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German Pages 170 [171] Year 2021
Comparative Studies in the History of Insurance Law Studien zur vergleichenden Geschichte des Versicherungsrechts Volume / Band 13
Englische und französische Feuerversicherungsbedingungen vor 1900 Gemeinsamkeiten – Einflussnahmen – Unterschiede
Von
Florian Siegwart
Duncker & Humblot · Berlin
FLORIAN SIEGWART
Englische und französische Feuerversicherungsbedingungen vor 1900
Comparative Studies in the History of Insurance Law Studien zur vergleichenden Geschichte des Versicherungsrechts Edited by / Herausgegeben von Prof. Dr. Phillip Hellwege
Volume / Band 13
Englische und französische Feuerversicherungsbedingungen vor 1900 Gemeinsamkeiten – Einflussnahmen – Unterschiede
Von
Florian Siegwart
Duncker & Humblot · Berlin
The project ‘A Comparative History of Insurance Law in Europe’ has received funding from the European Research Council (ERC) under the European Union’s Horizon 2020 research and innovation programme (grant agreement No. 647019).
Die Juristische Fakultät der Universität Augsburg hat diese Arbeit im Jahr 2020 als Dissertation angenommen. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
D 384 Alle Rechte vorbehalten
© 2021 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI buchbücher.de, Birkach Printed in Germany
ISSN 2625-638X (Print) / ISSN 2625-6398 (Online) ISBN 978-3-428-18170-4 (Print) ISBN 978-3-428-58170-2 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Für Natalie
Vorwort Diese Arbeit wurde im Sommersemester 2020 von der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg als Dissertation angenommen. Es besteht damit Anlass allen zu danken, die mich auf dem Weg dorthin unterstützt haben. Zuerst sei mein akademischer Lehrer Professor Dr. Phillip Hellwege genannt. Er stand mir bei der Erstellung der Arbeit mit stetigem Rat zur Seite und gewährte mir als wissenschaftlichem Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl ein optimales Forschungsumfeld mit den nötigen Freiheiten. Professor Dr. Wolfgang Wurmnest danke ich für die Erstellung des Zweitgutachtens, seine hilfreichen Hinweise und nicht zuletzt für die Zeit als studentische Hilfskraft an seinem Lehrstuhl, die mir erste vertiefte Einblicke in den akademischen Apparat einer Universität ermöglichte. Ein herzlicher Dank gilt außerdem meinen Freunden Eric Lindner, Maik Malinowsky, Maximilian Frank, Kevin Stier und Dennis Söter, die ein wichtiger Teil meines Lebens sind und mir in unterschiedlichsten Phasen der Erstellung meiner Doktorarbeit geholfen haben; sei es durch anregende Gespräche, das Korrekturlesen der Arbeit oder einfach durch Zuhören und da sein. Größten Dank schulde ich meinen Eltern, Stefan und Martina Siegwart, sowie meinen Großeltern, Günter und Ursula Bolsch, die mich schon mein ganzes Leben begleiten und mich zu dem Menschen gemacht haben, der ich heute bin. Leipzig, den 20. 07. 2020
Florian Siegwart
Inhaltsverzeichnis Kapitel 1 Einführung
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Kapitel 2 Untersuchung der Elemente englischer und französischer Feuerversicherungsverhältnisse
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A. Elemente der Gegenleistung des Versicherungsnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 I. Beitragszahlung des Versicherungsnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 1. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 a) Beitragsdoppelung nach Baumaterial und Beitragsstrukturen der frühen Gegenseitigkeitsversicherer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 b) Pauschalbeiträge des Sun Fire Office . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 c) Differenzierung nach hazardous insurances . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 d) Zusätzlicher Bezug zur Nutzung der Immobilie und Kategorie der eigens ausgehandelten Konditionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 e) Vier-Klassen-System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 a) Verwendung des Vier-Klassen-Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 b) Rückschritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 c) Erste französische Gegenseitigkeitsversicherer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 d) Renaissance der Feuerkassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 e) Gesetzgebung und gesellschaftlicher Wandel als Grundlage der Renaissance der Versicherungsaktiengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 3. Ergebnis: Frühe Gemeinsamkeiten, zunehmende Verselbstständigung und Besonderheiten der Gegenseitigkeitsversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 II. Beitragszahlungspflicht und Leistungsstörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 1. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 2. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 3. Ergebnis: Einlösungsprinzip, Gnadentage und Verzugsstrafenregelungen der englischen Gegenseitigkeitsversicherer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
10
Inhaltsverzeichnis
B. Elemente der Einräumung des Versicherungsschutzes durch den Versicherer . . . . . . . 51 I. Voraussetzungen der Entschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 1. Versichertes und versicherbares Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 a) England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 aa) Erfordernis des versicherten Interesses und Versicherungsfähigkeit . . . . 52 bb) Interessemangel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 (1) Nachträglicher Interessemangel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 (2) Interessewegfall und Rechtsnachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 b) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 aa) Erfordernis des versicherten Interesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 bb) Interessemangel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 (1) Nachträglicher Interessemangel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 (2) Interessemangel und Rechtsnachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 c) Ergebnis: Gestaltung des versicherten Interesses durch Praxisbedürfnisse und differenzierte Regelungen zum Interessemangel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 2. Die versicherte Gefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 a) England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 aa) Positive Bestimmung der Gefahr und Kausalitätsanforderungen . . . . . . . 79 bb) Negativer Gefahrausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 cc) Gefahränderung, vorvertragliche Anzeigepflichten in Zusammenhang mit der Gefahr und warranties . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 dd) Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für die Gefahrverwirklichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 b) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 aa) Positive Gefahrbeschreibung und Kausalitätsanforderungen . . . . . . . . . . 88 bb) Negativer Gefahrausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 cc) Gefahränderung und vorvertragliche Anzeigepflicht in Zusammenhang mit Gefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 dd) Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für die Gefahrverwirklichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 c) Ergebnis: Eigenständige Pflichtkreise um die versicherte Gefahr und Gefahrausnahmebedingung als einzig nennenswerte Überschneidung . . . . . . . . 99 3. Schadensanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 a) England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 b) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 c) Ergebnis: Beginn der einfachen Schadensanzeige mit frühen Gegenseitigkeitsversicherern und später zusätzliche Pflicht der Mitteilung von Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 4. Schädigung innerhalb des Haftungszeitraumes und Allgemeines zur Versicherungsdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 a) England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
Inhaltsverzeichnis
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b) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 c) Ergebnis: Weitere Zusammenhänge des Einlösungsprinzips und der Gnadentage, Anbringung von Feuermarken und zugehörige Feuerbrigaden . . . . . 117 II. Entschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 1. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 a) Unterversicherung und Art der Entschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 b) Überversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 2. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 a) Unterversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 b) Art der Entschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 c) Überversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 3. Ergebnis: Entschädigungsprinzip, Proportionalitätsregel, Restitutionsvorbehalte und double insurance/assurance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144
Kapitel 3 Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Spuren der Einflussnahme
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A. Gemeinsamkeiten in der Versicherungspraxis der Länder und ihre gemeinsame rechtliche Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 B. Von der Evidenz zur Einflussnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 C. Unterschiede als zusätzliche Kontur der Identität der Einflussnahme . . . . . . . . . . . . . 153 I. Unterschiedliche Entstehungszusammenhänge, Auswirkungen der politisch-gesellschaftlichen Lage und Gegenseitigkeitsversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 II. Bedeutung abweichender rechtlicher Rahmenbedingungen und Traditionen . . . . . 154 D. Die Einflussnahme der englischen auf die französische Feuerversicherung – abschließende Beantwortung der Forschungsfrage und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
Abkürzungsverzeichnis Ad. & El. Art./Artt. Aufl. Bd. Bde. Begr. Bing. Bro. P. C. Burr. c. C. B. N. S. Camp. Ch. D. Co. Cowp. D. (Ct. Sess.) ders. dies. Doug. K. B. Dow. E. R. East. Ebd. EL. & BL. f./ff. F. & F. H. L. C. Hg. I. R. C. L. JCII Jur. N. S. K. B. L. J. Ch. L. R. C. P. L. R. Ex. L. R. Q. B. L. T. M. & W. N. B. N. H. N. R.
Adolphus & Ellis’ Queen’s Bench Reports Artikel Auflage Band Bände Begründer Bingham’s Common Pleas Reports J.Brown’s Cases in Parliament Burrow’s King’s Bench Reports tempore Mansfield contre/chapter Common Bench Reports, New Series Campbell’s Nisi Prius Cases Law Reports, Chancery Division (2nd Series) Corporation Cowper’s King’s Bench Reports Dunlop, Bell & Murray’s Reports, Second Series Session Cases derselbe dieselben Douglas‘ King’s Bench Reports Dow’s House of Lords Cases English Reports East’s Term Reports, King’s Bench ebenda Ellis & Blackburn’s Queen’s Bench Reports folgende Foster & Finlayson’s Nisi Prius Reports Clark & Finnelly’s House of Lords Reports New Series Herausgeber Irish Reports, Common Law (3rd Series) Journal of the Chartered Insurance Institute Jurist Reports, New Series Law Reports, King’s Bench Law Journal Reports, Chancery New Series Law Reports, Common Pleas Law Reports, Exchequer Cases Law Reports, Queen’s Bench (1st Series) Law Times Reports Meeson & Welsby’s Exchequer Reports Notabene New Hampshire Reports New Reports
Abkürzungsverzeichnis N. Y. Nr. Park. plc Q. B. Q. B. D. S. T. R. Taunt. U. S. Pet. v. Ves. Sen. vgl. ZVW
New York Reports Nummer Parker’s Exchequer Reports Public Limited Company Law Reports, Queen’s Bench (3rd Series) Law Reports, Queen’s Bench Division Seite/Seiten Term Reports Taunton’s Common Pleas Reports Peters‘ Supreme Court Reports versus Vesey Senior’s Chancery Reports vergleiche Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft
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Kapitel 1
Einführung Die vorliegende Dissertation ist Teil des CHILE-Projekts. Seinem Akronym – CHILE: A comparative history of insurance law in Europe – entsprechend, hat das Projekt zum Gegenstand, die Geschichte des europäischen Versicherungsrechtes rechtsvergleichend aufzuarbeiten. Diese Arbeit wendet sich dabei Gesichtspunkten der Einflussnahme der englischen auf die französische Feuerversicherung zu. Anlass zu dieser Untersuchung ist der Stand der Forschung. Hier bestehen Narrativen, dass französische Versicherer in der Vergangenheit englische Versicherer zum Vorbild genommen hätten und dementsprechend eine Einflussnahme der englischen auf die französische Feuerversicherung vorgelegen habe.1 Unabhängig von der Richtigkeit dieser Aussage, die in dieser Arbeit ausführlich überprüft werden soll, bestehen hier schon bei oberflächlicher Betrachtung mehrere Ungereimtheiten. In der französischen Literatur, die diese Ansicht vertritt, finden sich kaum nachverfolgbare Nachweise. Häufig wird sich auf Inhalte der Praxisbedingungen der englischen oder französischen Versicherer berufen, ohne diese ausführlich aufzuarbeiten oder gegenüber zu stellen. Insbesondere Bearbeitungen aus dem 20. und 21. Jahrhundert, die das authentische Quellenmaterial der Praxis verwenden, sind dann auch oft allgemein historischer oder wirtschaftshistorischer Natur.2 Dementsprechend wird der Zuschnitt der Arbeiten einer Analyse nach rechtlichen Gesichtspunkten nicht gerecht, da andere Schwerpunkte gesetzt werden. Die Versicherungspolicen werden dabei zum Beispiel dazu genutzt, um allgemein den Wert von Immobilien in historischem Kontext zu bestimmen und so Rückschlüsse auf die wirtschaftliche Situation eines Ortes schließen zu können. Hierbei lässt sich aber noch nicht erfassen, was überhaupt einen
1
Tchou, S. 8; Bellenger, S. 66, 77; vgl. Gallix, S. 483; La Nationale, S. 8, 11 ff. Exemplarisch englische Literatur: Pearson, Insuring the Industrial Revolution; Raynes; Evans, Journal of Legal History 1987, 88 ff.; Pearson/Richardson, Economic History Review 2001, 657 ff.; Pearson, Journal of European Economic History 24 (1995), 560 ff.; Trebilcock; Supple; Beresford, Economic History Review, New Series, Bd. 35, Nr. 3 (1982), 373 ff.; Schwarz/Jones, Economic History Review 1983, 365 ff.; Westall; französische und anderssprachige Literatur: Senés; Gallix; Tchou; Le Chartier; Union Incendie; Frax/Matilla, in: Insurance in industrial Societies, S. 31 ff.; Ruffat, Financial History Review 10 (2003), 185 ff.; Ruffat, in: L’UAP et l’Histoire de l’Assurance, S. 57 ff. 2
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Kapitel 1: Einführung
ersatzfähigen Feuerschaden nach der Feuerpolice darstellte oder inwieweit der Versicherer dann gegenüber dem Versicherungsnehmer verpflichtet war. Andere Bearbeitungen hingegen, die ausführlicher mit den Bedingungen und den rechtlichen Gesichtspunkten umgingen, blieben oft sehr national und damit isoliert in ihren Betrachtungen.3 Teilweise wurden ausländische Entwicklungen dann parallel und ohne Bezug zueinander dargestellt,4 so dass sich auch hieraus keine weiteren Erkenntnisse für die Forschungsfrage gewinnen lassen. Chaufton befasste sich eher mit der Frage, welche europäischen Länder Frankreich beeinflusst haben und bestritt dabei einen ausländischen Einfluss.5 Hamon ging dagegen von einem ausländischen Einfluss aus, allerdings nur für bestimmte Versicherungsarten.6 Schließlich versuchten französische Feuerversicherungskommentatoren aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine rechtsvergleichende Perspektive zwischen der englischen und der französischen Feuerversicherung einzunehmen.7 Diese beschränkte sich dabei aber auf spezifische Aspekte und offeriert aus modernem Blickwinkel weder eine vollständige Kontextualisierung der europäischen Versicherungsrechtsgeschichte oder eine vertiefte rechtsvergleichende Würdigung der Inhalte, sondern liefert nur weitere Anhaltspunkte für eine mögliche Einflussnahme, die nur die Notwendigkeit einer eingehenderen Untersuchung offenbaren. Aus diesen Gründen wird sich der sich stellenden Forschungsfrage hier angenommen. Diese Arbeit soll im folgenden Kapitel zunächst Gemeinsamkeiten und Unterschiede der französischen und englischen Entwicklung erforschen, um dann gemeinsame Entwicklungslinien mit einem juristischen und teils auch wirtschaftshistorischen Auge zu betrachten. Das Herzstück dieser Analyse sollen die authentischen Versicherungsbedingungen der einzelnen Versicherer darstellen, soweit es die jeweilige Quellenlage zulässt. Methodisch zerfällt die Darstellung dabei in ausgesuchte Regelungskomplexe des Feuerversicherungsverhältnisses. Auf eine erschöpfende Analyse aller Elemente des Feuerversicherungsverhältnisses wird hingegen verzichtet. Dies hat vielfache Gründe. Bei der Erarbeitung hatte der Autor den Eindruck, dass sich häufig ähnliche Aspekte hervortun, weshalb die Darstellung bestimmter Elemente keinen spürbaren Mehrwert mehr in Bezug auf die Forschungsfrage eingebracht hätte. Gleichzeitig stellt die Feuerversicherung schließlich nur eine Art der Versicherung dar. Bestimmte Elemente verfügen aber gerade über keine Feuerversicherungsspezifika. Die Er3
Vgl. exemplarisch englische Literatur: Relton; Park; Millar; Bunyon; französische Literatur: Agnel; Cerise; Hettier; Lalante; Pothier, contrat d’assurance; Bellenger. 4 Vonau, S. 15 ff.; Alauzet, S. 101 ff. 5 Chaufton, S. 21. 6 Exemplarisch die Versicherung gegen Diebstahl, die aus England stamme laut Hamon, S. 227 f. 7 Vgl. Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres; Quénault; Persil; Pouget, Bde. 1, 2.
Kapitel 1: Einführung
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läuterung solcher Elemente würde also dem spezialisierten Zuschnitt der Arbeit nicht gerecht werden. Innerhalb der untersuchten Elemente soll dann die jeweilige englische der französischen Praxis in chronologischer Erschließung gegenübergestellt werden. Dazu sollen die rechtlichen und dort, wo es notwendig erscheint, die gesellschaftlichhistorischen Rahmenbedingungen erörtert werden. Auf diesem Wege sollen Gemeinsamkeiten und Unterschiede ausfindig gemacht werden sowie ein kontextualisierter Einblick in die jeweiligen Elemente des Feuerversicherungsverhältnisses gewährt werden. Zwar soll schon bei dieser Analyse der Elemente ein erster Eindruck von Spuren der Einflussnahme vermittelt werden. Jedoch wird im dritten und abschließenden Kapitel nochmals eine vertiefte Untersuchung der zunächst nur angedeuteten Gesichtspunkte stattfinden. Dort werden dann auch die letztliche Reichweite und die Identität der Einflussnahme der englischen auf die französische Feuerversicherung behandelt.
Kapitel 2
Untersuchung der Elemente englischer und französischer Feuerversicherungsverhältnisse Betrachtet man die Feuerversicherung aus einem modernen europäischen Kontext, so richtet sich deren prägende Kontur, ähnlich wie bei allen Schuldverträgen, nach den maßgeblichen Hauptleistungspflichten der Vertragsparteien. Diese sind grundsätzlich ein Versicherer, der es unternimmt der anderen Partei – dem Versicherungsnehmer – Absicherung in Bezug auf ein Brandereignis gegen eine Gegenleistung zu versprechen. Befasst man sich zunächst mit der Absicherung durch den Versicherer, so werden hierzu in den europäischen Rechtsordnungen dogmatisch unterschiedliche Ansätze vertreten. Teils wird auf die Gefahrtragung hinsichtlich des Brandereignisses, teils auf die bloße Geldleistung des Versicherers im Anschluss an ein Brandereignis abgestellt.8 Überführt man dies in den historischen Kontext dieser Arbeit, lässt sich, wie auch zu zeigen sein wird, keine solche klare Unterscheidung treffen. Wendet man sich dagegen der Gegenleistung des Versicherungsnehmers zu, ist die dogmatische Einordnung leichter. Der Versicherungsnehmer erbringt eine Geldleistung für den Erhalt der Absicherung durch den Versicherer. Wie zu zeigen sein wird, war dies auch in historischer Betrachtung nicht anders. Probleme ergeben sich dabei eher auf terminologischer Ebene. Heute wird von der sogenannten Prämienzahlungspflicht gesprochen, um diese Geldleistung des Versicherungsnehmers einzuordnen. In der englischen und französischen Sprache existieren dabei die gleichbedeutenden Worte premium und prime für die Prämie. Allerdings werden diese Begriffe nicht immer konsistent verwendet und beschreiben damit auch nicht umfänglich das prägende Element der durch den Versicherungsnehmer geschuldeten Leistung für den Erhalt des Versicherungsschutzes. Gleichwohl kommt es sachlogisch in historischem Kontext ebenso auf den letztlichen Kern der beiden genannten Pflichten der Parteien an. Es muss dabei jedoch aufgrund der gezeigten dogmatischen und terminologischen Voraussetzungen von einer modernen Pflichtkategorisierung Abstand genommen werden, um keiner anachronistischen Vorgehensweise zu erliegen. Daher soll sich die Auswahl der untersuchten Elemente am abstrakten Gerüst der beiden prägenden Pflichten der Parteien orientieren. Es wird dabei jedoch einerseits bloß von der Beitragszahlung, anstatt der vorbelasteten Prämienzahlung, und an8
Vgl. Basedow/Fock, in: Europäisches Versicherungsvertragsrecht, S. 52 ff.
A. Elemente der Gegenleistung des Versicherungsnehmers
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dererseits von der Einräumung des Versicherungsschutzes durch den Versicherer ohne eine Festlegung nach den Streitpunkten der heutigen Rechtswissenschaft gesprochen, um dem rechtshistorischen und rechtsvergleichenden Charakter der Arbeit gerecht zu werden.
A. Elemente der Gegenleistung des Versicherungsnehmers I. Beitragszahlung des Versicherungsnehmers Als erstes Element der Arbeit wird die Beitragszahlung des Versicherungsnehmers untersucht. Hierbei handelt es sich um den einzigen schwerpunktmäßig wirtschaftshistorischen Gesichtspunkt der Arbeit, der gleichzeitig auch eine Art gesellschaftlich-historisches Gerüst der Feuerversicherung in England und Frankreich liefern soll, welches auch in den anderen Elementen stets eine Rolle spielen wird. 1. England Die Geschichte der Feuerversicherung in England beginnt nach einer weit verbreiteten Auffassung in der Literatur im Jahre 1666.9 Hier kam es zu einem großen Stadtbrand, der weite Teile Londons zerstörte und als das Great London Fire in die Geschichte einging. Im Zuge dieses Ereignisses verloren viele Bürger nicht nur ihr Heim, sondern auch ihre wirtschaftliche Existenz. Brandschäden waren aufgrund mangelnder Präventionsmaßnahmen und in Abwesenheit von Löschvorrichtungen zwar kein seltener Gast,10 weshalb auch zuvor die Idee von organisiertem und gegenseitigem Schutz gegen die Risiken des Feuers, wenn auch abseits der Versicherung, existierte.11 Es entstand gleichwohl damit ein besonderes Bewusstsein für die einschneidenden Konsequenzen von Brandschäden in der englischen Zivilbevölkerung. In diesem zeitlichen Kontext kam es dann vermutlich im Jahre 1667 zur Gründung des ersten Feuerversicherers, dem sogenannten Insurance Office for Houses on the Backside of the Royal-Exchange, welches später auch einfach als Fire Office und 9
Walford, Journal of the statistical Society, Bd. XL (1877), 392; Birchall, S. 79; Holdsworth, Columbia Law Review, Bd. 27, Nr. 2 (1917), 109; Raynes, S. 74 f.; Ibbetson, in: Encyclopedia of legal history, Bd. 3, S. 253; Evans, Journal of Legal History 1987, 88; Trebilcock, S. 3 f.; Cockerell/Green, S. 19; Keith, S. 652; MacLeod, in: Comparative History of Insurance Law, S. 166; Bell, London Fire, S. 1 ff.; Jackson, S. 7 ff.; Knoll, S. 14; ToucasTruyen, S. 17; differenziert dagegen Zwierlein, S. 73; vgl. auch zum Stand der englischen Forschung: Hellwege, Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung 131 (2014), 233. 10 Wright, S. 18 f. 11 Ogis, S. 57 f.; Ehrenberg, ZVW 1902, 35 f.
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Kapitel 2: Untersuchung der Feuerversicherungsverhältnisse
zwischenzeitlich auch als Phenix bekannt war. Die ersten Versicherungsbedingungen die sich von dieser Gesellschaft finden lassen, stammen jedoch erst aus dem Jahre 1681.12 Als Erklärungsansatz wird hier vorgebracht, dass der Gründer, Nicholas Barbon, zunächst eigenständig Feuerversicherungen vertrieb und erst in den 1680ern eine entsprechende Gesellschaft mit elf Partnern gründete, deren genaue Rechtsform nicht bekannt ist.13 Ebenfalls 1681 gründete die Corporation of London als Gebietskörperschaft der Stadt London eine kommunale Versicherungsgesellschaft.14 Deren Versicherungsplan beruhte auf einem Vorschlag von Augustine Newbold aus dem Jahre 1674.15 a) Beitragsdoppelung nach Baumaterial und Beitragsstrukturen der frühen Gegenseitigkeitsversicherer Diese beiden ersten Feuerversicherer verlangten von ihren Versicherungsnehmern Geldbeiträge für die Entschädigung von Feuerschäden an Immobilien. Die Beitragshöhen wurden nach dem jeweiligen Baumaterial des zu versichernden Hauses ermittelt. So wurde für Holzhäuser stets der doppelte Beitrag wie für aus Ziegeln oder Stein gebaute Häuser erhoben.16 Dem lag im Wesentlichen die offenkundig leichtere Entflammbarkeit ersterer Bauwerke zu Grunde und das damit einhergehend erhöhte Brandrisiko. Zeitlich unmittelbar an die bereits thematisierten Gesellschaften anknüpfend, wurde 1683/4 die Society for Insuring Houses from Loss by Fire, die als Friendly Society bekannt wurde, gegründet. 1696 nahm dann die als Hand in Hand Mutual Fire Office bekannte Gesellschaft ihre Tätigkeit auf.17 Die gängige Bezeichnung als Hand in Hand ergab sich dabei aus dem Emblem der Gesellschaft, welches zwei eingeschlagene Hände darstellte.18 Sowohl die Friendly als auch die Hand in Hand unterschieden sich allerdings maßgeblich von den beiden ersten Feuerversicherern. Sie waren sogenannte Gegenseitigkeitsversicherer und folgten damit einer anderen gesellschaftlichen Struktur. Allgemein wird ein Gegenseitigkeitsversicherer, wie die Begrifflichkeit 12 Vgl. Versicherungsbedingungen des Fire Office (1681), abgedruckt in: Jenkins/Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 11 ff.; hierzu auch Walford, Guide and Hand-Book on Insurance, S. 450. 13 Relton, S. 20; Walford, Insurance Cyclopaedia, Bd. 3, S. 445 ff. 14 Vgl. Versicherungsbedingungen der Corporation of London (1681), abgedruckt in: Jenkins/Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 31 ff.; siehe auch Relton, S. 51 f. 15 Vgl. Newbolds Vorlage für die Versicherung der Häuser in der Stadt London (1674), abgedruckt in: Jenkins/Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 3 ff. 16 Versicherungsbedingungen des Fire Office (1681), abgedruckt in: Jenkins/Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 11 ff.; Versicherungsbedingungen der Corporation of London (1681), abgedruckt in: Jenkins/Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 31 ff. 17 Ausführlich zur Namensgenese Relton, S. 71. 18 Darstellungen in: Bulau, S. 128 ff.
A. Elemente der Gegenleistung des Versicherungsnehmers
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bereits nahelegt, vom sogenannten Gegenseitigkeitsprinzip dominiert.19 Wirklich klar herausgearbeitet, wird allerdings nicht, was dieses Gegenseitigkeitsprinzip überhaupt ausmacht. Die Überlegungen hinter diesem Prinzip stützen sich beispielsweise darauf, dass der Gegenseitigkeitsversicherer ausschließlich von seinen Mitgliedern wirtschaftlich getragen wird.20 Zudem wird vorgebracht, dass keine Gewinnerzielung beabsichtigt sein soll.21 Die Konturierung der Gegenseitigkeitsversicherung ist auch nicht zuletzt deshalb schwierig, weil sich innerhalb der gegenseitigen Versicherer weitreichende konzeptionelle Unterschiede ausmachen lassen. Als gemeinsame Merkmale sind jedoch anerkannt, dass es sich um Personenvereinigungen handelt, die mitgliedschaftlich strukturiert sind, deren Mitglieder gleichzeitig auch Versicherte sind und die sich zusammengeschlossen haben, um gleichartige Risiken durch Beitragszahlungen oder Umlagen zu tragen.22 In Frankreich wurde dabei häufig sehr bildlich in den Vordergrund gestellt, dass der Versicherungsnehmer in gewisser Weise gleichzeitig Versicherer sei.23 Dies kann mit der einschränkenden Bemerkung, dass der Versicherte hauptsächlich in faktischer und teilweise auch in funktioneller Hinsicht zum Versicherer wird, wohl auch für alle Gegenseitigkeitsversicherer als allgemeines Merkmal vorgebracht werden und vermittelt so eine konzeptionelle Idee vom grundlegenden Unterschied zur nicht gegenseitigen Versicherung. Dort wird der Versicherte in keiner Weise zum Versicherer. Insofern fehlt es an dieser faktischen und teilweise funktionellen Überschneidung. In Bezug auf die hier zu erörternde Beitragszahlung äußert sich dieser Unterschied dabei in der Ausdifferenzierung der verschiedenen Beiträge. Das Konzept der Friendly Society und der Hand in Hand sah hier im Wesentlichen eine Dreiteilung vor.24 Zunächst traf die Mitglieder eine Einstandspflicht für Schäden anderer Mitglieder, die damit gerade auch dem Sinnbild des Versicherten, der zum Versicherer wird, entsprach. Die Höhe des Einstandes ermittelte sich nach der Höhe der jeweiligen Versicherungssumme des Mitglieds im Verhältnis zum versicherten Gesamtkapital der Gesellschaften mit Rücksicht auf die Höhe der Versicherungssumme desjenigen Mitglieds, welches den Schaden erlitten hatte. Die Zahlungen, die auf
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Merdausl, S. 21; Großfeldt, S. 6. Dorhout Mees, S. 77; Imberg, S. 17. 21 Bruck, S. 91; Hémard, S. 2; Ryn/Heenen, Rn. 2409; Wets, in: FS Prölls, S. 287; Leeuwen, S. 106. 22 Vgl. Brunn, S. 21; Bruck, S. 89; Kisch, S. 10 f.; Picard/Besson, S. 30; Sumien, S. 249; Kampshoff, S. 3 f. 23 Sumien, S. 249; Picard/Besson, S. 35; Ehrenberg, Versicherungsrecht, S. 103. 24 Hierzu und zum Folgenden Versicherungsbedingungen der Friendly Society (1684), abgedruckt in: Jenkins/Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 73 ff.; Satzung der Hand in Hand (1696), abgedruckt in: Walford, Insurance Cyclopaedia, Bd. 5, S. 634 ff. 20
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Kapitel 2: Untersuchung der Feuerversicherungsverhältnisse
diese Weise zu leisten waren, wurden bei der Friendly als Subscription-Money bezeichnet. Weiterhin musste eine Einlage an die Veranstalter der Gegenseitigkeitsversicherung geleistet werden. Diese Einlage wurde bei Eintritt in die Gesellschaft fällig und diente zur Ausgleichung laufender Kosten. Zu nennen ist hier insbesondere der Fall, dass Mitglieder, die ihrer Zahlungspflicht nicht rechtzeitig nachkamen, geschädigte Mitglieder nicht daran hindern sollten, vollständig und zeitnah ihre Entschädigung zu erhalten. In diesem Zusammenhang ist die Rede von Deposit oder auch deposited money. Nach Austritt aus der Gesellschaft erhielt das Mitglied die Einlage zurück. Schließlich war eine Summe an die Veranstalter als Aufwandsentschädigung und für Instandhaltungs- und Organisationszwecke zu zahlen.25 Dieser Beitrag wurde auch als Praemium oder Premium bezeichnet. Nicht verwechselt werden, darf der Term des Premium oder der Prämie also mit dem modernen Begriffsverständnis. Heute wird in der Prämienzahlungspflicht allgemein in allen europäischen Rechtsordnungen die Hauptleistungspflicht des Versicherungsnehmers, insbesondere im Bereich der nicht gegenseitigen Versicherungen, gesehen.26 Damit fällt schon hier auf, dass in historischem Kontext keine konsistente Verwendung des Begriffes möglich ist. Es wird also von einer modernen Pflichtbezeichnung als Prämienzahlungspflicht Abstand genommen und allgemeiner stets auf die Beitragszahlungspflicht im Rahmen dieser Arbeit verwiesen. Gemein hatten die gegenseitigen Versicherer dann allerdings mit dem Fire Office und der Corporation of London, dass der behandelte Dreiklang der Beiträge für Holzhäuser in doppelter Höhe gegenüber Steinhäusern zu entrichten waren.27 b) Pauschalbeiträge des Sun Fire Office Im Jahre 1708 gründete Charles Povey, nachdem er bereits zwei Jahre zuvor eine Lebensversicherungsgesellschaft gegründet hatte,28 das Exchange House Fire Office für den Bereich der Feuerversicherung.29 Diese Unternehmung war allerdings nur kurzlebig. Povey suchte sein Risiko zu streuen und Kapital anzusammeln, indem er mit weiteren Geschäftspartnern bereits 1709 die Company of London Insurers, die
25 Hierzu und zum Folgenden Versicherungsbedingungen der Friendly Society (1684), abgedruckt in: Jenkins/Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 73 ff.; Satzung der Hand in Hand (1696), abgedruckt in: Walford, Insurance Cyclopaedia, Bd. 5, S. 634 ff. 26 Vgl. Basedow/Fock, in: Europäisches Versicherungsvertragsrecht, Bd. 1, S. 85. 27 Versicherungsbedingungen der Friendly Society (1684), abgedruckt in: Jenkins/Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 73 ff.; Satzung der Hand in Hand (1696), abgedruckt in: Walford, Insurance Cyclopaedia, Bd. 5, S. 634 ff. 28 Dickson, S. 21. 29 Hierzu und zum Folgenden Dickson, S. 26 ff.
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ebenfalls im Feuerversicherungsgeschäft aktiv sein sollte, eröffnete. Diese Gesellschaft agierte wenig später unter dem Namen Sun Fire Office. Die spätere Sun vertrieb ab 1710 Feuerversicherungen zu einem Pauschalbeitrag, sowohl für Immobilien als auch Mobilien.30 Anders als die im ausgehenden 17. Jahrhundert gegründeten Gesellschaften, die in der Immobiliarfeuerversicherung eine Beitragsdoppelung für Holz gegenüber Ziegel- und Steinhäusern vorsahen, wurde die Versicherung also ungeachtet einer solchen Abstufung vorgenommen. c) Differenzierung nach hazardous insurances Nur wenig später, im Jahre 1714, wurde dann eine weitere Gegenseitigkeitsversicherung gegründet. Hierbei handelte es sich um die Union Society beziehungsweise das Double Hand in Hand Fire Office.31 Der Name Double Hand in Hand war nicht nur auf das Emblem der Gesellschaft zurückzuführen, welches vier eingeschlagene Hände zeigte,32 sondern auch auf die Nähe zur 1696 gegründeten Hand in Hand. Die Ursprungssatzung der Union Society offenbart, dass zwischen der Hand in Hand und der Union eine Übereinkunft bestand, nach der die Union ausschließlich „Merchandizes, moveable Goods, Wares, Utensils and Implements in Trade, Houshold-Goods, Furniture, and such like things“, also kurzum nur Mobilien, versicherte.33 Zweck war es somit, dass zwischen der ausschließlich Immobilien versichernden Hand in Hand und der Union keine Konkurrenz bestehen sollte. Die Bedingungen unter denen versichert werden konnte, waren dabei in weiten Teilen vergleichbar. So lässt sich der Satzung der Union auch entnehmen:34 „For the maintaining of a good Agreement with the Amicable Contributors, or Hand in Hand Fire Office aforesaid, the Method of which is in a great measure follow’d in this Scheme.“
Seltsam mutet es daher an, dass sich eine Werbung der Union aus dem Jahre 1720 finden lässt, in der auch die Versicherung von Immobilien angeboten wurde.35 Danach lässt sich allerdings keinerlei Anhaltspunkt mehr ausmachen, der nachweist,
30 Hierzu und zum Folgenden vgl. Versicherungsbedingungen der Company of LondonInsurers (1710), Art. I, II, abgedruckt in: Relton, S. 319 ff. 31 Maitland, History of London, S. 634; Relton, S. 95. 32 Darstellungen in: Bulau, S. 137. 33 Auszug aus der Gründungsurkunde der Union Society (1714), Art. IV. 34 Zitiert aus einem Auszug aus der Gründungsurkunde der Union Society (1714), Art. XXXI. 35 Vgl. Ausgaben des Londoner Weekly Journal und der Londoner Saturday Post vom 16. 07. 1720.
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Kapitel 2: Untersuchung der Feuerversicherungsverhältnisse
dass die Union die Versicherung von Immobilien weiter verfolgte oder überhaupt umgesetzt hätte.36 Hinsichtlich der für die Mitglieder entstehenden Zahlungspflichten wurde wie bei der Hand in Hand zwischen Premium, also Organisationsgebühr, zu leistender Einlage und dem Einstand unterschieden.37 Abweichungen ergaben sich jedoch bei der Ermittlung der Beitragshöhen für die Versicherung. Zunächst gab es für die drei Beiträge einen Grundbetrag. Hierunter fielen alle versicherbaren Mobilien, denen keine besondere Brandgefährlichkeit anhaftete und, die sich innerhalb von Steinoder Ziegelhäusern befanden. Höhere Beiträge wurden dann geschuldet, wenn der Mobilie an sich eine höhere Brandgefahr anhaftete und sie sich in einem Stein- oder Ziegelbau befand. Welchen Mobilien eine solche Brandgefahr zugeschrieben wurde, lässt sich der Urkunde nicht entnehmen, da nur von „hazardous … as to Situation or Kind of Goods“ zu lesen ist und keine weitere Spezifikation erfolgte. Schließlich waren die geschuldeten Beiträge am höchsten, wenn sich eine erhöht brandgefährdete Mobilie in einem Holzhaus befand. Die Versicherungen zu letzteren beiden Beiträgen wurden als hazardous insurances bezeichnet. Die Anpassung der Beitragszahlungen wurde also nach zwei Kriterien vorgenommen. Maßgebend war erstens die mit dem Gegenstand auf welchen sich das versicherte Interesse bezog an sich verbundene Brandgefahr. Berücksichtigt wurde zweitens die mit dem Aufenthaltsort dieses Gegenstandes verbundene Brandgefahr. d) Zusätzlicher Bezug zur Nutzung der Immobilie und Kategorie der eigens ausgehandelten Konditionen 1721 verabschiedete sich das Sun Fire Office vom Pauschalbeitragsmodell. Nunmehr war es erforderlich einen nach der Versicherungssumme bemessenen Beitrag zu zahlen.38 Zeitgleich wurden zwei weitere Feuerversicherungsgesellschaften gegründet.39 Dies waren die Royal Exchange Assurance und die London Assurance, welche beide Feuerversicherungspolicen für Mobilien und Immobilien ausgaben,40 und über nahezu identische Versicherungsbedingungen verfügten.41 Ursprünglich galt hier, dass Ziegel- oder Steinbauten und enthaltene Mobilien für den jeweils geringsten Beitrag 36
So auch Relton, S. 106. Hierzu und zum Folgenden vgl. Auszug aus der Gründungsurkunde der Union Society (1714). 38 Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1721), Art. II. 39 Vgl. ausführlich Drew, S. 23 ff.; Street, S. 15 ff. 40 Vgl. Versicherungsbedingungen der Royal Exchange Assurance (1721), abgedruckt in: Relton, S. 158 f.; Versicherungsbedingungen der London Assurance (1722); vgl. hierzu auch Supple, S. 49. 41 Siehe zu den marginalen Unterschieden zwischen Royal Exchange und London Assurance Relton, S. 172. 37
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versichert werden konnten.42 Handelte es sich um Holzbauten oder in solchen enthaltene Mobilien, wurde ein höherer Beitrag geschuldet. Diente die Immobilie bestimmten beruflichen Nutzungen, mit denen wiederum eine erhöhte Brandgefahr einherging, wurden je nach Baumaterial abermals höhere Beiträge geschuldet. Später wurde dieses Gefüge noch weiter ausdifferenziert.43 Die der Mobilie, Immobilie und Nutzung der Immobilie innewohnenden Risiken führten zu einer Abstufung nach vier Ebenen. Auf den ersten drei wurden jeweils fest bezifferte, steigende Beiträge verlangt und auf der vierten schließlich nur die Versicherung nach eigens ausgehandelten Konditionen für besonders risikobehaftete Umstände vorgenommen. Welche Arten von Mobilien, Immobilien und Nutzungen besonders risikobehaftet waren, wurde dabei konkret benannt. Exemplarisch war Porzellan nur nach eigens ausgehandelten Konditionen versicherbar. Diese Gesellschaften berücksichtigten also erstmalig auch die Nutzung der Immobilie zur Bestimmung der zu leistenden Beiträge. Auch die Versicherung bestimmter Risiken ausschließlich nach eigens ausgehandelten Konditionen war in dieser Form eine Neuheit. e) Vier-Klassen-System 1727 erlebte die Systematisierung der Beitragszahlung dann eine signifikante Innovation durch das Sun Fire Office. Die Höhe der Beiträge, die erstmalig von der Sun als Praemium bezeichnet wurden,44 bestimmte sich nach der Einteilung in verschiedene Klassen mit festen Bezeichnungen. Jene Klassen wurden als common insurance, hazardous insurance und doubly hazardous insurance bezeichnet. Die Einteilung erfolgte nach mehreren Kriterien:45 „Article IV … Under the head of Common Insurances are to be understood any buildings cover’d with slate, tile, or lead, and having the front, rear, and side walls of brick or stone; and wherein none of the hazardous goods or trades hereafter specify’d are deposited or carry’d on. Under that of Hazardous Insurances are to be understood timber and plaister buildings, and goods and merchandise therein, not hazardous, or brick or stone buildings wherein hazardous goods or trades are deposited and carry’d on. Under that of Doubly Hazardous are to be understood all thatch’d buildings, all timber or plaister buildings wherein hazardous goods or trades are deposited and carry’d on, and also the following trades and buildings, as sugar bakers and distillers in brick or stone buildings, any china, glass, or earthenwares, houses on London Bridge, and all mills. The hazardous trades and goods are apothecaries, chymists, bread and bisket-bakers, ship and tallow-chandlers, stable keepers, inn-holders, 42 Hierzu und zum Folgenden vgl. Versicherungsbedingungen der Royal Exchange Assurance (1721), abgedruckt in: Relton, S. 158 f. 43 Hierzu und zum Folgenden vgl. Versicherungsbedingungen der Royal Exchange Assurance (1726), abgedruckt in: Relton, S. 163 ff. 44 Vgl. Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1727), Art. IV, X, abgedruckt in: Jenkins/Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 129 ff. 45 Zitiert aus Jenkins/Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 129.
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Kapitel 2: Untersuchung der Feuerversicherungsverhältnisse and malt-houses; hemp, flax, tallow, pitch, tar, and turpentine, hay, straw, and fodder of all kinds, and corn unthrash’d.“
Die Kategorisierung verlief nach der Beschaffenheit des Bauwerkes, den darin enthaltenen Mobilien, sowie der Nutzung der Immobilie. Je höher die mit diesen Eigenschaften verbundene Brandgefahr, desto höher die geschuldete Beitragszahlung. Denn die Beiträge in der Kategorie common insurance waren am geringsten, stiegen für eine hazardous insurance und waren am höchsten für eine doubly hazardous insurance. Wollte ein Versicherungsnehmer ein Interesse an einer Sache versichern, das mit besonders brandgefährlichen, nicht in die Klassen fallenden, Umständen verbunden war, mussten eigene Konditionen ausgehandelt werden, die abermals zu einer höheren Beitragszahlung führten.46 Diese vierte Kategorie der Versicherung zu eigens ausgehandelten Konditionen wurde später noch unter Bezugnahme auf bestimmte versicherte Gegenstände, die eben nicht in die drei Klassen fielen, genauer konturiert.47 Walford ging davon aus, dass die London Assurance bereits 1721 ein VierKlassen-System mit den gleichen Bezeichnungen verwendete.48 Ein Blick in die Bedingungen der Gesellschaft belegt aber, dass diese vielmehr nahezu identisch mit denen der Royal Exchange Assurance waren, 1721 also keineswegs eine solche Systematisierung enthielten.49 Vielmehr systematisierten die Royal Exchange Assurance und die London Assurance ihre Bedingungen erst ab 1734 in einer inhaltlich leicht abweichenden, aber hinsichtlich der vier Klassen identischen Art und Weise nach dem Vorbild des Sun Fire Office.50 In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts hatte sich das Vier-Klassen-System bei den nicht gegenseitigen Versicherern durchgesetzt. Viele machten nunmehr in unterschiedlichen Spielarten hiervon Gebrauch.51 Dies setzte sich dann im 19. Jahrhundert auch fort.52 Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts hatten die Bedingungen der 46 Vgl. Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1727), Art. IV aE, abgedruckt in: Jenkins/Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 129 ff. 47 Vgl. Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1750), Art. V. 48 Walford, Insurance Cyclopaedia, Bd. 3, S. 476 f. 49 Vgl. Versicherungsbedingungen der London Assurance (1722). 50 Vgl. Versicherungsbedingungen der Royal Exchange Assurance (1734), Artt. IV ff. 51 Vgl. Versicherungsbedingungen des Manchester Fire Office (1771), Artt. IV ff.; Versicherungsbedingungen der Royal Exchange Assurance (1776), Artt. IV ff.; Versicherungsbedingungen des New Bristol Fire Office (1777), Artt. IV ff.; Versicherungsbedingungen der Globe Insurance Company (1799), S. 2; Versicherungsbedingungen der Phoenix Assurance Company (1785), vor Art. I. 52 Exemplarisch vgl. Versicherungsbedingungen der Phoenix Assurance Company (1804, 1815), Art. I ff.; Versicherungsbedingungen der Globe Insurance Company (1805), S. 2; Versicherungsbedingungen der Royal Exchange Assurance (1815), S. 1; Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1816), vor Art. I, abgedruckt in: Relton, S. 335 ff.; Versicherungsprospekt der Alliance British and Foreign Life and Fire Assurance Company (1824),
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großen englischen nicht gegenseitigen Versicherer dabei allgemein schon ein hohes Maß an Einheitlichkeit erreicht, was auf die Bemühungen des Fire Offices Committee zurückzuführen war. Hierbei handelte es sich um einen zunächst losen Verbund von Versicherern, in dem sich Repräsentanten derselbigen ab den 1830ern regelmäßig zum Austausch trafen.53 Später jedoch, in den 1860ern, gelangte er zu größerem Einfluss, der schließlich mit der Einführung vollständig harmonisierter Versicherungsbedingungen der nicht gegenseitigen Versicherer im Jahre 1869 seinen zwischenzeitlichen Höhepunkt erreichte.54 Auch in diesen Standardbedingungen fand sich das Vier-Klassen-System verwirklicht. Die gegenseitigen Versicherer waren zwar nicht in diese harmonisierten Versicherungsbedingungen eingebunden, verwendeten allerdings ab dem Beginn des 19. Jahrhunderts ebenfalls das Vier-Klassen-System.55 2. Frankreich Ganz so klar, lässt sich der Startzeitpunkt der französischen Feuerversicherung dagegen nicht ermitteln. Zunächst war abermals bereits im Mittelalter der Gedanke der Vorsorge gegen die Gefahren des Feuers, wenn auch nicht in Form der Versicherung erkennbar.56 Schaefer schrieb von einem „angeblich 1545 in Paris gegründeten Brandentschädigungsverein“.57 Authentisches Quellenmaterial ließ sich diesbezüglich jedoch nicht finden. Auf den ersten Blick lässt sich dann an einem ähnlichen Zeitpunkt ansetzen, als in England die ersten Feuerversicherer gegründet wurden. So heißt es, dass 1668 in Paris eine Feuerversicherung gegründet worden sei.58 Auch dies lässt sich jedoch nicht belegen. Ebenfalls in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts suchte Jean-Baptiste Colbert, der von 1661 bis 1683 Finanzminister Frankreichs unter der Herrschaft König Ludwigs XIV. war, die französische Wirtschaft maßgeblich zu fördern. Hierzu inS. 23 f.; Versicherungsbedingungen und Konditionen der West of England Fire and Life Insurance Company (1829), S. 16 ff.; Versicherungsprospekt der London Assurance Corporation (1846), S. 28 f.; Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1855), vor Art. I, abgedruckt in: Relton, S. 340 ff. 53 Trebilcock, S. 405 f.; Supple, S. 128. 54 Zur Genese der verwendeten Standardbedingungen siehe Aufzeichnungen zu den Generalversammlungen des Fire Offices Committee, LMA, Ms. 29452; Ein Abdruck der Standardbedingungen auf dem Stand des Jahres 1893 findet sich zudem in: Relton, S. 343 ff.; hierzu auch Lobban, in: Oxford History of the Laws of England, Bd. XII, S. 675. 55 Exemplarisch vgl. Satzung des Westminster Fire Office (1805), Art. 29, abgedruckt in: Pearson, History of the company, S. 17 ff.; Versicherungsbedingungen der Norwich Union Fire Insurance Society (1824), S. 2; Satzung der Hand in Hand (1836), Art. 103.; siehe auch Wood, S. 25 ff. zur Norwich Union. 56 Vgl. Hubrecht, Versicherungswissenschaftliches Archiv 1958, 349 f. 57 Schaefer, S. 110. 58 Knoll, S. 14.
