischen 'elendes Pferd' (so seit dem 14. Jh.) und 'stattl. Pferd' (so von Luther 1530 Jer. 8, 16. 50, 11 bis Voß 1793 Ilias 4, 600). Voraus geht mhd. gül 'Eber; männl. Tier', frühmhd. 'Ungetüm', mnl. gute '(schlechtes) Pferd', nnl. guil f. 'noch nicht trächtig gewesene Stute'. Falls G a u l ursprünglich 'geschlechtsreifes männliches Tier' bedeutet, läßt es sich mit Ferd. Sommer 1912 Idg. Forsch. 31, 362ff. zum idg. Verbalstamm gheu- (s. g i e ß e n ) ziehen und (ähnlich wie O c h s e , s.d.) als 'Samengießer' deuten. Vgl. Else Herkner 1914 Roß, Pferd, Gaul (Marb. Diss.); Kretschmer 1918 Wortgeogr. 61. 600; F . Wrede 1926 Dt. Sprachatlas, Karte 8, dazu die Erläuterung. Gaumen rn. mhd. goume, ahd. goumo, vorgerm. *ghdu-men-; damit ablautend mhd. guome, ahd. guomo, ags. göma 'Gaumen, Kiefer, Zahnfleisch', engl, gum 'Zahnfleisch', anord. gömi 'Gaumen', gömr 'Zahnfleisch', norw. göm 'Gaumen, Zahnfleisch', schwed. gom, dän. gumme 'Gaumen', vorgerm. *ghö(u)-men; wieder mit anderer Stufe des Ablauts asächs. mnd. mhd. güme, ahd. giumo, vorgerm. *gheu-men-. Den germ. Wörtern stehen am nächsten lit. gomurys 'Gaumen' und lett. gämurs 'Luftröhre'. Die entferntere Beziehung zu gr. chaünos 'klaffend', chauliodüs 'mit klaffenden Zähnen' und chaos 'Kluft' erweist Zugehörigkeit zum Verbalstamm *gheu- 'gähnen, klaffen'. S. Gau. Gauner m. Nach F . Kluge, Rotwelsch 1 (1901) 15 (vgl. das. 19. 28. 54. 77. 93. 195. 198) tritt in Basler Gaunerkreisen kurz nach 1430 (ver)j u n e n '(ver)spielen' auf; in Zürich 1490 folgt juonner 'Spieler', im Elsaß 1494 (Brant, Narrenschiff 63, 46) junen 'falschspielen', im Raum von Straßburg 1510 jonen 'spielen' und J o n er 'Spieler'. Erst 1547 erscheinen j o n e n und J o n e r verallgemeinert zu 'betrügen' und 'Betrüger' (wie S t i r n e n s t ö ß e l von 'Hennendieb' auf 'Hausierer, Fechtbruder' S c h n o r r e r von 'Bettelmusikant' auf 'Bettler, Hausierer' erweitert ist). Im Nordbair., Ostfränk. u. Obersächs. (wo J a h r , j u n g weithin als gär, gung erscheinen) wird j- zu g-: die endgültige Form G a u n e r zuerst bei Lessing 1747 D. junge Gelehrte I 6. Im Rotwelschen hält sich die alte Beziehung auf (falsches) Spiel: J a u n e r 'Karte' 1812, G a u n e 'ein Spiel Karten' 1820, J a u n e r 'Karten' 1856 (Kluge a . a . O . 229. 349. 414), von ihr hat die Deutung auszugehen. Die Vorgeschichte von G a u n e r fällt in die Zeit der Türkenkriege, die 1453 zur Eroberung von Konstantinopel geführt und viele Griechen heimat-
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ge-
los gemacht haben. Der Grieche heißt hobr. jöwön, d. i. Jonier; rotw. *jöwönen '(falsch) spielen wie ein Grieche' kann Vorstufe des Ztw. jonen, jünen von 1430 ff. sein. Vgl. frz. grec 'Grieche; Falschspieler': Wolf Wb. 1669. Gavotte f. 'kleines, zum Tanzen gemachtes Tonstück',älter 'eine bestimmte Tanzart'; so bei uns seit 1677 Machiavell. Hocuspocus 605. Entlehnt aus frz. gavotte 'Art Tanz', im 17. J h . aus nprov. gavoto f. 'Volkstanz' übernommen. Das F. gehört zu nprov. gavot m., das aus 'Grobian, Lümmel' zur Schelte der Alpenbewohner in der Provence geworden war. Den Ursprung des M. klärt E . Gamillschegg 1928 Etym. Wb. d. frz. Spr. 463. Gaze f. 'Flortuch, durchsichtiges Gewebe' erscheint bei uns 1693 als G a ß e , G a s e in einer Übersetzung aus dem Nnl.: H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 239. Demnach vermittelt uns nnl. gaas (so seit dem 17. J h . ) das frz. gaze 'Gaze, Schleier', das seit dem 16. J h . belegt ist und herkömmlich mit dem Namen der Stadt Gaza in Südpalästina gleichgesetzt wird. Da aber dort weder Herstellung solcher Gewebe noch Handel damit in alter Zeit nachzuweisen ist, wird frz. gaze vielmehr aus span. gasa 'durchsichtiges, feines Leinen- oder Seidengewebe' und dies aus arab. kazz 'Roh-, Flockseide' stammen. Das arab. Wort ist entlehnt aus gleichbed. pers. MS: K. Lokotsch 1927 Etym. Wb. Nr. 702. 1147. Gazelle f. Arab. ghazäla hat in seiner nordafrikan. Aussprache ghazêl (Lokotsch 1927 Etym. Wb. Nr. 699) ital. gazzella geliefert. Von da zuerst 1536 Paracelsus, Gart der Gesundheit 25 b . Außerhalb des gelehrten Kreises kaum vor 1611 (H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 239). Noch jünger A n t i l o p e , s. d. ge- Vorsilbe, mhd. ge-, ahd. ga-, gi-, asächs. gi-, i-, afries. e-, ags. ge-, älter gi-, später i-, engl, i in handicraft, y in everywhere, e in enough, anord. g- in granni 'Nachbar'. Germ. *ga- gibt den Zeitwortformen die Beziehung auf Eintritt oder Abschluß der Handlung: mhd. gestän 'sich stellen' gegen stän 'stehen' (ohne Blick auf Beginn und Ende des Stehens), geligen 'zum Liegen kommen' gegen ligen 'liegen', geswlgen 'verstummen' gegen smgen 'schweigen' usw. Dasselbe tut idg. *ge- in aind. ja-bhära 'gebar', osk. ee-bnust (lies: ge-bnust) 'er wird hergekommen sein'. In Ablaut mit diesem *ge- steht idg. *go-. Daß seinem g ein germ. g entspricht, liegt an der Stellung in unbetonter Vorsilbe. So steht d in got. du- wie in aslav. do (gegenüber engl, to, ahd. zuo), got. dis- wie lat. dis-, gr. dia- (gegen asächs. te-, hd. z e r - ) : G. Bonfante 1939 L'Antiquité classique 8 , 1 5 ff. Für germ. *ga- in nomin. Zus.-Setzung ( G e b r ü d e r , G e m a h l , G e s c h w i s t e r ; G e b i r g e zu B e r g , G e f i l d e zu F e l d ,
gebaren
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Geburtstag
G e s t i r n zu S t e r n ) sind keine idg. Beziehungen Gebiet «. Neben G e b o t , die alte Ableitung gefunden. Dem lat. com- entspricht germ. *ham-: zu g e b i e t e n (s. b i e t e n ) , tritt im 13. Jh. J . Schnetz, Zs. f. Ortsnamenf. 12, 171. gebiet(e) zunächst als 'Befehl'. Über 'Befehlsgebaren schw. Ztw., m h d . gebären, -beeren bereich' wird die umfassende Bed. 'Bereich' 'jammern, heulen; sich benehmen, verfahren', entwickelt: in useme gebede 1351 UKB Quedlina h d . gipärön, -baren, asächs. gibärian 'sich be- burg 1, 164. nehmen', ags. gebseran 'jubeln; sich benehmen' Gebirge n. Ahd. asächs. gibirgi steht als führen auf germ. *gabärian 'sich (traurig) ge- Kollektiv neben B e r g , wie G e f i e d e r neben bärden; rufen, klagen': zu ahd. mhd. bär /. m., F e d e r , G e f i l d e neben F e l d , G e s t i r n neben mhd. gebär m. 'Art'. Dies zur germ. Wurzel S t e r n . Die vom 15. bis 19. Jh. häufige Form Her- 'tragen' in B a h r e , - b a r , B ü r d e , e n t - G e b ü r g e , veranlaßt durch landschaftl. Zus.b e h r e n , g e b ä r e n , G e b ü h r , G e b u r t usw., Fall von i mit ü, wird gestützt durch die frühdie auch in nhd. G e b a r e n n. fortlebt. — Zum nhd. häufige Vermengung von - b e r g und - b ü r g schw. Ztw. ist (wie B e h ö r d e zu b e h ö r e n ) ahd. in Ortsnamen. gibärida f . 'Benehmen, Aussehen, Wesen' geGebresten n. 'Gebrechen', subst. Inf. zu mhd. bildet, das über gleichbed. mhd. gebcerde unser ge-bresten, s. b e r s t e n . G e b ä r d e ergeben hat: B. v. Lindheim 1938 Gebrüder Plur. ahd. gibruoder, asächs. giBeitr. 62, 421 ff. bröthar, ags. gebrödor: Pluralbildung, die zugleich gebären st. Ztw., mhd. gebern, ahd. giberan, die Zus.-Gehörigkeit von Verwandten hervorags. geberan, anord. bera (aus *ga-beran), got. hebt, wie got. ganipjös 'Vettern' zu nißjis 'Vetgabairan 'hervorbringen, gebären', eig. 'zu Ende ter', ags. gedohtru 'Töchter' zu döhtor, mhd. tragen', vgl. t r ä c h t i g zu tragen. Zur Sippe des gevriuni 'Verwandte' zu vriunt, gediehter 'Enkel' Verbalstamms germ. *ber, vorgerm. *bher s. zu diehter. Vgl. G e l i c h t e r , G e s c h w i s t e r . gebühren schw. Ztw., gemeingerm.: ahd. giB a h r e und G e b ä r d e . Aind. bhr, bhar bedeutet '(als Leibesfrucht) tragen', vgl. lat. fertilis burian (vgl. Börde), asächs. giburian, ags. ge'fruchtbar' zu ferre 'tragen'. Von ders. Wz. byrian, anord. byrja; got. *gdbaürjan läßt sich s t a m m e n ahd. barm, ags. bearm, anord. barmr erschließen aus gabaürjaba Adv. 'gern', gabaür'Schoß', ahd. mhd. barn 'Kind', so noch im süd- jöpus m. 'Lust', krimgot. borrotsch 'Wille'. Die lichen Oldenburg im letzten ostfries. Rest im Bed. 'sich ziemen, Sorge tragen, statthaben, geschehen' sind jung gegenüber ahd. burjan, Saterland. geben st. Ztw. Von dem idg. Verbalstamm burren 'erheben', das gestattet, die Sippe mit *dö- 'geben' in aind. dä-, gr. didömi, lat. dö e m p o r zu verbinden; s. dort die weitere Verusw. hat sich in den germ. Sprachen keine Spur wandtschaft. — G e b ü h r f . ist im 14. Jh. aus erhalten. Als gemeingerm. Neuschöpfung tritt dem Ztw. rückgebildet und nicht allgemein gea u f : got. giban, anord. gefa (schwed. giva, dän. worden; 1523 meint Adam Petri seinen Baslern give), ags. giefan (engl, give beruht auf
E n t - Luthers gebür f . (Luk. 12, 42) mit billich, gemeesz
lehnung aus dem Nord.), afries. jeva, anl. gevan erklären zu müssen. Dän. gebyr ist aus dem Nhd. (mnl. gheven, nnl. geven), asächs. geban (mnd. entlehnt. geven), ahd. geban, mhd. geben. Mit dem Ztw.
vereinen sich die nächsten nominalen Verwandten (got. gabei f . 'Reichtum', gabeigs 'reich', anord. ggfugr 'ansehnlich', gsefr 'angenehm', gxfa f . 'Glück', mhd. gaebe 'annehmbar', s. auch G a b e , g ä b e , Gift) auf eine idg. Wurzel *ghabh-. Zu ihr gehören auch air. gaibim 'nehme', gabäl f . 'das Nehmen', lit. gabanä 'Armvoll', gabenli 'fortschaffen', gäbentis 'mit sich nehmen', aind. gabhastih, 'Vorderarm, Hand' und lat. habere.
Geburt f . ahd. giburt, asächs. giburd, afries. berd, ags. gebyrd, anord. byrö (von da mengl. byrthe, engl, birth), got. gabaürps: Verbalabstr.
zu g e b ä r e n , s. d. Die /¿-Bildung ist von idg. Alter; sie findet genaue Entsprechungen in aind. bhrti- 'das Tragen, Unterhalt' und lat. fors 'Zufall'. Die idg. Wz. *bher 'tragen' (vgl. B a h r e ) entwickelt die entspr. Bed. auch in air. brith 'Geburt', got. bairan 'gebären', barn 'das Geborene, das Kind' und berusjös 'die geboren Gebet n. ahd. gibet, asächs. gibed, anfr. ge- Habenden, die Eltern'. Geburtshelfer m. F ü r frz. aceoucheur wird u m bet (d), ags. gebed. Das bloß deutsche b e t e n kann nicht Ausgangspunkt des westgerm. N. 1800 H e b a r z t vorgeschlagen, das sich an H e b sein. Vielmehr zu b i t t e n , wie G e b o t zu b i e - a m m e finlehnt. Daneben bezeichnet Campe 1813 t e n , mhd. (ge)se% n. 'Sitz' zu s i t z e n , me% n. Verd.-Wb. 80a G e b u r t s h e l f e r als gebräuch'Maß' zu m e s s e n . Auf der Mz. von ags. (ge)bed licher. Jean Paul belebt es durch bildlichen Geberuht mengl. bgde 'Gebete; Kugel des Rosen- brauch (s. DWb.). Verzeichnet seit Adelung 1775. kranzes; Perle'. Daher engl, bead 'Kugel am Geburtstag m. 'dies natalis', so seit L u t h e r . Rosenkranz', to teil one's beads 'den Rosenkranz Mhd. geburttac, ahd. giburt{i)tag{o) 'Tag der Ge-
beten'.
burt', dann 'Tag, an dem die Geburt sich jährt
Geck
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und gefeiert wird', insofern zu T a g 'Jahres-, Gedenktag'. Für nhd. G e b u r t s t a g s k i n d , sächs.-thür. G e b u r t s t ä g e r , setzt Jean Paul G e b u r t s h e l d . W i e g e n f e s t steht mehr in gehobener Sprache: F. Boehm, Geburtstag u. Namenstag im dt. Yolksbrauch, 1938. S. Namenstag. Geck m. 'Narr; Stutzer', mnd. geck seit 1320 als Schimpfwort, mnl. gec, nnl. gek. Engl, geck ist aus dem Nl., dän. gjcek, schwed. gäck aus dem
Geest
ebenso in einzelnen dt. Mundarten, z. B. dem Alem., wo drüajs (anord. prifa, engl, thrive 'gedeihen') die Aufgabe mit übernommen hat. Das ags. Prät. pungon mit Part, gepungen 'gediegen; erwachsen' zeigt den alten Nasal der Stammsilbe, der vor h unter Ersatzdehnung geschwunden ist. Vorgerm. *ttnkö- hat seine nächsten Verwandten in ir. con-tecim 'gerinne', ticht (aus *tenqto-) 'geronnen', pers. lanjldan 'zusammenziehen' und aind. tanc-, tanäkti 'zieht zusammen'. Von *tenk- 'gerinnen' als Ausdruck der idg. Milchwirtschaft sind in die Bed. des Gedeihens übergeführt auch kymr. tynged 'Glück' und breton. tonket 'Schicksal' (vgl. d i c h t und dick). Dem germ. Ztw. kam e-Ablaut zu. Nach Verlust des Nasals zeigt es got. und ahd. i-Ablaut, so noch
Mnd. entlehnt. Das urspr. niedersächs. Wort dringt ins Nfränk., 1385 heißen in Aachen die Hofnarren der Bischöfe von Köln und Lüttich ihre gecke\ ihre Geisteserben sind die G e c k e n 'Narren' des rhein. Karnevals geworden. Noch im 14. Jh. betritt gec(ke) hd. Boden in Hessen, kurz nach 1410 in Thüringen. Weiter südlich m h d . dihen, dech, digen, gedigen. Der gramm. stößt es auf gleichbed. obd. gagg, gaggel, gagger Wechsel der beiden letzten Formen ist nhd. zuu. ä., von denen es auch seiner Bildung nach gunsten des h ausgeglichen, das nachmals vernicht getrennt werden darf: beide sind laut- stummen mußte. Nur das alte Part, g e d i e g e n malende Schelten des Halbgescheiten, der un- (s. d.) hält sich in adj. Gebrauch, in seiner Bed. verständliche Töne ausstößt. — Das Adj. g e c k vom jungen Part, g e d i e h e n abgehoben. (jäck) 'verrückt, närrisch', das heute namentgediegen Adj. mhd. gedigen 'ausgewachsen, lich in rhein. Mundarten eine Rolle spielt, ist fest, dürr, lauter', ahd. gidigan: das alte Part, aus dem Subst. entwickelt. Es begegnet zuerst zu g e d e i h e n (asächs. githigan), g in gramm. in Oldenburg 1473 u. Lübeck 1485. Wechsel mit h wie H e r z o g neben z i e h e n , Gecko m. Die Eidechsenart der Geckonen R i e g e neben R e i h e . Nach E. Ochs, Beitr. 44» heißt nach ihren auffälligen Kehllauten malai- 318 besteht Zus.-Hang mit ahd. gideht 'fromm', isch gekok\ mit Abfall des k gelangt der laut- das allerdings auf eine »-Wurzel zurückgeht. malende Name über nnl. gekko im 19. Jh. in Geduld f . Mhd. gedull, -dolt, -dulde, ahd. gidult, die europ. Sprachen: Lokotsch 1927 Etym. Wb. älter githuld, asächs. githuld, anfränk. gethult(d), Nr. 707. mnl. ghedout (d), nnl. geduld, ags. gepyld führen Gedächtnis n. ahd. kithehtnissi 'devotio', mhd. auf germ. *gapuldis f., Verbalabstr. wie F a h r t , gedcehtnisse, mnd. gedectenis, mnl. gedachtenisse: G e b u r t , M a c h t u. v. a. Zu d u l d e n (s. d.). zu g e d e n k e n (s. d e n k e n ) , von dessen Part, gedunsen Adj., das allein erhaltene Part, eines ahd. gidäht die Bildung ausgeht, wie mhd. ge- st. dinsen 'ziehen', das in got. at-pinsan 'herbeidenknisse vom Präs.-Stamm. Das neutr. Genus ziehen', anl. thinsan, ahd. dinsan, m h d . dinsen hat gegen (früheres F.) die Lutherbibel durch- 'reißen, sich ausdehnen' eine Rolle spielt. Der gesetzt: Kluge 1918 Von Luther bis Lessing 100. germ. Wz. *pens entspricht vorgerm. *tens in Gedanke m. ahd. ga-, gidanc, -dancho, mhd. aind. tams- 'ziehen', lit. tgsiü (tgsii) 'dehnen'. gedane st. M., md. gedanke schw. M., asächs. Dieses *tens ist Erweiterung der in d e h n e n githanko, ags. geponc: Verbalabstr. zu d e n k e n . steckenden Wz. *ten. — Das Ztw. dinsen ist als Mnd. entspricht danke m., dem neunord. tanke landschaftliches (hess.) Synonym zu z i e h e n seine Bed. 'Gedanke' verdankt. Zum Eindringen (s. d.) am Leben. der schw. Formen ins Nhd.: H. Paul 1917 Dt. Geest /. das hochliegende Heideland mit SandGramm. 2, 36. boden im Gegensatz zur flachen M a r s c h (s. d.) Gedankenfreiheit f . von Schiller 1787 Don mit ihrem fruchtbaren Lehmboden. Ein Wort Carlos 3, 10 geschaffen, von Herder 1793 auf- der Nordseeküste, mnd. (seit 1139) gest, mnl. genommen (s. DWb.), seit Campe 1808 gebucht. gheest, nnl. geest, afries. gästländ, fries. gast. Schiller meint genauer die Freiheit, Gedanken Früher auch weiter landeinwärts bis Westfalen auszusprechen. und ins Rheinland, wo Flurnamen wie a m G e i s t Gedankenstrich m. kaum vor M. Claudius 1774 i als Dehnungszeichen nach e zeigen. Es ist das Sämtl. Werke 1/2, 84; gebucht seit Adelung substantivierte Adj. nd. gest, afries. gast 'un1775; behebt durch J. Paul (s. DWb.). fruchtbar, trocken, hoch', ohne -t im gleichbed. gedeihen st. Ztw., mhd. gedihen, ahd. (gi)dihan, ags. gsesne sowie in ahd. keisini f . .'Unfruchtasächs. (bi)tKhan, mnl. (ghe)dien, nnl. (ge)dijen, barkeit, Armut'. Urgerm. *gais- (auch in isL afries. thlgia, ags. (ge)pion, got. (ga)peihan 'ge- gisinn, aschwed. gistinn 'vor Trockenheit rissig', deihen, sprießen'. Im Nord, früh abgestorben, norw. mundartl. gista 'sich öffnen, dünn werden,
geeignet
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vom Walde') ist s-Erweiterung zum idg. Verbalstamm ghei- 'klaffen' (s. g ä h n e n ) . geeignet Adj. Lehnübersetzung für q u a l i f i z i e r t , von Campe 1801 vorgeschlagen, von Goethe u. a. sogleich aufgenommen. Vorstöße zugunsten von b e - , g e e i g e n s c h a f t e t waren vorher mißlungen. Auch s i c h e i g n e n für 'sich qualifizieren' (von Heynatz 1796 Antibarb. 1, 328 neu genannt) bezeichnet Campe als seinen Vorschlag. Es konnte sich anlehnen an ein älteres s i c h e i g n e n , das bei Logau u. a. 'sich gebühren' bedeutet. Die Begriffe des Geziemenden und Dienlichen wohnen auch in s i c h p a s s e n , s c h i c k e n , lat. convenire nah beisammen. Gefahr f. mhd. (seit dem 14. Jh.) geväre 'Hinterlist, Betrug, böse Absicht' (s. o h n - , u n g e f ä h r ) . Den heutigen Gebrauch kennt noch Luther nur in der Formel m i t G e f a h r des L e b e n s ; G e f a h r l a u f e n (seit 1716) wie frz. eneourir danger. In F ä h r l i c h k e i t steht noch heute eine Form ohne g e - , wie in älterer Sprache allgemein: mhd. väre, ahd. fära 'Nachstellung, Gefährdung', asächs. fär rn. 'Nachstellung', nnl. (veraltet) vaar 'Gefahr', ags. fser m. 'plötzliche Gefahr, Unglück, Angriff, engl, fear 'Furcht', anord. fär 'Zorn, Feindschaft; Schade, Not; Betrug'. Got. *fera 'Nachstellung' ist zu erschließen aus ferja m. 'Aufpasser'. Außergerm, vergleicht man gr. peira 'Erfahrung, Versuch', lat. penculum 'Gefahr', experimentum 'Versuch, Prüfung', perltus 'erfahren': idg. Wurzel *per'versuchen, wagen; Gefahr'. Gefährte m. mhd. geverte, mnd. geverde, ahd. giferto aus *gi-farteo 'Fahrtgenosse'. Gebildet wie G e h i l f e , G e n o s s e , G e s e l l e , G e s i n d e , G e s p i e l e sowie die fremden K a m e r a d , K o l lege, K u m p a n . gefallen Ztw. mhd. gevallen stets mit den Zusätzen wol, ba%, beste oder übele, ahd. gifallan 'zufallen, zuteil werden'. Ein Ausdruck des altdeutschen Kriegerlebens, dem Würfeln oder Losen um Beute oder Erbe entlehnt: e% gevellet mir wol 'das Los, die Würfel fallen mir günstig'. So stammt aus dem Spielerleben W u r f im übertragenen Sinn, desgl. S a u 'As im Kartenspiel', das von da zu 'Glück' wurde, aus dem Zecherleben s c h e n k e n in seinem Wandel von 'einschenken' zu 'geben'. Gefallsucht f. zuerst bei J . Paul 1793 Grönl. Proz. 78, als Verdeutschung für K o k e t t e r i e von Campes Preisschrift 1795 aufgenommen. G e f a l l s ü c h t i g für k o k e t t folgt bei Heynatz 1797 Antibarb. 2, 13. Gefängnis «., älter f. (Zs. f. d. Wortf. 7, 65), bed. alt 'Gefangenschaft, Gefangennahme', so immer mhd. (ge)vancnisse f. n. Mit mnd. gevencnisse, mnl. gevancnesse, nnl. gevangenis zu
Geflügel
f a n g e n . In der geltenden Übertragung auf Hausund Raum tritt G. als gewählter, amtlicher Ausdruck an Stelle der älteren K e r k e r , S c h l o ß , T u r m und der derberen K ä f i g , L o c h kaum vor Ende des 15. J h . Gefäß n. Urverwandt mit lit. pedas 'Garbe', lett. pe'da 'Bund' sind got. fetjan 'schmücken' (die Bed. entwickelt aus 'einfassen mit etw.'), gafeteins f. 'Schmuck' (aus dem Westgot. entlehnt portug. fato, span. hato 'Kleidung, Gerät, Habe'), anord. fieta 'mit etw. zu tun haben', ags. fset n. 'bearbeitetes Metall, Goldschmuck', fsetan 'schmücken'. Damit nächstverwandt sind ahd. giuä%i '(Proviant-)Ladung', mhd. gevm%e, md. geveqe 'Schmuck, Ausrüstung; Eß- u. Trinkgeschirr'. Grundbed. war die des Haltens, vgl. die verwandten f a s s e n , F a ß und F e s s e l . Unsere Bed. 'Geschirr' erscheint im Ostmd. vor Ende des 13. J h . und ist wesentlich von Luther eingebürgert, während das Obd. G e s c h i r r vorzieht, wie die Basler Bibelglossare von 1523, die Zürcher und Ecks Bibel von 1537: Kluge 1918 Von Luther bis Lessing 100. 108. gefaßt Adj. Das Part. Prät. Pass. zu (sich) f a s s e n , mhd. geva^ei (und gewäfenet), bed. im 16. J h . '(mit Kriegsvorräten und Soldaten gut)gerüstet'. Übertragen auf geistige und innerliche Vorbereitung findet sich g e f a s t kaum vor P. Fleming (f 1640) Dt. Ged. 1, 283 Lappenberg; s i c h g e f a s t m a c h e n bucht Stieler 1691. Nnl. gevat 'schlagfertig' ist nach 1700 dem Nhd. nachgebildet. gefeit Part. Zu dem unter F e e entwickelten mhd. feine f. 'Fee' gehört feinen 'nach Feenart bezaubern, fest machen'. Es verliert sein n unter Einfluß von ostfrz. feie und behält sein ei, als F e i dem neu entlehnten F e e weicht. Doch ist g e f e i t nicht vor den Freiheitskriegen belegt. Gefieder n. ahd. gifidiri, mhd. gevidere 'Gesamtheit der Federn': Kollektiv zu F e d e r wie G e b i r g e (s.d.) zu B e r g . In älterer Sprache auch 'Menge von Vögeln' (mit demselben Bed.Wandel wie G e f l ü g e l ) , seltener vom einzelnen Vogel: Zs. f. d. Wortf. 10, 118. Gefilde n. mhd. gevilde, ahd. gifildi, ags. gefilde 'Gesamtheit von Feldern', mit i neben e wie G e b i r g e , G e f i e d e r , G e r i c h t , G e s t i r n , G e w i t t e r neben B e r g , F e d e r , R e c h t , S t e r n , . Wetter. geflissen s. F l e i ß . Geflügel n. Zu ahd. fogal stellt sich das Kollektiv ahd. gifugili, mhd. gevügel, das bis in frühnhd. Zeit häufig bleibt und Sammelbegriff für Vögel überhaupt ist: gefügel noch Ryff 1544 Spiegel der Gesundh. 3 2 b ; Pictorius 1566 Leibsarznei 10 a ff. Daneben tritt unter Anlehnung an F l ü g e l « t . dessen Kollektiv spätmhd. gevlügel(e),.
Gefreiter
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das nhd. die Bed. seit dem 19. J h . 'eßbares Federvieh' gewinnt. Vgl. V o g e l . Gefreiter m. Lehnübersetzung von lat. exemptus 'ausgenommen (vom Schildwachstehen)'. Zuerst Junghans 1589 Kriegsordn. E 2 b . Oefrejder im älteren Dan. stammt aus dem Nhd. Zs. f. d. Wortf. 12, 148. Gefühl n. zuerst 1674: Ising, D. Erfassung d. dt. Sprache . . . i. d. Wbb. Kramers u. Stielers 1956, 103, bei den schles. Dichtern dafür F ü h l e f., md. vüle, nd. f5le f., mnl. ghevoelen «., erst im 17. J h . nnl. gevoel. Verbreitet ist G e f ü h l in der 1. Hälfte des 18. J h . durch die von Shaftesbury und Hutcheson beeinflußten Philosophen. Die 2. Hälfte wird die Zeit der Gefühlsseligkeit, dem frz. engl, sentiment entsprechend: E. Lerch 1938 Arch. Roman. 22, 320ff. S. f ü h l e n . gegen Präp. mit Akk. (so in neuerer Sprache nach dem Vorbild von w i d e r ; vorher mit Dat. 0 . Behaghel 1924 Dt. Syntax 2, 38), mhd. gegen, ahd. gegin, gagan. Dazu das Adv. mhd. gägen aus ahd. gagani neben gegen aus ahd. gagini. Außerhalb des Hd. entsprechen die umgelauteten Formen asächs. gegin-, afries. jên, ags. anord. gegn, und die umlautlosen ags. geagn-, gêan-, anord. gagn-, Engl, again 'wieder, zurück' beruht auf Kreuzung von ags. on gœgn mit anord. gegn; engl, against 'wider, entgegen' entspricht einem ags. tö-gegnes, anord. I gegn. Der Ursprung der germ. Stämme *gagina- : *gagana- liegt noch im Dunkel; außergerm. Beziehungen fehlen. Gegenbesuch m. Für span. contravisita erscheint bei Birken 1669 Brandenb. Ulysses 118 G e g e n - V i s i t a , für frz. contrevisite seit Ludwig 1716 Teutsch-engl. Lex. 292 G e g e n b e s u c h . Gegend f. Ital. contrada, frz. contrée 'gegenüberliegendes Gelände' (zu lat. contra 'gegen'), aus dem engl, country stammt, ergibt im 13. J h . mhd. conträte. Lehnübersetzung des roman. Worts mit abweichender Endung ist ahd. geginöti, mhd. gegende, gegent, md. gegenöte, mnd. mnl. jegenöde: Zs. f. d. Wortf. 2, 321. 3, 227. 14, 150; Kluge 1918 Von Luther bis Lessing 35. 108. Gegengift n. Gr. aniidoton wird entlehnt zu lat. antidotum. Dies wird in mlat. contravenenum nachgebildet. Danach im 16. J h . die Lehnübersetzungen frz. contrepoison, engl, counterpoison, im 17. J h . nhd. G e g e n g i f t , zuerst 1638 bei P. Fleming, Dt. Ged. 1, 199. Ihm folgen nnl. tegengif 1719, später dän. modgift und schwed. motgift. Neu gebildet ist isl. gagneitur: A. Götze 1909 Zs. f. dt. Wortf. 11, 260ff.; W. Betz 1944 Beitr. 67, 302. Gegenreformation f. für den Zeitraum von «twa 1555 bis 1648 geprägt von dem Göttinger Staatsrechtslehrer J . St. Pütter 1776, der bis dahin immer nur von „katholischer Reforma-
gehaben
tion" gesprochen hatte. Das Wort wieder bei Leop. v. Ranke, der als erster von einem „Zeitalter der G." spricht: A. Elkan 1914 Hist. Zs. 112, 473 ff. Gegenstand m. eig. 'das Gegenüberstehende'. Ein frühnhd. gegenständ 'Widerstand, Gegenwehr, -satz' erscheint zuerst im Kreis der Fruchtbringenden Gesellschaft um 1625 umgebogen zur Lehnübersetzung des schon im 14. J h . eingebürgerten O b j e k t (lat. oculo öbjectum). Der von Wolfis philos. Schule begünstigte Wortgebrauch wird noch von Dornblüth 1755 Olsen. getadelt. Gottsched setzt ihn durch, während Lessing die älteren Lehnübers. G e g e n w u r f und V o r w u r f bevorzugt: Wh. Pfaff 1933 Z. Kampf um dt. Ersatzwörter 30 f. Dän. gjenstand ist aus dem Nhd. entlehnt. Die Mystiker hatten auch understôç für subjectum gewagt. — G e g e n s t ä n d l i c h als neu bei Campe 1808. Gegenstück n. als Ersatz für P e n d a n t seit Adelung 1775 gebucht, doch Schubart 1789 Vaterlandschron. 796 noch unbekannt (Zs. f. d. Wortf. 11, 100) und erst seit 1790 durch Kant, A. W. Schlegel, Jean Paul u. Goethe durchgesetzt: Wh. Pfaff 1933 Z. Kampf um dt. Ersatzwörter 31 f. gegenüber Präp. Adv. zuerst gebucht von Stieler (1691) 1374, der doch selbst als einziges Beispiel „gegen der Kirchen über" bietet, wie noch bei Gesner, Klopstock, Wieland, Goethe der abhängige Dativ zwischen beiden Wörtern stehen kann. Die Verschmelzung geht von Fällen aus, in denen der abhängige Kasus aus dem Zus.Hang ergänzt, nicht ausdrücklich gesetzt wird (md tratten gegen vber von fernen Luther 1523 2. Kön. 2, 7). Als Zus.-Rückung aus Präp. und Adv. vergleicht sich das jüngere m i t u n t e r . — G e g e n ü b e r n . , gebucht seit Campe 1808, literar. durch Goethe 1809 Wahlverw. 2, 337, ahmt das subst. frz. vis-à-vis nach. Gegenwart f. ahd. geginwarti, Abstr. zum Adj. geginwart, woraus mhd. gegenwertec. S. - w ä r t s . Als Fachwort für P r ä s e n s setzt noch Campe 1808 „die gegenwärtige Zeit". Gegner m. kommt als Lehnübers. von lat. adversarius im 14. J h . in Norddeutschland auf, verbreitet sich aber erst im 17. J h . über das ganze Sprachgebiet: Schottel 1663 Hauptspr. 338. G e g n e r i s c h (kaum vor J . G. Boltz 1731 Auserl. in Stylo curiae vork. teutsche Redensarten 6) bleibt Rechtswort, was mnd. jegenëre, Subst. zu jegenen 'entgegentreten', zuerst auch war: C. Walther 1905 Zs. f. d. Wortf. 7, 35. gehaben Ztw. in s i c h g e h a b e n aus ahd. sih gihabên 'halten, sich befinden': zu h a b e n . Vgl. engl, behave 'sich benehmen'. Der Wunsch gehabe dich wol schon mhd.