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Kapitel 2: Untersuchung der Feuerversicherungsverhältnisse
itiierte er die Verabschiedung mehrerer Gesetzgebungsakte. Der wahrscheinlich signifikanteste und bekannteste dieser Akte war dabei die Ordonnance de la marine aus dem Jahre 1681. Diese regelte den Seehandel und enthielt auch Normen für die bereits in Frankreich bekannte und praktizierte Seeversicherung. Daneben wurde aber auch im Mai 1686 ein Édit pour l’établissement d’une compagnie d’assurances et grosses aventure verabschiedet. Dieser Rechtsakt war dabei nicht weniger als die logische Konsequenz aus den Regeln der Ordonnance de la marine.59 Anliegen war es nämlich, dass sich so viele Händler wie möglich zusammenschließen sollten, um ihre Geschäftsrisiken zu streuen und damit der französischen Wirtschaft Wachstum einzubringen.60 Nach Art. 1 des Edikts sollte in der Stadt Paris dabei eine Versicherungsgesellschaft gegründet werden. Im Kontext der Ordonnance de la marine 1681 war das primäre Ziel zwar wohl die Seeversicherung, gleichwohl wurde keine Einschränkung hinsichtlich der Art der Versicherung getroffen. Es sollte eben lediglich ein Zusammenschluss von Händlern gebildet werden, der über bestimmte Rücklagenfonds verfügte und Versicherungen anbot. Tatsächlich gibt es aber wiederum keinerlei Nachweis, dass auf Basis dieses Edikts jemals eine Gesellschaft den Geschäftsbetrieb aufnahm. Seeversicherungen wurden derweil auch unabhängig von einer solchen Gesellschaft weiterhin unternommen, während sich die Existenz eines Feuerversicherers in Frankreich nicht nachweisen lässt. Sicheres Wissen besteht dahingehend, dass 1753 von Claude Hilaire De Maisonneuve eine Versicherungsgesellschaft gegründet wurde, die zwar auch Seeversicherungen anbot, aber auch Feuerschäden an Häusern versicherte.61 Nach verbreiteter Auffassung in der Literatur handelte es sich daher bei der Compagnie d’assurances générales um den ersten französischen Feuerversicherer.62 a) Verwendung des Vier-Klassen-Systems Schon diesem ersten französischen Feuerversicherer war das Modell der vier verschiedenen Versicherungsklassen bekannt:63 „La fixation des Primes, suivant la nature des risques, est divisée en quatre Classes: sçavoir, en celle des Assurances communes, en Assurances périlleuses, en Assurances double périlleuses, & en Assurances arbitraires.“ 59
Bellenger, S. 62. Preambel des Édit pour l’établissement d’une compagnie d’assurances et grosses aventure, abgedruckt in: Hamon, S. 32 ff. 61 S. hierzu den Gründungsakt der Compagnie d’assurances générales de Paris (27. 09. 1753), abgedruckt in: Pouilloux, S. 471 f. 62 Vgl. Hubrecht, Versicherungswissenschaftliches Archiv 1958, S. 360; Hamon, S. 32; Richard, S. 15; Straus, in: World Insurance, S. 118. 63 Versicherungsbedingungen der Compagnie d’assurances générales de Paris (1753), abgedruckt in: Pouilloux, S. 480 ff. 60
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„Die Bestimmung der Beitragshöhen erfolgt nach der Natur des Risikos und unterteilt sich in vier Klassen: der gewöhnlichen Versicherung, der gefährlichen Versicherung, der doppelt gefährlichen Versicherung und der Versicherung nach eigens ausgehandelten Konditionen.“
Die Einteilung in die jeweiligen Klassen war abhängig von der Bausubstanz, der Tätigkeit, die im versicherten Gegenstand verübt wurde und davon, welche Mobilien sich im versicherten Gegenstand befanden.64 Kurzum erfolgte die Systematisierung nach den Gesichtspunkten der englischen Feuerversicherer. Die Bestehensgeschichte dieses Versicherers ist dabei weitgehend unklar. Valin und Pothier erwähnten ihn in ihren Kommentaren.65 Dem lässt sich entnehmen, dass die Gesellschaft von einiger Signifikanz gewesen sein muss, aber auch, dass sie im Jahre 1775 – bei Veröffentlichung des Kommentares von Pothier – bereits nicht mehr existierte. Bis zu diesem Zeitpunkt kann also bei der französischen Feuerversicherung nur von einer absoluten Randerscheinung gesprochen werden. Abseits der Feuerversicherung gab es aber noch andere Instrumente der Brandvorsorge in Form der sogenannten Bureaux des incendiés, die im 18. Jahrhundert in verschiedenen Städten Frankreichs gegründet wurden. Hierbei handelte es sich um kirchlich organisierte, gemeinnützige Institutionen, die sich über Spenden finanzierten und diese auf unterschiedliche Weise zugunsten von Brandopfern in der jeweiligen Kommune, in der die Feuerkasse gegründet wurde, einsetzten. Man geht davon aus, dass eine solche Feuerkasse bereits 1717 in Paris existiert habe.66 Verifizierbare Gründungen ereigneten sich zudem in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Troyes, Reims und Sens in der Zeit des Ancien Régime.67 Die Regelungen der Feuerkassen waren dabei schon durchaus extensiv, was sich am Beispiel der Regelungen der Feuerkasse in Reims gut nachvollziehen lässt:68
64 Versicherungsbedingungen der Compagnie d’assurances générales de Paris (1753), Art. I – III, abgedruckt in: Pouilloux, S. 480 ff. 65 Valin, S. 25; Pothier, Contrats aléatoires, S. 5 f. 66 Cerise, S. 35; andeutungsweise auch Hubrecht, Versicherungswissenschaftliches Archiv 1958, 359. 67 Siehe Verzeichnis der Beratungen des Amtes, welches für die Verteilung von Almosen an die Verbrannten der Diözese Troyes eingerichtet wurde (11. 04. 1769 – 09. 10. 1791), Archives départementales de l’Aube, G 253; Regelungen des Erzbischofs betreffend die Spendensammlung der Feuerkasse von Reims zugunsten der Brandgeschädigten (3. 12. 1779), auszugsweise abgedruckt in: Loriquet, S. 11 ff.; ausführlicher auch: Berger, S. 10 ff.; Bellenger, S. 33 ff. 68 Regelungen des Erzbischofs betreffend die Spendensammlung der Feuerkasse von Reims zugunsten der Brandgeschädigten (3. 12. 1779), auszugsweise abgedruckt in: Loriquet, S. 11 ff.
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Kapitel 2: Untersuchung der Feuerversicherungsverhältnisse „Article 1er. La quête … sera faite à domicile par … assistants elus par la communauté … Article II. On recevra non-seulement l’argent, mais encore les denrées et autres effets, comme grains, vin … fruits, etc … ces denrées seront … vendues huit jours après à la porte de l’église … et la somme en provenant sera réunie à ce qui aura été donné en argent … Art. V. Le montant des quêtes sera uniquement employé au soulagement des incendiés, eu égard à la nature de leurs pertes, à leurs ressources, à leurs facultés, aux fonds qui seront en caisse … Art. VI. Les incendiés qui se présenteront pour obtenir des secours, seront munis d’un certificat du curé … dans [lequel] sera exprimés la nature, l’étendue et les circonstances du malheur qu’ils auront éprouvé … On ajoutera dans ce Certificat que l’incendie n’a pas été occasionné par la faute de l’incendiés: s’il est arrivé par sa négligence, il ne doit pas espérer aux charités.“ „Artikel 1. Die Sammlung … wird zu Hause durch … von der Gemeinde gewählte Assistenten durchgeführt … Artikel II. Man wird nicht nur Geld erhalten, sondern auch Nahrung und andere Dinge, wie Getreide, Wein … Früchte, etc … diese Güter werden … acht Tage später an der Kirchentür verkauft … und die Summe, die von ihnen kommt, wird mit dem verbunden, was in Geld gegeben wurde … Art. V. Der Betrag der gesammelten Spenden wird nur verwendet, um die Opfer des Feuers zu entlasten, unter Berücksichtigung der Art ihrer Verluste, ihrer Ressourcen, ihrer Fähigkeiten und der vorhandenen Mittel … Art. VI. Die Brandgeschädigten, die Hilfe begehren, erhalten vom Pfarrer eine Bescheinigung … [die] die Art, das Ausmaß und die Umstände des erlittenen Unglücks angibt … Es wird in dieser Bescheinigung hinzugefügt werden, dass das Feuer nicht durch die Schuld des Brandgeschädigten entstanden ist: wenn es durch seine Fahrlässigkeit geschehen ist, sollte er nicht auf die Wohltätigkeit hoffen.“
Hier war also durchaus bereits ein formalisiertes Verfahren vorgesehen, nachdem die Brandgeschädigten der Gemeinde Unterstützung erhalten. Zudem wurden gewisse Voraussetzungen aufgestellt, damit der Brandgeschädigte überhaupt Hilfe erlangen konnte. Allerdings kann in diesem Zusammenhang dennoch kaum von einer Versicherung gesprochen werden. Es handelte sich eben um Spenden, die auch teilweise in Sachleistungen erfolgten und dann nur durch Verkauf der Spendenmasse zugeführt wurden. Feste Beiträge waren hingegen nicht vorgesehen. Eine Pflicht zur Beitragszahlung, die für eine Versicherung gesprochen hätte, lag damit nicht vor. Zudem erfolgte die Distribution der Spenden zwar zuvörderst an Gemeindemitglieder, die selbst gespendet hatten. Die Höhe der Hilfeleistung war aber nicht festgelegt und sollte sich unbestimmter Weise danach richten, ob das Mitglied für seine Verhältnisse – mithin nach seiner eigenen wirtschaftliche Lage – genügend gespendet hatte.69 Für die Bestimmung des angemessenen Spendenbetrages wurde dann aber wieder keine feste Regel aufgestellt. Letztlich war die Höhe der Hilfe69
Loriquet, S. 16.
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leistung auch vom bloßen Vorhandensein von genügend Spendenmitteln abhängig und wurde damit nicht vorbehaltlos gewährt. Durch diese mangelnde Bindungswirkung beziehungsweise damit auch mangelnde Durchsetzbarkeit eines bezifferbaren Anspruchs auf Geldentschädigung oder Hilfeleistung kann jedoch noch nicht von einer Versicherung gesprochen werden. Daher bleiben diese Feuerkassen für die Erschließung der französischen Feuerversicherung in der folgenden Darstellung unberücksichtigt. b) Rückschritte Auf Seiten der Feuerversicherer wurden erst im Jahre 1786 zwei weitere Unternehmen gegründet. Eines dieser Unternehmen war die Compagnie des eaux der Brüder Périer, welches ursprünglich in der Pariser Feuerprävention tätig war.70 Jacques-Constantin Périer hatte hierzu ein Dampfpumpensystem zur Versorgung der Bevölkerung mit Wasser aus der Seine erfunden. Neben der Wasserdistribution suchte die Compagnie des eaux allerdings ihr Geschäft zu erweitern. Angedacht war daher die Expansion in den Bereich der Feuerversicherung. Die vorgebrachten Beweggründe hierfür waren im Wesentlichen, dass die Feuerversicherung ebenso wie die Wasserversorgung integraler Bestandteil der Feuerbekämpfung sei und der Wert von Immobilien und deren hypothekarischer Sicherung durch die Feuerversicherung steige, was im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse läge und damit auch für die Compagnie des eaux ein unterstützenswertes Ziel darstelle.71 Nach dem Erhalt einer königlichen Erlaubnis unter staatlicher Kontrolle der Solvenz, nahmen die Gebrüder Périer also das Feuerversicherungsgeschäft 1786 auf.72 Die Regelung der Beitragszahlungspflicht erfolgte in vergleichsweise wenig ausdifferenzierter Weise.73 Immobilien normaler Bauweise wurden zu einem jährlichen Pauschalbeitrag versichert. Andere Immobilien, also solche, denen eine erhöhte Brandgefahr anhaftete, und alle Mobilien, wurden nur zu eigens ausgehandelten Konditionen versichert. Genauere Konturierungen, was überhaupt unter brandgefährlichen Immobilien zu verstehen war, gab es nur durch beispielhafte Nennungen, unter denen sich unter anderem auch Veranstaltungs- und Messehallen befanden. Zudem wurde nur der halbe Beitrag verlangt, wenn die Immobilie bereits in das Wasserversorgungssystem der Compagnie des eaux eingebunden war. Eine Systematisierung nach englischem Vorbild ist hierin damit keineswegs zu sehen. 70
Hierzu und zum Folgenden Bellenger, S. 78 ff. Vgl. Versicherungsprospekt der Compagnie des eaux (1786), abgedruckt in: Bellenger, S. 378 ff. 72 S. Beschluss des königlichen Staatsrates vom 20. August 1786, abgedruckt in: Pouilloux, S. 516 f. 73 Hierzu und zum Folgenden vgl. Versicherungsprospekt der Compagnie des eaux (1786), abgedruckt in: Bellenger, S. 378 ff. 71
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Kapitel 2: Untersuchung der Feuerversicherungsverhältnisse
Gerade mal drei Monate nach der Erlaubniserteilung an die Compagnie des eaux erhielt die durch Etienne Clavière und Jean de Batz gegründete Compagnie royale d’assurances contre les incendies ebenfalls eine Erlaubnis, Feuerversicherungen durchzuführen.74 Dies wurde durch die Beziehung von de Batz zum Minister Baron de Breteuil erst ermöglicht, da so eine gute Verbindung zum Königshaus bestand. Zur Sicherung jener königlichen Gunst sollte zudem ein Viertel der Gewinne zur Verbesserung und Instandhaltung der Feuerwehr von Paris aufgewendet werden. Später erfolgte aus selbigem Anlass auch die kostenlose Versicherung des Opernhauses von Paris. Zur Beitragszahlung hieß es in den Versicherungsbedingungen der Gesellschaft:75 „ARTICLE PREMIER. La Compagnie assurera les Maisons & Edifices construits en pierres … & habités par des personnes qui n’exercent aucun Métier, Art ou Négoce dangereux, relativement aux Incendies … de dix sols par an, pour chaque mille livres … Art. II. Toute Maison ou Edifice construits en bois & plâtre, ou briques … habités comme il est dit dans l’Article Précédent, seront assurés, à raison de vingt sols pour chaque mille livres … Art. III. La Compagnie assurera toutes autres Maisons … dont la construction l’usage & le contenu seront différens de ce qui est expliqué dans les Articles précédens; mais à un prix & à des conditions dont il sera convenu de gré à gré entre elles & les Propriétaires.“ „Erster Artikel. Die Gesellschaft versichert Häuser und Gebäude aus Stein … &, die von Personen bewohnt werden, die keinen in Bezug auf Brände gefährlichen Beruf, Kunst, Gewerbe oder Handel betreiben für zehn Sols pro tausend Pfund pro Jahr … Art. II. Jedes Haus oder Gebäude, das aus Holz & Gips oder Ziegelsteinen gebaut … und bewohnt ist, wie im vorherigen Artikel angegeben, ist in Höhe von zwanzig Sols pro tausend Pfund versichert … Art. III. Die Gesellschaft versichert alle anderen Häuser … deren Bau, Nutzung und Inhalt sich von dem unterscheiden, was in den vorigen Artikeln erklärt wird. Jedoch zu einem Preis und zu Bedingungen, die zwischen ihnen und den Eigentümern vereinbart werden müssen.“
Anders als bei der Compagnie des eaux lässt sich also wieder ein ausdifferenziertes Beitragszahlungsmodell ausmachen. Das System der verschiedenen Klassen wurde dabei aber nicht weitergeführt. Zentrales Kriterium war allerdings ebenfalls das Baumaterial. Für Holz- und Ziegelbauten sahen die Bedingungen die doppelten Beiträge vor. Wurde zudem eine Tätigkeit in der Immobilie ausgeübt, die mit erhöhter Brandgefahr verbunden war, war nur noch die Versicherung zu eigens ausgehandelten Konditionen möglich. Die Compagnie royale war allerdings nicht lange auf dem französischen Markt tätig. Nach dem Beginn der französischen Revolution war das Misstrauen gegenüber jeder Form von Finanzgesellschaft groß. Sie wurden als Herd von Korruption und 74
S. Beschluss des königlichen Staatsrates vom 6. November 1786, abgedruckt in: Pouilloux, S. 526 f. 75 Versicherungsbedingungen der Compagnie royale d’assurances contre les incendies (1786), abgedruckt in: Pouilloux, S. 527 ff.
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Vetternwirtschaft verstanden. Kurz nach dem Ende der konstitutionellen Monarchie und dem Beginn der ersten französischen Republik wurden den Finanzgesellschaften durch Beschluss der Nationalversammlung im August 1792 zusätzliche Steuern und Registrierungskosten auferlegt, um deren Geschäfte zu verkomplizieren. Clavière, der nicht nur Gründer der Compagnie royale, sondern inzwischen auch französischer Minister für Abgaben geworden war, tat allerdings – vermutlich aus eigenen wirtschaftlichen Interessen – nichts, um die Durchsetzung dieses Beschlusses zu fördern. Ungeachtet dessen, liquidierte sich die Compagnie royale im März 1793 durch Beschluss ihrer Generalversammlung. Dies hätte nur wenig später ohnehin erfolgen müssen, da die Nationalversammlung am 24. August 1793 folgendes Dekret verabschiedete:76 „Art 1. Les associations connues sous le nom de caisse d’escompte, de compagnies d’assurances à vie, et généralement toutes celles dont le fonds capital repose sur des actions au porteur, ou sur des effets négociables, ou sur des inscriptions sur un livre, transmissibles à volonté, sont supprimées et se libèreront au 1er janvier prochain. Art 2. A l’avenir il ne pourra être établi, formé ou conservé de pareilles associations ou compagnies, sans une autorisation du corps législatif.“ „Art. 1. Verbände, die als Diskonto-Kasse, Lebensversicherungsgesellschaften bekannt sind und im Allgemeinen alle, deren Kapitalfonds auf Inhaberaktien oder handelbaren Wertpapieren oder Einträgen in ein beliebig übertragbares Buch basiert, werden abgeschafft und werden am 1. Januar nächsten Jahres liquidiert. Art. 2. Künftig dürfen solche Vereinigungen oder Unternehmen ohne die Zustimmung des Gesetzgebers nicht mehr gegründet, formiert oder unterhalten werden.“
Feuerversicherungen fanden zwar keine Erwähnung, sowohl die Compagnie royale als auch die Compagnie des eaux wurden allerdings als Aktiengesellschaften gegründet und sahen sich damit durch das Dekret verboten. Es war zwar auch vorgesehen, dass unter strenger staatlicher Aufsicht Neugründungen möglich sein sollten. Tatsächlich erfolgte aber keine einzige im Bereich der Feuerversicherung. Sie wurde damit zu einem der Opfer der französischen Revolution. c) Erste französische Gegenseitigkeitsversicherer Die Gefahren des Feuers waren indes noch nicht gebannt. Es bestand weiterhin ein Versicherungsbedürfnis und auch – zumindest jenseits einer finanzgesellschaftlichen oder -wirtschaftlichen Orientierung – ein Versicherungsinteresse in der Zivilbevölkerung. In dieser Folgezeit der Revolution etablierten sich daher erstmalig auch Gegenseitigkeitsversicherer in Frankreich, die diesem Interesse Rechnung tragen sollten.
76 Dekret der Nationalversammlung vom 24. August 1793, abgedruckt in: Gazette Nationale ou Le Moniteur Universel Nr. 238, S. 484.
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So wurde im Jahre 1798 von Lacornée, Cottu-Millon und Moreau die Administration générale d’assurance mutuelle contre les incendies in Paris gegründet.77 Die Gesellschaft verlangte verschiedene Beiträge von ihren Mitgliedern.78 Einerseits wurde eine Zahlung geschuldet, welche die Organisationskosten der Gesellschaft begleichen sollte. Ein Teil dieser sogenannten droit d’inscription wurde mit Eintritt in die Gesellschaft fällig; der andere Teil verteilte sich auf jährliche Beitragszahlungen. Die Höhe dieses Beitrages richtete sich dabei nach dem Wert der versicherten Immobilie. Andererseits traf die Mitglieder die Verpflichtung Einstand für Schäden anderer Mitglieder zu leisten.79 Die Höhe des zu leistenden Einstandes, den die einzelnen Mitglieder zu tragen hatten, war dabei von der Bausubstanz des eigens versicherten Gebäudes abhängig. Zunächst wurde ein Grundbeitrag für den Einstand festgelegt. Mitglieder, die Steinhäuser versicherten, hatten lediglich diesen zu leisten. Während Mitglieder, die Holzhäuser versicherten, den dreifachen Grundbeitrag zu leisten hatten. Schließlich hatten Mitglieder, die Strohhäuser versicherten, das Siebenfache des Grundbeitrages zu leisten. Damit war zwar eine Abstufung der Beiträge ersichtlich. Allerdings ergaben sich wiederum keine Ähnlichkeiten zum englischen Klassensystem. Auch zur englischen Gegenseitigkeitsversicherung lässt sich nur schwerlich ein Bezug herstellen. Einzig das Gegenseitigkeitskonzept, dessen Herzstück die Einstandspflichten der Mitglieder darstellen, lässt sich hier wiederfinden. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts wurde dann auch kein weiteres Feuerversicherungskonzept in Frankreich umgesetzt. Kurz nach der Jahrhundertwende, 1801, stellte Pierre-Bernard Barrau, der von seinen Zeitgenossen auch als Begründer der Gegenseitigkeitsversicherung in Frankreich betrachtet wurde,80 den Eigentümern des fonds ruraux de Toulouse et des environs ein Versicherungskonzept vor. Inhalt desselben sollte die Entschädigung bei Hagelschäden sein.81 Zwei Jahre später wurde nach diesem Vorbild auch eine Feuerversicherung konzipiert. Die hieraus entstandene Société d’assurances réciproques contre l’incendie nahm schließlich 1805 den Geschäftsbetrieb auf. Nach ihren Versicherungsbedingungen musste ein jährlicher Beitrag geleistet werden, der eine Gemeinschaftsmasse bildete.82 Die Höhe des zu zahlenden Beitrags richtete sich dabei 77 Vgl. Gesellschaftsvertrag der Administration générale d’assurance mutuelle contre les incendies (1798), abgedruckt in: Bellenger, S. 401 ff. 78 Hierzu und zum Folgenden vgl. Versicherungsprospekt der Administration générale d’assurance mutuelle contre les incendies (1798), abgedruckt in: Bellenger, S. 413 f. 79 Hierzu und zum Folgenden vgl. Versicherungsprospekt der Administration générale d’assurance mutuelle contre les incendies (1798), abgedruckt in: Bellenger, S. 413 f. 80 Sarrut/Bourg, S. 251. 81 Vgl. Barrau, Projet d’assurances pour les ravages de la grêle. 82 Vgl. Versicherungsbedingungen der Société d’assurances réciproques contre l’incendie (1805), Art. VI f.
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nach dem Wert des versicherten Gegenstandes. Das Baumaterial der versicherten Immobilie spielte lediglich bei der letztlichen Entschädigung eine Rolle. Versicherungsnehmer, die Interessen in Bezug auf Holzbauten versicherten, erhielten dabei geringere Entschädigungsleistungen.83 Allgemein wird in der Literatur hier von einer Gegenseitigkeitsversicherung gesprochen. Anders als bei den bisher vorgestellten englischen und französischen Gegenseitigkeitsversicherern war über den Jahresbeitrag hinaus allerdings keine weitere Zahlung zu entrichten. Insbesondere mussten die Mitglieder keine spezifischen Einstandszahlungen für die Entschädigung anderer Mitglieder leisten. Dies mutet doch seltsam an, da damit das typische Element der Gegenseitigkeitsversicherung – der Versicherungsnehmer, der durch seine Einstandszahlungen in gewisser Weise auch zum Versicherer wird –84 entfiel. In diesem Zusammenhang lässt sich also zumindest feststellen, dass der Gedanke der Gegenseitigkeit anders beziehungsweise neuartig umgesetzt wurde. Die Gesellschaft konnte bis zum Jahr 1810 jedoch keinen großen Erfolg verzeichnen.85 Dies lässt sich wohl darauf zurückführen, dass sie sich zahlreichen Problemen ausgesetzt sah. Dadurch, dass die Fonds in die die Mitglieder einzahlten, soweit noch vorhanden, restlos ausbezahlt wurden, konnten für schlechte Jahre keine Rücklagen gebildet werden. Dies, in Kombination mit allgemein als gering einzustufenden Beiträgen für die Bildung der Fonds, führte dazu, dass Barraus Unternehmen letztlich die Schadenssummen nicht mehr decken konnte. Diese konnten dann aber auch nicht von den Mitgliedern verlangt werden, da keine Einstandszahlungen vorgesehen waren. Zu diesen Schwierigkeiten gesellte sich im Jahr 1809 auch noch ein von Napoléon Bonaparte unterstützter avis du conseil d’État, der Barraus Gesellschaften unter den Vorbehalt staatlicher Erlaubnis stellte.86 Eine solche wurde Barrau mit Blick darauf, dass er seine Statuten präzisieren sollte, verweigert, was schließlich das Ende jener Unternehmungen bedeutete. 1808 versuchte ein Mann namens Laurent ebenfalls ein Gegenseitigkeitsunternehmen, die Caisse secours et d’assurances respective contre l’incendie, zu etablieren. Seiner Vorstellung nach sollte das Konzept vom Staat verantwortet werden und sowohl Feuerbekämpfungs- und Schadenspräventions- als auch Versicherungselemente enthalten. Die Beitragszahlungen wurden hierbei identisch syste-
83 Vgl. Versicherungsbedingungen der Société d’assurances réciproques contre l’incendie (1805), Art. XXIV. 84 Siehe S. 20 ff. 85 Bellenger, S. 129 f. 86 Beschluss des Staatsrates betreffend die Gründung und Existenz von Versicherungsgesellschaften gegen den Hagel, Brände und die Viehsterblichkeit (30. September 1809), abgedruckt in: Journal du département de la Haute-Garonne vom 18. März 1810, Nr. 630.
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matisiert wie bei Barraus Toulouser Versicherung.87 Jene Beiträge sollten dann von den verantwortlichen Kommunen eingesammelt und teilweise dazu aufgewendet werden, um notwendiges Material für die Feuerbekämpfung wie Pumpen, Eimer oder Leitern zu erwerben. In anderen Punkten war das vorgeschlagene Konzept jedoch sehr vage. Zudem lässt sich abgesehen von dem zitierten Prospekt, der den Vorschlag zur Errichtung einer solchen Gesellschaft enthielt, kein weiterer Anhaltspunkt dafür finden, ob die Caisse secours et d’assurances respective contre l’incendie überhaupt jemals existierte. d) Renaissance der Feuerkassen Zur gleichen Zeit erlebten die Bureaux des incendiés,88 die bereits in der Zeit des Ancien Régime existierten und mit Beginn der Revolution ihren Betrieb einstellten, ihre Renaissance.89 Die Funktionsweise, dass Spendenmittel nach bestimmten Regelungen an Brandgeschädigte innerhalb der jeweiligen Kommune, in der die Feuerkasse errichtet wurde, ausgeschüttet wurden, setzte sich in weitgehend gleicher Weise fort, allerdings mit dem Unterschied, dass sich die kirchliche Verwaltungsstruktur in Richtung einer staatlichen Kommunalverwaltungsstruktur wandelte, indem die leitenden Positionen nicht länger durch Kirchenangehörige wie Bischöfe, sondern durch Beamte wie Präfekten und Bürgermeister bekleidet wurden.90 Wiederum erwuchsen den Brandgeschädigten hieraus aber keine individualisierbaren, durchsetzbaren Ansprüche, weshalb die ausführlichere Darstellung in diesem versicherungsspezifischen Kontext unterbleibt. e) Gesetzgebung und gesellschaftlicher Wandel als Grundlage der Renaissance der Versicherungsaktiengesellschaften Anfang des 19. Jahrhunderts wurde die Zivilgesetzgebung in Frankreich maßgeblich bereichert und neugeordnet. Der 1804 in Kraft getretene Code civil hatte dabei aber nur eine einzige Norm für den Versicherungsvertrag übrig. In Art. 1964 C. civ. wurde er dort den aleatorischen Verträgen zugeordnet und dem geltenden Seerecht und damit insbesondere der Ordonnance de la marine von 1681 als prägender Rechtsquelle unterworfen.
87 Vgl. Prospekt für die Errichtung einer caisse de secours et d’assurances respectives contre les incendies (1808), abgedruckt in: Bellenger, S. 139. 88 Siehe S. 28 ff. 89 Ausführlich Bellenger, S. 143 ff. 90 Vgl. Bloch, S. 263.
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Es existierten zwar, wie gezeigt, vereinzelte Gegenseitigkeitsversicherer, allerdings lag der Fokus auf den wieder entdeckten Feuerkassen, weshalb die Versicherer keine großen Mitgliederzahlen verzeichnen konnten und auch nicht zu langlebigen Gesellschaften wurden. Letztlich gab es auch keine gesonderte Aufarbeitung der Feuerversicherung in der juristischen Literatur. Die bereits erwähnten Anspielungen auf den 1753 gegründeten Pariser Feuerversicherer in den Werken von Valin und Pothier blieben die einzigen feuerversicherungsspezifischen Würdigungen des 18. Jahrhunderts.91 Damit war keine gesellschaftliche, gesetzgeberische oder rechtswissenschaftliche Wahrnehmung der Feuerversicherung geboten. Dies änderte sich dann in der Zeit der Restauration. Nachdem es durch Inkrafttreten des Code de commerce im Jahre 1807 wieder möglich war, Aktiengesellschaften nun in Form der sociétés anonymes zu gründen, formierte sich im Jahre 1816 eine Gegenseitigkeitsfeuerversicherung in dieser Rechtsform in Paris. Bei der Compagnie d’assurance mutuelle contre l’incendie mussten verschiedene Beiträge geleistet werden.92 Hier galt abermals eine Dreiteilung. Zu leisten war zunächst eine Einlage in Höhe von einem Prozent des Versicherungswertes. Weiterhin musste eine grundsätzlich jährlich zu zahlende Versicherungsgebühr entrichtet werden, die zur Tilgung von Organisationskosten aufgewendet wurde. Schließlich musste, wie auch schon bei den anderen Gegenseitigkeitsversicherern, ein Einstand für Schäden anderer Mitglieder geleistet werden. Die Höhe der jeweils zu leistenden Beiträge ließ sich den Gesellschaftsbedingungen dabei nicht entnehmen. Dort hieß es lediglich:93 „Le Conseil d’Administration, dans sa séance du 31 juillet 1817, a déterminé les propriétés qui présentent plus de risques à cause des professions exercées par ceux qui les habitent. Il a décidé que ces propriétés concourraient au paiement des dommages d’incendie … au prorata de ces risques.“ „In seiner Sitzung vom 31. Juli 1817 hat der Verwaltungsrat die Immobilien bestimmt, die aufgrund der Berufsausübung der dort lebenden Personen die größten Risiken darstellen. Er entschied, dass diejenigen, die diese Immobilien versichern zur Zahlung von Brandschäden … im Verhältnis zu diesen Risiken beitragen würden.“
Klar ist damit nur, dass eine Risikoanalyse erfolgte, die auch als Faktor die Nutzung der Immobilie berücksichtigte und auf deren Grundlage sich unterschiedliche Beitragshöhen ergaben. Neben der Compagnie d’assurance mutuelle contre l’incendie wurden zu Beginn der Zeit der Restauration aber auch weitere Feuerversicherer gegründet. Es erscheint daher nicht vermessen diese Periode als wirkliches Entstehungszeitalter der französischen Feuerversicherungspraxis zu bezeichnen. Nachdem nunmehr auch das im 91
Siehe S. 29. Hierzu und zum Folgenden vgl. Statuten der Compagnie d’assurance mutuelle contre l’incendie (1816), Art. 3 ff., abgedruckt in: Quénault, S. 442 ff. 93 Zitiert aus Quénault, S. 443. 92
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Geiste der Revolution gewachsene Misstrauen gegenüber den wirtschaftlich orientierten Finanzgesellschaften schwand, schafften es gerade auch Aktiengesellschaften mit nicht gegenseitiger Versicherungsstruktur, sich am Markt zu etablieren. 1819 wurden dabei die Compagnie générale contre l’incendie und die Compagnie française du Phénix gegründet, 1820 dann die Compagnie royale d’assurances contre l’incendie. Die erstere und die letztere besaßen dabei eine Namensverwandtschaft zu bereits vorgestellten französischen Versicherern aus dem 18. Jahrhundert.94 Eine weitergehende rechtliche Verwandtschaft lässt sich gleichwohl nicht feststellen. Gleiches galt für die Phénix in Bezug auf die englische Phoenix Assurance Company. Hinsichtlich der Systematisierung der Beitragszahlung fand sich allerdings weder in den Statuten der Gesellschaften95 noch in deren Versicherungspolicen96 ein Anhaltspunkt. In den Statuten hieß es lediglich, dass die Risikoklassifizierung in den Sitzungen des Verwaltungsrats der Gesellschaften festgelegt und aktualisiert werde. Dies bedeutet gleichwohl nicht, dass sich hier die Spur der englischen Beitragssystematisierung gänzlich verlief. Zwar war die Staffelung der Beitragszahlungen nicht mehr Bestandteil der Statuten oder Versicherungspolicen, dennoch lässt sich in den internen Instruktionen von Feuerversicherern an ihre Mitarbeiter weiterhin eine Unterteilung nach Klassen ausmachen.97 Typischerweise wurde hier in drei Hauptkategorien unterschieden: Immobilien, Mobilien und Handelsware. Die Immobilien und Mobilien wurden dabei sehr konkret eingeordnet. Diese Einordnungen divergierten unter den unterschiedlichen Gesellschaften, richteten sich aber wiederum nach den Kriterien der Bauweise und Nutzung von Immobilien und Mobilien. Hinsichtlich der Handelswaren lässt sich jedoch beobachten, dass eine Einordnung getroffen wurde, die zumindest noch begrifflich entfernt an das ursprüngliche Klassenmodell erinnert:98 „Les marchandises en magasin ou en route qui se divisent, suivant leur nature plus ou moins inflammable, savoir: Marchandises ordinaires; Marchandises faciles à endommager; Marchandises hasardeuses; Marchandises doublement hasardeuses.“ 94
Siehe S. 28 ff. Vgl. Statuten der Compagnie générale d’assurance contre l’incendie (1819), abgedruckt in: Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Appendix S. 17 ff.; Statuten der Compagnie française du Phénix (1819), abgedruckt in: Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Appendix S. 30 ff.; Statuten der Compagnie royale d’assurances contre l’incendie (1820), abgedruckt in: Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Appendix S. 40 ff. 96 Vgl. Versicherungspolice der Compagnie générale d’assurance contre l’incendie (1819), abgedruckt in: Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Appendix S. 51 ff.; Versicherungspolice der Compagnie française du Phénix (1819), abgedruckt in: Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Appendix S. 57 ff.; Versicherungspolice der Compagnie royale d’assurances contre l’incendie (1820), abgedruckt in: Quénault, S. 413 ff. 97 Hierzu und zum Folgenden vgl. exemplarisch Instruktionen für Versicherungsagenten der L’Aigle incendie (1853); Instruktionen für Versicherungsagenten der Le Globe (1854); Instruktionen für Versicherungsagenten der L’Aigle incendie (1874). 98 Zitiert aus Instruktionen für Versicherungsagenten der L’Aigle incendie (1853), Art. 20. 95
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„Waren im Lager oder auf der Straße, die nach ihrer mehr oder weniger entzündlichen Beschaffenheit unterteilt sind, nämlich: Gewöhnliche Güter; Güter, die leicht zu beschädigen sind; Gefährliche Güter; doppelt gefährliche Güter.“
Tatsächlich wurden die Handelswaren hier aber lediglich nach ihrer isolierten Brandgefährlichkeit beurteilt, weshalb keine klassenmäßige Abstufung mehr mit Bezug zum Ort beziehungsweise der Nutzung einer bestimmten Immobilie enthalten waren. Über die begriffliche Verwandtschaft zum ursprünglichen Klassensystem hinaus lässt sich damit keinerlei Zusammenhang zur französischen Feuerversicherungspraxis der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mehr feststellen. 3. Ergebnis: Frühe Gemeinsamkeiten, zunehmende Verselbstständigung und Besonderheiten der Gegenseitigkeitsversicherung Bereits dieses erste Element erzählt eine differenzierte Geschichte gradueller Weiterentwicklungen und internationaler Gemeinsamkeiten. Die englischen Feuerversicherer verfügten zunächst über wenig detailreiche Kriterien zur Einstufung der Beitragshöhen. Diese Modelle unterschieden in der früh aufgekommenen Immobiliarfeuerversicherung einzig nach dem Baumaterial der Immobilie oder sahen Pauschalbeiträge vor. Anschließend wurden durch Mobiliarfeuerversicherer auch jene Mobilien in unterschiedlichen Ausdifferenzierungsgraden in die Risikokalkulation einbezogen. Weitere Fortschritte lagen im Einbezug der Nutzungsweise versicherter Immobilien und der Einordnung bestimmter versicherbarer Interessen als lediglich nach eigens ausgehandelten Konditionen versicherbar. Schließlich fügten sich diese Teile in das geordnete Vier-Klassen-System, welches in dieser Form vom Sun Fire Office begründet wurde und bei unterschiedlichsten nicht gegenseitigen und gegenseitigen Versicherern in England bis zum Ende des 19. Jahrhunderts Anwendung fand. In Frankreich, wo die Existenz erster Feuerversicherer erst Mitte des 18. Jahrhunderts nachgewiesen werden konnte, wurde zunächst nach dem Vorbild des englischen Klassenmodells verfahren. Dies setzte sich allerdings nicht lange fort. Die weiteren Versicherer vor und nach der französischen Revolution verwendeten teilweise sehr rudimentäre, später aber auch einfach deutlich abweichende Modelle zur Beitragsbestimmung, denen oft keine wirkliche Systematisierung zu Grunde lag, sondern die konkrete versicherbare Sache mit ihren zugehörigen Beiträgen im Vorhinein festlegten oder nur Einzelfallbestimmungen vornahmen. Allenfalls eine entfernte begriffliche Verwandtschaft lässt sich dann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts feststellen. Im Bereich der Gegenseitigkeitsversicherer erlangten die zu zahlenden Beiträge dabei eine zusätzliche Dimension. Durch den Umstand, dass der Versicherungs-
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nehmer – das Mitglied der Gegenseitigkeitsversicherung – in gewisser Weise auch zum Versicherer wurde, bestanden in beiden Ländern Modelle, die die Beiträge aufspalteten. Kernelemente dieser Spaltung waren dann der Einstand der Mitglieder für die Schäden, die Einlage zur Gewährung eines funktionierenden Entschädigungsmechanismus und die Abdeckung der sonstigen Organisationskosten der Gesellschaft. Hier lassen sich aber auch bemerkenswerte Unterschiede feststellen. Während die englische Gegenseitigkeitsversicherungspraxis vergleichsweise konsistent voranschritt, kam die französische Praxis gerade im Kontext der französischen Revolution auf und machte hier einen eher isolierten und wenig einheitlichen Eindruck. Ein Austausch mit oder eine Kenntnis von übrigen Gegenseitigkeitsversicherern, ob nun national in Frankreich oder international nach England liegt eher fern, da die Modelle äußerst unterschiedlich waren.
II. Beitragszahlungspflicht und Leistungsstörung Nach der eher wirtschaftlichen Frage der inhaltlichen Beitragssystematisierung, muss juristisch erläutert werden, wie sich die Beitragszahlungspflicht des Versicherungsnehmers gestaltete und welche Rechtsfolgen eintraten, wenn er dieser nicht nachkam. 1. England Das Fire Office und die Corporation of London trafen keine bestimmten Regeln für das Ausbleiben der Beitragsleistung des Versicherungsnehmers. Allerdings bedurfte es solcher auch nicht unbedingt. Bei diesen Versicherern wurde nur einmalige Beitragszahlung zu Beginn der Versicherungslaufzeit geschuldet.99 Erfolgte also keine Beitragszahlung, wurden die Versicherer schon nicht tätig. Dies bezeichnet man im deutschen Rechtsraum auch als das sogenannte Einlösungsprinzip, welches aus § 37 II VVG hervorgeht,100 und in vielen geltenden europäischen Rechtsordnungen anerkannt ist.101 Demnach erhält der Versicherungsnehmer erst Versicherungsschutz, wenn ein irgendwie gearteter Beitrag bereits geleistet wurde. Bei der Friendly und der Hand in Hand bot sich ein gänzlich anderes Bild. Teil der bereits beschriebenen, wesentlich komplexeren Beitragsmechanismen der Gegen-
99 Vgl. Werbung des Fire Office (1681), abgedruckt in: Jenkins/Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 11 ff.; Police des Fire Office (1684), abgedruckt in: Haines, S. 367 f.; Versicherungsbedingungen der Corporation of London (1681), Art. VI, abgedruckt in: Jenkins/ Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 31 ff. 100 Schimikowski, Rn. 87 f.; allgemein dazu Johannsen, in: FS Schirmer, S. 263 ff. 101 Vgl. Basedow/Birds/Clarke/Cousy/Heiss, S. 195.
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seitigkeitsversicherer war neben der Entrichtung von Organisationsgebühr und Einlage auch die Einstandspflicht für Schäden anderer Mitglieder.102 Allein damit folgten die Zahlungen der Mitglieder schon einer gewissen Regelmäßigkeit. Leistete das einstandspflichtige Mitglied der Friendly nicht innerhalb von 25 Tagen nach Benachrichtigung und Festsetzung des Beitrages, wurde dieser aus der hinterlegten Einlage des Mitglieds entnommen.103 Zudem wurde der Rückzahlungsanspruch hinsichtlich der Einlage, der nach dem Ende der Mitgliedschaft gegen die Friendly bestand, um ein Viertel des entnommenen Einstandes gekürzt. Zahlte das Mitglied für weitere drei Monate nicht:104 „… he shall from thenceforth forfeit the Benefit of his Policy; his Covenant nevertheless to stand good against him for so much as shall be then Due.“
Schließlich verlor das Mitglied also seinen Versicherungsschutz und musste die bis zum Ablauf jener drei Monate angefallenen Einstandszahlungen dennoch entrichten. Anschließend wurde die mitgliedschaftliche Position eingebüßt und es bestanden keine weiteren wechselseitigen Pflichten. Leistete das Mitglied seine jährliche Organisationsgebühr, das Premium, nicht, knüpften sich hieran ebenfalls nachteilige Konsequenzen:105 „If any Member Omit or Neglect to Pay his Annual Payment at the Office within 40 days after it is Due, he shall forfeit 8d. over and above the said 1 s. 4d. for every 100 l. Secured … to be deducted out of the deposited Money.“
Es wurde also abermals der Rückzahlungsanspruch hinsichtlich der Einlage verkürzt. Die Friendly inkorporierte damit in ihre Bedingungen bereits eine Verzugsstrafe für den Fall der Nichtleistung des Einstandes durch die Mitglieder. Auch die Hand in Hand machte von einer ähnlichen Regelung Gebrauch.106 Kam das Mitglied seiner Einstandspflicht nicht innerhalb von 25 Tagen nach Bekanntgabe und Festsetzung der Einstandshöhe nach, so schuldete es den doppelten Einstandsbeitrag. Leistete das Mitglied auch in den fünf hierauf folgenden Tagen nicht, verlor es sogar seinen Anteil an den erwirtschafteten Dividenden der Gesellschaft und den vollständigen Rückzahlungsanspruch hinsichtlich der geleisteten Einlage. Zudem bestand die Möglichkeit, dem säumigen Mitglied alle mitgliedschaftlichen Rechte einschließlich seines Versicherungsschutzes zu entziehen, während die bis zu diesem Zeitpunkt bestehenden Ansprüche der Hand in Hand weiterhin bestanden.
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Siehe S. 20 ff. Vgl. Versicherungsbedingungen der Friendly Society (1684), Art. IX, abgedruckt in: Jenkins/Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 73 ff. 104 Zitiert aus Jenkins/Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 76. 105 Zitiert aus Jenkins/Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 76. 106 Hierzu und zum Folgenden vgl. Satzung der Hand in Hand (1696), Art. 20, 24, abgedruckt in: Walford, Insurance Cyclopaedia, Bd. 5, S. 634 ff. 103
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Die erst im 18. Jahrhundert gegründete Union verlangte dann Zahlung des Einstandes innerhalb von 30 Tagen.107 Andernfalls verloren die säumigen Mitglieder ihren Versicherungsschutz, während sie gleichzeitig allen weiteren Ansprüchen der Union auch in Zukunft ausgesetzt waren. Das ebenfalls gegenseitig versichernde Westminster Fire Office, welches 1717 gegründet wurde,108 regelte die Leistungsstörung ebenso wie die Hand in Hand.109 Die Parallele überrascht dabei nicht, da die Westminster aus der Hand in Hand hervorging.110 Nachdem diese nämlich ihre Gesellschaftsangelegenheiten sukzessive nach London verlagerte und sogar die Westminsterniederlassung 1714 aufgab, sahen sich die Mitglieder aus Westminster nicht mehr hinreichend in die Organisation und Leitung der Gesellschaft eingebunden. Zwischen der Versicherungspraxis der beiden Gesellschaften bestand dabei jedoch in vielen Bereichen eine große Ähnlichkeit.111 Im Bereich der nicht gegenseitigen Versicherer, die im ausgehenden 17. Jahrhundert keiner Regelungen bezüglich des Ausbleibens der Beitragszahlung aufgrund der nur einmaligen Beitragszahlung bedurften, regelte die Sun dann Anfang des 18. Jahrhunderts den Verzugsfall. Kam der Versicherungsnehmer seiner vierteljährlichen Beitragszahlungspflicht nicht innerhalb von zehn Tagen nach Eintritt eines vorgegebenen Stichtages – dem sogenannten Quarter-Day – nach, so verfiel der Versicherungsschutz.112 Später wurde die Länge der Tagesfrist auf 15 Tage geändert,113 und zudem von den vierteljährlichen Zeitabschnitten zum Regelfall der jährlichen Zahlung übergegangen. Hieraus entstand dann folgende Regelung im Jahr 1727:114 „Article X. All Persons Insuring, shall upon their taking out a Policy pay the Praemium to the next Quarter Day, and from thence for one Year more … shall make all future Payments Annually … within fifteen Days after the Day limited by their respective Policies …“.
Diese Regelung diente auch anderen Gesellschaften wie dem New Bristol Fire Office oder dem Manchester Fire Office als Vorbild für deren Regelungen.115 Die London Assurance und die Royal Exchange Assurance verlangten bereits 1721 107 Hierzu und zum Folgenden vgl. Auszug aus der Gründungsurkunde der Union Society (1714), Art. XVI. 108 Davies, S. 18. 109 Vgl. Auszug aus der Satzung des Westminster Fire Office (1726), Art. 35. 110 Hierzu und zum Folgenden Davies, Westminster Fire Office, S. 15 ff. 111 Vgl. den Schriftverkehr zwischen den Sekretären der Westminster und der Hand in Hand C. Wynde und Wm. Taylor (1721). Dort heißt es unter anderem: „both our Societys are founded on the very same principles“, zitiert aus: Davies, S. 27 f. 112 Vgl. Versicherungsbedingungen der Company of London-Insurers (1710), Art. XIII, abgedruckt in: Relton, S. 319 ff. 113 Vgl. Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1712), Art. XIII. 114 Zitiert aus Jenkins/Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 130. 115 Vgl. Versicherungsbedingungen des Manchester Fire Office (1771), Art. III; Versicherungsbedingungen des New Bristol Fire Office (1777), Art. III.
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jährliche Beitragszahlung vom Versicherungsnehmer und regelten zwar, dass innerhalb von 14 Tagen nach Beginn des jährlichen Zeitraumes der Beitrag zu entrichten war, stellten aber keine konkreten Rechtsfolgen bei Verletzung dieser Pflicht in Aussicht.116 Später ergab sich aus den Bedingungen, dass kein Versicherungsschutz bestand, solange der jeweilige Jahresbeitrag nicht gezahlt wurde.117 Es galt damit wiederum das Einlösungsprinzip.118 Auch die 1782 gegründete Phoenix Assurance Company119 machte schon anfänglich von einem sehr ähnlichen Modell Gebrauch:120 „The Premium must be paid … and the Insurance commences the Instant it is paid, and will continue in Force so long as the Payments shall be made at the Office, at the Revolution of the Term specified in the Policy, or within Fifteen Days after.“
Einerseits zeigte sich erneut der Ansatz des Einlösungsprinzips und andererseits wurde ebenfalls auf eine jährliche Beitragszahlung mit einer 15-tägigen Frist abgestellt. Die Bedingungen sprechen zwar dahingehend lediglich vom Term specified in the Policy, allerdings offenbart die weitere Lektüre, dass hiermit grundsätzlich jährliche Zeiträume gemeint waren. Trat ein Schaden nun innerhalb dieser 15 Tage ein, bevor der Versicherungsnehmer den entsprechenden Beitrag gezahlt hatte, war er jedoch laut Rechtsprechung grundsätzlich nicht ersatzberechtigt.121 Versicherer wie die Royal Exchange Assurance, die Phoenix und andere gaben wohl dennoch bekannt, dass sie ungeachtet des Urteils Schäden ersetzen würden, wenn der Versicherungsnehmer noch vor Ablauf der 15 Tage zahlte.122 Dies galt allerdings jedenfalls dann nicht, wenn der Versicherungsnehmer die Verlängerung der Versicherung zunächst ablehnte und dann nach Eintritt eines Schadens innerhalb der 15 Tage nun doch verlängern wollte.123 Dieses Ergebnis und auch eine Erklärung für die demonstrierte Praxis lässt sich dabei Section 12 des Fire Insurance Duty Act 1782 entnehmen, der gleichwohl von der Rechtsprechung in den genannten Fällen nicht zitiert wurde:124 116 Vgl. Versicherungsbedingungen der Royal Exchange Assurance (1721), 2., abgedruckt in: Relton, S. 158 f.; Versicherungsbedingungen der London Assurance (1722), 4. 117 Versicherungsbedingungen der Royal Exchange Assurance (1734), Art. XI; Versicherungsbedingungen der London Assurance (1734), Art. III, abgedruckt in: Relton, S. 173 ff.; Versicherungsbedingungen der Royal Exchange Assurance (1776), Art. X; Feuerversicherungspolice der London Assurance (1781), abgedruckt in: Weskett, S. 219 f. 118 Siehe ebenfalls zum Einlösungsprinzip S. 40 ff. 119 Eingehend zur Entstehungsgeschichte Trebilcock, S. 15 ff. 120 Zitiert aus Versicherungsbedingungen der Phoenix Assurance Company (1785), Art. IV. 121 Tarleton v. Staniforth (1796) 5 T. R. 695. 122 So berichtet Park, S. 594. 123 Salvin v. James (1805), 6 East. 571. 124 22 George III c. 48.
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Kapitel 2: Untersuchung der Feuerversicherungsverhältnisse „… that the person entitled to the benefit of any such policy at the end of the year for which the same is granted, or within 15 days, and so at the end of every subsequent year, is to pay to the insurer one year’s duty … and in default of payment within the time aforesaid, and before any loss shall be sustained …“.
Die Erörterung der Thematik in der Literatur richtete sich dabei im Wesentlichen nach den genannten Urteilen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die Tagesfrist zur Entrichtung der Beiträge dann teilweise unter dem Begriff der sogenannten days of grace beschrieben.125 Im 19. Jahrhundert bot sich dann ein einheitliches Bild bei den nicht gegenseitigen Versicherern. Das Einlösungsprinzip und der Grundsatz der jährlichen Beitragszahlungen mit einer angeknüpften bestimmten Tagesfrist waren etabliert.126 Ungeachtet der jährlichen Zahlungen handelte es sich in manchen Fällen um einen einmalig geschlossenen Mehrjahresvertrag, in anderen Fällen um einen Einjahresvertrag mit Verlängerungsmöglichkeit.127 Im Ergebnis zeitigte dies aber keine wirklichen Unterschiede, da selbst bei mehrjährigen Verträgen das Ausbleiben der Zahlung lediglich den Verlust des Versicherungsschutzes und keine weiteren Rechtsfolgen nach sich zog. Die gegenseitigen Versicherer verwendeten zu dieser Zeit immer noch Verzugsstrafen, die neben dem Verlust des eigenen Versicherungsschutzes auch immer noch die Einbuße anderer Ansprüche gegen die Gesellschaft zur Folge hatten.128 In Bezug auf das Westminster Fire Office ergab sich hier aber mit Blick auf die neugefasste Satzung von 1805 eine durchaus bemerkenswerte Änderung:129 „Annual Insurers shall not be entitled to any of the Allowances and Deductions made or intended to be made to the Septennial Insurers … such Annual Insurers shall not in anywise answerable for or liable to any contribution to losses, charges or expenses … after having obtained their respective Policies.“ „Jahresversicherungsnehmer haben keinen Anspruch auf die Vergütungen und Nachlässe, die den Siebenjahresversicherungsnehmern gewährt wurden oder werden sollen … diese Jahresversicherungsnehmer sind in keiner Weise verantwortlich oder haftbar für einen 125
Vgl. Bunyon, S. 79. Vgl. exemplarisch Versicherungsbedingungen des Salem Fire Office (1803), Art. VI; Versicherungsbedingungen der Phoenix Assurance Company (1804), Art. VII; Versicherungsbedingungen der Globe Insurance Company (1805), S. 2; Versicherungsbedingungen der Phoenix Assurance Company (1815), Art. VIII; Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1816), Art. IV, abgedruckt in: Relton, S. 335 ff.; Versicherungsprospekt der Alliance British and Foreign Life and Fire Assurance Company (1824), S. 22; Versicherungsbedingungen und Konditionen der West of England Fire and Life Insurance Company (1829), S. 20 f.; Versicherungsprospekt der London Assurance Corporation (1846), S. 27, 29; Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1855), abgedruckt in: Relton, S. 340 ff. 127 Hughes, S. 508; Niekerk, S. 426. 128 Vgl. exemplarisch Satzung des Westminster Fire Office (1805), Art. 37, abgedruckt in: Pearson, History of the company, S. 17 ff.; Satzung der Hand in Hand (1836), Art. 112. 129 Zitiert aus Pearson, History of the company, S. 29 f. 126
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Beitrag zu Verlusten, Gebühren oder Ausgaben … nachdem sie ihre jeweiligen Versicherungen erhalten haben.“
Die Westminster führte also zwei Kategorien von Mitgliedschaften ein. Die verhältnismäßig kurzzeitigen einjährigen Versicherungen wurden nur durch Zahlung des sogenannten Premium durchgeführt. Für die andere Kategorie der Siebenjahresversicherungsnehmer bestand die bekannte Dreiteilung der Beiträge. Diese hatten also zusätzlich Einlage und potenzielle Einstände zu leisten. Das Premium war jährlich zu leisten, abermals mit einer 15 tätigen Leistungsfrist versehen und das Einlösungsprinzip galt ebenfalls hinsichtlich des Versicherungsschutzes.130 Es bestand damit für die Jahresversicherungsnehmer keinerlei Unterschied mehr zu den Versicherungsbedingungen der nicht gegenseitigen Versicherer und in dieser Konsequenz auch kein Anwendungsbereich für die komplexen Verzugsregeln, die für die siebenjährigen Versicherungen weiterhin galten. 2. Frankreich Ganz entsprechend dem englischen Modell zu dieser Zeit hatte bei der Compagnie d’assurances générales 1753 jährliche Beitragszahlung zu erfolgen.131 Auch die Anerkennung des Einlösungsprinzips offenbarte sich in den Bedingungen:132 „Art. V La Police … contiendra toutes les conditions … essentielles, pour les risques qui sont à la charge de la compagnie, & qui coureront du moment que la Prime sera payée, pour finir à celui du terme, y stipulé, sauf à l’Assuré de la renouveller avant l’expiration, en payant la Prime pour l’année subséquente.“ „Art. V Die Police … enthält alle Bedingungen …, die für die von der Gesellschaft zu tragenden Risiken wesentlich sind, & die vom Zeitpunkt der Zahlung der Prämie bis zum Ende der darin festgelegten Laufzeit von der Gesellschaft übernommen werden, mit der Ausnahme, dass der Versicherungsnehmer sie vor dem Ablaufdatum erneuern muss, indem er die Prämie für das folgende Jahr bezahlt.“
Neben dem Einlösungsprinzip basierten die Versicherungsverträge zudem auf einem jährlichen Verlängerungsmodell. Anders als in England wurde aber die 15Tage-Regel nicht verwendet und auch keine sonstige Rechtsfolge für den Fall der Leistungsstörung bestimmt. Während die Compagnie des eaux dann 1786 zumindest auch jährliche Beitragszahlung festlegte,133 verfuhr die Compagnie royale sehr ähnlich wie die Compagnie d’assurances générales 1753:134 130 Vgl. Satzung des Westminster Fire Office (1805), Art. 41, abgedruckt in: Pearson, History of the company, S. 17 ff. 131 Vgl. Versicherungsbedingungen der Compagnie d’assurances générales de Paris (1753), Art. V, abgedruckt in: Pouilloux, S. 480 ff. 132 Zitiert aus Pouilloux, S. 481. 133 Vgl. Versicherungsprospekt der Compagnie des eaux (1786), Nr. 2, abgedruckt in: Bellenger, S. 378 ff.
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Kapitel 2: Untersuchung der Feuerversicherungsverhältnisse „… la Prime de chacune des années d’Assurances qui, à l’exception de la première, se trouvent payées d’avance; & toute assurance dont le terme sera expiré, ne sera censée renouvellée, que le prix n’en ait été payé & qu’il n’en ait été délivré nouvelle quittance.“ „… die Prämie für jedes der Versicherungsjahre, die, mit Ausnahme der ersten, im Voraus bezahlt werden; & jede Versicherung, deren Laufzeit abgelaufen ist, gilt erst dann als verlängert, wenn der Preis bezahlt wurde & eine neue Quittung dafür ausgestellt wurde.“
Zumindest eingeschränkt wurde das Einlösungsprinzip verwendet. Auch die Verlängerungsmöglichkeit war durch die Bedingungen vorgesehen. Abermals fand sich jedoch keine 15-Tage-Regel und auch keine anderen eingehenderen Äußerungen zu Fragen der Leistungsstörung. Die Französische Revolution bedingte dann allerdings eine Zäsur. In der aufkommenden französischen Gegenseitigkeitsversicherung um 1800 ließ sich im Konzept der Administration générale d’assurance mutuelle contre les incendies contre les incendies zum Verzug des Versicherungsnehmers nur folgendes finden:135 „Dans le cas de refus d’aucun des droits, la grosse de l’acte sera levée aux dépens du refusant.“ „Im Falle der Verweigerung irgendeines Anspruches werden die Verfolgungskosten dem Verweigerer auferlegt.“
Diese zugegebenermaßen rudimentäre Vorschrift hatte nichts mit den differenzierten Verzugsstrafen aus der englischen Gegenseitigkeitsversicherung zu tun und war auch hinsichtlich ihrer Rechtsfolgen und inhaltlichen Reichweite kaum einschätzbar. Offen bleibt schon die Frage, ob bloße Nichtleistung ausreichte, um die Vorschrift zu erfüllen oder tatsächlich ein subjektives oder objektives Element der Verweigerung hinzutreten musste. Allgemein gab es hier zwar Beiträge, die jährlich zu entrichten waren, ansonsten lässt sich aber keine Parallele zu einer der vorherigen Gesellschaften, ob in England oder Frankreich herstellen. Bei Barraus Toulouser Gegenseitigkeitsversicherung gab es dagegen schon deutlich ausführlichere Bedingungen:136 „Si un Associé cesse de payer sa prime, ou s’il laisse passer une année sans la payer … il est censé avoir abandonné la Société, et la prime ou les primes antérieures qu’il avait déposées deviennent la propriété de la masse commune. Cependant si l’incendie a lieu … chez l’Associé dont s’agit … il n’a aucun droit à l’indemnité.“ „Wenn ein Mitglied seinen Beitrag nicht mehr zahlt oder ein Jahr verstreichen lässt, ohne ihn zu zahlen … gilt er als aufgegeben, und der von ihm eingezahlte Beitrag oder früher eingezahlte Beitrag geht in die Gemeinschaftsmasse über. Wenn jedoch bei dem betreffenden Mitglied ein Brand auftritt … hat er keinen Anspruch auf Entschädigung.“
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Zitiert aus Pouilloux, S. 528. Zitiert aus Bellenger, S. 414. 136 Zitiert aus Versicherungsbedingungen der Société d’assurances réciproques contre l’incendie (1805), Art. XXIX. 135
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Mitglieder, die also ihre Beiträge nicht zahlten, galten als aufgegeben. Sie verloren damit alle mitgliedschaftlichen Rechte, also letztlich insbesondere ihren Versicherungsschutz und einen etwaigen Anspruch auf Rückzahlung entrichteter Beiträge. Die Gesellschaft bildete nämlich keine Rücklagen, sondern zahlte überschüssig gezahlte Beiträge, die nicht als Entschädigung ausbezahlt wurden, am Ende des Gesellschaftsjahres an die Mitglieder zurück.137 Ansonsten suchte man aber in dieser Zeit die bereits aus England bekannten und zuvor auch in der französischen Praxis existenten Elemente wie die 15-Tage-Regel vergebens. Einzig der Umstand, dass hier wiederum eine Verzugsstrafe angeordnet wurde, die Rückzahlungsansprüche des Versicherungsnehmers betraf, erinnert entfernt an die englischen Gegenseitigkeitsversicherer. Dies änderte sich jedoch mit der Zeit der Restauration. In diesem Zusammenhang beachtlich erscheint die Behandlung der Leistungsstörung bei der 1816 gegründeten Compagnie d’assurance mutuelle contre l’incendie:138 „… le Directeur établit tous les trois mois le compte de la contribution des Sociétaires, à raison des événemens d’incendie survenus dans le trimestre. Il en est donné avis aux Sociétaires … A défaut de paiement, cet avis est rénouvelé, et quinze jours après … l‘assuré en retard est poursuivi à la diligence du Directeur-général, et par toutes voies de droit pour le paiement de la somme dont il se trouve débiteur. Le retardataire est, en outre, passible au profit des hospices de Paris, d’une amende dont la quotité est fixée au quart de la somme pour laquelle il est poursuivi.“ „Alle drei Monate erstellt der Direktor die Abrechnung der Einstände der Mitglieder auf der Grundlage der im Quartal eingetretenen Brandereignisse. Die Mitglieder werden benachrichtigt … Bei Zahlungsverzug wird diese Benachrichtigung erneuert, und fünfzehn Tage später … wird das säumige Mitglied nach Verantwortung des Generaldirektors und mit allen rechtlichen Mitteln zur Zahlung des Einstandes, für den er Schulden hat, verfolgt. Der Säumige ist auch zu Gunsten der Hospitäler von Paris mit einer Geldstrafe belegt, deren Höhe auf ein Viertel der Summe festgelegt ist, für die er verfolgt wird.“
Hier wurde abermals das Konzept der Verzugsstrafe ins Spiel gebracht. Allerdings mit einer neuartigen Stoßrichtung. Begünstigte des Strafbetrags waren nunmehr die Hospitäler der Stadt Paris und damit eine öffentliche Einrichtung und nicht mehr das Versicherungskollektiv selbst. Dies lässt sich vermutlich darauf zurückführen, dass es sich bei der Gesellschaft um eine Aktiengesellschaft handelte und diesen gegenüber, nach wie vor, großes gesellschaftliches Misstrauen zu Teil wurde.139 Elemente der Wohlfahrt sollten dieses Misstrauen wohl beseitigen. Damit die zitierte Bedingung jedoch Anwendung fand, musste zuvor eine Zahlungsaufforderung an die Mitglieder erfolgen und anschließend mussten 15 Tage ohne Zahlung verstreichen. Die Wahl des fünfzehntägigen Zeitraumes weist dabei durchaus eine Parallele zur englischen Praxis auf. Abseits dieses Zeitraumes war die 137 138 139
Siehe S. 33 ff. Zitiert aus Quénault, S. 451. Siehe S. 31 ff.
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Kapitel 2: Untersuchung der Feuerversicherungsverhältnisse
Regelung allerdings völlig neuartig. Hier wurde nicht allgemein an die Beitragszahlung des Versicherungsnehmers beziehungsweise des Mitglieds angeknüpft, sondern die Regelung befasste sich ausschließlich mit dem Einstand der Mitglieder. Die Regelung bezweckte auch nicht, dass der Versicherer entsprechend des Einlösungsprinzips seine Beitragszahlung erhielt, bevor er den maßgeblichen Versicherungsschutz des Versicherungsnehmers verantwortete. Vielmehr lag eine Modifizierung für die Belange der Gegenseitigkeitsversicherung vor, wo es viel wichtiger für die Funktionalität der Gesellschaft war, dass die ersatzberechtigten Mitglieder zeitnah Entschädigung erlangten.140 Eine Umsetzung des Einlösungsprinzips ließ sich bei dieser Gesellschaft dann auch sonst nicht finden.141 Die Mitglieder traten für eine Laufzeit von fünf Jahren in die Gesellschaft ein, indem sie eine Ausfertigung der Statuten unterschrieben. Neben der Leistung einer Einlage beim Eintritt und den Einstandszahlungen, die für die Schäden anderer Mitglieder zu leisten waren, erfolgte dabei grundsätzlich jährlich die Zahlung einer Organisationsgebühr. Die 1819 und 1820 gegründeten, nicht gegenseitigen Versicherer verlangten dann jährliche Beitragszahlung und machten vom Einlösungsprinzip Gebrauch.142 Verstrich das in der Versicherungspolice bestimmte Datum, hatte der Versicherungsnehmer 15 Tage Zeit, um seinen Beitrag zu leisten. Blieb die Zahlung aus, konnte die Gesellschaft wählen, ob sie den Versicherungsvertrag kündigt oder dessen Durchführung weiterverfolgt:143 „Les primes d’assurances sont payées d’avance et comptant … Il est accordé à l’assuré quinze jours de grâce pour les acquitter. À défaut de paiement de la prime … la compagnie peut, à son choix, résilier la police, ou la maintenir et en poursuivre l’exécution.“ „Die Versicherungsbeiträge sind im Voraus und bar zu zahlen … Dem Versicherungsnehmer werden 15 Gnadentage eingeräumt, um diese zu leisten. Bei Nichtzahlung des Beitrages … kann die Gesellschaft wählen, ob sie den Vertrag kündigt oder ihn aufrechterhält und seine Durchführung weiterverfolgt.“
Der fünfzehntägige Zeitraum, der bereits aus den englischen Policen bekannt war,144 wurde damit auch von französischen Versicherern verwendet, jedoch mit der Maßgabe, dass es sich nicht um einen Vertrag mit Verlängerungsoption handelte, 140
Siehe S. 20 ff. Hierzu und zum Folgenden vgl. Statuten der Compagnie d’assurance mutuelle contre l’incendie (1816), Art. 5, abgedruckt in: Quénault, S. 442 ff. 142 Hierzu und zum Folgenden vgl. Versicherungspolice der Compagnie générale d’assurance contre l’incendie (1819), Art. 4, abgedruckt in: Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Appendix S. 51 ff.; Versicherungspolice der Compagnie française du Phénix (1819), Art. 4, abgedruckt in: Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Appendix S. 57 ff.; Versicherungspolice der Compagnie royale d’assurances contre l’incendie (1820), Art. 4, abgedruckt in: Quénault, S. 413 ff. 143 Zitiert aus Grün/Joliat, Appendix S. 52. 144 Siehe S. 40 ff. 141
A. Elemente der Gegenleistung des Versicherungsnehmers
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sondern vielmehr das Vertragsverhältnis auf mehrere Jahre ausgerichtet war, was die englischen Versicherer zumindest teilweise praktizierten.145 Die Wirksamkeit dieser Bedingung wurde dabei von der Rechtsprechung bestätigt.146 Ohne eine solche Bedingung hatte der Versicherer an sich trotz Nichtzahlung des Beitrages weiterhin Entschädigung zu leisten.147 Allerdings konnte er im Falle der Nichtzahlung trotz Fälligkeit die gerichtliche Auflösung des Vertrages nach den allgemeinen vertragsrechtlichen Regeln der Artt. 1138, 1139, 1184 C. civ. begehren. Dann war es jedoch erforderlich, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer zunächst zur Zahlung aufforderte.148 Jenes Erfordernis konnte aber durch eine entsprechende Regelung im Vertrag abbedungen werden.149 Bemerkenswert ist, dass die Thematik in der französischen Literatur teilweise unter dem Begriff des délai de grâce,150 also der Gnadenverzögerung, oder den jours de grâce, wie in der zitierten Police, diskutiert wurde und damit auch eine gewisse Verwandtschaft der Terminologie zu den englischen days of grace bestand. Allerdings wurde der Begriff in Frankreich bereits in den 1820ern verwendet, was letztlich nahelegt, dass diese Terminologie zumindest keine Übernahme aus der englischen Literatur war, wo diese erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auftauchte. In der englischen Literatur und Rechtsprechung war dabei ein viel diskutiertes Problem, ob ein Schaden, der innerhalb der 15 Gnadentage, aber vor Zahlung des Beitrages für das kommende Versicherungsintervall, eintrat, ersatzfähig war, wenn der Versicherungsnehmer noch innerhalb der Gnadentage Beitrag leistete.151 In Frankreich wurde diese Konstellation dagegen gar nicht diskutiert. Grund hierfür stellten die in der Praxis verwendeten, dahingehend eindeutigen Bedingungen dar:152 „Les primes d’assurances sont payées d’avance … La première année se paye en souscrivant la police. Le paiement des années suivantes a lieu, pour tout délai, dans la quinzaine qui suit l’échéance. À défaut du paiement de la prime dans le délai ci-dessus spécifié … l’assuré n’a droit … à aucune indemnité.“ „Die Versicherungsbeiträge sind im Voraus zu zahlen … Das erste Jahr wird bei Unterzeichnung der Police bezahlt. Die Zahlung für die folgenden Jahre erfolgt für jeden Zeit145
Siehe S. 40 ff. Assurances générales c. Minette, Cour de Cassation (27. Juni 1855), abgedruckt in: Sirey, 1856, Teil 1, S. 42 f.; Compagnie l’Aigle c. Bouton, Cour de Cassation (11. Juni 1855), abgedruckt in: Sirey, 1856, Teil 1, S. 264 f. 147 Lalante, Rn. 335. 148 Réaux c. Compagnie la Patrie, la Paix et la caisse générale des assurances, Cour de Cassation (24. November 1875), abgedruckt in: Bonneville de Marsagny, Teil 1, S. 173 f. 149 Bellamy, Cour de Cassation (16. Juli 1872), abgedruckt in: Sirey, 1873, Teil 1, S. 383; Compagnie le Soleil c. Garnier, Cour de Cassation (10. August 1874), abgedruckt in: Sirey, 1875, Teil 1, S. 25. 150 Grün/Joliat, Traité des assurances, Rn. 225; Lalante, Rn. 334. 151 Siehe S. 43 f. 152 Zitiert aus Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Appendix S. 57 f. 146
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Kapitel 2: Untersuchung der Feuerversicherungsverhältnisse raum innerhalb von fünfzehn Tagen nach Fälligkeit. Wird die Prämie nicht innerhalb der oben genannten Frist bezahlt … hat der Versicherungsnehmer keinen Anspruch auf Entschädigung.“
Dem Versicherungsnehmer wurde damit schlicht eine verlängerte Frist eingeräumt, um seinen Beitrag zu begleichen. Durchaus möglich erscheint es hier, dass die französische Praxis aufgrund des Bewusstseins für die Problematik in der englischen Praxis nun ausführlichere Regelungen traf. Neu war an der französischen Regelung zudem, dass dem Versicherer ein besonderes Kündigungsrecht für diesen Fall eingeräumt wurde. Die Bedingung stellte damit eine weiterentwickelte Version der englischen Bedingung dar. In der Folgezeit gab es zwar Versicherer, die die 15-Tage-Regel nicht verwendeten,153 allerdings erfreute sie sich dennoch bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts in dieser Form weiter Verbreitung.154 Im Übrigen sahen die Versicherer flächendeckend jährliche Beitragszahlung unter Verwendung des Einlösungsprinzips vor.155 3. Ergebnis: Einlösungsprinzip, Gnadentage und Verzugsstrafenregelungen der englischen Gegenseitigkeitsversicherer Die frühesten englischen Feuerversicherer wiesen bereits große Unterschiede im Bereich der Leistungsstörung und allgemeinen Fassung der Beitragszahlungspflicht auf. Während die beiden nicht gegenseitigen Versicherer des 17. Jahrhunderts nur einmalige Beitragszahlung verlangten, das Einlösungsprinzip verwendeten und damit nicht notwendigerweise Sanktionen für den Fall des Ausbleibens der Leistung aufstellen mussten, war dies in der Gegenseitigkeitsversicherung anders. Zentrales Anliegen der Friendly und der Hand in Hand war die Funktion des Gegenseitigkeitsmechanismus zu gewährleisten. Hierzu musste insbesondere Sorge dafür getragen werden, dass die Einstandszahlungen der Mitglieder in angemessener 153
Vgl. exemparisch Versicherungsbedingungen der Compagnie du Soleil (1829), abgedruckt in: Persil, S. 433 ff. 154 Vgl. exemplarisch Versicherungsprospekt der L’Union Incendie (1828), Art. III, abgedruckt in: Union Incendie, nach S. 30; Instruktionen für Versicherungsagenten der L’Aigle incendie (1853), Art. 182; Instruktionen für Versicherungsagenten der Le Globe (1854), Art. 176; Instruktionen für Versicherungsagenten der L’Aigle incendie (1874), Art. 430. 155 Vgl. exemplarisch Versicherungsprospekt der L’Union Incendie (1828), Art. III, abgedruckt in: Union Incendie, nach S. 30; Versicherungspolice der La France (1837), Art. 6, abgedruckt in: Gallix, S. 401; Versicherungspolice der L’Urbaine (1840), Art. 5, abgedruckt in: Gallix, S. 404; Versicherungspolice der La Providence (1840), Art. 6, abgedruckt in: Gallix, S. 406; Versicherungspolice der Le Nord (1840), Art. 8, abgedruckt in: Gallix, S. 410; Instruktionen für Versicherungsagenten der L’Aigle incendie (1853), Art. 182; Instruktionen für Versicherungsagenten der Le Globe (1854), Art. 176; Versicherungspolice der La Paternelle (1856), Art. 4, abgedruckt in: Gallix, S. 414; Instruktionen für Versicherungsagenten der L’Aigle incendie (1874), Art. 430.
B. Elemente der Einräumung des Versicherungsschutzes
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Zeit beigebracht wurden. Daher sahen die Bedingungen bereits ausdifferenzierte Verzugsstrafen vor. Die Situation der nicht gegenseitigen Versicherer änderte sich im 18. Jahrhundert. Die Beitragszahlungen folgten ebenso wie bei den Gegenseitigkeitsversicherern einer gewissen Regelmäßigkeit bis es sich schließlich etablierte, dass der Versicherungsbeitrag jährlich gezahlt wurde und unter Verwendung des Einlösungsprinzips grundsätzlich erst dann Versicherungsschutz gewährt wurde, wenn der entsprechende Jahresbeitrag geleistet war. Eine Einschränkung dieses Grundsatzes bildete dabei die 15-Tage-Regel. Während der erste französische Feuerversicherer noch 1753 ausgenommen der 15-Tage-Regel fast vollumfänglich der englischen Praxis folgte, verselbstständigte sich die französische Praxis im weiteren Lauf des 18. Jahrhunderts. 1786 fanden sich dabei zwar noch Spuren von Gemeinsamkeiten der Bedingungen der Compagnie royale zur englischen Praxis, welche dann aber nach deren Liquidation und dem Aufkommen der französischen Revolution verschwanden. In dieser Zeit waren nur vereinzelt Gegenseitigkeitsversicherer am Markt tätig, die zwar auch teilweise ein Modell zur Spaltung der Beiträge vorsahen und zur Beibringung der Einstandszahlungen Verzugsstrafen in ihre Bedingungen inkorporierten, allerdings lassen sich hier und auch sonst keine Gemeinsamkeiten zur englischen Praxis ausmachen. Dies änderte sich dann erst in der Restauration. Hier manifestierte sich bei allen Versicherern der Grundfall der jährlichen Beitragszahlung unter Verwendung des Einlösungsprinzips. Die 15-Tage-Regel oder auch days of grace/jours de grâce waren dabei in einer hinsichtlich ihrer Rechtsfolgen abweichenden und weiterentwickelten Form weit verbreitet.
B. Elemente der Einräumung des Versicherungsschutzes durch den Versicherer Der Versicherer gewährt dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz für die Zahlung des Beitrages beziehungsweise der Prämie. Erinnert man sich an das zuvor Gesagte,156 fällt auf, dass die Absicherung durch den Versicherer aus moderner Sicht dogmatisch schwer zu fassen ist. Befreit man sich jedoch von diesem Zusammenhang, kann man die Pflicht des Versicherers für die Feuerversicherung auch pragmatisch konturieren. Gegenstand der Feuerversicherung sind stets feuerbedingte Schäden an körperlichen Gegenständen. Als solche ist sie zugleich Sachversicherung und Schadensversicherung. Damit stehen aus der Sicht des Versicherungsnehmers für die Leistung des Versicherers zwei Gesichtspunkte im Vordergrund: Einerseits ist 156
Siehe S. 13 f.
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Kapitel 2: Untersuchung der Feuerversicherungsverhältnisse
maßgeblich, welche Voraussetzungen vorliegen müssen, damit der Versicherer entschädigt. Andererseits stellt sich die Frage, wie diese Entschädigung inhaltlich und umfänglich vollzogen wird.
I. Voraussetzungen der Entschädigung 1. Versichertes und versicherbares Interesse Die Charakterisierung des versicherten Interesses in der Feuerversicherung vermittelt ein klares Bild. Durch ihre Natur als eine Sachversicherung und eine Schadensversicherung war und ist allgemein anerkannt, und wird im Folgenden auch durch die Analyse der Versicherungspraxis unter Beweis gestellt, dass den Versicherungsnehmer ein wirtschaftlicher Nachteil in Bezug auf einen solchen körperlichen Gegenstand treffen musste, damit ein versichertes Interesse vorlag und letztlich ein Schaden vom Versicherer auszugleichen war. a) England Eine allgemeine Definition für das versicherte Interesse bestand und besteht in der englischen Literatur nicht. Der Marine Insurance Act 1745 lieferte nur eine Definition, die sich mit Risiken der Seeversicherung befasste. Gleichwohl wurde in der Rechtsprechung diskutiert, welche Anforderungen an den wirtschaftlichen Nachteil zu stellen waren, der Inhalt des versicherten Interesses war. Lord Mansfield ging 1782 noch davon aus, dass eine moral certainty, also moralische Gewissheit und damit eine in dieser Form gefestigte Erwartung eines Vorteils schon ein taugliches versichertes Interesse konstituieren könnte.157 Dies wurde allerdings im frühen 19. Jahrhundert verworfen.158 Vielmehr war es erforderlich, dass der wirtschaftliche Nachteil in einem Recht oder einer rechtlichen Verpflichtung wurzelte.159 aa) Erfordernis des versicherten Interesses und Versicherungsfähigkeit Eine gesetzliche Regelung, die die Existenz eines versicherten Interesses auf Seiten des Versicherungsnehmers vorschrieb, gab es in der Frühphase der englischen Feuerversicherung zunächst ebenfalls nicht. Die Aufarbeitung in der Rechtsprechung brachte auch keine eindeutigen Antworten. In einem Lebensversicherungsfall wurde 1690 ein versichertes Interesse gefordert:160 157 158 159 160
Le Cras v. Hughes (1782) 3 Doug.K. B. 81. Lucena v. Craufurd (1806) 2 N. R. 323; Routh v. Thompson (1809) 11 East. 434. Stockdale v. Dunlop (1840) 6 M. & W. 224. Zitiert aus Wittingham v. Thornborough (1690) 24 E. R. 11.
B. Elemente der Einräumung des Versicherungsschutzes
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„… insurances were made for the benefit of trade, and not that persons unconcerned therein, and without any interest in the property, should profit thereby.“
In einem Fall betreffend die Seeversicherung entschied das gleiche Gericht allerdings 1716, dass ein solches nicht erforderlich sei.161 Fälle, in denen sich die Rechtsprechung mit dem versicherten Interesse befasste, waren in dieser Zeit zudem eine Rarität.162 Erst der Life Assurance Act von 1774 brachte mehr Klarheit, indem er ein versichertes Interesse des Versicherungsnehmers zwingend vorschrieb. Problematisch war, wie sich bereits aus dem Titel des Rechtsaktes ergibt, ob dieser neben dem Bereich der Lebensversicherung auch auf andere Versicherungsarten, wie die Feuerversicherung, Anwendung finden konnte. Die Literatur bejahte dies seinerzeit mit Blick auf den Wortlaut des Life Assurance Act.163 So heißt es dort in Section 1: „… the making of insurances on lives or other events, wherein the insured shall have no interest, hath introduced a mischievous kind of gaming … no insurance shall be made by any person or persons … on the life or lives of any person or persons, or any other event or events whatsoever, wherein the person for whose use and benefit … such policy or policies shall be made, shall have no interest, or by way of gaming or wagering; and that every insurance made contrary to the true intent and meaning hereof shall be null and void.“
Wie sich hier zeigt, umfasste der Wortlaut neben Lebensversicherungen auch any other event or events whatsoever. Der Grund für die Einführung des Rechtsaktes war daneben, dass moralisch bedenkliche Wetten auf das Leben unbekannter Dritter unterbunden werden sollten. Unabhängig von der Anwendbarkeit stellte sich dieses Problem aber in der Feuerversicherung nicht in diesem Maße. Die Konzeption der Versicherungsbedingungen war bereits darauf ausgerichtet, tatsächlich existente Vermögenseinbußen in Zusammenhang mit Brandschäden an körperlichen Gegenständen auszugleichen. Welche Interessen dabei versicherbar waren, legten uneingeschränkt die Bedingungen der Versicherer fest. Der naheliegende und grundsätzliche Fall war, dass ein Eigentümer Interessen an der ihm gehörigen Sache versichert und somit Versicherungsnehmer, also Partei des Versicherungsvertrages, sowie Versicherter, also Forderungsgläubiger einer etwaigen Entschädigung, wird. In der aufkommenden englischen Feuerversicherung des späten 17. Jahrhunderts war dies der einzig vorgesehene Fall.164 161
Harman v. Vanhatton (1716) 23 E. R. 1071. Rawlings, Oxford Journal of Legal Studies, Bd. 36, Nr. 4 (2016), 807. 163 Marshall, S. 788; Hughes, S. 506; Beaumont, S. 15; Ellis, S. 23; Bunyon, S. 6. 164 Vgl. Police des Fire Office (1684), abgedruckt in: Haines, S. 367 f.; Versicherungsbedingungen der Corporation of London (1681), Art. I, abgedruckt in: Jenkins/Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 31 ff.; Versicherungsbedingungen der Friendly Society (1684), vor 1., abgedruckt in: Jenkins/Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 73 ff.; Satzung der Hand in Hand (1696), vor Art. 1, abgedruckt in: Walford, Insurance Cyclopaedia, Bd. 5, S. 634 ff. 162
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Kapitel 2: Untersuchung der Feuerversicherungsverhältnisse
Eine Veränderung und gleichzeitig ein Indiz für die vorherige Situation lieferten dann die Bedingungen der in den 1720ern gegründeten Royal Exchange und der London Assurance:165 „By this Corporation … all Merchants and Factors who have goods on Commission may assure for and prevent the Ruin of their Correspondents … all persons in Trust may assure Buildings, Goods, etc., which before none such could do, because the Offices heretofore subsisting in case of Loss, required an affidavit that such Buildings, Goods, etc., were the actual property of the assured.“
Andere Versicherer verlangten zuvor die Zusicherung des Versicherungsnehmers, dass dieser Eigentümer ist. Nun war es auch möglich andere Interessen zu versichern. Zugelassen wurde die Versicherung durch Kommissionäre und Treuhänder. Was das Sun Fire Office anbelangt, so sahen die Bedingungen von 1721 zumindest vor, dass es ausdrücklich in der Police vermerkt werden musste, wenn versicherte Sachen nicht im Eigentum des Versicherungsnehmers standen.166 1727 ließ sich den Versicherungsbedingungen dann entnehmen:167 „Houses and other Buildings, Goods and Merchandizes, etc … in Trust or on Commission, may be Insured, though not the Property of the Person Insuring, provided the same are declared in the Policy to be in Trust or on Commission, but not otherwise.“
Diese Regelung befand sich auch noch wortgleich in den Bedingungen der Sun von 1855,168 sowie in denen des New Bristol Fire Office und des Manchester Fire Office während der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.169 Die Regelung der Phoenix Assurance war dann hinsichtlich ihrer Rechtsfolgen noch aufschlussreicher aber in Bezug auf die versicherten Interessen gleich:170 „Goods held in Trust or on Commission, must be declared to be so held, otherwise the Policy will not cover such property.“
Zwar gab es keine rechtliche Einschränkung, die es ausgeschlossen hätte, dass auch andere sachbezogene Interessen versichert werden konnten,171 jedoch lassen 165 Zitiert aus Relton, S. 159; nahezu wortgleich auffindbar in den Versicherungsbedingungen der London Assurance (1722), N. B. 166 Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1721), Art. I. 167 Zitiert aus Jenkins/Yoneyama, Bd. 1, S. 129. 168 Vgl. Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1855), Art. III, abgedruckt in: Relton, S. 340 ff. 169 Vgl. Versicherungsbedingungen des Manchester Fire Office (1771), Art. II; Versicherungsbedingungen des New Bristol Fire Office (1777), Art. II. 170 Zitiert aus den Versicherungsbedingungen der Phoenix Assurance Company (1785), Art. VI; später dann mit nur leicht verändertem Wortlaut in Police der Phoenix Assurance Company (1797), Art. II und in den Versicherungsbedingungen der Phoenix Assurance Company (1804, 1815), Art. II. 171 In beispielhafter Aufzählung möglicher Interessen Marshall, S. 789; Ellis, S. 23; abstrakter Bunyon, S. 6.
B. Elemente der Einräumung des Versicherungsschutzes
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sich nur sehr sporadisch solche Spuren bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts in der Praxis ausmachen:172 „Leaseholders, Trustees, and Persons entitled to Houses and other Buildings in Reversion, may insure their interests in such Buildings, provided the nature of the Tenure or Interest be duly specified.“
Eine der wenigen auffindbaren authentischen Quellen war diese Passage aus den Bedingungen der West of England Fire and Life Insurance, die den Kreis der möglichen Versicherungsnehmer erweiterte.173 Aus Literatur und Rechtsprechung ist jedoch ersichtlich, dass solche und andere versicherbare Interessen diskutiert und damit zumindest auch teilweise von der Praxis angeboten wurden. So beispielsweise diejenigen des Mieters174, des Pächters175, Verwahrers176 oder auch des Hypothekengläubigers177. Betrachtet man diese Interessen und vergleicht sie mit dem skizzierten Grundfall des Eigentümers, der eigene sachbezogene Interessen versichert und damit Vertragspartei sowie Forderungsgläubiger einer etwaigen Entschädigung wird, so stellt sich die Frage, inwieweit sich diese Interessen qualitativ unterschieden und ob es möglich war, stets nur eigene oder auch fremde Interessen zu versichern. Zunächst lohnt es sich hier einen Blick auf die beiden behandelten und häufigsten Fälle der Treuhandverhältnisse und Kommissionsgeschäfte zu werfen: Treuhänder verwalteten insbesondere Immobilien für den sogenannten cestui que trust, den Begünstigten aus der Treuhand, ohne dabei ein eigenes wirtschaftliches Interesse an den treuhänderisch verwalteten Immobilien zu haben.178 Gleichwohl wurde es Treuhändern gestattet in eigenem Namen und als Forderungsgläubiger einer potenziellen Entschädigung Feuerversicherungen abzuschließen.179 Da jedoch der Treuhänder nur Verwalter ohne eigenen wirtschaftlichen Vorteil sein konnte, war es ihm lediglich möglich für den cestui que trust Entschädigung zu erlangen, die dann weiterhin Bestandteil der Treuhand blieb. Das versicherte Interesse war aber gleichzeitig nicht nur dasjenige des cestui que trust. Dem Treuhänder wurde nämlich rechtswirksames Eigentum eingeräumt, aus dem er nach wie vor zwar keinen wirtschaftlichen Vorteil ziehen durfte, welches ihm 172
Zitiert aus Versicherungsbedingungen und Konditionen der West of England Fire and Life Insurance Company (1829), Art. IV. 173 Die nahezu wortgleiche Bedingung ließ sich noch finden in den Versicherungsbedingungen der Phoenix Assurance Company (1815), Art. VII. 174 Bunyon, S. 16. 175 Callaway v. Ward (1728) zitiert in Henkle v. Royal Exchange Assurance (1749) 27 E. R. 1055. 176 Bunyon, S. 18. 177 Hughes, S. 12; Beaumont, S. 21; Bunyon, S. 23. 178 Walker, S. 1241; Kötz, S. 20 f., 23; Eichner, Rn. 38 ff. 179 Hierzu und zum Folgenden Bunyon, S. 7.
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Kapitel 2: Untersuchung der Feuerversicherungsverhältnisse
aber dennoch formal zustand.180 Allerdings kam in Zusammenhang mit einem Brandschaden an der treuhänderisch verwalteten Sache eine Inanspruchnahme des Treuhänders durch den cestui que trust in Betracht.181 Durch diesen so entstehenden wirtschaftlichen Nachteil beim Treuhänder konstituierte sich dann ebenfalls ein versichertes Interesse. Denkbar war daher, dass der Treuhänder gleichermaßen sein eigenes als auch das Drittinteresse des cestui que trust versicherte. Der Kommissionär versicherte hingegen die vom Kommittenten erhaltenen Waren gegen Ansprüche, die dieser gegen ihn geltend machen konnte.182 Damit waren wiederum ausschließlich eigene Interessen des Kommissionärs betroffen. Von der Rechtsprechung zugelassen, wurde es allerdings, dass der Kommissionär zusätzlich als Treuhänder Drittinteressen eines cestui que trust versicherte.183 In allen anderen Fällen, wie beispielsweise der Versicherung der Interessen von Hypothekengläubigern, Mietern oder auch Pächtern, wurden ebenfalls ausschließlich eigene Interessen versichert. Die Versicherung fremder Interessen beschränkte sich damit auf den Sonderfall des Treuhandverhältnisses. Neben den qualitativen Anforderungen an das Interesse des Versicherungsnehmers bestimmten die Versicherungsbedingungen der Versicherer auch, auf welche Sachen sich diese Interessen beziehen konnten. Als Sache, die Gegenstand eines solchen sachbezogenen Interesses sein kann, kommen dabei naturgemäß einerseits Immobilien und andererseits Mobilien in Betracht. Die englischen Feuerversicherer versicherten dabei im 17. Jahrhundert ausschließlich Interessen, die sich auf Immobilien bezogen.184 In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts gab es dann erstmals Mobiliarfeuerversicherer, wie die Union Society,185 aber auch Gesellschaften, die sowohl Mobilien als auch Immobilien versicherten, wie das Sun Fire Office, die Royal Exchange Assurance oder auch die London Assurance. Hinsichtlich der Versicherungsfähigkeit von Mobilien bot sich ein einheitliches Bild. Die Bedingungen der Gesellschaften sahen im 18. und 19. Jahrhundert vor, dass grundsätzlich alle Mobilien Gegenstand eines versicherbaren Interesses sein konn180
Wittuhn, S. 6, 9 f.; Kötz, S. 21. Vgl. Bunyon, S. 7. 182 Bunyon, S. 19. 183 Waters v. Monarch Fire and Life Insurance Co. (1856) 5 EL. & BL. 870. 184 Vgl. hierzu Versicherungsbedingungen des Fire Office (1681), S. 2, abgedruckt in: Jenkins/Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 11 ff.; Versicherungsbedingungen der Corporation of London (1681), vor Art. I, abgedruckt in: Jenkins/Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 31 ff.; Versicherungsbedingungen der Friendly Society (1684), vor Art. I, abgedruckt in: Jenkins/Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 73 ff.; Satzung der Hand in Hand (1696), vor Art. I, abgedruckt in: Walford, Insurance Cyclopaedia, Bd. 5, S. 634 ff. 185 Siehe S. 23 ff. 181
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ten, aber bestimmte, konkret benannte Mobilien vermöge der jeweiligen Versicherungsbedingungen ausgenommen wurden.186 Bei einigen Versicherern konnten diese dann noch durch spezifische Vereinbarung in den Versicherungsschutz einbezogen werden.187 Nicht alle Versicherer schlossen dabei die gleichen Mobilien von der Versicherungsfähigkeit aus. Gemein war diesen Mobilien allerdings typischerweise, dass sie im Einzelfall einen sehr hohen Wert aufweisen konnten und so für die Versicherer keiner abstrakten Risikoanalyse zugänglich waren. Exemplarisch lassen sich die Bedingungen der Sun betrachten, die Juwelen, Bargeld oder auch Porzellan ausschlossen.188 bb) Interessemangel Selbst wenn man davon ausgeht, dass ein versichertes Interesse erforderlich war, konnten sich trotzdem unterschiedliche Rechtsfolgen hinsichtlich der Abwesenheit desselbigen ergeben. Vergegenwärtigt man sich nochmals die zitierte Bedingung der Sun, die erstmalig im Jahre 1727 verwendet wurde, so findet sich zunächst keinerlei Rechtsfolge für diesen Fall.189 Auch die genannte Bedingung der West of England erscheint dahingehend wenig gewinnbringend.190 Es wurde lediglich bestimmt, welche Interessen versicherbar waren. Andernorts ließ sich auch keine Regelung finden, die sich mit dem Fehlen des Interesses befasste. In dieser Hinsicht zumindest eine teilweise Weiterentwicklung stellten dann die ebenfalls genannten Versicherungsbedingungen der Phoenix Assurance dar:191 „Goods held in Trust or on Commission, must be declared to be so held, otherwise the Policy will not cover such property.“
Die Regelung befasste sich zwar nicht mit dem Fehlen des versicherten Interesses, sondern mit seiner Falschbezeichnung, bot für diesen Fall aber zumindest eine Rechtsfolge an. Demnach folgte daraus nicht etwa die Nichtigkeit des Versicherungsverhältnisses. Die in Rede stehenden Interessen wurden schlicht aus dem Versicherungsschutz ausgenommen, während gleichwohl Beitragszahlung geschuldet wurde. 186 Vgl. exemplarisch Versicherungsbedingungen der Company of London Insurers (1710), Art. V, abgedruckt in: Relton, S. 319 ff.; Versicherungsbedingungen der Royal Exchange Assurance (1721), 1., abgedruckt in: Relton, S. 158 f.; Auszug aus der Gründungsurkunde der Union Society (1714), Art. IV. 187 Vgl. Versicherungsbedingungen der Phoenix Assurance Company (1804), Art. V; Versicherungsbedingungen der Royal Exchange Assurance (1776), Art. XI; Versicherungsbedingungen und Konditionen der West of England Fire and Life Insurance Company (1829), Art. III aE. 188 Vgl. Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1721), Art. I. 189 Siehe Fn. 167. 190 Siehe Fn. 172. 191 Siehe Fn. 170.
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Gleichfalls eine Regelung betreffend die Falschbezeichnung des Interesses enthielt die Satzung der Westminster von 1805. Diese ordnete für den Fall allerdings die Nichtigkeit des Versicherungsverhältnisses an:192 „That this society shall insure from Loss by Fire … but all [insured objects] possessed in Trust, or held on commission, must be so expressed in the Policy, otherwise the same shall be void.“
Bedingungen zum Interessemangel suchte man allerdings weiterhin vergebens. Gesetzliche Regelungen zur Rechtsfolge beim Fehlen eines versicherbaren Interesses bestanden und bestehen in England indes ausschließlich für die Lebens-193 und später auch die Seeversicherung194. In beiden Fällen führte und führt dies zur Nichtigkeit des Vertrages, was bedeutete, dass der Versicherungsnehmer den gezahlten Beitrag grundsätzlich zurückfordern konnte.195 Wie gezeigt, wurde in der Literatur des 19. Jahrhunderts davon ausgegangen, dass der zitierte Life Assurance Act 1774, der die Nichtigkeit des Vertrages anordnete, aufgrund seines weit gefassten Wortlautes auch für Feuerversicherungen galt.196 Dementsprechend konnte ebenfalls grundsätzlich der Beitrag vom Versicherer herausverlangt werden. Eine Ausnahme stellten die erwähnten Fälle der Falschbezeichnung des Interesses dar. Rechtlicher Ausgangspunkt war hier die versicherungsrechtliche duty of utmost good faith, die von Lord Mansfield maßgeblich geprägt wurde:197 „Insurance is a contract of speculation; the special facts upon which the contingent chance is to be computed lie most commonly in the knowledge of the insured only. The underwriter trust to his representations, and proceeds upon confidence that he does not keep back any circumstance in his knowledge to mislead the underwriter into the belief that any circumstance does not exist. The keeping back such a circumstance is a fraud, and therefore the policy is void. Although the suppression should happen through mistake, without any fraudulent intent; yet still the underwriter is deceived, and the policy is void, because the risk run is really different from the risk understood and intended to be run at the time of the agreement. The policy would be equally void against the underwriter if he concealed anything unfairly … The governing principle is applicable to all contracts and dealings; good faith forbids either party, by concealing what he privately knows, to draw the other into a bargain from his ignorance of the fact, and his believing the contrary.“
Dementsprechend wurden an die Auskünfte des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherer hohe Anforderungen in Form der sogenannten obligation of disclosure oder duty of disclosure gestellt. Er musste alles, was er für material facts 192 193 194 195 196 197
Zitiert aus Pearson, History of the company, S. 33. Vgl. Section 1 Life Insurance Act 1774. Vgl. Section 4 Marine Insurance Act 1906. Bunyon, S. 84. Siehe S. 53 f. Zitiert aus Carter v. Boehm (1766) 3 Burr. 1909 f.
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hielt, gegenüber dem Versicherer offenlegen.198 Von material facts ließ sich dann sprechen, wenn ein Fakt oder ein Umstand bei verständiger Würdigung durch den Versicherer dazu geeignet war, dessen Entscheidung den Versicherungsvertrag unter den jeweiligen Bedingungen abzuschließen, zu beeinflussen. Legte er material facts nicht offen, war der Vertrag nichtig.199 Dies galt aber auch für den Fall der Falschbezeichnung des Interesses. Hier lag zwar keine Vorenthaltung von material facts vor, aber eine falsche Darstellung von material facts, die damit a fortiori die identische Rechtsfolge, also die Nichtigkeit des Vertrages, nach sich zog. Insofern wurde von einer misrepresentation gesprochen.200 Lag zusätzlich ein Betrug des Versicherungsnehmers vor, handelte es sich um eine sogenannte fraudulent misrepresentation.201 Hatte der Versicherungsnehmer auf diese Weise ein nicht bestehendes Interesse versichert, konnte er neben der Nichtigkeit des Vertrages auch den Beitrag nicht zurückverlangen.202 Dies stellte damit auch eine abweichende Regel zur fraudulent misrepresentation im sonstigen englischen Vertragsrecht dar. Dort war der Vertrag gegenüber der Partei, die den Betrug verübt hatte anfechtbar und wurde dann grundsätzlich auch unter Rückgewähr der wechselseitigen Leistungen abgewickelt.203 Lag kein Betrug des Versicherungsnehmers vor, aber gleichwohl eine misrepresentation, war der Vertrag ebenfalls nach den allgemeinen Grundsätzen der duty of utmost good faith nichtig. Der Versicherungsnehmer konnte aber grundsätzlich noch Rückzahlung des geleisteten Beitrages verlangen. (1) Nachträglicher Interessemangel Anders war die Situation, wenn das versicherte Interesse zunächst bestand und nicht fehlte, sondern erst später wegfiel. In diesem Zusammenhang wurde und wird in der englischen Literatur auf die seeversicherungsrechtliche Entscheidung Tyrie v. Fletcher aus dem Jahre 1777 abgestellt.204 Dort äußerte sich Lord Mansfield wie folgt:205 „… if the risk has once commenced, there shall be no apportionment or return of premium afterwards. For though the premium is estimated, and the risk depends upon the nature and length of the voyage, yet, if it has commenced, though it be only for twenty-four hours or 198
Bunyon, S. 59 f.; Watterson, in: Carter v. Boehm, S. 46 f. Vgl. Bufe v. Turner (1815) 6 Taunt. 328; Uzielli v. The Commercial Union Insurance Company (1869) 12 L. T. 399. 200 Marshall, S. 345; Phillips, S. 110; Hammond, S. 89 f.; Hughes, S. 345 f. 201 Hastings, S. 97. 202 Vgl. Feise v. Parkinson (1812) 4 Taunt. 641; Anderson v. Fitzgerald (1853) 4 H. L. C. 508; Prince of Wales Insurance Company v. Palmer (1858) 53 E. R. 768; Rivaz v. Gerussi (1880) 6 Q. B. D. 229 f. 203 Vgl. Clough v. L. N. W. R. (1871) L. R. 7 Ex. 34. 204 Literatur aus dem 19. Jahrhundert: Comyn, S. 96; Marshall, S. 564; Bunyon, S. 85; Literatur aus dem 21. Jahrhundert: Legh-Jones/Birds/Owen, Rn. 8 – 001; Merkin/Hjalmarsson, S. 791; Basedow/Birds/Clarke/Cousy/Heiss, S. 205. 205 Zitiert aus Tyrie v. Fletcher (1777) 2 Cowp. 668. 199
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Kapitel 2: Untersuchung der Feuerversicherungsverhältnisse less, the risk is run; the contract is for the whole entire risk, and no part of the consideration shall be returned.“
Dies mutet zunächst etwas seltsam an, da hier vom Risiko beziehungsweise der durch den Versicherer übernommenen Gefahr die Rede ist. Damit könnte man meinen, dass es sich hier nicht etwa um einen Interessemangel, sondern einen Gefahrmangel handelt. In der deutschen Literatur wird nämlich erst dann von einem nachträglichen Interessemangel ausgegangen, wenn ein zunächst vorhandenes versichertes Interesse unter keinem Gesichtspunkt mehr besteht.206 Das heißt, dass die Gefahr dauerhaft beseitigt sein muss und auch nicht wiederkehren kann. Hingegen spricht man von einem bloßen Gefahrmangel, wenn dieses Element der Dauerhaftigkeit fehlt. Allerdings fallen diese beiden Begriffe regelmäßig zusammen und werden nach englischem Recht auch nicht differenziert. Diese Themen wurden und werden vielmehr einheitlich unter dem übergeordneten Begriff des return of premium in Zusammenhang mit der versicherten Gefahr diskutiert. Nach englischem Recht traf und trifft dieses Risiko des Gefahreintritts den Versicherer zwar nur für einen kürzeren Zeitraum, aber in vollständiger Intensität. Deshalb kann der Beitrag weder ganz noch anteilsweise vom Versicherungsnehmer zurückgefordert werden. Im deutschen Sprachraum spricht man in diesem Kontext auch vom sogenannten Prinzip der Unteilbarkeit der Prämie.207 Vom Ergebnis gedacht ist es damit auch nicht notwendig, zwischen dem nachträglichen Interessemangel und dem bloßen Gefahrmangel zu differenzieren. Fällt nach Abschluss des Versicherungsvertrages die Gefahr weg und entsteht zu einem späteren Zeitpunkt wieder, so dass der Versicherer zur Entschädigung verpflichtet ist, ändert sich nichts. Der Versicherer durfte den vollständigen Beitrag des Versicherungsnehmers ohnehin behalten, weshalb auch keine inadäquate Störung des Versicherungsverhältnisses vorlag. (2) Interessewegfall und Rechtsnachfolge Ein weiterer Fall, in dem es zu einem Interessemangel kommen konnte, war die Rechtsnachfolge. Die grundsätzliche Problematik, die sich hier stellt, ist eine zweiseitige. Der Versicherungsnehmer, der im Grundsatz über ein eigenes versichertes Interesse verfügte, konnte zunächst das Recht an der Sache im Wege der Rechtsnachfolge verlieren, welches Inhalt seines versicherten Interesses war. Verfügte er umgekehrt weiterhin über ein versichertes Interesse, trat aber ein Dritter in den Vertrag ein, lag allerdings auch eine Rechtsnachfolge vor.
206 207
MüKoVVG/Halbach, § 80 Rn. 6. Siehe hierzu Heiss, VersR 1989, 1125; BGH NJW 1992, 107.
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Wirft man einen Blick auf die englische Feuerversicherungspraxis, so lässt sich zumindest ein Bewusstsein für diese Problemkreise erkennen. Die Police des Fire Office lautete in den 1680ern schon wie folgt:208 „This present Instrument or Policy of Insurance, witnesseth, That … in Consideration of the sume … in Hand paid for the Insuring of an House … [the insurer] shall pay or satify unto the said [assured] or his or their Executors or Administrators … (or his or their Assigns, by Endorsement on this present Policy) … after the said House shall be burnt down … by Reason or Means of Fire.“
Hier wurde also bereits die Möglichkeit gesehen, dass assigns Gläubiger der Entschädigungsleistung werden konnten. Nicht ganz eindeutig, aber sehr naheliegend war es, dass es sich hierbei nicht nur um eine Abtretung einer möglichen Entschädigungsforderung handelte, sondern vielmehr um einen Übergang der Position als Versicherungsnehmer, also einen Eintritt des assigns in den Vertrag. Ebenfalls gesehen wurde der Fall, dass ein Versicherungsnehmer verstarb. Hier traten, ohne dass dies wie bei den assigns auf der Police vermerkt werden musste, der Nachlassverwalter oder der Testamentsvollstrecker in den Versicherungsvertrag ein. Dies führte in letzter Konsequenz dazu, dass der Berechtigte hinsichtlich des Nachlasses, dem das Eigentumsrecht an der Immobilie zustand, welches wiederum Inhalt des versicherten Interesses war, zum neuen Versicherungsnehmer wurde.209 Dies wird dann regelmäßig der Erbe gewesen sein. Ein expliziter Verweis auf den Erben wurde dann auch zusätzlich von der Corporation of London in die Bedingungen aufgenommen:210 „This Indenture … witnesseth that [the insurer] In consideration of the sume … paid by [the assured] … have contracted and agreed with the said [assured] his/her heirs and assigns …“.