Gehäuse
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Gehäuse n., spätmhd. gehiuse 'Hütte, Verschlag': Kollektiv zu H a u s . Gehege n. mhd. gehege 'Einfriedigung': zu Hag, hegen. geheim Adj., spätmhd. geheim, bed. urspr. (wie das ältere h e i m l i c h , s. d.) 'zum Haus gehörig' und geht über 'vertraut' in seine heutige Bed. über. Als Subst. steht frühnhd. geheim n., das im Adv. i n ( s ) g e h e i m erhalten ist; die Bildung G e h e i m n i s wird durch die Lutherbibel, die sie 6. Mos. 29, 29 und noch 36mal verwendet, verbreitet. In Basel 1523 wird Luthers geheymniß durch heimlikeit ersetzt. G e h e i m ( e ) r a t enthält als ersten Wortteil das mhd. F. geheim(d)e 'Heimlichkeit' (gebildet wie G ü t e ) . Die Trennung in G e h e i m e r R a t setzt das Adj. g e h e i m 'vertraut' voraus. gehen Ztw. ahd. mhd. gän, gen, asächs. mnd. gän, mnl. gaen, überall ergänzt durch Formen des unverwandten Stamms gang- (s. Gang). Soweit die Formen ö enthalten, geht dies auf germ. idg. e zurück (erhalten in krimgot. geen). Das zunächst bair. fränk. gen bleibt schwierig: vielleicht ist bei dem so oft gesprochenen Wort, bes. bei seinem Imperat., bair. fränk. e gegen die sonstige Regel aus ai monophthongiert. Dem hd. gän entspricht älter dän. schwed. gä (heute dän. gaa, schwed. gä), der urspr. diphth. Form gen afries. ags. gän. So gelangen wir zum Ansatz der beiden Wurzeln germ. *ge, *gai, idg. *ghe, *ghei, haben es also mit einer urspr. auf -ei ausgehenden Wz. zu tun. Diese tritt in dem Nebeneinander von aind. jd-hä-ti (idg. *ghe-ghe-ti) 'er geht weg, verläßt' und hi-nä- 'verlassen' (i Tiefstufe zu ei) zutage. Hierher gehört ferner gr. kichemi (idg. *ghi-ghe-mi) 'ich erreiche'. — Die idg. Wz. *ej- in gr. ienai, lat. Ire, lit. eili 'gehen' {s. e i l e n , J a h r ) scheint in einer ä-Erweiterung (wie sie auch in lit. jöju 'ich reite' und aind. yämi 'ich gehe' vorliegt) in den Aoristformen got. iddja, ags. eode 'ich ging' erhalten zu sein. G. Subak, Gehn e Stehn. (Triest 1930). — Der Dt. Sprachatlas bietet geh auf den Karten 104 bis 107, handschr. noch gehn (1. Plur. und Infinitiv), gehst. Gehenna /. 'Hölle'. Hebr. ge ben Hinnöm 'Tal des Sohnes Hinnoms' am Südhang des Zionsbergs ergab, weil dort erst dem Moloch Kinder geopfert, später Schutt und Müll abgeladen wurden, gehinnöm 'Hölle', das über gr. Teewa und lat. Gehenna in die europ. Sprachen gelangt ist. K. Lokotsch 1927 Etym. Wb. Nr. 705. geheuer Adj. Der idg. Verbalstamm *kei- in gr. kelmai usw. bedeutet 'liegen'. Aus dem Begriff des Lagers hat sich 'Heimstätte' entwickelt (in H e i m und Verwandten), das entspr. Adj., urspr. 'der gleichen Siedlung angehörig', ist zu 'traut, lieb' geworden, so besonders in aind. fevaK l u g e , Etymologisches Wörterbuch. 18. Aufl.
geil
und germ. *hlwa- (s. H e i r a t ) . Dazu mit -roErweiterung anord. hyrr 'freundlich, gütig', ags. hlere, hlore 'angenehm, mild', asächs. ahd. unhiuri 'unheimlich, grauenhaft' (s. u n g e h e u e r ) . Qehiure 'sanft, behaglich' ist erst mhd. überliefert, doch steht schon ahd. neben unhiuri auch ungehiuri. Das Mnd. bietet gehüre, das Mnl. gehuer, gehuire. Gehirn s. H i r n . gehorchen, gehorsam s. h o r c h e n , h ö r e n . Gehren m. 'Schoß', mhd. gère, ahd. gêro 'keilförmiges Stück Zeug oder Land; Schoß' ags. gära 'Zeugstück' (engl, gore), anord. geire 'dreieckiges Zeugstück': Ableitung zu Ger (s. d.), der Bed. wegen vgl. S c h o ß . Aus dem germ. Wort stammt die roman. Sippe von frz. giron, ital. gherone 'Schoß'. Gehrock m., möglicherweise gekürzt aus A u s g e h r o c k (G. Keller, Sinnged. 154), erscheint nach A. Gombert 1907 Bemerkg. 12 zuerst 1814; B r a t e n - , L e i b - , Ü b e r r o c k sind älter. W. Fischer 1943 Dt. Wortgesch. 2, 361. Geier m. Der größte Raubvogel, der mit zwei Arten ( B a r t - und G ä n s e g e i e r ) im deutschen Gebiet heimisch ist, heißt ahd. mhd. glr, mnd. gire, nl. gier. Das darin enthaltene westgerm. *gïr-a(n) ist Subst. eines Adj., das in ahd. glri, mhd. gire, westmd. geier 'gierig' begegnet und als ro-Bildung (wie b i t t e r , w a c k e r ) zu der unter g ä h n e n entwickelten Wz. idg. *gh%- 'das Maul aufsperren' gehört. S. G i e r . Geifer m. 'ausfließender Speichel', nur hd., kaum vor Heinrich Wittenwiler (Thurgau um 1400) Ring 529 aus slnem maul der gaijer fräst. Zum Ztw. g e i f e n 'klaffen', das z. B. bair. von Wunden, Gewändern und Schuhen steht: germ. *glp-, vorgerm. *gheib-, Erweiterung der idg. Wurzel *ghêi- 'klaffen, gähnen', die unerweitert in ahd. glèn 'gähnen' und lat. hiäre 'klaffen' vorliegt. Vgl. g ä h n e n und G e i e r . Geige f. Spätahd. giga 'tricordum' tritt im 12. J h . auf (Ahd. Glossen 4, 235, 8). Kennzeichnend für die spät auftretenden Streichinstrumente ist das Schwanken des Bogens, demgemäß knüpft Meringer, Idg. Forsch. 16, 133 an ein germ. Ztw. *geigan (in anord. geiga 'schwanken', ags. gxgan 'abirren') an, das seinen ursprünglichen Sinn in mundartl. g e i g e n 'sich hin und her bewegen' bewahrt. Aus mhd. gige stammen mnl. gige, anord. gïgja, dän. gige, aber auch ital. giga, frz. gigue, woher weiter engl, jig 'leichter Tanz' und die Scherzbildung frz. gigot 'Hammelkeule'. Die ältere F i e d e 1 (s .d.) war ohne Griffbrett. geil Adj., mhd. ahd. nnl. geil, asächs. mnd. gel, mnl. gheil, gheel, ags. gäl 'lustig, lüstern, unzüchtig', anord. geiligr 'schön' ; dazu mhd. geilen, got. gailjan 'erfreuen', mnd. gilen 'begehren', nl. gijlen 'gären', anord. gil-ker 'Gärbottich': 16
Geisel
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mit lit. gaüas 'heftig', gailiis 'jähzornig, wütend, rachsüchtig; scharf, beißend, bitter' und aslav. dzilo, alttschech. zieh, russ. do zSla 'sehr' zur Wurzel *ghoilo-s 'aufschäumend'. Abwegig Edw. Schröder Zs. f. dt. Alt. 42, 65. Geisel m. Mhd. mnd. gisel, ahd. asächs. glsal, mnl. ghisel, nnl. gijzelaar, afries. jesel, ags. anord. glsl, dän. gissel, schwed. gisslan führen auf *gheisalo-. Außerhalb des Germ, vergleicht sich der gall. Männername Congeisllus, der sich mit air. glall, kymr. gwystl, akorn. (12. Jh.) guistel 'Geisel' auf *gheistlo- vereinigt. Daneben mit Ablaut ir. gell (aus *ghislo-) 'Einsatz, Pfand'; Zur Wurzel *gheis-: *ghis- 'bürgen; Pfand', wozu *gheis(t)lo- 'Bürgschaftsgefangener'. Da der Begriff demselben bei den Kelten besonders früh und gut entfalteten Sinnbezirk angehört wie A m t , E i d und R e i c h , ist es möglich, daß die Germanen auch G e i s e l von den kelt. Nachbarn haben. Jede glaubhafte Beziehung zu andern idg. Sprachen fehlt. Geisha f. Japan, geisa 'berufsmäßige Sängerin, Tanzmädchen' ist über engl, geisha in die europ. Sprachen gelangt. In Deutschland durch eine Operette des Titels behebt geworden. Japan, sind auch B o n z e , D s c h i u - D s c h i t s u , H a r a k i r i , K i m o n o , M i k a d o und S o j a b o h n e . Geiß f. mhd. ahd. geis;, asächs. get, mnl. gheet, nnl. geit, ags. gät, engl, goat, anord. norw. geil, schwed. get, dän. gjed, got. gaits f. 'Ziege', ursprünglich im umfassenden Sinne, erst nach der Aufnahme von B o c k auf das weibliche Tier beschränkt. Außergerm, vergleicht sich Laut um Laut lat. haedus 'Ziegenbock' aus Wz. *ghaido-. Die idg. Adjektivableitung -mo (vgl. S c h w e i n ) ergibt germ. gaitina-, got. gaitein 'Zicklein', ags. gseten und ahd. geizi(n) 'von Ziegen' (ähnl. lat. haedinus 'vom Bock' (M. 'Ziegenfleisch'), das zur affektgeschärften Jungtierbezeichnung K i t z (s. d.) führt. — Früher auch im Niederdt. verbreitet, gilt G e i ß heute im Ober- und Mitteidt. bis Westthüringen und Hessen sowie z. T. unverschoben westl. des Rheins. Das angrenzende slav. koza hat Verwandte in germ. holclna-, ags. hsecin, mnd. höhen und mnl. hoekijn, wovon brandenbg.-pom. Höhen fortlebt. Genauer (auch zu G e i ß u. ä.) K. Rein (s. Ziege). Geißel /. ahd. geisila, mnl. ghesele 'Peitsche', anord. geisl 'Schistab', geisli 'Stab, Strahl'. Das Wort ist mit dem Suffix -ilö(n) der weibl. Gerätnamen (vgl. G a b e l , G ü r t e l , H e c h e l , S c h a u f e l , S p i n d e l , W i n d e l ) von einer älteren Form des germ. *gaizd- (s. Ger) abgeleitet, in der Verners Gesetz noch nicht gewirkt hatte, bed. somit urspr. 'kleiner, spitzer Stab; Treibstecken'. In Ablaut dazu langobard. glsil 'Pfeil'. Nhd. ist der Geltungsbereich von G e i ß e l durch den slav. Eindringling P e i t s c h e (s. d.) ein-
geistreich
geengt. Unser Wort gilt im Erzgebirge, in Westthüringen, Hessen, Luxemburg sowie obd. Siebenb. gïssl stimmt zu moselfränk. geißel. Geißfuß m. Name verschiedener Geräte, vor allem eines Heb- oder Brecheisens mit gespaltener Angriffsfläche, einer Stange mit Doppelklaue am Ende, eines Nagel- und Zahnziehers sowie eines Beitels (s. B e u t e l 1 ) mit gewinkelter Schneide. Vor Mitte des 15. J h . nach der Ähnlichkeit mit dem Huf der Ziege gei%vuo% genannt: Kluge 1911 Seemannsspr.309; H.Fischer, Schwäb. Wb. 3, 239. 6 , 1 9 9 7 . Geist m. mhd. ahd. geist 'Geist' (im Gegensatz zum Körper), 'überirdisches Wesen', asächs. gëst, mnl. gheest, nnl. geest, afries. jèst, gast, ags. géêst, gast, engl, ghost, somit westgerm., während got. ahma galt (s. a c h t e n ) . Nächstverwandt sind ags. géèstan (aus *gaisijan) 'in Schrecken versetzen', bair. geister 'quäler', engl, aghast 'aufgeregt, zornig', ghastly 'gräßlich'. Außergerm, vergleichen sich aind. hêd- 'zürnen', heda- m. 'Zorn', hldati 'erregt, kränkt': sämtlich zu idg. *gheizd-, einer Erweiterung zur Wurzel *gheis'aufgebracht (sein)', die unerweitert vorliegt in got. usgeisnan 'außer Fassung geraten', usgaisjan 'außer Fassung bringen', anord. geiski m. 'Schreck', geiskafullr 'entsetzt', awest. zaësa'schauderhaft', zöisnu- 'schaudernd'. — Gegea die Bemerkung von V. Machek in: Die Sprache 1958, 75, in G. könnte hethit. istanza- 'Seele;, selbst' mit Prät. ge- verbunden sein, spricht schon das idg. Fehlen vor Nomen, s. ge-. — Das germ. Wort mit dem Sinn 'Ekstase' wird von der ags. fränk. sächs. Mission verchristlicht, die polemische got. obd. scheut davor zurück, setzt dafür A t e m , das dann jenem weicht: W. Betz in: Liturgie u. Mönchtum X X 48. Geistesgegenwart f. Frz. présence d'esprit ergibt seit 1754 (Mod. lang, notes 4 4 , 1 3 7 ) „Gegenwart des Geistes". Die Zus.-Setzung kaum vor Herder 1791 Ideen 4, 320. Geisteskultur s. K u l t u r . geistlich Das Adj. ahd. geistlich ist zu geist gebildet, wie lat. spirituälis zu spiritus. Auch das im 15. J h . auftretende Subst. der G e i s t l i c h e i s t Lehnübersetzung des entspr. Gebrauchsvon spirituälis. geistreich Adj. geistrich, geisterrich verwendet Heinrich Seuse f 1366 für 'spirituälis', aus dieser Tradition der Mystik übernimmt Luther 1526 g e y s t r e i c h e p r e d i g e r , 1534 g e i s t r e i c h e r P o e t , d . i . vom Heiligen Geist erfüllte Die Hochrenaissance säkularisiert den Begriff: 1624 ist bei Opitz der homo spirituälis poeticus g e i s t r e i c h . Mit der Aufklärung wird der Sinn vom Dichterischen auf den Intellekt ausgedehnt (Leibniz 1682). Modewort wird es in der Klassik und Romantik um 1800, beim Jungen Deutsch-
Geiz
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land (aber da ist geistreich auch = zerrissen, unproduktiv) und zuletzt am Ende des 19. J h . ; nunmehr in der Wissenschaft, während in der schönen Literatur ironischer Nebensinn durchbricht. Dieser hat schon seit Luther auftauchen können, besonders seit der Mitte des 19. Jhs., als man die jungdeutsche „Brillanz" satthatte. Bei Immermann taucht dazu g e i s t r e i c h e i n auf. Ähnliche Schicksale hat das Ersatzwort g e i s t v o l l und hat die Verneinung g e i s t l o s : W. Stammler, in Gedenkschrift für F. J . Schneider 1956 (Halle) 350. Geiz m. bedeutet in älterer Sprache "Habsucht, Gier'. Die Grundbedeutung hat sich in E h r g e i z erhalten. Der heutige Sinn (geizig 'der nichts ausgeben will') tritt zuerst als Nebenvorstellung auf und fängt im 18. J h . an, der übliche zu werden. Mhd. ahd. glt 'Gier, Habgier' mit dem Adj. mhd. gltec, ahd. gltag '(habgierig' und dem schw. Ztw. mhd. glten '(habgierig sein'. Daneben die gleichbed. Weiterbildung mhd. git(e)sen, gizen, aus der spätmhd. glze, nhd. Geiz rückgebildet wird, wie S c h e r z aus s c h e r z e n . Das nächstverwandte ags. gltsian 'begehren, verlangen' zeigt t aus d vor s. Außergerm. entsprechen aslav. iidg, Bdati, russ. Sdu, idaf 'warten' sowie lit. geidiiii 'begehre', galdas 'Verlangen', gldis 'gierig'; lett. gäidu, gäidit 'warten', gaida 'Erwartung'; apreuß. geide, gieidi 'sie warten'. Zur Wurzel *gheidh- 'begehren, gierig sein'. Dasselbe Wort ist das seit 1721 bezeugte Geiz m. 'Nebentrieb an Rebstock, Tabak- und Tomatenpflanze': ursprünglich 'der den Saft zu gierig an sich saugende Sproß'. S. F u r u n k e l . Geize /. mhd. geize, ahd. geiza 'Pflugsterz', das gegabelte Holzstück, an dem der Bauer den Pflug hält, wie eine Geiß bei den Hörnern: -jönFem. zu Geiß, das im Schwäb. auch selbst 'Pflugsterz' sein kann, wie anderwärts R e h : H. Fischer, Schwäb. Wb. 3 (1911) 234. 5 (1920) 246f. So steht R ö h r e neben R o h r , ahd. gibilla neben gibil, s. G i e b e l 1 . Geizhals m. ist im 16. J h . dem Wortsinn gemäß 'gieriger Rachen'. Uber 'Schlund eines Gierigen' wird es seit Luther mit pars pro toto zur Schelte des Habgierigen, nachmals des Geizigen. In diesem Sinn tritt seit Campe 1808 Geizk r a g e n daneben; dabei steht K r a g e n in seiner alten Bed. 'Hals'. Gekröse n. mhd. gekroese 'das kleine Gedärm' wofür auch krosse. Vorauszusetzen ist ein gleichbed. ahd. *krösi\ belegt ist nur chröse n. 'Krapfengebäck'. Außerdeutsch vergleicht sich mnl. croos, nnl. kroost 'Eingeweide geschlachteter Tiere'. Sämtlich zu k r a u s (s. d.), zu dem sich auch frühnhd. gekrös(e), kröß n. 'vielgefältelte Krause' stellt.
gelb
Gelächter n., mhd. gelehter, älter lahter, ahd. (h)lahtar, ags. hleahtor, engl, laughter, anord. hlätr, norw. laatt, dän. latter: s. l a c h e n und F. Kluge 1926 Stammbildungsl. § 141. Gelage n. zu l e g e n , somit 'Zusammengelegtes', dann 'Schmauserei', ganz wie got. gabaür m. (zu bairan 'tragen') über 'Zusammengetragenes' zu 'Festgelage' geworden ist. Anknüpfung an die im Liegen gehaltenen Feste der Alten ist unmöglich, weil das zuerst im 14. J h . auftretende nrhein. gelöch, geloyg nicht aus humanist. Kreisen stammt. Zur Bed. vgl. P i c k n i c k , Zeche. Frühnhd. steht dafür kollaz /. aus lat. eollatio, das auch in schwed. kalas (älter collatzie, collats) 'Schmaus, Fest' nachwirkt. Geländer n. Im 14. J h . tritt gelanter, im 15. gelenter, gelender als Kollektiv zu mhd. lander n. f. 'Stangenzaun' auf, das mit lit. lentä 'Brett' verglichen wird. Vgl. L a t t e , L a n d e unter Deichsel. gelangen Ztw. ahd. gilangön 'erreichen', eig. 'einen langen Weg gehen': sekundäres Ztw. zum Adj. l a n g , s. d. Gelaß n. mhd. gelce^e '(Art der) Niederlassung' zu gelä^en 'sich niederlassen'. Das zugehörige Part. mhd. geladen ist in der Sprache der Mystiker über 'maßvoll in der Gemütsbewegung' zu '(gott-)ergeben' geworden; mit gelä^enheit f. '(Gott-)Ergebenheit' haben es die Schwärmer und Täufer des 16. J h . aufgenommen. Unter Luthers Widerspruch sind beide ins Nhd. gelangt und von den Pietisten des 18. J h . durchgesetzt worden: Kluge 1918 Von Luther bis Lessing 48; Sperber 1930 Dt. Viert.-Schr. 8, 508. Gelatine f. Zu lat. geläre 'frieren' (urverw. mit k a l t , s. d.) gehört als Part, gelätus 'gefroren'. Dazu bilden Alchimisten des 16. J h . nlat. gelalina f. 'Gallertstoff', das, zunächst lat. flektiert, seit 1721 in deutschen Texten erscheint: H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 239. gelb Adj. Idg. -wo bildet Farbnamen wie lat. fulvus, furvus, flavus, gilvus, rävus, aind. syävd 'braun', aslav. sivü 'grau', plavü 'weiß', lit. palvas 'falb', Hfvas 'grau'. Aus dem Germ, haben gleiche Bildung ahd. faro 'farbig', bläo 'blau', gräo 'grau', sah 'dunkel', asächs. ialo 'fahl', ags. baso 'purpurn', haso 'grau', anord. hgss 'grau': Kluge 1926 Stammbild. § 187. In diesen Kreis stellt sich g e l b , mhd. gel, ahd. geh (Gen. gelwes), asächs. geh, mnl. ghele, ags. geolo, engl, yellow (doch anord. gulr). Dem germ. *gelwa- entspricht vorgerm. *ghelwoin lat. helvus 'honiggelb'. Zur Wz. idg, *ghel, *ghlo gehören auch gr. chlö-ros 'grün, gelb', chloe 'Grünes', aslav. zelenü 'gelb, grün', lit. ielvas 'grünlich', awest. zari- 'gelb', aind. häri 'gelblich'. Weiterhin sind verwandt G a l l e , g l ü h e n , Gold. S i c h gelb ä r g e r n beruht auf 16*
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Gelbschnabel
guter Beobachtung: nach starkem Ärger tritt die Galle infolge eines Krampfzustands der Gallenwege nicht in den Darm, sondern in die Blutbahn. Die gleiche Erscheinung zeigt die Gelbsucht,
mhd.
gelsuht,
mnl.
gheelsucht,
asächs. gélasuht. Das gleichbed. frz. jaunisse beruht auf derselben Anschauung. Die Gelben 'Freiorganisierten' im polit. Kampf stammen aus frz. les jaunes. Darüber wie über gelbe P r e s s e E . Lerch 1940 Journ. of Engl, and Oerm.
Philol. 39, 201 ff. Vgl. S c h w a r z a r b e i t e r . Gehl steht neben gelb wie f a h l neben f a l b ; dazu obersächs. Gehlchen 'Pfifferling'. Gelbschnabel m. Wie frz. béjaune
(aus bec-
jaune), nnl. geelbec in eigentl. und übertragenem Sinn gebraucht werden, so wird G., das von Haus aus 'junger Vogel, der an den Seiten des Schnabels noch gelb ist' bedeutet, bei Stieler (1691) 1894 verzeichnet als G ä l s c h n a b e l Hmlerbis juvenculus' mit der Redensart „Einem das Gelbe vom Schnabel wischen . . . vitia juvenum objurgare". G e e l s c h n a b e l schon bei Mathesius 1586 Sirach 1, 33. Geld n. zu g e l t e n ,
s. d. Ahd. m h d .
gelt,
Gen. geltes 'Vergeltung, Vergütung, Einkommen, Wert'. Die Bed. 'geprägtes Zahlungsmittel' ist jung und fehlt den verwandten germ. Wörtern, s. Gilde. Dafür got. skatts (s. Schatz), falhu (s. Vieh), ags. feoh, engl, money. Wandel von t zu d wie in d u l d e n , G e d u l d , Gilde, K o b o l d , milde, Mulde, S c h i l d , s c h i l d e r n ; d erscheint in flektierten Formen schon mhd., bes. in md. Texten; anderseits hält sich t bis ins 17. Jh. Gelee n. Das F. des unter G e l a t i n e entwickelten lat. gelätus 'gefroren' ergibt frz. gelée f . 'Geronnenes'. Bei uns erscheint das F. als Küchenwort für 'gestandener Saft' seit Amaranthes 1715 Frauenz.-Lex. 45.641 ff. Wie bei En t r e e und F r i k a s s e e dringt im 19. Jh. N. durch. gelegen Adj. Das P a r t , zu ahd. giligan
gelt
tragen: Sammelbildung zu mhd. lanke, ahd. (h)lanca 'Hüfte' als 'Stelle, wo man sich biegt'. Mit ags. hlence 'Glied oder Ring in einer Kette' und anord. hlekkr 'Ring', Mz. Mfkkir 'Fessel, Kette' zur Wz. *kleng- 'biegen, winden', die außergerm. in lat. cingö 'ich umgürte, umschließe' erscheint. — Schreibung mit e hat sich in Gelenk gehalten, weil keine Formen mit a daneben standen (vgl. F e r k e l , G e s p e n s t , K e r k e r , welsch). Unser Adj. g e l e n k ( i g ) , mhd. gelenke 'biegsam, gewandt' gehört zu 1 e n k e n, wie b e r e d t zu r e d e n . Vgl. F l a n k e und l e n k e n . Gelichter n. Ausdrücke für 'Geschwister' gehen mehrfach auf Grundwörter der Bed. 'Mutterschoß' zurück, z. B. gr. adelpMs 'Bruder' auf delphjs
'uterus',
anord. (poet.) barmi
'Bru-
der' auf larmr 'Schoß'. So stellt sich ahd. *gilihtiri 'Geschwister' zu lehtar 'Gebärmutter', das seinerseits zu ahd. ligan gehört, somit 'Ort des Liegens' bedeutet. Erschlossen muß die Bed. 'Geschwister' auch noch für mhd. gelihter werden, denn schon in den ältesten Belegen bedeutet das im 13. Jh. auftretende Wort 'Sippe, Art', später 'Zunft, Stand'. Seit dem 17. Jh. dringt (wie in Gesinde und S i p p s c h a f t ) herabsetzender Sinn durch. Schwäb. gelichtergit 'zu einem Paar gehörig' ist gebildet wie geswistergit (s. Geschwister). Eine Spur des alten Sinnes wahrt auch siebenb. geläftr 'ein Stück von einem Paar'. Auffällig ist hier und in bair. tirol. glifter das ft, literarisch seit Abr. a Sta. Clara 1686, darüber P. Kretschmer 1910 Glotta 2, 207. gelingen
st.
Ztw.,
mhd.
gelingen
'Erfolg
haben, glücken', mhd. mnd. lingen 'vorwärtsgehen, gedeihen', ahd. gilingan 'glücken'. Mit l e i c h t , L u n g e , l u n g e r n zur idg. Wurzel *le(ri)guh- 'leicht in Bewegung und Gewicht'. gellen schw. Ztw. ahd. gellan st. Ztw. 'laut
tönen, schreien', m h d . gellen (gille, gal, gullen), ist mnl. ghellen, ags. giellan, engl, yell, anord. gjalla
gilegan 'angrenzend, verwandt', mhd. gelegen 'benachbart, zur Hand, passend', das davon abgeleitete mhd. gelègenheit 'Art wie etwas liegt, Stand der Dinge, Beschaffenheit'. Nhd. Gel e g e n h e i t bedeutet zunächst nur 'Lage'. Erst allmählich ist das Wort in die Rolle hineingewachsen, lat. occasio, frz. occasion usw. zu
vertreten: E. Lerch 1942 Geistige Arbeit Jg. 9, Nr. 21, S. 6f. G e l e g e n t l i c h aus mhd. gelegenlieh 'angrenzend, gelegen' zeigt seit Beginn des 18. Jh. zwischen n und l denselben Gleitlaut wie e i g e n t l i c h , s. d. Geleise s. Gleis. Gelenk n. mhd. gelenke 'biegsamer Teil des Leibs zwischen Rippen und Becken', von diesem Gelenk des ganzen Körpers wird frühnhd. gelenkt) auf jeden biegsamen Körperteil über-
'ertönen': zur idg. Schallwurzel *ghel- 'rufen, schreien' wie g a l s t e r n u. N a c h t i g a l l . geloben Ztw. a h d . gilobön, m h d . geloben, m n d .
geloven bed. als Zus.-Setzung mit l o b e n urspr. 'billigen, beistimmen'. Über 'beipflichtend versprechen' ist die heutige Bed. früh erreicht. Gelse f . ist Bezeichnung der Stechmücke in Österreich, auch in der Zips und Siebenbürgen. Zum Ztw. mhd. gehen 'schreien' (das z. B. in eis. gelse 'laut schreien', bair. gelse(l)n 'summen', kämt, gölsn 'heulen' fortlebt), einer Weiterbildung zu g e l l e n , s. d. Das F. tritt im 15. Jh. auf. Die Verbreitung in Österreich mit mundartl. Formen, zeigt die Karte 'Mücke' von Th. Schumacher bei Mitzka, Dt. Wortatlas I (1951). gelt, g a l t Adj. 'keine Milch gebend, unfruchtbar'. Ahd. mhd. obd. galt, md. mnd.
gelt
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gelde, mnl. ghelt (d), nnl. geld, ags. gielde, engl, (schott.) yeld, anord. geldr, aschwed. galder, schwed. gall, norw. gjeld, dän. gold fühlen auf germ. *gald(i)a-, Part, zu ahd. galan (s. N a c h t i g a l l ) '(Zauberlieder) singen', also 'beschrieen, verhext', zum idg. Verbalstamm *ghel- 'schreien': P. Lessiak 1912 Zs. f. dt. Alt. 53, 146. — Vgl. G i c h t 1 . gelt Interj., mhd. (14. J h . ) gelte, Konj. Präs. zum Inf. g e l t e n , mit dem man sich zur Wette erbietet: 'es möge gelten'. Frühnhd. begegnen auch gleichbed. was gelt's und der Plur. geltet, wie heute in Österreich geltns? Heute ist g e l t vorwiegend ein Wort des Südens und Westens; dem Nd. fehlt es: Kretschmer 1918 Wortgeogr. 23. Gelte /. Mlat. galleta 'Gefäß, Kübel' (wozu die roman. Sippe von lomb. galeda, engad. gialaida, afrz. jaloie 'Eimer') gelangt in karol. Zeit ins Germ, und ergibt ahd. gellita, ags, gellet, mhd. gelte 'Gefäß für Flüssigkeiten'. Das einst verbreitete Wort gilt noch in Thüringen und der Pfalz, obd. vom Elsaß bis Kärnten. gelten st. Ztw. Mhd. gelten, ahd. geltan '(zurückzahlen, wert sein, entschädigen; opfern', asächs. gtldan, mnl. ghelden, nnl. gelden, afries. jelda, ags. gieldan, engl, yield, anord. gjalda, dän. gjcelde, got. fra-, usgildan führen auf germ. *geldan 'erstatten, entrichten (besonders in Opferhandlungen)'. Daneben wird gleichbed. germ. *gelpan vorausgesetzt durch aschwed. gjalla, schwed. gälla. Die germ. Sippe ist gut entwickelt (s. G e l d , Gilde), dem vorgerm. *ghel-tö 'zahle' entspricht aslav. Sledg 'zahle' (V. Machek, Slavia 1953, 252), während lit. geliüoti 'gelten' auf Entlehnung aus dem Germ, beruht. Gelübde n. ahd. güubida f., mhd. gelüb(e)de f. it., zu ahd. gilobön (s. g e l o b e n ) wie B e h ö r d e zu b e h ö r e n , G e b ä r d e zu ahd. gibären. Das F. gilt von Notker bis ins 18. J h . ; das im Mhd. durchdringende N. hat offenbar ein ahd. *gilubidi zur Voraussetzung. gelüsten schw. Ztw., mhd. gelüsten, ahd. gilusten, asächs. lustian, mnl. nnl. lusten, ags. gelustian, lystan, engl, list, anord. lysta: die gemeingerm. -;'an-Bildung zu L u s t (s. d.) wird unpersönlich verwendet. Daneben das gleich alte got. ahd. lustön 'begehren' in persönlichem Gebrauch. Geize f. mhd. galze, gehe, ahd. galza, gelza, mnd. gelte 'verschnittenes Mutterschwein', ags. gielte, engl, yilt, anord. gylta, älter dän. gyli(e) 'junge Sau': mit Dentalerweiterung zum idg. Verbalstamm *ghel- 'schneiden', der durch aind. hala 'Pflug', armen, jlern 'furche, pflüge' und ags. gielm 'Garbe' gesichert ist. Heute ist G e i z e noch häufig in Fam.-Namen wie Gclzer, Gölz(n)er, Gelzenleichter, -leuchter, Geizmann.