Neben dieser neuen Bezugnahme auf den Erben offenbart das Dokument aber auch, dass mit assigns nicht nur der Zessionar, also der Forderungsinhaber der Entschädigung, gemeint sein sollte, sondern vielmehr derjenige, der durch Rechtsgeschäft den Vertrag vom ursprünglichen Versicherungsnehmer übernahm und somit selbst zum Versicherungsnehmer wurde (have contracted … with … the heirs and assigns). Die Satzung der Hand in Hand aus dem Jahre 1696 regelte die Nachfolge im Fall des Todes eines Mitglieds dann so:211 „That in case of death of any member no advantage shall be taken by survivorshipp but the interest of such member so happening to dye shall continue to the Exors Administrators or Assignes of such member dyeing which shall be possest of the policy or policies of such member deceasing.“ 208 209 210 211
Zitiert aus Haines, S. 367. Vgl. Blackstone, Law of England, Buch II, Rn. 11. Zitiert aus Walford, Insurance Cyclopaedia, Bd. 3, S. 538. Zitiert aus Walford, Insurance Cyclopaedia, Bd. 5, S. 637.
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Das Ableben des Mitglieds sorgte also nicht etwa für eine Anwachsung der Ansprüche desselbigen bei den anderen Mitgliedern, sondern führte letztlich zum Übergang der Ansprüche des verstorbenen Mitglieds auf den Nachlassverwalter oder den Testamentsvollstrecker. Dies hatte zur Folge, dass letztlich der Legitimierte hinsichtlich des Nachlasses die Ansprüche erlangte. Es liegt nahe, die Regelung dahingehend zu verstehen, dass der Erbe letztlich Mitglied der Gesellschaft wurde. Insofern kommt es darauf an, ob das Wort interest in diesem Zusammenhang nur den Übergang der Ansprüche meinte oder umfänglich als Eintritt in die sich aus der Mitgliedschaft ergebenden Rechte und Pflichten zu werten war. Die Frage der rechtsgeschäftlichen Rechtsnachfolge blieb zunächst ungeklärt. Erst 1757 lässt sich eine diesbezügliche Regelung bei der Hand in Hand ausmachen:212 „Assignments of Policies are to be enter’d in the Office within Forty-two Days after they are executed, or else the Assignee to have no Benefit thereby.“
Korrespondierend findet sich dann auch in der bereits thematisierten undatierten Police der Hand in Hand die identische Kondition.213 Diese vergleichsweise kurze und späte Befassung mit der Thematik überrascht angesichts der umfänglichen Regelung durch die ihr nahe stehende Union Society,214 die bereits 1714 bestand:215 „Every Member removing, or transferring his Policy, and the Executors or Administrators of every Member dying, shall … give notice thereof … to have such removal, transfer or death indorsed … and in default thereof, the Benefit of the Insurance to be lost … Provided that if the Directors do not allow of such Executor, Administrator, or Assignee to be a Member … then … such Person, shall only have what shall be due on their respective Policies, and all further Demands on the said Policies shall thenceforth cease.“
Die Rechtsnachfolge musste demnach auf der Police vermerkt werden. Der Union blieb es aber auch vorbehalten die Rechtsnachfolge abzulehnen. Dies führte dann dazu, dass die bestehenden Ansprüche des Mitglieds gegen die Gesellschaft – beispielsweise Rückzahlungsansprüche hinsichtlich der geleisteten Einlage –216 an den abgelehnten Nachfolger ausbezahlt wurden und sonst keine wechselseitigen Pflichten mehr bestanden. Bei der Sun war sowohl die Rechtsnachfolge von Todes wegen als auch die rechtsgeschäftliche bereits in den Bedingungen von 1710 vorgesehen:217
212
Zitiert aus einem Auszug aus der Satzung der Hand in Hand (1757), S. 2. Police der Hand in Hand (undatiert), abgedruckt in: Walford, Insurance Cyclopaedia, Bd. 3, S. 538 f. 214 Zur Verwandtschaft von Hand in Hand und Union Society siehe S. 23. 215 Zitiert aus einem Auszug aus der Gründungsurkunde der Union Society (1714), Art. XII. 216 Ausführlich zu den an die Gegenseitigkeitsversicherer zu leistenden Beiträge siehe S. 21 f. 217 Zitiert aus Relton, S. 321. 213
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„Every Person insured may relinquish at Pleasure, and if he or she dies, the Interest in his or her Policy shall continue to his or her Executor or Administrator, so long as they continue to pay …“.
Zwischenzeitlich wurde diese Regelung in den Folgejahren teilweise modifiziert und gekürzt.218 1750 kehrte sie dann in einer Fassung zurück, die sich nicht mehr mit der rechtsgeschäftlichen Rechtsnachfolge befasste, sondern nur noch Aspekte der Rechtsnachfolge von Todes wegen behandelte und in einer nahezu identischen Form über 100 Jahre in den Bedingungen der Sun überdauerte:219 „When any person dies, the Policy and Interest therein shall continue to the Heir, Executor, or Administrator, respectively, to whom the Right of the Property insured shall belong, provided … such Heir, Executor, or Administrator, do procure his or her Right to be endorsed on the Policy at the said Office …“.
Hier wurde erstmalig eindeutig auf die Personenidentität zwischen dem neuen Versicherungsnehmer und der Person, der das Recht an der Sache, welches wiederum Inhalt des versicherten Interesses war, zustand, abgestellt. Eine wortgleiche oder zumindest wesensgleiche Bedingung befand sich auch in den Regelungen anderer Versicherer in der zweiten Hälfte des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts.220 Es kam ebenso vor, dass sich keine Regelung zur Rechtsnachfolge in den veröffentlichten Versicherungsbedingungen finden ließ.221 Allerdings liegt die Vermutung nahe, dass in diesem Fall häufig die Policen entsprechende Zusätze enthielten.222 Im hier zitierten Fall der Police der London Assurance war ebenfalls sowohl eine rechtsgeschäftliche als auch eine Rechtsnachfolge von Todes wegen vorgesehen. Befasst man sich mit der rechtlichen Seite dieser Praxis, muss differenziert werden. Auf erster Ebene zerfällt die Rechtsnachfolge in die rechtsgeschäftliche Rechtsnachfolge und diejenige von Todes wegen als Hauptanwendungsbereiche. Hinsichtlich der rechtsgeschäftlichen Rechtsnachfolge ist erkennbar, dass stets nur vom assignee oder den assigns die Rede ist. Dabei könnte, wie bereits anklang, der Eindruck entstehen, dass es sich bloß um einen Zessionar hinsichtlich der möglichen Entschädigungsleistung des Versicherers handelte. Betrachtet man aber vielmehr die Konstruktion der Bedingungen, so erscheint es viel naheliegender, dass 218 Vgl. Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1716), Art. XV, abgedruckt in: Relton, S. 325 ff.; Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1727), Art. VI, abgedruckt in: Jenkins/Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 129 ff. 219 Zitiert aus Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1750), Art. VIII. 220 Vgl. exemplarisch Versicherungsbedingungen des Manchester Fire Office (1771), Art. VIII; Versicherungsbedingungen des New Bristol Fire Office (1777), Art. VIII; Versicherungspolice der Phoenix Assurance Company (1797), Art. IX; Versicherungsbedingungen der Phoenix Assurance Company (1815), Art. IX. 221 Vgl. Versicherungsbedingungen der Royal Exchange Assurance (1734); Versicherungsbedingungen der London Assurance (1734), abgedruckt in: Relton, S. 173 ff.; Versicherungsbedingungen der Royal Exchange Assurance (1776). 222 Exemplarisch Feuerversicherungspolice der London Assurance (1781), abgedruckt in: Weskett, S. 219 f.
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eine Form der Vertragsübernahme durch einen Dritten gemeint war. Dieser sollte schließlich nicht nur Gläubiger einer potenziellen Entschädigungsleistung werden, sondern auch zu Beitragszahlungen verpflichtet sein. Die Rechtslage in England schob dem aber an sich einen Riegel vor, wie Marshall sehr klar zum Ausdruck brachte:223 „A policy of insurance, being a chose in action, is, in strictness, not assignable at law. But, like every other chose in action, it may be assigned in equity, and courts of law now take notice of such assignment.“
Demnach waren Versicherungsverträge gar nicht rechtlich wirksam übertragbar durch Rechtsgeschäft.224 Vielmehr war es an sich nur durch die equity, also das englische Billigkeitsrecht, welches in dieser Hinsicht von der Rechtsprechung anerkannt wurde, möglich die sich aus dem Versicherungsvertrag ergebende Forderung als sogenannte chose in action abzutreten.225 Gefordert wurde hierfür die Zustimmung aller beteiligten Parteien, also insbesondere auch des Versicherers. Diese Situation änderte sich auch erst im 20. Jahrhundert, als mit Section 136 Law of Property Act 1925 eine gesetzliche Regelung zur Abtretung der chose in action geschaffen wurde. Wie das Zitat allerdings ebenfalls zeigt, wurde Anfang des 19. Jahrhunderts selbst von der Literatur nicht wirklich exakt zwischen der Forderungsabtretung und der Vertragsübernahme differenziert. Die chose in action, die eigentlich nur die Forderung aus dem Versicherungsvertrag auf eine etwaige Entschädigung war, sollte nach Marshall der Versicherungsvertrag an sich sein. Bewertet man diese Einschätzung, handelte es sich also faktisch um eine Vertragsübernahme. Andere frühe Autoren des englischen Feuerversicherungsrechtes unterschieden noch klarer als Marshall.226 In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde dann zumindest die Meinung vertreten, dass der Versicherungsvertrag aus Gründen der Notwendigkeit der chose in action folge.227 Die Übertragung der chose in action gestaltete sich dabei unabhängig von der Übertragung des Rechtes, auf welches sich das versicherte Interesse bezog.228 Wollte der neue Versicherungsnehmer jedoch von der Versicherung profitieren, also insbesondere Entschädigung im Schadensfall erhalten, musste er auch selbst über das im Vertrag versicherte Interesse verfügen.229 Ansonsten lag ein Fall des nachträglichen Interessemangels vor. Der Versicherungsnehmer konnte also seinen Beitrag nicht zurückfordern und hatte auch sonst keinen weiteren Nutzen aus dem Versiche223 224 225 226 227 228 229
Marshall, S. 800. Vgl. Delaney v. Stoddart (1785) 1 T. R. 26. Bunyon, S. 10; vgl. auch Spence, S. 855; Blackstone, Law of England, Buch II, Rn. 434 f. Park, S. 596 ff.; Annesley, S. 222. Bunyon, S. 10. Vgl. Rayner v. Preston (1881) 18 Ch. D. 6. Vgl. Mildmay v. Folgham (1799) 3 Ves.Sen. 471; Poole v. Adams (1864) 33 L. J. Ch. 639.
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rungsverhältnis.230 Hierzu gab es, wie gezeigt wurde, ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auch bereits Regelungen in den Bedingungen mancher Versicherer, die die Anzeige der Rechtsnachfolge oder ähnliches bestimmten. Selbst wenn die Versicherungspolice jedoch keinerlei Bedingung enthielt, dass die Rechtsnachfolge auf der Police vermerkt werden musste oder ähnliches, führte die Übertragung des Rechtes, auf welches sich das versicherte Interesse bezog, umgekehrt auch nicht zum Erwerb der chose in action. In diesem Zusammenhang stellte Lord Chancellor King klar, dass die Versicherung keinesfalls der Sache anhafte:231 „These policies are not insurances of the specific things mentioned to be insured, nor do such insurances attach on the realty, or in any manner go with the same as incident thereto by any conveyance or agreement, but are only special agreements with the assured against such loss or damage as they may sustain.“
Einfacher gestaltete sich dagegen die Rechtsnachfolge von Todes wegen. Hier war klar, dass die Rechte und Pflichten als Partei des Versicherungsvertrages und die Inhaberschaft des Rechtes, auf welches sich das versicherte Interesse bezog, regelmäßig in der Person des Erben zusammenfielen.232 Dieser konnte dann, soweit die Bedingungen der Versicherer nicht zusätzliche Anforderungen stellten, in das Versicherungsverhältnis eintreten, hatte etwaige Beiträge zu leisten und konnte auch im Schadensfall Entschädigungsleistung fordern. b) Frankreich Wie bereits erwähnt, gab es im 18. Jahrhundert keine vertiefte rechtliche Auseinandersetzung mit der Feuerversicherung in Frankreich.233 Einziger Anhaltspunkt für die Ermittlung der versicherten Interessen blieb damit die Praxis. Hinsichtlich der Beziehung des Versicherungsnehmers zum abzusichernden Vermögensgut eröffnete sich hier eine beachtliche Abweichung zu den englischen Versicherern. Die Compagnie d’assurances générales ließ Eigentümer und zusätzlich nur Mieter als Versicherungsnehmer zu, die jeweils ihr eigenes Interesse an der Immobilie versichern konnten.234 Die besondere Berücksichtigung der Mieterinteressen war dabei auf die gewohnheitsrechtlichen Haftungsregeln des französischen Mietrechts der Zeit zurückzuführen. Lag eine irgendwie geartete Beeinträchtigung der Sache vor, schuldete der Mieter neben Entschädigung des Eigentümers auch weiterhin die Miete, wenn nur die Möglichkeit bestand, dass die Beeinträchtigung 230
Siehe S. 59 f. Zitiert aus Lynch v. Dalzell (1729) 3 Bro. P. C. 497. 232 Siehe S. 61. 233 Siehe S. 37. 234 Vgl. Versicherungsbedingungen der Compagnie d’assurances générales de Paris (1753), vor Art. I, abgedruckt in: Pouilloux, S. 480 ff. 231
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auf eine unsachgemäße Nutzung oder einen unsachgemäßen Gebrauch seitens des Mieters zurückzuführen war.235 Er befand sich also in einer sehr nachteiligen Situation und musste sich mehr oder weniger von der Mietschuld und der Ersatzpflicht exkulpieren. Die Compagnie des eaux verfügte indes über keinerlei Regelung. Zum Ende des Versicherungsprospektes hieß es jedoch, dass die Versicherungsnehmer leurs maisons, also ihre Häuser, versichern könnten, was eine notwendige Eigentümerstellung der Versicherungsnehmer nahelegt.236 Die Compagnie royale ging dann wieder diversifizierter hinsichtlich ihrer versicherbaren Interessen vor:237 „Art. XV. Ceux qui feront assurer des Effets tenus en dépôt ou en commission, des immeubles tenus de même ou par un bail … ou dont la propriété seroit sujette à quelque restriction, déclareront à la Compagnie lesdites Conditions. Le défaut de cette formalité, ainsi que tout autre abus dans la déclaration, rendront l’Assurance nulle.“ „Diejenigen, die verwahrte oder in Kommission gegebene Mobilien, verwahrte oder verpachtete Gebäude versichern … oder deren Eigentum einer Beschränkung unterliegt, müssen der Gesellschaft die genannten Bedingungen erklären. Andernfalls und bei sonstigem Missbrauch in der Erklärung ist die Versicherung nichtig.“
Die Bedingung der Compagnie royale ist dabei in ihrer Tragweite nur schwer exakt einzustufen. Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass, wie bereits für England aufgezeigt, schlicht relative Rechte ebenfalls Gegenstand versicherter Interessen sein konnten.238 Allerdings kann es sich auch um eine bloße Aufklärungspflicht für den Eigentümer, der damit einzig zulässiger Versicherungsnehmer war, gehandelt haben. Letztgenanntes erscheint dabei vorzugswürdig. In der Vorschrift heißt es in der letzten Variante ou dont la propriété seroit sujette à quelque restriction. Propriété würde man aus modernem Sprachgebrauch mit Eigentum übersetzen, was die Vollrechtsposition des Versicherungsnehmers hier impliziert. Betrachtet man das geltende französische Recht im 18. Jahrhundert war unter la propriété nichts Abweichendes zu verstehen; es handelte sich um das absolute Herrschaftsrecht.239 Es lässt sich damit nur davon ausgehen, dass wiederum Eigentümerinteressen als versicherte Interessen zulässig waren. Einzig sichtbar wird durch die Auferlegung der besonderen Aufklärungspflicht über die Umstände der Sache beziehungsweise der Rechtsposition hinsichtlich der Sache, dass wiederum ein wirtschaftlicher Bezug des Versicherungsnehmers zur Sache im Vordergrund stand.
235
Pothier, contrat de louage, Rn. 142, 151. Versicherungsprospekt der Compagnie des eaux (1786), Nr. 5, abgedruckt in: Bellenger, S. 378 ff. 237 Zitiert aus Pouilloux, S. 530. 238 Siehe S. 54 ff. 239 Pothier, Traité droit du domaine, Rn. 4. 236
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Die ersten Gegenseitigkeitsversicherer nach der Revolution versicherten dann wieder lediglich Eigentümerinteressen in Bezug auf Immobilien.240 Bis hierhin ließ sich damit abseits der Compagnie d’assurances générales keine Diversifizierung der versicherten Interessen in der Praxis feststellen. Auch eine Befassung in der rechtlichen Diskussion war nicht gegeben.241 Insofern gab es keine abstrakte Fassung des versicherten Interesses in der Feuerversicherung in Frankreich. aa) Erfordernis des versicherten Interesses Durch die neuen Rechtsquellen des frühen 19. Jahrhunderts, namentlich des Code Civil von 1804 und des Code de commerce von 1807, änderte sich dies. Wie gezeigt, ordnete Art. 1964 C. civ. den Versicherungsvertrag dem Seerecht unter.242 Ab 1807 war das hierzu gehörige Seeversicherungsrecht in Artt. 332 ff. C. com. geregelt. Art. 332 C. com. verlangte hinsichtlich des versicherten Interesses: „Le contrat d’assurance … exprime … le nom et le domicile de celui qui fait assurer, sa qualité de propriétaire ou de commissionnaire.“ „Der Versicherungsvertrag enthält den Namen und Wohnsitz der Person, die versichert, ihre Eigenschaft als Eigentümer oder Kommissionär.“
Anders als die Feuerversicherung, war allerdings die Seeversicherung schon lange Gegenstand der Praxis und damit auch wissenschaftlicher Bearbeitung. Nicht zuletzt basierten die Inhalte des C. com. auf der Ordonnance de la marine aus dem Jahre 1681.243 Die hier sehr restriktive Beschränkung auf Interessen von Eigentümern und Kommissionären wurde dabei sehr extensiv ausgelegt. Demnach sollte es genügen, wenn der Versicherungsnehmer ein Recht an der Sache und damit ein Interesse an der Erhaltung der Sache hat.244 In diesem Zusammenhang wurde, ähnlich wie in England, eine Vielzahl möglicher versicherbarer Interessen von der Praxis diskutiert.245 Nicht explizit erwähnt, aber aus der Lektüre dieser Beispiele ersichtlich wird, dass – ebenfalls wie in England – diese Interessen stets wirtschaftlicher Natur sein mussten. Es wurde zwar in der Literatur diskutiert, ob diese Grundsätze und allgemein der Verweis in Art. 1964 C. civ. dazu führten, dass die Seeversicherungsregeln des Code 240
Versicherungsprospekt der Administration générale d’assurance mutuelle contre les incendies (1798), S. 1, abgedruckt in: Bellenger, S. 413 f.; Barrau, Projet d’assurances réciproques, S. 17. 241 Siehe allgemein zum Auseinandersetzungsvakuum mit der Feuerversicherung auch S. 29, 37. 242 Siehe S. 36 f. 243 Sanfourche-Laporte, S. V; Erhard, S. X; Locré, S. 20, vgl. auch Zedtwitz, S. 150; Dageville, S. 86, 229, 256; Jacobsen, S. 189 ff. 244 Pardessus, Bd. 2, S. 99 f.; Pothier, contrat d’assurance, S. 142 ff.; zusammenfassend Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, S. 81; Boudousquié, Rn. 26. 245 Vgl. beispielsweise Hettier, S. 174 ff.; Lalante, Rn. 37 ff.
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de commerce auch auf andere Versicherungsarten, wie die Feuerversicherung, anwendbar waren; dies wurde allerdings im Ergebnis einheitlich bejaht,246 jedoch mit der Maßgabe, dass manche Regeln, da ihrem telos nach nur auf die Seeversicherung anwendbar, unangewendet bleiben sollten sowie andere nur analog herangezogen werden könnten. Gleichwohl seien die grundlegenden Prinzipien der See- und Binnenversicherung identisch gewesen.247 Es bestand damit eine Situation, die der in England entsprach. Ein versichertes Interesse war gesetzlich erforderlich. Inhalt desselbigen musste ein wirtschaftlicher Nachteil des Versicherungsnehmers sein, der auf einem Recht oder einer rechtlichen Verpflichtung mit Sachbezug beruhte. In diesem nunmehr bestehenden rechtlichen Rahmen, diversifizierten sich auch die von den Versicherern angebotenen versicherbaren Interessen. Die 1816 gegründete Compagnie d’assurance mutuelle contre l’incendie ließ ausweislich des Artikel 11 der Statuten auch Interessen des Mieters mit Einverständnis des Eigentümers und zusätzlich solche von Hypothekengläubigern zu.248 Inhalt des erstgenannten Interesses sollten dann die Ansprüche sein, denen sich der Mieter wegen des Brandschadens an der bewohnten Immobilie ausgesetzt sah. Diese Ausweitung auf Mieterinteressen überrascht dabei angesichts der französischen Rechtslage kaum. Bereits vor Inkrafttreten des Code civil befand sich der Mieter hier in einer nachteiligen Situation, weil er sich prinzipiell hinsichtlich der Verantwortlichkeit und damit der Haftung für alle entstandenen Schäden an der Mietsache exkulpieren musste.249 Nach Artt. 1733, 1734 C. civ. musste der Mieter dann beweisen, dass der Schaden ein Produkt des Zufalls, unabwendbarer Gewalt oder eines bauseitigen Fehlers war oder von einem anderen Haus herrührte, wenn er der Haftung entgehen wollte. Er musste also wiederum seinerseits den Exkulpationsbeweis führen. Hinsichtlich der Interessen von Hypothekengläubigern galt, dass nicht unmittelbar entsprechend der hypothekarischen Sicherung der Anspruch des Hypothekengläubigers aus dem Grundstück versichert wurde. Er erhielt vielmehr die Mittel, um die Immobilie, die seiner Sicherung diente, wieder zu errichten. Die Compagnie générale 1819 verfolgte dann einen sehr weiten Ansatz hinsichtlich der zulässigen versicherten Interessen in ihren Statuten:250
246
Hierzu und zum Folgenden vgl. Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, S. 81; Quénault, S. 103 ff.; Persil, S. 157; Alauzet, Bd. 1, S. 385 f.; Pouget, Bd. 1, S. 1 f. 247 Alauzet, Bd. 2, S. 297. 248 Vgl. Statuten der Compagnie d’assurance mutuelle contre l’incendie (1816), Art. 11, abgedruckt in: Quénault, S. 442 ff. 249 Siehe S. 66. 250 Zitiert aus Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Appendix S. 17.
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„Art. 2 … L’assuré pourra être faite non-seulement au nom du propriétaire … mais a son défaut, au nom et pour la sûreté de toute personne intéressée, même en qualité de créancier, à la conservation de la chose assurée.“ „Die Versicherung kann nicht nur im Namen des Eigentümers … sondern in seiner Abwesenheit auch im Namen und zur Sicherheit jeder Person, die an der Erhaltung der versicherten Sache – selbst als Gläubiger – interessiert ist, abgeschlossen werden.“
Bemerkenswert ist hier zunächst der Wortlaut, der die identische Formulierung für die Festlegung des versicherten Interesses verwendete, die sich auch aus der Literatur ergab. Entscheidend war also wiederum, dass die Person an der Erhaltung der Sache wirtschaftlich interessiert war. Die Police enthielt dabei insbesondere auch Bedingungen für die Versicherung von Mieterinteressen.251 Dort wurde spezifiziert, dass das Interesse, welches ein Mieter versichern könne, sich sogar zwingend auf die Ansprüche, die sich in Folge der Artt. 1733, 1734 C. civ. ergaben, beziehen müsse. In Anbetracht dieser für den Mieter äußerst nachteiligen Beweislastregelung, überrascht es nicht, dass auch die Compagnie royale gleichgelagerte Interessen versicherte,252 allerdings ebenso wie die Compagnie d’assurance mutuelle ohne Bezugnahme auf die konkreten Normen. Lediglich die Phénix erläuterte weder in ihrer Police noch ihren Statuten, welche Interessen sie versicherte. Implizit gibt die Police aber doch zumindest teilweise Aufschluss:253 „Lorsque l’assuré n’est point propriétaire des objets assurés, il doit le déclarer et le faire mentionner dans sa police; à défaut de cette mention, la compagnie … n’est tenue envers lui, comme envers tous autres, à aucune indemnité.“ „Wenn der Versicherungsnehmer nicht Eigentümer der versicherten Gegenstände ist, muss er dies erklären und in seine Police aufnehmen lassen; andernfalls haftet die Gesellschaft … ihm gegenüber, wie allen anderen auch, nicht für eine Entschädigung.“
Erkennbar wird hier einerseits, dass auch eine Entschädigung an einen Nichteigentümer zumindest möglich war. Andererseits handelte es sich abermals um eine Regelung, die die Falschbezeichnung des Interesses an nachteilige Rechtsfolgen für den Versicherungsnehmer knüpfte. Damit können auch nicht lediglich Eigentümerinteressen bei der Phénix zulässig gewesen sein. Die 1826 gegründete Gesellschaft Le Soleil verfügte in ihren Bedingungen wiederum über keine umfassende Regelung zum versicherten Interesse. Hervorge-
251 Hierzu und zum Folgenden vgl. Versicherungspolice der Compagnie générale d’assurance contre l’incendie (1819), Art. 6, abgedruckt in: Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Appendix S. 51 ff. 252 Statuten der Compagnie royale d’assurances contre l’incendie (1820), Art. 6, abgedruckt in: Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Appendix S. 40 ff. 253 Zitiert aus Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Appendix S. 59.
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hoben wurde jedoch, dass die Interessen von Mietern ebenfalls versicherbar seien.254 Die L’Union Incendie verwendete dann im Jahre 1828 eine allgemeinere Regelung:255 „Lorsque l’Assuré n’est pas propriétaire des objets assurés, il doit déclarer dans quelle qualité il agit, et le faire stipuler dans la police.“ „Wenn der Versicherungsnehmer nicht Eigentümer der versicherten Objekte ist, muss er erklären, in welcher Eigenschaft er handelt, und dies in der Police festlegen lassen.“
Damit war es grundsätzlich möglich, eine große Vielfalt von Interessen zu versichern. Der hier zitierte ursprüngliche Versicherungsprospekt aus dem Jahre 1828 nahm dabei insbesondere wieder auf die Mieterhaftung aus den Artt. 1733 f. C. civ. Bezug und bot gerade auch für diese Fälle Versicherungen an. Die L’Aigle und die Le Globe versicherten neben Eigentümerinteressen zusätzlich einerseits diejenigen von Hypothekengläubigern und andererseits die von Mietern mit Bezug zu der bereits thematisierten Haftung aus den Artt. 1733 f. C. civ.256 Stets im Vordergrund stand damit bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts die Versicherung von Mieterinteressen in der Immobiliarfeuerversicherung. Häufigerer Bestandteil der Bedingungen war die Versicherung von Hypothekengläubigerinteressen. Manche Gesellschaften verfügten über einen weiteren Kreis der versicherbaren Interessen, der allerdings nur abstrakt bestimmt wurde. Umfängliche Diskussionen über mögliche Interessen wurden dann in der Literatur geführt.257 Eine Versicherung fremder oder zumindest teilweise fremder Interessen über den Sonderfall des Treuhandverhältnisses gab es in Frankreich hingegen nicht. Die thematisierten versicherten Interessen, die nicht solche des Eigentümers waren, erfolgten stets zugunsten des jeweiligen Versicherungsnehmers im eigenen Namen. Allenfalls denkbar war es, dass ein Kommissionär sowohl seine eigenen Interessen im eigenen Namen als auch fremde Interessen des Kommittenten in dessen Namen versicherte.258 In Frankreich wurden dabei ebenso wie in England zunächst nur Interessen versichert, die sich auf Immobilien bezogen.259 Sowohl die Compagnie des eaux als
254 Versicherungsbedingungen der Compagnie du Soleil (1829), Art. 3, abgedruckt in: Persil, S. 433 ff. 255 Zitiert aus Union Incendie, nach S. 30. 256 Instruktionen für Versicherungsagenten der L’Aigle incendie (1853), Art. 20; Instruktionen für Versicherungsagenten der Le Globe (1854), Art. 21. 257 Siehe Fn. 245. 258 Hettier, S. 186. 259 Vgl. Versicherungsbedingungen der Compagnie d’assurances générales de Paris (1753), vor Art. I, abgedruckt in: Pouilloux, S. 480 ff.
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auch die Compagnie royale versicherten dann aber auch Mobilien.260 Die Compagnie royale traf aber zweierlei Einschränkungen. Einerseits konnten nur Mobilien versichert werden, die sich innerhalb von versicherten Immobilien befanden.261 Andererseits waren bestimmte Mobilien, ebenso wie bei den englischen Versicherern, von der Versicherungsfähigkeit ausgeschlossen.262 Hierunter befanden sich Schmuck, Edelsteine oder auch Wert- und Inhaberpapiere. Dies legt nahe, dass der Beweggrund für den Ausschluss ebenfalls im Mangel der Möglichkeit einer abstrakten Risikoanalyse, aufgrund des sehr unterschiedlichen Wertes der jeweiligen Sachen, lag. Die Versicherer des 19. Jahrhunderts versicherten dann sowohl Interessen, die sich auf Mobilien und Immobilien bezogen. Versicherungsfähig waren also grundsätzlich alle Sachen. Einige wurden allerdings von den Gesellschaften abermals durch konkrete Bestimmung ausgenommen.263 Alle Gesellschaften schlossen dabei die gleichen Sachen aus. Auf Seiten der Mobilien wurden exemplarisch Schmuck, Bargeld oder auch Wertpapiere, ähnlich wie bei den englischen Versicherern aufgrund ihrer Einzelfallwertschwankung, ausgeschlossen. Nicht versicherungsfähige Immobilien waren indes Fabriken oder Schießpulverlager. bb) Interessemangel Im 18. Jahrhundert verfügte die französische Feuerversicherungspraxis über keine Regel zum Interessemangel. Lediglich die Compagnie royale ordnete an, dass eine Falschbezeichnung des Interesses zur Nichtigkeit der Versicherung führe:264 „Art. XV. Ceux qui feront assurer des Effets tenus en dépôt ou en commission, des immeubles tenus de même ou par un bail … ou dont la propriété seroit sujette à quelque restriction, déclareront à la Compagnie lesdites Conditions. Le défaut de cette formalité, ainsi que tout autre abus dans la déclaration, rendront l’Assurance nulle.“ „Diejenigen, die verwahrte oder in Kommission gegebene Mobilien, verwahrte oder verpachtete Gebäude versichern … oder deren Eigentum einer Beschränkung unterliegt, 260
Vgl. Versicherungsprospekt der Compagnie des eaux (1786), Nr. 1, 3, abgedruckt in: Bellenger, S. 378 ff.; Versicherungsbedingungen der Compagnie royale d’assurances contre les incendies (1786), Art. I, abgedruckt in: Pouilloux, S. 527 ff. 261 Vgl. Versicherungsbedingungen der Compagnie royale d’assurances contre les incendies (1786), Art. IV, abgedruckt in: Pouilloux, S. 527 ff. 262 Vgl. ebd., Art. XII. 263 Vgl. exemplarisch Versicherungspolice der Compagnie générale d’assurance contre l’incendie (1819), Art. 1, abgedruckt in: Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Appendix S. 51 ff.; Versicherungspolice der Compagnie française du Phénix (1819), Art. 1, abgedruckt in: Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Appendix S. 57 ff.; Versicherungspolice der Compagnie royale d’assurances contre l’incendie (1820), Art. 1, abgedruckt in: Quénault, S. 413 ff.; Versicherungsbedingungen der Compagnie du Soleil (1829), Art. 1, abgedruckt in: Persil, S. 433 ff.; Versicherungspolice der La Paternelle (1856), Art. 2, abgedruckt in: Gallix, S. 414; Versicherungspolice der L’Abeille (1867), Art. 2, abgedruckt in: Gallix, S. 431. 264 Zitiert aus Pouilloux, S. 530.
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Kapitel 2: Untersuchung der Feuerversicherungsverhältnisse müssen der Gesellschaft die genannten Bedingungen erklären. Andernfalls und bei sonstigem Missbrauch in der Erklärung ist die Versicherung nichtig.“
Dabei kann in Abwesenheit einer irgendwie gearteten rechtlichen Auseinandersetzung mit der Feuerversicherung auch kein Rückschluss auf die konkreten Rechtsfolgen, die diese Nichtigkeit begleiteten, geschlossen werden. Auch eine Einordnung in das allgemeine französische Obligationenrecht der Zeit erscheint ob seines Charakters, der sehr spezifische Regeln für die einzelnen Vertragstypen enthielt, schlicht vermessen und unterbleibt daher ebenfalls. Spezifische und ausdrückliche Regelungen zur Abwesenheit des Interesses, ließen sich dann auch im französischen Gesetzesrecht des 19. Jahrhunderts noch nicht finden. Gleichwohl wurde das Interesse als eine der conditions essentielles des Vertrages verstanden.265 Fehlte eine solche, sollte dies die Nichtigkeit des Vertrages nach sich ziehen. Hergeleitet wurde dieses Ergebnis aus Art. 1965 C. civ.: „La loi n’accorde aucune action pour une dette du jeu ou pour le paiement d’un pari.“ „Das Gesetz gestattet keine Klage wegen einer Spielschuld oder wegen Bezahlung einer Wette.“266
Eine Feuerversicherung ohne Interesse war nämlich nur eine Wette.267 Aus einer solchen erwuchsen keine gegenseitigen Verpflichtungen für die Parteien. Rechtsfolge war es dann, dass der gezahlte Beitrag vom Versicherungsnehmer zurückverlangt werden konnte und der Versicherer keine Entschädigung schuldete. Identische Rechtsfolgen ergaben sich aus der Falschbezeichnung des Interesses. Lag eine solche vor, handelte es sich um eine sogenannte réticence.268 Dieser Begriff bezeichnete allgemein im Versicherungsrecht die Verletzung der Pflicht des Versicherungsnehmers den Versicherer über bestimmte Umstände aufzuklären, die er nach Vereinbarung im Versicherungsvertrag offenzulegen hatte.269 Die französischen Feuerversicherer inkorporierten hierzu folgenden Term in ihre Bedingungen,270 der gleichlautend als Art. 348 C. com. im französischen Gesetzesrecht zur Seeversicherung existierte: 265
Quénault, Rn. 353 ff.; Boudousquié, Rn. 344 ff.; Lalante, Rn. 828. Übersetzung aus: Napoleons Gesetzbuch. Einzig officielle Ausgabe für das Königreich Westphalen, 1808. 267 Hierzu und zum Folgenden Boudousquié, Rn. 346. 268 Compagnie d’assurances La France c. Cardon, Cour royale de Rouen (4. April 1845), abgedruckt in: Sirey, 1845, Teil 2, S. 518 f. 269 Lalante, Rn. 213 f.; Pouget, Bd. 2, S. 823. 270 Vgl. exemplarisch Versicherungspolice der Compagnie générale d’assurance contre l’incendie (1819), Art. 11, abgedruckt in: Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Appendix S. 51 ff.; Versicherungspolice der Compagnie française du Phénix (1819), Art. 12, abgedruckt in: Grün/Joliat. Appendix S. 57 ff.; Versicherungspolice der Compagnie royale d’assurances contre l’incendie (1820), Art. 12, abgedruckt in: Quénault, S. 413 ff.; Versicherungsprospekt der L’Union Incendie (1828), Art. VIII, abgedruckt in: Union Incendie, nach S. 30; Versicherungspolice der La Providence (1840), Art. 7, abgedruckt in: Gallix, S. 406. 266
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„Toute réticence, toute fausse déclaration de la part de l’assuré, toute différence entre le contrat d’assurance et le connaissement, qui diminueraient l’opinion du risque ou en changeraient le sujet, annullent l’assurance.“ „Jede Verheimlichung, jede falsche Angabe von Seiten des Versicherten, jeder Mangel an Übereinstimmung zwischen der Police und dem Konnossement, durch welchen die Vermutung der Gefahr geschwächt oder der Gegenstand der Gefahr verändert werden mag, macht den Versicherungsvertrag ungültig.“271
Die Ungültigkeit beziehungsweise Nichtigkeit des Vertrages musste allerdings vom zuständigen Gericht durch gestaltendes Urteil herbeigeführt werden.272 In diesem Fall hatte der Versicherer gleichzeitig noch die Möglichkeit etwaige Sekundäransprüche geltend zu machen.273 Dies war allerdings nur – und damit wohl nicht häufig – der Fall, solange der Versicherungsnehmer den Interessemangel nicht kannte. Hatte er hingegen Kenntnis, schloss er den Vertrag mit dem Versicherer regelmäßig in betrügerischer Absicht und es wurde erwogen Art. 357 C. com. anzuwenden: „Un contrat d’assurance ou de réassurance consenti pour une somme excédant la valeur des effets chargés, est nul à l’égard de l’assuré seulement, s’il est prouvé qu’il y a dol ou fraude de sa part.“ „Ein Versicherungs- oder Rückversicherungsvertrag, der eine den Wert der versicherten Gegenstände übersteigende Summe gewährt, ist in Bezug auf den Versicherten ungültig, sobald erwiesen wird, dass Betrug oder Täuschung seinerseits vorliegt.“274
Ausweislich ihres Wortlautes war diese Vorschrift eigentlich nur auf den Fall anwendbar, in dem eine Versicherungssumme versichert wurde, die den Versicherungswert überstieg. Allerdings wurde teilweise der Rechtsgedanke dieser Vorschrift herangezogen.275 Teilweise aber auch eine analoge Anwendung der Vorschrift für möglich gehalten.276 Im Ergebnis führte dies dann dazu, dass der Versicherer zunächst beweisen musste, dass ein Betrug auf Seiten des Versicherungsnehmers vorlag. Gelang ihm dies, konnte sich allein der Versicherer auf die Nichtigkeit berufen, was zu seiner Leistungsfreiheit führte, während jener Versicherungsnehmer sich nicht auf die Nichtigkeit berufen konnte und daher insbesondere weiter Beitragszahlung schuldete.
271
Übersetzung nach: Fleischer. La Compagnie l’Univers c. Le Luandre, Cour de Cassation (15. März 1880), abgedruckt in: Sirey, 1882, Teil 1, S. 75 f. 273 Lalante, Rn. 214. 274 Übersetzung nach: Fleischer. 275 Quénault, Rn. 356. 276 Boudousquié, Rn. 347. 272
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(1) Nachträglicher Interessemangel Betrachtet man alle Bedingungen der französischen Feuerversicherer des 18. und der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, so findet sich nur einmal eine Regelung zum nachträglichen Interessemangel. Bei der Compagnie d’assurance mutuelle 1816 hieß es:277 „La police d’assurance devient nulle … si la propriété cesse d’exister par d’autres causes que celles d’incendie.“ „Der Versicherungsvertrag wird nichtig … wenn [die versicherte Immobilie] durch andere Gründe als einen Brand nicht mehr existiert.“
Die vorgesehene Rechtsfolge war dabei das Erlöschen der vertraglichen Pflichten. Die Bedingungen aller anderen französischen Versicherer des 19. Jahrhunderts schwiegen zu diesem Thema dagegen gänzlich. In der Literatur wurde dieser Fall des Untergangs der Sache, auf die sich das versicherte Interesse bezieht, näher erläutert.278 Anders als in England, wo dem Versicherer der ganze Beitrag zustand,279 konnte nur ein anteiliger Beitrag verlangt werden. Dieser Anteil wurde nach dem Verhältnis des Zeitraumes in dem die Gefahr tatsächlich durch den Versicherer übernommen wurde – mit anderen Worten, der Zeitraum in dem die Sache noch existierte – im Verhältnis zur vereinbarten Haftungsdauer bestimmt. Davon in der Darstellung unterschieden, aber in der Rechtsfolge identisch, war der Fall, dass der Versicherungsnehmer sein versichertes Interesse verlor, die Sache aber gleichwohl weiter existierte.280 Konstruiert wurde dies allerdings über ein besonderes Kündigungsrecht des Versicherers, welches ex nunc zum Erlöschen der vertraglichen Pflichten führte, weshalb eben der bis dahin angefallene Beitrag beim Versicherer verblieb. (2) Interessemangel und Rechtsnachfolge Im 18. Jahrhundert hatte wieder einmal nur die Compagnie royale 1786 eine Regelung zur Rechtsnachfolge zu bieten:281 „Les Héritiers, ou ayant cause, de toute personnes qui auroient fait assurer quelque propriété, seront tenus de se faire connoître à la Compagnie, dans l’espace de deux moins après le changement de propriété, & d’y faire inscrire leur nom. Le défaut de cette formalité annulera l’Assurance.“ 277
Zitiert aus Quénault, S. 450. Hierzu und zum Folgenden Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, S. 158 ff.; Lalante, Rn. 832. 279 Siehe S. 60. 280 Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Rn. 312; Boudousquié, Rn. 368 f.; Hettier, S. 305 f. 281 Zitiert aus Pouilloux, S. 530. 278
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„Die Erben oder Rechtsnachfolger aller Personen, die eine Immobilie versichert haben, sind verpflichtet, ihren Namen innerhalb von zwei Monaten nach dem Rechtswechsel bei der Gesellschaft registrieren zu lassen. Andernfalls erlischt die Versicherung.“
Thematisch wurden sowohl die rechtsgeschäftliche als auch die Rechtsnachfolge von Todes wegen erfasst. Ähnlich wie bei den englischen Versicherern musste die Gesellschaft vom Wechsel der Inhaberschaft hinsichtlich des Rechtes, welches Inhalt des versicherten Interesses war, informiert werden. Dann war es möglich, dass der Rechtsnachfolger auch an die Stelle des Versicherungsnehmers trat und das Versicherungsverhältnis fortsetzte. Ansonsten erlosch die Versicherung. Die konkrete Rechtsfolge dieser Regelung ist dabei allerdings wiederum schwer zu analysieren, da es, wie bereits erwähnt, kein anwendbares Recht für Feuerversicherungen in Frankreich zu dieser Zeit gab und auch keine rechtliche Diskussion der Inhalte stattfand. Die Compagnie générale 1819 führte dann folgende Regelung ein, die hinsichtlich ihrer Rechtsfolgen in identischer Weise von allen französischen Versicherern der Zeit verwendet wurde:282 „En cas de mutation dans la propriété des objets assurés par suite de décès, de vente, ou pour autre cause, le nouveau propriétaire doit immédiatement déclarer sa qualité et la faire mentionner dans la police … la compagnie se réserve le droit de résilier la police par une simple notification, et les primes payées ou échues lui demeurent acquises. Faute de ces déclarations et de leur mention sur la police, l’assuré … ou ayans-cause n’ont droit … à aucune indemnité.“ „Im Falle einer Übertragung des Eigentums der versicherten Objekte durch Tod, Verkauf oder aus anderen Gründen muss der neue Eigentümer unverzüglich seinen Status erklären und in der Police erwähnen lassen … die Gesellschaft behält sich das Recht vor, die Police durch eine einfache Mitteilung zu kündigen, und die gezahlten oder fälligen Prämien verbleiben der Gesellschaft. In Ermangelung dieser Erklärungen und ihrer Erwähnung auf der Police haben der Versicherungsnehmer oder Rechtsnachfolger … keinen Anspruch auf Entschädigung.“
Solche oder sehr ähnliche Bedingungen waren bis ins späte 19. Jahrhundert bei den französischen Versicherern sehr verbreitet.283 Rechtlich diskutiert wurden diese Klauseln unter dem Begriff der mutation, also der Rechtsnachfolge hinsichtlich des Rechtes, welches Inhalt des versicherten Interesses war. Der Übergang dieses Rechtes vollzog sich nach den Regeln des allgemeinen Zivilrechtes. Für die rechtsgeschäftliche Rechtsnachfolge bedeutete dies, dass der wirksame Erwerb des Rechtes nicht auch zur automatischen Vertragsübernahme hinsichtlich des Versi282 Zitiert aus Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Appendix S. 52 f.; sehr ähnliche Bedingungen sind beispielsweise diejenigen der Phénix und der Compagnie royale 1820, Art. 8, abgedruckt in: Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Appendix S. 59. 283 Vgl. exemplarisch Versicherungspolice der La Providence (1840), Art. 9, abgedruckt in: Gallix, S. 406; Versicherungspolice der Le Nord (1840), Art. 3, abgedruckt in: Gallix, S. 410; Instruktionen für Versicherungsagenten der L’Aigle incendie (1874), Artt. 166 Nr. 2, 344; s. auch Philouze, Rn. 86.
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cherungsvertrages führte.284 Lag ein Fall der Rechtsnachfolge von Todes wegen vor, mussten auch die Anforderungen der Bedingung erfüllt werden und es lag ebenfalls keine automatische Vertragsübernahme vor. Zudem galt laut Rechtsprechung, genau wie in England, dass der ehemalige Rechtsinhaber in Ermangelung eines versicherten Interesses jedenfalls keine Entschädigung mehr erlangen konnte, selbst wenn der Erwerber des Rechtes nicht in den Vertrag eingetreten war.285 Es lag dann wiederum ein Fall des nachträglichen Interessemangels vor, der aber wiederum abweichend von England, zur anteiligen Rückgewähr der Beitragsleistung führte.286 Dem hier zitierten Dictum ist außerdem zu entnehmen, dass solche Klauseln wie die der Compagnie générale allgemein als zulässig angesehen wurden, da sie jedenfalls nicht im Widerspruch zum sonstigen französischen Recht standen. Enthielten die Versicherungsbedingungen des Versicherers jedoch keine so ausführlichen Vorgaben, eröffnete sich ein differenziertes Bild. Für die Rechtsnachfolge von Todes wegen war dabei Art. 1122 C. civ. anwendbar: „On est censé avoir stipulé pour soi et pour ses héritiers et ayant-cause, à moins que le contraire ne soit exprimé ou ne résulte de la nature de la convention.“ „Es wird davon ausgegangen, dass man für sich selbst und für seine Erben und Nachfolger bestimmt hat, es sei denn, es wird das Gegenteil zum Ausdruck gebracht oder ergibt sich aus der Art der Vereinbarung.“
Der Vertrag musste also grundsätzlich ausgelegt werden und es musste bestimmt werden, ob dieser auch auf Rechtsnachfolger angewendet werden konnte. Für diesen Fall bestimmte der Art. 1122 C. civ. eine Vermutungsregel. Schwieg also der Vertrag zum Thema der Nachfolge, trat der Rechtsnachfolger von Todes wegen ohne Weiteres in das Versicherungsverhältnis ein. Hinsichtlich der rechtsgeschäftlichen Rechtsnachfolge gestaltete es sich etwas komplexer. Vergegenwärtigen muss man sich wiederum, dass das Recht, welches Inhalt des versicherten Interesses war, für gewöhnlich zunächst übertragen wurde. Da dann kein automatischer Übergang des Versicherungsverhältnisses stattfand, fielen nunmehr die Inhaberschaft des Rechtes und die Position des Versicherungsnehmers personell auseinander. Wollte nun der ehemalige Rechtsinhaber auch herbeiführen, dass der Versicherungsvertrag auf den neuen Rechtsinhaber übergeht, musste auch der Versicherer zustimmen, da aus dem Versicherungsvertrag persönliche Verpflichtungen des Versicherungsnehmers erwuchsen, die dieser nicht einfach auf einen Dritten ab-
284
Vgl. Lalante, Rn. 285. Vgl. Le marquis de Carcado c. la Compagnie du Phénix, Cour royale d’Agen (14. August 1833), abgedruckt in: Joliat, Bd. 6, S. 1 ff. 286 Siehe zur englischen Rechtslage S. 60. 285
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wälzen konnte.287 Dem lag die überzeugende Überlegung zu Grunde, dass der Versicherer sonst zwanghaft mit einer Partei kontrahieren müsste, deren Solvenz und sonstige Umstände er nicht kannte und auch nicht beeinflussen konnte. Allerdings war es dem ehemaligen Rechtsinhaber auch anderweitig möglich, den neuen Rechtsinhaber aus der Versicherung profitieren zu lassen. Hierzu konnte er schlicht die sich aus der Versicherung ergebende mögliche Entschädigungsleistung abtreten.288 Dann bestand auch kein Einwand hinsichtlich des versicherten Interesses, da der neue Rechtsinhaber als solcher schließlich auch Träger des versicherten Interesses war. c) Ergebnis: Gestaltung des versicherten Interesses durch Praxisbedürfnisse und differenzierte Regelungen zum Interessemangel Es lassen sich im versicherten Interesse durchaus Parallelen zwischen England und Frankreich feststellen. Der rechtliche Kern war tatsächlich sogar identisch. Es musste sich um einen wirtschaftlichen Nachteil der Person, die den Versicherungsvertrag schließen wollte, handeln, der aus dem Verlust der Sache auf die sich das versicherte Interesse bezog, erwuchs. Dieses Erfordernis war in der Praxis unabhängig von einer sonstigen rechtlichen Verankerung, sei es durch Gesetz oder auch Richterspruch, bereits anerkannt. Die Vielfalt der möglichen versicherten Interessen war aufgrund dieses identischen Kerngehaltes gleichermaßen weitreichend. Allerdings zeigten sich in der Praxis der Länder unterschiedliche Prioritäten. In Frankreich nahm insbesondere die Versicherung von Mieterinteressen eine wichtige Stellung ein. Sie wurde während der Restauration von jedem französischen Versicherer angeboten und auch bereits vom ersten französischen Feuerversicherer Mitte des 18. Jahrhunderts durchgeführt, während für die englischen Versicherer typischerweise die Versicherung der Interessen von Kommissionären und Treuhändern abseits der Eigentümerinteressen verbreitet waren. Diese Abweichung lässt sich aber durch die besonderen Beweisanforderungen, die dem Mieter durch den Code civil und auch zuvor das französische Gewohnheitsrecht auferlegt wurden, erklären.289 In Bezug auf die versicherungsfähigen Sachen lässt sich ebenfalls eine Parallele ausmachen. Verbreitet war es in beiden Ländern konkret benannte Mobilien aus der Versicherungsfähigkeit auszunehmen, da diese keiner abstrakten Risikoanalyse zugänglich waren. Hinsichtlich des Interessemangels erkennt man dann Ähnlichkeiten und Unterschiede. Englische und auch ein französischer Versicherer regelten im 18. und 287 288 289
Vgl. Laurent, Rn. 14 ff. Lalante, Rn. 285. Hierzu auch Brown, Assurance Magazine VII (1857), 267.