gemein
Gemach n. Zu m a c h e n in s. Grundbed. 'formen, fügen' stellt sich (ausgehend von einer Bed. 'was sich gut fügt') ahd. gimah (hh) n. 'Bequemlichkeit, Vorteil', mhd. gemach 'Ruhe, Behagen, Pflege', seit der klass. Zeit auch 'Ort, wo man sich pflegt; Zimmer': diese Bed. zuerst in Sätzen wie an sin gemach gen. Frz. commoditi, nnl. (geheim) gemak sind den gleichen Weg gegangen; entspr. hat anord. hwla 'Ruhe' die Bed. 'Ruhelager' erlangt in Verbindungen wie ganga til hmlu. Unser Adj. g e m a c h wahrt den alten Sinn; ihm entspricht asächs. gimah, ags. (ge)mcec, anord. makr 'passend'. Dazu das Adv. g e m ä c h l i c h , ahd. gimahlihho, nnl. gemäkkelijk 'bequem'. Vgl. a l l m ä h l i c h . Gemacht n. ahd. gimaht(i) f. n. 'Zeugungsglied, testiculi', mhd. gemäht, Plur. gemehte, anl. gimaht 'penis': zu M a c h t /. in der Sonderbed. 'Zeugungskraft (des Mannes)' mit späterer Übertragung auf den diese Kraft tragenden Körperteil, wie S c h a m . — Dagegen ist G e m ä c h t ( e ) n. 'Geschöpf' ein ahd. gimahhida, -idi, mhd. gemächede, zu m a c h e n wie B e h ö r d e , G e b ä r d e , G e l ü b d e zu b e h ö r e n , g e b a r e n , geloben. Gemahl m. mhd. gemahel(e) 'Bräutigam, Gatte'; gemahel(e), -mehele, -mal f. (N. seit und durch Luther) 'Braut, Gattin'; dafür G e m a h l i n seit P. D. Longolius 1648 Sich. Nachr. 1, 28. Ahd. gimahalo m. 'Bräutigam, Gatte'; gimahala f. 'Braut': dt. Bildungen zu germ. *mahla-\ dies mit dem unter B e i l erörterten Lautwandel aus älterem *maßla-: *madla- aus *mod-tlo- n. 'öffentliche Versammlung, Verhandlung' in ahd. asächs. mahal, ags. mcedel, anord. mal, got. mapl, mlat. mallum, auch enthalten in Ortsnamen wie D e t m o l d (8. J h . Theotmalli) und M e c h e l n (mlat. Machlinium) sowie in langob. gamdhal 'Eideshelfer'. Im Ausgangspunkt steht das feierlich vor der Volksgemeinde gegebene Wort; got. mapljan 'reden' usw. vergleichen sich dem gr. agoreüein 'reden' neben agord 'Markt'. Die germ. Wortgruppe stellt sich zur idg. Wurzel *möd- oder *mäd-: *mad- 'begegnen, herbeikommen' in mhd. muo%e, asächs. ags. anord. möt, engl, moot 'Versammlung', asächs. mötian, afries. meta, ags. mietan, engl, meet, anord. meta, got. gamötjan 'begegnen'. Außergerm, vergleicht sich armen, matiim 'nähere mich'. S. M a h l 1 und v e r m ä h l e n . Gemälde w. spätahd. gemälidi, mhd. gemml(d)e 'Malerei, Bild'. Zu m a l e n , s . d . Bildungsweise wie bei B e h ö r d e , G e b ä r d e , G e lübde, Gemächt(e). gemäß Adv. ahd. gemäße 'angemessen', ags. (ige)msete: zu m e s s e n , wie g e n e h m zu n e h m e n . gemein Adj. Mhd. gemein(e), ahd. gimeini 'gemeinsam, zusammengehörig, gemeinschaft-
Gemeinde
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lieh, allgemein', asächs. gimeni, mnd. gemeine, -men(e) (hieraus entlehnt dän. schwed. geinen), anfr. gemeini, mnl. ghemene, nnl. gemeen, afries. mene, ags. geratene 'allgemein, gemeinsam; schlecht, falsch', engl, mean 'gemein, niedrig', got. gamains 'gemeinsam; unheilig' führen auf germ. *gamaini-. Ebenso gebildet ist lat. com'gemeinsam'. munis (alat. Akk. eo-moinem) Unter M e i n e i d wird das einfache Adj. ahd. mhd. mein und seine Verwandtschaft entwickelt; dort wird auch der Zusammenhang der Sippe mit Wörtern des Sinnes 'Tausch, Wechsel' nachgewiesen. G e m e i n hat seine Bedeutung von 'mehreren im Wechsel zukommend' verschoben zu 'mehreren in gleicher Art gehörig'; darin ist es heute durch a l l g e m e i n und g e m e i n s a m eingeschränkt. Was alle gemein haben, kann nicht edel sein; daher verächtlich: gemeiner Kerl, Sinn. Nur so das Adv.: gemein handeln. Gemeinde f. ahd. gimeinida, mhd. gemeinde, asächs. gimeniha, mnl. ghemeende '(kirchl. und bürgerl.) Gemeinschaft', gebildet wie B e g i e r d e , F r e u d e , Zierde. Das Zus.-Treffen mit lat. eommünio (frz. commune) legt nahe, an Lehnübersetzung im kirchl. Bereich zu denken, wie bei got. gamainps 'Versammlung'. Gemeingeist m. Engl, public spirit (seit 1654) bietet Leibniz in frz. Text als esprit public. Herder kann 1796 im Zitat aus Leibniz (Suphan 17, 268) G e m e i n g e i s t sagen, weil F. H. Jacobi 1785 Über die Lehre des Spinoza S. 166 diese Prägung gebraucht hatte, vielleicht gestützt auf ein Lied Zinzendorfs von 1737, in dem G e m e i n g e i s t als 'Geist der religiösen Gemeinde' begegnet. Schiller nimmt Jacobis Prägung 1792 auf und entscheidet damit gegen das sonst versuchte A l l g e m e i n g e i s t : Zs. f. dt. Wortf. 2, 67. 6, 325; F. Kainz 1943 Dt. Wortgesch. 2, 226. 241. Ganz, Einfl. d. Engl. 82. Gemeinplatz m. Das bei den Humanisten des 16. J h . beliebte locus communis (frz. lieu commun, nnl. gemeenplaats) ergibt engl, commonplace. Wieland gibt es 1770, Jean Paul 1783, Goethe 1786 mit der Lehnübers. G e m e i n p l a t z wieder, die Adelung noch 1796 schroff ablehnt. Kant und Lessing sagen G e m e i n o r t , Goethe auch G e m e i n s p r u c h , er und Schiller G e m e i n s a t z . Campe setzt G e m e i n p l a t z durch. Sein g c m e i n p l ä t z l i c h (für b a n a l , t r i v i a l ) hat Schiller sogleich aufgenommen: Wh. Pfaff 1933 Kampf um dt. Ersatzwörter 32. gemeinsam Adj. Adv., mhd. gemeinsam, ahd. gameinsam, nnl. gemeenzaam. Das Vorbild des gleichbed. lat. communis ist deutlich, doch fügt die Lehnübersetzung die kennzeichnende Endung hinzu. G e m e i n s a m k e i t 'communio, communitas' zuerst in Nürnberg 1482. Älter G e m e i n -
Gemüt
s a m e F., heute vor allem im alem. Gebiet, mhd. gemeinsamere), ahd. gimeinsami 'communio'. Gemeinsprache f., vorbereitet durch Luthers „gemeine teutsche Sprache", geprägt erst von Campe 1807 Wb. d. dt. Spr. 1, V I I I „Kein Theil unsers gemeinsamen Vaterlandes . . . soll sich anmaßen, seine besondere Mundart den andern Theilen als Gemeinsprache aufzudringen". Bei ihm mit den Begriffen H o c h d e u t s c h , S c h r i f t - und U m g a n g s s p r a c h e , von späteren auch mit E i n h e i t s - , H o c h - , K u l t u r und L i t e r a t u r s p r a c h e unerträglich gemischt. Die notwendigen Grenzen ziehen erst H. Naumann, Gesch. d. dt. Literatursprachen (1926), K. Kaiser, Mundart u. Schriftsprache (1930) sowie E. Brodführer 1939 Trübners Dt. Wb. 3, 94 f. Gemme /. 'geschnittener Stein'. Lat. gemma (urspr. 'Auge, Knospe am Rebstock') ist in der Bed. 'Edelstein' als ahd. gimma, mhd. gimme, ags. gimm, gemme, ir. kymr. gern geläufig gewesen, aber zu Ausgang des Mittelalters verlorengegangen. Neu entlehnt wird das Fachwort, seit mit Lessing 1768 die geschnittenen Steine der Alten aus ital. Sammlungen neu in den Gesichtskreis deutscher Forscher kamen. Engl, gern beruht auf frz. gemme: H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 240. Gemse f. Antilope rupicapra: die einzige Antilope (s. d.) Mitteleuropas. Als vorroman. Alpenwort erscheint camox 448 n. Chr. in lat. Text, weiterhin ergibt es ital. camozza, span. camuza, katal. gamussa, frz. chamois, rätorom. chamotsch. Dazu stimmt ahd. *gamuz f. (Endung nach hiru% 'Hirsch'), das für mhd. gam(e)%, bair. tirol. gams vorauszusetzen ist. Im Suffix weicht ahd. gamiza ab, das seit dem 12. J h . in österr. tirol. Texten auftritt und mhd. gemz liefert. Daneben setzt mhd. gemeqe, nhd. G e m s e ein ahd. *gami%a voraus: Palander 1899 Ahd. Tiernamen 112 f. H. Güntert 1932 Labyrinth 22 bezieht das Alpenwort camox zu voridg. *kam- 'Stein' und vergleicht S t e i n b o c k . Gemüse s. Mus. Gemüt «., mhd. gemüete, nnl. gemoed bedeutet als Sammelbildung zu Mut (s. d.) ursprünglich 'Gesamtheit der seelischen Kräfte und Sinnesregungen', erst in ziemlich junger Zeit wird es zum 'Sitz der inneren Empfindung': R. Hildebrand 1893 DWb. 4, 1, 3293 ff. Getrennt davon gehört zum Adj. ahd. gimuoti, ags. gemeede 'mit Sinn und Wunsch übereinstimmend, dem Sinn gemäß, angenehm, lieb' dessen Substantivierung mhd. gemüete, md. gemüde, asächs. gimödi, mnl. gemeede n., erhalten in dem vor allem nfränk. Rechtsausdruck gemnede n. 'was jem. nach dem Sinn ist', besonders in der Formel bl enes gemoede 'mit seiner Zustimmung'. Wieder getrennt von der ja-Bildung besteht ein
gemütlich
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adj. d-Stamm mhd. gemuot, md. gemüde 'einen muot habend, gesinnt, gestimmt', der namentlich in w o h l g e m u t (s. d.) fortlebt: W. Braune 1918 Beitr. 43, 356ff. gemütlich Adj. Mhd. gemüetlich 'genehm; wohlgemut' löst die einfachere Bildung ahd. gimuatï 'wohltuend' ab, bleibt aber selten; ebenso frühnhd. gemütlieh 'das Gemüt angehend, lieb'. Seit etwa 1700 in pietist. Schriften bevorzugt, wird g. von Klopstock den Herrnhutern zugewiesen, von Goethe in vertiefter Bed. der Schriftsprache zugeführt. — G e m ü t l i c h k e i t f., kaum vor Adelung 1775, nennt Görres 1814 als neues Stichwort zeitgenössischer Deutschtümler. Der deutschen G. folgt die Wiener 1839, die sächsische 1847: Zs. f. d. Wortf. 5, 111; 13, 99; Ladendorf 1906 Schlagwb. 53; Sperber 1930 Dt. Viert.-Schr. 8, 504. gen Präp., verkürzt aus frühnhd. gehn, dies aus mhd. gein, das seinerseits aus ahd. gegini 'gegen' zus.-gezogen ist. Luther braucht gen von der Richtung nach einem Ort. Aus der Bibelsprache wirkt namentlich die Formel gen H i m m e l nach. Die verwandten Sprachen kennen ähnliche Zus.-ziehungen, z. B. afries. jên 'gegen', ags. gegn 'gerade; wider', anord. gegn (woraus entlehnt engl, gain) 'gerade, recht', dän. gen- 'gegen(über)'. genau Adj. spätmhd. (md.) (ge)nou, Gen. nouwes 'sorgfältig', wozu als Adv. (ge)nouwe 'kaum', nnl. nauw 'eng, pünktlich'. Wohl eines mit ags. hnëaw, anord. hnoggr 'karg', zu hnaggva 'stoßen', ahd. hniuwan, gr. knyein 'schaben'. Gendarm m. Frz. gens d'armes 'Bewaffnete', unter Karl VII. im 15. Jh. eingeführt, bezeichnet in der Königszeit die schwere Kavallerie. Entspr. heißt bis 1806 ein preuß. Kürassierregiment; daher der G e n d a r m e n m a r k t in Berlin, z. B. Voss. Ztg. 1770, Nr. 130 „Der Schauplatz ist auf dem Gens d'Armenmarkt in der großen Bude daselbst". In der Frz. Revolution zum Namen der 1791 gegründeten Polizeitruppe geworden, findet G e n d a r m '(Land-)Polizist' seit etwa 1809 Aufnahme auch in den deutschen Staaten: H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 240. genehm Adj. zu n e h m e n , wie a n g e n e h m (s. d.) zu a n n e h m e n . General m. Lat. generalis 'allgemein' (zu genus n. 'Gattung') war im Kirchenlatein üblich für 'Haupt eines Mönchsordens'. Dem wird im 14. Jh. mhd. général m. nachgebildet. Seit dem 15. Jh. spielt das Wort im frz. Heerwesen eine Rolle, bei uns zuerst 1454 im Bereich des Dt. Ordens: Mod. lang, notes 34, 258f. 36, 486. Besonders erscheint capitaine général und daraus gekürzt général für den Höchstkommandierenden. Die Nachbildung G e n e r a l O b e r s t er-
genieren
scheint seit Fronsperger 1555 Kriegsreg. 2 b , die Kürzung G e n e r a l seit Dilich 1608 Kriegsb. 34. 1637 ist G e n e r a l m a j o r der oberste Befehlshaber der Wachen am sächs. Hof: A. Kern 1907 Dt. Hofordn. 2, 66. Zur weiteren Entwicklung Helbing 1912 Zs. f. d. Wortf. 14, 37; H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 241. genesen st. Ztw. ahd. asächs. ginësan 'lebend davonkommen' und daraus gesondert 'geheilt werden' und 'entbunden werden', ags. genësan, got. ganisan 'gesund, gerettet, selig werden'. Die germ. Verbalwz. *nës, zu der als Faktitiv n ä h r e n (s. d.) gehört, stimmt zu aind. nâsatè 'liebevoll herangehen, sich gesellen zu', auch im Namen der Götterärzte Näsatyäu, toch. A nas 'sein', nasu 'befreundet', toch. B nes 'sein' (K. Schneider 1940 Idg. Forsch. 57, 198f.), gr. néomai 'ich komme zurück', nôstos m. 'Heimkehr' (mit wieder anderer Wendung der Grundbed.). Aus dem Germ, entlehnt sind aslav. gonïsti, goniengti 'erlöst werden', gonoziteljï 'Heiland'. Genick n. mhd. genic{ke)\ zu dem mit N a c k e n (wozu G e n a c k , G e n ä c k ) i n Ablaut stehenden necke. Sammelbildung wie G e b i r g e und Ges t i r n zu B e r g und S t e r n . Mit dem Ztw. n i c k e n unverwandt. Die Wortkarte 'Genick' von Edeltraud Knetschke, Genick u. Knöchel in dt. Wortgeographie 1956 zeigt die schriftsprachliche Form von Thüringen bis Schlesien, West- und Ostpreußen, aus dieser Fläche stößt sie über Braunschweig zur Ems durch. Gnick ist die Leitform am Westrande, Knick westfäl. und von da aus durch Siedler des Mittelalters mecklenburg., Ostpommern und Ostpreußen am Frischen Haff haben Gnick von der Küstenlandschaft zwischen Weser und Trave her. Anke(n) hat Althessen, es reicht bis ins Schwäbische, Gnack ist bayr.österreichisch. Genie n. Lat. genius, urspr. 'Personifikation der Zeugungskraft' (zu gignere 'zeugen'), dann 'Schutzgeist', liefert das urspr. gleichbed. frz. génie, das (wie ital. genio seit 1700) schon im Frz. zu 'Geist, feuriger Schöpfergeist' gewandelt wird und so seit Beginn des 18. Jh. bei uns erscheint. Allgemein wird es seit J. A. Schlegels Übersetzung von Batteux, Les beaux-arts réduits à un même principe (1751). Seit Liscow 1739 wird auch der einzelne Träger dieses Geistes G e n i e genannt, wie im Sturm und Drang ( G e n i e z e i t ) allgemein. G e n i a l i s c h (ohne Vorbild im Frz.) folgt formal dem lat. geniälis, dessen Bed. 'erfreulich, heiter' es doch fernsteht. Das seit Lavater 1777 nachgewiesene Adj. kürzt Schiller 1797 zu g e n i a l : H. Schulz 1913 Fremwb. 1, 242 f. genieren Ztw. Zu ahd. jêhan 'gestehen' (s. B e i c h t e , G i c h t 1 , ja) gehört als Faktitiv
genießen
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fränk. *jahjan "zum Gestehen bringen', das, ins Afrz. entlehnt, jehir 'zum Geständnis zwingen' ergibt. Dazu im 13. Jh. gehine 'durch die Folter erpreßtes Geständnis', das über 'Folter' zu 'Zwang' u. 'Störung' wird. Diese Entwicklung begleitet gêner, das als g e n i r e n , s c h e n i r e n seit 1776 bei uns erscheint, in der Bed. 'belästigen' und refl. als 'sich Zwang antun'. Während hier die Schreibweise Aufnahme in die Volkssprache verrät, bleiben G e n e /. 'Zwang' und g e n a n t Adj. 'belästigend' den Gebildeten vorbehalten: H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 243. An der Übernahme der Sippe ist die Stud.Sprache beteiligt: Goethe 1817 Briefe 28, 411; Vollmann 1846 Burschik. Wb. 201; Zs. f. d. Wortf. 12, 279. genießen st. Ztw. mhd. genießen, ahd. (gi)nio¡¡an, asächs. niotan, anl. nieton 'besitzen', afries. nieia, ags. nêotan 'nehmen, gebrauchen', anord. njöta 'Freude, Nutzen haben', got. niutan 'treffen, erreichen, e. Sache froh sein', ganiutan 'fangen' (nuia 'Fischer'). Grundbed. der Wz. germ. *nut-, zu *neud- ist 'Erstrebtes ergreifen, in Nutzung nehmen' (vgl. G e n o s s e , N i e ß b r a u c h , n ü t z e ) . Dazu stimmen als urverw. lit. naudà 'Ertrag, Besitz', lett. nduda 'Geld'. Genosse schw. M., aus mhd. genaue, ahd. ginö%o, anord. -nauti, germ. *ganauta-. Daneben das gleichbed. st. M. mhd. genö%, ahd. ginö%, asächs. ginöt, afries. nät, ags. genêat, anord. nautr : zum gemeingerm. N. *nautaz (ahd. nö%, asächs. not, afries. nät, ags. nèat, anord. naut) 'wertvolle Habe, Nutzvieh', demgemäß 'der seinen Besitz mit andern gemeinsam hat' und damit eine Erinnerung an den Gemeinbesitz einer sehr frühen Wirtschaft; vgl. g e n i e ß e n . So ist got. gahlaiba 'Genosse' als Ab), zu hlaifs 'Brot' urspr. 'der dasselbe Brot hat'; vgl. das nach germ. Muster gebildete mlat. companio, frz. compagnon, sowie G e f ä h r t e , G e s e l l e , G e s i n d e , G e s p i e l e , ferner B a u e r , M a t r o s e und K n o t e : Edw. Schröder 1923 Zs. f. d. Alt. 60, 70 ; W. Krogmann 1936 Beitr. 60, 398f. Auf Anregung von Franz Mehring nennen sich die Sozialdemokraten seit 1879 G e n o s s e , womit der erste Teil des Parteinamens übersetzt wird: A. Götze 1909 Zs. f. d. Wortf. 11, 266. Genie w. Lat. genus, -eris n. 'Gattung' (urverw. mit K i n d , s. d.) ergibt in gleichbed. frz. genre m. zugleich das Malerwort für die typische Darstellung von Landschaften, Tieren und Menschen im Gegensatz zur Historienmalerei. Im letzten Viertel des 18. Jh. entlehnt, dazu (nach peinture de genre) G e n r e m a l e r ( e i ) , - b i l d , -haft. Gentleman m. Engl, gentleman, dem frz. gentilhomme 'Edelmann' nachgebildet, bei uns seit J. Hübner 1709 Staats-, Zeitungs- und Conv.-
Ger
Lex.: „diejenigen, welche nicht allein von Adelichem Herkommen . . . sind, sondern auch die sich als ein Gentleman aufführen können, ob sie schon der Kaufmannschaft, Künsten und Handwerken zugetan sind". Durch Berichte aus England ständig aufgefrischt, z. B. Voss. Ztg. 1769, Nr. 28: „Ein Gentlemen hat (in Jamaika) allein gegen 3000 Negers inoculirt ('geimpft')". Dadurch im Nhd. des 18. Jh. als 'Herr der guten Gesellschaft, mit Bildung und Anstand' weithin bekannt, von Campe 1813 umschrieben: 'feiner oder rechtlicher Mann, ein Mann von Erziehung'. Seit etwa 1830 wird das Wort allgemein auf das gesellschaftliche Mannesideal Deutschlands angewendet. In diesem heute noch geltenden Sinn löst es ältere Schlagwörter ab: B i e d e r m a n n galt im 16. Jh., K a v a l i e r und g a l a n t e r M e n s c h im 17., W e l t m a n n im 18. Die Kürzung gent, Mz. gents wird im Engl, des 19. Jh. üblich. Echt berlinisch der Wortwitz G e n t L e h m a n n : H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 244; Stiven 36. 119. genug Adj. ahd. ginuog(i) mit Adv. ginuog 'hinreichend', asächs. ginög, afries. (e)nöch, ags. genöh, engl, enough, anord. gnögr, got. ganöhs. Ableitung zum germ. Prät.-Präs. got. ganah, ahd. ginah 'es genügt', zu dem auch got. ganavha m., ahd. ginuht f . 'Genüge' gehören. Über die Form g e n u n g , die zu dem ersten Nasal einen zweiten entwickelt hat (wie n u n , die m e i n s t e n , dial. nünt 'nichts', mendr 'mehr', emens 'Ameise') Behaghel 1928 Gesch. d. dt. Spr. 298. Zur Wz. germ. *nöh-, *nah-, idg. *(e)nek- gehören u. a. aind. ndsati, awest. nasaiti 'er erreicht', lat. nancisci 'erlangen'. — Die Lautgeographie von 'genug' bietet der Dt. Sprachatlas. genügsam Adj. Zu dem unter g e n u g entwickelten ahd. ginuht f . 'Genüge' (ags. genyht, anord. gnött) gehört ahd. ginuhtsam, mhd. genuhtsam 'reichlich'. Daraus ist nach dem Aussterben des F. in mhd. Zeit genuocsam geworden, unter Anlehnung an das bed.-gleiche g e n u g . G e n u n g s a m ist im gleichen Raum verbreitet wie genung. Geographie f . Gr. yecoypotifia 'Erdzeichnung' (Kartographie), Erddarstellung, -beschreibung' (zu ge f . 'Erde' und grdphein 'schreiben') ist über Ciceros geögraphia in die abendländ. Wissenschaft gelangt und taucht bei uns als G e o g r a p h e i 1521 auf, G e o g r a p h nicht vor 1595, nachdem noch die Zimm. Chron. 1, 11 das M . lat. flektierte. Die gute Verdeutschung E r d k u n d e verzeichnet Adelung 1774. Georgine s. D a h l i e . Gepäck s. B a g a g e und Pack(en). gepunzt s. P u n z e n . Ger m. ahd. mhd. asächs. ger, ags. gär, anord. geirr. r beruht auf Z, weil sonst anord. *gär-
gerade
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zu erwarten wäre. So ergibt sich germ. *gaizas, idg. *ghaisos, dessen Bed. 'Stecken' aus Geißel (s. d.) und urverw. gr. chaios 'Hirtenstab' zu folgern ist. Aus dieser Grundbed. war die von aind. heüa- 'Geschoß', langob. gaida (idg. *g7taita) 'Pfeilspitze' leicht zu entwickeln. Die Kelten (s. A m t ) hatten ihr *gaisa- zum Namen des Speers mit Eisenspitze entwickelt, bezeugt durch gr. galson, lat. gaesum, air. gae 'Speer'. Als ihn die Germanen der La-T6ne-Zeit kennenlernten, engten sie ihr *gaiza- auf dieselbe Bed. ein. Mit regelrechter Vertretung des germ. z wird finn. keihäs 'Spieß' entlehnt. In got.-lat. Männernamen entspricht Hariogaisus, ahd. Heriger. Während das Wort in deutschen Namen wie G e r b e r t , - h a r t , - t r u d lebendig bleibt, stirbt das Appellativ vor Ende des Mittelalters aus und wird von Jahn und Eiselen 1816 Turnkunst 116 ff. im Gedanken an Brünhilts Wettkämpfe erneut. gerade1 Adj. 'durch 2 ohne Rest teilbar'. Zu got. rapjö f . 'Zahl' (s. Rede) gehört ga-rapjan 'zählen' (in seiner Form dem mhd. gereden entsprechend). Das vom gleichen Stamm abgeleitete, dem lat. ralus 'berechnet' vergleichbare ahd. girat, mhd. gerat 'gleichzählend' erscheint als frühnhd. gerad seit 1483 in algebr. Sinn, während u n g e r a d e seit Notker im Gegensinn bezeugt ist. Mit g e r a d e 2 ist die Sippe nur durch Volksetymologie verbunden, die freilich noch heutige Gelehrte beherrscht. A. Schirmer 1912 Wortschatz der Mathem. 27; A. Götze 1919 Anf. e. math. Fachspr. 67. 195. gerade2 Adj. 'in unveränderter Richtung gehend'. Dem Adj. got. raßs, rapizö 'leicht, leichter' (s. r a s c h ) entspricht mhd. gerat 'schnell bei der Hand, gewandt, frisch aufgewachsen und dadurch lang', spätmhd. auch 'lotrecht'. Die Vermischung mit g e r a d e 1 war geometrischer Verwendung günstig. Gerät n. Als Sammelbildung zu R a t (s. d.) bedeutet ahd. giräti 'Beratung, Fürsorge', nachmals 'Ausrüstung'. Asächs. girädi ist 'Vorteil'. In mhd. gercete, mnd. gerede haben die Bedeutungen 'Aus-, Zurüstung, Vor-, Hausrat' gesiegt. Luthers gered (2. Mos. 27, 3 u. ö.) wird in Basel 1523 umschrieben mit allerley gesehirre vnd haußradt F. Kluge 1918 Von Luther bis Lessing 113. Geräusch1 n. s. rauschen. Geräusch2 n. 'Eingeweide geschlachteter Tiere', spätmhd. in-geriusehe (zur Vorsilbe vgl. E i n g e w e i d e ) , frühnhd. (in)gereusch. Das Simplex nur in gleichbed. nd. rüsch, mnd. rüseh. Kaspers, Beitr. Halle 1958, 174: über Bed. 'Stück, Lappen', zu norw. rusk 'Abfall' k- Erweiterung, vgl. mhd. riu^e 'Schuhflicker', zu *rew 'reißen'. Vgl. Schmeller-Frommann Bayer. Wb. 2,156; Zs. f. d. W o r t ! 14,151.
Gerippe
gerben Ztw. Als Ableitung zu g a r (s. d.) bed. ahd. garawen (aus *garwjan), gariwen, asächs. garuwian, gerwean, ags. gearwian, westsächs. gierwan 'bereitmachen', doch bahnt sich in ahd. ledargarawo 'Gerber' schon die Entwicklung an, die in mhd. gerwen um 1300 das Ziel erreicht. Anderseits ist anord. ger(v)a zu 'machen' allgemein geworden. Mhd. rw hat nhd. rb ergeben wie in F a r b e , m ü r b , N a r b e , S c h a f g a r b e , S p e r b e r . Das Leder wird beim Gerben geknetet und gepreßt, darum steht mundartl. g e r b e n vom Hinunterwürgen des Futters durch hungriges Vieh (DWb. 4, 1, 1, 1338). Von da stud. g e r b e n 'würgen, sich erbrechen'. gerecht Adj. ahd. gireht, greht, das sich zu r e c h t (s. d.) stellt, wie lat. direetus zum urverw. recius, hat auch die Bed. 'directus', so daß der Verdacht der Lehnübersetzung naheliegt. Unsere Bed. 'dem Rechtsgefühl entsprechend', für die ahd. rehtwls, ags. rihtms, engl, righteous aufkommen, stellt sich erst für mhd. gereht ein. In got. garaihts war sie schon vorhanden. Gertalke m. Der nord. Jagdfalke heißt seit dem 12. Jh. anord. geirfalki nach geiri 'speerförmiges Stück, Striemen' (s. G e r , G e h r e n ) : das blendend weiße Gefieder von Falco gyrfalca ist mit Schaftstrichen überstreut, die wie Pfeilspitzen aussehen. Bei uns tritt das nord. Wort als Männername Gerualcus seit 1070, als mhd. gervalch seit dem 14., als geirjalck seit dem 15. J h . auf. Entlehnung aus dem Norden ist deutlich; G i e r - , G r e i f - , H e e r f a l k e beruhen auf Umdeutung. Durch rhein. Vermittlung sind die Romanen zu frz. gerfaut, ital. gerfalco gelangt: Suolahti 1909 Vögeln. 334ff. Gericht n. ahd. girihti 'Gerichtsversammlung, Urteil', während mhd. geriht(e) darüber hinaus auch 'Einrichtung, Hausrat; angerichtete Speiso* bedeutet. Sämtlich zu r e c h t , s . d . und Ahd. Glossen 3, 237, 50. gerieben Adj. 'schlau', zuerst in Nürnberg 1482 Voc. theut. m 1 a: aus dem Part, von r e i b e n (s. d.) entwickelt, wie ags. dbered 'pfiffig' zu berian 'zerdrücken, zerreiben'. Vgl. d u r c h t r i e b e n , v e r s c h l a g e n , v e r s c h m i t z t und M. Förster, Anglia 68, 96 Anm. 2. gering Adj. ahd. (gi)ringi 'leicht', ungiringi 'gewichtig' (DWb. 11, 3, 820), afries. ring, mnl. gheringhe, mnd. mhd. (ge)ringe 'leicht, schnell bereit, klein' mit einer Bed.-Entwicklung, die an die von k l e i n erinnert. Nur südgerm.; schwed. ringa, dän. ringe sind aus dem Mnd. entlehnt. Außergerm, wird gr. rhlmpha (pip,-, doch kommt statt •dieses gewohnten Ansatzes Gemination aus Laxyngalschwund in Betracht: H. Hammerich, P B Beitr. 77 (1955) 177. Zu idg. *genu- in gr. gönys f. 'Kinn(lade), Kinnbacken; Schneide des Beils, Beil', gineian n. 'Kinn(lade)', geneiäs f. 'Kinn; Bart'; lat. gena 'Wange', dentes genulni < Backzähne'; mkorn. kymr. bret. gen 'Kinnlade)', ir. gin, Gen. geno 'Mund'; toch. A sanwem 'die beiden Kinnbacken': K. Schneider 1941 Idg. Forsch. 58, 170. Kinnlade f. dringt im 18. J h . durch, zunächst als Bezeichnung des Unterkiefers, der im 17. J h . L a d e , also 'Behälter' schlechthin, heißt. Die urspr. md. Zus.-Setzung bezeichnet den Unterkiefer als Behälter für die Zähne. Kino n. 1905 wird in Berlin das erste ständige Lichtspielhaus errichtet. Sein schwerfälliger Name K i n e m a t o g r a p h wird vom Volke gekürzt zu K i e n t o p p , bald auch zu K i n o . Vorbilder sind Auto und K i l o , daher der Geschlechtswandel: Zs. f. Deutschkde. 48 (1934) 737; Dt. Wortgesch. 2 (1943) 390. Kiosk m. türk. kiöschk 'Gartenhäuschen' erscheint bei uns seit Goethe 1787 Triumph der Empfindsamkeit: H. Schulz 1913 Fremd wb. 1, .344. Kipfel m. n. 'Hörnchen'. Lat. cippus 'Pfahl' gibt früh entlehnt ahd. chipf, kipf(a), mhd. kipf(e) 'Wagenrunge'. Nach deren Gestalt heißt das in zwei Spitzen auslaufende, längliche Brot i n Bayern der K i p f : Schmeller l 2 1273. Dieses K l u g e , Etymologisches Wörterbuch. 18. Aufl.
Kirche
Brot erscheint seit etwa dem Jahr 1000 (Schweiz. Id. 2, 390) in lune modwm factus und ist so über ganz Deutschland und Frankreich (frz. croissant) verbreitet. In Jansen Enikels Fürstenbuch 95 (Wien 1280) heißt diese Form chipfen, seither K i p f ( e ) l in Österreich, im alten Vorderösterreich und der Schweiz. Wo dafür G i p f e l gilt, beruht das auf volksetym. Anlehnung an G i p f e l m.: Mor. Heyne 1901 Nahrungswesen 30. 277; Kretschmer 1918 Wortgeogr. 152. 238. Kippe f. 'Gemeinschaft' in Wendungen wie K i p p e ( s ) m a c h e n , h a l t e n , f ü h r e n '(bei Handel oder Spiel) gemeinsame Sache machen': aus jidd. kübbo 'Kammer, Zelt' rotwelsch, von da mundartl. (im Südwesten): H. Fischer 4, 389; S. A. Wolf 1955 Wb. d. Kotwelsch. 2119. kippen schw. Ztw. 'stürzen' Ztw. Neben lat. cippus 'Pfahl' (s. K i p f e l ) ist nach Wadstein, Beitr. 22, 24 *cippäre vorauszusetzen, dessen Tochterformen frz. receper, prov. cepa, ags. forcippian in der Bed. '(die Spitze) abhauen' übereinstimmen. Entspr. treten frühnhd. kipfe 'Spitze', kipfen 'die Spitze abhauen' auf, zu denen K i p p e und k i p p e n als md. nd. Formen gehören. Dazu kann K i p p e 'Zigarrettenrest' (1945f.) gestellt werden. Kippe als Name einer Turnübung bezeichnet das Aufstemmen aus dem Hang in den Stütz. Kirche f. Mhd. kirche, alem. kilche (vgl. P f l a u m e ) , ahd. kirihha, chirihha,asächs.kirika, mnd. mnl. afries. kerke, ags. cirice, engl, church, anord. (als Lehnwort aus dem Ags.) kirkja, dän. kirke, schwed. kyrka führen auf westgerm. (5. Jh.) *kirika. F . Kluge zeigt Beitr. 35 (1909) 124 ff., wie die ältesten christlichen Lehnwörter (z. B. B i s c h o f , E n g e l , E r - , P f i n z - , S a m s t a g , Heide, Pfaffe, Pfingsten, t a u f e n , T e u f e l , W o c h e) von arianischen Glaubensboten aus dem Gotenreich Theoderichs ( f 526) donauaufwärts und rheinabwärts getragen worden sind. Zu ihnen rechnet er K i r c h e , das 718 im eis. Ortsnamen Chirihhünwiläri greifbar wird, nach den Verschiebungserscheinungenvor ahd. Zeit, nach seiner Verbreitung vor Abwanderung der Angelsachsen (um 450) entlehnt ist und im roman. Bereich (lat. ecclêsia, ital. chiesa, frz. église) kein Vorbild findet. Ein got. Vcyrikö f. 'Kirche' ist nicht belegt, spiegelt sich aber in gleichbed. aslaw. cruky, russ. cerkov. Es ist aus gr. kyriakê (oikia 'Haus') (Sophocles 1914 Greek Lex. 698; N. Jokl 1927 Idg. Forsch. 44, 40) über dessen Volksform *kyrike entwickelt. Belegt ist fürs 4. Jh. kyrikôn n. : das F. mußte aber im Gr. weichen, weil es neben kyriake (hèméra 'Tag') doppeldeutig war. Auch kyrikôn wurde bald verdrängt, indem ekklêsia, vom Neuen Testament als 'Gemeinde' geboten, den räumlichen Sinn mit übernahm (P. Kretschmer, Zs. f. vgl. Spracht. 39, 541). 24
Kirchenlicht
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Richtig sagt im 9. Jh. Walahfrid Strabo von unserm Wort „ab ipsis Grecis kyrica": Zs. f. dt. Alt. 25, 99. Zum Wandel des Geschlechts Th. Frings 1932 Germania Rom. 38; M. Förster 1941 Themse 685; M. Vasmer 1944 Griech. Lehnw. im Serbo-Kroat. 34. Kirchenlicht n. Als „Licht der Welt" bezeichnet Christus Matth. 5, 14 die Seinen, lumen ecclesiae heißt im Mittelalter Augustin, als K i r c h e n l i c h t e r rühmt Mathesius 1670 Hist. v. Luther 211 die Wittenberger Theologen. Den spöttischen Klang wird die Ausdrucksweise nicht los, seit 1517 die Epist. obsc. vir. 2, 32 Jak. van Hoogstraten als lux theobgorum verhöhnt haben: Büchmann 1912 Gefl. Worte 45. Kirchhof m. Mhd. kirchhof, mnd. kerkhof bezeichneten jeden Hof um eine Kirche, unabhängig davon, ob er als Begräbnisplatz diente oder nicht. Die frühnhd. Beschränkung auf den christlichen (nie jüdischen) Begräbnisplatz eignet dem dt. Norden und Westen, die Grenzen zieht Kretschmer 1918 Wortgeogr. 275ff. Der Ausdruck wird durch F r i e d h o f bedrängt, soweit die Begräbnisstätten nicht mehr bei den Kirchen liegen, durch G o t t e s a c k e r , soweit ein Feldgrundstück dem neuen Zweck geweiht wird. Im Engl, entspricht church-yard; ags. cyric-tün war 'Begräbnisplatz'. — Ein Synonym, ist K e r p e r i c h m. neben Kirf e r i c h der Westerwald. Name des Kirchhofs: aus K i r c h p f e r c h . Dazu auch K e r f i c h , K i r f e c h in Lothr., Luxemb. und Thüringen: Kretschmer 1918 Wortgeogr.276.278. Kirchspiel n. 'Bezirk, in dem ein Pfarrer predigen und die kirchlichen Amtspflichten ausüben darf', mhd. kir(ch)spil, mnd. ker(k)spel, mnl. afries. kerspel; wie B e i s p i e l (s. d.) aus altem bispel. K i r c h s p i e l geht im 13. Jh. vom rhein. Nordwesten aus, wo auch nl. dingspil 'Rechtsgebiet', rhein. G e l d - , M e n s c h e n s p i e l gelten. Westfäl. spidl kann 'eine Menge Menschen' bedeuten. Zum Bed.-Wandel s. G e b i e t . Kirchweih f . ahd. kirihwlhl 'Kirchenweihung', mhd. kirchwihe auch schon 'Jahrmarkt, Fest überhaupt'. Mundartl. Formen wie alem. chilbi, heas. kerbe usw. zeigen b aus w. Kirmes /. mhd. kirmesse 'Kirchweihfest' für unbezeugtes *kirchmesse, worin man Klammerform für *kirchwlhmesse 'Gottesdienst zur Kirchenweihe' vermuten möchte. Die Drittkonsonanz ist erleichtert wie in nnl. kermis aus mnl. kercmisse, mhd. kir(ch)spil, kir(ch)wihe, bair. kirke aus mhd. kirchtac. S. Messe. kirnen Ztw. 'buttern', ein vorwiegend nd. Wort, das seine nächsten Verwandten in gleiclibed. nl. kamen, engl, churn, schwed. kärna hat. Vorauszusetzen ist germ. *kirnjan 'buttern' neben *kirnjön f . 'Butterfaß' (in gleichbed. ags. ciren, cyren, engl, churn, anord. kirna f.), beides
Kirsche
Ableitungen zu germ. *kerna- (s. K e r n ; Kluge 1926 Stammb. § 81), das sich früh zu 'Milchrahm' entwickelt hat, wie das Zus.-Treffen von nhd. (oberpfälz.) kern, mnd. kerne, isl. kjarna in dieser Bed. beweist. Heute geht k i r n e n in der Herstellung von Kunstbutter auf das Verfahren, womit das geschmolzene Pflanzenfett durch Zusatz von Milch butterähnlich gemacht wird. kirre Adj. Neben *0kersu- in lett. guit ' m a t t werden', lit. gürii 'sich legen' (vom Wind) steht *g,Aeraros (H. Hammerich, PB Beitr. 77, 177: Geminata aus Laryngalschwund) in got. qairrus 'sanftmütig', anord. kvirr, kyrr 'ruhig', mnd. querre, md. kurre, kirre, mhd. kürre 'zahm, mild'. Ausfall von w nach k ist in einem Teil der hd. Mundarten lautgesetzlich. Die Entrundung (wie in B i m s , G i m p e l , K i s s e n , K i t t , P i l z , S c h l i n g e l , s p r i t z e n , S t r i p p e , Zille) wird im 17. Jh. schriftsprachlich. Das Wort ist erhalten in schwed. kvar; vara kvar 'noch da sein'. Anders wird es beurteilt von P. Kretschmer 1924 Glotta 13, 136. Bei den Taubenzüchtern ist kirre machen üblich in der Bedeutung 'beruhigen, locken'. Barsch m. junge Kürzung für K i r s c h g e i s t wie K o r n für K o r n b r a n n t w e i n , K ü m m e l für K ü m m e l b r a n n t w e i n ; nicht vor 1873 (DWb. 6, 844) nachzuweisen. Dafür Bretzner 1788 Leben e. Lüderl. 3, 95 K i r s c h a q u a v i t ; Brückmann 1722 Caial. omn. potus generum Kirschwein. Kirsche f . Mhd. kirse, kerse, kriese, ahd. kirsa, asächs. kirs-, kirsikböm, mnd. mnl. kerse, nnl. kers, ags. cirse, eirisbeam führen auf westgerm. *kirissa. Dän. kirsebcer, schwed. körsbär sind entlehnt aus mnd. kersebere, das auch lett. kizbere ergeben hat. Aus aschwed. kirsebaer ist finn. kirsimarja geworden. Die Griechen nennen die Steinfrucht kerdsion, den Baum kerasea: verwandt mit krdnos, lat. cornus (aus *kfnos) '(Kornel-)Kirsche'. Die Stadt Kerasüs am Südufer des Schwarzen Meers ist erst nach den dortigen Kirschwäldern benannt; vgl. K a s t a n i e . Vom Pontus bringt Lucullus 76 v. Chr. cerasus f . 'Kirschbaum' (uns bezeugt seit Varro, 116 bis 27 v. Chr.) und cerasum n. 'Kirsche' nach Rom. Vulgärlat. heißt die Frucht cerHsia: darauf beruht mit afrz. cherise (hieraus engl, cherry), frz. cerise 'Kirsche', ceriser 'Kirschbaum' und allen westrom. Formen auch westgerm. *kirissa (s. o.), das vor dem Wandel des lat. e zu z entlehnt ist. Noch früher liefert ceresia der silbernen Latinität oberrhein. kresia, dessen e (wie in S p i e gel, T i e g e l , Ziegel) zu ie wurde: daher alem. chriasi: A. Götze 1917 Neue Jb. 20, 1, 67f.; Walde-Hofmann, Lat. etym. Wb. 1 (1938) 202; M. Förster, Sitz.-Ber. d. bayer. Akad. 1941,1,849.