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19. Jahrhundert vornehmlich den Fall der Falschbezeichnung des Interesses durch den Versicherungsnehmer. Besondere Grundsätze galten hier, wenn die Falschbezeichnung auf einen Betrug des Versicherungsnehmers zurückzuführen war. Im Ergebnis bedeutete dies in beiden Ländern, dass der Versicherer die Nichtigkeit des Vertrages herbeiführen konnte, ein Rückgewähranspruch hinsichtlich des geleisteten Beitrages gleichwohl für den Versicherungsnehmer nicht in Betracht kam. Ansonsten gab es keine Bedingungen der Versicherer, die sich mit dem Interessemangel befassten. Dies war aber auch nicht unbedingt notwendig, da es in beiden Ländern dahingehend gefestigte voneinander zu unterscheidende, aber hinsichtlich mancher Rechtsfolgen identische, rechtliche Rahmenbedingungen gab. Sowohl in England als auch in Frankreich führte der anfängliche Interessemangel zur Nichtigkeit des Vertrages und damit grundsätzlich auch zur vollumfänglichen Rückabwicklung. Insbesondere konnte der Versicherungsnehmer also seinen geleisteten Beitrag zurückfordern. Beim nachträglichen Interessemangel hingegen wichen die Lösungen auch auf Rechtsfolgenseite voneinander ab. Während hier in England keine Möglichkeit für den Versicherungsnehmer bestand, den Beitrag zurückzuverlangen, erfolgte in Frankreich anteilige Rückerstattung und allgemein ein Erlöschen der vertraglichen Pflichten ex nunc vom Zeitpunkt des Wegfalls des Interesses an. Ein hervorzuhebender Fall des Interessewegfalls war dabei die Rechtsnachfolge. In beiden Ländern erfolgte diese dabei in sehr unterschiedlicher Weise, was aber letztlich auf Regelungen des allgemeinen Zivilrechtes zurückzuführen war. Gleichwohl galten weiterhin identische versicherungsspezifische Grundsätze. Eine Entschädigung ohne versichertes Interesse war nicht möglich. Für den Versicherungsnehmer ohne Interesse hatte dies dieselben rechtlichen Konsequenzen wie bei sonstigen Fällen des nachträglichen Interessemangels, soweit er nicht den neuen Träger des versicherten Interesses mit Zustimmung des Versicherers zum neuen Begünstigten aus der Versicherung machen konnte. Schließlich war die Versicherung fremder Interessen im eigenen Namen nur sehr eingeschränkt möglich. In England konnte eine solche nur im rechtlichen Spezifikum des Trust stattfinden, während in Frankreich kein vergleichbares Institut bestand und daher auch die Versicherung von fremden Interessen im eigenen Namen vollständig ausschied. 2. Die versicherte Gefahr Zusätzlich zum sachbezogenen Interesse, muss bestimmt sein, gegen welche Gefahr dieses Interesse versichert werden soll. Entsprechend ihres Namens setzt die Feuerversicherung hier eine Schädigung durch Feuer voraus, also die Verwirklichung einer Brandgefahr. Diese zunächst trivial anmutende Feststellung bietet aber keine erschöpfenden Antworten. Insbesondere drängen sich Fragen auf, wie der
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Begriff des Feuers eigentlich auszulegen war, was passierte, wenn sich die gefahrerheblichen Umstände um die Sache, auf die sich das versicherte Interesse bezog, änderten und welche Rolle dabei das Verhalten des Versicherungsnehmers spielte. a) England aa) Positive Bestimmung der Gefahr und Kausalitätsanforderungen Die frühesten Feuerversicherer verfügten über keine Klausel oder Regelung, die positiv bestimmte, was genau einen ersatzfähigen Feuerschaden darstellte oder auch nur ein Feuer war. Typischerweise enthielten die Bedingungen lediglich Formulierungen wie „loss or damage by Fire“ oder auch „loss or damage sustained by Fire“, um die versicherte Gefahr zu charakterisieren.290 Dieser Trend setzte sich dann auch lange Zeit fort. Allenfalls wurden bestimmte Gefahrelemente konturiert.291 Im Wesentlichen suchte man aber positive Regelungen zur versicherten Gefahr bis ins 19. Jahrhundert vergebens. Nicht zuletzt deshalb wurden die Begriffe allerdings im Laufe der Zeit einer erheblichen gerichtlichen Durchdringung zugeführt. Schließlich war es in Ermangelung einer genauen Bestimmung Sache der Rechtsprechung, die versicherte Gefahr exakt auszulegen. Zentraler Baustein des Wortes Fire war es, dass irgendeine Form von Ignition, also Zündung beziehungsweise Entzündung, vorlag.292 Dementsprechend nicht umfasst, war ein Schaden, der nur durch sehr starke Hitze verursacht wurde.293 Möglich war es allerdings, dass die Police nach den übrigen enthaltenen Bedingungen so ausgelegt werden konnte, dass bestimmte Gefahren zusätzlich erfasst waren. In Jameson v. Royal Insurance Co.294 ging es dabei ebenfalls um den Einbezug sehr starker Hitze in die versicherte Gefahr. Auszugsweise hieß es in den Bedingungen des Versicherers dort, dass dessen Versicherungsschutz nicht „… any loss to still, coppers, or such like, occasioned by the ordinary fire heat …“ umfassen würde. Im Umkehrschluss gelangte das Gericht allerdings zu der Auffassung, dass sonstige Schäden durch Hitze durchaus ersatzfähig sein könnten. Darüber hinaus diskutiert wurde, ob Blitzschäden oder Explosionen bereits vom Wort Fire als einziger Gefahrbeschreibung erfasst seien. Dies wurde wiederum bejaht, wenn eine Entzündung und damit eine Zurückführbarkeit des Schadens auf
290
Versicherungsbedingungen des Fire Office (1681), abgedruckt in: Jenkins/Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 11 ff.; Versicherungsbedingungen der Corporation of London (1681), vor Art. I, abgedruckt in: Jenkins/Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 31 ff. 291 So bspw. der Blitzschlag als ersatzfähiger Schaden. S. dazu im Folgenden. 292 Everett v. London Assurance Co. (1865) 19 C. B. N. S. 133. 293 Austin v. Drewe (1815) 4 Camp. 360. 294 Hierzu und zum Folgenden (1873) 7 I. R. C. L. 126.
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Feuer vorlag.295 Daraus lässt sich schließen, dass andernfalls kein ersatzfähiger Schaden gegeben war, was zumindest auch von der amerikanischen Rechtsprechung der Zeit so bestätigt wurde.296 Nicht überraschend ist es, dass angesichts dieser Entwicklung einige Versicherer im 19. Jahrhundert Schäden durch Blitzschlag297 expressis verbis in ihre Bedingungen aufnahmen, und auch Schäden durch Explosionen298 Erwähnung fanden. Abgesehen von der Bestimmung, was überhaupt einen Feuerschaden darstellte, wurde ebenfalls erörtert, welche Beziehung zwischen dem Feuer und einem etwaigen Schaden bestehen musste. Allgemein war und ist im Recht des Vereinigten Königreichs damals wie heute die doctrine of proximate cause in dieser Hinsicht anerkannt.299 Die Ausgestaltung dieser Doktrin ist dabei Gegenstand jahrhundertelanger gewohnheitsrechtlicher Durchdringung. Dementsprechend handelt es sich bei ihr auch um ein Produkt gradueller und stetiger Ausdifferenzierung. Aus einer zusammenfassenden und rückblickenden Perspektive lässt sie sich am besten greifbar machen, wenn man die versicherte Gefahr nicht etwa als die einzige, erste oder letzte Ursache des Schadens begreift, sondern vielmehr als die direkte, dominierende, tatsächliche oder effektive Ursache. Dem Rechtsinstitut dabei vollumfänglich gerecht zu werden, ist freilich eine schwierige Angelegenheit. In der feuerversicherungsrechtlichen Diskussion wurden in diesem Kontext allerdings bestimmte Themen hervorgehoben, die sich mit Hilfe der doctrine of proximate cause einordnen ließen und diese auch konturierten: Trat ein Feuer nicht an der versicherten Immobilie selbst, sondern an einer benachbarten Immobilie auf und sorgte damit für einen Schaden an der versicherten Immobilie, handelte es sich um einen Brandschaden, der von der Feuerversicherung erfasst war.300
295 Gordon v. Rimmington (1807) 1 Camp. 124; Taunton v. The Royal Insurance Company (1864) 10 Jur. N. S. 291. 296 Kenniston v. Merchants County Mutual Insurance Co. (1843) 14 N. H. 341; Babcock v. Montgomery County Mutual Insurance Co. (1849) 6 N. Y. 637. 297 Vgl. exemplarisch Versicherungsbedingungen der Phoenix Assurance Company (1804), Art. III; Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1816), vor Art. I, abgedruckt in: Relton, S. 335 ff.; Versicherungsbedingungen und Konditionen der West of England Fire and Life Insurance Company (1829), Art. V; Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1855), vor Art. I, abgedruckt in: Relton, S. 340 ff. 298 Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1855), vor Art. I, abgedruckt in: Relton, S. 340 ff. (umfasst waren nach der Bedingung „explosions of gas“); vgl. auch Bunyon, S. 40. 299 Vgl. Bunyon, S. 33; Marsden v. City and County Assurance Co. (1865) L. R. 1 C. P. 232; noch in seeversicherungsrechtlichem Zusammenhang: Hughes, S. 215; Waters v. Merchants Louisville Insurance Co. (1837) 36 U. S. 11 Pet. 213. 300 Everett v. London Assurance Co. (1865) 19 C. B. N. S. 126.
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Ebenfalls ersatzfähige Schäden begründeten Maßnahmen, die zur Abwendung eines Schadens durch Feuer beitragen sollten, aber letztlich die versicherte Sache selbst schädigten. Kelly C.B. äußerte sich dazu wie folgt:301 „I agree that any loss resulting from an apparently necessary and bona fide effort to put out a fire, whether it be by spoiling the goods by water or throwing the article of furniture out of a window or even the destroying of a neighbouring house by an explosion for the purpose of checking the progress of the flames, in a word, every loss that clearly and proximately results whether directly or indirectly from the fire is within the policy.“
Unabhängig von dieser Rechtslage, regelten einige Versicherer diesen Fall auch in ihren Bedingungen:302 „To encourage the Removal of Goods, in Cases of Fire, this Office will allow the reasonable Charges attending the same, and make Good the Sufferer’s Loss, whether destroyed, lost, or damaged, by such Removal.“
Neben der Rechtsprechung und der Praxis hatte auch der Gesetzgeber ein Bewusstsein dafür, dass mit einem Feuer typischerweise auch andere Schadensursachen einhergingen. So hieß es in Section 12 des Metropolitan Fire Brigade Act 1865: „Any Damage occasioned by the Fire Brigade in the due Execution of their Duties shall be deemed to be Damage by Fire within the Meaning of any Policy of Insurance against Fire.“
Demnach sollten Rettungsmaßnahmen der Feuerwehr, die Schäden hervorriefen ebenfalls durch Versicherer ersatzfähig sein. Der häufigste Fall werden hier wohl Löschschäden gewesen sein. Schließlich ersetzten Versicherer, obwohl dies nie Erwähnung in den Bedingungen fand, wohl auch Schäden, die durch Diebstahl während des Brandes entstanden.303 Im hier zitierten Fall wurde jedenfalls nicht in Frage gestellt, dass der Versicherungsnehmer Anspruch auf Ersatz der diebstahlsbedingten Schäden hätte. Eine weitere Rechtsprechung zu diesem Thema lässt sich indes nicht ausmachen. bb) Negativer Gefahrausschluss Neben der positiven Bestimmung der versicherten Gefahr war es allerdings auch möglich, bestimmte Gefahren wiederum ausdrücklich durch die Bedingungen aus-
301
Zitiert aus Stanley v. Western Insurance Co. (1868) L. R. 3 Ex. 71. Zitiert aus Relton, S. 338; Neben den zitierten Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1816), nach Art. X, lassen sich identische oder nahezu identische Bedingungen auch finden in: Versicherungsbedingungen des Manchester Fire Office (1771), Art. X N. B.; Versicherungsbedingungen der Royal Exchange Assurance (1776), N. B.; Versicherungsbedingungen der Phoenix Assurance Company (1785, 1804, 1815), Nach Art. XIII; Versicherungsprospekt der Alliance British and Foreign Life and Fire Assurance Company (1824), S. 22. 303 Levy v. Baillie (1831) 7 Bing. 349. 302
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zuschließen. Eine sehr populäre Bedingung lässt sich dabei erstmalig in den Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office aus dem Jahre 1727 finden:304 „No Loss or Damage by Fire happening by any Invasion, Foreign Enemy, Civil Commotion, or any Military or Usurped Power whatsoever, is to be made good.“
Die Royal Exchange Assurance und die London Assurance verfügten nahezu zeitgleich bereits über eine fast wortgleiche Regelung, die aber nicht den Bestandteil civil commotion führte.305 In der Folge wurde die Bedingung dahingehend Gegenstand gerichtlicher Aufarbeitung, ob das Anzünden eines durch die London Assurance versicherten Gebäudes durch einen Mob bereits unter die Variante der usurped power zu subsumieren sei und damit die Ersatzfähigkeit des Brandschadens ausschließe.306 Im Ergebnis wurde dies hier verneint, da eine military or usurped power jedenfalls eine „rebellion conducted by some authority“ voraussetzen würde. Dies sei bei einem bloßen Mob noch nicht der Fall gewesen. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bis ins 19. Jahrhundert hatte sich diese Gefahrausnahmeregelung dann umfänglich unter den englischen Versicherern in der von der Sun gebräuchlichen Form etabliert.307 In der Rechtsprechung wurde zwar vorgebracht, dass diese Bedingung ihren Ursprung anlässlich der sogenannten Gordon Riots fand.308 Hierbei handelte es sich um einen protestantischen Aufstand in London im Juni 1780, der auf die Empörung über die Einräumung neuer unter anderem staatsbürgerlicher Rechte an Katholiken durch Gesetze Georges III. zurückzuführen war. Diese Behauptung sollte durch Einsichtnahme des Quellenmaterials gleichwohl widerlegt sein. Naheliegend erscheint es dennoch, dass durch diesen durchaus erheblichen gesellschaftlichen Aufstand, der eine geschätzte Zahl von 40.000 bis 60.000 Protestanten involvierte, die Verwendung der Bedingung noch mehr in das Bewusstsein der Versicherer rückte.
304
Zitiert aus Jenkins/Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 130. Vgl. Versicherungsbedingungen der Royal Exchange Assurance (1726), 10., abgedruckt in: Relton, S. 163 ff.; Versicherungsbedingungen der London Assurance (1734), Art. XIII, abgedruckt in: Relton, S. 173 ff. 306 Hierzu und zum Folgenden Drinkwater v. The London Assurance Company (1767) 1 Bennett 12 ff. 307 Vgl. exemplarisch Versicherungsbedingungen des Manchester Fire Office (1771), Art. VII; Versicherungsbedingungen des New Bristol Fire Office (1777), Art. VII; Versicherungsbedingungen der Phoenix Assurance Company (1785, 1804), Art. III; Versicherungsbedingungen der Globe Insurance Company (1799, 1805), Art. II; Versicherungsbedingungen und Konditionen der West of England Fire and Life Insurance Company (1829), Art. II; Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1855), Art. IX, abgedruckt in: Relton, S. 340 ff. 308 So Hamilton L. J. in London and Manchester Plate Glass Co. v. Heath (1914) 3 K. B. 411. 305
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Zeitgleich mit der Verbreitung in der Praxis wurde die Bedingung auch wieder in der Rechtsprechung thematisiert. So bestimmte Lord Mansfield den Begriff der civil commotion als:309 „… an insurrection of the people for general purposes, not necessarily amounting to a rebellion.“
Die anderen Elemente der Bedingung wurden im 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch nicht ausführlicher diskutiert. Die Literatur der Zeit beschränkte sich im Wesentlichen auf die Wiedergabe der zitierten Entscheidungen.310 In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde dann zusätzlich das Wort riot als Bestandteil der Bedingung diskutiert. Dieses hatte bei manchen Versicherern Eingang in die Bedingung gefunden.311 Hierzu wurde dann ausgeführt, dass es sich um einen technischen Term aus dem Strafrecht handele und er genau in dieser Bedeutung auch im Versicherungsrecht gelte.312 Weitergehende Gefahrausschlüsse variierten unter den Versicherern. Die Bedingungen der Phoenix exkludierten zum Beispiel erdbebenbedingte und wirbelsturmbedingte Feuerschäden von der Ersatzfähigkeit.313 Beide Naturgewalten waren dabei im Vereinigten Königreich nicht allzu präsent. Die Existenz der Bedingung lässt sich aber mit den Aktivitäten der Phoenix auf dem amerikanischen Markt erklären. cc) Gefahränderung, vorvertragliche Anzeigepflichten in Zusammenhang mit der Gefahr und warranties Neben der Charakterisierung der versicherten Gefahr war es aber ebenso naheliegend, dass sich die gefahrerheblichen Umstände änderten. Die Versicherer trafen für diesen Fall jedoch keine weitreichenden Regelungen. Der Fall, der zuerst gesehen wurde, war, dass der Versicherungsnehmer seinen Wohnort änderte.314 Erweitert wurde dies dahingehend, dass der Versicherungsnehmer feuerversicherte Mobilien an einen anderen Ort verbrachte.315 In beiden Fällen musste die Änderung jedenfalls beim Versicherer angezeigt werden.
309
Zitiert aus Langdale v. Mason (1780) 2 Park. 965. Park, S. 588 ff.; Marshall, S. 792 ff.; Annesley, S. 217 ff.; Hughes, S. 511 ff. 311 Vgl. exemplarisch Versicherungsbedingungen der Globe Insurance Company (1799, 1805), Art. II. 312 Bunyon, S. 43; Dowdeswell, S. 103 beide unter Bezugnahme auf die strafrechtliche Definition bei Hawkins, S. 155 ff. 313 Versicherungsbedingungen der Phoenix Assurance Company (1785), Art. VII. 314 Versicherungsbedingungen der Company of London-Insurers (1710), Art. XII, abgedruckt in: Relton, S. 319 ff. 315 Versicherungsbedingungen der Royal Exchange Assurance (1722), 5., abgedruckt in: Relton, S. 160 ff. 310
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Allerdings enthielten die Bedingungen keine genaueren Angaben bezüglich der sich hieraus ergebenden Rechtsfolgen. Erst 1727 regelte die Sun, dass hier der Versicherungsschutz nur weiter bestand „… if the Nature and Circumstance of such Policies is not altered …“.316 Es zeigt sich damit, dass wohl zumindest eine vergleichbare Gefahrenlage vorgelegen haben muss. Die Sun und andere Versicherer verwendeten diese Bedingung auch noch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts,317 während die Royal Exchange Assurance ihre Bedingung änderte und schon abstrakter gestaltete:318 „No Policy is to be extended, or construed to extend to the Assurance of any hazardous Buildings or Goods, unless they are expressly mentioned in the Policy, and the respective Premium for such Assurances be paid for the same.“
Gefahränderungsbedingungen waren aber keinesfalls umfänglich etabliert. Große Versicherer wie die Globe oder auch die Phoenix trafen keine solchen Vorkehrungen.319 Dies überrascht auf den ersten Blick, weil der Versicherungsnehmer im englischen Recht bis heute in Abwesenheit einer entsprechen Regelung im Vertrag nicht zur Anzeige der geänderten Gefahrenlage verpflichtet war und ist und der Versicherer auch keinen der geänderten Gefahrenlage entsprechenden Beitrag verlangen konnte und kann.320 Demzufolge existierte im englischen Versicherungsrecht keinerlei Pflicht des Versicherungsnehmers den Versicherer während der Vertragslaufzeit über gefahrerhebliche Umstände zu unterrichten.321 Tatsächlich stellte dies aber aus zwei Gründen kein Problem dar. Zunächst wurden in England häufig Feuerversicherungsverträge für eine Laufzeit von einem Jahr abgeschlossen.322 Der Vertrag war damit jedes Jahr aufs Neue abzuschließen, wodurch wiederum die vorvertraglichen Anzeigepflichten ebenfalls erneut zu erfüllen waren. Für diese gab es dann sehr ausführliche rechtliche Rahmenbedingungen. Grundlage derselbigen bildete die bereits thematisierte versicherungsrechtliche duty of utmost good faith.323 Kern dieser gesteigerten Treuepflicht gegenüber der anderen Vertragspartei und insbesondere gegenüber dem Versicherer war, dass der 316 Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1727), Art. VIII, abgedruckt in: Jenkins/Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 129 ff. 317 Vgl. Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1794), Art. X, abgedruckt in: Relton, S. 331 ff.; Versicherungsbedingungen des Manchester Fire Office (1771), Art. IX; Versicherungsbedingungen des New Bristol Fire Office (1777), Art. VIII. 318 Zitiert aus Versicherungsbedingungen der Royal Exchange Assurance (1776), Art. XI. 319 Vgl. Versicherungsbedingungen der Phoenix Assurance Company (1785); Versicherungsbedingungen der Globe Insurance Company (1799, 1805). 320 Werber, S. 93. 321 Vgl. Lishman v. Northern Maritime Insurance Co. (1875) L. R. 10 C. P. 181. 322 Siehe S. 44. 323 Hierzu und zum Folgenden siehe S. 58 f.
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Versicherungsnehmer typischerweise wesentlich besser über die gefahrbezogenen Elemente des Rechtsverhältnisses Bescheid wusste und den Versicherer daher auch über diese aufzuklären hatte. Konkretisiert auf den Bereich der vorvertraglichen Anzeigepflichten des Versicherungsnehmers wurde hier wiederum von der obligation of disclosure oder auch duty of disclosure gesprochen. Demzufolge musste der Versicherungsnehmer alle material facts, also jedes Fakt oder jeden Umstand, offenlegen, der bei verständiger Würdigung beeinflussen konnte, ob der Versicherer den Versicherungsvertrag zu den jeweiligen Bedingungen abschloss. Teilte der Versicherungsnehmer dem Versicherer also nicht alle gefahrerheblichen Umstände vor Vertragsschluss mit, führte dies zur Nichtigkeit des Vertrages und grundsätzlich auch zu dessen Rückabwicklung. Lag in der Vorenthaltung der gefahrerheblichen Umstände durch den Versicherungsnehmer ein Betrug, konnte er auch seinen gezahlten Beitrag nicht zurückfordern. Der zweite Grund, der für die geringere Notwendigkeit von Gefahränderungspflichten bestand, waren die sogenannten warranties. Hierbei handelte es sich um Bestimmungen, die typischerweise condition precedent to the liabilty of the insurer, also deren Erfüllung eine Voraussetzung für die Entschädigung durch den Versicherer, war.324 Diese waren dabei abzugrenzen von der representation, die sich aus der duty of utmost good faith ergab.325 Die warranty war Bestandteil des Vertrages und als solche eine Bedingung des selbigen, die vom Versicherer eingeführt wurde, während die aus der allgemeinen Treuepflicht hergeleiteten Pflichten des Versicherungsnehmers auch unabhängig vom Vertragsinhalt bestanden.326 Erfüllte der Versicherungsnehmer die warranty nicht, konnte dies wie schon gezeigt typischerweise die Rechtsfolge haben, dass der Versicherer keine Entschädigung schuldete. Ebenfalls möglich war es aber, dass die Nichterfüllung der warranty die Nichtigkeit des Vertrages nach sich zog. Dies war abhängig von der Auslegung der Bedingung, die die warranty enthielt, nach ihrem konkreten Wortlaut und Sachzusammenhang. Beispielhaft lässt sich hierzu die Bedingung des Sun Fire Office aus dem Jahre 1855 in Augenschein nehmen:327 „… if any Alteration be made in the State of the Buildings or Goods, or Process of Manufacture, after such Insurance shall have been effected, the Insured shall give due Notice thereof, in Writing, to the Office … in Default of such Notice, such Insurance shall become Void, and no Benefit be derived therefrom.“
Hier sieht man also, dass es möglich war, dem Versicherungsnehmer durch die warranty eine Anzeigepflicht bei Gefahränderung aufzuerlegen. Deren Nichtein324
Vgl. Newcastle Fire Insurance Co. v. Macmorran (1815) 3 Dow. 259. Siehe S. 58 f. 326 Hierzu und zum Folgenden vgl. Pawson v. Watson (1778) 2 Cowp. 787 f.; De Hahn v. Hartley (1786) 1 T. R. 345. 327 Zitiert aus Relton, S. 341. 325
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haltung hatte im konkret demonstrierten Beispiel dann die Nichtigkeit des Vertrages zur Folge. dd) Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für die Gefahrverwirklichung Die versicherte Gefahr bestimmt sich allerdings nicht nur über positive und negative Beschreibungen und Abgrenzungen derselbigen. Selbst wenn klar ist, was alles unter den Begriff des Schadens durch Feuer zu subsumieren ist, spielt dennoch das Verhalten des Versicherungsnehmers eine Rolle. In den Bedingungen der Feuerversicherer des 17. Jahrhunderts lässt sich keine diesbezügliche Regelung finden. Die Sun regelte dann 1710, dass Hausbewohner, die im Umkreis des Brandes lebten, selbst keinen Schaden erlitten hatten und mit den Lebensumständen des Versicherungsnehmers vertraut waren, bestätigen sollten, dass „… they do know or believe nothing to the contrary, but that the Sufferer has really and by Misfortune lost by Fire …“.328 Die Union stellte klar, dass keine Entschädigung stattfand, wenn der Schaden durch, in Einvernehmen oder mit Willen des Versicherungsnehmers herbeigeführt wurde.329 Royal Exchange Assurance und London Assurance versicherten zunächst nur „casualties or accidents by Fire“330 und übernahmen dann 1726 die Formulierung „really and by misfortune“ von der Sun,331 die dort bis ins 19. Jahrhundert in den Bedingungen überdauerte.332 Diese Formulierung der Sun verbreitete sich dann in der zweiten Hälfte des 18. und im 19. Jahrhundert auch bei anderen Versicherern.333 Die Phoenix äußerte sich in ihren Bedingungen nicht zu dem Thema. In der Einführung zu selbigen wird allerdings Bezug hierauf genommen:334 „It is hoped … above all, the Honor and Fairness of Sufferers by Fire, in stating the Losses when Accidents arise, will enable the Office at some Period … to furnish the Comforts of Insurance … at a still lower Rate.“
Die Praxis befasste sich also mit der Thematik und forderte, dass ein Unglück oder auch ein Unfall zum Schaden durch Feuer geführt haben musste. Gleichwohl lässt 328 Versicherungsbedingungen der Company of London-Insurers (1710), Art. XI, abgedruckt in: Relton, S. 319 ff. 329 Vgl. Auszug aus der Gründungsurkunde der Union Society (1714), Art. VI. 330 Versicherungsbedingungen der Royal Exchange Assurance (1721), vor 1., abgedruckt in: Relton, S. 158 f.; Versicherungsbedingungen der London Assurance (1722), vor 1. 331 Versicherungsbedingungen der Royal Exchange Assurance (1726), 11., abgedruckt in: Relton, S. 163 ff. 332 Vgl. Versicherungsbedingungen der Royal Exchange Assurance (1815), Art. X. 333 Versicherungsbedingungen des Manchester Fire Office (1771), Art. X; Versicherungsbedingungen des New Bristol Fire Office (1777), Art. IX; Versicherungsbedingungen der Globe Insurance Company (1799, 1805), Art. III. 334 Zitiert aus der Präambel der Versicherungsbedingungen der Phoenix Assurance Company (1785).
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dies nur bedingt Rückschlüsse darüber zu, welche Verhaltensanforderungen sich daraus für den Versicherungsnehmer ergaben. Sehr naheliegend war zunächst, dass eine vorsätzliche Herbeiführung des Schadens durch den Versicherungsnehmer dazu führte, dass keine Entschädigungsleistung erfolgte. Dies bestätigt letztlich auch ein Blick in Literatur und Rechtsprechung. So sahen es die Autoren, die sich im Rahmen der Feuerversicherung zu dieser Thematik überhaupt äußerten, zunächst als selbstverständlich an, dass das Feuer durch einen Unfall herbeigeführt worden sein musste.335 Dies konkretisierend hieß es in der seeversicherungsrechtlichen Rechtsprechung des beginnenden 19. Jahrhunderts, dass der Versicherungsnehmer keine Entschädigung erhielt, wenn sein vorsätzliches Handeln Schadensursache gewesen sei.336 In der feuerversicherungsspezifischen Literatur wurde von Beaumont dann wiederum, erwogen die seeversicherungsrechtlichen Grundsätze zu übertragen.337 Die feuerversicherungsspezifische Rechtsprechung hatte allerdings bereits vorher, ohne Verweis auf die Seeversicherung, letztlich die identische Entscheidung getroffen.338 Teleologisch leuchtet dies auch ein, da der Versicherungsnehmer für die willentliche potenzielle Gefährdung fremden Eigentums und anderer Rechtsgüter wie Leben oder Gesundheit noch belohnt worden wäre, wenn er Entschädigungsleistung erhalten hätte. In Bezug auf die Ersatzfähigkeit bei fahrlässiger Herbeiführung des Schadens durch den Versicherungsnehmer erscheint es zumindest nach dem bloßen Wortlaut der Versicherungsbedingungen nicht ausgeschlossen, dass mit accidents, misfortunes oder auch casualties auch fahrlässige Verhaltensweisen des Versicherungsnehmers gemeint sein konnten. Beaumont, der wiederum der einzige feuerversicherungsspezifische Autor seiner Zeit war, der sich mit der Thematik befasste, wollte abermals die Grundsätze der Seeversicherung anwenden.339 Demnach hätte gross neglect des Versicherungsnehmers zur Leistungsbefreiung des Versicherers geführt. Hinsichtlich leichterer Kategorien der Fahrlässigkeit sei zu differenzieren gewesen. Exemplarisch sollte derjenige, der entgeltlos verwahrte, nicht jenseits seiner eigenüblichen Sorgfalt haften und damit in solchen Fällen weiterhin auch der Versicherungsnehmer ersatzberechtigt gewesen sein. Die Rechtsprechung entschied allerdings abweichend davon, dass jede Form der fahrlässigen Herbeiführung des Schadens irrelevant sei und die Entschädigung daher auch nicht ausgeschlossen hätte.340 Ein abweichendes ergab sich nur aus der Ein-
335 336 337 338 339 340
Beaumont, S. 38; Bunyon, S. 32. Vgl. Horneyer v. Lushington (1812) 15 East. 46; Oswell v. Vigne (1812) 15 East. 70. Beaumont, S. 39. Vgl. Thurtell v. Beaumont (1824) 1 Bing. 339. Hierzu und zum Folgenden Beaumont, S. 38 ff. Vgl. Austin v. Drewe (1815) 4 Camp. 362; Shaw v. Robberds (1837) 6 Ad. & El. 75.
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führung einer warranty,341 also einer vertraglichen Vereinbarung, die die Entschädigung des Versicherers bei fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsnehmers ausschloss. b) Frankreich aa) Positive Gefahrbeschreibung und Kausalitätsanforderungen In der französischen Feuerversicherung war typischerweise von incendie, übersetzen lässt sich dies wohl adäquater mit dem Wort Brand als mit Feuer, die Rede, um die Gefahr des Feuers allgemein positiv für die Versicherung zu erfassen.342 Dabei wurde normalerweise keine Einschränkung getroffen. Mal hieß es toutes sortes des incendies343 oder auch, wie bei der Toulouser Gegenseitigkeitsversicherung des Barrau:344 „De quelque cause que provienne l’incendie … [l’adhérent] a lieu à indemnité …“. „Unabhängig von der Brandursache … erhält das Mitglied Entschädigung …“.
Näher konturiert wurde dies von der Praxis gleichwohl nicht; Erläuterungen lassen sich dann jedoch in der Literatur finden. Demnach wurde für einen ersatzfähigen Schaden gefordert, dass ein feu effectif, also ein tatsächliches Feuer, vorlag.345 Dies war der Fall, wenn embracement oder ignition, also wiederum eine Zündung oder Entzündung, gegeben war und zum Schaden geführt hatte.346 Bloße Hitze reichte dagegen nicht aus.347 341
S. ausführlicher zum Begriff der warranty im Zusammenhang mit der Gefahränderung siehe S. 85 f. 342 Vgl. exemplarisch Versicherungsbedingungen der Compagnie d’assurances générales de Paris (1753), vor Art. I, abgedruckt in: Pouilloux, S. 480 ff.; Versicherungsprospekt der Administration générale d’assurance mutuelle contre les incendies (1798), S. 1, abgedruckt in: Bellenger, S. 413 f.; Statuten der Compagnie d’assurance mutuelle contre l’incendie (1816), Art. 1, abgedruckt in: Quénault, S. 442 ff.; Versicherungspolice der Compagnie générale d’assurance contre l’incendie (1819), Art. 2, abgedruckt in: Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Appendix S. 51 ff.; Versicherungspolice der Compagnie française du Phénix (1819), Art. 1, 2, abgedruckt in: Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Appendix S. 57 ff.; Versicherungspolice der Compagnie royale d’assurances contre l’incendie (1820), Art. 1, 2, abgedruckt in: Quénault, S. 413 ff.; Versicherungspolice der L’Abeille (1867), Art. 1, abgedruckt in: Gallix, S. 431. 343 Versicherungsbedingungen der Compagnie d’assurances générales de Paris (1753), vor Art. I, abgedruckt in: Pouilloux, S. 480 ff. 344 Zitiert aus Versicherungsbedingungen der Société d’assurances réciproques contre l’incendie (1805), Art. XX. 345 Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Rn. 167 f. 346 Boudousquié, Rn. 221; Alauzet, Rn. 448; Philouze S. 72 ff.; später auch die Rechtsprechung: Le Phénix et la Nationale c. Fontaine et la Mutuelle immobilière, Cour d’Appel de Paris (13. August 1872), abgedruckt in: Grün/Joliat, Journal des Assurances 1873, S. 51 ff. 347 Lalante, Rn. 81; Agnel, Rn. 37.
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Aufgestellt wurde also das gleiche Erfordernis wie in der englischen Feuerversicherung. Dies war aber zumindest nicht bloß Zufall oder Folge aus der naturgegebenen Beschaffenheit des Feuers. In diesem Zusammenhang zitierten Grün/Joliat nämlich sogar die englische Literatur:348 „Il faut qu’il y ait feu effectif, ignition pour que l’assuré puisse réclamer le paiement du dommage (Park, chap. 23, pag. 653).“ „Es muss ein tatsächliches Feuer, eine Zündung oder Entzündung geben, damit der Versicherungsnehmer den Schaden geltend machen kann (Park, Kapitel 23, S. 653).“
Bei dem zitierten Werk handelte es sich um einen englischen Kommentar zum Seeversicherungsrecht von Park, der auch oberflächlich Feuerversicherungen diskutierte. Neben incendies versicherten die französischen Versicherer auch gegen die Gefahren durch feu du ciel und teilweise auch Explosionen.349 Wortwörtlich übersetzt sich feu du ciel dabei in Himmelsfeuer, gemeint waren allerdings Schäden durch Blitzeinschlag im Allgemeinen und nicht nur solche, die ein Feuer hervorriefen.350 Ansonsten wäre es obsolet gewesen diese Schäden expressis verbis in die Bedingungen aufzunehmen, da der Versicherer durch das Vorliegen eines effektiven Feuers beziehungsweise einer Zündung oder Entzündung ohnehin zur Entschädigung verpflichtet gewesen wäre. Hieraus wird deutlich, dass letztlich wiederum die identische Konsequenz gezogen wurde wie in England. Solange der Schaden also auf ein Feuer zurückführbar war, war er umfasst, sofern die Bedingungen ihn nicht explizit ausschlossen.351 In abstrakterer oder allgemeinerer Weise wurden Kausalitätsanforderungen an einen Schaden allerdings in der französischen Literatur nicht diskutiert. Dies überrascht in Anbetracht der merklichen Kenntnis von der englischen Literatur durchaus. Tatsächlich zeigt allerdings ein Blick in unsere Zeit, dass hier bis heute 348
Zitiert aus Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Rn. 167. Vgl. Versicherungsbedingungen der Compagnie d’assurances générales de Paris (1753), vor Art. I, abgedruckt in: Pouilloux, S. 480 ff.; Versicherungsprospekt der Administration générale d’assurance mutuelle contre les incendies (1798), S. 1, abgedruckt in: Bellenger, S. 413 f.; Statuten der Compagnie d’assurance mutuelle contre l’incendie (1816), Art. 1, abgedruckt in: Quénault, S. 442 ff.; Versicherungspolice der Compagnie générale d’assurance contre l’incendie (1819), Art. 2, abgedruckt in: Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Appendix S. 51 ff.; Versicherungspolice der Compagnie française du Phénix (1819), Art. 1, abgedruckt in: Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Appendix S. 57 ff.; Versicherungspolice der Compagnie royale d’assurances contre l’incendie (1820), Art. 1, abgedruckt in: Quénault, S. 413 ff.; Versicherungspolice der L’Urbaine (1840), Art. 1, abgedruckt in: Gallix, S. 404; Versicherungspolice der L’Abeille (1867), Art. 1, abgedruckt in: Gallix, S. 431; Versicherungsbedingungen der l’Urbaine (1886), Art. 1, abgedruckt in: Chaufton, S. 356 ff. 350 Hierzu und zum Folgenden Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Rn. 169. 351 Vgl. wiederum Le Phénix et la Nationale c. Fontaine et la Mutuelle immobilière, Cour d’Appel de Paris (13. August 1872), abgedruckt in: Grün/Joliat, Journal des Assurances 1873, S. 51 ff. 349
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kaum ein Bewusstsein für den Problemkreis der Kausalität besteht.352 Seinerzeit bereits ausführlich behandelt wurde lediglich der Fall der Herbeiführung des Schadens durch den Versicherungsnehmer, der allerdings in einem gesonderten Abschnitt Erörterung finden soll.353 In konkreterer Weise wurden nur vereinzelt Themen diskutiert, die letztlich auch Kausalitätsfragen beantworteten.354 Demnach bestand insbesondere Einigkeit, dass auch Schäden, die nicht durch das Feuer selbst, aber durch die Rettung vor dem Feuer entstanden, durch den Versicherer zu ersetzen gewesen seien.355 Boudousquié erläuterte dies ausführlicher und stellte dabei auf eine analoge Anwendung von Art. 393 C. com. ab, bei dem es sich an sich um eine Seeversicherungsregel handelte.356 Die Vorschrift lautete dabei wie folgt: „L’assureur est tenu, en outre, des avaries, frais de déchargement … et de tous autres frais qui auront été faits pour sauver les marchandises, jusqu’à concurrence de la somme assurée.“ „Der Versicherer haftet auch für Schäden, Entladekosten … und alle anderen Kosten, die zur Rettung der Ware entstehen, bis zur Höhe der Versicherungssumme.“
Die Praxis des 19. Jahrhunderts sah für eben jenen Fall zumindest auch vereinzelt Bedingungen vor. Die Phénix und die Compagnie générale 1819 bestimmten dementsprechend:357 „Si les bâtimens assurés par la compagnie sont endommagés ou détruits par ordre de l’autorité pour arrêter les progrès d’un incendie, la compagnie rembourse le dommage.“ „Werden die von der Gesellschaft versicherten Gebäude durch die Behörde, die den Verlauf eines Brandes stoppen soll, beschädigt oder zerstört, erstattet die Gesellschaft den Schaden.“
Nach dem zuvor Besprochenen handelte es sich aber bei dieser Bedingung eher um eine Klarstellung, da es sich schließlich um einen kausalen Schaden durch feu effectif handelte. bb) Negativer Gefahrausschluss Der erste französische Versicherer sah im Jahre 1753 bereits eine Gefahrausschlussregelung vor, die erhebliche Parallelen zur englischen Praxis der damaligen Zeit offenbart:358
352
Vgl. Völker, in: Europäisches Versicherungsvertragsrecht, Bd. 1, S. 530 f. Siehe S. 86 ff. und S. 96 ff. 354 Vgl. die Aufzählung bei Agnel, Rn. 182. 355 Boudousquié, Rn. 230; Hettier, S. 259; Lalante, Rn. 90. 356 Hierzu und zum Folgenden Boudousquié, Rn. 229 ff.; siehe auch zur Anwendung der seeversicherungsrechtlichen Regeln des C. com. auf die Feuerversicherung allgemein S. 67 f. 357 Zitiert aus Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Appendix S. 54, 61. 358 Zitiert aus Pouilloux, S. 482. 353
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„La Compagnie ne sera point garante des pertes ou dommages occasionnés par le feu en cas de siége, ou d’invasions par un ennemi etranger, ou quelqu’autre force supérieure, militaire, ou usurpée; auquel cas on rendroit la Prime aux Assurés.“ „Die Gesellschaft haftet nicht für Verluste oder Schäden, die durch Feuer im Falle einer Belagerung oder Invasion durch einen ausländischen Feind oder eine andere überlegene, militärische oder usurpierte Gewalt verursacht werden; in diesem Fall wird der Beitrag an den Versicherungsnehmer zurückerstattet.“
Diese Regelung ist zwar mit dem Gefahrausschluss englischer Versicherer vergleichbar, weist jedoch einen entscheidenden Unterschied auf. Hinsichtlich der Rechtsfolge handelte es sich nicht nur um den Ausschluss einer bestimmten Brandgefahr aus dem Versicherungsvertrag. Vielmehr wurde eine bestimmte Bedingung gesetzt, die zum Ende des Versicherungsverhältnisses führte und die Rückerstattung des gezahlten Beitrages an den Versicherungsnehmer nach sich zog. Erst im Jahre 1816 lässt sich danach wieder eine solche Bedingung bei der Compagnie d’assurance mutuelle feststellen:359 „Cette Société … a pour unique projet de garantir … des dommages et risques que pourrait causer l’incendie … Ne sont compris dans la présente assurance … tous incendies provenant soit d’invasion, soit de commotion ou émeute civile, soit enfin de force militaire quelconque.“ „Dieses Unternehmen … hat als einziges Projekt die Deckung … von Schäden und Risiken, die durch das Feuer verursacht werden könnten … Nicht in dieser Versicherung enthalten, sind … Brände, die durch Invasion, Unruhen oder zivilen Aufstand oder schließlich durch irgendeine Art militärischer Gewalt verursacht wurden.“
Genau wie bei der ersten französischen Feuerversicherung aus dem Jahre 1753 erinnert diese Bedingung stark an die Gefahrausnahmeregelung der englischen Versicherer. Gleichwohl wich der Wortlaut ab und es wurde auch keine vergleichbare Rechtsfolgenanordnung getroffen. Dementsprechend handelte es sich hier tatsächlich um eine bloße Gefahrausnahmebedingung. Grün/Joliat erläuterten noch, dass eine solche Regelung in mehreren Ländern, unter anderem auch in England, existierte.360 Spätere Autoren konstatierten bloß noch die Existenz der Bedingung.361 Die allgemeine Zulässigkeit dieser Gefahrausnahmebedingungen wurde kaum diskutiert. Teilweise wurde hier auf die bereits vorhandene Seeversicherungsliteratur des 18. Jahrhunderts abgestellt,362 oder auch schlicht auf Grundsätze der Privatautonomie verwiesen.363 Jedenfalls sei die Bedingung zulässig gewesen.
359 360 361 362 363
Zitiert aus Quénault, S. 442 f. Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Rn. 174. Exemplarisch Agnel, Rn. 92. Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Rn. 174. Persil, Rn. 20.
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Diese Gefahrausnahmebedingung etablierte sich dann bis 1820 in unterschiedlichen Spielarten auch bei den übrigen Versicherern auf dem französischen Markt,364 und war auch bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts sehr weit verbreitet.365 Die französische Praxis gebrauchte damit eine Bedingung, die sehr viel früher schon in der englischen Praxis in sehr ähnlicher Form verwendet wurde. Gleichwohl wurde nicht in der gleichen Intensität über die Auslegung der Inhalte gestritten.366 cc) Gefahränderung und vorvertragliche Anzeigepflicht in Zusammenhang mit Gefahr Die erste französische Gesellschaft, die eine Gefahränderungsregelung in ihre Bedingungen inkorporierte, war die Compagnie royale 1786. Die Regelung befasste sich mit dem Fall, dass eine versicherte Immobilie anders genutzt wurde als zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses und hierdurch eine erhöhte Brandgefahr bestand.367 Dies hatte zur Folge, dass der Versicherungsschutz erlosch, soweit sich der Versicherungsnehmer nicht in Anbetracht der neuen Gefahrenlage mit der Compagnie royale auf einen angepassten Beitrag einigte. Die nächste Gefahränderungsregel befand sich dann erst 1819 in den Bedingungen der Compagnie générale:368 „Avant de faire dans les bâtimens assurés ou renfermant des objets assurés ou à leur proximité, des changemens, des constructions qui multiplient ou aggravent les risques, – avant d’y établir une fabrique, une usine, une manipulation ou une profession dangereuse, – avant d’introduire dans tout bâtiment, fabrique ou usine, des denrées, des marchandises ou des objets quelconques, qui par leur nature, accumulation, ou accroissement de manipulation, augmentent les chances d’incendie, – avant de transporter les objets assurés dans d’autres lieux que ceux désignés par la police; L’assuré est tenu d’en consigner la déclaration au bureau de la compagnie, de la faire mentionner sur sa police, et de payer, s’il y a lieu, une augmentation de prime proportionnée à la gravité du nouveau risque, soit que les changemens opérés, proviennent de son fait, soit qu’ils proviennent du fait de ses fermiers ou locataires.“ 364 Vgl. Versicherungspolice der Compagnie générale d’assurance contre l’incendie (1819), Art. 2, abgedruckt in: Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Appendix S. 51 ff.; Versicherungspolice der Compagnie française du Phénix (1819), Art. 2, abgedruckt in: Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Appendix S. 57 ff.; Versicherungspolice der Compagnie royale d’assurances contre l’incendie (1820), Art. 2, abgedruckt in: Quénault, S. 413 ff. 365 Vgl. exemplarisch Versicherungsbedingungen der Compagnie du Soleil (1829), Art. 2, abgedruckt in: Persil, S. 433 ff.; Versicherungspolice der L’Urbaine (1840), Art. 2, abgedruckt in: Gallix, S. 404; Versicherungspolice der La Paternelle (1856), Art. 2, abgedruckt in: Gallix, S. 414; Versicherungspolice der L’Abeille (1867), Art. 3, abgedruckt in: Gallix, S. 431; Versicherungsbedingungen der l’Urbaine (1886), Art. 2, abgedruckt in: Chaufton, S. 356 ff. 366 Siehe zur ausführlichen Ausgestaltung durch die Rechtsprechung in England S. 81 ff. 367 Hierzu und zum Folgenden vgl. Versicherungsbedingungen der Compagnie royale d’assurances contre les incendies (1786), Art. VII, abgedruckt in: Pouilloux, S. 527 ff. 368 Zitiert aus Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Appendix S. 52.
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„Vor Änderungen oder Konstruktionen in oder in der Nähe von versicherten Gebäuden oder Gebäuden, die versicherte Gegenstände enthalten, die die Risiken vervielfachen oder verschärfen, – vor der Errichtung einer gefährlichen Fabrik oder eines gefährlichen Betriebes, vor der Verübung einer gefährlichen Handhabung oder eines gefährlichen Berufs, – vor der Einführung von Lebensmitteln, Waren oder Gegenständen in Gebäude, Fabriken oder Betriebe, die aufgrund ihrer Art, Anhäufung oder Erhöhung die Brandgefahr erhöhen, – vor dem Transport der versicherten Gegenstände an andere als die in der Police vorgesehenen Orte, ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, die Erklärung [hierüber] bei der Geschäftsstelle der Gesellschaft zu hinterlegen, es auf seiner Police vermerken zu lassen und gegebenenfalls eine Prämienerhöhung proportional zur Schwere des neuen Risikos zu zahlen, entweder weil die vorgenommenen Änderungen von ihm stammen oder weil sie von seinen Landwirten oder Mietern stammen.“
Diese Vorschrift regelte den Fall der Gefahrerhöhung durch bauliche Maßnahmen an und um die Immobilie, durch abweichende Nutzungen der Immobilie und durch Verbringung von Mobilien an andere Orte beziehungsweise in andere Immobilien. Der Gehalt blieb damit zwar ein ähnlicher, erreichte aber ein neues Maß der Ausdifferenzierung und Reichweite. Neben der angepassten Beitragszahlungspflicht sah die Compagnie générale auch noch weitere Rechtsfolgen vor:369 „… la compagnie se réserve le droit de résilier la police par une simple notification, et les primes payées ou échues lui demeurent acquises. Faute de ces déclarations et de leur mention sur la police, l’assuré … n’[a] droit en cas d’incendie à aucune indemnité.“ „Die Gesellschaft behält sich das Recht vor die Police durch einfache Benachrichtigung [gegenüber dem Versicherungsnehmer] zu kündigen und die bezahlten oder fälligen Beiträge stehen der Gesellschaft zu. Ohne solche Angaben und deren Erwähnung in der Police hat der Versicherungsnehmer … keinen Anspruch auf Entschädigung im Brandfall.“
Es knüpften sich damit wesentlich weitreichendere Rechtsfolgen an die Gefahrerhöhung. Neben dem Verlust des Versicherungsschutzes wurde der Gesellschaft ein besonderes Kündigungsrecht eingeräumt. Zudem erfolgte auch keine Beitragsrückzahlung. Die Phénix und die Compagnie royale 1820 machten dann von einer sehr ähnlichen Vorschrift gebrauch, die identische Rechtsfolgen vorsah,370 bis schließlich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts laut Literatur jeder französische Versicherer eine solche Bedingung verwendete.371 Wahrscheinlich insbesondere aufgrund der flächendeckenden Verbreitung lässt sich durch Blick in die zitierte Literatur nicht klar beantworten, ob den Versicherungsnehmer auch ohne eine entsprechende Bedingung Pflichten in Bezug auf die Gefahränderung trafen.