Kirste
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Kirste /. das harte, braungebackene Äußere des Brots, im Gegensatz zur weichen K r u m e des Inneren. K i r s t e ist die nordostdt. Form von K r u s t e (s. d.), die in Berliner Umgangssprache allein gilt: Mitzka, Zs. f. Mundartforschung 1955, 39; die Verbreitung zeigt Dt. Wortatlas IV (1955). Eismet n. Arab. qismat 'Anteil' ist uns im 19. Jh. durch türk. qizmet vermittelt, das das dem Menschen zugeteilte Los bezeichnet. Schriftsteller wie Holtei und Pückler bringen Sache und Wort in den dt. Gesichtskreis. Eissen n. mhd. küssen, küssin, mnd. küssen, mnl. cussen, nnl. küssen, ahd. chussi(n), kussl(n). Lat. culcita f. 'fest ausgestopfter Sack als Lager, Polster' hat über frz. coilte das frz. couette 'Federbett' ergeben. Daneben tritt mit Suffixwechsel gleichbed. gallorom. cüilcinum, das über afrz. co{i)ssin das frz. coussin 'Kissen' liefert. Nach Plinius, Nat. hist. 19, 13 war der gall. Stamm der Cadurcer wegen seiner culcitae berühmt; das mit Federn gefüllte Kissen gilt den Alten als gall. Erfindung. Von Westen her hat uns die Sache früh erreicht, als Sitzunterlage für Stuhl und Bank wie als Lager für den Kopf gleich willkommen. Die entrundete Form (s. kirre), noch frühnhd. selten, dringt im 18. J h . vor und siegt wesentlich durch Goethe. Zur landschaftl. Abgrenzung gegen P o l s t e r Kretschmer 1918 Wortgeogr. 279 f. Eiste f. Lat. cista 'Kasten', seinerseits entlehnt aus gr. klste, gelangt (längst vor der Erschütterung der fc-Aussprache von lat. e vor Palatal) zu allen Germanen und liefert ahd. Icista, mhd. mnd. mnl. kiste, ags. cest, eiste, anord. kisla (hieraus entlehnt finn. kistu). Mit K a s t e n ist es unverwandt. — K i s t l e r ist der Name des Schreiners im alten Frankfurt a. M. und in Teilen Oberdeutschlands. Kitsch m. 'Schund', namentlich von Bildern, um 1870 von Münchner Kunstkreisen ausgegangen. Ferd. Avenarius 1920 Kunstwart 33 I I 222 leitet das Wort von engl, sketch 'Skizze' ab: wenn engl.-amerik. Käufer für ein Bild nicht viel anlegen wollten, hätten sie a sketeh verlangt. Dann wäre aber das anl. s- erhalten, auch wird man viel eher beim fertigen Bild von K i t s c h reden. Zudem sagt einer der ersten Belege (bei D. Sanders 1885 Erg.-Wb. 303b): „Die kleinen Genrebilder werden mit fabrikmäßiger Oberflächlichkeit hergestellt, werden gekitscht". So ist wohl mit Ed. Koelwel 1937 Muttersprache 52, 58f. von k i t s c h e n 'den Straßenschlamm mit der Kotkrücke zus.-scharren' auszugehen. Der geglättete Schlamm, das Gekitschte oder der Kitsch, lieh die Schelte des schlechten Bilds im soßigbraunen Farbton der Ateliertunke.
kitzlig
Kitt m. Die idg. Grundform *g%etu liefert aind. jätu 'Lack, Gummi' und lat. iitümen (osk.umbr. Form); echt lat. wäre *vetümenixa *gvltümen 'Erdpech'. Damit urverw. anord. kväda, schwed. käda 'Harz'; ags. ewidu 'Baumharz', mengl. eode 'Pech'; ahd. quiti, kuli 'Leim', mhd. küt(e) 'Kitt'. Die Entrundung (s. k i r r e , K i s s e n ) wird im 18. J h . schriftsprachl.: H. Paul 1916 Dt. Gramm. 1, 194; Bugge, Kuhns Zs. 19, 428. Vgl. B e t o n . Kittchen n. 'Gefängnis', älter K i t t e , 1753 K u t h , 1687 K ü t t e (s. K a u t e ) vgl. K e i c h e : E. Weißbrodt Zs. f. dt. Phil. 64, 307. S. A. Wolf K u t h , 1687 K ü t t e (s. K a u t e ) . Rotwelsch zu kote, Kate, beeinflußt von mhd. kiche, keiche 'Gefängnis' (zu kenchen, wo man k e u c h t ) vgl. K e i c h e : E. Weißbrodt Zs. f. dt. Phil. 64, 307. S. A. Wolf Wb. d. Rotw. 4 6 4 0 - 4 1 . Kittel m. Das unter K a t t u n erörterte arab. qutn 'Baumwolle' scheint Ausgangspunkt für mhd. kit(t)el, Metel, md. kidel (schon 12. J h . Köln), mnd. kedele, mnl. kedel, nnl. kiel zu sein, das im 13. J h . auftritt und urspr. ein baumwollenes, bei uns auch hänfenes, vom Hemd aus entwickeltes Gewand bezeichnet, gleichgültig ob für Mann oder Frau, für Ober-, Unterkörper oder ganzen Leib: Mor. Heyne 1903 Körperpflege und Kleidung 293 f.; Kretschmer 1918 Wortgeogr. 389; H. Hirt, Idg. Gramm. 1, 168. Der Herkunft entspricht die vom 15. bis 18. J h . begegnende Schreibung K ü t t e l , bei der doch auch der Gedanke an K u t t e mitgesprochen haben mag. Kitz n. 'Junges von Reh, Gemse, Ziege) mhd. (obd. ostfrk.) kitze, ahd. chizzl, kizzl(n) lassen eine germ. Form *kittina, ansetzen; daneben ist *kidja erschließbar aus anord. kib (dän. schwed. kid), woraus me. kide, ne. kid alle 'Zicklein'. Die auffällige Parallele zu Ziege: Z i c k e (s. d.) läßt den Schluß zu, daß es sich um urverwandte affekt. Spielformen handelt, wofür in den heutigen Mundarten (vgl. Karte in DWA V v. K. Rein) zahlreiche Übergangsformen zu finden wären. Daneben ist ein lautmalendes Element unverkennbar, das auf die ursprgl. Wurzeln einwirkte und sie zu affekthaltigen Kosenamen umgestaltete. (Vgl. Rein s. Ziege). kitzeln (schwäb. khutsls) Ztw. mhd. kitzeln, kützeln, ahd. kizzilön, kuzzilön, mnd. ketelen, anord. kitla; ags. cylelian (engl, kittle) beruht auf Grdf. *kutilön. Im gleichbed. mengl. tikelen, engl, tickle haben die Konsonanten der Wz. *kit die Stelle getauscht, ebenso in alem. zickh 'aufreizen'. Der gleiche Vorgang bei E s s i g , F i e b e r , Kabeljau. kitzlig Ad]., frühnhd. kitzel-lich zu k i t z e l n , daneben kützelicht mit Endung - i c h t und der Bed. 'reizbar, ad indignationem pronus' (Stieler) 24*
klabastern
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Klamm
von Menschen, 'heikel, gewagt' von Unterneh- für den Eindruck einer Enttäuschung und des mungen. Unwillens. Beflügelt wird er als Titel der in klabastern Ztw. L a t . calce pistäre ' m i t der Berlin 1848 gegründeten polit.-satir. WochenFerse stampfen' hat ital. calpestare 'mit Füßen schrift: Ladendorf 1906 Schlagwb. 168f. treten' geliefert. Möglicherweise darauf geht Klaff m. Zu germ. *klap- 'den Mund offen (nach Hans Strigl 1905 Sprachl. Plaud. 101 ff.) haben' gehören (außer k l ä f f e n , s. d.) mhd. das vorwiegend rhein. klabastern 'einhertrotten' klaf, klaffes u n d klapf m. 'Knall, K r a c h ' , a h d . zurück, das in frühnhd. Zeit Verbreitung ge- {ana)klaph ' A n p r a l l ' ; m h d . klaffen, klapfen winnt. Westfäl. steht daneben kladistern 'laufen' 'schallen, tönen, klappern, schwatzen', üfklaffen (Woeste 1882 Wb. der westfäl. Ma. 128). An 'auseinanderbrechen, sich öffnen', ahd. klaphön, beide Formen Anklingendes bei Mensing 1931 ags. clappian, engl, clap 'schlagen, schwatzen'. Schleswig-holst. Wb. 3, 128ff.; ferner Zs. f. d. kläffen Ztw. 'bellen' vom Anschlag kleiner Wortf. 8, 368. 13, 309; Kluge 1918 Von Luther Hunde, im 18. Jh. von k l a f f e n 'bösartig bis Lessing 72; V. Pisani 1930 Idg. Forsch. 48, schwatzen' (s. K l a f f ) abgezweigt. Gleichbed. 243. In hd. Text seit Müller v. Itzehoe 1779 nnl. keffen (seit 1598) ist eine junge lautmalende Siegfr. v. Lindenberg, Vorrede. Bildung. K l ä f f e r 'kleiner Hund' seit Mylius Klabautermann m. Zu k a l f a t e r n (s. d.), das 1785 Pickle 4, 193. seit dem 16. Jh. bei uns nachgewiesen ist, wird Klafter w. f . n., mhd. kläfter f., ahd. (seit der Name des Schiffskobolds gebildet, der mit dem 9. Jh.) kläftra, m n d . klachter. Die Ausdrücke dem Kalfathammer von außen an die Schiffs- für das Maß der ausgespannten Arme sind zu wand pocht und damit den Zimmermann mahnt, Ztw. gebildet, die ein Ausbreiten der Arme bedie schadhaften Stellen auszubessern. Den K l a - zeichnen: gr. orgyld zu oregein 'strecken', lat. b o t e r m a n n schildert nach Berichten von Nor- passus zu pandere 'ausbreiten', m h d . läfter m i t derney H. Heine 1826 Reisebilder, Nordsee (3, ags. Imccan (aus *lakjan) u n d engl, latch 'er100 Elster), die Form K l a b a u t e r m a n n steht fassen' zu gr. läzesthai 'fassen'. Entsprechend fest seit H. Smidt 1828 Seegemälde 157 (Kluge stellt sich ahd. kläftra zu afries. kleppa, ags. 1911 Seemannsspr. 450). Die Vorstellung ist alt; clyppan, engl, clip ' u m a r m e n ' , Schweiz, chlupfel sie wirkt schon im mhd. Ortnit Str. 230: bei der 'Arm voll Heu', die ihren nächsten außergerm. Fahrt übers Mittelmeer sitzt Alberich unsicht- Verwandten in lit. glebys 'Armvoll' haben. Zu bar auf dem Mastbaum. In außerdeutschem geleb(h), wohl mit Labialerweiterung zu idg. *gelGiauben kommt am nächsten der Schiffspatron 'ballen, sich ballen'. S. F a d e n und L a c h t er. und Schiffahrtsheilige Phokas, der in Legenden Klage f . mhd. klage, ahd. klaga (sonst nirvom Schwarzen Meer um 400 gefeiert wird: gends in den germ. Sprachen) 'Wehgeschrei als Radermacher, Arch. f. Rel.-Wiss. 7, 445; Be- Ausdruck des Schmerzes'. Aus dem F. stammen haghel 1906 Lit.-Bl. 27, 400; Kluge 1920 Sprach- ahd. klagön, m h d . m n d . klagen. Urgerm. *klagö gesch. 182; O. Mensing 1931 Schlesw.-holst. Wb. f . ist urverwandt mit aind. garhä 'Tadel', awest. 3, 129; L. Weiser-Aall 1932 Handwb.d. dt.Aber- gsrsza 'Klage'. Zum Rechtwort: K. F. Freudengl. 4, 1437f.; W. Stammler 1954 Kl. Sehr. 225. thal, vgl. U r t e i l . Klamauk m.-, K l a m a u k e /. 'Lärm', wie das Kladde f . Zu mnl. kladde 'Schmutz(fleck)', das seinen nächsten Verwandten in k l a t e r i g (s. d.) ältere R a d a u eine von Berlin aus verbreitete hat und nach Ausweis von mnd. kladderen "(be)- lautmalende Bildung, die mit a in der ersten, au schmieren' auch als mnd. kladde vorauszusetzen in der betonten zweiten Silbe zunächst den Klang ist, wird K l a d d e b u c h 'Buch zur vorläufigen zerbrechenden Geschirrs nachzuahmen scheint Eintragung der tägl. Geschäftsvorgänge' gebil- (wie p a r d a u t z , ähnlich k l a d d e r a d a t s c h ) . det, greifbar seit Schupp 1663 Schriften 2, 29. Ostpreuß. K a l m a u s , K r a m a u s , K a r w a u ( c h ) Daraus gekürzt K l a d d e seit Overheide 1668 'Lärm, Hader' kommen in Klang wie Bed. nahe Buchh. 7. Seit und durch Campe schriftsprach- und sind schon 1785 bezeugt: Frischbier, Preuß. lich, verdrängt K l a d d e älter obd. K l i t t e r b u c h Wb. 1, 338; Lasch, Berlinisch 181 f. klamm Adj., spätmhd. klam 'eng, dicht, ge(s. k l i t t e r n u. Schirmer 1911 Wb. d. Kaufm.Spr. 100) und S c h m a d e r b u c h (das. 170). diegen', bildlich auch 'rein, lauter', frühnhd. Gleichbed. B r o u i l l i n seit 1712 aus dem Frz., clam Gold 'lauteres, gediegenes Gold', seither S t r a z z e seit 1672 aus dem Ital. Norw. schwed. 'eng zusammengedrückt, allzu beschränkt', nordkladd, dän. kladde stammen aus dem Nd. Kenn- dt. "erstarrt, kalt': zu K l a m m und k l e m m e n . zeichen nd. Wörter ist dd auch in M o d d e r , Klamm m. mhd. klam, klammes 'Krampf, BePadde, pladdern, Schnodder. klemmung, Fessel', ags. clom, elam(m) m. f . n. Kladderadatsch m. Der aus k l a t s c h über kla- 'fester Griff, Kralle, Klaue, Fessel'; auch ahd. d a t s c h erweiterte, nd. lautmalende Ausruf, der Mamma, m h d . klamme /. N h d . k l e m m e n aus einen klirrenden Sturz begleitet, steht bildlich m h d . klemmen, ahd. iiklemmen ' m i t den Klauen
Klammer
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packen, einzwängen, zus.-drücken', ags. beclemman. Nhd. K l e m m e /. aus mhd. klemme, klemde f . 'Einengung, Klemmung'. Hieraus abgespalten obd. K l a m m f . 'Felsspalte mit Wildwasser'. Dazu ein st. Ztw. mhd. klimmen 'pressen, drükken' (wovon Part. mhd. beklumen, nhd. b e k l o m men). Neben germ. *klimman: *klammian liegt mit gleicher Bed. *klambian in norw. mundartl. klemba 'klemmen'. Grundwz. ist *glem-, wozu lit. glomöti 'umarmen', lat. glomus 'Knäuel, Mehlkloß'. Klammer f . mhd. klam(m)er(e), anord. klgrnbr f . (Gen. klambrar) 'Klemme, Schraubstock', norw. klamber 'Felskluft'. Dän. schwed. klammer sind aus dem Hd. entlehnt. Dazu mhd. klemberen 'verklammern', engl, clamber 'klettern' (ursprünglich 'sich festklammern'), anord. klambra, klembra 'zwängen, einschließen'. *glembh- mit m und Labialerweiterung wohl zu idg. *gel'ballen'. Vgl. K l a m p e und k l i m m e n . Klampe f . aus dem Nd.: mnd. klampe 'Haken, hölzerner Steg', nl. klamp 'Klammer, hölzerner Seilhalter auf den Schiffen'. Hd. Form ist K l a m p f e (so bair.-österr. namentl. als 'Gitarre'), sie entspricht dem nl. klamp, engl, clamp, dän. klampe 'Klotz, Holzstück'; dazu klampe Ztw. 'schwer und lärmend gehen'. Ein zugehöriges st. Ztw. liegt vor in mhd. klimpfen 'zus.-drücken'. Auf *glembh- zurückzuführen wie K l a m m e r und k l i m m e n . Klang m. ahd. mhd. klanc, klanges neben klane, klankes: diese Form zu beurteilen wie Zicke neben Z i e g e , K i t z e neben anord. kiS, d. j. k steht für kk aus idg. kn. Gleiche Ablautstufe zeigen nl. klank 'Laut', engl, clank 'Gerassel, Geklirr', clang 'Schall, Getöse'. Auf anderer Stufe stehen mhd. klunk, klunges 'Klang' und klinc, klinges 'Ton, Schall'. K l a n g als Schallnachahmung ist unverschoben geblieben (E. Fraenkel 1936 Idg. Forsch. 54, 269) und vergleicht sich dem gleichbed. lat. dangor, gr. klänge. Klapp m. in nhd. Zeit aus dem Nd. aufgenommen, woher auch K l a p p e , k l a p p e n und K l a p s stammen. Nur das lautnachahmende k l a p p e r n gilt schon mhd., ohne daß an Entlehnung aus dem Nd. zu denken wäre. Nhd. K l a p p 'Schlag' ist lautlich mhd. kla(p)f (s. K l a f f ) . Klapperschlange f . zuerst 1669: Palmer 72. Dän. klapperslange stammt aus dem Nhd., nnl. entspricht ratelslang, engl, ratllesnake. K l a p p e r s c h l a n g e als junge Scherzbez. der Maschinenschreiberin Zs. f. d. Wortf. 6, 97. Klapperstorch s. S t o r c h . Klappertopf m. heißt der Rachenblütler Aleclorolophus seit F. Holl, Wb. d. dt. Pflanzennamen (Erfurt 1833) 146, weil die reifen Früchte im trocknen Kelch rasseln. Schon seit dem 15. Jh. ist gleichbed. K l a p p e r bezeugt,
klat(e)rig
seit dem 16. Jh. R a s s e l . Im Nd. heißt die vielnamige Pflanze K l ö t e r p o t t . Vgl. H a h n e n kamm. Klapphut »n. Lehnübersetzung des frz. chapeau claque, gebucht seit Campe 1808. Vgl. Angströhre, Schlosser. klar Adj. Lat. därus 'hell' hat, vielleicht z. T. durch Vermittlung von frz. clair (worauf engl. clear zurückgeht), mnl. ciaer ergeben, das in rhein. Denkmäler des 12. Jh. eindringt, von Heinrich v. Veldeke nach Thüringen getragen, nun seit Wolfram v. Eschenbach als mhd. klär häufig wird. Mnd. clär und spät-anord. klärr sind gleichen Ursprungs: Steinmeyer, Epitheta 7; Zs. f. d. Wortf. 2, 278. 3, 230. 13, 309. 15, 29. Klarinette /. Zu lat. clärus (s. k l a r ) gehört ital. clarino 'hohe Solotrompete', das als K l a r i n auch im alten Deutschland eine Rolle gespielt hat. Dazu ist ital. elarinetio Deminutiv. Das 1690 erfundene Holzblasinstrument erscheint bei Walther 1732 noch unter ital. Namen, weiterhin hat frz. darinette eingewirkt. Klasse f . Lat. classis 'Aufgebot' (zur Sippe von caläre 'rufen', s. hell) ergibt, vor Ende des 16. Jh. entlehnt, Classe 'Abteilung'; erst im 18. Jh. von den Ständen der Gesellschaft. Schon seit Quintilian war lat. classis 'Schülerabteilung', demgemäß classicus auch in dt. Texten des 16./ 17. Jh. 'Jüngling, der schulmäßig unterrichtet wird'; dafür C l a ß b u b 1689 Mon. Germ. paed. 24, 343. Klassenkampf m. bildet K. Marx 1847 Literar. Nachlaß 2, 467 zu K l a s s e im polit.-sozialen Sinn: 0. Ladendorf 1906 Schlagwb. 169 und 1907 Zs.f. d. Wortf. 9, 283. Auch das Schlagwort K l a s s e n s t a a t wird auf Marx zurückgeführt. Klassiker m. Lat. seriptor classicus bezeichnet seit Gellius im 2. Jh. n. Chr. den Schriftsteller ersten Rangs. Von lat. und griech. Klassikern sprechen Schubart 1774 und Denis 1777. Für die Ausdehnung auf andere als antike Künstler ist frz. (auleur) classique Vorbild: H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 345. klassisch Adj. 'mustergültig' nach den Vorbildern von lat. classicus und frz. classique. Das erste Zeugnis nennt 1748 Gottscheds Sprachkunst k l a s s i s c h . Die Ausdehnung auf mustergültige Ausdrucksweise (Gegensatzunklassisch 'barbarisch') und die Prägung zum Sinn 'antik' bei H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 345f. klat(e)rig Adj. 'unsauber, verwirrt, böse'. Zu der unter K l a d d e berührten Sippe paßt seiner Bed. nach nd. klater m. 'Schmutz', dazu das Adj., das zuerst im Brem. Wb. 2 (1767) 796 a l s k l a t t e r i g gebucht, durch Schriftsteller wie Claudius und Hermes 1778 in hd. Texte gelangt. Wegen tr ist auch hd. keine Verschiebung des t eingetreten (s. b i t t e r ) , schwäb. K l a t t e r 'Kot':
klatsch
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Fischer 4, 457, Richey Hamburg 1754 kläi{e)rig. klatsch Interj., nur nhd., zu einer lautmalenden Sippe der Bed. 'schallen', wozu auch k l a t s c h e n , zuerst als k l a t z s c h e n bei P. Fleming ( t 1640) Dt. Ged. 1, 23 Lappenberg, nnl. kletsen 'die Peitsche knallen lassen'; schallnachahmend auch k l a t s c h e n 'schwatzen'. K l a t s c h m. bei uns als 'klatschender Schall oder Schlag' seit Rädlein (Lpz. 1711); das gleichbed. nnl. klets(e) schon 1599. Weitere Bedeutungen und Ableitungen sind jünger. klauben Ztw. mhd. klüben, ahd. klübön, norw. mundartl. kluva 'spalten'. Die germ. Wz. *klüb bildet seit alters noch ein zweites Ztw., s. k l i e ben. Klane f . mhd. klä(we), ahd. kläwa, germ. *klewö, aus *gleuä 'die Packende'. Daneben zwei ablaut. Formen mit derselben Bed.: germ. *klawö in mnd. klouwe, nnl. klauw, ags. clea (so lautgesetzl. aus *clawu; daneben als Neubildung aus den Casus obl. clawu), engl, claw, und germ. *klöwa in mhd. klö, ahd. chlöa, anord. klö. Falls 'runder Auswuchs' Grundbed., ist eine vierte ablaut. Form zu vergleichen: germ. *klewan (s. K n ä u e l ; dort die außergerm. Sippe). klauen schw. Ztw. Ahd. kläwen, mnd. klouwen, klawen, frühnhd. kläuen, kleien führen auf germ. *kläw(f)an: zu K l a u e . Alt in Bedeutungen wie 'kratzen, krauen, krabbeln'. Die Bedeutung 'stehlen' ist in neuerer Zeit von Sachsen ausgegangen und durch den ersten Weltkrieg verbreitet worden. D i e b s - K l a u e n 'furaces manus' in Berlin 1741 bei Frisch. Klauer m. und n. Kommt in rhein -mainischen Gegenden viel vor. Außer der bei Grimm DWb. V 1304 genannten Bedeutung 'Weidicht, mit Weiden besetzter Platz' auch ein solcher mit Dornen, Erlen, Weißpappeln (1781) im böllenglauer (Bellen=Weißpappeln) in der Rheinpfalz. K. ist seit 1305 bezeugt. Herleitung ungeklärt (E. Christmann briefl.). Klause f . Zu lat. claudere 'schließen' tritt an Stelle der klass. Form des Part, clausus ein mlat. clüsus. Dessen F. wird subst. in der Bed. 'eingehegtes Grundstück; Kloster'. Darauf beruht das Lehnwort ags. clüs(e), ahd. klüsa, mhd. klüse 'Kloster, Einsiedelei'. Weiter entwickelt mlat. clüsa f . eine Bed. 'angustus montium aditus': darauf beruht mhd. klüse 'Engpaß'. Endlich wurde klass. lat. clausa lautgesetzl. zu *clösa: daraus mhd. klös(e) 'Einsiedelei' mit klösenxre 'Klausner'. Klausel f . Lat. clausula 'Schluß(satz)' (zu claudere 'schließen') erscheint bei Kanzleijuristen schon im 14. Jh. eingedeutscht zu clausel. Daneben hält sich das fremde u in K l a u s u l bis tief ins 18. Jh., in ( v e r ) k l a u s u l i e r e n (so seit
Klee
1618) bis heute: H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 346; Zs. f. d. Wortf. 1, 229. 8, 59. Klavier n. Lat. clavis 'Schlüssel' erhält im Mlat. die Bed. 'Schlüssel zum Ventil der Orgelpfeife' und weiter 'Taste'. Sammelbegriff hierzu ist frz. clavier m. 'Tastenreihe, -brett (zunächst der Orgel)', das seit Virdung 1511 Musica B l a ins Nhd. entlehnt wird. Danach werden die Instrumente als C l a v i c i m b e l (s. Z i m b e l ) und C l a v i c h o r d unterschieden. Der endgültige Bed.-Wandel zu 'Saiteninstrument, dessen Saiten mit Hilfe von Tasten angeschlagen werden' seit Rachel 1677 Sat. 106. In den verlassenen Sinn 'Tastatur' rückt nun K l a v i a t u r nach: H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 346. kleben schw. Ztw., mhd. kleben, ahd. kleben (asächs. klibori): eine mit ags. cleofian (engl. cleave) 'kleben' gleiche Durativbildung zum st. Ztw. ahd. kliban 'festsitzen, anhangen'. Die germ. Wz. *kleib- ist mit labialer Erweiterung gebildet aus *glei-: *gli- in gr. gloios 'dickes Öl', glia 'Leim'. Dazu mit präsent, n air. glenaid (aus *glimli) 'klebt, bleibt hängen', ahd. klenan 'kleben, schmieren'. Vgl. K l e i und (mit nSuffix) aslaw. gUnü 'Schleim', glina 'Ton'. Landschaftlich wird das nicht überall übliche k l e b e n ersetzt durch b a c k e n , p a p p e n , p i c h e n , p i c k e n : Kretschmer 1918 Wortgeogr. 280f. klecken schw. Ztw. 'ausreichen, ergiebig sein, fördern': zu mhd. ahd. klecken (aus *klakjan) geht aus von der Bed. 'tönend schlagen', s. e r k l e c k l i c h und K l e c k s . Die nächsten Verwandten sind mhd. klac 'Klecks, Fleck', mnd. klacken 'Kleckse machen', nd. klak 'Knall, Geräusch von Schlägen', engl, clack 'klappern, rasseln, plaudern', norw. mundartl. klakka 'schlagen, klopfen, klatschen, knallen', klekkja til 'zuschlagen'. Außergerm. stimmen dazu gr. gldzö (aus *glagiö) 'lasse Gesang erklingen', gäl. glag 'Geräusch von etw. Fallendem' ir. glagän 'Mühlengeklapper': sämtlich zum lautmalenden *glag-, Klecks m. Zu mhd. klac, klackes m. 'Riß, Spalt, Krach', das gewiß Lautnachahmung ist, gehört klecken 'einen klac machen'. Rückbildung hierzu ist K l e c k Mathesius 1562 Sarepta 171 b , T i n t e k l e c k Hippel 1793 Kreuz- und Querzüge 1,101. K l e c k s , nicht vor Reinwald 1720 Akad.-Spiegel 407, geht von Ostmitteldeutschland aus. Landschaftl. entspr. pomm. kludj, westfäl. klunke, schwäb. alem. tolke. Das bair.-österr. S a u schon bei Duez 1652 Nomencl. 150. Außergerm. Beziehungen s. u. k l e c k e n . Klee m. Mhd. asächs. kle, -wes, ahd. kleo, obd. chleo, mnl. clee führen auf germ. *klaiwa-. Daneben germ. *klaibr(i)ön im mnd. nd. klever (daraus entlehnt dän. klever, schwed. Mover), mnl. cläver(e), nnl. klaver (mit fries. ö aus germ.
Klei
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klemmen
ai), ags. clsefre, cläfre, engl, clover 'Klee'. Gegen (vgl. gr. glainoi 'Schmuck, Putz') gehört der die lautlich mögliche Verknüpfung mit kleben Nasal zur Ableitung (wie bei grün, r e i n , (wegen des klebrigen Safts bes. der Blüte) schön), Stamm *gel-, *g(e)hi-, Grundbed. besteht der Einwand, daß der Saft vieler andrer 'glänzend' (von Öl und dgl.). In langer EntPflanzen ebenso klebrig ist. Die Herleitung wicklung ist klein Gegenwort von groß ge(Th. Baader, Nd. Jb. 1954, 38) von *gel-, gloi- worden. In Teilen der alem. und schwäb. Mund'hell, heiter seiend, glänzen', zu mhd. Meine art galt in seiner heutigen Bed. lützel. Alem. 'glänzend, zierlich, fein', ags. clcene 'rein', mnd. und ostpreuß. klln ist Ablautform: Mitzka, kleine 'dünn, fein, zierlich, klein' führt in solcher PB. Beitr. 1934, 312. Bedeutungsweite auch nicht recht an eine BeKleinbahn /. 'Bahn von geringster Spurdeutung *weiß, *rötlich heran. weite' verdrängt älteres T e r t i ä r b a h n , seitKlei m. erst nhd., aus nd. Mci 'Schlamm, dem es in Preußen 1892 als gesetzlicher Ausdruck Lehm, feuchte Erde', dazu asächs. klei 'Ton', festgelegt war. S e k u n d ä r b a h n ist gleichzeitig mnl. clei, nnl. Hei 'Marscherde, Ton, Lehm', zu N e b e n b a h n geworden: Zs. d. Sprachv. 7, ags. clseg, engl, clay 'Ton, Lehm, Schlamm', ags. 107; W. Linden 1943 Dt. Wortgesch. 2, 384. clidan 'anhangen, kleben'. Germ. *Maija- zur Kleinleben s. S t i l l e b e n . Wz. *klei (s. k l e b e n , K l e e , klimmen). Dazu Kleinmut m. f. nicht vor Fischart 1573, spät mit andern Erweiterungen ags. cläm (aus rückgebildet aus dem schon mhd. kleinmuotic: *klaim-) 'Lehm, Ton', engl, mundartl. cloam Ruppel 1911 Rückbild. 14. 'Tonware', ahd. chleiman, anord. kleima, klina, Kleinod n. mhd. kleinöt, -cete, mnd. klenöde 'beschmieren'. Außergerm. Verwandte sind lit. 'feine, zierliche Sache, wertvolles (Gast-) Geglitüs 'schlüpfrig', lat. glüten, glüs (Gen. glütis schenk'. Ahd. asächs. unbezeugt. Erstes Wortaus *gloit-) 'Leim', glis (Gen. glilis) 'zäher Boden'. glied ist klein in s. Bed. 'fein, zierlich', die auch Vgl. J . Trier, Lehm 1951, 30. S. K l e i s t e r . in der erst frühnhd. Zus.-Setzung K l e i n kleiben Ztw. ahd. mhd. kleiben 'machen, daß schmied 'Schlosser' vorliegt. Zu obersächs. etwas haftet; anheften, befestigen': Kausativ K l e i n ( t ) aus K l e i n o d 'kleine Teile des zum st. Ztw. ahd. kliban, asächs. likliban, mhd. Schlachttiers' s. Kretschmer 1918 Wortgeogr. (selten) kliben 'haften'. S. kleben. K l e i b e r als 213. Das zweite Wortglied scheint von Haus aus Fam.-Name ist 'Maurer'. Die Spechtmeise (Sitta eine alte Ableitungssilbe ahd. -ödi zu sein, die caesia) heißt bair. klebermais, klailer, alem. auch in E i n ö d e und H e i m a t vorliegt. Die chleiber, weil sie ihr Nest verklebt: Suolahti 1909 mlat. Form clenödium(vgl. Kleinodien)scheint Vogelnamen 161. aber eine Reimwortbildung nach allödium zu Kleid n. mhd. kleit (d), fehlt im Ahd. bis Mitte sein, dessen zweites Glied gleich ahd. *öt, asächs. des 12. Jh. und hat sich bis heute nicht allge- öd 'Besitz' ist. Auch die Erhaltung des ö im Mhd. mein durchgesetzt: bair. gilt Gewand, schwäb. und Nhd. weist darauf hin, daß das Wort als häs (mhd. hce%e, ahd. hä7, m., ags. h&teru 'Klei- Zus.-Setzung mit öl 'Besitz' empfunden wurde. der'), eis. bad. plunder; s. auch F e t z e n . Auch Kleinstaat m. zuerst bei F. L. Jahn 1814 dem Got. und Asächs. ist K l e i d fremd, ebenso Runenblätter 14. Dort S. 16 (Werke 1, 412 manchen ags. Denkmälern. Im 8. Jh. erscheint Euler) K l e i n s t a a t e r e i als herber Vorwurf: ags. cläp (engl, cloth), nächstdem afries. kläth, A. Gombert 1902 Zs. f. dt. Wortf. 3, 314; 0 . mnl. cleet (d). Anord. klcedi n. scheint aus der Ladendorf 1906 Schlagwb. 172; K. Wagner 1943 ags. Nebenform clsep zu stammen. Vom Nord- Dt. Wortgesch. 2, 347 f. westen ist das Wort nach Süden gelangt: v. Kleinstadt /. Aus dem seit Chr. Weise 1673 Bahder 1925 Wortwahl 42. Wurzel *glei-t. Zus.- Erznarren 390 bezeugten Adj. k l e i n s t ä d t i s c h Hang mit dem ablautenden ags. clipa 'Pflaster' ist das F. im 19. Jh. rückgebildet: Ruppel 1911 ist wahrscheinlich; über ags. clidan 'anhangen, Rückbild. 39. K l e i n s t ä d t e r (1787 in M. Krakleben' ist Verbindung mit K l e t t e herzustellen. mers Deutsch-holl. Wb.) ist gleich alt mit KleinDer Dt. Sprachatlas bietet die Lautgeographie s t ä d t e r e i : Zs. f. d. Wortf. 3, 314. von 'Kleider'. Kleister m. tritt md. nd. seit dem 14. Jh. als Kleie /. ahd. kll{w)a, mnd. kll(g)e, aus dem klister(e) auf in den Bed. 'anhaftender GegenDeutschen in andre germ. Sprachen (mnl. clei, stand, Pflanze mit Haftwurzeln, Klebstoff', dän. klid, schwed. norw. kli) gelangt. Die germ. nachdem frühmhd. chlenster m. 'Klebmittel' zu Grundform *kliwön führt auf *glei- 'klebrig ahd. klenan 'kleben' gegolten hatte. Beide mit sein', wozu mit dems. Suffix lett. gliwe 'Schleim'. Suffix -stra (in L a s t e r usw.: Wilmanns 1899 Näheres unter kleben. Wortbild. S. 282) zu der unter K l e i e entwickelklein Adj. ahd. kleini, asächs. kleni, mhd. ten Wz. *glei- 'klebrig sein'. Nächstverkleine 'zierlich', mit älterer Bed. ags. cliene, engl. wandt ist anord. klistra 'kleistern'. clean 'rein'. In der westgerm. Grundform *klainiklemmen s. Klamm.
Klemmer
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Klemmer m. Die Brille ohne Seitengestell frz. pince-nes, heißt bei Auerbach 1843 Dorfgesch. (Florian und Kreß.) 2, 25 K l a m m e r b r i l l e , nordd. K n e i f e r , südd. Z w i c k e r . Ein urspr. nd. näsnklemmer (Danneil 1859 Altmärk. Wb. 143) gelangt als N a s e n k l e m m e r ins Nhd. (0. Ludwig 1857 V. Regen in die Traufe, Wke. 4, 230 Bartels) und wird ostmd. verkürzt zu K. Dem DWb. 1867 noch unbekannt. klempern Ztw. gelangt aus dem Nd. (s. K l a m p e ) ins Nhd., hd. entspricht k l a m p f e r n 'verklammern'. Der Blechschmied heißt obd. im 15. Jh. clampfer, im 17. Jh. klampferer. Daß seit Fischart 1572 klamperer eindringt und später K l e m p e r e r herrschend wird, beruht auf Einfluß des Ztw. k l e m p e r n 'Blech auf dem Amboß hämmern'. K l e m p e r e r , das sich als Fam.Name hält, wird nach Vorbildern wie B l e c h n e r , F l a s c h n e r , S t ü r z n e r umgestaltet zu K l e m p n e r : so seit Steinbach 1734. Die landschaftl. Synonymik des Handwerkernamens, verursacht durch weitgehende Berufsteilung im Mittelalter und späteren Ausgleich nach versch. Seiten, ist die reichste von allen (s. die unter B ö t t c h e r genannten Schriften): K l e m p n e r ist baltisch, nord- und md.; südl. und westl. grenzt S p e n g l e r an, das von Lothringen bis Westfalen und Österreich gilt. Von Baden bis zur Oberpfalz herrscht F l a s c h n e r (s. d.), im Elsaß B l e c h s c h m i e d , in Teilen des Schwäb. B l e c h l e r , - n e r , in der Schweiz S t ü r z n e r , in Westfalen B l e c h s c h l ä g e r , sonst vereinzelt B e c k e n s c h l ä g e r und Z i r k e l s c h m i e d . klenken Ztw. mhd. Mengen, klenken 'klingen machen': Faktit. zu k l i n g e n (s. d.) wie h e n k e n zu h a n g e n . Dazu vielleicht thür. d i e Z a p f e n a u s k l e n g e l n 'die Samen aus den Fichten- und Kieferzapfen herausschlagen'. Klepper m. 'geringes Pferd', zuerst md. im 15. Jh., seit Maaler 1561 gebucht, noch bei Zehner 1622 Nomencl. 280: equus viatorius 'Klöpper, Reitklöpper' ohne herabsetz. Sinn, ebenso mnd. nnl. dän. klepper: zu Meppen 'klappern', offenbar vom Hufschlag. Klette f . Ardium lappa L. heißt nach den an Mensch und Tier haftenden Blütenköpfen. Mhd. klette, ahd. cletha, cledtho, kleddo, cletlo, -a, asächs. cledihe, kleddo, anfr. *Meddo (vorausgesetzt durch das daraus entlehnte afrz. gleton) führen auf germ. *Mippan, -on. Eine Grundform mit -ppj- setzen gleichbed. mnl. elisse, nnl. khs voraus. Daneben mit einfachem Zischlaut gleichbed. ags. elide, mit Tenuis und oStufe ags. cläte, engl, elote. Die Wurzel germ. *kleip- aus *gleü- 'ldeben' auch in ags. mtelldan 'anhaften', lit. glitüs 'klebrig', glltas 'Schleim, Klebstoff', lat. glüten 'Leim', germ. *kleit- aus *gleid- auch in lett. gllds 'klebrig'. Beides sind
Klinge
Dentalerweiterungen der gleichbed. Wurzel *glei-, die unerweitert in ahd. klenan 'kleben, schmieren' und gr. glla 'Leim' steht. Labialerweiterungen s. u. k l e b e n . klettern Ztw. nicht vor dem 15. Jh., sicher verwandt mit K l e t t e und samt diesem auf einen Stamm der Bed. 'kleben' zurückzuführen; s. k l e b e n , k l i m m e n . Dazu nnl. klauteren, nd. klätern, klattern, südfränk. klötrn 'steigen, klettern'. Sonst gelten mnd. Mouwern, nd. klauern, meckl. klaspern, hann. klampern, schwäb. kreisle, alem. chresme, bair.-österr. k r a x e l n (s. d.). Klicker m. der hess. mrhein. lothr. Name der Murmeln (Kretschmer 1918 Wortgeogr. 344ff. 611f.), dem nordd. K n i c k e r entspricht; obd. dafür K l u c k e r seit dem 15. Jh. Dies setzt ahd. *kluckul voraus, wozu die Verkl. clueli 'globulns' bezeugt ist. Germ. Greif. *klu-klu- als redupl. Kinderwort (s. B u b e ) ? Vgl. die Wortgruppe unter K n ä u e l sowie Kuhn 1920 Aufsätze z. Sprach- und Lit.-Gescli. (Festschr. f. Braune) 352. klieben st. Ztw. 'spalten', mhd. Mieten, ahd. klioban, chliuban, asächs. klioban, *klüban, mnd. klüven, ags. cleofan, engl, cleave, anord. kljüfa 'spalten'. Unter k l a u b e n wurde ein Ztw. der gleichen Wz. *klub: *kleub 'mit e. scharfen Gerät bearbeiten' besprochen, dazu gr. glijphein 'aushöhlen, stechen', gtyphanos 'Schnitzmesser', gtyptes 'Schnitzer', vielleicht auch lat. glübere 'schälen'. Zur Wz. *glubh: *gleubh gehören ferner K l o b e n , K l u f t , K l u p p e ; s. auch Knoblauch. Klima n. Zu gr. klinein 'sich neigen' (s. l e h n e n 1 ) gehört gr.-lat. clima, -atis, urspr. 'Neigung der Erde vom Äquator gegen die Pole zu'. Als 'Gegend der Erde' erscheint Clima zuerst 1519 in dt. Text; 1588 ist die Bed. 'Wärme und Witterungsverhältnisse' erreicht: H. Schulz, 1913 Fremdwb. 1, 347f.; Zs. f. d. Wortf. 8, 59. klimmen st. Ztw. mhd. klimmen, klimben, ahd. klimban, ags. climban, engl, climb, mnd. klimm(er)en 'klettern'. K l i m m e n i s t nächstverwandt mit K l a m m e r und K l a m p e , s. d. klimpern Ztw. als Nachahmung eines hellen Klapperns seit Andersen 1669 Orient. Reisebeschr. 87. Zunächst kommt ihm das ältere Schallwort k l e m p e r n , s. d. und Zs. f. d. Wortf. 13, 54. Klinge /. in zwei Bedeutungen: 1. 'Schwertklinge', mhd. mnd. klinge. Nnl. (seit 1599) kling, dän. klinge, schwed. (seit 1621) klinga sind aus dem Nhd. entlehnt. Vom singenden Klang des auf Helm und Panzer treffenden Schwerts, somit Rückbildung zu k l i n g e n , s. d. Dem Ursprung nahe sagt um 1200 Wolfr. v. Eschenbach, Parz. 69, 13ff.: von knappen was umb in ein
klingeln
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rinc, dä il von swerten klingä klinc. wie si nach prlse rungen, der klingen alsus Hungen. 2. Zum gleichen Ztw. bezieht man K l i n g e 'Gießbach, Talschlucht', ahd. klingo m., klinga f., mhd. klinge f . Heute auf obd. Mundarten beschränkt, außerdem nur als Name im Gelände, einst weit verbreitet. Zuerst 820 Hammelburger Markbeschr.: in thie teofun clingun. Möglicherweise kreuzen sich mit der Ableitung von k l i n g e n Reste einer unverwandten Sippe, die im ahd. Ortsnamen Cläh-uelde und in engl, clough 'Schlucht, Klamm' (ags. *clöh, germ. *klanh-) greifbar werden. klingeln Ztw. ahd. klingilön, mhd. klingelen 'einen Klang geben, rauschen, plätschern': Verkl. zu k l i n g e n . K l i n g e l /. ist Rückbildung des 17. Jh. Zur Abgrenzung von k l i n g e l n gegen l ä u t e n und s c h e l l e n sowie von K l i n g e l gegen G l o c k e s. Kretschmer 1918 Wortgeogr. 284 ff. klingen st. Ztw. mhd. mnd. klingen, ahd. klingan, chlingan, mnl. clinghen. Engl, clink hat den Auslaut k (für g) angenommen, den das durch Ablaut verbundene Subst. clank (s. K l a n g , k l e n k e n ) von je hatte, entspr. mengl. mnl. clinlcen, nnl. klinken. Auf Entlehnung aus dem Mnd. beruhen spätanord. klingja, schwed. klinga, dän. klinge. S. K l i n g e , K l i n k e . Klinik f . Das mit gr. klinein (s. K l i m a ) verwandte Mine f . 'Lager' liefert klinikös 'bettlägerig'. Dazu klinlke (iechne) 'Heilkunde', dem C l i n i k 'ausübende Heilkunde' bei Campe 1813 entspricht. Die Bed. 'Anstalt zum Unterricht in der Heilkunde' nach dem Vorbild von frz. clinique seit Gutzkow 1843: H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 348. Klinke /. mhd. (14. Jh.) klinke, mnd. klinke, Menke. Der Türgriff heißt von dem Klang, den der Fallriegel auf dem Klinkhaken verursacht. Die lautliche Kluft wird überbrückt durch die gleichbed. Nebenform K l i n g e sowie dadurch, daß neben k l i n g e n weithin ein gleichbed. k l i n k e n gilt, z. B. thür. „die Gläser aneinander klinken". Aus der ostmd. Heimat dieses k l i n k e n stammt das Schriftwort K l i n k e , dessen reiche Synonymik Kretschmer 1918 Wortgeogr. 289 ff. darstellt. Zur Sache Mor. Heyne 1899 Wohnungswesen 231. Klinker m., nnl. klinker(t), 1698 klinckaerdt 'hart gebrannter Ziegelstein' zu Wasser- und Mühlbauten, Pflasterung und dergl. Der helle Klang, den er gibt, ist Zeichen seiner Härte und Güte. Zum Ztw. k l i n k e n , einer Nebenform von k l i n g e n , s. d. Nd. klinker ist seit 1767 bezeugt, im Hd. kaum vor Adelung 1775. Klinse, K l i n z e f . 'Spalt'. Nur hd.: mhd. (seit dem 13. Jh.) klimse und mit anderer Ablautstufe klumse. klümse. Die frühnhd. und mund-
klittern
artl. Formenfülle bei Bahder 1925 Wortwahl 131 f. Ein ahd. *klim-, *klumu%a fehlt. Mit Suffix germ. -usjö (Kluge 1926 Nomin. Stammbild. § 85) zur Sippe von K l a m m , s. d. klipp Adj., immer nur in der Formel k. u n d k l a r , die im 19. Jh. aus nd. k. und Maar (Richey 1754; Dähnert, Pom.-Rügische Ma. 1781) 'ganz deutlich' ins Nhd. gelangt ist. Nd. klipp zum lautmalenden Ztw. k l i p p en'zus.-passen', gleichbed. mit k l a p p e n (s. K l a p p ) . In westfäl. kapp un Mär (Idg. Forsch. 48, 262) ist das erste l wegdissimiliert. Klippe f . mhd. klippe, im 14. Jh. entlehnt aus mnl. klippe (nnl. klip), mit pp aus in (idg. ihn). Ohne Nasalsuffix westfäl. Iclidf, asächs. ags. clif, engl, c l i f f , anord. klif, ahd. klep n. 'Promontorium,', ags. cleofan, engl, cleave 'spalten'. Dazu ablautend anord. kleif f . 'Klippenreihe'. klippern Ztw. frühnhd. Neubildung zum gleichbed. k l a p p e r n . Klippfisch s. L a b e r d a n , S t o c k f i s c h . Klippschule f . 'Winkelschule': klipschole zuerst 1534 in einer nd. Schulordnung für Rostock, seit 1687 in hd. Quellen (Nyström 1915 Schulterm. 1, 52f.), daneben in Parchim 1752 K n i p s c h u l e . Beide Vorsilben (vgl. K n e i p e ) sollen diese Art Schulen verächtlich machen; K l i p m. begegnet bei Zeidler 1700 Sieben böse Geister 98 als 'Schnippchen, geringes Ding'. Entspr. in nd. Mipp-kram, -kroog, -schenke, -schulden, wofür Dähnert, Pom. Wb. (Stralsund 1781) 353 plikk-kroog, -schoole, -schulden bietet. klirren schw. Ztw., lautmalende Bildung des 17. Jh., zuerst bei Chr. Reuter 1697 Schelmuffsky 11 Ndr.; bei Steinbach (Breslau 1734) als landschaftlich gebucht. Durch ostmd. Schriftsteller im Nhd. eingebürgert; von da entlehnt dän. klirre und schwed. Mirra (dies nicht vor 1834). Im Ostmd. ist das zugrunde liegende Schallwort k l i r r daheim, das vom Klang zerbrechenden Glases oder schütternden Metalls gebraucht wird. Ähnlich gebildet sind f l i r r e n , girren, knarren, knurren, schnarren, s c h n u r r e n , s c h w i r r e n und s u r r e n . Klistier n. Zu gr. klyzein 'spülen', urverwandt mit l a u t e r , gehört klysterion, das über lat. clysterium Fachwort der mittelalterl. Heükunde wird und im 14. Jh. mhd. Mister, kliestier ergibt. Lett. klistieris ist aus dem Nhd. entlehnt: J. Sehwers 1925 Zs. f. vgl. Spracht. 53, 105. klittern Ztw. 'schmieren, klecksen', in Ablaut zu k l a t e r i g . Dazu seit dem 16. Jh. kaufmänn. K l i t t e r b u c h 'Kladde' (s. d.). Im Titel von Fischarts 'Gargantua' erscheint 1582 Ges c h i c h t k l i t t e r u n g , wo 1575 G e s c h i c h t s c h r i f t gestanden hatte. K l i t t e r s c h u l d e n 'Klippschulden' seit Stieler (1691) 1940.
Kloben
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Kloben m. mhd. klobe 'gespaltener Stock zum Festhalten, Fessel, Riegel', ahd. klobo, asächs. fugalklobo 'gespaltenes Holz zum Vogelfang', asächs. klobo 'Fußfessel', mnl. clove, afries. klova, anord. klofi 'Felsspalte, Türfuge' : zu k l i e b e n 'spalten', s. d. und K n o b l a u c h . Klöpfelsnächte PI. die drei letzten Donnerstage vor Weihnachten, die im Aberglauben ihre Rolle spielen und danach heißen, daß arme Leute und Kinder an die Türen klopfen und unter Hersagen von Sprüchen Gaben heischen. Zuerst in der entstellten Form knöpflinsnächt in Augsburg 1462 (H. Fischer 4, 499): die Umdeutung dadurch begünstigt, daß bei der Feier der Anklopfete in den Lichtstuben Knöpflein gekocht wurden. Heute noch Schwab, und bair. für den letzten Adventdonnerstag; sonst auch B o c h s e l n ä c h t e : Schmeller l a 1337f. klopfen schw. Ztw. m h d . klopfen, ahd. chlopfön, m n d . nnl. kloppen, mnl. cloppen. Durch
Ablaut ist damit die unter K l a f f behandelte Gruppe verbunden, die auf ein urgerm. *klappön 'schlagen' deutet. Urverwandt ist gleichbed. a h d . klockön, m h d .
klocken.
klöppeln Ztw. In Annaberg 1561 kommt die Kunst des Spitzenklöppelns auf, für die ein Holzgerät wesentlich ist, das wegen s. Ähnlichkeit mit dem Glockenklöpfel (s. k l o p f e n ) ostmd.
Kluft
M ö n c h und N o n n e im 6. Jh., nachdem durch Gründung des Benediktinerordens 529 das Klosterwesen endgültig Gestalt gewonnen hat. Daneben gilt bair. klöster 'Türschloß' im Anschluß an lat. claustrum 'Riegel'. Die Scheidung der Wörter für 'abgeschlossener Raum' und 'Verschluß' greift auf die brit. Inseln über: ags. clauster bedeutet 'eingeschlossener Platz', clüstor 'Schranke'; entsprechend in den kelt. Entlehnungen. Anord. klaustr n. und klaustri m. 'Kloster' sind dem Ags. entlehnt, während dän. schwed. klöster dem Mnd. entstammen. Kloß m. Mit russ. glüda 'Klumpen, Kloß' gleichgebildet sind ahd. mhd. klö% 'Klumpen, Knolle, Knäuel, Ball, Kugel, Schwertknauf, Keil', mnd. klöt, klüte, mnl. kloot 'Kugel, Ball', ags. *clêat, engl, cleat 'Keil'. Aus 'Klumpen' scheint über 'Bruchstück' die Bed. 'Lappen' entwickelt zu sein, die in ags. clüt, engl, elout, spätanord. klütr vorliegt. Über K l ö ß e als Gericht s. Kretschmer 1918 Wortgeogr. 291 ff. und G. Florin 1922 Gießener Beitr. z. dt. Phil. 5. Klotz m. Zunächst zu K l o ß (unter Verdopplung des auslautenden Dentals), gehört zu ags. clott, engl, clot 'Erdkloß, Scholle' mhd. kloz, Klotzes 'klumpige Masse, Kugel'. Dän. klods, schwed. kloss sind aus dem Nhd. entlehnt, wie dän. klode, schwed. norw. klot 'Klumpen' aus
klöppel heißt. Verhochdeutscht Spitzen klopf ein, m n d . klöt.
Klöpflerinn Stieler (1691) 984. Zur Sache K. Müller-Fraureuth 1914 Wb. d. obersächs. Ma. 2, 55. Klops m. 'kugelförmiger Fleischkloß', beschrieben von Kretschmer 1918 Wortgeogr. 158. Das Gericht erscheint zuerst 1759 in Ostpreußen und wird von Königsberg aus verbreitet: Frischbier 1882 Preuß. Wb. 1, 381. Der Name gehört zu k l o p f e n (s. d.) in nd. Form: ps steht für pps, urspr. -ppes : H. Paul 1916 Dt. Gramm. 1, 271. Klosett n. im heutigen Sinn ist gekürzt aus W a t e r c l o s e t t (so seit 1840), das aus engl. water-elosel stammt. Dies enthält engl, closet 'verschließbares Gemach', um 1750 durch Bodmer und die Züricher bei uns eingeführt, schon 1754 mit der Betonung von gleichbed. frz. closette f . versehen, dem Vorbild der aus lat. clausus, afrz. clos 'geschlossen' entwickelten Sippe: H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 348; Zs. f. d. Wortf. 15, 189; Ganz, Einfl. d. Engl. 114.
Klub m. Anord. klubba 'Keule', verwandt mit K l u m p e (s. d.), ergibt über mengl. clubbe gleichbed. engl. club. Dies wird nach der als Zeichen der Ladung (s. l a d e n 2 ) herumgeschickten Keule zum Namen engl., seit dem 18. Jh. auch frz. Männerbünde erst zu gelehrten, dann zu geselligen Zwecken. Als eins der ersten Gesellschaftswörter aus England (s. G e n t l e m a n , P i c k n i c k , S p l e e n ) gelangt C l u b b 1750 nach Norddeutschland; im Süden hält sich K a s i n o , s. d. Durch das Wirken des Jakobinerklubs erhält K l u b politischen Beigeschmack; nach der Hinrichtung Ludwigs XVI. nennt ein Wirt in der Spiegelgasse zu Wien seinen C l u b wieder Casino. Im 19. Jh. wird K l u b unter neuer Einwirkung Englands ins Sportliche umgefärbt: Voss. Ztg. 1793 Nr. 26; Zs. f. dt. Wortf. 13, 266; H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 349; Stiven 33. 37; Ganz, Einfl. d. Engl. 114. Klncke s. G l u c k e .
Kloster n. ahd. klöstar, m h d . m n d . klöster, Kluft 1 f . ahd. m h d . Kluft, m n d . Kluft, Klucht, mnl. clooster, nnl. klooster, afries. kläster: m i t ags. geclyft, engl, cleft, clift. Die versch. Bed.
dem röm. Christentum entlehnt aus volkslat. *clöstrum (woraus auch ital. chiostro, während afrz. cloistre und engl, cloister ein volkslat. *clöstrium voraussetzen). Es ist im Kirchenlatein der abgesperrte, den Laien unzugängliche Raum im monasterium (s. M ü n s t e r ) . Die kirchliche Entlehnung erfolgt gleichzeitig mit der von
'Spalt, Höhle, Zange, Schere' gehen auf 'Spaltung' zurück, auch die von nd. nl. Kluft 'Sippe, Nachbarschaft oder Teil davon' : K. ist Verbalabstr. zu dem unter k l i e b e n dargestellten germ. *kliuban 'spalten'. Die Zange trägt den Namen K. als gespaltenes Werkzeug, vgl. K l u p p e und Kluft-, Eloppdiessel unter D e i c h s e l . Die mhd.
Kluft
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Bed. 'Gruft' scheint auf Vermischung des heimischen Worts mit dem fremden crypta (s. •Gruft) zu beruhen. Vgl. K l u f t = D e i c h s e l . Kluft2 /. 'Gewand, Dienstkleidung'. K l ü f t c h e n 'Rock, Anzug' ist stud.-sprachlich seit 1793 belegt (F. Kluge 1895 Stud.-Spr. 100). Voraus geht (seit 1652 greifbar) rotw. K l u f t , Klif f t 'Anzug', das aus nhebr. qillúph 'Schale' stammt. Diesem liegt griech. kélypos 'Hülle' voraus: E. Weißbrodt 1939 Zs. f. dt. Philol. €4, 305; S. A. Wolf Wb. d. Rotwelsch. 2736. klug Adj. Adv. kluoc (g) im höfischen (West-)Md. 'schmuck, fein(gebildet), edel, tüchtig', während (ost)md. klüc f ü r 'prudens,
sapiens'
steht. Im Ahd. ist das Adj. vor Einsetzen unsrer Denkmäler abgestorben, doch erweist alem. xluax, das in Graubünden 'stattlich, wacker' bedeutet (Schweiz. Id. 3, 622), das einstige Vorhandensein. Den Österreichern vor Heinrich v. d. Türlin (um 1220) fehlt kluoc. Das Adj. gelangt nach 1150 mit den Reimen nrhein. Dichter ins Hd. und wird durch Wolfram v. Eschenbach geläufig, der es seit etwa 1197 dreizehnmal im Reim verwendet. Im Hd. ist inlaut. g für nd. und germ. k eingetreten; mnd. klök (hieraus entlehnt spätanord. klökr mit schwed. klok und d ä n . klag) deckt sich m i t mnl. clocc (nnl. kloek),
das u. a. 'behend, gewandt, listig' bedeutet. Germ. *klöka- (mit intensiv, kk) vereinigt sich m i t dem u r v e r w a n d t e n air. glice (aus
*g¡knó-;
ir. glic fordert -k) 'weise', glicce 'Schlauheit' auf eine Grundbedeutung 'glatt und beweglich wie eine Kugel'. *glek- gilt als fe-Erweiterung zu idg. *gel- 'ballen; Geballtes', s. Galle 2 . J. Trier 1932 Zs. f. Deutschkde. 46, 625; O. v. Friesen 1936 Ordgeografi 120ff.; F. Scheidweiler 1941 Zs. f. dt. Alt. 78,184ff. Klumpen, K l u m p e m. erst nhd., aus gleich-
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Knall
Kluppe f . mhd. kluppe, ahd. kluppa 'Zange' mit gleichbed. K l u f t (s. o.) zu germ. *kliuban 'spalten'. Dazu Vogtland.: ich habe mich gekluppt 'gequetscht'. Entsprechungen in den verwandten Sprachen fehlen. S. k l a u b e n , klieben. Klüver m. dreieckiges Segel am Klüverbaum, dem verlängerten Bugspriet: in dt. Seemannssprache seit Röding 1794, aus älterem nl. kluver (u als ü gesprochen), das zu kluif 'Klaue' gehört: so heißt der Leitring, an dem das Segel fährt. Gleichen Ursprungs sind dän. klyver, schwed. klyvare. knabbern Ztw. kaum vor Reiske 1765 Demosth. 2, 123 in hd. Text. Aus dem Nd., wo k n a b b e l n danebensteht, bb als Zeichen nd. Herkunft auch in k r a b b e l n , k r i b b e l n , s a b b e r n , w a b b e l n . Mit hd. Lautgebung k n a p pern, knuppern. Knabe m. mhd. knabe, spätahd. lcnabo 'Knabe, Jüngling, Bursche, Diener' mit der urspr. gleichbed. Nebenform nhd. K n a p p e , mhd. knappe, ahd. knappo. Die beiden Formenreihen verhalten sich zueinander wie R a b e zu R a p p e , s c h a b e n zu S c h u p p e : ob der Wechsel von b mit pp auf der westgerm. Kons.-Gemination beruht, ist fraglich; sichere Erklärung fehlt. Intensive Doppelung? Schwierig bleiben ags. enapa, anl. knapo 'Knappe, Junker' neben ags. cnafa, engl, knave. Die Grundbed. der Sippe zeigt sichin hess. Knabe'Stift, Bolzen', schwed. mundartl. knabb, knappe 'Pflock', norw. knabbe 'Bergkuppe' (vgl. Knebel). Zum Bed.-Wechsel vgl. B e n g e l , K n e c h t und S t i f t ('kleiner Bursche'). Die Mundarten haben das hochsprachlich gebliebene Wort K n a b e nirgends für norddt. 'Junge', süddt. 'Bube' übernommen, vgl. die Wortkarte von Dora Blank unter J u n g e . knacken schw. Ztw., mhd. knacken, mnd.
bed. nd. klump; vgl. m n d . klumpe 'Holzschuh', knaken, schwed. norw. knaka, dän. knage nnl. klomp, mnl. clompe, engl, elump ' K l u m p e n , ' krachen'. Rückbildung daraus ist das M. K n a c k
Kloß, Klotz'. S. K l a m p e , K l u b und K o l b e n . 'Krach' (auch in der Bedeutung 'Ende des Klüngel m. m h d . *klüngel, klüngelin, a h d . Brots' in berlin. K n a c k e n , altmärk. knagg, klungilin n. 'Knäuel': Verkleinerung zu gleich- brem. knagge), mengl. cnak, engl, knack, isl. bed. ahd. klunga f., das durch schwed. klunga knakkr. Abweichend m h d . knochen, ags. cnocian, 'gedrängter Haufen, Masse' bestätigt wird. Dem- engl, knock, anord. knoka 'klopfen' und (mit germ. nächst vergleichen sich anord. klungr (aus au) westfäl. knöken "(zer)stoßen': nur germ. *klung-ra, -ru) 'Hagebutte' schwed. klänga lautmalende Bildungen. Anders k n i c k e n , s. d. 'klettern', engl, ding aus ags. clingan 'sich anKnackwurst /. 'Wurst, deren dünne Haut beim klammern'; s. K l a m m e r . Am Niederrhein Hineinbeißen knackt'. Zuerst in Nürnberg 1553: ist aus 'Knäuel' mit Metapher 'Parteiwirtschaft' H. Sachs, Fabeln 142, 56 Ndr., und in Straßburg geworden; aus Kölner Ma. hat sich K l ü n g e l 1575: J. Fischart, Geschichtklitt. 21 Ndr. in diesem Sinn im 19. Jh. verbreitet: F. Hönig Knall m. nhd. Rückbildung aus mhd. (er-) 1905 Wb. d. Kölner Ma. 94. knellen 'erschallen'; vgl. ags. cnyll, cnell 'Zeichen Klunker m. f . erst nhd. (bei Steinbach 1734 mit der Glocke', engl, knell 'Glockenschlag'. Auf 'sordes dependentes vestium'): zu m h d . klungeler der Wendung „Knall und Fall war eins" f . 'Troddel', glunke f . 'baumelnde Locke', glun- (Grimmelsh. 1669 Simpl. 230 Ndr.: mit dem kern 'baumeln, schlenkern'. Schuß zugleich fällt der Mann) beruht K n a l l
Knan
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u n d F a l l 'plötzlich' (so seit Abr. a St. Clara 1719 Bescheid-Essen 272). Knan K n ä n m. 'Vater', ein Wort der hess. Mundart, literar. durch den Eingang von Grimmelshausens Simpl. 1669: mhd. g(e)nanne, genarrte 'Namensvetter' (zur Bed. von ge- s. gleich, Geselle), schon mhd. Anrede des Sohns an den Vater. Vgl. anord. nafni (germ. *ga-namnan-) 'Namensvetter'. knapp Adj. Adv. aus dem Nd. ins N h d . ent-
lehnt, wo lenap nicht vor Fischart 1576 Garg. 177 Ndr. nachgewiesen ist. Man vermutet, daß nd. knap(p) für *gehnapp steht und mit anord. hneppr 'eng' verwandt ist, das die Grundbed. zeigt. Knappe s. K n a b e . Frühe Bed.-Sonderung auf den Bergmann führt zu Bildungen wie mhd. lerc-knappe
(14. Jh.), f r ü h n h d . erzknappe,
nhd.