369
Zitiert aus Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Appendix S. 53. Vgl. Versicherungspolice der Compagnie française du Phénix (1819), Art. 6, abgedruckt in: Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Appendix S. 57 ff.; Versicherungspolice der Compagnie royale d’assurances contre l’incendie (1820), Art. 6, abgedruckt in: Quénault, S. 413 ff. 371 Hettier, S. 247; Lalante, Rn. 271. 370
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Andere Autoren brachten dagegen vor, dass dem Versicherer zumindest jederzeit ein besonderes Kündigungsrecht hinsichtlich des Versicherungsvertrages zugestanden hätte und er zudem für einen Schaden nach Eintritt einer Gefahrerhöhung nicht hätte einstehen müssen, während der Versicherungsnehmer jene Erhöhung in der Gefahr beim Versicherer anzuzeigen gehabt hätte.372 Wieder andere sahen ebenfalls eine Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers, beurteilten aber die Rechtsfolge abweichend und sahen den Vertrag von der Erhöhung der Gefahr an als ex nunc nichtig an, wenn die Vertragsbedingungen nichts anderes vorschrieben.373 Pouget verwies in diesem Zusammenhang auf Art. 348 C. com., der sich nicht ausdrücklich mit der Gefahrerhöhung befasste, aber auf diesen Fall angewendet werden sollte.374 Ansonsten war es allgemein schwierig zu beurteilen, wie die Autoren dieses Ergebnis rechtlich herleiteten. Insbesondere fanden wenige Verweise auf die Rechtsprechung statt, was sich aber wohl wieder mit der starken Prägung dieses Themenkreises durch die ausführlichen Bedingungen der Praxis erklären lässt. Passend erscheint in diesem Zusammenhang die Anmerkung von Bonneville de Marsagny zu einem Urteilsspruch, der davon ausging, dass durch eine Gefahrerhöhung eine Suspendierung des Versicherungsverhältnisses stattfand und nach Beseitigung der Gefahrerhöhung das Versicherungsverhältnis schlicht fortgesetzt werden konnte:375 „Nous ne croyons pas cette solution en droit strict. Du moment qu’il y a aggravation des risques, il y a suspension du contrat, mais à la charge par l’assuré d’avertir la Compagnie. Le contrat ne saurait recommencer a produire effet, par la seule cessation de l’aggravation des risques. Il faut qu’il intervienne un accord nouveau entre l‘assureur et l’assuré. Si aucun accord n’est intervenu, l’assuré doit être déclaré déchu de ses droits à l’indemnité. Il est vrai d’ajouter que l’arrêt que nous rapportons se fonde, pour statuer sur une clause spéciale de la police soumise à son examen et sur les circonstances particulières de la cause.“ „Wir glauben nicht, dass diese Lösung streng genommen dem Recht entspricht. Solange sich die Gefahr verschärft, wird der Vertrag suspendiert, aber der Versicherungsnehmer ist dafür verantwortlich, die Verschärfung der Gefahr bei der Gesellschaft anzuzeigen. Der Vertrag kann nicht durch bloße Einstellung der Verschärfung der Gefahr wieder aufgenommen werden. Zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer muss eine neue Vereinbarung getroffen werden. Ist keine Einigung erzielt worden, muss der Verfall der Entschädigungsansprüche des Versicherungsnehmers erklärt werden. Es stimmt, dass das von uns berichtete Urteil auf einer speziellen Bedingung der Police, die Gegenstand dieser gerichtlichen Überprüfung ist, und auf den besonderen Umständen des Falles beruht.“
Diese Urteilsanmerkung offenbart zweierlei Problem. Einerseits hatten die Urteile, die sich mit der Gefahrerhöhung befassten, häufig eben jene Bedingungen der
372
Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Rn. 231; Persil, Rn. 158; Agnel, Rn. 105. Boudousquié, Rn. 365; Pouget, Bd. 1, S. 91. 374 Pouget, Bd. 1, S. 91. 375 Urteilsanmerkung zu Compagnie l’Urbaine c. Knapp, Cour de Colmar (3. Februar 1863), in: Bonneville de Marsagny, Teil 2, S. 263. 373
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Versicherer zur Gefahrerhöhung zum Gegenstand,376 was in Anbetracht der großen Verbreitung dieser Bedingungen nicht weniger als die logische Konsequenz war. Dies bedingte dann andererseits, dass keine wirklich eindeutige dogmatische Lösung von der Rechtsprechung vorgegeben wurde, da stets die Auslegung der Bedingungen der Versicherer im Vordergrund stand. Allgemein lässt sich allerdings zumindest festhalten, dass jedenfalls eine Pflicht des Versicherungsnehmers bestand, Gefahrerhöhungen beim Versicherer anzuzeigen. Dies führte dann jedenfalls auch dazu, dass der Versicherungsnehmer nicht mehr ohne Weiteres Entschädigung erlangen konnte. Was die geschuldete Beitragszahlung anbelangte, kam es auf die vertretene Auffassung an. Ging man nur von einem besonderen Kündigungsrecht des Versicherers aus, war der Beitrag wohl in Ermangelung der Kündigung und ohne Bedingung, die eine Beitragsanpassung vorsah, in gleicher Höhe weiter zu zahlen. Endete der Vertrag hingegen mit dem Eintritt der Gefahrerhöhung – unabhängig davon, ob man von einer ex nunc Nichtigkeit oder einer bloßen Suspendierung des Versicherungsverhältnisses ausging – verblieben die fällig gewordenen Beitragszahlungen beim Versicherer. Neben der eigentlichen Gefahrerhöhung während des Vertrages und den damit einhergehenden Pflichten des Versicherungsnehmers darf aber auch der vorvertragliche Bereich nicht außer Acht bleiben. Bereits gezeigt wurde, dass es sich in England hierbei um den wesentlich bedeutsameren Pflichtenkreis handelte, da grundsätzlich keine Gefahränderungspflichten des Versicherungsnehmers bestanden.377 In Frankreich gab es zwar Gefahränderungspflichten, allerdings ebenso vorvertragliche Pflichten den Versicherer allgemein über gewisse Umstände des Versicherungsverhältnisses aufzuklären. Verletzte der Versicherungsnehmer diese vorvertragliche Aufklärungspflicht, lag ebenfalls eine sogenannte réticence vor.378 Es handelte sich hierbei um eine allgemeine Aufklärungspflicht des Versicherungsnehmers hinsichtlich bestimmter versicherungsrelevanter Umstände. Zu diesen Umständen zählte vermöge der Bedingungen der französischen Versicherer und des Art. 348 C. com. auch die Aufklärung über gefahrrelevante Umstände.379 Rechtsfolge der réticence war, dass das zuständige Gericht durch Urteil die Nichtigkeit des Vertrages herbeiführen konnte, die zur grundsätzlichen Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses unter Rückgewehr des gezahlten Beitrages führte. Dem Versicherer verblieb gleichwohl die Möglichkeit, etwaige Sekundäransprüche gegen den Versicherungsnehmer geltend zu machen. 376
Vgl. auch Bellemère c. Compagnie la Clémentine, Cour de Rouen (15. Juli 1872), abgedruckt in: Bonneville de Marsagny, Teil 2, S. 430; Girardin c. Compagnie La Paix, Cour de Paris (12. Juni 1877), abgedruckt in: Bonneville de Marsagny, Teil 2, S. 548. 377 Siehe S. 84. 378 Siehe im Zusammenhang mit dem Interessemangel zur réticence S. 72 f. 379 Lalante, Rn. 215.
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Ebenso wie bei der Thematik der Falschbezeichnung des Interesses war es aber auch hier denkbar, dass die mangelnde Aufklärung durch den Versicherungsnehmer auf einen Betrug desselbigen zurückzuführen war.380 Dann konnte der Versicherungsnehmer auch seinen geleisteten Beitrag nicht zurückfordern, da sich nur der Versicherer auf die Nichtigkeit berufen durfte. dd) Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für die Gefahrverwirklichung Die Bedingungen der Compagnie d’assurances générales schrieben vor, dass eine Entschädigung nur stattfindet, wenn der Schaden auf einen „cas d’accident“ zurückzuführen ist.381 Dass es sich also um einen Unfall gehandelt haben muss, klärt nicht abschließend, ob neben Fällen der vorsätzlichen Schadensherbeiführung durch den Versicherungsnehmer auch Fahrlässigkeit zur Leistungsbefreiung des Versicherers führte. Während für die Compagnie des eaux selbiges galt,382 fand sich in den Bedingungen der Compagnie royale keinerlei Aussage, die sich mit der Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers befasste. Tatsächlich setzte sich dieser Trend dann lange Zeit fort. Selbst in den Bedingungen der Compagnie générale 1819 und der Compagnie royale 1820 gab es lediglich eine allgemeine Sorgfaltspflichtregelung für versicherte Sachen,383 aber keine Anordnung für die Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers. Rechtsprechung und Literatur des 19. Jahrhunderts entwickelten hier gleichwohl umfassende Grundsätze. Zunächst wurde unterschieden zwischen einem cas fortuit, also einem zufälligen Fall, und einem fait de l’homme, also einem menschlichen Handeln, unterschieden um die möglichen Schadensursachen zu charakterisieren.384 Ein cas fortuit war stets ersatzfähig durch den Versicherer, während bei einem fait de l’homme wiederum unterschieden wurde. Beruhte der Schaden auf einem Feuer, welches der Versicherungsnehmer durch die Begehung einer Straftat herbeigeführt hatte, war der Schaden nicht ersatzfähig.385 Genau so wenig war ein Schaden ersatzfähig, den der Versicherungsnehmer vorsätzlich herbeiführte.386 380
Siehe ebenfalls beim Interessemangel S. 73 f. Versicherungsbedingungen der Compagnie d’assurances générales de Paris (1753), vor Art. I, abgedruckt in: Pouilloux, S. 480 ff. 382 Vgl. Versicherungsprospekt der Compagnie des eaux (1786), vor 1., abgedruckt in: Bellenger, S. 378 ff. 383 Vgl. Versicherungspolice der Compagnie générale d’assurance contre l’incendie (1819), Art. 12 abgedruckt in: Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Appendix S. 51 ff.; Versicherungspolice der Compagnie royale d’assurances contre l’incendie (1820), Art. 13, abgedruckt in: Quénault, S. 413 ff. 384 Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Rn. 170. 385 Lalante, Rn. 107. 386 Ebd., Rn. 108. 381
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Schwieriger gestaltete sich die Beurteilung der Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers, wenn ein faute de l’assuré, also im engeren Wortsinn ein Fehler des Versicherungsnehmers, vorlag. An diesem engeren Wortsinn hafteten auch Übersetzungen ins Deutsche aus dem frühen 19. Jahrhundert.387 Ebenso möglich erscheint es jedoch in diesem Zusammenhang von Fahrlässigkeit zu sprechen. Wirft man einen Blick in die Seeversicherungsregeln des Code de commerce, die grundsätzlich analog für die Feuerversicherung galten,388 so normierte Art. 352 C. com. hierzu folgendes: „… les dommages causés par le fait et faute des propriétaires … ne sont point à la charge des assureurs.“ „… Schäden, die durch das Handeln oder die Fahrlässigkeit der Eigentümer … verursacht werden, werden nicht durch die Versicherer ersetzt.“
Grün/Joliat und Quénault wollten diese Regel im Jahre 1828 auch noch analog auf Feuerversicherungen anwenden.389 Andere Autoren waren allerdings in den Folgejahren bereits gegenteiliger Auffassung.390 Bis schließlich die einhellige Meinung war, dass Art. 352 C. com. keine Analogiefähigkeit besaß.391 Begründet wurde dies mit der abweichenden Natur von See- und Feuerversicherung. Erstere Verträge wären gerade abgeschlossen worden, um sich gegen die vielgestaltigen Gefahren des Meeres zu versichern, wo ein Schaden, der unabhängig von menschlichem Handeln eintrat, wesentlich häufiger gewesen sei, als in der Feuerversicherung. Dort hingegen, sei es sehr viel naheliegender gewesen, dass ein menschliches Handeln dem Schaden als Ursache zu Grunde gelegen hätte, wodurch ein Feuerversicherungsvertrag unter grundsätzlichem Ausschluss einer Fahrlässigkeitshaftung des Versicherers sinnentleert gewesen sei. Dennoch wurde es als zulässig erachtet, wenn der Versicherer die Haftung für den faute de l‘assuré vermöge seiner Bedingungen ausnahm.392 In Ermangelung einer solchen Bedingungen galten aber eigens erarbeitete, abweichende Grundsätze. Hier wurde zunächst innerhalb des faute de l’assuré zwischen dem schweren oder auch groben Fehler oder groben Fahrlässigkeit, dem faute lourde oder auch faute grave und dem faute légère, dem normalen oder auch leichten Fehler beziehungsweise der normalen oder leichten Fahrlässigkeit unterschieden,393 wobei es auch noch weitere Abstufungen innerhalb dieser Kategorien gab, die aber typischerweise im versicherungsspezifischen Kontext nicht eingehender ausgeführt 387 388 389 390 391 392 393
S. beispielsweise Fleischer zu Art. 352 C. com. Siehe S. 67 f. Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Rn. 160; Quénault, Rn. 55. Boudousquié, Rn. 293; Persil, Rn. 15 f. Hierzu und zum Folgenden ausführlich Agnel, Rn. 41. Persil, Rn. 15; Lalante, Rn. 111. Boudousquié, Rn. 293.
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wurden und eher Gegenstand der allgemein zivilrechtlichen Literatur waren.394 Deswegen soll eine ausführlichere Darstellung auch hier unterbleiben. Lag nun ein faute lourde vor, hatte der Versicherer ohne eine gegenteilige Bedingung im Versicherungsvertrag keine Entschädigung zu leisten.395 Dem schloss sich auch die Rechtsprechung an.396 Schwierig war es allerdings nach wie vor zu konturieren, was eigentlich einen faute lourde darstellte. Die Rechtsprechung legte sich insofern kaum fest und führte keine abstrakte Definition ein, sondern folgte eher einer Einzelfallbetrachtung unter dem Gesichtspunkt, dass die Schwere des Fehlers so gravierend gewesen sein musste, dass dies einem Vorsatz gleichgekommen wäre. Agnel ging dagegen von einem faute lourde aus:397 „… si le dommage a été causé par une négligence telle qu’il est impossible de croire que le propriétaire d’une chose s’en fût rendu coupable, si cette chose n’avait pas été assurée.“ „… wenn der Schaden durch eine solche Fahrlässigkeit verursacht wurde, dass es unmöglich ist, zu glauben, dass der Eigentümer einer Sache sie begangen hätte, wenn diese Sache nicht versichert gewesen wäre.“
Abrundend fügte Lalante, der sich auch der Kategorisierung Agnels bediente, noch hinzu:398 „En somme, tout ce qu’on exige de l’assuré, c’est cette prudence ordinaire qu’on est en droit d’attendre même de l’homme le moins soigneux: de telle sorte que la faute lourde ne se distingue guère du délit que par l’absence d’intention de nuire.“ „Kurz gesagt, alles, was vom Versicherungsnehmer verlangt wird, ist diese gewöhnliche Vorsicht, die auch vom unvorsichtigsten Menschen erwartet werden kann: so dass sich grobe Fahrlässigkeit kaum von Verbrechen unterscheidet, außer durch das Fehlen von Vorsatz.“
Diese Einschätzung korrespondierte auch durchaus mit der Einzelfallbewertung der Rechtsprechung. Als faute lourde wurde unter anderem das stark übertriebene Anfeuern einer Dampflokomotive mit nebenstehendem Stroh, welches besonders entzündlich war, bewertet.399 Dagegen lag noch kein faute lourde vor, als Öl in einen Keller verbracht wurde und während des Transports eine entzündete Lampe mit-
394
Vgl. ausführlich hierzu Pouget, Bd. 1, S. 315 ff. Boudousquié, Rn. 293 f.; Agnel, Rn. 41; Lalante, Rn. 113. 396 Vgl. hierzu und zum Folgenden Commesnil c. Compagnie le Palladium, Cour d’Appel de Paris (23. August 1851), abgedruckt in: Sirey, 1851, Teil 2, S. 645 f.; Compagnie d’assurance terrestre l’Ancienne Mutuelle c. Hersent et Lebatard, Cour de Cassation (18. April 1882), abgedruckt in: Sirey, 1882, Teil 1, S. 245 f. 397 Agnel, Rn. 41. 398 Lalante, Rn. 113. 399 Fléchet c. Compagnie l’Union, Cour de Grenoble (17. Juni 1870), abgedruckt in: Bonneville de Marsagny, Teil 2, S. 391 f. 395
B. Elemente der Einräumung des Versicherungsschutzes
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geführt wurde, die letztlich in Kontakt mit dem Öl kam und zu einer feuerverursachenden Explosion führte.400 c) Ergebnis: Eigenständige Pflichtkreise um die versicherte Gefahr und Gefahrausnahmebedingung als einzig nennenswerte Überschneidung Die auffälligste Parallele zwischen der englischen und französischen Historie im Bereich der versicherten Gefahr stellt die Gefahrausnahmebedingung für Kriegs-, Aufstands- und Aufruhrschäden dar. Insbesondere die Bedingung des frühesten französischen Versicherers erinnert dabei in besonderem Maße an die englische Praxis, zu der hier fast ein wortwörtlicher Gleichlauf bestand. Im Übrigen fällt es schwer von Überschneidungen zu sprechen. Zwar zitierte zur Auslegung der versicherten Gefahr ein früher französischer Kommentar zur Feuerversicherung englische Literatur. Letztlich kann man die Bestimmung des Feuers als versicherte Gefahr unter Zurückführung auf eine Zündung oder Entzündung allerdings auch einfach als mit Blick auf die Natur des Feuers naheliegendstes Ergebnis betrachten. Hinsichtlich des rechtlichen Rahmens der versicherten Gefahr kann man dann wirklich von vollständig zu trennenden Entwicklungen ausgehen. Die Diskussion um die in beiden Ländern präsente Gefahrausnahmeregelung wurde in England in sehr viel ausführlicherer Weise geführt. Dort war die Auslegung der einzelnen Ausnahmen integraler Bestandteil der rechtswissenschaftlichen Diskussion und der Rechtsprechung. Dies war in Frankreich zwar auch, aber nicht in diesem Maße der Fall. Während in England häufig schon gar keine Gefahränderungsregelungen im eigentlichen Sinne bestanden, gab es in Frankreich Regelungen der Versicherer sowie auch unabhängig hiervon rechtlich hergeleitete Pflichten des Versicherungsnehmers. Umfassend wurde hier eine Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers gesehen, deren Nichteinhaltung mit nachteiligen Konsequenzen bezüglich seines Versicherungsschutzes verbunden war. Daneben bestand in Frankreich wie in England auch bereits bei Vertragsschluss eine Aufklärungspflicht für gefahrerhebliche Umstände. In Frankreich erlangte diese aber letztlich völlig andere praktische Bedeutung, wo es nicht gängige Praxis war, dass Verträge nur für eine einjährige Laufzeit geschlossen wurden. Die vorvertraglichen Pflichten lebten dann nicht stets wieder auf und mussten nicht abermals erfüllt werden. Im Themenkreis um die Herbeiführung des Schadens durch den Versicherungsnehmer lag die einzige Übereinstimmung in der Abwendung vom seeversicherungsrechtlichen Vorbild. Ansonsten wurde in England – ohne gegenteilige Bedin400 Société d’assurances mutuelles du Mans c. Hubert-Launay, Cour de Cassation (23. März 1875), abgedruckt in: Sirey, 1875, Teil 1, S. 251 f.
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gung – jede Fahrlässigkeit als irrelevant eingestuft, weshalb hier stets Ersatz vom Versicherer erlangt werden konnte. Dagegen wurde in Frankreich zwischen verschiedenen Graden der Fahrlässigkeit differenziert, wodurch die Kategorie der faute lourde besondere Bedeutung erlangte, da sie den Anspruch des Versicherungsnehmers auf Entschädigung ausschloss. 3. Schadensanzeige Viele der geltenden europäischen Rechtsordnungen weisen Regelungen auf, welche die Anzeige des Schadens des Versicherungsnehmer gegenüber dem Versicherer vorschreiben.401 Dieses Erfordernis liegt nicht nur im Interesse des Versicherungsnehmers, um sein Leistungsbegehren auszudrücken, sondern ermöglicht dem Versicherer zeitnah den angezeigten Schaden zu evaluieren. Zwar erscheint es nicht unbedingt notwendig, dass solche Vorschriften bestehen. Jedoch ist die Kenntniserlangung des Versicherers denklogische Voraussetzung für die Entschädigungsleistung des selbigen. Insofern erscheint diese Thematik auch in historischem Zusammenhang erörterungswürdig. a) England In den Anfängen der Feuerversicherung regelten das Fire Office und die Corporation of London die Schadensanzeige nicht. Die Friendly verlangte dann, dass ihre Mitglieder den Schaden – ohne hierfür genauere Anforderungen oder Fristen vorzuschreiben – anzeigten.402 Dies hatte im Wesentlichen den Grund, dass danach Handwerker von der Gesellschaft beauftragt werden konnten, die den vermeintlich ersatzfähigen Schaden ermittelten. Um sicher zu stellen, dass die Evaluation dem tatsächlich erlittenen Schaden gleichkam, mussten diese Handwerker vertraglich verpflichtet werden, die Wiederherstellung des Bauwerkes zu dem ermittelten Betrag vorzunehmen. Dem Mitglied war es dann möglich, von diesen handwerklichen Gutachtern Gebrauch zu machen. Die 12 Jahre später gegründete Hand in Hand verwendete eine nahezu identische Regelung.403 Die Ursprungsbedingungen der Sun stellten dann eine durchaus beachtliche Weiterentwicklung zu Beginn des 18. Jahrhunderts dar, indem sie die Anforderungen an die Schadensanzeige durch den Versicherungsnehmer genauer konturierten:404 „Every Sufferer must make out his or her Loss by Oath before a Judge or Master in Chancery … within Ten Days after the Fire and carry that Affidavit to the Minister or 401
Basedow/Fock, in: Europäisches Versicherungsvertragsrecht, Bd. 1, S. 92. Hierzu und zum Folgenden Versicherungsbedingungen der Friendly Society (1684), Artt. XI f., abgedruckt in: Jenkins/Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 73 ff. 403 Satzung der Hand in Hand (1696), Artt. 26 f., abgedruckt in: Walford, Insurance Cyclopaedia, Bd. 5, S. 634 ff. 404 Zitiert aus Relton, S. 320. 402
B. Elemente der Einräumung des Versicherungsschutzes
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Church-wardens of the Parish in which the Fire broke out; and some other eminent Housekeepers of the said parish, especially such as live near the Place where the Fire began, but have themselves sustained no damage thereby; and are best acquainted with the Person, Reputation and Circumstances of the said Sufferer who shall sign a Certificate that they do know and believe nothing to the contrary, but that the Sufferer has really and by Misfortune lost by Fire the Sum mentioned in his or her Affidavit.“
Diese Bedingung enthält eine – zugegebenermaßen kurz bemessene – Anzeigefrist von zehn Tagen. Der Versicherungsnehmer musste zudem eine eidesstaatliche Erklärung vor einem Richter oder dem Master of Chancery abgeben. Bei letzterem Amt handelte es sich um eine Art Gerichtsdiener des Court of Chancery, der Teil der equity, also der englischen Billigkeitsrechtsprechung war, um nach den formalen Regeln des common law gefundene Urteile, die unrecht erschienen, aus Billigkeitserwägungen aufheben und berichtigen zu können.405 Nicht ausreichend war es damit, dass der Versicherungsnehmer den Versicherer vom schädigenden Ereignis in Kenntnis setzte. Die Nichteinhaltung der Anforderungen, die die Bedingung aufstellte, führte dann dazu, dass der Versicherungsnehmer keine Entschädigungsleistung erlangen konnte.406 Für den Versicherungsnehmer wäre es häufig schwer gewesen zu beweisen, dass er den Brand nicht zu verantworten hat. Angesichts zu weit reichender Beweisanforderungen hätten wohl viele potenzielle Versicherungsnehmer von einer Versicherung Abstand genommen. Umgekehrt bestand aber auch ein berechtigtes Interesse des Versicherers sich davon zu überzeugen, dass die Voraussetzungen für eine Ersatzfähigkeit des Schadens wirklich erfüllt waren. Insofern wurde zumindest versucht dieser Ungewissheit durch die Glaubwürdigkeit von Jurisprudenz, dem örtlichen Klerus und dem Leumundszeugnis von Angehörigen der örtlichen Gemeinschaft, in der der Versicherungsnehmer verwurzelt war, zu begegnen. Gerade der Bezug zur Kirche überrascht dabei vor dem Hintergrund der Religiosität von Charles Povey, dem Gründer der Sun, nicht.407 Letztlich kam dem Kirchenangehörigen, der mit der Sache befasst war, damit eine nicht unerhebliche Macht zu, da, wie die Rechtsprechung später entschied, sein Mitwirken unabdingbar war und somit unumstößliche Voraussetzung der Entschädigung wurde. Dies galt selbst, wenn der Kirchenangehörige verweigerte das Dokument auszustellen, weil er den Versicherungsnehmer schlicht nicht kannte.408 Die Union, die Royal Exchange Assurance und die London Assurance stützten die Schadensanzeige in den Folgejahren weitgehend auf die gleichen Elemente wie die
405
Zur Entstehung der Courts of Chancery und der Ämter der Master Hoffman, S. V ff.; siehe auch Walker, S. 202 f.; Grant, S. 9 ff.; Blake, S. VIII ff. 406 Worsley v. Wood (1796) 6 T. R. 710; Mason v. Harvey (1853) L. R. 8 Ex. 819; Roper v. Lendon (1859) 5 Jur. N. S. 491. 407 Vgl. Dickson, S. 17 f. 408 Worsley v. Wood (1796) 6 T. R. 710.
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Sun.409 Abweichungen ergaben sich in Bezug auf die Anzeigefrist. Hier sahen die Gesellschaften von einer bestimmten Tagesfrist ab und forderten immediate oder forthwith Anzeige des Schadens ohne eine genaue Spezifikation vorzunehmen. Die Sun ging indes differenziert vor und verlangte zunächst schnellstmögliche Anzeige beim Versicherer und erst nach Ablauf von 15 Tagen Einreichung der eidesstaatlichen Erklärung und weiteren beweiserheblichen Dokumente.410 Dieses Modell wurde dann abermals von Royal Exchange Assurance und London Assurance übernommen.411 Schließlich entfiel bei der Sun aber die fünfzehntägige Frist und die Erklärung hatte ebenfalls schlicht schnellstmöglich dem Versicherer zugänglich gemacht zu werden.412 Die Schadensanzeige wurde damit in zweierlei Hinsicht revolutioniert: Einerseits setzten sich unbestimmte Anzeigefristen bei den nicht gegenseitigen Versicherern durch. Insbesondere zu der Bedeutung oder Auslegung der Worte immediate oder forthwith lässt sich dabei keinerlei versicherungsspezifische Literatur oder Rechtsprechung aus dieser frühen Zeit ausmachen. Zu einer lizenzrechtlichen Streitigkeit äußerte sich ein Richter gleichwohl zumindest im 19. Jahrhundert treffend:413 „It is impossible to lay down any hard and fast rule as to what is the meaning of the word ‘immediately’ in all cases. The words ‘forthwith’ and ‘immediately’ have the same meaning. They are stronger than the expression ‘within a reasonable time’ and imply prompt, vigorous action, without any delay, and whether there has been such action is a question of fact, having regard to the circumstances of the particular case.“
Die gegenseitigen Versicherer sahen dagegen von diesem Modell ab.414 Hier war beispielsweise bei der Hand in Hand im 18. Jahrhundert eine dreimonatige Anzeigefrist vorgesehen.415
409
Hierzu und zum Folgenden Auszug aus der Gründungsurkunde der Union Society (1714), Art. XIV; Versicherungsbedingungen der Royal Exchange Assurance (1721), 6., abgedruckt in: Relton, S. 158 f.; Versicherungsbedingungen der London Assurance (1722), 7. 410 Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1721), VIII. 411 Versicherungsbedingungen der Royal Exchange Assurance (1726), 11., abgedruckt in: Relton, S. 164 f. 412 Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1727), Art. XI, abgedruckt in: Jenkins/ Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 129 ff. 413 R. v. Berkshire Justices (1878) 4 Q. B. D. 469. 414 Vgl. Auszug aus der Satzung der Hand in Hand (1722), Art. 26, abgedruckt in: Jenkins/ Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 117 ff.; Satzung des Westminster Fire Office (1726), Art. 40; Versicherungsbedingungen des Canterbury Fire Office (1738), S. 2; Auszug aus der Satzung der Hand in Hand (1757), S. 3; Satzung des Westminster Fire Office (1765, 1774), Art. 39. 415 Auszug aus der Satzung der Hand in Hand (1722), Art. 26, abgedruckt in: Jenkins/ Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 117 ff.; Auszug aus der Satzung der Hand in Hand (1757), S. 3.
B. Elemente der Einräumung des Versicherungsschutzes
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Andererseits wurde erstmalig ausdrücklich zwischen der einfachen Schadensanzeige und der Mitteilung von Einzelheiten des Schadens unterschieden. Rechtlich zerfielen diese beiden Elemente dann in die Pflichten der sogenannten duty to give notice of loss und der duty to give particulars of loss.416 Nicht diskutiert wurde im 18. und 19. Jahrhundert, ob erstgenannte Pflicht auch ohne eine entsprechende Bedingung im Versicherungsvertrag bestand. Tatsächlich gab es hierfür wohl auch kein Bedürfnis, da die Praxis, in Form der gezeigten Bedingungen, einheitlich eine duty to give notice of loss vorsah. Letztere Bedingung musste hingegen vertraglich vereinbart sein.417 Wurde eine solche duty to give particulars of loss vom Versicherer eingeführt, war eine solche Bedingung nach ihrem konkreten Inhalt auszulegen, wodurch die Rechtsfolge bei Nichteinhaltung der Frist bestimmt wurde.418 Häufig führte dies, wie bereits gezeigt, dazu, dass der Versicherungsnehmer keinen Anspruch auf Entschädigungsleistung hatte. Insbesondere die gegenseitigen Versicherer erlegten dem Versicherungsnehmer häufig keine duty to give particulars of loss auf,419 wogegen sich im Bereich der nicht gegenseitigen Versicherer eine beachtliche Konstanz bei der Verwendung feststellen lässt. Diese bedienten sich im ausgehenden 18. Jahrhundert und im 19. Jahrhundert immer noch der gleichen Bedingung der Sun, die den Versicherungsnehmern die Mitteilung von Einzelheiten auferlegte.420 Teilweise wurde hier noch geringfügig abgewichen, indem die Bestätigung durch kirchliche Würdenträger nicht mehr verlangt wurde.421
416
Bunyon, S. 90. Worsley v. Wood (1796) 6 T. R. 710; Mason v. Harvey (1853) L. R. 8 Ex. 819; Roper v. Lendon (1859) 5 Jur. N. S. 491. 418 Vgl. Stoneham v. Ocean, Railway and General Accident Co. (1887) 19 Q. B. D. 239. 419 Vgl. Auszug aus der Satzung der Hand in Hand (1722), abgedruckt in: Jenkins/Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 117 ff.; Satzung des Westminster Fire Office (1726); Auszug aus der Satzung der Hand in Hand (1757); Satzung des Westminster Fire Office (1765, 1774). 420 Vgl. Versicherungsbedingungen des Manchester Fire Office (1771), Art. X; Versicherungsbedingungen der Royal Exchange Assurance (1776), Art. XIII; Versicherungsbedingungen des New Bristol Fire Office (1777), Art. IX; Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1794), Art. XI, abgedruckt in: Relton, S. 331 ff.; Versicherungsbedingungen der Globe Insurance Company (1799), Art. III; Versicherungsbedingungen der Royal Exchange Assurance (1815), Art. X; Versicherungsbedingungen und Konditionen der West of England Fire and Life Insurance Company (1829), Art. VII. 421 Vgl. Versicherungsbedingungen der Phoenix Assurance Company (1804, 1815), Art. VIII; Versicherungsprospekt der Alliance British and Foreign Life and Fire Assurance Company (1824), Art. VIII. 417
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b) Frankreich Kein französischer Versicherer des 18. Jahrhunderts führte Schadensanzeigeregeln in seinen Bedingungen ein. Erstmalig wurde dann 1805 von der Société d’assurances réciproques contre l’incendie eine solche Bedingung eingeführt:422 „Il n’est accordé que cinq jours à l’Associé incendié, pour faire … la dénonce de l’événement dont il a été la victime. Le Directeur fait faire, dans les dix jours qui suivent, la vérification des dégradations qui en sont résultées. Il suffit de deux Experts pour procéder à l’évaluation des dégradations advenues à une Maison.“ „Dem brandgeschädigten Mitglied werden nur fünf Tage Zeit gegeben, um das Ereignis, dessen Opfer es war, anzuzeigen. Der Direktor lässt den entstandenen Schaden innerhalb der zehn folgenden Tage überprüfen. Es braucht nur zwei Experten, um den entstandenen Schaden an einem Haus zu bewerten.“
Die Schadensanzeige musste in einer kurz bemessenen Frist von fünf Tagen erfolgen. Eine Spaltung in die einfache Anzeige und eine Mitteilung von Einzelheiten, wie in England, war dagegen hier nicht erforderlich. Schließlich wurde die Gesellschaft selbstständig schadensermittelnd tätig. Dies ist durchaus vergleichbar mit dem Modell der englischen Gegenseitigkeitsversicherer, die ebenfalls von einer Pflicht zur genaueren Mitteilung des erlittenen Schadens absahen und selbstständig den Schaden feststellten.423 1816 sah die Compagnie d’assurance mutuelle contre l’incendie dann vor, dass die Mitglieder den Schaden anzeigen sollten, ohne dafür eine Frist zu bestimmen oder sonst genauere Anforderungen zu stellen.424 In der Folge wurde dieser Schaden dann durch drei Experten überprüft. Jeweils einer wurde dabei von der Gesellschaft und dem geschädigten Mitglied bestimmt, der Dritte dann von den beiden anderen Experten. Prinzipiell setzte sich also auch bei diesem Gegenseitigkeitsversicherer das Modell fort, dass der Schaden eigenverantwortlich vom Versicherer evaluiert wurde. Was die nicht gegenseitigen Versicherer anbelangte, formulierte die Compagnie générale 1819 als Erstes eine Schadensanzeigebedingung, die sehr ausführlich war:425 „Immédiatement après l’incendie, l’assuré doit en faire la déclaration devant le juge de paix du canton. Cette déclaration indique l’époque précise de l’incendie, sa durée, ses causes connues ou présumées, les moyens pris pour en arrêter les progrès, ainsi que toutes les circonstances qui l’ont accompagné; elle indique encore la nature, l’étendue et la valeur approximative du dommage. Dans les trois jours qui suivent, l’assuré en transmet une expédition à l’agent de la compagnie le plus voisin; il est tenu d’y joindre un compte détaillé, 422
Zitiert aus Versicherungsbedingungen der Société d’assurances réciproques contre l’incendie (1805), Art. XVII f. 423 Siehe S. 100 ff. 424 Hierzu und zum Folgenden vgl. Statuten der Compagnie d’assurance mutuelle contre l’incendie (1816), Art. 12, abgedruckt in: Quénault, S. 442 ff. 425 Zitiert aus Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Appendix S. 53 f.
B. Elemente der Einräumung des Versicherungsschutzes
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certifié par lui, de la perte ou des dommages qu’il a éprouvés. Si, dans les trente jours de l’incendie, l’assuré n’a pas rempli les formalités ci-dessus prescrites, il est déchu de tous ses droits contre la compagnie, à moins d’impossibilité constatée.“ „Unmittelbar nach dem Brand muss der Versicherungsnehmer eine Erklärung beim Friedensrichter des Kantons abgeben. In dieser Erklärung sind der genaue Zeitpunkt des Brandes, seine Dauer, seine bekannten oder vermuteten Ursachen, die Mittel, mit denen sein Fortgang gestoppt werden konnte, sowie alle damit verbundenen Umstände anzugeben; außerdem sind Art, Ausmaß und ungefähre Werte des Schadens anzugeben. Der Versicherungsnehmer schickt innerhalb von drei Tagen eine Kopie an den nächstgelegenen Agenten der Gesellschaft und ist verpflichtet, eine von ihm beglaubigte, detaillierte Abrechnung über den erlittenen Verlust oder Schaden beizufügen. Hat der Versicherungsnehmer innerhalb von dreißig Tagen nach dem Brand die oben genannten Formalitäten nicht erfüllt, verliert er alle seine Rechte gegen das Unternehmen, es sei denn, dies ist unmöglich.“
Abermals wurden also für die Schadensermittlung staatliche Stellen, hier der juge de paix du canton, einbezogen. Hierbei handelte es sich um ein Amt zur Wahrnehmung administrativer Zwecke und zur Beilegung kleinerer rechtlicher Streitigkeiten, welches 1790 ins Leben gerufen wurde, um neben der sonstigen Justiz einen einfacheren, kostenlosen und schnelleren Ablauf zu gewähren.426 Dieser Friedensrichter wurde in den jeweiligen Kantonen zunächst demokratisch von den Bürgern gewählt und ab 1830 vom König ernannt. Auch wenn sich der Versicherungsnehmer immédiatement, also umgehend nach dem Brand, an den Friedensrichter wenden sollte, um den Schaden genau darzulegen, hatte er letztlich dreißig Tage Zeit, um die Gesellschaft umfänglich unter Mitteilung von Einzelheiten in Kenntnis zu setzen und so einem Verlust seines Entschädigungsanspruchs zu entgehen. Eine klare Differenzierung zwischen der einfachen Schadensanzeige und der Mitteilung von Einzelheiten, wie sie in England stattfand,427 erfolgte damit jedoch nicht. Anders war dies dann in den Policen der Phénix und der Compagnie royale 1820, die zwischen der einfachen Schadensanzeige und der Mitteilung von Einzelheiten unterschieden:428 „L’incendie doit être annoncé immédiatement et par écrit, au directeur de la compagnie … L’assuré doit ensuite et sans délai faire sa déclaration d’incendie et de dommage devant le juge de paix du canton. Cette déclaration indique les causes présumées de l’incendie et contient l’état détaillé des pertes de dommages de l’assuré: copie en forme en est transmise immédiatement par l’assuré à la compagnie.“ „Der Brand ist umgehend und schriftlich beim Direktor der Gesellschaft anzuzeigen … Der Versicherungsnehmer muss dann unverzüglich seine Brand- und Schadensmeldung vor dem Friedensrichter des Kantons abgeben. Diese Erklärung gibt die mutmaßlichen Brandursachen an und enthält die detaillierte Aussage über den Schadensverlust des Versicherungs426 427 428
Hierzu und zum Folgenden Baudouin, S. II ff.; Augier, S. 1 ff.; Levasseur, Rn. 3 ff. Siehe S. 100 ff. Zitiert aus Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Appendix S. 60.
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nehmers: Eine Kopie des Formulars wird vom Versicherungsnehmer umgehend an die Gesellschaft geschickt.“
So musste der Versicherungsnehmer zunächst die Gesellschaft in Kenntnis vom Brand setzen und erst danach die Erklärung vor dem Friedensrichter des Kantons mit allen Einzelheiten abgeben und der Gesellschaft eine Kopie dieser Erklärung zukommen lassen. Nach Tagen bestimmte Fristen gab es dabei nicht mehr. Die Gesellschaften verwendeten hier wiederum unbestimmte Begriffe vergleichbar mit der englischen Praxis, wie immédiatement oder auch sans délai, was sich beides mit umgehend oder unverzüglich übersetzen lässt. Auch in der Folgezeit verwendeten französische Feuerversicherer diese unbestimmten Begriffe zur Bestimmung der Schadensanzeigefrist.429 Ebenfalls erforderlich war nach wie vor die Einschaltung des Friedensrichters des jeweiligen Kantons und die damit verbundene Mitteilung von Einzelheiten, die, anders als die Frist zur einfachen Schadensanzeige, aber von manchen Versicherern einer fünfzehntägigen Frist unterworfen wurde.430 Eine ganz klare Linie zwischen der einfachen Schadensanzeige und der Mitteilung von Einzelheiten lässt sich dabei nicht für jeden französischen Versicherer ziehen. Teilweise diente die Zustellung der Kopie der Erklärung vor dem Friedensrichter des jeweiligen Kantons nach wie vor als einziges Schadensanzeigeerfordernis. Was die rechtlichen Rahmenbedingungen dieser Regelungen anbelangte, war zunächst Art. 374 des C. com. zu beachten: „Dans le cas … de tous … accidens aux risques des assureurs, l’assuré est tenu de signifier à l’assureur les avis qu’il a reçus. La signification doit être faite dans les trois jours de la réception de l’avis.“ „Im Falle von … allen … Unfällen auf Gefahr des Versicherers ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, dem Versicherer die ihm zugegangenen Mitteilungen zuzustellen. Die Zustellung muss innerhalb von drei Tagen nach Erhalt der Mitteilung erfolgen.“
Einigkeit bestand bei den Autoren, dass diese Vorschrift analog auf die Feuerversicherung angewendet werden konnte.431 Die Bedingungen in den Policen waren allerdings nach wie vor vorrangig. So konnte dort beispielsweise auf eine Anzeigefrist verzichtet werden. Unterblieb die fristgerechte Schadensanzeige oder die Mitteilung von Einzelheiten, sahen viele Policen den Verfall des Anspruchs auf
429 Hierzu und zum Folgenden vgl. Versicherungsbedingungen der Compagnie du Soleil (1829), Art. 4, abgedruckt in: Persil, S. 433 ff.; Versicherungspolice der Le Nord (1840), Art. 9, abgedruckt in: Gallix, S. 410; Instruktionen für Versicherungsagenten der L’Aigle incendie (1853), Art. 266; Instruktionen für Versicherungsagenten der Le Globe (1854), Art. 280. 430 Vgl. Instruktionen für Versicherungsagenten der L’Aigle incendie (1853), Art. 266; Instruktionen für Versicherungsagenten der Le Globe (1854), Art. 280. 431 Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Rn. 237; Boudousquié, Rn. 239; Hettier, S. 252.
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Entschädigung vor.432 Die Wirksamkeit dieser Regelung wurde auch von der Rechtsprechung bestätigt.433 Ohne eine entsprechende Regelung, die die Rechtsfolge bestimmte, war das Ergebnis allerdings weniger klar. Boudousquié und Quénault waren der Auffassung, dass die seeversicherungsrechtlichen Grundsätze angewendet werden sollten.434 Demnach sei der Versicherer zwar weiterhin zur Entschädigung verpflichtet gewesen. Allerdings hätte er gegen den Versicherungsnehmer etwaige Sekundäransprüche geltend machen können. Denkbar war es beispielsweise, dass an der versicherten Sache weitere Schäden eintraten, die zwar auf der versicherten Gefahr beruhten, aber nicht eingetreten wären, wenn der Versicherungsnehmer rechtzeitig angezeigt hätte. Hierfür konnte der Versicherer Schadensersatz geltend machen. Obwohl ebenfalls vertreten wurde, dass der Versicherungsnehmer auch ohne eine entsprechende Bedingung im Vertrag seinen Anspruch auf Entschädigung einbüßte,435 setzte sich die erstgenannte Auffassung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch.436 Gleichwohl besaß die Frage keine große Relevanz, da es nunmehr gängige Praxis war, dass so gut wie alle Versicherer über ausführliche Bedingungen verfügten, die die Rechtsfolge des Verfalls des Entschädigungsanspruchs enthielt.437 c) Ergebnis: Beginn der einfachen Schadensanzeige mit frühen Gegenseitigkeitsversicherern und später zusätzliche Pflicht der Mitteilung von Einzelheiten In der Entwicklung der Schadensanzeige lassen sich sehr viele Parallelen zwischen England und Frankreich ziehen. Die frühen gegenseitigen Versicherer in beiden Ländern begannen damit die einfache Schadensanzeige einzuführen. Weitergehende Anforderungen wurden indes nicht gestellt, da in irgendeiner Form von Gesellschaftsseite der Schaden evaluiert und ermittelt wurde. Im Bereich der nicht gegenseitigen Versicherer wurde hingegen schnell zwischen der einfachen Schadensanzeige und der Mitteilung von Einzelheiten differenziert. Für die weitergehende Mitteilung von Einzelheiten wurden von der Praxis zusätz432 Vgl. exemplarisch Versicherungspolice der Le Nord (1840), Art. 9, abgedruckt in: Gallix, S. 410; Instruktionen für Versicherungsagenten der L’Aigle incendie (1853), Art. 266; Instruktionen für Versicherungsagenten der Le Globe (1854), Art. 280. 433 Vgl. Nachury c. Le Palladium, Tribunal de Commerce de Lyon (5. Februar 1850), abgedruckt in: Grün/Joliat, Journal des Assurances 1850, S. 231 ff.; La Compagnie du Soleil c. Degérine, Tribunal civil de Dole (19. Februar 1850), abgedruckt in: Pouget, Bd. 1, S. 224; La Compagnie l’Indemnité c. Ducousso, Cour d’Appel d’Agen (19. November 1852), abgedruckt in: Grün/Joliat, Journal des Assurances 1853, S. 272 ff. 434 Hierzu und zum Folgenden Boudousquié, Rn. 239; Quénault, Rn. 231. 435 Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Rn. 237; Persil, Rn. 162. 436 Vgl. Pouget, Bd. 1, S. 225 f. 437 Vgl. Agnel, Rn. 178 ff.; Lalante, Rn. 376 ff.; Hettier, S. 251 ff.
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liche Formalitäten eingeführt, die insbesondere die Konsultation von kirchlichen oder staatlichen Stellen involvierten. Die Rechtsfolge der Nichteinhaltung der Pflichten war in beiden Ländern letztlich der privatautonomen Fassung der Bedingungen und deren Auslegung überlassen. Neben der Analyse der Bedingungen fand auch in England gar keine rechtliche Diskussion der Inhalte statt, während in Frankreich zumindest Art. 374 C. com. herangezogen wurde, der auch ausführlichere Erörterung in Literatur und Rechtsprechung fand. Die gezeigten Parallelen erlangten dann freilich eine rechtliche Dimension, da sich hierdurch übereinstimmende Problemkreise zwischen den beiden Rechtsordnungen ergaben. Namentlich die Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe hinsichtlich der Fristsetzung und der Rechtsfolgen des Ausbleibens der rechtzeitigen Schadensanzeige in Abwesenheit einer entsprechenden Praxisbedingung. 4. Schädigung innerhalb des Haftungszeitraumes und Allgemeines zur Versicherungsdauer Wie es bereits in historischem Kontext öfter der Fall war,438 ist es auch heute im Vereinigten Königreich gängige Praxis, dass Schadensversicherungsverträge auf eine Laufzeit von einem Jahr abgeschlossen werden.439 Der Versicherungsbedarf endet typischerweise zwar nicht bereits nach Ablauf eines Jahres, für solche Fälle enthalten die Verträge aber Verlängerungsklauseln. Die genaue Erläuterung dessen, was eigentlich die Laufzeit eines Versicherungsvertrages ausmacht, klärt sich aber erst in der Betrachtung des Themenkreises der Versicherungsdauer. Hier gibt es verschiedene Anknüpfungspunkte. Darunter lässt sich zunächst die Dauer zwischen Vertragsschluss bis zum vertraglich vorgesehenen Ende des Versicherungszeitraumes verstehen. In diesem Zusammenhang spricht man auch von der formellen Versicherungsdauer. Daneben gibt es auch den Terminus der technischen Versicherungsdauer. Diese bestimmt den Zeitraum für den der Versicherungsnehmer Beitragszahlung schuldet. Letztlich entscheidend aus Gesichtspunkten der Verpflichtung des Versicherers ist jedoch die materielle Versicherungsdauer, die festlegt in welchem Zeitraum der Versicherer für einen Schaden des Versicherungsnehmers Entschädigung schuldet und damit die Hauptleistungspflicht des Versicherers wesentlich konturiert. Sie wird auch als Haftungszeitraum bezeichnet und soll als zeitliche Dimension des Versicherungsschutzes Gegenstand der folgenden Erörterungen werden.
438 439
Siehe S. 44. Basedow/Fock, in: Europäisches Versicherungsvertragsrecht, Bd. 1, S. 124 f.
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a) England Das Fire Office und die Corporation of London regelten nur sehr allgemein die Dauer des Versicherungsverhältnisses. Beim Fire Office gab es dabei eine fest bestimmte Versicherungsdauer deren Maximallaufzeit 31 Jahre betrug.440 Andernfalls, so wurde befürchtet, sei die versicherte Gefahr nicht mehr abschätzbar gewesen. Bei der Corporation of London war es hingegen möglich einen unbeschränkten Zeitraum zu versichern. Die Verantwortlichen des Fire Office brachten hier insbesondere als Kritik vor, dass die Stadt London diese weitreichenden Risiken zwar ebenfalls nicht hätte abschätzen können,441 dies allerdings den ohnehin wechselnden Amtsträgern gleich gewesen sei, sofern der Versicherungsplan der Stadt nur einen kurzfristigen Gewinn eingebracht hätte. Bei beiden Versicherern begann der Haftungszeitraum dabei mit Zahlung des Beitrages. In diesem Zusammenhang spricht man auch vom sogenannten Einlösungsprinzip.442 Die Friendly, die auch feste Versicherungslaufzeiten bestimmte, die typischerweise jährliche Dauern bis zu sieben Jahren umfassten, regelte dann ebenfalls den Beginn des Haftungszeitraumes:443 „XVII. – To prevent any fraud in getting any policy by indirect means after a house is burnt, no house is to be esteemed a secured house till the mark hath been actually affixed thereon.“
Entschädigt wurde also erst dann, wenn eine Feuermarke an der Immobilie, auf die sich das versicherte Interesse bezog, angebracht war. Bei diesen Feuermarken handelte es sich um Metallplaketten, die typischerweise das Emblem der Gesellschaft sowie die Nummer der jeweiligen Versicherungspolice abbildeten.444 Man geht davon aus, dass auch das Fire Office Feuermarken verwendete.445 Diese Praxis diente aber nicht unbedingt stets der Festlegung des Haftungszeitraumes, sondern vielmehr zu Orientierungszwecken. Allgemein war die Straßenbenennung in den Städten Großbritanniens vor 1800 eher regellos, zufällig und nicht umfassend. Die Gebäude in diesen Straßen waren dann weder in irgendeiner Form unterscheidungskräftig benannt, noch nummeriert. Händler und andere Gewerbetreibende benutzten Schilder und Zeichen, aber Privathäuser waren oft für jeden, der nicht in unmittelbarer Umgebung lebte, schwer ausfindig zu machen. Für die Feuerversicherer war es allerdings unerlässlich versicherte Immobilien klar ausmachen zu können. Viele der frühen englischen Versicherer versprachen 440 Hierzu und zum Folgenden Beobachtungen bezüglich des Versicherungsangebots der Stadt London (1681). 441 Zur Identität des kommunalen Versicherungskonzeptes der Corporation of London siehe S. 20. 442 Siehe bereits im Zusammenhang mit der Beitragszahlungspflicht S. 40. 443 Zitiert aus Jenkins/Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 77. 444 Vgl. die Darstellungen in Bulau, S. 1 ff. 445 Hierzu und zum Folgenden Blackstone, British Fire Service, S. 69.
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nämlich nicht nur gemäß ihrer Bedingungen Entschädigung für Brandschäden zu leisten, sondern ergriffen auch Präventionsmaßnahmen, indem sie eine private Feuerwehr einrichteten. Diese privaten Feuerbrigaden waren ein zentraler Teil der Londoner Feuerbekämpfung, da die Stadt London zwar zunächst Bereitschaft zeigte in Kooperation mit ihrer feuerversichernden Corporation of London auch eine Feuerwehr zu etablieren, dies aber dann unterließ, als der Versicherungsplan fehlschlug.446 London verfügte damit zu Beginn der 1680er Jahre über keinerlei kommunal oder anderweitig staatlich dirigierte Feuerwehr.447 Es verblieb damit einzig die private Feuerbrigade des Fire Office. Nach diesem Vorbild installierten später die Friendly Society und die Hand in Hand mit ihrer Gründung ebenfalls private Feuerbrigaden, die sich in der Brandbekämpfung an jenen Feuermarken orientierten.448 Zusätzlich zu diesem Zweck war, genau wie bei der Friendly, auch bei der Hand in Hand die Anbringung der Feuermarke für den Beginn des Haftungszeitraumes maßgeblich.449 Ebenso im Gleichlauf mit der Friendly war eine Versicherungsdauer von zunächst sieben Jahren oder auch kürzeren jährlichen Zeiträumen vorgesehen.450 Danach bestand die Möglichkeit das Versicherungsverhältnis zu verlängern. Im 18. Jahrhundert änderte sich dann das maßgebliche Ereignis für den Beginn des Haftungszeitraumes bei vielen Versicherern. Bereits die 1714 gegründete, der Hand in Hand nahestehende,451 Union Society versicherte zwar abermals für sieben Jahre oder kürzere jährliche Zeiträume, stellte aber für den Beginn des Haftungszeitraumes auf Beitragszahlung und Unterschrift einer Ausfertigung der Gesellschaftssatzung ab.452 Erkennbar wird damit wieder teilweise der Ansatz des Einlösungsprinzips. Im Bereich der nicht gegenseitigen Versicherer machte die Sun von einem vergleichbaren Modell Gebrauch. Der Versicherungsnehmer schuldete vierteljährliche Beitragszahlung, obwohl die Versicherungsdauer abermals nach grundsätzlich mehrjährigen Zeiträumen bis zu sieben Jahren bemessen wurde.453 Erfolgte diese Zahlung nicht, endete auch der Haftungszeitraum.