Knecht
n. 'Kugel'; md. nl. klüioen 'Garnknäuel'; asächs. cleuwin,
mnd. klüwen,
klüwel;
ags.
cleowen,
clywen n., mengl. clewe, engl. clew. Dazu anord. kle m. 'Webstein' (germ. *klewan). Mit mir. glao, jlim'BalP, air. glün, alb. gu-ri 'Knie', gr. gloutös 'Hinterbacke' (eigentl. 'Kugel') zur Wurzel *gleu- 'Gerundetes'. Versch. Ablautformen s. u. Klaue. Knauf m. mhd. knouf 'Knauf am Schwert, Knopf auf Türmen', dazu Verkl. knoufel, knöufel m. Ahd. *knouf unbezeugt. Auf vorgerm. *gnevMi- weisen ir. gnobh 'Knoten am Holz', auch mnd. mnl. knöp 'Knoten, Knopf, Knauf'. Außerhalb vergleicht sich anord. knypri 'Klumpen'. Vgl. K n o p f . Knauser m. dringt im 17. Jh. aus md. Mundart langsam in die Schriftsprache. Voraus geht mhd. knü% 'keck, verwegen, hochfahrend', frühnhd. knaus 'hochfahrend' (auch als Fam.-Name K n a u s , Kneißel). Man vergleicht ags. cneatian 'streiten', norw. knauta 'knurren' und schwed. knota 'brummen, murren'. Der Bedeutungswandel von 'hochfahrend' zu 'geizig' wird klar durch Zs. d. dt. Altert. 8, 557, 243: gegen
K n a p p s c h a f t f . 'Verband von Bergleuten' (seit Frisch 1741). knappen Ztw. erst nhd., entlehnt aus nnl. knappen 'essen', dies lautmalend. Dazu K n a p p s a c k , mnd. nl. (16. Jh.) engl, knapsack 'Zehrbeutel'. Bei uns durch Schriftsteller wie J . Moser den armen ist er knü%. (Zs. f. d. Wortf. 13, 54) eingeführt. knarren schw. Ztw. mhd. knarren, gnarren: Knebel m. mhd. knebel 'Knöchel; Holzstück, junges Schallwort wie k n i r r e n und k n u r r e n . um das zur Strafe die Haare gewunden werden; Über K n a r r e /. und seine Synonyma K l a p p e r , an einem Seil festgeknotetes Querholz, auf dem Rappel, Rassel, Ratsche, S c h l o t t e r , sitzend Gefangene ins Verlies versenkt werden; S c h n a r r e u. a. Kretschmer 1918 Wortgeogr. grober Gesell', ahd. knebil, chenebil 'fesselndes 296 f. Querholz; Pferdekummet', mnd. knevel 'kurzes, Knaster m. Gr. kdnastron n. 'Körbchen' er- dickes Querholz; gedrehter Flügel des Schnurrgibt span. canastro 'Rohrkorb'. In solchen barts', nnl. knevel 'kurzer Stock; Knebelbart', Körben wurden edle Tabaksorten versandt, die anord. knefül 'Querstange', dän. knevel 'Munddemgemäß K ( a ) n a s t e r t o b a k heißen. Die Kür- knebel', älter durch 'Querholz am Jagdspieß', zung k(a)naster, zuerst in Holland vollzogen, schwed. mundartl. knavel 'dünner Pfahl, Stange, wohin Wort und Sache von Spanien gelangten, Sensengriff': die im Germ, besonders reich enterscheint bei uns zuerst 1700: Palmer 74. Ver- faltete Sippe, die mit gr. gömphos 'Pflock, Nagel', ächtlichen Sinn bekommt K n a s t e r in der Stud.- lit. gembe 'Nagel zum Aufhängen', armen, kant' Sprache, wo sich auch die Bed. 'altes (eig. ver- 'Handhabe, Stiel' u. a. auf *genebh-: *genebhräuchertes) Buch 'einstellt. — K n a s t e r ' b r u m - 'Pflock, Stock, abgeschnittenes Holzstück' führt. miger Tadler' stellt sich zu nd. knast m. 'KnorKnecht m. Mhd. ahd. asächs. kneht 'Knabe, ren; grober Kerl'. Zu k n a s t e r n 'brummend Jüngling, Bursche, Mann, Knappe, Held', mnd. tadeln' gehört K n a s t e r b a r t , gebildet wie mnl. nnl. kriecht, afries kniueht, ags. eniht ' K n a b e , B r u m m - , D u m m b a r t , zuerst bei Stieler 1691, Jüngling, Krieger, Diener, Knecht, Schüler', der gleichbed. K n a s t e r e r danebenstellt. S. engl, knight 'Ritter' führen auf westgerm. *knehK a n a l und K a n i s t e r . ta. Dän. knegt, schwed. knekt sind aus dem Mnd. knattern schw. Ztw., Schallwort im Ablaut entlehnt; die nord- und ostgerm. Sprachen biezu k n i t t e r n (s. d.), zuerst als 'slridere, strepere' ten nichts Vergleichbares. Zum i-Suffix vgl. bair. bei Stieler 1691. Voraus geht G e k n e t t e r vom knüchtel 'Knüttel, Prügel' (Schmeller-FromPrasseln des Donnerwetters bei Gg. Rollenhagen mann 1872 Bayer. Wb. 11347). Man erwägt An1595 Froschmeuseler 1, 98 u. ö. Goedeke, so daß knüpfung an schwed. knagg 'Knoten, Knorren', das Ztw. schon für das 16. Jh. vorauszusetzen mundartl. 'untersetzter starker Kerl' und verist. weist auf ähnlichen Bed.-Wandel bei B e n g e l , Knäuel m. n. m h d . kniu(we)l, kniulin n.: n steht K n a b e , K n a p p e und S t i f t ; T ö l z e r P r ü g e l (vor l des Auslauts; vgl. K n o b l a u c h ) für i: heißen die bärenstarken Flößer der oberen Isar. älter mhd. kliuwel(iri), Verkl. zu kliuwe n. 'Ku- Das schwed. Wort beruht mit mnd. mengl. gel', ahd. kliuwilln zu kliuwa, chliwa f., kliuwi knagge 'Knorren' auf gleichbed. *gnegh-,
kneifen
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Velarerweiterung zur Wurzel *gen- 'Geballtes'. kneifen Ztw. aus nd. knlpen (s. k n e i p e n ) ins Nhd. übertragen, literar. durch geborene Nd.e wie Barth. Ringwaldt 1581 Evangelia Kk 7 b . Umgangssprachl. ist k. auf den Norden Deutschlands beschränkt, im Südwesten gilt p f e t z e n , im Südosten z w i c k e n : Kretschmer 1918 Wortgeogr. 297f. S. a u s k n e i f e n und K n e i p . — Die Wortkarte 'Bauchweh' (s. d., und P e i n , S c h m e r z , Weh) zeigt die Verbreitung von - k n e i f e n als Grundwort in solcher Zusammensetzung. Kneifer m. gilt im Gebiet von k n e i f e n für frz. pince-nez (s. K l e m m e r , Zwicker). Es ist gekürzt aus N a s e n k n e i f e r , - k n i p e r (so J . Brinckmann, Werke 2, 9) und begegnet zuerst als kniper in Oldenburg 1855: Dt. Mundarten hgg. v. Frommann 2, 426. Kneip, K n e i f m. 'Messer', besonders des Schuhmachers, sodann des Gärtners und Winzers: mnd. knlp, hd. mundartl. kneipf weisen auf germ. *knlbn- aus *gneibh-. Entsprechend hd. mundartlich kneif, frühnhd. kneif}, mnd. knif, mnl. cnijf, ags. (um 1000) cnif aus anord. knifr. Aus dem Ags. oder Anord. entlehnt ist frz. canif 'Federmesser', die Verkleinerung eanivet schon im 12. J h . Unsere Fam.-Namen K n e i p (p) und K n i e p sind mittelbare Berufsnamen des Schuhmachers. Die nächsten dt. Verwandten sind k n e i f e n , K n i f f und k n i p f e n . Außergerm. vergleichen sich lit. gmjbiu, gndibau 'kneife' und gnybis, gnaibis 'Kniff'. Kneipe f. Zu den unter K l i p p s c h u l e entwickelten Vorsilben zur Erzielung verächtlichen Sinnes stellt sich K n e i p - in K n e i p s c h e n k e , das im 18. J h . als 'kleine, schlechte Schenke' in Obersachsen aufkommt, wo es auch zum Ortsnamen geworden ist. Literar. durch Lessing 1768 Antiqu. Briefe 56, wird K n e i p s c h e n k e von Adelung noch 1796 gebucht. Inzwischen haben Studenten das dreisilbige Wort verkürzt zu K n e i p e : dies in burschikosem Stil seit Kritzinger 1764 Bunte Reihe 33 aus Leipzig, bei Kindleben 1781 und Augustin 1796 aus Halle. Literar. durch Jean Paul und Seume. Danach S c h i f f e r k n e i p e Goethe 1822 Weim. Ausg. I 33,183; W a l d k n e i p e ders. an Zelter 4. II. 1831. Aus 'Wirtsstube' geht die Bed. 'Studentenbude' hervor, zuerst in Wittenberg 1793: Philipp Dulder 1, 80; literar. durch Wh. Hauff, Th. Storm und Rod. Benedix: Zs. f. d. Wortf. 3,114. 362. 4, 312. 12, 281. 15, 252; Kluge 1895 Stud.-Spr. 100; ders. 1912 Wortf. und Wortgesch. l f f . ; MüllerFraureuth 1914 Wb. d. obersächs. Ma. 2, 62; A. Meiche, Mitt. des Vereins f. sächs. Volksk. 6, 84. 173. Wohl zum folgenden: Die K n e i p e ist (wie
Knickerbocker
die Q u e t s c h e ) eine beklemmend enge Wirtsstube. kneipen Ztw. im 15. J h . aus mnd. knlpen st. Ztw. übernommen (s. k n e i f e n ) , das mit nl. knijpen 'zwicken' auf eine germ. Wz. *knip zurückgeht. Ihr entspricht *gnib in lit. gnybti 'kneifen', gnybis 'Kniff'. — Zur Bedeutung 'zechen' s. K n e i p e . Knepner, K n e p p e r s. S t o r c h . kneten schw. Ztw., früher stark, mhd. kneten, ahd. kneian, asächs. knedan, mnd. nl. kneden, ags. cnedan, engl, knead. Gleichbed. tiefstufig westfäl. knö(d)en, anord. knoda schw. Ztw. Germ. *kned-: *knud- aus *gnet-; urverwandt aslaw. gnetq, 'zerdrücke', apreuß. gnode (aus balt. *gnäte) 'Trog zum Brotkneten'. Knick m. 'Hecke, Zaun (um Haus, Dorf, Flur)', so benannt unter Betonung des dazu verwendeten lebendigen Holzes: septum naturale / knick; gröner dörntün Diefenbach 1857 Gloss. 528° aus Rostock 1582. Solche Hecken werden alle drei Jahre geknickt oder gebrochen. Literar. durch Schleswig-Holsteiner wie Th. Storm: Mor. Heyne 1901 Nahrungswesen 18; Schuchhardt 1915 Reallex. d. germ. Alt. 3, 68. Knickebein m. 'Likör mit Eigelb': ein Mecklenburger, der um 1840 in Jena studierte und wegen seines Gangs K. (nd. knikkebeen) hieß, gilt als Erfinder des Getränks. knicken schw. Ztw., in spätmhd. Zeit (Lexer, Nachtr. 276) entlehnt aus nd. knikken 'bersten, spalten', das seinen nächsten Verwandten im gleichbed. engl, knick hat. S. auch K n i c k s . Ferner vergleichen sich anord. kneikia 'drücken, klemmen', norw. mundartl. kneikja 'rückwärts biegen', kneik m. 'kleine Erhöhung, Krümmung eines Wegs' und knlk rn. 'Hüftgelenk': zu *gneig-, einer Velarerweiterung der Wurzel *gen'kneifen, zusammenknicken'. Anders knacken. knickerig Ad]'. 'geizig', im 18. Jh. gebildet zu älterem K n i c k e r m. 'Geizhals' (Luther 1530 Weim. Ausg. 32,143,17), dies gekürzt aus L ä u s e k n i c k e r , nd. lüskenknikker 'karger Filz' (Dähnert 1781 Plattd. Wb. 287). Vgl. die gleichbed. G e i z h a l s , K ü s s e n p f e n n i g , P f e n n i g f u c h s e r und Zs. f. d. Wortf. 15, 276. Knickerbocker Mz. seit 1927 in die dt. Sportund Wanderwelt eingeführt aus engl, knickerboekers 'lose sitzende, an den Knien aufgenommene Hosen'. 1809 legte Wash. Irving seinen Roman. Eist, of New York einem angeblichen Ureinwohner Diedrich Knickerbocker in den Mund. Eine fünfzig Jahre später von Cruikshank bebilderte Prachtausgabe zeichnete die Gründer Neu-Amsterdams mit den weiten Kniehosen ihrer holl. Heimat. Sogleich wurde im Engl, der Name von den Trägern auf die Tracht über-
Knicks
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tragen, die inzwischen in ihrer Heimat nahezu ausgestorben war und über London neu verbreitet wurde: W. Schulze 1930 Mutterspr. 45, 248. Knicks m. K n i c k e n entwickelt im 17. Jh. die Bed. 'eine Verbeugung machen'. Dazu: „einen Knick vor einem machen / genua ponere alicui" Stieler (1691) 992; „der Knicks / genuflexio" das. 1347. So gehört K l a p s z u k l a p p e n , S c h n a p s zu s c h n a p p e n , S c h w i p s zu schwippen. Knie n. Mhd. knie (kniu), Gen. kniuwes (kniewes, knies), ahd. kneo, knio, kniu, Gen. kniwes, knewes, asächs. kneo, knio, mnl. enie, nnl. knie, afries. knl, kne, ags. cneo, engl, knee, anord. kne, dän. knie, schwed. knä führen auf germ. *knewa-. Daneben germ. *knu- in got. *knussus 'das Knieen', zu erschließen aus got. knussjan 'knieen'. Sonst gelten für das Ztw. ZAbleitungen wie Schweiz, ehnülef, nnl. knielen, ags. cneowlian, engl, kneel neben der idg. Grundform *§en-. Dazu 'Knie', aind. anu, awest. Akk. Snüm, Mz. Sanva, pers. zänü, toch. A Dual kanwem, B kenine, armen, cum, gr. göny 'Ecke', lat. genu 'Knie', genuinus 'aufs Knie gesetzt, rechtmäßig', hethit. genu. Zu *gnülo-, mit umgestellten n: l air. glün, akorn. kymr. bret. glin. Kniefall m., k n i e f ä l l i g Adv. treten im 18. Jh. zum Ztw. mhd. knievallen 'sich auf die Knie stürzen'. Zu dieser Bed. von f a l l e n s. Zs. f. d. Wortf. 8, 31 ff. F u ß f a l l (s. d.) ist älter. Knieriemen m. seit Stieler 1691; dazu im 18. Jh. M e i s t e r K. als Scherzname des Schuhmachers (Wieland 1774 Abderiten 2, 104). Unser Fam.-Name K n i e r i e m ist mittelbarer Berufsname. Knill m. 'Kunstgriff' ist zu seinem harmlosen Klang durch die Stud.-Sprache gekommen (Kluge 1895 Stud.-Spr. 100). Im Mund Goethes (P. Fischer 1929 Goethe-Wortsch. 380) klingt das Verwerfliche vor, Schiller 1783 Fiesko 6, 16 braucht K. im Bereich des falschen Spiels, Lessing 1753 von betrügerischen Machenschaften: „Dem schlauesten Hebräer in Berlin, dem kein Betrug zu schwer, kein Knif zu schimpflich schien." Gaunersprachl. ist K. das betrügerische Zeichnen der Karten und Würfel und gehört zu k n e i f e n (s. d. und Kneip), wie P f i f f (s. P f i f f i k u s ) zu p f e i f e n . Mnd. entspricht knepe (aus asächs. *knipi m.), nd. knep, westfäl. kniep, dän. kneb, schwed. knep. knipsen schw. Ztw., zuerst als 'zupfen, zausen' bei Stieler (1691) 1339, als Ableitung zu K n i p s 'Schnippchen', das Stieler neben älteres K n i p p stellt. Nächstverwandt ist gleichbed. mnd. knippen, wozu westfäl. knippel 'Knicker, Klicker'. S. K n e i p .
knobeln
Knirps m., nur nhd., aus ostmd. Ma. in die Schriftsprache aufgenommen, begegnet zuerst als K n i r b s bei Ludwig (Lpz. 1716). Das i ist entrundetes ü wie in B i m s s t e i n , G i m p e l , G i p f e l , k i r r e , K i s s e n usw., das b des ältesten Belegs wird als ursprünglich erwiesen durch waldeck. knirwes, das auch alle Zweisilbigkeit zeigt, die durch nordschweiz. chnürbis bestätigt wird. Das vorauszusetzende mhd. *knürbes (oder *knürbe^) ist verwandt mit K n o r p e l s wie Knicks mit -s: Kroes in: Levende Talen 191,562. knirren schw. Ztw., seit dem 16. Jh. neben k n a r r e n und k n u r r e n . Vgl. k n i r s c h e n . knirschen schw. Ztw., mnd. knirsen, mhd. *knirsen zu folgern aus knirsunge f . 'das Knirschen' und zerknürsen 'zerquetschen', rs aus rs wie in B a r s c h , b i r s c h e n , B u r s c h e , h e r r s c h e n , K i r s c h e usw. Vgl. nnl. knarsen, knersen 'krachen', knarsetanden 'mit den Zähnen knirschen'. knistern schw. Ztw., mhd. *knisien, das dem F. knistunge 'Knirschen' zugrunde liegt. Schallwort. Knittelvers m. Ein frühnhd. N. knüttel (zu K n o t e n ) bed. 'das unordentlich Geknüpfte'. Möglich, daß Luther daran dachte, als er 1543 ein gereimtes Hexameterpaar knuitel verschigen nannte: Weim. Ausg. der Tischreden Bd. 5 Nr. 5594. Aber wenn Silber 1579 Gemma 13 K n ü t t e l v e r s zur Übersetzung von versus rhopalicus verwendet, denkt er an K n ü t t e l m., denn rhopalikös ist der wie eine Keule (rhöpalon) gebaute Vers, in dem jedes Wort eine Silbe mehr zählt als das vorhergehende. Dieselbe Vorstellung liegt dem K n ü p p e l v e r s bei Hamelmann 1599 Oldenb. Chron. 100 zugrunde. Man könnte in K n ü t t e l ( K n ü p p e l ) die Bezeichnung für den volksmäßigen Kehrreim erblicken, wie Junius 1577 Nomencl. omn. rer. 9 vom Kehrreim nl. Volkslieder sagt: in vulgaribus rhythmis versurn identidem repetilum scipionem aut baculum appellant. Auch nord. stef, engl, staff vergleichen sich, die einerseits 'Stab', anderseits 'Vers, Strophe, Stanze' bedeuten. Umspielt wird der Begriff mit knuttelianos versus componere N. Frischlin 1596 Poppysmi gramm. dial3,110; K n ü t t e l h a r d i Prätorius 1655 Saturnalia 300: Zs. f. d. Wortf. 1, 354. 4, 277; 11, 208. knittern schw. Ztw., seit Schottel 1663 entlehnt aus nd. knittern, mnd. kneteren. Dies ein. Schallwort im Ablaut zu k n a t t e r n (s. d.). K n i t t e r m. ist aus dem Ztw. vor Ende des 18. Jh. rückgebildet. knobeln Ztw. Ein Ausdruck für '(Finger-). Knöchel', der wegen seiner schwankenden Lautform nie schriftsprachlich werden konnte, ist mfränk. knovel 'artieulus'. Ahd. Glossen 3, 361 r 1, mhd. knübel, frühnhd. knübel, knobel und (ab-
Knoblauch
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lautend) knebel: v. Bahder 1925 Wortwahl 101 f. Das davon abgeleitete k n o b e l n (köln. knävvele) ist somit 'knöcheln': die Würfel waren aus Knochen geschnitten. 1813 wird k n o b e l n als studentisch gebucht, aus der Stud.-Sprache dringt es im 19. J h . weiter. Knoblauch m. mhd. knobelouch, älter klobelouch, ahd. chlobi-, chlovolouh (Zs. f. dt. Wortf. 3, 293. 5, 21), asächs. cluföe, mnd. klof-, klüflök (hieraus entlehnt lett. k'ipluoks), mnl. clof-, cluflooc, nnl. knoflook. Anlautendes kl weicht vor l aus in kn (wie in K n ä u e l ) . Der neue Anlaut reicht im Hd. zurück bis ins 11. Jh., doch begegnet K l o b l a u c h noch bei Amaranthes 1716 Frauenz.-Lex. 1066. Den zweiten Wortteil s. u. L a u c h ; der erste begegnet selbständig in ags. clufu, engl, clove 'Zehe (des Knoblauchs)' (s. k l i e b e n und K l o b e n ) : das Zwiebelgewächs heißt nach seinem in Zehen gespaltenen Wurzelknopf. Darin vergleicht sich gr. skördon, alb. hurdhe (aus *skorä-) 'Knoblauch', zu *skerd'spalten'. Der K n o b l o c h s t a g (28. Juli: Luther 1545 Briefw. 16, 271 Enders) dankt den Namen einem Wortspiel zwischen allium und Pantaleon. Knöchel m. mhd. knöchel, knüchel, mnd. knökel, mnl. cnockel, mengl. knokil. Wohl Instrumental zu K n o c h e n . Es siegt K n ö c h e l über die gleichbed. frühnhd. Wörter: K. v. Bahder Wortwahl lOOff. Luthers obd. Zeitgenossen wird sein knochel (Apg. 3, 7) mit knod, gleich erläutert: Kluge 1918 Von Luther bis Lessing 109.—Edeltraud Knetschke, Genickund Knöchel in dt. Wortgeographie 1966 zeigt auf der Wortkarte die Schriftform im Moselland, am Niederrhein, von da an der Küste entlang bis Ostpommern, z. T. neben Knöckel; in Ostpreußen gilt Enkel(knochen); Knicksei, Knöcksel weithin in Brandenburg und von da aus nach Mittelpommern hinein, Knorren in Thüringen, Vogtland, Nordbayern, Knoten weithin imAlem., Zum verbreiteten Typ Enkel s. d. Knochen m. mhd. (selten, nicht vor 1300) knoche 'Knochen, Astknorren, Fruchtbolle', mnd. knoke, nnl. knook. Luther bevorzugt B e i n , wie alle Hochdeutschen vor ihm, doch ist seine Form z. B . Weim. Ausg. 29, 523, 28 knocken, das zweimal auch in seinem Alten Test, vorkommt. Zur Abgrenzung gegen umgangssprachl. B e i n und F u ß Kretschmer 1918 Wortgeogr. 299. Gleichwohl ist das Wort germ.: schwed. mundartl. knoka, norw. mundartl. knuke 'Knöchel', dazu das Ztw. mhd. knochen, anord. knoka, ags. cnocian, engl, knock 'knuffen, klopfen' neben westfäl. knöken (mit ö aus germ. au) '(zer)stoßen'. Ferner anord. knjükr 'steiler, rundl. Fels', norw. mundartl. knjuka 'Fingerknöchel', ohne ¿-Erweiterung anord. knüi 'Fingerknöchel' (germ. *knüwan-). Aus germ. *knu- mit versch. Erwei-
Knorren
terungen erklären sich obd. knoche 'Knorren, Knoten', mhd. knock 'Nacken', mhd. knögerlin 'Knötchen' und mhd. knügel 'Knöchel'. Die dunkle Vorgeschichte sucht L. Weisgerber 1939 Rhein. Vierteljahrsbl. 9, 32 ff. aufzuhellen. Tochar. kñuk hat die Bedeutung 'Hals, Genick'. Knochenmann m. 'dicitur mors, quae instar seeleti pingitur' Stieler (1691) 1236. Literar. von Rist 1642 bis M. Claudius 1774. Knocke f. 'Flachsbündel', im 17. J h . aufgenommen aus nd. knocke, mnd. knucke 'Flachsbündel'. Als germ. erwiesen durch engl, knitch 'Holzbündel', mengl. knucche "(Heu-) Bündel' aus ags. cnycc m. 'Band'. Man vergleicht lit. gniüSis 'Bündel, Handvoll'. — Zu knock 'Hügel' s. d. Knödel m. mhd. knödel 'Fruchtknoten; Kloß'. Verkl. zu dem unter K n o t e n behandelten knode 'Knoten'. Zur umgangssprachl. Abgrenzung gegen K l o ß , K l u m p , K n ö p f l e , N o c k e n , P f l u t t e , S p ä t z l e usw. Kretschmer 1918 Wortgeogr. 291 ff. Knolle f., K n o l l e n m. mhd. knolle 'Erdscholle, Klumpen'; ahd. *chnollo fehlt. An die mhd. Bed. achließen sich ags. cnoll, engl, knoll 'Hügel', nnl. knol 'Rübe'. Dazu mit anderm Anlaut ahd. hnol 'rundliche Erhöhung', nollo nnl. nol 'Hügel'. — Zu Knolle 'Kartoffel' s. d. Knop! m. ahd. mhd. knöpf 'Knorren an Gewächsen, Knospe, Schwertknauf, Knoten, Schlinge', mnd. knoppe, nl. engl, knop (aus ags. cnoppa). Zu k n ü p f en (s. d.). Im Mittelalter wird die Kleidung wie seither durch Spangen, Schlingen oder Nadeln zusammengehalten. Vgl. Knospe, Knüppel. knorke Ausruf, präd. Adj. 'vorzüglich' taucht 1916 in Berlin auf, seine Glanzzeit war 1923 bis 27. Die Deutung seiner Herkunft ist unsicher. In einer feuchtfröhlichen Sitzung von Tagesschriftstellern soll es entstanden sein, als ein Kellner eine Bestellung falsch verstanden hatte: H. Meyer, Der richtige Berliner (1925) 101; A. Lasch, Berlinisch (1927) 204; H. Kügler, Brandenburgia 1929, 210 und Zs. f. Deutschkde. 48 (1934) 738; A. J . Storfer, Wörter u. ihre Schicksale (1935) 215. Knorpel m. tritt in Glossaren des 15. J h . (Lexer I , 1653) als knorpel-, knorbel-, knarpelbein u. ä. für 'cartílago' auf. Luthers Formen sind knörbel (3. Mos. 8 und 14) sowie knerbel (Weim. Ausg. 16, 608, 5): beide stehen für den vorstehenden Teil der Ohrmuschel. Beziehung zu Knorp, das schwäb. 'Aststumpen, Knirps' bedeutet (H. Fischer 4, 549), sowie weiterhin zu K n i r p s und K n o r r e n scheint gegeben. Knorren m. mhd. mnd. knorre mit der gleichbed. Nebenform knür(e) (frühnhd. knauer) 'Knoten, Auswuchs an Bäumen, Steinen, Leibern';
Knorz
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Arawrebed. außerdem'Fels, Klippe, Gipfel'; in der Bed. 'Knuff, Stoß' gehört es zu mhd. knüs(s)en, ags. enyssan (aus *knusjan) 'stoßen, schlagen'. Auch für die andern Bed. haben wir von einem germ. Wort mit s (z) auszugehen, wie schwäb. knaus 'Anschnittstelle des Brotlaibs', Schweiz. chnws 'Knorren, Auswuchs' zeigen. S. K n u s t . Das Ahd. hat nur das aus *knür abgeleitete Adj. chniurig 'knotig, fest, derb'. — Zur Bedeutung K n ö c h e l s. d. Knorz m. ahd. mhd. knorz 'Auswuchs, Knoten', dän. knort, schwed. mundartl. knort 'Knorren, unreifes Obst, kleiner Kerl'. Verwandt mit K n o r r e n . Heute vorwiegend ein Wort der obd. Mundarten. Knospe /. in heutiger Bed. seit Stieler 1691 gebucht, schriftspraclil. seit etwa 1740, aber schon seit Peucer-Eber 1564 Vocabula H 8 b in md. Quellen. Dafür obd. K n o p f (fränk.-henneb. knoppe, nnl. knop), das bis ins 18. J h . auch liter. herrscht. K n o p f (s. d.) und K n o s p e sind verwandt, wie auch frz. bouton die Bed. 'Knopf' und 'Knospe' vereinigt. K n o s p e zeigt Umstellung von fs zu sp (s. L e f z e , T r e s p e , W e s p e ) ; auszugehen ist von ahd. *knofsa, einer s-Ableitung zu knöpf. Gleichbed. hess. brospe, pomm. öge 'Auge', nd. knowwe. Knote TO. Im alten Stettin und Königsberg heißen die Handlungsdiener gnote, d. i. genöte, die nd. Form von G e n o s s e . Mit anlaut. g, das bis 1862 vorkommt, erscheint das Wort 1772 Natürl. Dialogen 145 u. ö. als Soldatenwort, seit Kindleben (Halle 1781) als student. Schelte für den Handwerksburschen und Nichtstudenten; im Baltendt. für Angehörige unterer Schichten. Aus Burschenmund stammt K n o t e ( n ) 'ungebildeter Kerl'; den Wandel des Anlauts hat die Anlehnung an K n o t e n veranlaßt, das an sich gleichfalls zur Schelte des plumpen Rohlings werden konnte. Knoten m. mhd. knote, knode, mnd. knotte, knutte 'natürl. Knoten an Körpern und Pflanzen, künstl. Knoten an Fäden, Schlinge', ahd. knoto, knodo. Die ahd. mhd. Doppelheit von t und d ragt mit K n o t e : K n ö d e l ins Nhd. Urgerm. *knuddn: *knüpan nach Verners Gesetz aus *gnuton (wurzelverwandt mit K n o c h e n , s. d.). Dazu mit westgerm. it aus urgerm. dn (in einigen obliquen Kasus des m-Stamms) aus tn ags. cnotla, engl, knot 'Knoten'; mhd. knotze f. 'Knorren'; ags. cnyttan, engl, knit 'stricken'; nd. knülte f. 'Strickzeug'. Anord. knütr m. 'Knoten' und knüta f. 'Knochenkopf, Knöchel' weisen entspr. auf endbetontes urgerm. *knüdn-, Aus dem Nord, entlehnt ist russ. knut 'Knute' (eig. 'Peitsche mit Knoten'). — Der Küstenstrich hat für 'Netze knüpfen' das hergehörige Fischerwort
Knurrhahn
k n ü t t e n . Dazu bringt die Karte 'Stricknadel' von Irmgard Wassmuth bei Mitzka, Dt. Wortatlas I I I (1954) die Synonyme Knült(el)sticken von Ostfalen bis zur Nordsee und MecklenburgStettiner Haff, östlich davon KnüU(el)nadel, in Ostpommern Knütt{el)stock. Knöterich m. zu K n o t e n wie das ältere W e g e r i c h zu W e g : Polygonum wegen ihrer knotigen Stengelgelenke, zuerst 1714 (Marzell). Schles. Knörig, nd. Spark, Spörgel. Knubbe f., K n u b b e n m. 'Knollen im Holz', ins Nhd. des 17. J h . aufgenommen aus nd. knubbe, mnd. knobbe, dessen Beziehungen s. u. K n o p f . Zu knübel (s. k n o b e l n ) . knuffen schw. Ztw. im 18. J h . aus dem Nd. da auch knüffeln (nnl. knuffelen). Verknüpfung mit nd. knüvel m.' Knöchel' ist möglich. knüll Adj. 'bezecht', in vielen nd. und md. Mundarten, tritt 1825 in stud. Quellen auf (Kluge Stud.-Spr. 101; Zfd. Wortf. 12, 282). Unerklärt trotz 0 . Weise Zs. f. d. Wortf. 5, 256, H. Schröder Zsf. dt. Phil. 38, 523. Knüller 'sensationelle Erzählung' seit einigen Jahren, aus jidd. knellen 'schlagen (vgl. Schlager), knallen': S. A. Wolf in „Muttersprache" 1955, 283. knüpfen schw. Ztw., mhd. knüpfen, mnd. knüppen, ahd. knüpfen (aus *knupf-jan): Denominativ zu K n o p f in s. Bed. 'Knoten'. Ableitung mit Tonvokal ü steht neben Grundwort mit o wie bei f ü l l e n zu v o l l , z ü r n e n zu Z o r n , B ü r g e zu b o r g e n , L ü c k e zu L o c h : H. Paul 1916 Dt. Gramm. 1, 255. — Zu k n ü t t e n "Netze knüpfen' vgl. K n o t e n . Knüppel m.: die ostmd. Form löst im 15. J h . älteres knüpfet ab (so mhd. und frühnhd.). Dies zu K n o p f in s. Bed. 'Knorren an Gewächsen', Grundbed. somit 'Knotenstock'. Damit mischt sich md. klüppel (obd. klüpfel), der zu k l o p f e n gebildete Gerätname. K l ü p p e l für 'Knüppel' findet sich noch bei Goethe. K n ü p p e l im forstl. Sinn ist das auf bestimmte Länge geschnittene Rundholz; dazu 16. J h . K n ü p p e l d a m m . knurren schw. Ztw., Nachahmung des Lauts, den der Hund im Zorn gibt (vgl. k n a r r e n , k n i r r e n ) , seit dem 16. J h . vereinzelt in Norddeutschland, erst im 18. J h . durchgesetzt: Hauschild 1910 Zs. f. d. Wortf. 12, 15. Knurrhahn m. Der Nordseefisch Triglia hirundo reibt, wenn er an die Luft kommt, die Kiemendeckelknochen aneinander. Dabei entsteht ein Knurrlaut, nach dem er benannt ist, wie schon Richey 1755 Hamb. Id. 132 vermerkt. Das. 133 die Übertragung 'mürrischer Mensch'. Zufrühst findet sich der Fischname 1712 Reise nach London 65. In der Ostsee heißt Cottus seorpius so, er kommt massenhaft vor, eignet sich nur zum Trankochen (B. Benecke 1881,
knuspern
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Fische, Fischerei und Fischzucht in Ost- u. Westpreußen 70); beim Fang knurrt er. knuspern Ztw. als nd. Brem. Wb. 6 (1771) 410 neben gnaspern 'den Schall der Zermalmung von sich geben' das. 2, 623; hd. kaum vor Campe 1808. Ein md. zuknuspern 'zerschmettern' (14. Jh.) gilt als Fortbildung zu ahd. knussan, mhd. knussen, ags. cnyssan 'stoßen', doch sind solche lautmalende Bildungen stets von neuem möglich. Knust, K n a u s t m. ist aus der Bed. 'Knorren' verengert worden zu 'Brotende', aber weithin auch 'Brotrinde': Mitzka, Wortkarte 'Kruste' Dt. Wortatlas IV (1955); Zs. f. Mundartfg. 1955, 39. -t ist jung angetreten; knüs s. u. Knorren. K n a u s t als (urspr. westfäl.) Fam.-Name ist aus dem Übernamen des Gedrungenen erwachsen; heute ist westfäl. knaist, knaisken 'kleiner Bauer'. Knute f. Als russ. knut m., das selbst aus dem Germ, stammt (s. K n o t e n und vgl. Wiek 33f.), in den dt. Gesichtskreis trat ( K n u t e , Weller 1620 Lieder des 30 jähr. Kriegs 70), fand es gleichbed. K n o t t p e i t z s c h e (so Heinrich Julius v. Braunschweig 1593 Schausp. 737) in Geltung. So spielt die Mischbildung K n u t t p e i t sche (Olearius 1647 Pers. R. 130) eine Rolle, bis sich das kurze Fremdwort m i t K n u t t e 'moskow. Peitsche' Frisch 1741 Dt. Wb. 1, 530 a durchsetzt. Knüttel m. mhd. knüt(t)el, ahd. chuntil 'Knotenstock'. Zu K n o t e n , s. d. Vgl. K n i t t e l v e r s . — Zu k n ü t t e n 'knüpfen', K n ü t t e l s t o c k 'Netzstricknadel' s. K n o t e n . Kobalt m. Metalle und Mineralien, die die alten Bergleute für wertlos hielten, bekamen Scheltnamen (s. N i c k e l , Wolfram). Vom Kobalterz, das erst das 17. Jh. nutzen lernte, bezeugt Mathesius 1562 Sarepta 155 den Bergmannsglauben, das Bergmännchen schiebe es unter, nachdem es das Silber geraubt und verzehrt habe. Nach diesem K o b o l d (s. d.) heißt das Metall, das er als solches erkannte, bei Paracelsus 1526 Kobolt m. (Werke I 3, 49; 59), bei Gg. Agricola 1546 De re metallica 476 hobelt, spätlat. cobaltum: Zs. f. d. Wortf., 1. Beih. 52; 13, 108. 111. Mit dt. Bergleuten ist cobalt seit 1650 nach England gekommen: W. Fischer Beibl. z. Anglia. 46, 3; wie auch sonst aus dem Dt. Koben m. mhd. kobe '(Schweine-)Stall, Käfig'; die nhd. Nebenform Kofen stammt, wie das ¡zeigt, aus dem Nd. (mnd. kove). Bis ins Nhd. erscheint eine umfassendere Bed.: mhd. kobel 'enges Haus', anord. kofi m. 'Hütte, Wetterdach, Verschlag', ags. cofa '(Schlaf-)Gemach' (als Dichterwort), engl, cove 'Obdach', pigeon-cove 'Taubenschlag'. Das Wort ist germ., was die ihrer Bildung nach alten Ableitungen ahd. •ehubisi 'Hütte', westfäl. küffe (aus *kufjö) K l u g e , Etymologisches Wörterbuch. 18. Aufl.
kochem
'schlechte Hütte', mnd.kübbinge'Anbau' lehren. O. Schräder, Sprachvergl. I 3 , 214 erweist als urverw. gr. gype 'unterird. Wohnung', dies die Grundbedeutung. In der Rheinpfalz und Nachbarschaft auch 'Aalfangkasten', seit 1463 bezeugt, die Olkoben 'Aalkoben' zu Kaiserslautern 1518: E. Christmann briefl. S. auch K a m m e r und Kober. Kober m. 'Handtasche, Korb (für Eßwaren), Fischreuse', spätmhd. kober 'Korb, Tasche', stets vorwiegend ostmd. Zunächst vergleichen sich nnl. kub(be) 'Fischreuse' und die unter K o b e n genannten Labialerweiterungen zur idg. Wurzel *geu- 'biegen, krümmen, wölben'. Kobold m. mhd. kobolt mit Nebenform kobdlt 'neckischer Hausgeist'. Als germ. Hausgötter dürfen die Kobolde den ags. cofgodu, -godas 'penates, lares' gleichgestellt werden. Ein ags. *cofold 'Hausgott' wäre mit mhd. kobolt auf got. *kubawalds 'Hauswalter' oder *kuba-hulßs 'Hausholder' zu vereinigen. Für die zweite Möglichkeit spricht die Anwendung von hold (s. d.) auf Dämonennamen: got. unhulpö 'Teufel', westfäl. schanholden 'Dämonen', mhd. die guoten holden 'penates'. Erstes Wortglied ist anord. kofi, ags. cofa 'Gemach' (s. Koben). Das sinnverwandte oppolt dürfte ahd. *ötwalt 'Herr des Horts' sein; das alte *öt 'Reichtum' steckt in Namen wie O t f r i d , O t m a r , Otto. Zur Endung -old vgl. Herold und walten. Mit den germ. Bildungen mischt sich nach P. Kretschmer 1928 Zs. f. vgl. Spracht. 55, 87 mlat. cobälus 'Berggeist, Gnom': daher die Betonung mhd. kobolt (norddt. K o b ö l z , berlin. K o b ö l z s c h i e ß e n 'Purzelbaum machen') sowie die Beziehung auf die Berge, die K o b a l t (s. o.) teilt. Koch m. ahd. choh (hh), koch, mhd. koch, asächs. nnl. kok, mnl. coc. Vor der hd. Lautversch., spätestens im 4. Jh. (etwa gleichzeitig mit K o h l , K ü c h e , Kümmel, Minze, P f e f f e r u. a. Zeugen einer südlichen Koch- und Gartenkunst) entlehnt aus vulgärlat. coco (ital. ewoeo, frz. queux), Akk. zu lat. coquus. Das ö von ags. coc (engl, cook) beruht auf jüngerer Dehnung des lat. ö in offener Silbe (s. K r e u z , Schule); schwerlich stammt das ö des hd. Worts aus dem Ztw. kochen. Das germ. Wort für 'kochen' ist sieden; eine germ. Name des Kochs fehlt: er wird erst mit fortschreitender Arbeitsteilung nötig. K ö c h i n tritt nicht vor 1400 auf. Kochbrunnen m. 'Thermalquelle', s. keck. kochem Adj. 'gescheit', nl. gooehem. Hebr. ehachäm, 'weise' ergibt das gleichbed. jüd. Adj. kochem, dessen Subst. K o c h e m e r rotw. als 'Schelm' erscheint: Kluge 1901 Rotw. 1, 341. 343. K o c h e m e r L o s c h e n (zu hebr. läSön 'Zunge') ist 'Gaunersprache'. Auf Umdeutung beruht umgangssprachl. a u s g e k o c h t 'pfiffig': 26
kochen
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Lokotsch 1927 Etym. Wb. 788; H. Fischer 4, 660. 6, 2336; S. A. Wolf 1956 Wb. d. Rotw. 2814. kochen Ztw. ahd. kochön, chohhön, mhd. kochen, mnd. mnl. koken, afries. koka: aus lat. coquere. Das hd. Wort konnte nicht st. Ztw. bleiben, weil sich sein Stammvokal in keine unserer starken Reihen fügte. Wie sich das Lehnwort k o c h e n gegen das Erbwort sieden abgrenzt, zeigt Kretschmer 1918 Wortgeogr. 300f. — Der Dt. Sprachatlas bietet die Lautgeographie zu 'kochen', 'Kochlöffel'. Köcher m. ahd. kochar, chohhar, cliohhäri, mhd. kocher, kochœre 'Behälter, bes. für Pfeile'. In den Mundarten 'Behälter in Köcherform': alem. chucher 'Rindenkörbchen für Erdbeeren', westfäl. inkst-, nàtl-, sandkudkr 'Tintenfaß, Nadeldose, Sandbüchse', sonst Zus.-Setzungen mit B a r b i e r - , F e d e r - , S c h e r - . Bei den Neckarfischern (Zs. f. d. Wortf. 6, 69) sind kecher die zwei Bohlen, zwischen denen der Mast steht. Außerdeutsch entsprechen anl. cocar, mnl. coker, nnl. koker, ags. cocer, mengl. coker. Dän. kogger, schwed. koger stammen wie das seltene russ. kokor mit der modernen Bezeichnung 'Patronenkasten' (1720) aus mnd. koker. Aus dem 9. J h . stammt mgr. koükouron, mlat. cucura um 1090 aus Dalmatien, wozu alban. kukurë 'Köcher' paßt. Einem mlat. cucurum entspricht schweizerdt. chucher. Vorauszusetzen sind fränk. kokar und *kukur, aus denen die galloroman. Formen, so afrz. cuivre, von daher engl, quiver, stammen, und sie alle mit dem Mgriech. aus dem Osttürkischen. Griechen und Germanen haben damit, falls die Sprache der Hunnen osttürkisch (oder mongolisch) war, ein hunnisches Wort *kukur entlehnt. Urverwandt sind finn. kukkaro 'Beutel'; livisch kukker 'Samenkapsel, Knospe', die Urbedeutung ist 'Gefäß'. Mit K ö c h e r hätten wir, in germ. griech. Erinnerung an die Bewaffnung der Hunnen, als einziges ein hunnisches Lehnwort: Joh. Hubschmid, in: Essais de philologie moderne (1951) 189 = Bibliothèque de la faculté de philosophie et lettres de 1' université de Liège C X X I X . Kodak m. als Schutzwort für ein neues Lichtbildgerät von dessen Erfinder G. Eastman 1890 frei ersonnen: New Engl. Dict. 5, 752 a . Bei uns kaum vor 1905. Köder m. 'Lockspeise'. Die nhd. Form hat vor d ein r verloren, weil im Wort noch ein r folgte (s. f o r d e r n ) . Im Tonvokal ist ein geschwundenes u mit folgendem ë verschmolzen (vgl. kommen). So gelangen wir aus der jüngeren Formenfülle auf mhd. quërder, ahd. quërdar, germ. *kwerpra-, gestützt durch qertra, den Namen der j-Rune in der Salzburger Alkuin-Hs. Mit Suffix germ. -pra, idg. -tro (F. Kluge 1926 Stammbild. § 93) zur idg. Wurzel *g%er- 'ver-
Kohl
schlingen' (wie gr. deleiron 'Köder' mit demselben Suffix zur gleichbed. Wurzel *g%el-): H. Paul 1916 Dt. Gramm. 1, 218. 289. 358; A. Götze 1922 Zs. d. Sprachv. 37, 49; O. Behaghel 1928 Gesch. d. dt. Spr. 373. — S. auch D o c h t . Koden, Köder s. Wamme. Kofent m. spätmlid. covent 'Dünnbier', urspr. 'Klosterbier', eines mit mlat. coventus (frz. couvent) 'Kloster', von da die nordd. Betonung auf der zweiten Silbe. Verdeutlicht zu K o n v e n t b i e r 1571 Sibers Bearb. des Nomencl. von Hadr. Junius. Dazu im 18. J h . k o f e n z e n 'nach Dünnbier schmecken' Zs. f. d. Wortf. 6, 43. Koffer m. Lat. cophinus m. 'Weidenkorb des Gärtners und Landmanns', das aus gleichbed. gr. köphinos (ungeklärten Ursprungs) entlehnt ist, ergibt (mit Anfügung eines -r wie K a l i b e r ) im 12. J h . frz. coffre 'Lade, Koffer'. Von da entlehnt sind mnl. coffer, nnl. koffer(t). Im 14. J h . erscheinen am Niederrhein cojfer, cuffer, 1477 in Cleve cofferen 'scrinium'. 1591 erscheint der Plur. C o f f r e s bei uns und drängt das heimische T r u h e zurück. Im 17./18. J h . gilt K u f f e r (H. Paul 1916 Dt. Gramm. 1, 209), Lessing schreibt 1749 ein schein-frz. Couffre. Durch dt. Vermittlung erhalten Slawen und Balten das Wort: H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 349f.; K . Lokotsch 1927 Etym. Wb. 1225. Kog m. ursprünglich 'hohes Land vor dem Deich' (so noch nnl. kaag, von da mit dem Deichbau entlehnt), dann 'eingedeichtes Land' (s. Polder). An der Unterelbe und in Dithmarschen kög (von da literar. durch Th. Storm 1888 Schimmelr. l f . ) ; K o o g bei M. Richey 1755 Hamb. Id. 416 (Cuxhaven hieß um 1700 Koogshaven), dithm. im 15./16. J h . koch (von da entlehnt dän. kog), mnl. cooch, nordfries. küch, afries. käch mit ä aus germ. au (s. B a k e ) , somit germ. *kauga-, Außergerm. Beziehungen ungesichert. Beekmann, Tijdschr. van het K. N. Aardrijkskund. Genootschap 1902, 5 ff. Kogel m. Mehrz. K ö g e l 'Berg', ein Wort vor allem der Ostalpen: Schatz 1926 Festschr. für Kluge 125f. K o g e l gehört zu Kugel. S . H ü g e l . Kogge s. K u g e l 2 . Kognak m. urspr. Branntwein aus der frz. Stadt Cognac an der Charente. Im 17. J h . als Cognac brandy ins Engl, gelangt, bei uns seit dem 18. J h . : H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 350. Vgl. F r a n z b r a n n t w e i n , W e i n b r a n d . Kohl 1 m. mhd. köl(e), kcel(e) m., ahd. chölo, köl(i) m., chöla f., asächs. köli in., mnl. cöle f., nnl. kool, ags. cäul, cäwel, engl, cole, anord. käl, dän. kaal, schwed. käl: früh entlehnt aus lat. caulis (ital. cavolo, frz. chou), dem auch akorn. caul 'Kohl', kymr. cawl, bret. kaul, köl 'Kohlsuppe' entstammen. Aus nd. fcäiist lett. kälis weiterentlehnt. Unsre meisten Gemüse- und Obst-
Kohl
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arten sind mit der Koch- und Gartenkunst röm. Ursprungs in Deutschland eingeführt (s. E p p i c h Kirsche, Koch, kochen, Minze, P f a n n e , P f e f f e r , P f l a u m e ) . Vermittler sind dabei vielfach irische Glaubensboten gewesen: M. L. Gothein, Gesch. d. Gartenkunst 2 1926. Mitlat.eaulis urverwandt ist h o h l , s. d. Vgl. S a u e r k r a u t . Kohl 2 m. 'Unsinn'. Hebr. hol 'Stimme, Rede' wird in gelehrter Aussprache von hallischen Theologen in die dt. Studentensprache eingeführt. Hier tritt es 1790 (Bahrdt, Leben 1, 250) zutage, das abgeleitete Ztw. k o h l e n 'Unsinn schwatzen' schon 1781 (Kindleben, Stud.-Lex. 124). Zu hebr. köhöl 'Gemeinde, Schule' konnte das Reden im Chor von spottsüchtigen Juden veralbert werden: E. Weißbrodt 1939 Zs. f. dt. Phil. 64, 306. Zu zigeun. kälo 'schwarz': S. A. Wolf 1955 Wb. d. Rotwelsch. 2824. Auf Vermengung mit K o h l 1 beruht, wenn Herder 6, 345 Suphan von W o r t k o h l spricht, desgleichen wenn Rheinländer, die das Gemüse K a p p e s nennen, die Formel „Kappes reden" bilden: Littmann 1924 Morgenland. Wörter 49. Kohldampf m. 'Hunger', meist verbunden mit s c h i e b e n (s. d.). Beide rotwelsch: kolldampf zuerst in Karmeyers Gaunerglossar (oberösterr. 1835: L. Günther 1919 Gaunerspr. 115). Darin ist K o l l verkürzt aus K o l l e r 'Wut, wütender Hunger'; D a m p f für 'Hunger' ist gaunersprachl. (F. Kluge 1901 Rotw. 482), mundartl. (H. Fischer 1908 Schwab. Wb. 2, 46) u. soldatensprachl. (Schwere Brocken 1925, 38). Beide Ausdrücke werden tautologisch zus.-gefügt, weil K o hl (s. o.) mehrdeutig war. Von den Gaunern gelangt K o h l d a m p f in die Soldatensprache zunächst Bayerns und Württembergs (P. Horn 1899 Sold.Spr. 87), von da wird es im ersten Weltkrieg allgemein: E. Weißbrodt 1939 Zs. f. dt. Phil. 64, 305. S. A. Wolf Wb. 2827: aus zigeun. kälo 'schwarz'. Kohle f . Mhd. hol m. n., ahd. kolo m., kol n.,
mnd. mnl. afries. kole, nnl. kool, ags. col, engl. coal, anord. norw. schwed. kol, dän. kul führen auf germ. *kula(n)-. Das Wort, das ursprünglich die im Haushalt hergestellte Holzkohle bezeichnet (vgl. auch Torf), ist bei allen Germanen außer den Goten nachweisbar (Wulfila setzt hauri für dnthrax, das mit anord. hyrr
'Feuer'
zu lit. kuriü 'heize', aslaw. kuriti sg 'rauchen' gehört). Zur Sache M. Heyne, Hausaltert. 1 (1899) 62. Dazu anord. kola, norw. kole 'Tranlampe' und alem. cholle 'glimmen'. Mit i-Suffix zur Wurzel *geu- 'glühen' wie ir. güal (aus *geulo-)
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Kokarde
'Küche' (zu coquö 'koche') stammt. — Die Lautgeographie zu 'Kohlen' bietet der Dt. Sprachatlas. Köhlerglaube m. Nach einer alten, auch von Luther erzählten Geschichte fragt der Bischof (anderswo der Teufel) einen Köhler, was er glaube, und erhält die Antwort: „Was die Kirche glaubt." Danach ist im 16. Jh. (z. B. bei Agricola, Sprichw. Nr. 234) des kolers glaub sprichwörtlich. Die Zus.-Setzung K ö h l e r G l a u b e Logau 1654 Sinnged. 3, 2, 85. Die Bed. 'unbedingte Kirchengläubigkeit' (so Rokkenphil. 1759 S. 340) tritt im 19. Jh. in Gegensatz zur wiss. Kritik: Karl Vogt 1855 Köhlerglaube und Wissenschaft. Kohlmeise s. Meise. Kohlrabi m. Karl d. Gr. befiehlt im Capilulare de villis Kap. 70 ( M o n . Germ. Mst., Leges 1, 186) „Volumus quod in horto omnes herbas habeant, id est . . . rava caulos." Demnach war im 9. J h . Brassica oleracea caulorapa in Mitteleu-
ropa bekannt. Das Gemüse heißt rava caulis im Corpus gloss. Lat. 3, 683, 58; diese Stellung der Glieder bleibt in nl. raakpool, sächs. R ü b e n k o h l , Schweiz, rüebechol. In der Neuzeit wird der Anbau der Frucht von Italien her neu belebt (Amaranthes 1715 Frauenz.-Lex. 1072 „Kohlrabi oder Cauliravi ist eine Art des Kohles, welche vor nicht gar vielen Jahren aus Italien in Teutschland gebracht worden"). Das mundartl. ital. cauliravi ergibt (wie nnl. koolraap) C a u l e r a b i bei Böckler 1678 Nützl. Hausund Feldschule 749, aus dem ital. Schriftwort cavolirape geht K o h l r a b e , Mehrz. K o h l r a b e n in südwestd. Umgangssprache hervor. O b e r k o h l r a b i heißt westdeutsch die Pflanze im Gegensatz zu der unter der Erde wachsenden K o h l r ü b e : Kretschmer 1918 Wortgeogr. 301f. Koje f . Lat. cavea 'Verschlag' (s. K ä f i g ) gibt früh entlehnt über ahd. *kouwa ein mhd. kouwe, frühnhd. kaue 'bergmänn. Hütte über dem Schacht'. An der Küste werden mnd. köje, mnl. cöie, nnl. kooi zum Namen der K a j ü t e (s. d.), zuerst 1599 koye int schip: Kluge 1911 Seemannsspr. 468f. Kokain n. ist mit A n a n a s , C h i n i n , K a k a o , K a u t s c h u k , M a h a g o n i , Mais, S c h o k o l a d e , T a b a k , T o m a t e ein Vertreter der amerik. Pflanzenwelt. Peruan. coca ist der Name des Strauchs Erythroxylon coca, dessen Blätter die Indianer kauen, wie die Inder den Betel: Littmann 1924 Morgenland. Wörter 146. 150. In nhd. Text erscheint Coca seit 1590: Palmer 75.
'Kohle'. Zur gleichen Wurzel mit r-Suffix armen. krak (aus *guro-) 'Feuer, glühende KohKokarde /. Aus frz. bonnet ä la cocarde, worin len', krak-aran 'Herd, Feuerbecken, Glutpfanne'. afrz. cocard (als Ableitung von coq 'Hahn') 'eitel' — Nicht hierher ags. cylen (woraus entlehnt a- bedeutet, wird das frz. F. cocarde 'Bandschleife' nord. kylna), engl, kiln 'Ofen', das aus lat. culina gewonnen. Im Bericht über eine Aushebung 26*
kokett
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schreibt die Voss. Ztg. 1743, Nr. 57 „Paris . . . wo ihm eine Cocarde, die blau und weiß ist, gegeben wird." Von Holländern das. 1750, Nr. 101 „mit Orange-Cocarden, entweder auf den Hüten oder auf der Brust gezieret". Im dt. Heere des 18. Jh. wird die Kokarde etwa gleichzeitig mit E p a u l e t t e n und U n i f o r m eingeführt. Die dreifarbige Cocarde nationale vom 14. Juli 1789 macht als B ü r g e r k o k a r d e sofort auch bei uns Eindruck. In südwestdt. D u g a r t e ist k vor g in d ausgewichen. kokett Adj. 'gefallsüchtig'. Frz. coquet (zu coq 'Hahn', also 'hahnenhaft') erscheint 1694 bei uns, vorher Thomasius 1687 Coquette f. 'gefallsüchtiges Frauenzimmer'. K o k e t t e r i e seit Rabener 1759: Zs. f. d. Wortf. 8, 61. 13, 54; H. Schulz Fremdwb. 1, 350. Kokon m. Frz. cocon 'Puppe, Eiersack der Spinnen' (aus dem engl, cocoon 'Gespinst' entlehnt ist) stammt aus prov. coucoun 'Eischale', Verkleinerung zu prov. coca 'muschelartiges Gefäß, Eierschale'; dies aus mlat. coco 'Schale, Hülse'. Zu uns 1761 gelangt, als Friedrich II. die Seidenraupenzucht nach frz. Muster einführte: H. Schulz Fremdwb. 1, 350. Kokosnuß /. Span, coco 'Butzenmann' wird die Frucht der Kokospalme genannt, weil man daraus leicht Larvengesichter schneiden konnte. Demgemäß schreibt Hulsius 1595 Schiff. 1, 22 Co cos. Die verdeutlichende Zus.-Setzung Kokosnuß (seit Spohn 1688 Cafe 191) verdrängt Dürers Ausdruck i n d i a n i s c h e Nuß: H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 350f.; Palmer (1939) 152f. Koks m. "Steinkohle, der Gase, Wasser usw. entzogen sind', seit Campe 1813 aus dem Plur. von engl, coke 'Mark, Kern einer Sache, Asche, Kernhaus'. Mit mengl. kelkes 'Fischlaich', schwed. mundartl. kälk 'Mark (im Holz), Markkügelchen' und gr. gelgis 'Kern im Knoblauch' zu *gelg-, Gutturalerweiterung zur idg. Wurzel *gel- 'ballen; Geballtes', unerweitert in Gallapfel (s. d.): Heinertz, Festskrift för Axel Kock 149; Moderna Spräk X L V I I I 349. Plur. im Dt. als Sing, aufgefaßt: Ganz, Einfl. d. Engl. 118. Kolben m. mhd. kolbe, mnd. kolve, ahd. kolbo 'Keule als Waffe, Knüppel', anord. kölfr 'Wurfspeer, Pfeil, Pflanzenknolle' mit den Ableitungen kylfi n., kylfa f. 'Keule, Knüttel'. Die Bed. läßt Beziehung zu der unter K l a m p e und Klumpen behandelten Sippe vermuten. Kolibri m. Als die Franzosen 1634 die Insel Cayenne besetzten, fanden sie die Kolibriart Lampornis gramineus massenhaft vor, in der seither ausgestorbenen Galibi-Sprache der Insel nach dem leuchtenden Grün der unteren Kopfhälfte col-ib(a)ri 'leuchtende Fläche' benannt. Vom Frz. auf Cayenne, wo colibri schon 1662
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Koller
als frz. Wort bezeugt ist, ging es in das Frz. der kleinen Antillen u. Europas über. Von da stammen span. portug. ital. engl, colibri u. nnl. kolibrie f.: Rieh. Loewe 1933 Zs. f. vgl. Sprachf. 61, 77ff. K o l i b r i bei uns seit 1668: Palmer 76f. Kolik f. 'heftiger Leibschmerz' aus gleichbed. lat. colica, gr. kölike (nösos 'Krankheit'), Adj. zum n. kölon 'Grimmdarm'. Dies zur Wurzel *(s)kel- 'biegen', zu der auch ahd. scelah 'schief, krumm' gehört, s. scheel. Paracelsus 1520 colica noch in lat. Form; Colick seit J . Th. Tabernaemontanus 1588 Kräuterb. 1, 163. Kolk TO. 'Strudel im Wasser; Höhlung am Flußufer', aus dem Nd.: Kluge 1911 Seemannsspr. 471. Gleichbed. mnd. nl. afries. kolk; die Grundbed. in dän. kulk 'Speiseröhre, Rachen', dazu ags. cyclan, nl. kolken 'rülpsen'. Wz.-verwandt mit Kehle. Zur Bed.-Entwicklung vgl. Schlund. Dieselbe Erweiterung der Wurzel *gel- 'verschlingen' in anord. kjalki 'Kiefer, Kinnbacken', lett. gulgätiSs 'rülpsen', vielleicht auch in slovak. glg 'Schluck'. Kolkrabe m. 'Corvus corax'-, kolckrabe Konr. Gesner 1555 Eist, avium 321 aus Sachsen. Die Annahme von H. Suolahti 1909 Vogelnamen 177 und Mahlow 1929 Wörter u. Sachen 12, 47ff., K o l k r a b e sei mit irrender Silbentrennung aus *kol-kräwe 'kohlschwarze Krähe' umgebildet, scheitert daran, daß bei uns alle Rabenvögel tiefschwarz sind, mithin keine Art durch besondere Schwärze gekennzeichnet werden kann. Im Gegensatz zu allen andern Rabenvögeln krächzt der Kolkrabe nicht, sondern verständigt sich dauernd — er tritt immer zu zweit auf — mit einem Laut, den kolk gut wiedergibt. Lautmalend ist auch das gleichbed. tschech. krkovec. Kolleg n. Die Vorlesung an mittelalterl. Hochschulen heißt leclio, weil in ihr stets ein autor classicus gelesen und erläutert wurde. Im 16. Jh. kommen neuartige Privatvorlesungen auf, die (als Vorläufer unserer Seminare) collegium 'Zusammenkunft' heißen, inlat.Text zuerst 1573, in nhd. 1613 J . Sommer, Ethographia Mundi Tl. 4, Vorrede: „daß er zu Pariß nicht nur einmal in die Stadt vnd Collegia gekuckt, sondern etliche Jahr studiret". Schiller kündigt in Jena 1789 „ein Privatcollegium" an: A. Götze 1929 Akad. Fachsprache 19. Koller m. Gr. cholera f. 'Gallenbrechruhr' (s. Cholera) ergibt über lat. cholera ahd. kolero, mhd. kolre m. Die Bed. wandelt sich dabei in 'ausbrechende oder stille Wut', das Genus paßt sich den heimischen Wörtern auf -er an, lat. eh erhält den Wert von k wie auch in ital. collera, frz. coUre, nl. kolder. Zur Sache M. Heyne 1903 Körperpflege und Kleidung 192.
Koller
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Koller n. Mlat. collärium 'Halsrüstung' (zu lat. collurn 'Hals') gelangt auf zwei Wegen zu uns: unmittelbar als ahd. cholläri, über afrz. collier 'Halsbekleidung an der Rüstung' um 1200 als kollier, gollier: Suolahti 1929 Frz. Einfluß 124. In mhd. koller fließen die beiden Entlehnungen zusammen, nach der Ritterzeit siegt die Bed. 'Halsbekleidung an Männer- und Frauengewändern, Wams'. Das Genus schwankt wie beim vorigen Wort zum M. hinüber: H. Paul 1917 Dt. Gramm 2, 74. kollern, k u l l e r n 'rollen' schw. Ztw., nicht vor Ludwig 1716, ein Wort der md. Mundarten, das Heynatz im Antibarbarus (Berlin 1796) verpönt. Zu md. koller f . 'Kugel', Weiterbildung zu gleichbed. kulle (aus mhd. kugele, s. K u g e l ) . Kolon s. D o p p e l p u n k t . Koloß m. Vorgriech. (kret.) kolossos 'Riesenbildsäule' erscheint seit 1583 in dt. Texten, von vornherein in mannigfachen Übertragungen. Das Adj. dazu lautet im 18. J h . k o l o s s a l i s c h , unter Einfluß von frz. colossal siegt um 1800 die Kürzung k o l o s s a l : H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 355 f. Kolpak s. K a i p a k . Kolter 1 m. n. 'gefütterte Steppdecke' aus gleichbed. afrz. co(u)Ure als mhd. culter, gulier, kolter, golter kurz nach 1200 aufgenommen: Suolahti 1929 Frz. Einfluß 136. Das frz. Wort stammt (wie ital. coltre) aus lat. culcüra 'Polster, Matratze'; dessen Sippe s. u. w ö l b e n . K o l t e r ist ein Wort des Südens und Westens geblieben, s. Kretschmer 1918 Wortgeogr. 165. Kolter 2 n. m. 'Pflugmesser'gelangt als roman. Gegengabe für den germ. Pflug aus Gallien (aus lat. culter wird afrz. coltre, frz. coutre) nach England und, über die Mosel-Maas-Straße, in den Raum von Trier und Köln, nach den Niederlanden (aus afrz. coltre wird mnl. couter, nnl. kouter) und Niederdeutschland. An der Trierer Südgrenze setzt es sich gegen S e c h (s. d.) ab, das über die Alpen vorstößt. Das Pflugmesser nach röm. Muster (lat. culter) ist in den germ. Räderpflug eingebaut worden: Frings 1930 Zs. f. Volkskde. 40, 104f. Kombüse /. 'Schiffsküche'. Im 15. Jh. tritt mnd. kabüse 'Bretterverschlag (auf dem Schiff)' ans Licht. Während sich die Form in nl. kabuis (vgl. B ü s e , D ü n e , K l ü v e r , S t ü b e r , S ü d e n ) , engl, caboose 'Schiffsküche' hält, entwickelt das Nd. des 18. Jh. kambüse, das sich in gleichbed. frz. cambuse spiegelt. K o m b ü s e , dem nl. kombuis, älter kombuus, entspricht, seit Vischer 1720 Glossar zur Robinson-Übersetzung. Zur Aufhellung der Vorgeschichte dient, daß nd. kabuus im Brem. Wb. 2 (1767) 713 'Kernhaus' bedeutet. Von allen Seiten wird Zus.-Setzung mit
Kommentur
hüs wahrscheinlich: Kluge 1911 Seemannsspr. 472. Komet m. Gr. kometes eig. 'Haar tragender (Stern)' (zu körne f . 'Haar') ergibt über lat. cometes, -eta mhd. komete. Verdeutschungen wie Besen-, Haar-, Schwanz-, Schweif-, Strob e l s t e r n (Zs. f. d. Wortf. 8, 59. 14, 75) sind nicht durchgedrungen. komiseh Adj. Zu gr. kömos m. 'Umzug voll Mutwillen' gehört kömlkos Adj. 'witzig, lächerlich', das uns über lat. cömicus zu Ende des 15. Jh. erreicht. Zur Entwicklung und Sippe H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 358 f. — Vgl. Komödie. Komma n. Gr. kömma 'Abschnitt' (zu Icöptein 'schlagen') gelangt über lat. cornma im 17. J h . zu uns und erscheint seit Hornschuh 1634 als Name des Satzzeichens, von Gueintz 1641 mit strichlein, seit Harsdörffer 1647 mit Beystrichlein übersetzt: H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 360; E. Leser 1914 Zs. f. d. Wortf. 15, 38f. Kommando n. Neben lat. commendäre steht vulgärlat. commandäre (mit a wie M a n d a n t , M a n d a t ) , worauf ital. span. comando, frz. Commander, commandant beruhen. Die roman. Wörter erscheinen 1614/16 bei uns (Zs. f. d. Wortf. 14, 38; H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 361); durch den 30jähr. Krieg werden sie eingebürgert. kommen st. Ztw., gemeingerm. queman: ahd. koman, asächs. ags. cuman, engl, come, afries. cuma, anord. koma. Der urspr. Anlaut ist qu, erhalten in nhd. b e q u e m , ahd. queman, got. qiman. Im Hd. entsteht ko, kö aus que, kü aus qui (s. k e c k , k i r r e , K ö d e r , Q u i t t e ) , daher mhd. komen, körnen, ich kume, du kümest, er küm(e)t, urir komen, kumen, dagegen ich quam, wir quämen. Die Mundarten bewahren offene und schriftdt. wie öfters vor -men> mn nicht gedehnte Silbe in der Länge, so nd. komen. Außergerm, vergleichen sich aind. gämati, awest. jamaiti 'geht', toch. kam und (mit lautgesetzlichem Wandel des -mi- zu ni-) lat. veniö (aus *gpernio), gr. bainö (aus *g%miö). — Der Dt. Sprachatlas stellt die Lautgeographie von 'kamen' auf den Karten 78—82 dar, handschr. noch 'kam', 'gekommen'. Kommentar m. 'Erläuterung(sschrift)', im 18. J h . eingedeutscht aus gleichbed. lat. commentärius. Die Mz. lautet schon im 16. J h . C o m m e n t a r i e n : H. Schulz, Fremdwb. 1 (1913) 361. Lat. commentärius (Uber) gehört zum Ztw. commentäri 'überdenken'; daneben commentum 'Erfindung, Erdichtung', spätlat. auch 'Erklärung', das ein im 16./17. J h . bei uns beliebtes C o m m e n t ergeben hat. Sämtlich zu lat. mens 'Verstand', urverwandt mit m a h n e n , s. d. Kommentur s. K o m t u r .