446
Ebd., S. 66. Defoe, S. 116. 448 Wright, S. 21 f. 449 Vgl. Satzung der Hand in Hand (1696), Art. 30, abgedruckt in: Walford, Insurance Cyclopaedia, Bd. 5, S. 634 ff. 450 Vgl. Versicherungsangebot der Hand in Hand (1696), abgedruckt in: Relton, S. 71 f. 451 Siehe hierzu S. 23 f. 452 Vgl. Auszug aus der Gründungsurkunde der Union Society (1714), Art. VIII. 453 Hierzu und zum Folgenden vgl. Versicherungsbedingungen der Company of London Insurers (1710), Art. XIII, abgedruckt in: Relton, S. 319 ff. 447
B. Elemente der Einräumung des Versicherungsschutzes
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Der Beginn des Haftungszeitraumes, der hier zunächst keiner Regelung unterfiel, erfolgte ab 1721, sobald sich der Versicherungsnehmer im Besitz der Police befand.454 1727 nahm die Sun dann Abstand vom Modell der mehrjährigen Versicherungsdauern und konzipierte ihre Verträge so, dass jährliche Vertragsverlängerungen zu erfolgen hatten. Diese Änderung wirkte sich auch auf die Einordnung der Haftungsdauer aus:455 „Article X. – All Persons Insuring, shall upon their taking out a policy pay the Praemium to the next Quarter Day, and from thence … shall make all future Payments Annually … within fifteen Days after the Day limited by their respective Policies … upon Forfeiture of the Benefit of their Policies.“
Der Haftungszeitraum begann, wenn die Police ausgegeben wurde. Wollte der Versicherungsnehmer von der jährlichen Verlängerungsmöglichkeit Gebrauch machen, hatte er jedoch innerhalb von 15 Tagen nach dem in der Police bestimmten Ende des Zeitraumes den entsprechenden Jahresbeitrag zu leisten. Hiermit war also teilweise bereits das Einlösungsprinzip etabliert worden. Diese Bedingung der Sun wurde dann 1750 so modifiziert, dass auch der erste Haftungszeitraum mit Zahlung des ersten Beitrages begann und damit das Einlösungsprinzip vollumfänglich anerkannt wurde.456 Diese Regelung wurde dann bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts von der Sun beibehalten.457 Auch die anderen Versicherer orientierten sich an diesem Modell. Teilweise waren nicht nur jährliche Verträge, sondern Zeiträume bis zu sieben Jahren möglich.458 Der Haftungszeitraum begann dabei, wenn der Beitrag für das erste Jahr entrichtet wurde. Weitere Beiträge waren aber auch jährlich zu zahlen, um den Versicherungsschutz aufrecht zu erhalten. Teilweise wurde aber auch einfach die Regelung der Sun verwendet.459 Alle machten jedenfalls auch von dem fünfzehn454
Vgl. Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1721), Art. II. Zitiert aus Jenkins/Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 130. 456 Vgl. Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1750), Art. III. 457 Vgl. Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1757), Art. III; Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1794), Art. III, abgedruckt in: Relton, S. 331 ff.; Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1816), Art. IV, abgedruckt in: Relton, S. 335 ff.; Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1855), Art. IV, abgedruckt in: Relton, S. 340 ff. 458 Hierzu und zum Folgenden vgl. Versicherungsbedingungen der Royal Exchange Assurance (1722), 2., abgedruckt in: Relton, S. 160 ff.; Versicherungsbedingungen der London Assurance (1722), 4.; Versicherungsbedingungen der Royal Exchange Assurance (1776), Art. X; Versicherungsbedingungen der Phoenix Assurance Company (1785), Art. IV; Versicherungsbedingungen der Globe Insurance Company (1799, 1805), S. 2; Versicherungsbedingungen der Royal Exchange Assurance (1815), Art. VI; Versicherungsbedingungen der Phoenix Assurance Company (1815), Art. VIII; Versicherungsprospekt der Alliance British and Foreign Life and Fire Assurance Company (1824), S. 22; Versicherungsbedingungen und Konditionen der West of England Fire and Life Insurance Company (1829), S. 20 f.; Versicherungsprospekt der London Assurance Corporation (1846), S. 29. 459 Vgl. Versicherungsbedingungen des Manchester Fire Office (1771), Art. III; Versicherungsbedingungen des New Bristol Fire Office (1777), Art. III. 455
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tägigen Zeitraum Gebrauch, in dem der Versicherungsnehmer noch den Beitrag leisten konnte, um das Ende des Haftungszeitraumes abzuwenden. Trat ein Schaden innerhalb dieser 15 Tage ein, bevor der Versicherungsnehmer den entsprechen Beitrag zur Verlängerung gezahlt hatte, war er jedoch laut Rechtsprechung nicht ohne weiteres ersatzberechtigt.460 Dies zeigt, dass das in den Policen angegebene Datum tatsächlich auch das Ende des Haftungszeitraumes markierte. Versicherer wie die Royal Exchange Assurance, die Phoenix und andere gaben wohl dennoch bekannt, dass sie ungeachtet des Urteils Schäden ersetzen würden, wenn der Versicherungsnehmer noch vor Ablauf der 15 Tage zahlte.461 Dies galt allerdings jedenfalls dann nicht, wenn der Versicherungsnehmer die Verlängerung der Versicherung zunächst ablehnte und dann nach Eintritt eines Schadens innerhalb der 15 Tage nun doch verlängern wollte.462 Dieses Ergebnis und auch eine Erklärung für die demonstrierte Praxis lässt sich dabei Section 12 des Fire Insurance Duty Act 1782 entnehmen, der gleichwohl von der Rechtsprechung in den genannten Fällen nicht zitiert wurde:463 „… that the person entitled to the benefit of any such policy at the end of the year for which the same is granted, or within 15 days, and so at the end of every subsequent year, is to pay to the insurer one year’s duty … and in default of payment within the time aforesaid, and before any loss shall be sustained …“.
Die Erörterung der Thematik in der Literatur richtete sich dabei im Wesentlichen nach den genannten Urteilen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die 15-Tage-Regel teilweise unter dem Begriff der sogenannten days of grace beschrieben.464 Gleichlaufend mit der umfänglichen Einführung der 15-Tage-Regel und der damit bestehenden Maßgeblichkeit der Beitragszahlung für Beginn und Ende des Haftungszeitraumes, also der Anwendung des Einlösungsprinzips, unter den nicht gegenseitigen Versicherern, nahmen auch die gegenseitigen Versicherer im Laufe des 18. Jahrhunderts Abstand von der Anbringung der Feuermarke als ausschlaggebendes Kriterium für den Haftungszeitraum und machten diesen ebenfalls von der Zahlung der Beiträge abhängig.465
460
Vgl. Tarleton v. Staniforth (1796) 5 T. R. 695. So Park, S. 594. 462 Salvin v. James (1805), 6 East. 571. 463 22 George III c. 48. 464 Bunyon, S. 79 ff. 465 Vgl. Auszug aus der Satzung der Hand in Hand (1722), Art. 17, abgedruckt in: Jenkins/ Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 117 ff.; Auszug aus der Satzung der Hand in Hand (1757), S. 2; Satzung des Westminster Fire Office (1726, 1765, 1774), Art. 36; Satzung des Westminster Fire Office (1765, 1774), Art. 37; Satzung des Westminster Fire Office (1805), Art. 41, abgedruckt in: Pearson, History of the company, S. 17 ff. 461
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b) Frankreich Die Compagnie d’assurances générales versicherte über eine beliebige Anzahl von Jahren.466 Der Haftungszeitraum begann, wenn der Beitrag für das jeweilige Jahr entrichtet wurde. Es galt damit das Einlösungsprinzip. Die Versicherungsdauer bei der Compagnie royale betrug dann mindestens ein Jahr und maximal zehn Jahre.467 Hinsichtlich des Haftungszeitraumes galt:468 „La Compagnie ne délivrera aucune Police, qu’après la vérification de toutes les désignations, ou descriptions, qui lui auront été remises des objets quelconques que l’on aura fait assurer, & en recevant … la prime d’Assurance convenue … Le risque de la Compagnie commencera à six heures après-midi du jour de la signature de la Police, & finira à pareille heure du jour ou doit finir le risque de l’Assurance.“ „Die Gesellschaft wird keine Police herausgeben, bis alle Bezeichnungen oder Beschreibungen der versicherten Gegenstände überprüft wurden und sie den vereinbarten Versicherungsbeitrag erhalten hat … Das Risiko der Gesellschaft beginnt um sechs Uhr nachmittags am Tag der Unterzeichnung der Police und endet zur gleichen Tageszeit, zu der das Versicherungsrisiko enden muss.“
Entscheidend war damit zwar die Unterzeichnung der Police. Allerdings war diese wiederum an die Beibringung des geschuldeten Beitrages und zusätzlich an die Überprüfung der Sache, auf die sich das versicherte Interesse bezog, geknüpft. Das für England bereits herausgearbeitete Einlösungsprinzip war also bereits in den Anfängen der französischen Feuerversicherung etabliert. Nicht abgestellt, wurde hingegen auf die Anbringung einer Feuermarke. Bemerkenswerterweise lässt sich diese Praxis dennoch auch in der französischen Feuerversicherung ausmachen. So heißt es weiter in den Bedingungen der Compagnie royale:469 „Il sera apposé, sur le mur extérieur de chaque Maison ou Bâtiment assuré, une Plaque de métal doré, aux Armes de la Compagnie. Cette plaque portera un numéro, lequel sera désigné dans la Police d’Assurance.“ „Eine vergoldete Metallplatte, die das Unternehmenswappen trägt, wird an der Außenwand jedes versicherten Hauses oder Gebäudes angebracht. Dieses Schild wird eine Nummer tragen, die in der Versicherungspolice angegeben ist.“
Tatsächlich unterhielten die französischen Versicherer ebenfalls keine privaten Feuerbrigaden, da die französische Feuerwehr unter staatlicher Direktion stand.470 Die Feuermarken hatten also auch nicht den Zweck, dass die versicherten Immo466 Vgl. Versicherungsbedingungen der Compagnie d’assurances générales de Paris (1753), vor Art. I, Art. V, abgedruckt in: Pouilloux, S. 480 ff. 467 Versicherungsbedingungen der Compagnie royale d’assurances contre les incendies (1786), abgedruckt in: Pouilloux, S. 527 ff. 468 Zitiert aus Pouilloux, S. 528. 469 Zitiert aus Pouilloux, S. 528. 470 Am Beispiel der Pariser Sapeurs-Pompiers ausführlich: Cart-Tanneur, S. 30 ff.; Alves, S. 17 ff.
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bilien von den versicherungseigenen Feuerwehrleuten gefunden werden konnten. Trotzdem brachten auch noch im 19. Jahrhundert viele französische Versicherer ausweislich ihrer Bedingungen Feuermarken an versicherten Immobilien an.471 Grün/Joliat meinten zu dieser Praxis sogar explizit, dass sie aus England übernommen worden sei.472 Obwohl nun aber nicht der gleiche Zweck durch die Feuermarken erfüllt wurde, hatten sie durchaus eine Daseinsberechtigung. Die französischen Versicherer zahlten an die kommunale Feuerwehr, wenn sie durch ihre Löscharbeiten eine versicherte Sache retten konnten.473 Die Feuermarken sollten also den Eifer der Feuerwehrleute fördern. Zudem entsandten viele Gesellschaften Mitarbeiter zu Bränden, von denen sie Kenntnis erlangten, damit diese, zwar nicht bei der unmittelbaren Brandbekämpfung, aber zumindest bei der Organisation der Feuerbekämpfung unterstützend tätig werden konnten.474 Der Fokus des Mitarbeiters lag dann natürlich ebenfalls auf den durch die Gesellschaft versicherten Sachen, weshalb er diese schnell ausmachen können sollte. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang ein Auszug aus einer Bedingung der Police der Le Soleil:475 „Aussitôt que l’agent apprend qu’un incendie a éclaté dans un lieu où la compagnie a des assurances, même sans avoir acquis la certitude que la propriété qui brûle est assurée par la compagnie, il doit s’y transporter pour diriger les secours de manière à préserver, autant que possible, les maisons assurées par la compagnie du Soleil … Le public est toujours disposé à abattre les maisons assurées pour sauver les autres, ou à diriger de préférence les pompes et autres secours sur les maisons non assurées.“ „Sobald der Agent erfährt, dass ein Feuer an einem Ort ausgebrochen ist, an dem das Unternehmen Versicherungen unterhält, auch wenn er nicht sicher ist, dass das brennende Gut durch das Unternehmen versichert ist, muss er dorthin reisen, um die Rettungsdienste zu leiten, um die von der Compagnie du Soleil versicherten Häuser so weit wie möglich zu erhalten … Die Öffentlichkeit ist immer bereit, die versicherten Häuser niederzureißen, um andere zu retten, oder um die Pumpen und anderen Hilfen an die nicht versicherten Häuser zu richten.“
Aus Sicht der Gesellschaft mussten also Mitarbeiter schon alleine vor Ort sein, um eine nachteilige Behandlung der versicherten Sachen zu verhindern. Einfluss auf die Versicherungsdauer und die damit in Zusammenhang stehende Haftungsdauer hatten 471
Vgl. exemplarisch Statuten der Compagnie d’assurance mutuelle contre l’incendie (1816), Art. 32, abgedruckt in: Quénault, S. 442 ff.; Versicherungspolice der Compagnie française du Phénix (1819), Art. 16, abgedruckt in: Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Appendix S. 57 ff.; Versicherungsprospekt der L’Union Incendie (1828), nach Art. XX, abgedruckt in: Union Incendie, nach S. 30; Versicherungspolice der Compagnie du Soleil (1829), Art. 4, abgedruckt in: Persil, S. 440 f.; Instruktionen für Versicherungsagenten der L’Aigle incendie (1853), Art. 371; Instruktionen für Versicherungsagenten der Le Globe (1854), Art. 380. 472 Grün/Joliat, Traité des assurances, Rn. 205. 473 Ebd. 474 Persil, S. 440. 475 Zitiert aus Persil, S. 440 f.
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die Feuermarken damit in der französischen Feuerversicherung freilich zu keinem Zeitpunkt. Wendet man sich wieder der Versicherungsdauer zu und setzt mit den Gegenseitigkeitsversicherern um 1800 fort, so finden sich bei der Administration générale d’assurance mutuelle contre les incendies eine Bedingung, die die Versicherungsdauer auf fünf Jahre festlegte.476 Weitergehende Bestimmungen zum Haftungszeitraum gab es allerdings nicht. Die Toulouser Gegenseitigkeitsversicherung des Barrau sah eine identische Versicherungsdauer von fünf Jahren vor, verfügte allerdings über ein eigentümliches Konzept zum Beginn der Laufzeit.477 Der Startzeitpunkt war in den Versicherungsbedingungen allgemein für jedes Mitglied bestimmt. Für den ersten Versicherungszeitraum war dies der 21. Januar 1805. Unerheblich war dagegen das Datum des konkreten Eintritts in die Gegenseitigkeitsversicherung. Die Beiträge waren dabei jährlich zu Beginn des jeweiligen Versicherungsjahres zu entrichten. Wollte der Versicherungsnehmer den Haftungszeitraum um ein weiteres Jahr verlängern, hatte er vor Ablauf des vorherigen Jahres den entsprechenden Beitrag des Folgejahres zu leisten. Das heißt die Haftungsdauer endete und verlängerte sich, ebenso wie bei zahlreichen englischen Versicherern, unabhängig von einer längeren Dauer des Versicherungsverhältnisses nach jährlichen Zeitabschnitten, wenngleich sich hier weder die 15-Tage-Regel noch etwas Vergleichbares ausmachen ließ. In der Zeit der Restauration ging die Compagnie d’assurance mutuelle 1816 abermals von einer fünfjährigen Versicherungsdauer aus.478 Der Zeitraum begann mit Ablauf des ersten Monatsersten, nachdem das Mitglied eingetreten war. Beitragszahlung hatte dabei abermals jährlich zu erfolgen. Die Statuten offenbarten allerdings nicht, ob die Nichtzahlung einen Einfluss auf die Fortsetzung des Haftungszeitraumes hatte. Die Compagnie générale 1819 regelte dann wie folgt:479 „La compagnie n’est et ne peut être engagée que par ses polices d’assurances signées par les deux parties contractantes. Elles n’ont d’effet que le lendemain de leur date, à midi. Les primes d’assurances sont payées d’avance … celles de la première année se paient en souscrivant la police; celles des années suivantes sont réglées en billets … Il est accordé à l’assuré quinze jours de grâce pour les acquitter. À défaut de paiement de la prime … l’assuré n’a droit … à aucune indemnité.“ „Die Gesellschaft ist und kann nur dann an ihre Versicherungspolicen gebunden sein, wenn sie von beiden Vertragsparteien unterzeichnet sind. Sie werden erst am Tag nach dem Datum, welches die Police führt, um 12 Uhr wirksam. Die Versicherungsprämien werden im Voraus bezahlt … die Prämien des ersten Jahres werden bei Unterzeichnung der Police 476 Vgl. Versicherungsprospekt der Administration générale d’assurance mutuelle contre les incendies (1798), abgedruckt in: Bellenger, S. 413 f. 477 Hierzu und zum Folgenden vgl. Versicherungsbedingungen der Société d’assurances réciproques contre l’incendie (1805), Art. III. 478 Hierzu und zum Folgenden vgl. Statuten der Compagnie d’assurance mutuelle contre l’incendie (1816), Art. 6, abgedruckt in: Quénault, S. 442 ff. 479 Zitiert aus Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Appendix S. 52.
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bezahlt; die Prämien der folgenden Jahre werden in Banknoten gezahlt … Der Versicherungsnehmer erhält eine fünfzehntägige Nachfrist, um sie zu bezahlen. Wird die Prämie nicht bezahlt … hat der Versicherungsnehmer keinen Anspruch auf eine Entschädigung.“
Neben der Unterzeichnung der Police durch die Vertragsparteien wurde damit wiederum an die Entrichtung des Beitrages angeknüpft und damit das Einlösungsprinzip eingeführt. Dieser Beitrag konnte bis zu 15 Tage nach Beginn des jährlichen Zeitraumes gezahlt werden. Es wurde also das englische Modell der 15 Gnadentage auch in Frankreich verwendet, allerdings mit der Maßgabe, dass es sich nicht um einen Vertrag mit Verlängerungsoption handelte, sondern vielmehr das Vertragsverhältnis auf mehrere Jahre ausgerichtet war, der Beitrag aber zur Aufrechterhaltung des Haftungszeitraumes zu zahlen war, was die englischen Versicherer zumindest teilweise praktizierten.480 Die Wirksamkeit dieser Bedingung wurde dabei von der Rechtsprechung bestätigt.481 Ohne eine solche Bedingung hatte der Versicherer an sich weiterhin Entschädigung zu leisten.482 Allerdings konnte er im Falle der Nichtzahlung trotz Fälligkeit die gerichtliche Auflösung des Vertrages nach den allgemeinen vertragsrechtlichen Regeln der Artt. 1138, 1139, 1184 C. civ. begehren. Dann war es jedoch erforderlich, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer zunächst zur Zahlung aufforderte,483 was ebenfalls durch eine entsprechende Regelung im Vertrag abbedungen werden konnte.484 Bemerkenswert ist, dass die Thematik in der französischen Literatur teilweise unter dem Begriff des délai de grâce,485 also der Gnadenverzögerung, diskutiert wurde und damit auch eine gewisse Verwandtschaft der Terminologie zu den englischen days of grace bestand. Allerdings wurde der Begriff in Frankreich bereits in den 1820ern verwendet, was letztlich nahelegt, dass diese Terminologie zumindest keine Übernahme aus der englischen Literatur war, wo diese erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auftauchte. In der englischen Literatur und Rechtsprechung war dabei ein viel diskutiertes Problem, ob ein Schaden, der innerhalb der 15 Gnadentage, aber vor Zahlung des Beitrages für das kommende Versicherungsintervall, eintrat, ersatzfähig war, wenn
480
Siehe S. 109 ff. Assurances générales c. Minette, Cour de Cassation (27. Juni 1855), abgedruckt in: Sirey, 1856, Teil 1, S. 42 f.; Compagnie l’Aigle c. Bouton, Cour de Cassation (11. Juni 1855), abgedruckt in: Sirey, 1856, Teil 1, S. 264 f. 482 Lalante, Rn. 335. 483 Réaux c. Compagnie la Patrie, la Paix et la caisse générale des assurances, Cour de Cassation (24. November 1875), abgedruckt in: Bonneville de Marsagny, Teil 1, S. 173 f. 484 Bellamy, Cour de Cassation (16. Juli 1872), abgedruckt in: Sirey, 1873, Teil 1, S. 383; Compagnie le Soleil c. Garnier, Cour de Cassation (10. August 1874), abgedruckt in: Sirey, 1875, Teil 1, S. 25. 485 Grün/Joliat, Traité des assurances, Rn. 225; Persil, Rn.; Lalante, Rn. 334. 481
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der Versicherungsnehmer noch innerhalb der Gnadentage Beitrag leistete.486 In Frankreich wurde diese Konstellation dagegen gar nicht diskutiert. Grund hierfür stellten die dahingehend eindeutigen Bedingungen der Praxis dar:487 „Les primes d’assurances sont payées d’avance … La première année se paye en souscrivant la police. Le paiement des années suivantes a lieu, pour tout délai, dans la quinzaine qui suit l’échéance. À défaut du paiement de la prime dans le délai ci-dessus spécifié … l’assuré n’a droit … à aucune indemnité.“ „Der Versicherungsbeitrag wird im Voraus bezahlt … Das erste Jahr wird bei Unterzeichnung der Police bezahlt. Die Zahlung für die folgenden Jahre erfolgt für jeden Zeitraum innerhalb von fünfzehn Tagen nach Fälligkeit. Wird die Prämie nicht innerhalb der oben genannten Frist bezahlt … hat der Versicherungsnehmer keinen Anspruch auf Entschädigung.“
Dem Versicherungsnehmer wurde damit schlicht eine verlängerte Frist eingeräumt, um seinen Beitrag zu begleichen. Diese 15 Gnadentage befanden sich damit sogar innerhalb des Haftungszeitraumes, modifizierten also die Versicherungsdauer. Durchaus möglich erscheint es hier, dass die französische Praxis aufgrund des Bewusstseins für die Problematik in der englischen Praxis ausführlichere Regelungen traf. c) Ergebnis: Weitere Zusammenhänge des Einlösungsprinzips und der Gnadentage, Anbringung von Feuermarken und zugehörige Feuerbrigaden Zu Beginn der Feuerversicherung war es in London noch möglich für eine unbegrenzte Zahl von Jahren eine Versicherung abzuschließen. Bereits damals wurde aber das Problem der mangelnden Berechenbarkeit des Risikos über solch lange Zeiträume gesehen. Deshalb setzte sich die zeitliche Beschränkung durch. Typischerweise war es möglich unterschiedliche Jahreszeiträume in England zu versichern, deren Maximum sich nach und nach auf eine Anzahl von sieben Jahren verdichtete. Später war es dann auch verbreitet Einjahresverträge mit Verlängerungsoption zu schließen, was heute in der englischen Praxis den nahezu einheitlichen Regelfall darstellt.488 Zu konkreten Zeitpunkten von Beginn und Ende dieses Zeitraumes, insbesondere in Bezug zur Verpflichtung des Versicherers Entschädigung zu leisten, ließ sich zunächst nur schwerlich Eindeutiges feststellen. Gleichwohl etablierte es sich Feuermarken an versicherten Immobilien anzubringen, die einerseits den privaten englischen Feuerbrigaden dabei halfen die versicherten Gebäude ausfindig zu machen und deren Anbringung andererseits den Beginn des Haftungszeitraumes markierte. Diese Praxis wurde lange aufrechterhalten und auch von den französischen 486 487 488
Siehe S. 43. Zitiert aus Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Appendix S. 57 f. Siehe S. 108.
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Versicherern übernommen, obwohl sie dort letztlich einen anderen Stellenwert einnahm. Insbesondere wurde dort niemals der Beginn des Haftungszeitraumes durch die Anbringung der Feuermarke markiert und auch keine privaten Feuerbrigaden unterhalten. Gleichwohl dienten die Feuermarken als wichtiges Publizitätsmerkmal. Auch auf Ebene des Haftungszeitraumes des Versicherers wurde aber die englische Praxis zum Vorbild. Ab der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts begann diese nämlich den Haftungszeitraum von der Unterzeichnung der Police und der Beitragszahlung des Versicherungsnehmers abhängig zu machen, was vor dem Hintergrund der maßgeblichen Interessen des Versicherers auch vorzugswürdig erscheint. In der modernen Literatur spricht man hier auch vom sogenannten Einlösungsprinzip. Besonders bemerkenswert war dabei die Übernahme der 15 Gnadentage, die die Systematik des Haftungszeitraumes entscheidend prägte und in der rechtlichen Diskussion beider Länder ausführliche Aufarbeitung fand.
II. Entschädigung Sind die bezeichneten Voraussetzungen für eine Entschädigung des Versicherungsnehmers erfüllt, muss geklärt werden, wie diese stattfand. Nach heutigem Verständnis gilt dabei für Schadensversicherungen in vielen Rechtsordnungen, dass der Versicherungsnehmer aus dem Schaden keine Bereicherung erfahren darf.489 Das heißt, dass grundsätzlich nur erlittene Schäden zu ersetzen sind. Anders ist dies in der Summenversicherung, wo unabhängig von der Einbuße des Geldwerts eines versicherten Interesses nur die in der Police genannte Versicherungssumme an den Versicherungsnehmer ausbezahlt wird. 1. England Die Niederlegung des Grundsatzes, dass der Versicherungsnehmer in der Feuerversicherung als Schadensversicherung niemals mehr erhalten kann, als den Wert seines erlittenen Schadens, wurde dabei erstmals als principle of indemnity im Jahre 1883 von der englischen Rechtsprechung anerkannt.490 Ohne dass dies irgendeiner rechtlichen Vorgabe gefolgt wäre, war das Entschädigungsprinzip allerdings schon früher in der englischen Feuerversicherung verbreitet. Bereits in den Bedingungen der Friendly aus dem Jahre 1684 hieß es:491
489 490 491
Vgl. Basedow/Fock, in Europäisches Versicherungsvertragsrecht, Bd. 1, S. 60 ff. Vgl. Castellain v. Preston (1883) 11 Q. B. D. 386. Zitiert aus Jenkins/Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 73 f.
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„… every person of the Society, is to pay such a proportion of the money subscribed, as will suffice to discharge and satisfy the money Secured on any House … burnt or damnified … [the society] will likewise provide Surveyors to View all the Houses secured, to the End no more Money be secured on them then they are really worth.“
Neben der Bezugnahme auf den gegenseitigen Entschädigungsmechanismus dieses Versicherers,492 ergibt sich aus der zitierten Bedingung, dass die Friendly den Wert der versicherten Häuser ermittelte, um sicher zu gehen, dass niemand eine Versicherungssumme versicherte, die dann den Versicherungswert überstieg und im Schadensfall zu einer Bereicherung des Versicherungsnehmers geführt hätte. Mit Blick auf den Entstehungszusammenhang der Feuerversicherung überrascht dies auch nicht. Wie gezeigt, diente diese Versicherungsart in ihrer Frühphase primär der Absicherung gegen den Verlust von Immobilien bei Stadtbränden.493 Insofern wurde wohl gar nicht erwogen, spekulative Gewinne mit der Feuerversicherung zu erzielen. Der einzige Zweck war die Werterhaltung. Auch im 18. und 19. Jahrhundert bot sich kein anderes Bild. Die Entschädigung des Versicherungsnehmers richtete sich stets nach dem erlittenen Schaden und konnte diesen nicht überschreiten.494 Das Entschädigungsprinzip bestand damit schon seit dem Beginn der englischen Feuerversicherung. Hiervon wurde auch nie abgerückt. a) Unterversicherung und Art der Entschädigung Ungeachtet der Anerkennung des Entschädigungsprinzips war es aber keinesfalls selbstverständlich, dass der Schaden des Versicherungsnehmers vollumfänglich entschädigt wurde. In solchen Konstellationen blieb die Versicherungssumme, also der Maximalwert der vom Versicherer geschuldeten Entschädigungsleistung, hinter dem Versicherungswert – dem vollständigen Geldwert des versicherten Interesses – zurück. Man spricht dann von einer Unterversicherung.495 492
Siehe hierzu schon S. 21 f. Siehe S. 19 f. 494 Vgl. exemplarisch Versicherungsbedingungen der Company of London Insurers (1710), Art. VI, abgedruckt in: Relton, S. 319 ff.; Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1727), Art. XI, abgedruckt in: Jenkins/Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 129 ff.; Versicherungsbedingungen der Royal Exchange Assurance (1734), Art. X; Versicherungsbedingungen der London Assurance (1734), Art. X, abgedruckt in: Relton, S. 173 ff.; Versicherungsbedingungen des Manchester Fire Office (1771), Art. VI; Versicherungsbedingungen des New Bristol Fire Office (1777), Art. VI; Versicherungsbedingungen der Phoenix Assurance Company (1785, 1797, 1815), Art. X; Versicherungsbedingungen der Royal Exchange Assurance (1815), Art. VIII; Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1816), Art. I, abgedruckt in: Relton, S. 335 ff.; Versicherungsprospekt der London Assurance Corporation (1846), S. 29; Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1855), Art. I, abgedruckt in: Relton, S. 340 ff. 495 Vgl. Deutsch, Rn. 293 ff.; MüKoVVG/Halbach, § 75 Rn. 1. 493
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Kapitel 2: Untersuchung der Feuerversicherungsverhältnisse
Bereits das Fire Office nahm solche Unterversicherungen vor. Es gab 1685 Policen mit Versicherungssummen von bis zu 1000 Pfund aus.496 Die Versicherung einer höheren Versicherungssumme war nicht möglich. Wurde die Immobilie, auf die sich das versicherte Interesse bezog, zerstört, wurde die Versicherungssumme vollständig ausbezahlt. Eine weitergehende Entschädigung fand dementsprechend jedoch auch dann nicht statt, wenn die Entschädigungsleistung nicht dem Versicherungswert gleichkam. Kam es lediglich zu einer Beschädigung des Bauwerkes, hatte das Fire Office die Wahlmöglichkeit, ob es den Schaden mittels Restitution durch eigene Handwerker beseitigt oder anteilige Entschädigung leistet.497 Das Entschädigungsprinzip lässt sich zwar nicht eindeutig beim Fire Office nachweisen, jedoch spricht die Verwendung dieser Restitutionsvorbehalte stark dafür, dass auch die Versicherungssumme nicht den Versicherungswert übersteigen durfte und insofern keine Bereicherung des Versicherungsnehmers möglich war. Zunächst sah das Fire Office vor, dass auch im Falle der Zerstörung Restitution durch die Gesellschaft erfolgen konnte.498 Dies wurde allerdings mit Blick auf mögliche Streitigkeiten über die genauen Eigenschaften des zu errichtenden Gebäudes geändert.499 Diese Restitutionsvorbehalte entstammten dabei der Seeversicherungspraxis.500 Bei der Corporation of London war es zwar möglich den vollständigen Geldwert des versicherten Interesses, also eine Versicherungssumme, die dem Versicherungswert entsprach, zu versichern.501 Die Versicherungssumme war aber frei wählbar und wurde in die Police eingetragen. Unterversicherungen waren damit ebenfalls vorgesehen. Die Corporation behielt sich dabei vor, Restitution an Stelle von Geldentschädigung zu leisten.502 Dies galt unabhängig davon, ob eine Zerstörung oder eine bloße Beschädigung der Immobilie vorlag.
496
Auflistung der Beitragshöhen des Fire Office (1685), abgedruckt in: Jenkins/Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 21. 497 Vgl. Police des Fire Office (1684), abgedruckt in: Haines, S. 367 f. 498 Versicherungsbedingungen des Fire Office (1681), abgedruckt in: Jenkins/Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 11 ff. 499 Werbung des Fire Office (1681), abgedruckt in: Jenkins/Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 17 f. 500 Beaumont, S. 57. 501 Vgl. Versicherungsbedingungen der Corporation of London (1681), Art. VI, abgedruckt in: Jenkins/Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 31 ff. 502 Vgl. Feuerversicherungspolice der Corporation of London (1682), abgedruckt in: Walford, Insurance Cyclopaedia, Bd. 3, S. 538.
B. Elemente der Einräumung des Versicherungsschutzes
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Die Friendly und die Hand in Hand arbeiteten ebenfalls mit flexiblen Versicherungssummen.503 Allerdings hatte stets Geldentschädigung zu erfolgen. Ein Restitutionsvorbehalt war also nicht vorgesehen. Wie bereits gezeigt, konnte das geschädigte Mitglied aber von den durch die Gesellschaften zur Schadensermittlung entsandten handwerklichen Gutachtern Gebrauch machen, die dann Restitution leisten mussten zu den selbst evaluierten Konditionen.504 Erst später führte auch die Hand in Hand, ebenso wie die ihr nahestehende Union Society,505 ein Wahlrecht zwischen Geldentschädigung und Restitution ein.506 Die Sun bestimmte in ihren Ursprungsbedingungen von 1710 eine maximale Versicherungssumme von 500 Pfund für ihre Policen.507 Ihre Entschädigungsleistung war aber zusätzlich auch inhaltlich beschränkt. Aus einem Teil der Beiträge der Versicherungsnehmer wurde ein Rücklagenfond gebildet.508 Erlitten Versicherungsnehmer Schäden, so wurden diese ausschließlich aus dem Fond ausgeglichen. Reichte die im Fond eingelagerte Summe nicht aus, um alle Schäden abzudecken, wurde die vorhandene Summe unter den geschädigten Versicherungsnehmern aufgeteilt. Die Entschädigung erfolgte dabei „in proportion to [the] respective Losses [of the Insured]“.509 Damit bestand nicht einmal ein sicherer Anspruch auf die Leistung. In gewisser Weise trug der Versicherungsnehmer hinsichtlich seiner Entschädigung damit das Risiko der wirtschaftlichen Tüchtigkeit des Sun Fire Office mit. Die Union Society sah nur dann eine Deckelung der Versicherungssumme vor, wenn sich mehrere versicherte Mobilien am gleichen Ort befanden und somit auch deren Brandgefahr überschnitt.510 Die Hand in Hand inkorporierte 1722 eine ähnliche Bedingung in ihre Satzung, nach der die Versicherungssumme pro Immobilie lediglich 2000 Pfund betragen durfte, sofern keine ausnahmsweise Abweichung durch die Generalversammlung zugelassen wurde.511 Die Royal Exchange Assurance und die London Assurance hingegen führten in ihren ursprünglichen Bedingungen bereits ein, dass die Versicherungssumme so hoch 503 Vgl. Versicherungsbedingungen der Friendly Society (1684), Art. III, abgedruckt in: Jenkins/Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 73 ff.; Satzung der Hand in Hand (1696), Art. 19, abgedruckt in: Walford, Insurance Cyclopaedia, Bd. 5, S. 634 ff. 504 Siehe schon in Zusammenhang mit der Schadensanzeige S. 100. 505 Vgl. Auszug aus der Gründungsurkunde der Union Society (1714), Art. VI. 506 Vgl. Auszug aus der Satzung der Hand in Hand (1722), Artt. 17, 29, abgedruckt in: Jenkins/Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 117 ff. 507 Vgl. Versicherungsbedingungen der Company of London Insurers (1710), Art. VIII, abgedruckt in: Relton, S. 319 ff. 508 Vgl. ebd. 509 Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1716), Art. VIII, abgedruckt in: Relton, S. 325 ff. 510 Vgl. Auszug aus der Gründungsurkunde der Union Society (1714), Art. VI. 511 Vgl. Auszug aus der Satzung der Hand in Hand (1722), Art. 30, abgedruckt in: Jenkins/ Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 117 ff.
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Kapitel 2: Untersuchung der Feuerversicherungsverhältnisse
sein konnte wie der Versicherungswert,512 kurzum, dass die Sache für ihren vollständigen Wert versichert werden konnte. In diesen Bedingungen hieß es zudem, dass keine Gesellschaft zuvor Versicherungen solchen Umfangs vornahm. Die Gegenseitigkeitsversicherer sowie das nur kurzlebige kommunale Versicherungskonzept der Stadt London wurden hierbei wohl nicht berücksichtigt. Ebenfalls war ein Wahlrecht des Versicherers zwischen Geldentschädigung und Restitution durch die Gesellschaft in den Bedingungen der Versicherer vorhanden.513 Die Deckelung von Entschädigung und Versicherungssumme wurde auch von der Sun dann 1750 aufgehoben.514 Es galt jedoch, dass, sofern eine Versicherungssumme jenseits der 3000 Pfund begehrt wurde, nur zu eigens ausgehandelten Konditionen versichert werden konnte.515 Im ausgehenden 18. und im 19. Jahrhundert war die Durchführung von Vollwertversicherungen dann umfänglich etabliert, wobei eine abweichende Beitragsberechnung ab bestimmten Versicherungssummen vorgesehen war.516 Dagegen zeigten die Bedingungen einiger Versicherer keine Anhaltspunkte mehr dafür, dass die Restitution vorbehalten war.517 Es ließen sich aber Formulierungen wie bei der Globe feststellen, die dies zumindest implizit verrieten:518 „… if there appears any Fraud or false Swearing, the Claimant shall forfeit his Claim to Restitution, or Payment … “.
512 Hierzu und zum Folgenden vgl. Versicherungsbedingungen der Royal Exchange Assurance (1721), 1., abgedruckt in: Relton, S. 158 f.; Versicherungsbedingungen der London Assurance (1722), 1. 513 Versicherungsbedingungen der London Assurance (1722), 7.; Versicherungsbedingungen der Royal Exchange Assurance (1722), 7., abgedruckt in: Relton, S. 160 ff. 514 Vgl. Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1750), N. B. 515 Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1727), Art. IV, abgedruckt in: Jenkins/ Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 129 ff. 516 Vgl. exemplarisch Versicherungsbedingungen des Manchester Fire Office (1771), nach Art. XI; Versicherungsbedingungen des New Bristol Fire Office (1777), nach Art. X; Versicherungsbedingungen der Phoenix Assurance Company (1785, 1797, 1804, 1815), vor Art. I; Versicherungsbedingungen der Globe Insurance Company (1799, 1805), S. 2; Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1816), Art. vor Art. I, abgedruckt in: Relton, S. 335 ff.; Versicherungsprospekt der Alliance British and Foreign Life and Fire Assurance Company (1824), S. 23 f.; Versicherungsbedingungen und Konditionen der West of England Fire and Life Insurance Company (1829), S. 18 f.; Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1855), vor Art. I, abgedruckt in: Relton, S. 340 ff. 517 Vgl. Versicherungsbedingungen der Phoenix Assurance Company (1785, 1797, 1804, 1815); Versicherungsbedingungen der Globe Insurance Company (1799, 1805); Versicherungsbedingungen der Norwich Union Fire Insurance Society (1824). 518 Zitiert aus Art. III der Versicherungsbedingungen der Globe Insurance Company (1799); Nahezu gleichlautend: Versicherungsbedingungen der Phoenix Assurance Company (1815), Art. X.
B. Elemente der Einräumung des Versicherungsschutzes
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Auch aus den Bedingungen der Royal Exchange und der London Assurance verschwanden in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Bedingungen, die sich mit der Thematik befassten.519 Sie fand allerdings Eingang in die Policen:520 „… said loss or damage shall either be paid in money immediately … or otherwise … their officers, workmen, or assigns, shall … begin to rebuild or repair the said building …“.
Erst 1827 verfügte die Sun dann auch über eine entsprechende Regelung in ihren Policen.521 Allerdings ging Relton davon aus, dass sie bereits früher in ihrer geübten Praxis ein Wahlrecht zwischen Geldentschädigung und Restitution vorsah.522 Neben den thematisierten Versicherern, die von einem Restitutionsvorbehalt Gebrauch machten, liegt es damit zusätzlich nahe, dass auch weitere Versicherer eine solche Praxis einführten. Die Bedingungen und die Praxis der Sun wurden schließlich für viele englische Versicherer zum Vorbild. In der Literatur der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts lassen sich nur bedingt Ausführungen zum Restitutionsvorbehalt ausmachen. Der erste Autor, der sich der Thematik widmete, war Beaumont.523 Demnach seien die Regeln aus der Seeversicherung anzuwenden gewesen. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts etablierte sich jedoch eine eigene Rechtsprechung zur Feuerversicherung. Wollte der Versicherer den Restitutionsvorbehalt ausüben, hatte er within reasonable time den Versicherungsnehmer hiervon unmissverständlich zu benachrichtigen.524 Ebenso möglich war es aber, dass vermöge der Bedingungen eine Frist bestimmt wurde. Machte der Versicherer von seinem Wahlrecht Gebrauch, wandelte sich das Vertragsverhältnis. Aus dem ursprünglichen Entschädigungsvertrag wurde ein Wiederherstellungsvertrag.525 Dies hatte durchaus bemerkenswerte rechtliche Konsequenzen. Es bedeutete nämlich, dass der Versicherer auch über den Betrag der ursprünglich geschuldeten Geldentschädigung hinaus Restitutionskosten zu tragen hatte.526 Nicht länger relevant waren dagegen vertraglich vereinbarte Begrenzungen der Versicherungssumme, abweichende Bestimmungen des Versicherungswertes oder der erlittene Schaden des Versicherungsnehmers, da diese für die Restitution nicht maßgeblich waren. Entscheidend war allein, dass der Versicherungsnehmer letztlich eine Sache erhielt, die „substantially in the same state as before the fire“ war.527
519 520 521 522 523 524 525 526 527
Vgl. Versicherungsbedingungen der Royal Exchange Assurance (1776). Zitiert aus Weskett, S. 219 f. Vgl. Versicherungspolice des Sun Fire Office (1827), Art. VI. Relton, S. 331. Beaumont, S. 56 ff. Vgl. Sutherland v. Sun Fire Office (1852) 14 D. (Ct. Sess.) 775. Vgl. Brown v. Royal Insurance Company (1859) 5 Jur. N. S. 1255. Bunyon, S. 95 f. Times Fire Assurance Company v. Hawke (1859) 1 F. & F. 407.
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Kapitel 2: Untersuchung der Feuerversicherungsverhältnisse
In Brown v. Royal Insurance Company528 zeigte sich dieser Unterschied sehr eindrucksvoll. Nachdem der Versicherer sein Wahlrecht ausgeübt hatte, weil die versicherte Immobilie nicht vollständig niedergebrannt war – insbesondere standen immer noch die Außenwände des Gebäudes – wurde nach Maßgabe des Metropolitan Building Act 1855 auch der Rest des Gebäudes abgerissen, da dieser eine Gefährdung der Umgebung darstellte. Es wurde allerdings festgestellt, dass die Einsturzgefahr der Außenwände nicht auf den Feuerschaden zurückzuführen war, sondern vielmehr durch die Beschaffenheit des Bodens und ein damit verbundenes Absinken des Gemäuers nach Ausübung des Wahlrechtes des Versicherers entstand. Das Gericht entschied hier, dass auch, wenn die Einsturzgefahr und damit der letztliche Abriss der Außenwände nach Kausalitätsgesichtspunkten nicht aus dem Feuerschaden resultierte eine Restitution des Gebäudes zu erfolgen habe, da der Versicherer sein Wahlrecht ausgeübt habe und damit eine Umwandlung des Vertragsverhältnisses stattgefunden hätte. Trotz der im 19. Jahrhundert unter den Versicherern verbreiteten Möglichkeit der Durchführung von Vollwertversicherungen, war es nach wie vor Sache der Parteien über welche Versicherungssumme sie das versicherte Interesse versicherten. Ebenso wie im Bereich des Restitutionsvorbehalts ergaben sich damit auch für die Fälle der Unterversicherung zusätzliche rechtliche Implikationen. Vielen geltenden europäischen Rechtsordnungen wohnt heute für den Fall der Unterversicherung das sogenannte Proportionalitätsprinzip inne.529 Findet dieses Anwendung und versichert der Versicherungsnehmer den Geldwert des versicherten Interesses nur über eine geringere Versicherungssumme, die diesem Geldwert nicht gleichkommt, so wird auch seine Entschädigung in dem Verhältnis gemindert, in dem die Versicherungssumme zum Versicherungswert steht. Unabhängig davon, dass die Proportionalitätsregel im Recht des Vereinigten Königreichs heute nicht den Grundfall normiert, sondern vertraglich von den Parteien vereinbart sein muss,530 findet sich in der Historie der englischen Feuerversicherung die sogenannte Average Clause, die die Proportionalitätsregel enthielt. Diese Regelung war ebenso ursprünglich aus der Seeversicherung bekannt.531 Walford war wohl der Meinung, dass bereits englische Gegenseitigkeitsversicherer des 17. Jahrhunderts die Average Clause verwendeten.532 Diese Behauptung ist dennoch nicht durch eine entsprechende Vereinbarung oder Bedingung belegbar. Betrachtet man allerdings erhaltene Policen aus der Zeit, fällt zumindest auf, dass viele versicherte Sachen tatsächlich nicht für ihren vollständigen Wert versichert 528
(1859) 5 Jur. N. S. 1255. Hierzu und zum Folgenden vgl. Basedow/Fock, in: Europäisches Versicherungsvertragsrecht, Bd. 1, S. 62. 530 Ray, S. 150 f.; Ivamy, S. 162. 531 Vgl. Walford, Insurance Cyclopaedia, Bd. 1, S. 232; Atkins, S. 10. 532 So Jenkins/Yoneyama, History of Insurance, Bd. 2, S. 1, wenn auch ohne Nachweis. 529
B. Elemente der Einräumung des Versicherungsschutzes
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wurden, sondern vielmehr für drei Viertel ihres Wertes.533 Die Überlegung der Versicherer sei dabei gewesen den Versicherungsnehmer systematisch am versicherten Risiko zu beteiligen und so dessen Interesse an der Erhaltung der Sache nicht gänzlich zu beseitigen.534 Nachweisen lässt sich eine entsprechende Bedingung aber erst in Policen der Royal Exchange Assurance aus dem Jahre 1722. Dort heißt es:535 „If in case of Loss or Damage it appears that there was a greater Value than the sum hereby insured and part thereof saved, then sd. Loss or Damage shall be taken & borne in an Average.“
In der Folgezeit nahm die Royal Exchange auch zahlreiche Änderungen an ihr vor.536 Beispielhaft sei genannt, dass zeitweise nur Mobilien, dann auch bestimmte Immobilien von der Average Clause betroffen sein sollten oder die Versicherungssumme, ab der sie verwendet werden sollte, schwankte. Die Folgen, die sich an diese Regelung knüpften, wurden dabei nicht genauer erörtert. Aufschlussreicher erscheint dann die Regelung aus den Versicherungsbedingungen der Royal Exchange Assurance aus dem Jahre 1726:537 „When more than 1000 l. assured by this Corporation on Goods and Merchandize in one Building and such Goods and Merchandize in case of fire are not totally consumed, the Corporation only liable to pay and make good such proportion of Loss or damage sustained as the sum assured bears to whole value of the Goods and Merchandize.“
Klar wird in dieser Fassung, dass es sich hier um eine Proportionalitätsregel für Versicherungssummen über 1000 Pfund für die Mobiliarfeuerversicherung handelte. Diese Bedingung bestand auch noch 1734 als Artikel 10 der Versicherungsbedingungen fort.538 Schließlich wurde 1737 angeordnet, dass die Average Clause wieder aus den Policen gestrichen wird.539 Ebenso wenig ließ sie sich dann auch in den Bedingungen vieler englischer Versicherer bis zum Ende des 18. Jahrhunderts finden,540 was Bell zur Überzeugung brachte, dass es sich im ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhundert um eine unübliche und wenig verbreitete Praxis gehandelt
533
Pearson, Insuring the Industrial Revolution, S. 308 ff. Raynes, S. 207. 535 Zitiert aus Insurance Institute of London, Teil 1, S. 18. 536 Hierzu ausführlich Insurance Institute of London, Teil 1, S. 18 f. 537 Zitiert aus Relton, S. 164. 538 Versicherungsbedingungen der Royal Exchange Assurance (1734); Versicherungsbedingungen der London Assurance (1734), abgedruckt in: Relton, S. 173 ff. 539 Insurance Institute of London, Teil 1, S. 19. 540 Vgl. exemplarisch Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1757); Versicherungsbedingungen der Royal Exchange Assurance (1776); Versicherungsbedingungen der Phoenix Assurance Company (1785, 1797); Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1794), abgedruckt in: Relton, S. 331 ff.; Versicherungsbedingungen der Globe Insurance Company (1799). 534
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hätte.541 Angesichts des Vorhandenseins der Average Clause in Policen der Sun aus den Jahren 1793 und 1794, ist diese Einschätzung ob der großen Verbreitung und Signifikanz des Sun Fire Office allerdings zumindest fragwürdig.542 Neben der Überlegung das Interesse des Versicherungsnehmers an der Erhaltung der versicherten Sache durch die Average Clause zu fördern, gab es aber auch andere Gründe, die eine solche Bedingung sinnvoll machten. So war es möglich, dass eine Unterversicherung vorlag und dadurch ein geringerer Beitrag vom Versicherungsnehmer zu zahlen war, der Versicherer aber in Abwesenheit einer Proportionalitätsregel bis zur Höhe der Versicherungssumme Entschädigungsleistung schuldete.543 Dies galt zumindest, soweit der Versicherungsnehmer keine vertraglichen Pflichten verletzte, indem er beispielsweise einen falschen Versicherungswert angab. Dieses Thema wurde jedoch in der englischen Literatur und Rechtsprechung seinerzeit nicht diskutiert.544 Da der Versicherungsnehmer allerdings ohnehin nach der duty of disclosure545 eine detaillierte Beschreibung der zu versichernden Sache liefern musste, verfügte der Versicherer über Informationen hinsichtlich aller wertbildenden Faktoren, weshalb er auch den entsprechenden Versicherungswert selbst bestimmen konnte. b) Überversicherung Der umgekehrte Fall der Unterversicherung ist die sogenannte Überversicherung. Diese liegt vor, wenn die Versicherungssumme den Versicherungswert übersteigt. Dies ist angesichts des in der Feuerversicherung bereits früh anerkannten Entschädigungsprinzips problematisch.546 Zweckrichtung ist nämlich die Ausgleichung von Schäden, wodurch sich grundsätzlich eine Bereicherung des Versicherungsnehmers verbietet. Deshalb kann er auch keine Versicherungssumme als Entschädigung erhalten, die den Geldwert des versicherten Interesses übersteigt. Wirtschaftlich betrachtet kann es dabei auf zwei Arten zu einer Überversicherung kommen. Einerseits ist denkbar, dass die Überversicherung isoliert durch einen Versicherer erfolgt. Andererseits kann der Versicherungsnehmer die gleiche Sache bei mehreren Versicherern in der Weise versichern, dass die Versicherungssummen der unterschiedlichen Verträge insgesamt den Versicherungswert übersteigen und so eine Überversicherung entsteht. 541
Bell, Average, S. 8. Relton, S. 346 f. 543 Vgl. Sillem v. Thornton (1854) 3 El. & Bl. 888. 544 Heutzutage beschränkt sich die Diskussion in der Schadensversicherung wohl auch auf Economides v. Commercial Union Assurance Co. plc (1998) Q. B. 603. 545 Siehe S. 59 f. 546 Siehe S. 118. 542
B. Elemente der Einräumung des Versicherungsschutzes
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Zur ersten Konstellation kommt es aufgrund der Anerkennung des Entschädigungsprinzips nur bei Irrtums- und Missbrauchsfällen. Der typische Fall war, dass der Versicherungsnehmer einen zu hohen Versicherungswert ansetzte, um eine Entschädigung erhalten zu können, die seinen erlittenen Schaden überstieg. An dieser Stelle soll zunächst erneut die bereits in der Schadensanzeige diskutierte frühe Bedingung der Sun aus dem Jahre 1710 aufgegriffen werden:547 „Every sufferer must make out his or her loss and damage upon Oath before a Judge or Master in Chancery … and carry that affidavit to the Minister or Church-wardens of the Parish … who shall sign a Certificate … that the Sufferer has really and by Misfortune lost by Fire the Sum mentioned in his or her Affidavit; upon producing which to the Company, he or she shall receive his or her Claim: But if there appears any Fraud or Perjury in such Sufferer, he or she shall be excluded from any Right or Interest in these Proposals.“
Wendet man sich dem Ende der zitierten Passage zu, offenbart sich, dass die Geltendmachung eines so nicht vorhandenen Schadens zum Verlust des Entschädigungsanspruchs des Versicherungsnehmers führte. Diese Regelung bestand in einer zumindest hinsichtlich dieser Rechtsfolge identischen Fassung auch lange fort.548 Zusätzlich wurde die Regelung auch von anderen Versicherern verwendet.549 Neben dieser Bedingung konnte die vertragswidrige Handlung des Versicherungsnehmers aber nicht nur im letztlichen Verlangen einer höheren Entschädigung liegen, sondern zusätzlich im vorvertraglichen Bereich stattfinden. Zwar gibt es hierzu keine feuerversicherungsspezifischen Würdigungen, an dieser Stelle liegt es aber dennoch nahe, dass wiederum die Grundsätze der duty of utmost good faith und die aus ihr resultierende duty of disclosure heranzuziehen waren.550 Demnach musste der Versicherungsnehmer alle material facts gegenüber dem Versicherer offenlegen, die ihm bekannt waren, also alle Fakten oder Umstände, die bei verständiger Würdigung durch den Versicherer dazu geeignet waren, dessen Entscheidung den Versicherungsvertrag unter den jeweiligen Bedingungen abzuschließen, zu beeinflussen. In einem Fall zur Seeversicherung wurde dabei 1874 entschieden, dass es sich bei Angaben zum Versicherungswert um eine material fact handeln kann.551 547
Zitiert aus Relton, S. 320. Vgl. Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1727), Art. XI, abgedruckt in: Jenkins/Yoneyama, History of Insurance, Bd. 1, S. 129 ff.; Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1757), Art. X; Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1794), Art. XI, abgedruckt in: Relton, S. 331 ff.; Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1816), Art. X, abgedruckt in: Relton, S. 335 ff.; Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1855), Art. X, abgedruckt in: Relton, S. 340 ff. 549 Vgl. exemplarisch Versicherungsbedingungen der Phoenix Assurance Company (1785), Art. XI; Versicherungsbedingungen der Globe Insurance Company (1799, 1805), Art. III; Versicherungsbedingungen der Phoenix Assurance Company (1804), Art. VIII; Versicherungsbedingungen der Phoenix Assurance Company (1815), Art. X.; Versicherungsbedingungen und Konditionen der West of England Fire and Life Insurance Company (1829), Art. III. 550 Siehe hierzu bereits S. 59 f. 551 Ionides v. Pender (1876) L. R. 9 Q. B. 531. 548
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Gleichwohl gilt hier wiederum das Gesagte zur Unterversicherung. Kam der Versicherungsnehmer seiner duty of disclosure nach, konnte der Versicherer ohnehin eigenständig den Versicherungswert ermitteln. Legte der Versicherungsnehmer hier allerdings wertbildende Faktoren der zu versichernden Sache nicht offen, lag seinerseits ohnehin eine Form der misrepresentation oder des concealment of material facts vor.552 Dies führte dann für sich genommen schon zur Nichtigkeit des Versicherungsvertrages oder zumindest dessen Anfechtbarkeit. Lag zudem ein Betrug des Versicherungsnehmers vor, konnte er seinen gezahlten Beitrag nicht mehr zurückerstattet erhalten, obwohl der Vertrag ab initio unwirksam war und damit grundsätzlich eine Rückgewähr der gegenseitigen Leistungen stattfand. Es kam damit schon gar nicht darauf an, ob der Versicherungsnehmer Angaben zum Versicherungswert selbst machte. Dies ist wohl auch der Grund, warum es keine feuerversicherungsspezifische Rechtsprechung oder Literatur aus der Zeit gibt. Wendet man sich dagegen der zweiten Konstellation der Überversicherung durch mehrere Versicherer zu, so lässt sich bereits 1696 eine Bedingung der Hand in Hand finden, die vorsah:553 „That if any house or houses Chambers or Roomes secured or insured in the said Contribuconshipp shall appeare or happen at the same time to be secured or insured in any other Office or Society then the insurance of such house or houses in or by this Contribuconshipp shall be null and void …“.