Kommißbrot
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Kommißbrot n. Lat. commissa, Plur. zu com•rnissum n. 'anvertrautes Gut', ergibt frühnhd. Jcommiß f . 'Heeresvorräte'. So wird in der Reuterbestallung Karls V. verboten, „in die Kommiß zu greifen" und befohlen, „alles das jenig ehrbarlich zu bezahlen, was aus der Kommiß gegeben wird" (P. Horn 1899 Sold.-Spr. 26; Zs. f. d. Wortf. 14, 52). Aus der Fülle der Zus.Setzungen ( K o m m i ß - G e l d e r , - h a f e r , - m e i s t e r , - m e t z g e r , - s a c k ) hält sich K o m m i ß b r o t , das H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 364 zuerst aus Straßburg 1562 belegt. Kommode /. Zu lat. commodus, frz. commode Adj. 'angemessen, bequem' gehört die Substantivierung la commode, mit der ein Pariser Schreiner seine Schiebkastenschränke empfahl; von Liselotte 1718 als „große Taffei mit großen Schubladen" eingeführt. Bei uns seit Zachariä 1754. Umgangsspr. halten sich nd. D r a h k a s t e n , schles. S c h u b , österr. S c h u b l a d k a s t e n , alem. T r u h e : A. Götze 1909 Zs. d. f. Wortf. 11, 263; H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 366; Kretschmer 1918 Wortgeogr. 303 f. Kommunist m. 1827 engl, communists or socialists (Wiss. Annalen 3, 1954, 661). Aus lat. communis (s. gemein). Hnr. Heine griff sie und K o m m u n i s m u s 1841 auf, Gutzkow spricht 1842 von dem „sonderbaren Neuwort Communismus", B. Auerbach 1846 von dem „nagelneuen Ketzerwort Communist": Ladendorf 1906 Schlagwb. 176f.; Zs. f. d. Wortf. 8, 13. Mhd. commune f . 'Gemeinde' stammt aus dem Lat. Komödie f . Gr. kömöidla 'Lustspiel' (s. k o misch) gelangt über lat. comoedia als frühnhd. comedi(e) zu uns. H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 367 belegt C o m e d i e n zuerst aus dem Humanisten Albr. v. Eyb 1472. Vgl. L u s t s p i e l . Kompagnon s. K u m p a n . Kompanie /. Mlat. companium n. 'Gesellschaft' (urspr. 'Brotgenossenschaft', zu con'mit' und panis 'Brot') gelangt, nachdem eine erste Entlehnung von afrz. compaignie zu mhd. cumpänle verklungen war, als Wort des ital. Handels im 14. Jh. nach Oberdeutschland und wird demgemäß in kauf mann. Büchern noch 1662 Compagnia geschrieben. Als milit. Fremdwort dringt 1690 frz. compagnie ein: so behauptet sich das Wort über den 30jähr. bis zum Weltkrieg: A. Schirmer 1911 Wb. d. dt. Kaufmannsspr. 102f.; H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 367f.; H. Suolahti 1929 Frz. Einfluß 137; Zs. f. d. Wortf. 14, 24f. 42. 76. Kompaß m. Zu ital. compassare 'abschreiten, abmessen' gehört compasso 'Zirkel'. So heißt die Magnetnadel wegen der kreisrunden Büchse (lussola, frz. boussole), in der sie drehbar aufgehängt ist. Vom Ital. greift das Wort über alle Kultursprachen, nachdem Flavio Gioja v. Amalfi
Komtur
1302 die entscheidende Verbindung der Magnetnadel mit der Windrose vorgenommen hat: Kluge 1911 Seemannsspr. 474. Er ist als anord. leidarsteinn im Norden schon 1240 bekannt: W. Vogel 1916 Reallex. d. germ. Alt. 3, 70; E. öhmann 1940 Neuphil. Mitt. 41,148. Anord. leid zu unserm l e i t e n bedeutet 'Weg, Reise, Fahrt'. Kompliee m. 'Helfershelfer' Lat. complex 'Verbündeter' (der zweite Wortteil zu lat. plicäre 'zus.-falten', urverwandt mit f l e c h t e n , s. d.) erscheint im Plur. complices seit 1600 in dt. Rechtssprache. Als Entlehnung aus frz. complice 'Mitschuldiger' seit Scheibner 1695 gebucht. Heynatz 1776 Handb. 687 verlangt frz. Aussprache: H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 370. Kompliment n. Der Anhang (complementum) alter Moralbücher handelte von der Höflichkeit. Danach wird im 16. Jh. span. complimiento zu 'Höflichkeitsbezeugung'. Bei uns erscheint die Mz. complimenten seit Aeg. Albertinus 1598 Guevarus Güld. Sendschr. 1187 a . Nachmals gewinnt das gleichfalls vom Span, ausgehende frz. compliment 'feierliche Anrede, Schmeichelei' Einfluß auf den dt. Ausdruck. Moscherosch und die Sprachreiniger bekämpfen ihn: F. Schramm 1914 Schlagw. d. Alamodezeit 71 ff. Komplott n. Frz. compbt erscheint im 12. Jh. als 'Gedräng, Aneinanderschmiegen'. Es ist rückgebildet aus dem Ztw. comp(e)loter 'zusammenknäueln', das zu pelote 'Kugel, Knäuel' gehört (daher auch frz. peloion 'kleiner Knäuel; Menschengruppe; Rotte, Soldaten, die zugleich feuern'). Frz. complot entwickelt sich über 'Vereinbarung' zu 'heimlicher Anschlag'. In diesem Sinn wird es entlehnt zu engl, complot. Aus London meldet der Sonntagische Postilion 1680, Nr. 6 „Sr. Walter h a t . . . ein neues Complot der Papisten entdecket." Seit Liebe 1686 wird C o m p l o t bei uns verzeichnet, nun (soweit wir Angaben erhalten) in frz. Betonung. Kompost, Kompott m. Die aus lat. compositum n. 'Zus.-Gesetztes' hervorgegangenen roman. Wörter sind auf versch. Wegen, zu versch. Zeiten, in versch. Bed. zu uns gelangt: mlat. composlum 'Dünger' wird zu spätahd. kümpost, ital. composta 'Eingemachtes' zu gleichbed. mhd. kumpöst, auch 'Sauerkraut' (ins Slaw. übernommen als kapusta 'Kohl'), ostpreuß. Kumst 'Kohl', älter frz. composte 'eingemachtes Obst' zu gleichbed. frühnhd. compost, das den frz. Lautwandel zu compote im 18. Jh. mitmacht. Komtur m. Mlat. commendator, afrz. commendeor 'Vorsteher der Niederlassung eines Ritterordens' (mlat. commenda) ergibt mhd. kommeniür, das sich namentlich im Schwab, lange hält, indes anderwärts das gleichfalls schon mhd. cumtiur zu K o m t u r führt.
Konditor
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Konditor m. In nhd. 'Zuckerbäcker' zuerst 1646, lat. eonditor 'Hersteller würzhafter Speisen' (zu lat. condire 'einlegen, einmachen', bei uns seit 1580 als c o n d i e r e n ) Arab. qand 'Kandiszucker' (s. K a n d i s z u c k e r und Z u c k e r ) ist Grundwort von k a n d i e r e n (ital. candiré, frz. candir 'überzuckern'); dazu K a n d i t o r als Name des Zuckerbäckers, der im 18. Jh. daneben in der Volkssprache, weithin bis heute, gilt. H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 372; Kretschmer 1918 Wortgeogr. 304. H. Fincke in Zs. „Süßwaren" 1957, 6. Vgl. K a n d i s . Kondor m. Der größte bekannte Geier, in den Kordilleren Südamerikas heimisch. Peruan. cuntur gelangt über span. condor zu uns und begegnet seit 1601 in nhd. Texten: Palmer 77. Engl, condores seit 1604, frz. condurs etwa 1677. König m. mhd. künic, künec (g), ahd. asächs. kuning, ags. cyning, engl, king; dazu mit Suffixablaut anord. konungr, neunord. kung. Aus einer germ. Sprache des 2./3. Jh. stammt gleichbed. finn. kuningas; auch aslaw. künggü, kün^zl 'Fürst' ist aus dem Germ, entlehnt; lit. künigas 'Pfarrer' und lett. küngs 'Herr' beruhen auf mnd. kunig. Got. gilt reiks 'König' (s. Reich). Germ. *kuninga-z 'König* ist abgeleitet von germ. *kunja(got. kuni, ahd. asächs. kunni, mhd. künne) 'Geschlecht', Grundbed. somit 'Herrscher aus vornehmem Geschlecht', -ing, -ung bezeichnen Zugehörigkeit, besonders Abstammung. Die alte Zugehörigkeitsbildung ist (wie got. piudans, gr. koiranos) schon voreinzelsprachlich über 'primus ínter pares' zu 'Herrscher über . . . , Erster in . . g e w o r d e n . Anders F. R. Schröder, IngunarFreyr 1941, 33: *kunjas, vgl. lat. genus, = 'Erzeuger', in mythologischer Deutung des Sakralkönigtums 'Partner d. Muttergöttin'. S . N a t i o n . Könighase m. 'Kaninchen'. Das aus lat. cuniculus entstandene königlein wird bair.österr. verdeutlicht zu kiniglhaas (Hügel 1863 Wiener Dialekt), K ö n i g e l h a s e (F. Raimund, Dram. Werke 2 I, 33, 2, 163). Das Nahmenbüchlein zum Gebrauch der Stadtschulen in den k. k. Staaten (Wien 1847) 30 schreibt K a n i n c h e n statt Königlhasen vor. Für Bayern verzeichnet Schmeller l 2 , 1259 kini'Ms, für das alte Nürnberg H a s e n k ü n l e i n . Königskerze /. die Pflanze Verbascum, besonders y . thapsus und thapsiforme (früher Candela regis), frühmhd. (Ahd. Glossen 3, 545, 38) kungeskerze, frühnhd. (L. Diefenbach, Gloss. lat.germ. 573 b ) konigis kercz. Dem dt. Namen entlehnt ist dän. kongekjert, ihm nachgebildet sind dän. kongelys, schwed. kungsljus, norw. konglys. Der Stengel hat zur Anfertigung von Wachskerzen gedient, s. J. Wigand, Catal. herb, in Borussia nascenlium (1583) 56: Candelaria appellatur, quia cera ülila eandelae vicem praestat.
Konterbande
Die Fülle der landschaftl. Namen bei R. Hildebrand 1873 DWb. 5, 1712 und H. Fischer 1914 Schwab. Wb. 4, 604. Königtum ». als Ersatz für frz. royauté von Wieland, N. teutscher Merkur, Nov. 1792, S. 290 geschaffen. Ihm sind dabei das ältere K a i s e r t u m und engl, kingdom Vorbilder. Wielands Wagnis wird sogleich allseitig begrüßt: Feldmann 1912 Zs. f. d. Wortf. 13, 268. Campes Einspruch hat dem Wort nicht geschadet: Wh. Pfaff 1933 Kampf um dt. Ersatzwörter 37. können Prät.-Präs., mhd. künnen, kunnen, ahd. kunnan (Sg. kan, Plur. kunnum, Prät. konda) 'geistig vermögen, wissen, kennen, verstehen', dann 'imstande sein'. Entspr. ags. cunnan (1. Sg. cann), anord. kunna, dagegen got. kunnan (Sg. kann, Plur. kunnum) '(wiedererkennen'. In alter Zeit hat k ö n n e n nur geistige Bed. im Gegensatz zu ( v e r ) m ö g e n . Dem Germ, ist außer dem Stamm kann- (auch in got. kunnan schw. Ztw. 'erkennen', ags. cunnian 'erforschen, versuchen'; vgl. k e n n e n , k ü h n , k u n d , K u n s t ) ein Stamm knë: knö geläufig: ags. cnäwan, engl, know; ahd. bi-, irchnäan 'erkennen', wozu ahd. ürchnät f . 'Erkennung', anord. knä 'kann'; auf germ. *knöpla- 'Erkenntnis' weist das Denominativ ahd. beknuodelèn 'vernehmbar werden'. — Das zweite n von got. usw. kann, kunnum, kunnan ist suffixal und urspr. nur präsensbildend: kunnum entspricht genau dem aind. jänlmdh 'wir erkennen' (jänami 'ich erkenne'), idg. *gn-na-mâ(s); *gn- ist die regelrechte Tiefstufe zu * gutzen. Der eintönige Ruf gibt Anlaß, den Vogel f ü r töricht zu halten: schon um 1000 bietet Notker gouch ' N a r r ' : Suolahti 1909 Vogelnamen 4ff. Kuddelmuddelm. n. 'Durcheinander' nicht vor 1878. Der richtige Berliner 22 und K. Albrecht 1881 Leipz. Mundart 155, von diesem zutreffend als nd. H e r k u n f t bezeichnet. Erinnert an nd. koddeln 'Sudelwäsche halten' und modder 'Moder', doch kann der zweite Teil als sinnloses Reimwort dem ersten beigefügt sein (wie bei nnl. hutjemutje 'Siebensachen'). Zum ersten p a ß t am besten hd. K u t t e l n 'Därme', mnd. kutelbank ' B a n k f ü r Fleischwaren', zu mhd. kütte, ahd. cutti 'Herde Vieh', mnd. kudde'Herde, Schar' als Kollektivbildung mit der urspr. Bedeutung 'Haufen, Wirrwarr', so noch in rhein. kuddel 'von Fäden, Speisen'. Literar. zuerst K u d d e l m u d d l e r 'wer Wirrwarr schafft' Wh. Raabe, Dt. Adel (Westermanns Monatsh. 1878, 280). Kufe 1 f . (bei Weise 1673 Erzn. 190 u n d bei Steinbach 1734 K u f f e ) 'Laufschiene des Schlittens'. -/- ist nach k aus -ch- entstanden, vgl. Schweiz, bair. kriechen, ahd. chuohho in sliiochöho, mnd. koke 'Schüttenschnabel'. So t r i t t K u f e als 'Stück Holz' zu *geg(h)-: *gSg(h)- 'Ast, Pfahl, Busch' (wie K a b e l f., s. d., zu *geb(h)- 'Holzstück'). Germ. Verwandte sind K e g e l (s. d.), mundartl. K a g 'Kohlstrunk' u n d m n d . käk 'Schandpfahl, Pranger'. Außergerm, vergleichen sich lit. Sägaras 'dürrer Zweig', Saginiai Mz. 'Palisaden' und lett. Sagari 'Reisig', iagas Mz. 'loses Laub'. Kufe 2 f . 'Gefäß' mhd. kuofe, ahd. kuofa, asächs. köpa. I m Corp. gloss. Lat. 5, 584 wird cöpa s t a t t cuppa (= cüpa) als gut lat. empfohlen. Obwohl ein solches *cöpa weder im Schriftlatein noch im roman. Vulgärlatein nachgewiesen ist, scheinen die germ. Wörter dem L a t . entlehnt zu sein. Kfiiei m. mhd. küefer zu K u f e 2 wie lat. cüpärius zu cüpa. Zur Abgrenzung gegen B i n d e r , B ö t t c h e r , B ü t t n e r , S c h ä f f l e r usw. s. Bottich. Kuli f . 'breit gebautes Handelsfahrzeug mit zwei Masten', allen seefahrenden Germanen der Neuzeit gemeinsam: nnl.(1623) kof, kuf, nd.(zuerst 1782) k u f f , engl, (seit 1794) k o f f , schwed. (1803) k o f f , dän. (1838) kof, kuf, norw. kof. Wie B r i g g (s. d.) aus brigantine, so ist K o f f verkürzt aus köpfärdie, das elliptisch f ü r K a u f f a h rt e i s c h i f f steht (s. K a u f f a h r e r ) . Bei der Umbildung zu k u f ( f ) mag nl. kuf ' R a u m , (Trink-) Stube' eingewirkt haben, das zu K o b e n ge-
Kugel
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kullern
hört: Axel Lindqvist 1938 Meijerbergs Ark. f . die der Kampf in seinen Bereich gezogen hat. Die geltende Bed. mag entwickelt sein in Wensvensk ordforskn. 2, 47. Engel f . mhd. kugel(e), md. küle (s. Kaul-), dungen wie in (zi) vnge kuoni oder aus Kürzung mnd. nnl. kogel 'Kugel', mnl. koghele 'Stock mit von Zu3.-Setzungen wie ags. gärcene 'speererKugelende', ags. cycgel, engl, cudgel 'Knüttel'. fahren', anord. ingkeenn 'kampferfahren', skjgldDazu K o g g e (ahd. coccho, mnd. kogge, engl. keenn 'schilderfahren'. ltog) 'breites, gerundetes Schiff'. Urverwandt mit Kuhreigen m. Schweiz, chuereijs, der festliche lit. gugà 'Knopf am Sattel, Buckel, Hügel', gaii- Alpaufzug der Sennen und Herden (so noch in garas 'Gipfel', russ. güglja, poln. guga 'Beule': bildl. Darstellungen an Stall- und Zimmerwänsämtlich Gutturalerweiterungen der idg. Wurzel den), dann die musik. Begleitung dazu, so im *geu- 'biegen'. S. Kogel. Schweiz. Id. 6, 6f. seit 1531 belegt, vor allem Kuh f . Mhd. kuo, ahd. kuo, ehuo, asächs. kö, aus Appenzell. Literar. durch Bodmer 1724: P. anfr. (Dat. Plur.) cüon, mnl. eoe, nnl. koe, afries. Geiger 1912 Volksliedinteresse in der Schweiz kü, ags. cm, engl, cow, anord. kyr, norw. kyr, ko, 136. schwed. dän. ko vereinen sich auf germ. *k{w)ö-. kujonieren Ztw. Aus vulgärlat. cöleöne 'EntDies führt mit air. lo, kymr. buio, lat. bö-s, mannter' (zu lat. cöleus 'Hodensack') ist über griech. boüs, lett. gitov-s, armen, kov, toch. ital. coglione 'Dummkopf' frz. couillon gebildet, AkiB ke-, aind. gduh 'Rind, Stier, Kuh', awest. das als cujon 1567 in Westdeutschland eingänS u. a. auf idg. g'Aöu- 'Rind'. Der Name ist dringt. Das zugehörige ital. coglionare 'als Dummlautmalend: er bildet das Brüllen der Tiere kopf behandeln', frz. coionner erscheint als cujonach. Sumer. gu 'Stier, Rind' (G. Ipsen 1932 nieren 'jem. einen Schuft schelten' 1638, gleich Idg. Forsch. 50, 248) klingt an, vgl. Frank danach tritt die Bed. 'schlecht behandeln, plaG. Banta Journal of Engl, and Germ. Phil. gen' auf und wird noch im 30jähr. Krieg einge1956, 102. Nächst dem Schaf ist die Kuh das bürgert: H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 408. Der älteste Nutztier unserer Vorfahren (vgl. B l e s s e , schlimme Klang führt zu Entstellungen: „unB u l l e , F a r r e , F ä r s e , K a l b , O c h s e , R i n d , geschickter Cujus aus der calvinischen Synagog" S t e r k e , Stier). Der Dt. Sprachatlas bietet die Ph. Nicolai 1597 Kurzer Bericht v. Calvin. Gott, Lautgeographie für 'Kühe'. Vorrede; „ein grober cujus sus" Eyring 1602 Kuhfuß m. Scherzwort der Soldaten für 'Ge- Proverb. 2, 324; „ein grober cujus" Henisch wehr', von der Form des Kolbens. Die her- (1616) 635. kömmliche Verknüpfung mit dem Nürnberger Kfiken s. K ü c h l e i n . Büchsenmacher Kühfuß ist unglaubhaft, weil Kukumer s. G u r k e . dieser dem 16. Jh. angehört, während K u h Kukuruz m. 'Mais'. Türk, kukuruz 'Zea Mays f u ß t r ä g e r für 'Musketier' erst 1687, K u h f u ß L.' gelangt durch slaw. Vermittlung (serb. kuerst 1792 greifbar wird: P. Horn 1899 Soldaten- kuruz, tschech. kukurice usw.) im 19. Jh. zu uns: spr. 65; F. Kluge 1901 Zs. f. d. Wortf. 1, 351. Lokotsch 1927 Etym. Wb. Nr. 1230. Kretschkühl Adj. Ahd. kuoli, mhd. küele Adj., kuole mer 1918 Wortgeogr. 330 sieht darin eine lautAdv. (vgl. f a s t , s c h o n , s p ä t ) , regelmäßig um- malende Bildung, ausgehend vom Lockruf an lautlos auch in Zus.-Setz. wie koulhüs n. 'Kühl- Vögel, die man mit Maiskörnern füttert. Wiek haus', vereinigt sich mit mnd. köl, mnl. coel, ags. 91; Berneker 640 f. cöl auf westgerm. *kölja-, urspr. *kölu-. Zum Kuli m. Die Koli des westl. Indiens gehen seit gleichen Stamm, der im Nord. (kala) und Ags. langem als angeworbene Arbeiter in die Fremde. (ealan) als st. Ztw. auftritt, gehört als Part, k a l t So ist ihr Name in beiden Indien und China (s. d.). Auf urgerm. *kali- beruhen ags. cele, cyle, appellativ geworden. Das älteste europ. Zeugnis engl, chili 'Frost'. stammt von 1548: Kluge 1911 Seemannsspr. kühn Adj. (dem Schwab., Bair. und vielfach 498; H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 409; Lokotsch der Volkssprache fremd; Schweiz, chüen 'gesund, 1927 Etym. Wb. Nr. 1198. K u l i heißt in neuerer frisch von Farbe'), mhd. küene, ahd. kuoni Adj., Gaunersprache der Hilfsschreiber. Von da ist kuono Adv. 'kampflustig, stark' (umlautlos auch T i n t e n k u l i Berufsschelte des Tagesschriftsteldie Zus.-Setzung kuonheit), mnd. keene, mnl. lers geworden: H. Klenz 1910 Scheltenwb. 137. coene, ags. cene 'kühn, weise', engl, keen 'scharf', 150. anord. kann 'weise, erfahren'. Diese Bed. liegt Kulisse f . bei uns seit Lessing 1767 Hamb. auch im Namen ahd. mhd. Kuonrät, ags. Cèn- Dramat. 45, der sein C o u l i s s e dem frz. coulisse réd voraus. Germ. *kön-i 'wer verstehen kann, entlehnt. Dies bed. 'Schiebewand, die sich in gescheit' ist Verbaladj. zur Wz. *kan, *kun (vor- einem Falz bewegt', älter 'Falz, Rinne', und ist germ. *gön in gr. gégòna 'tue kund') in k ö n n e n über frz. couler 'rennen, laufen' mit lat. cöläre (s. d.). K ü h n stellt sich (mit b a l d und s c h n e l l ) 'durchseihen' zu vermitteln. zu den geistigen Begriffen des germ. Altertums, kullern s. k o l l e r n .
Kultur
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Kultur /. am Ende des 17. Jh. aufgenommen aus lat. cultüra 'Bebauung, Bestellung, Pflege' (zu colö 'bebaue, pflege') und zwar von vornherein in doppeltem Sinn, als landwirtschaftlicher 'Anbau' wie als unsinnliche 'Pflege' der Sprache, einer Wissenschaft, kurz der G e i s t e s k u l t u r , die von Ciceros cultura animi ausgeht: H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 410; J. Stroux, Aufbau 1946 S. 111 ff. Kulturkampf m. zuerst Zs. für Theol. (Freiburg 1840) 4,176, danach von Lassalle 1858 und Virchow 1873 im Sinn eines die ganze Kultur betreffenden Kampfs gebraucht, seither Schlagwort für den Kampf des Staats gegen die Macht der kath. Kirche: Büchmann 1912 Gefl. Worte 640 f. Kümmel m. Carum Carvi L. Die Vorderasiat. Pflanze heißt assyr. kamünu 'Mäusekraut', arab. Jcammün, hebr. kammön, pun. chamän. Aus dem semit. Grundwort ist über gr. ktfminön lat. cümlnum abgeleitet, das auch gemeinroman. gilt und über frz. comin (seit 1500 cumiri) nl. comijn ergibt. Aus dem Roman, stammen ahd. kumin, chuml, mhd. kümln m., mnd. körnen, ags. cymen, engl, cumin und (mit l für n wie E s e l , H i m m e l , K e s s e l , Lägel) ahd. kumil, mhd. kümel. Luther hat die ostmd. Form K ü m m e 1 ins Nhd. eingeführt. Schwab, bair. gilt kümieh, alem. chümi. Über die Zeit der Entlehnung s. K ü c h e , M i n z e , P f e f f e r . K ü m m e l als Name eines Branntweins s. K i r s c h . Vgl. K a r b e . Kümmelblättchen n. 'Dreiblatt', nach dem dritten Buchstaben des hebr. Alphabets gimel, der als Zahlzeichen 'drei' bedeutet. Seit 1850 als Kartenspiel der Bauernfänger Berlins bezeugt, gebucht DWb. 1873. Wolf Wb. 3011. Kümmeltürke m. ein Studentenwort, zuerst Kindleben, Stud.-Lex. (Halle 1781) 129 'Prahlhans, Großsprecher', seit 1790 in Halle 'Student aus dem Bannkreis der Univ.-Stadt'. Im Saalekreis wurde viel Kümmel gebaut, daher K ü m m e l t ü r k e i : Zs. f. d. W o r t ! 2, 293. 3, 99. 316. In Soest bei den Gymnasiasten Bezeichnung für 'Seminarist'. Kummer m. Zur idg. Wz. *lher 'tragen' (s. B a h r e , B ü r d e , g e b ä r e n usw.) stellt sich gallolat. comboros 'Zusammengetragenes', das mhd. kumber 'Schutt, Trümmerhaufen' ergibt. Diese Bed. lebt namentl. im westl. Nord- und Mitteldeutschland. Übertragung auf seelisch Belastendes kennen schon afrz. eneombrer, aprov. encombrar 'beschweren, belästigen, in Verlegenheit setzen', afrz. aprov. encombrier' Beschwerde, Unglück'. Von da stammt kumber als seelische Last, das im 12. Jh. ins Hd. eindringt und um 1200 durch die Dichter der Blütezeit Gemeingut wird.
kund
Kum(me)t n. 'Halsjoch der Zugtiere'. Die Sippe von H a m e n 'Kappzaum für wilde Pferde' dringt früh nach Osten und ergibt aslaw. *chomgtü, das im 12. Jh. über poln. chomq,to n. rückentlehnt wird zu mhd. komat. K u m t gilt vor allem im nd. und md. Osten; Luther verwendet sein K o m m e t nur brieflich. Oberdeutschland und der Westen sind im ganzen bei H a m e n geblieben. Jüngeres slaw. Lehnwort des Fuhrwesens ist P e i t s c h e . Wiek 351; Berneker 395. Kumpan m. Mlat. companio 'Brotgenosse', Nachbildung eines germ. Ausdrucks wie got. gahlaiba, ahd. gileibo m. 'Genosse' (zu L a i b 'Brot'), gelangt im 13. Jh. über afrz. eompain 'Geselle, Genosse' ins Mhd. und ergibt kompän, kumpän, die frühnhd. 'Amts-, Berufsgenosse' bedeuten, aber im 17. Jh. aus der Schriftsprache verschwinden. Bode und Mylius beleben seit 1772 K u m p a n , das siefür ein altd. Wort halten. Im Volk hat sich kumpe gehalten, s. K u m p e l . Dem frz. compagnon entspr. erscheint C o m p a n i o n 'Geselle' seit dem Eulensp. (Straßb. 1515) 64 Ndr. Die kauf mann. Bed. 'Geschäftsteilhaber' nicht vor 1672: A. Schirmer 1911 Wb. Kaufm.Spr. 102; H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 367. Kumpel m. 'Arbeitsgenosse, Kamerad, Freund', Verk. zu kumpe, das schon 1684 im Unterharzer Bergbau übl. war: Wolf 1958 Bergmspr. 33; s. K u m p a n : Dissimilation von m:l wie in K ü m m e l (s. d.). Die kameradschaftlich-gemütliche Anrede geht vom rheinisch-westfäl. Bergbau aus, verbreitet sich über alle dt. Bergbaugebiete und gelangt von da ins Heer: F. Holthausen 1929 Germ.-rom. Monatsschr. 17, 388; J. Müller 1938 Rhein. Wb. 4, 1178. 1724ff.; Haupt-Heydemarck 1934 Soldatendeutsch 114; H. Brömse 1942 Mutterspr. 57,182. kümpeln Ztw. ein bestimmtes Verfahren, Blech zu biegen, eigentl. in Napfform zu bringen. Zu kump, der nd. Form von K u m p f , s. d. Kumpf m. mhd. kumpf 'Napf, Gefäß, Gerät des Schnitters für den Wetzstein', mnd. kump führen auf germ. *kump-, das mit Kons.-Schärfung neben germ. *kumb- steht. Dies in ags. curnb, engl, coomb 'Getreidemaß', bei uns mit Angleichung des mb zu mm in K u m m e /. 'tiefe Schale', hochalem. chumme 'Zisterne', mnd. nd. kumm(e) 'rundes, tiefes Gefäß, Wasserbehälter, Bodenvertiefung, Kasten'. Dan. kumme, norw. kum sind aus dem Mnd. entlehnt. kund Adj. 'bekannt'. Ahd. anl. kund, asächs. afries. küth, ags. eiIß, engl, couth (in uncouth 'unbekannt, ungeschlacht, wunderlich, roh'), anord. kunnr, got. kunfs führen auf germ. *kunpa-, aus *gnto-: Part, auf -to zum Verbalstamm der unter k e n n e n , k ö n n e n und k ü h n besprochenen idg. Wz. *gSn, *gnö, ablautend mit
künftig
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Kür
dem gleichbed. lat. nötus. Zu Adj. gewordene schon 1501 im Alsfelder Pass.-Spiel 112 'der oder Part. s. u. k a l t , l a u t , t o t . Als Subst. K u n d e . jener'. S. H e i n , H i n z , L a m p e , S c h l a f k u n z künftig A d j . f a h d . kumftlg, mhd. kümftec 'was und Meisinger 1924 Hinz und Kunz 51. kommend ist', zu ahd. m h d . kumft, kunft ' K o m Kupfer n. Das den Germanen seit uralten men, Ankunft', got. gaqumps 'Zus.-Kunft, Ver- Zeiten bekannte Metall wurde mit dem verlosammlung': Verbalabstrakt zu k o m m e n (got. renen Subst. zum Adj. e h e r n (s. d.) benannt. qiman) mit germ. -pi-, idg. -ti- gebildet wie G i f t , Im Altertum bezog man das Kupfer von der InS t a a t , S c h u l d usw. Zur Einschiebung des sel Zypern (gr. Kijpros, vgl. den alten Namen Gleitlauts f in die Gruppe mp vgl. B r u n f t , der Insel unter ehern), danach heißt es gr. V e r n u n f t , Z u n f t . Idg. *g'Xmti- auch in aind. k$prion, lat. (bezeugt seit 25 v. Chr.) aes gätih 'Gang', gr. bdsis 'Schritt' und lat. (in-) cyprium, im Volkslat. (literar. erst seit dem 3. ventio f . S. Z u k u n f t . Jh. n. Chr.) euprum. Hierauf beruhen die DopKunkel /. Zu lat. colus 'Spinnrocken' gehört pelformen westgerm. *kupx Nom., *kuppres als Verkl. volkslat. *colucula und (indem l vor l Gen. Die lautgesetzliche Nom.-Form ergibt über in n ausweicht) conucula, das in ital. conocchia, *kopar ags. copar, engl, copper, anord. koparr frz. quenouüle fortlebt und aus dem über volkslat. (hieraus entlehnt finn. kupari), mnd. mnl. koper, *con(u)cella, *cocella das gleichbed. air. cuicel siebenb. koffer. Der analogisch entwickelte (mit bret. kegil, kigel, k y m r . cogail, akorn. kigel) Nom. *kuppar lebt in mnd. kopper, ahd.
kupfar,
entlehnt ist. Dem Roman, entstammt ahd. cho- mhd. kupfer. Die kelt. Entsprechungen sind nachla, chunch(a)la, m h d . kunkel, nnl. konkel. mehrfachen Ursprungs. Volkslat. *coprum erK u n k e 1 ist ein Wort des dt. Südens und Westens gibt akorn. (12. Jh.) cober, kymr. cöbyr. Die Negeblieben (H. Fischer 1914 Schwab. Wb. 4, 847), benform kymr. copr ist an engl, copper angedas Th. Frings 1931 Zs. f. Volkskde. 40, 101 lehnt. Bret. koevre stammt aus afrz. cuevre gegen östliches und nördliches R o c k e n ab- (dies aus lat. cupreum 'kupfern'); kouevr der grenzt. Zum Nebeneinander von heimischen und bret. Mundart von Vannes aus frz. cuivre. entlehnten Synonymen s. K. v. Bahder 1925 Kuppe f . dringt erst im 18. Jh. aus dem Nd. Wortwahl 59. in die Schriftsprache; hd. entsprechen verKunst f . ahd. mhd. asächs. kunst, awfries. mnl. schobene Formen wie ahd. chuppha, mhd. kupfe, konst: das dem Ags., Anord. und Got. fehlende gupfe. Die Sippe scheint alt entlehnt zu sein aus Verbalabstr. zu k ö n n e n , wie B r u n s t (zu b r e n - lat. cuppa f . 'Becher' (s. K o p f , K u f e 2 ) ; nach n e n und G u n s t (zu g ö n n e n ) gebildet mit idg. äußerer Ähnlichkeit ist daraus 'Haube, Kopfgerm. -st- 'zugehörig zu, verbunden mit', hier bedeckung unter dem Helm' und weiterhin also mit k ö n n e n ; vgl. E r n s t , D i e n s t , G u n s t . 'Bergspitze, äußerstes Ende' geworden, vgl. Im Gebrauch löst K u n s t um 1270 das ältere S c h n e e k o p p e . Wiek 70. L i s t ab: F. Dornseiff 1944 Dt. Vierteljahrsschr. Kuppel f . nhd. entlehnt aus ital. r.upola, das 22, 231 ff. Gemäß der Grundbed. von k ö n n e n aus mlat. cup(p)ula 'Becher', urspr. "(umgezielt K u n s t auf das Wissen im K ö n n e n und stülptes) Tönnchen', entwickelt ist und zu lat. deckt die spätant. Begriffe scientia u. ars: Trier, cüpa 'Tonne' gehört (s. K u f e 2 ) . Auf die Bed. Mitt. Univ.-Bund Marburg 1931, 36f. - Fachl. könnte arab. al-qubba 'gewölbtes Gebäude oder im Bergbau als 'Maschine'; Wolf 1958 Berg- Gemach' (s. A l k o v e n ) eingewirkt haben: Littmspr. 130. mann 1924 Morgenländ. Wörter 89. kunterbunt Adj. zu K o n t r a p u n k t (s. d.), kuppeln schw. Ztw. Die Ableitung zur Nebentritt zuerst 1499 in einem Lied von der Alten- form von K o p p e l (s. d.) ist von k o p p e l n burger Bauernkirmes als eontrabund 'vielstim- 'durch eine Koppel verbinden', mit dem es einst mig' a u f : Acta Germ. 1, 262. I m 18. J h . bringen gleichbed. war, bed.-mäßig gesondert worden es Mundartwb. für Hamburg, Bremen und auf 'zus.-bringen zu geschlechtl. Verkehr'. Dazu Pommern unter Anlehnung an bunt umgestal- K u p p e l p e l z 'Geschenk für Ehevermittlung', tet zu 'gemischt, durcheinander': Rietsch, Beil. sich einen K. verdienen 'eine Heirat zustandezur Allg. Ztg. 1898 Nr. 153; Zs. f. d. Wortf. 9, bringen'. 254. 13, 309. Kur f . 'ärztliche Fürsorge' aus lat. cüra 'Sorge' Kunz Zum Männernamen ahd. Kuonräd ge- in die ärztliche Fachsprache gelangt und seit hört neben der Koseform Kuono das z-Demin. Gersdorff 1526 Feldbuch der Wundarznei 61a Kuonzo, das weiterhin vielfach in appellativen in dt. Texten nachweisbar. Dazu k u r i e r e n , Gebrauch übergeht. Fischart 1575 Garg. 165 Gersdorff 71 d: H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 411. bezeugt, daß man mit Kuntz in Sachsen die Kür /. 'Wahl'. Zu k i e s e n (s. d.) gehören ags. Schweine lockt; Stieler bucht (Erfurt 1691) cyre m., anord. kor, keyr n., ahd. kuri, m h d . 953 „Kunz appellatio porcorum". Heincz adder kür(e), md. kur(e) f . 'Überlegung, prüfende Concz ist wegen der Häufigkeit beider Namen Wahl', besonders 'Königswahl'; dazu kür-, kur-
kurant
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vürste. Die umgelautete Form hält sich in Willk ü r (3. d.). Die Turnersprache schul K ü r ü b u n g . kurant Adj. 'gangbar' von Münzen. Zu lat. currere 'laufen' stellt sich das ital. Part, corrente, das in gleicher Form seit 1527 in obd. Handelsbüchern erscheint, zu k u r a n t latinisiert und im 18. Jh. durch gleichbed. frz. courant abgelöst wird. Zus.-Setzungen wie K u r a n t g e l d , - m ü n z e seit dem 17. Jh. Frz. prix courant 'laufender Preis', die Überschrift der Preisberichte aus den Seestädten, hat über nnl. prijscourant 'Preisverzeichnis' unser P r e i s k u r a n t ergeben: H. Schulz 1913 Fremdwb. 1, 412. kuranzen Ztw. 'in Zucht nehmen, schlecht behandeln'. Mlat. carentia f . 'Bußübung mit Geißeln usw'., urspr. ein Klosterwort, gelangt über die Stud.-Sprache (Zs. f. d. Wortf. 1, 44) in die Mundarten und ergibt bair. thür. schles. ostpreuß. k a r a n z e n 'zum Gehorsam treiben, quälen', nd. k o r a n z e n 'heruntermachen' Voß 1785 Ged. 1, 294. Die hd. Lautform ist vorbereitet durch k u r r e n t z e n 'prügeln' Weise 1673 Erzn. 146, auch k u r i e r e n mag eingewirkt haben. Eüraß m. Zu lat. coriurn n. (frz. cuir m.) 'Leder' gehört das Adj. lat. coriaceus 'ledern', dazu das F. ital. corazza, prov. coirassa, frz. cuirasse '(Leder-)Panzer', das im 15. Jh. als kürisz, kürasz m. bei uns erscheint. Die schweren Reiter heißen nach ihrer Rüstung Jcüresser 1449 in Ludw. v. Eybs Denkwürd. brandenb. Fürsten