Hierbei handelte es sich aber gerade um keine Mehrfachversicherung im eigentlichen Sinne. Eine solche liegt nur vor, wenn die gesamte Versicherungssumme den Versicherungswert übersteigt. Hier ist aber einzige Voraussetzung, dass überhaupt bei einem anderen Versicherer die gleiche Immobilie versichert war. Wenn keine Überschreitung des Versicherungswertes vorliegt, wird aus heutigem Verständnis im deutschen Rechtskreis von einer grundsätzlich zulässigen Nebenversicherung gesprochen.554 Im englischen Recht wird indes in der Regel begrifflich nicht zwischen der Mehrfach- und Nebenversicherung differenziert. Dort ist heutzutage stets die Rede von einer sogenannten double insurance.555 Ausweislich der Bedingungen fand eine solche Differenzierung auch inhaltlich nicht statt. Jegliche Art der double insurance führte zur Nichtigkeit des Vertrages. Die weitgehend nach dem Vorbild der Hand in Hand versichernde Union bediente sich 1714 bereits des Zusatzes, dass eine Versicherung der gleichen Sache bei einem anderen Versicherer nur dann möglich sei, wenn dies auf der Police vermerkt wurde:556 552
Siehe S. 59. Zitiert aus Walford, Insurance Cyclopaedia, Bd. 5, S. 636 f. 554 Langheid/Rixecker/Langheid, § 77 VVG, Rn. 3; Schimikowski, Rn. 331. 555 Vgl. Rühl, in: Europäisches Versicherungsvertragsrecht, Bd. 2, S. 1447. 556 Zitiert aus einem Auszug aus der Gründungsurkunde der Union Society (1714), Art. XIII. 553
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„The Insurance of any Goods in this Society, which shall be insured in any other Office at the same time, to be void … Nevertheless a Liberty is given to insure in any other Office, so as such other Insurance is indorsed on this Society’s Policy … and in which case an equal Average or proportionable Part only is to be paid by this Society.“
Auf die Entschädigung durch die Gesellschaft hatte dies aber auch Einflüsse. In diesem Falle musste die Union nur den Anteil ihrer Versicherungssumme am Versicherungswert entschädigen. Da, wie gezeigt, das Entschädigungsprinzip bereits etabliert war, konnten sich solche Bedingungen nur auf Nebenversicherungen und nicht etwa Mehrfachversicherungen als Überversicherungen beziehen, da eine Versicherungssumme, die den Versicherungswert überstieg, dann keinen Sinn gemacht hätte. Schließlich konnte der Versicherungsnehmer grundsätzlich nicht mehr als seinen tatsächlichen Schaden ersetzt verlangen. Das Sun Fire Office befasste sich ab 1721 in ihren Bedingungen mit der Thematik. Hier wurden zunächst Versicherungen der gleichen Sache auch bei anderen Versicherern ausgeschlossen.557 Bereits 1724 wurde dann aber das Modell der Union übernommen:558 „To Prevent Frauds, Persons insur’d by this Office, shall receive no Benefit from their Policies, if the same Houses or Goods are insur’d in any other Office; unless such Insurance be specify’d, and allow’d of by an Indorsement on the Back of the Policy; in which Case this Office will pay their equal Average on any Loss or Damage.“
Später gab es hier noch Veränderungen im Wortlaut.559 Der Gehalt blieb aber identisch. Die Royal Exchange Assurance und die London Assurance bestimmten auch, dass Versicherungen der gleichen Sache bei anderen Versicherern zulässig waren, wenn dies auf der Police vermerkt wurde.560 Wie sich dies auf die Entschädigung auswirkte, blieb dennoch ungeregelt. Ohne entsprechende Regelung bestand für Versicherungen allgemein der Grundsatz, dass der Versicherer, der zuerst den Vertrag mit dem Versicherungsnehmer schloss, auch die Entschädigung leisten musste.561 Hiervon erfolgte allerdings durch gerichtliche Entscheidung im Jahre 1758 eine Abkehr.562 Demnach konnte der Versicherungsnehmer ohne gegenteilige Vereinbarung die volle Versicherungssumme vom Versicherer seiner Wahl verlangen. Zudem wurde durch eine 557
Vgl. Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1721), Art. XIII. Zitiert aus Art. XII der Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1724). 559 Vgl. Versicherungsbedingungen des Sun Fire Office (1750, 1757), Art. VI, wo zusätzlich von einer ratable proportion die Rede war. 560 Vgl. Versicherungsbedingungen der Royal Exchange Assurance (1721), 3., abgedruckt in: Relton, S. 158 f.; Versicherungsbedingungen der London Assurance (1722), 6.; Versicherungsbedingungen der Royal Exchange Assurance (1734), Art. IX; Versicherungsbedingungen der London Assurance (1734), Art. IX; Versicherungsbedingungen der Royal Exchange Assurance (1776), Art. IX. 561 Millar, S. 266. 562 Vgl. Godin v. London Assurance Company (1758) 97 E. R. 421. 558
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spätere Entscheidung auch klargestellt, dass dem in Anspruch genommenen Versicherer dann die Möglichkeit des anteiligen Ausgleichs gegen den anderen Versicherer im Innenverhältnis zustand.563 Dies wurde dann in der Folge in der wissenschaftlichen Diskussion als sogenanntes principle of contribution verstanden.564 Vorteilhafter war es für die Versicherer, wenn sie, wie von der Union initiiert, in ihren Bedingungen festlegten, nur anteilige Entschädigung zu leisten. Vermutlich war die Auffassung der Rechtsprechung damit ausschlaggebend für die Etablierung eben jener Bedingungen in den Versicherungsverträgen vieler englischer Versicherer bis ins 19. Jahrhundert.565 Ein weiterer Aspekt des genannten Urteils aus dem Jahre 1758 war die anfängliche Konturierung des Konzepts der double insurance in der Feuerversicherung.566 Dort wurde bestimmt, dass für das Vorliegen einer double insurance eine Versicherung der gleichen Sache vorliegen müsse. Dies war allerdings zunächst die einzige Voraussetzung, die gesehen wurde. Problematisch waren aber jene Fälle, in denen auch andere Interessen oder andere Gefahren an der gleichen Sache versichert wurden. Trotzdem macht es Sinn, dass in der frühen Feuerversicherung eher auf den Aspekt der gleichen Sache, auf die sich das versicherte Interesse bezog, eingegangen wurde. Schließlich wurden bis in die 1720er nur Eigentümerinteressen von den Versicherern versichert.567 Dann folgte aus der Versicherung der gleichen Sache notwendigerweise auch das gleiche versicherte Interesse. Ebenso kam jedoch eine Vielzahl versicherbarer Interessen in Betracht.568 Somit konnten auch an einer Sache verschiedene versicherte Interessen versichert sein. Dann bestand aber keine Kongruenz zwischen den verschiedenen Versicherungsverhältnissen. Ebenso war es mit der versicherten Gefahr, die über die bloße Bezeichnung von Feuer auch mittels einer positiven oder negativen Gefahrbeschreibung genauer konturiert werden konnte.569
563
Vgl. Newby v. Reed (1762) 96 E. R. 237. Pipkin, in: Transactions of Insurance and Actuarial Society of Glasgow, S. 314 f.; Evans, JCII 1909, Bd. 12, 143; Watson, JCII 1909, Bd. 13, 322; Howes, JCII 1969, Bd. 66, 43 f.; Kitchin, S. 110 f.; Doublet, S. 34; Sneath, S. 29 f.; vgl. auch Ehrenzweig/Ehrenzweig, Columbia Law Review, Bd. 43, Nr. 6 (1943), 831 f. 565 Vgl. exemplarisch Versicherungsbedingungen des Manchester Fire Office (1771), Art. VI; Versicherungsbedingungen des New Bristol Fire Office (1777), Art. VI; Versicherungsbedingungen der Globe Insurance Company (1799, 1805), S. 2; Versicherungsbedingungen der Phoenix Assurance Company (1804, 1815), Art. VI. 566 Hierzu und zum Folgenden vgl. wiederum Godin v. London Assurance Company (1758) 1 Burr. 492 durch Lord Mansfield. 567 Siehe S. 54 ff. 568 Ebd. 569 Siehe S. 79 ff. 564
B. Elemente der Einräumung des Versicherungsschutzes
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Tatsächlich wurden diese Themen aber erst viel später Gegenstand gerichtlicher Aufarbeitung. So wurde einerseits entschieden, dass das versicherte Interesse identisch sein musste.570 Andererseits musste zumindest substanziell die gleiche Gefahr versichert sein.571 Erst dann ließ sich von einer double insurance sprechen. 2. Frankreich Ausgangspunkt der französischen Entwicklung um die Entschädigung des Versicherungsnehmers ist wiederum das Entschädigungsprinzip:572 „Art. IX. La Compagnie ne remboursera d’autres dommages que ceux qu’auront soufferts … conformément aux désignations portées par les Polices d’assurance.“ „Art. IX. Die Gesellschaft entschädigt keine anderen Schäden, als solche, die erlitten wurden … entsprechend der Vorgaben durch die Versicherungspolicen.“
Diese Bedingung der Compagnie royale aus dem Jahre 1786 zeigt, dass sich hier eine mit England vergleichbare Situation bot. Das Entschädigungsprinzip, welches sich auch in den Bedingungen der Compagnie d’assurances générales 1753, wenn auch nicht in solcher Klarheit verwirklicht fand,573 war von der spärlichen Praxis des 18. Jahrhunderts in Frankreich vorausgesetzt. In Abwesenheit einer irgendwie gearteten sonstigen rechtlichen Befassung mit der Feuerversicherung,574 folgte dies allerdings, genau wie in England, keiner rechtlichen Vorgabe. Selbst bei den Gegenseitigkeitsversicherern, die nach der französischen Revolution zunächst die einzigen Akteure auf dem französischen Feuerversicherungsmarkt waren,575 änderte sich dies nicht:576 „… les droits à l’indemnité, à la suite de l’incendie, ne seront jamais qu’en raison de la valeur réelle de l’immeuble, calculée ou estimée comme il a été dit à l’article précédent.“ „Die Ansprüche auf Entschädigung nach dem Brand werden immer nur nach dem tatsächlichen Wert des Gebäudes, berechnet oder geschätzt, wie im vorigen Artikel angegeben, entschädigt.“
570
Vgl. North British and Mercantile Ins. Co. v. London, Liverpool and Globe Insurance Co. (1877) 5 Ch. D. 577. 571 Vgl. Australian Agricultural Co. v. Saunders (1875) L. R. 10 C. P. 668. 572 Zitiert aus Pouilloux, S. 528. 573 Vgl. Versicherungsbedingungen der Compagnie d’assurances générales de Paris (1753), Art. VI, abgedruckt in: Pouilloux, S. 480 ff., wo allgemein von den Entschädigungsmodalitäten die Rede ist und so auch offenbart wird, dass nur Schäden des Versicherungsnehmers ausgeglichen werden. 574 Siehe hierzu S. 36 f. 575 Siehe hierzu bereits S. 33 ff. 576 Zitiert aus Versicherungsbedingungen der Société d’assurances réciproques contre l’incendie (1805), Art. VIII.
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Kapitel 2: Untersuchung der Feuerversicherungsverhältnisse
In der Zeit der Restauration war das Entschädigungsprinzip umfänglich anerkannt. Dies lässt sich sehr gut an den Bedingungen der Compagnie générale 1819 nachvollziehen, wo es hieß:577 „L’assurance ne pouvant jamais être une cause de bénéfice pour l’assuré, et ne devant lui garantir que l’indemnité des pertes réelles … S’il est reconnu que [la] valeur [des objets assurés] est inférieure à la somme assurée, l’engagement de la compagnie est réduit de toute la différence, et l’assuré n’a droit au remboursement du dommage qu’en proportion du capital de l’assurance ainsi réduit.“ „Die Versicherung kann niemals eine Bereicherung für den Versicherungsnehmer nach sich ziehen und muss ihm nur die Entschädigung für tatsächliche Schäden garantieren … Wird anerkannt, dass [der] Wert der [versicherten Objekte] niedriger ist als die Versicherungssumme, wird die Verpflichtung der Gesellschaft um den gesamten Differenzbetrag reduziert, und der Versicherungsnehmer hat nur einen Anspruch auf Erstattung des Schadens im Verhältnis zur so reduzierten Versicherungssumme.“
Auch die folgenden Versicherer des 19. Jahrhunderts inkorporierten in solcher oder vergleichbarer Weise das Entschädigungsprinzip in ihre Bedingungen.578 Begleitet wurde dies nunmehr vom rechtlichen Rahmen des Code de commerce, wo das Entschädigungsprinzip von Artt. 357 f. zwingend für die Seeversicherung vorgeschrieben wurde. Diese Regeln wurden von der Literatur teilweise auch ausdrücklich analog auf die Feuerversicherung angewendet.579 Jedenfalls setzten die übrigen Autoren und die Rechtsprechung, die sich nicht auf die genannten Normen beriefen, auch die Existenz des Entschädigungsprinzips voraus.580 a) Unterversicherung Was die Unterversicherung anbelangt, lassen sich zunächst zwar keine Beschränkungen auf zahlenmäßig festgelegte Versicherungssummen in den Anfängen der französischen Feuerversicherung feststellen. Vollwertversicherungen waren al-
577
Zitiert aus Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Appendix S. 54. Vgl. exemplarisch Versicherungspolice der Compagnie française du Phénix (1819), Art. 18, abgedruckt in: Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Appendix S. 57 ff.; Versicherungspolice der Compagnie royale d’assurances contre l’incendie (1820), Art. 18, abgedruckt in: Quénault, S. 413 ff.; Versicherungsbedingungen der Compagnie du Soleil (1829), Art. 2, abgedruckt in: Persil, S. 433 ff.; Versicherungspolice der L’Urbaine (1840), Art. 1, abgedruckt in: Gallix, S. 404; Versicherungspolice der La Providence (1840), Art. 2, abgedruckt in: Gallix, S. 406; Instruktionen für Versicherungsagenten der L’Aigle incendie (1853), Art. 2; Instruktionen für Versicherungsagenten der Le Globe (1854), Art. 4; Versicherungsbedingungen der l’Urbaine (1886), Art. 4, abgedruckt in: Chaufton, S. 356 ff. 579 Vgl. Grün/Joliat, Rn. 252; Quénault, Rn. 65 ff. 580 Vgl. Hettier, S. 273; Boudousquié, Rn. 174; La Compagnie du Soleil c. Bidard, Cour royale de Paris (15. Februar 1834), abgedruckt in: Sirey, 1834, Teil 2, S. 145; zur grundsätzlichen Analogiefähigkeit der Regeln des C. com. betreffend die Seeversicherung siehe zudem bereits S. 67 f. 578
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lerdings trotzdem nicht möglich. Aufschluss hierüber gibt eine Bedingung der Compagnie d’assurances générales:581 „… pour engager [les Assurés] à veiller … à la conservation de [la] maison … le cinquième de sa valeur sera encore à ses risques.“ „… um die Versicherungsnehmer … zu verpflichten, sicherzustellen, dass das Haus erhalten bleibt … bleibt ein Fünftel des Wertes ihr Risiko.“
Die Versicherungssumme konnte also maximal vier Fünfteln des Versicherungswertes entsprechen, damit der Versicherungsnehmer auch weiterhin ein eigenes Interesse an der Sacherhaltung hatte. Tatsächlich wurde damit das identische Argument wie in England vorgebracht. Dies galt, obwohl sich dieser Versicherer ebenfalls darüber im Klaren war, dass 1753 viele englische Versicherer bereits Vollwertversicherungen anboten:582 „Conditions différentes de celles des Chambres de Londres, & autres, où l’on assure … les sommes, telles que les Assurés les demandent … “. „Andere Bedingungen als die der Londoner Versicherer und der andernorts, wo der Versicherungsnehmer die Summen versichern kann, die er möchte … “.
Damit nahm die Compagnie d’assurances générales nur Unterversicherungen vor. Hinsichtlich der Entschädigung wurde aber ebenfalls von der englischen Praxis abgewichen und nicht die Proportionalitätsregel verwendet:583 „Les pertes ou dommages … seront payés … jusqu’à la concurrence de la somme assurée, & non au prorata de la valeur de la maison …“. „Verluste oder Schäden werden bis zur Höhe der Versicherungssumme und nicht im Verhältnis zum Wert des Hauses bezahlt …“.
Dies änderte sich jedoch 1786 als die Compagnie royale sich nicht mehr vom englischen Vorbild distanzierte. Vollwertversicherungen waren nunmehr möglich;584 wählte der Versicherungsnehmer aber eine geringere Versicherungssumme, die nicht dem Versicherungswert entsprach, galt für die Entschädigung die Proportionalitätsregel:585 „Les Propriétaires qui ne voudront faire assurer qu’une portion de la valeur … seront tenus d’en déclarer la valeur entière; & il en sera fait mention dans la Police, afin que dans le cas de dommages, le remboursement que la Compagnie devra faire soit déterminé dans la proportion de la somme assurée, avec la valeur entière de l’effet assuré.“ „Eigentümer, die nur einen Teil des Wertes versichern wollen … müssen den vollen Wert angeben … dieser ist in der Police anzugeben, so dass im Schadensfall die von der Ge581
Zitiert aus Pouilloux, S. 481. Ebd. 583 Zitiert aus Pouilloux, S. 481 f. 584 Hierzu und zum Folgenden Versicherungsbedingungen der Compagnie royale d’assurances contre les incendies (1786), abgedruckt in: Pouilloux, S. 527 ff. 585 Zitiert aus Pouilloux, S. 530. 582
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Kapitel 2: Untersuchung der Feuerversicherungsverhältnisse
sellschaft zu leistende Entschädigung nach dem Verhältnis der Versicherungssumme zum vollen Wert des versicherten Gegenstands bestimmt wird.“
Nach der französischen Revolution sahen die rudimentäreren Versicherungsbedingungen der Administration générale d’assurance mutuelle contre les incendies nur noch einen Unterschied zwischen der Entschädigung bei vollständiger und teilweiser Zerstörung vor:586 „Dans le cas d‘incendie total, on paiera le montant de l’évaluation portée en l’acte d’adhésion. Dans le cas d’incendie partiel, on remboursera le montant de l’estimation.“ „Im Falle einer vollständigen Brandzerstörung wird der Betrag der Bewertung, der im Beitrittsakt genannt ist, gezahlt. Im Falle einer teilweisen Brandzerstörung wird die Summe der Schadensbewertung erstattet.“
Wie der Versicherungsprospekt an anderer Stelle offenbart, stellte die Bewertung im Beitrittsakt stets den Versicherungswert dar.587 Es handelte sich also stets um Vollwertversicherungen. Weitere Schlüsse lässt das Dokument jedoch nicht zu. Die Bedingungen der Toulouser Gegenseitigkeitsversicherung waren dann wieder etwas ergiebiger und nahmen Abstand vom Institut der Vollwertversicherung:588 „Si la perte occasionée par l’incendie arrive à la totalité de l’édifice, l’indemnité ne sera payée que dans la proportion de 5 à 6 de la valeur de l’objet assuré … Dans tous les autres cas, l’indemnité ne sera sujette à aucune retenue.“ „Wird das gesamte Gebäude durch den Brand zerstört, wird die Entschädigung nur im Verhältnis 5 zu 6 des Wertes des versicherten Objekts gezahlt … In allen anderen Fällen wird die Entschädigung nicht beschränkt.“
Differenziert wurde dabei jedoch nicht nach zahlenmäßig unterschiedlichen Versicherungssummen. Im Ergebnis bildeten fünf Sechstel des Versicherungswertes stets die Versicherungssumme und dann wurde auch keinerlei Reduzierung der Entschädigung nach Gesichtspunkten der Proportionalität durchgeführt, wenn der Schaden die jeweilige Versicherungssumme unterschritt. Die Compagnie d’assurance mutuelle nahm dagegen ab 1816 nur Vollwertversicherungen vor.589 Abermals fanden sich damit einhergehend jedoch keine Regelungen zu Über- und Unterversicherungen. Tatsächlich wurde nur wenig später, im Jahre 1818, erwogen, im Rahmen des Genehmigungsverfahrens für Feuerversicherer festzulegen, dass ein Zehntel des
586
Zitiert aus Bellenger, S. 413. Versicherungsprospekt der Administration générale d’assurance mutuelle contre les incendies (1798), S. 1, abgedruckt in: Bellenger, S. 413 f. 588 Zitiert aus Versicherungsbedingungen der Société d’assurances réciproques contre l’incendie (1805), Art. XXIII. 589 Statuten der Compagnie d’assurance mutuelle contre l’incendie (1816), Art. 9, abgedruckt in: Quénault, S. 442 ff. 587
B. Elemente der Einräumung des Versicherungsschutzes
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Versicherungswertes nicht versichert werden können sollte.590 Hierzu hieß es von Seiten des Innenministers, dass man die Gesellschaften zwar nicht verpflichten wolle, es aber gleichfalls wünschenswert wäre, um das Interesse des Versicherungsnehmers an der Sacherhaltung zu fördern. Dennoch nahm die Compagnie générale 1819 Vollwertversicherungen vor, versicherte aber auch geringere Versicherungssummen, die nicht dem Versicherungswert gleichkamen.591 Wurde über eine Versicherungssumme versichert, die den Versicherungswert unterschritt, galt eine Proportionalitätsregel:592 „Si, au moment de l’incendie, la valeur des objets couverts par la police excède le montant de l’assurance, l’assuré est considéré comme étant resté son propre assureur pour cet excédant, et il supporte en cette qualité sa part de la perte ou du dommage au centime le franc.“ „Übersteigt der Wert der von der Police abgedeckten Objekte zum Zeitpunkt des Brandes die Versicherungssumme, so gilt der Versicherungsnehmer als sein eigener Versicherer für diesen Überschuss und trägt in dieser Eigenschaft seinen Anteil am Verlust oder Schaden anteilsmäßig.“
In der Folgezeit und im voranschreitenden 19. Jahrhundert etablierte sich unter den französischen Versicherern dieses Modell.593 Vollwert- und Unterversicherungen waren beide möglich. Zusätzlich fanden die Proportionalitätsregel Anwendung. In der frühen Feuerversicherungsliteratur wurde kaum erwähnt, was geschah, wenn keine Proportionalitätsregel im Vertrag vorgesehen war. Häufig wurde nur die Proportionalitätsregel diskutiert.594 Es lässt sich dort der Eindruck gewinnen, dass diese den Regelfall darstellte, der auch ohne eine entsprechende Vereinbarung im Vertrag Anwendung fand. Quénault erwähnte zumindest in einem Satz, dass es auch möglich war eine Unterversicherung ohne Proportionalitätsregel durchzuführen,595 offerierte allerdings keine Rechtsfolgen für diesen Fall und behauptete, dass es ohnehin nie vorkomme. Grün/Joliat erkannten dabei zumindest, dass die Proportionalitätsregel wiederum aus der Seeversicherung stammte und es sich bei deren
590 Instruktionen des Innenministers vom 11. Juli 1818, abgedruckt in: Ministère de l’intérieur, S. 349 ff. 591 Vgl. Versicherungspolice der Compagnie générale d’assurance contre l’incendie (1819), Artt. 17, 29, abgedruckt in: Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Appendix S. 51 ff. 592 Zitiert aus Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Appendix S. 54. 593 Hierzu und zum Folgenden vgl. exemplarisch Versicherungspolice der Compagnie française du Phénix (1819), Art. 18, abgedruckt in: Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Appendix S. 57 ff.; Versicherungspolice der Compagnie royale d’assurances contre l’incendie (1820), Art. 18, abgedruckt in: Quénault, S. 413 ff.; Versicherungsbedingungen der Compagnie du Soleil (1829), Art. 7, abgedruckt in: Persil, S. 433 ff.; Instruktionen für Versicherungsagenten der L’Aigle incendie (1853), Art. 7; Instruktionen für Versicherungsagenten der Le Globe (1854), Art. 8; Versicherungsbedingungen der l’Urbaine (1886), Art. 4, abgedruckt in: Chaufton, S. 356 ff. 594 Vgl. Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Rn. 257; Quénault, Rn. 322. 595 Quénault, Rn. 322.
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Etablierung in den Versicherungsbedingungen der Versicherer um eine Entwicklung handelte, die in England in gleicher Weise erfolgt war.596 Boudousquié vertrat hingegen eine differenzierte Ansicht, nach der die Proportionalitätsregel zwar häufig den Grundfall dargestellt habe, aber auf bestimmte versicherte Interessen – die ausschließlich die Versicherung gegen Ansprüche Dritter zum Gegenstand hatten – grundsätzlich keine Anwendung gefunden hätte.597 Dort sollte der Versicherer in Ermangelung einer Proportionalitätsregel bis zur Höhe der ausbedungenen Versicherungssumme den Schaden des Versicherungsnehmer ersetzen, was in England seinerzeit den für alle versicherten Interessen geltenden Grundfall darstellte.598 Dies stützte er auf das wenig überzeugende Argument, dass der Versicherungsnehmer sich in diesen Fällen gegen Ansprüche von Dritten versichern wollte und dementsprechend auch eine vollständige Ausgleichung des Schadens begehrt hätte. Letztlich macht es aber gerade keinen Unterschied für den Versicherungsnehmer, ob nun sein eigenes Vermögen durch Ansprüche Dritter oder den bloßen Verlust oder die Minderung bestehender vermögenswerter Vorteile beeinträchtigt wird. Die Zielsetzung des Versicherungsnehmers, sich gegen Vermögenseinbußen abzusichern, bleibt die gleiche. Gleichwohl wurde eben jene Auffassung auch später im 19. Jahrhundert noch vertreten.599 Andere Autoren sahen die Proportionalitätsregel aber ebenfalls als den umfassenden Grundfall auch ohne eine entsprechende Vereinbarung im Vertrag.600 Wieder anders beurteilte dies die Rechtsprechung. Demnach musste die Proportionalitätsregel Bestandteil des Vertrages sein, um Anwendung zu finden.601 Als dann 1930 der Code des assurances in Kraft trat, wurde die Proportionalitätsregel mit Blick auf deren lange Tradition in der Praxis schließlich als vertraglich abdingbare Grundregel für alle unterversicherten Schadensversicherungsverträge in Artikel 31 niedergelegt.602 Galt davor jedoch die Proportionalitätsregel nicht und ging man mit der Auffassung der Rechtsprechung, hatte der Versicherer ebenso wie in England bis zur Höhe der Versicherungssumme den Schaden zu ersetzen. Damit konnte sich ebenfalls genau wie in England bei einer fehlerhaften Festlegung des Versicherungswertes der Fall einstellen, in dem der Versicherer einen vergleichsweise geringen 596
Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Rn. 257. Boudousquié, Rn. 154 f. 598 Siehe S. 124 ff. 599 Vgl. Alauzet, Bd. 2, Rn. 411; Philouze, S. 110 f. 600 Lalante, Rn. 484 ff.; Pouget, Bd. 1, S. 359 f. 601 Brandt c. Ruthiel, Cour de Cassation (1840), Bonneville de Marsagny, Teil 2, S. 40; Caisses des Assurances agricoles c. Denizot et Boudon, Cour de Cassation (1870), Bonneville de Marsagny, Teil 2, S. 419. 602 Hierzu Picard/Besson, Rn. 297 f. 597
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Beitrag zu zahlen hatte, während die Entschädigungsleistung ihrer Höhe nach die vollständige Versicherungssumme betragen konnte.603 Allerdings hätte der Versicherungsnehmer dann auch unter Umständen keinen Entschädigungsanspruch gehabt, wenn er mit der Angabe eines falschen Versicherungswertes eine vertragliche Pflicht verletzte. Dann konnte es sich um eine sogenannte réticence nach Maßgabe von Art. 348 C. com. handeln, die zur Möglichkeit der Herbeiführung der Nichtigkeit des Vertrages durch Urteil des zuständigen Gerichts führte.604 b) Art der Entschädigung Bei der Art der Entschädigung war in der englischen Praxis um 1750 ein Wahlrecht des Versicherers, ob er in Geld oder durch Restitution seine Leistung erbringen wollte, weit verbreitet.605 Die französischen Versicherer des 18. Jahrhunderts folgten diesem Vorbild jedoch nicht. Dort war nur Geldentschädigung vorgesehen.606 Erst bei der Compagnie générale 1819 änderte sich dies:607 „La compagnie peut … payer [l’indemnité] à l’assuré … Elle peut de même … faire réparer ou reconstruire … les bâtimens que l’incendie aurait endommagés, ou détruits.“ „Die Gesellschaft kann die Entschädigung an den Versicherungsnehmer zahlen … Sie kann ebenso die Gebäude, die durch Brand beschädigt oder zerstört wurden, reparieren oder wiederaufbauen.“
Tatsächlich war dies wiederum der Startschuss für eine einheitliche Praxis, in der die französischen Versicherer nahezu einheitlich den Restitutionsvorbehalt in ihren Versicherungsbedingungen in einer vergleichbaren Weise vorsahen,608 obwohl sie diesen offenbar nur selten ausübten.609 Grün/Joliat merkten dabei wiederum an, dass dies nach englischem Vorbild erfolgt sei.610 603
Vgl. Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Rn. 248. Siehe S. 72. 605 Siehe S. 122 f. 606 Versicherungsbedingungen der Compagnie d’assurances générales de Paris (1753), Art. VI, abgedruckt in: Pouilloux, S. 480 ff.; Versicherungsprospekt der Compagnie des eaux (1786), Nr. 4, abgedruckt in: Bellenger, S. 378 ff.; Versicherungsbedingungen der Compagnie royale d’assurances contre les incendies (1786), Art. XIX, abgedruckt in: Pouilloux, S. 527 ff. 607 Zitiert aus Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Appendix S. 55. 608 Vgl. exemplarisch Versicherungspolice der Compagnie française du Phénix (1819), Art. 24, abgedruckt in: Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Appendix S. 57 ff.; Versicherungspolice der Compagnie royale d’assurances contre l’incendie (1820), Art. 24, abgedruckt in: Quénault, S. 413 ff.; Versicherungspolice der La France (1837), Art. 4 f., abgedruckt in: Gallix, S. 401; Instruktionen für Versicherungsagenten der L’Aigle incendie (1874), Art. 545; anders beispielsweise: Versicherungsprospekt der L’Union Incendie (1828), Art. XVII, abgedruckt in: Union Incendie, nach S. 30, wo nur in Bargeld entschädigt wurde. 609 So beispielsweise Lalante, Rn. 494. 610 Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Rn. 282 unter Bezugnahme auf Weskett, S. 78. 604
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Auf rechtlicher Ebene gab es dabei aber beachtliche Abweichungen zu den englischen Restitutionsvorbehalten. In der Literatur wurde davon ausgegangen, dass der Versicherer nur vom Restitutionsvorbehalt Gebrauch machen durfte, wenn der entstandene Schaden die Versicherungssumme nicht überstieg.611 Dieses Verbot wurde aber nur unter dem Aspekt beleuchtet, dass der Versicherer dann nicht nur einen Bruchteil einer vollständig zerstörten Immobilie aufbauen konnte, um seiner Leistungspflicht zu genügen. Ebenso wenig konnte er eine neue Immobilie vollständig erbauen, die nur den Geldwert der Versicherungssumme besaß. Nicht von diesen Autoren thematisiert, wurde aber, ob der Versicherer dann nicht verpflichtet war, die vollständige Wiederherstellung zu verantworten, wenn er von seinem Wahlrecht Gebrauch gemacht hatte. Lediglich Pouget äußerte sich hierzu und ging davon aus, dass der Versicherer sehr wohl das Recht hatte anteilige Restitution zu leisten.612 Freilich war dies eine doch sehr impraktikable Lösung. Man stelle sich vor, dass lediglich die Außenwände eines Hauses wiedererrichtet worden wären und der Werkunternehmer dann den Bau beendet hätte, weil der Wert der Außenwände dem der Versicherungssumme gleichkam. Eine ausdrückliche Umwandlung des Vertragsverhältnisses unter Aufgabe des Entschädigungsprinzips war damit nicht vorgesehen. Die Rechtsprechung613 und Teile der Literatur614 gingen dagegen ebenfalls davon aus, dass der Versicherer Sorge dafür zu tragen gehabt hätte, dass der Versicherungsnehmer ein Gebäude gleichen Aussehens und gleichen Wertes erhielt. Selbst wenn dies dann mit deutlichen Mehrkosten für den Versicherer verbunden war, lag trotzdem keine Bereicherung des Versicherungsnehmers vor und damit auch keine Ausnahme vom Entschädigungsprinzip.615 Abseits der zuvor behandelten Dicta lässt sich für diesen Themenkreis sonst kaum Rechtsprechung finden, was die häufige These stützt, dass die Versicherer nur selten die Restitution anstelle der Geldentschädigung wählten.616 Einzig nennenswert ist noch ein Urteil der Cour d’Appel de Paris, welches zumindest implizit nahelegt, dass auch bei nur teilweiser Beschädigung der versicherten Sache Restitution erfolgen konnte und nicht etwa, wie Teile der thematisierten Literatur es behaupteten, gar
611
Grün/Joliat, Rn. 284; Lalante, Rn. 494. Pouget, Bd. 1, S. 364. 613 La Réparatrice c. Limouzin-Brondeau, Cour royale de Bordeaux (3. Juli 1846), abgedruckt in: Le Hir, 1848, S. 71. 614 Lalante, Rn. 496. 615 Vgl. La Réparatrice c. Limouzin-Brondeau, Cour royale de Bordeaux (3. Juli 1846), abgedruckt in: Le Hir, 1848, S. 71.; Lalante, Rn. 496. 616 Quénault, Rn. 315; Pouget, Bd. 1, S. 364; Boudousquié, Rn. 324; Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Rn. 282. 612
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nicht möglich war.617 Eine Bezugnahme auf die englische Rechtslage ist in diesem Bereich damit kaum ersichtlich. c) Überversicherung Ebenso, wie es zu Unterversicherungen kommen konnte, war es natürlich auch möglich, dass die Versicherungssumme den Versicherungswert überstieg. Denkbar waren wiederum die Konstellationen der Überversicherung durch einen Versicherer oder mehrere Versicherer. Durch die Anerkennung des Entschädigungsprinzips konnte der Versicherungsnehmer nie mehr als seinen entstandenen Schaden ersetzt verlangen.618 Dementsprechend war auch die Versicherung einer Versicherungssumme, die den Versicherungswert übertraf, an sich zwecklos. Gleichwohl war es vorstellbar, dass es zu Missbrauchsfällen kam, in denen der Versicherungsnehmer eine höhere Entschädigung erlangen wollte. Im 18. Jahrhundert hatten die französischen Versicherer hierzu allerdings keine allgemeine Missbrauchsklausel in ihren Bedingungen zu bieten.619 Wie bereits erörtert, gab es zudem hier noch keine rechtliche Aufarbeitung der Feuerversicherung, die außerhalb der Versicherungsbedingungen hierzu eine Lösung geboten hätte.620 Ab Inkrafttreten des Code de commerce im Jahre 1807 konnte hier jedoch ein Fall der analogen Anwendung von Art. 348 C. com. vorliegen.621 Bei einer solchen sogenannten réticence nach Maßgabe der Vorschrift legte der Versicherungsnehmer Umstände nicht offen, die durch Anordnung des Versicherungsvertrages offenzulegen waren. Dies führte dazu, dass der Versicherer durch Gerichtsurteil die Nichtigkeit des Vertrages herbeiführen konnte. Ebenfalls möglich war es, dass ein Fall der analogen Anwendung des Art. 357 C. com. vorlag.622 Dort hieß es: „Un contrat d’assurance ou de réassurance consenti pour une somme excédant la valeur des effets chargés, est nul à l’égard de l’assuré seulement, s’il est prouvé qu’il y a dol ou fraude de sa part.“ 617 Vgl. Godfrin c. Ausmont, Cour d’Appel de Paris (5. Mai 1826), abgedruckt in: Bonneville de Marsagny, Teil 2, S. 6. 618 Siehe S. 131 f. 619 Vgl. Versicherungsbedingungen der Compagnie d’assurances générales de Paris (1753), abgedruckt in: Pouilloux, S. 480 ff.; Versicherungsbedingungen der Compagnie royale d’assurances contre les incendies (1786), abgedruckt in: Pouilloux, S. 527 ff.; Versicherungsprospekt der Compagnie des eaux (1786), abgedruckt in: Bellenger, S. 378 ff.; Versicherungsprospekt der Administration générale d’assurance mutuelle contre les incendies (1798), abgedruckt in: Bellenger, S. 413 f. 620 Siehe S. 36 f. 621 Siehe S. 73. 622 Siehe S. 73.
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„Ein Versicherungs- oder Rückversicherungsvertrag, der eine den Wert der versicherten Gegenstände übersteigende Summe gewährt, ist in Bezug auf den Versicherten ungültig, sobald erwiesen wird, dass Betrug oder Täuschung seinerseits vorliegt.“623
Hierzu war es allerdings erforderlich, dass der Versicherungsnehmer vorsätzlich oder durch Betrug die höhere Versicherungssumme versichert hatte. War dies der Fall konnte sich nur der Versicherer auf die Nichtigkeit des Vertrages berufen, was dazu führte, dass keine Entschädigungsleistung geschuldet wurde, während die Beitragszahlungen des Versicherungsnehmers beim Versicherer verblieben. Zur zweiten Konstellation der Versicherung der gleichen Sache durch mehrere Versicherer enthielten die Bedingungen der Versicherer des 18. Jahrhunderts dagegen bereits Regelungen. Die Compagnie royale bestimmte dazu im Jahre 1786:624 „La Compagnie n’assurera, ni Bâtimens, ni Effets qui se trouveroient déja être assurés par une autre Compagnie; à moins que celui qui voudroit se faire assurer n’en fasse la déclaration, laquelle sera mentionnée au dos de la Police. Et comme il ne sera assuré, entre les différentes Compagnies, que la valeur totale de l’Effet, le dommage sera supporté par la Compagnie au prorata de la portion qu’elle aura assuré.“ „Die Gesellschaft versichert weder Gebäude noch Mobilien, die bereits von einer anderen Gesellschaft versichert sind, es sei denn, die Person, die versichert werden möchte, gibt die Erklärung ab, die auf der Rückseite der Police vermerkt werden soll. Und da nur der Gesamtwert des Gegenstandes von den verschiedenen Unternehmen versichert werden soll, trägt die Gesellschaft den Schaden im Verhältnis zu dem Teil, den sie versichert hat.“
Die Compagnie royale erachtete die Versicherung der gleichen Sache auch durch eine andere Gesellschaft also unter gewissen Voraussetzungen als zulässig. Allerdings wird deutlich, dass abermals der Fall einer nach heutigem Verständnis grundsätzlich zulässigen Nebenversicherung gemeint war und nicht etwa eine Mehrfachversicherung vorliegen musste.625 Letztere Versicherung, bei der die Versicherungssumme über den Versicherungswert hinaus ging, war dagegen nicht möglich. Lag eine wirksame Nebenversicherung vor, so wurde aber genau wie bei der englischen Union Society schon im Jahre 1714 nur nach dem durch die Compagnie royale versicherten Anteil am Versicherungswert entschädigt. Diese Regelung ist doch sehr bemerkenswert. Im Jahre 1786 gab es schließlich in Paris nur einen weiteren Feuerversicherer. Dies war die Compagnie des eaux der Gebrüder Périer.626 Dass dieser Fall trotzdem umgehend gesehen und in den Bedingungen geregelt wurde, legt bereits für sich genommen durchaus nahe, dass bereits zuvor bestehende Bedingungen zum Vorbild genommen wurden. Die Gegenseitigkeitsversicherer um 1800 und die Compagnie d’assurance mutuelle 1816 hatten hierzu wiederum keine Bedingungen zu bieten. Erst die Com623 624 625 626
Übersetzung nach: Fleischer. Zitiert aus Pouilloux, S. 530. Siehe zur Unterscheidung von Neben- und Mehrfachversicherung S. 128. Siehe allgemein S. 31 f.
B. Elemente der Einräumung des Versicherungsschutzes
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pagnie générale 1819 kannte wieder eine solche und regelte hinsichtlich der Zulässigkeit mehrerer Feuerversicherungen:627 „Si, avant la date de la présente police, les objets garantis par la compagnie, se trouvent déjà couverts par … des assureurs, sous quelque titre ou dénomination, et pour quelque somme que ce soit, ou encore, si l’assuré les fait couvrir postérieurement par d’autres assureurs … il est tenu d’en consigner la déclaration au bureau de la compagnie et de la faire mentionner dans sa police. Après les dites déclarations et mentions, la compagnie, en cas d’incendie, ne contribue aux pertes que dans la proportion des sommes garanties par elle comparativement au montant total des assurances et à la valeur réelle an moment de l’incendie des objets assurés. Lors des déclarations prescrites … la compagnie se réserve le droit de résilier la police par une simple notification, et les primes payées ou échues lui demeurent acquises. Faute de ces déclarations et de leur mention sur la police, l’assuré … n’[a] droit en cas d’incendie à aucune indemnité.“ „Wenn die von der Gesellschaft versicherten Gegenstände vor dem Datum dieser Police bereits von … Versicherern unter einem beliebigen Titel, einer beliebigen Bezeichnung und in welcher Höhe auch immer versichert sind oder wenn der Versicherungsnehmer sie später von anderen Versicherern versichern lässt … ist er verpflichtet, die Erklärung im Büro der Gesellschaft aufzuzeichnen und in seiner Police erwähnen zu lassen. Nach diesen Erklärungen und Erwähnungen trägt die Gesellschaft im Brandfall nur noch in dem Verhältnis der von ihr garantierten Summen zur Gesamtversicherungssumme und zum tatsächlichen Wert der versicherten Gegenstände zum Zeitpunkt des Brandes zu den Schäden bei. Nach den vorgeschriebenen Erklärungen … behält sich die Gesellschaft das Recht vor, die Police durch einfache Mitteilung zu kündigen, und die gezahlten oder fälligen Prämien bleiben ihr erhalten. Ohne solche Angaben und Erwähnungen in der Police hat der Versicherungsnehmer … keinen Anspruch auf Entschädigung im Brandfall.“
Es bestand also ebenfalls die grundsätzliche Möglichkeit die gleiche Sache bei einem weiteren Versicherer zu versichern. Der Versicherungsnehmer konnte jedoch wiederum nur anteilige Entschädigung von der Compagnie générale erhalten. Da hier nicht nur die Versicherungssumme, sondern auch der Versicherungswert entsprechend dem Entschädigungsprinzip die Entschädigungsleistung beschränkte, waren abermals nur Nebenversicherungen und nicht etwa Mehrfachversicherungen, die eine über den Versicherungswert hinausgehende Versicherungssumme erfordert hätten, zulässig. Darüber hinaus räumte sich die Gesellschaft ein Sonderkündigungsrecht ein. Die Bedingungen der Phénix und der Compagnie royale 1820 waren zwar nicht unmittelbar gleichlautend, stellten dem Versicherungsnehmer aber die identischen Rechtsfolgen und sonstigen Vorgaben in Aussicht.628 Diese Praxis wurde in eben
627
Zitiert aus Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Appendix S. 53. Vgl. Versicherungspolice der Compagnie française du Phénix (1819), Art. 10, abgedruckt in: Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, Appendix S. 57 ff.; Versicherungspolice der Compagnie royale d’assurances contre l’incendie (1820), Art. 10, abgedruckt in: Quénault, S. 413 ff. 628
142
Kapitel 2: Untersuchung der Feuerversicherungsverhältnisse
jener Form auch durch das 19. Jahrhundert weitergetragen durch andere Versicherer.629 Entsprechend dieser Praxis galt unter mehreren Versicherern also wiederum die Proportionalitätsregel.630 Zulässig waren aber stets nur Nebenversicherungen, während Mehrfachversicherungen nicht nur durch die Bedingungen der Versicherer nicht in Betracht kamen. Teile der Literatur wollten zudem wiederum die Regeln der Seeversicherung analog anwenden. Demzufolge sollten Artt. 359 f. C. com. herangezogen werden.631 Dort fanden sich folgende Regelungen: „Art. 359. S’il existe plusieurs contrats d’assurance faits sans fraude sur le même chargement, et que le premier contrat assure l’entière valeur d’effets chargés, il subsistera seul. Les assureurs qui ont signé les contrats subséquens, sont libérés … Si l’entière valeur des effets chargés n’est pas assurée par le premier contrat, les assureurs qui ont signé les contrats subséquens, répondent de l’excédant en suivant l’ordre de la date des contrats. Art. 360. S’il y a des effets chargés pour le montant des sommes assurées, en cas de perte d’une partie, elle sera payée par tous les assureurs de ces effets, au marc le franc de leur intérêt.“ „Art. 359. Wenn es mehrere Versicherungsverträge gibt, die ohne Betrug über dieselbe Ladung abgeschlossen wurden, und der erste Vertrag den vollen Wert der geladenen Güter versichert, besteht er allein. Versicherer, die Folgeverträge abgeschlossen haben, werden freigegeben … Ist der volle Wert der geladenen Güter nicht durch den ersten Vertrag versichert, haften die Versicherer, die die nachfolgenden Verträge unterzeichnet haben, für den Selbstbehalt in der Reihenfolge des Vertragsdatums. Art. 360. Werden Güter nach Versicherungssummen versichert, so wird sie im Falle des Verlusts eines Teils von allen Versicherern der geladenen Güter anteilsmäßig zu deren Versicherungssumme gezahlt.“
Die Anwendung dieser Regeln sorgte dafür, dass ein Versicherungsvertrag, der die Sache bereits für ihren vollständigen Versicherungswert versicherte, alle weiteren abgeschlossenen Versicherungen unwirksam werden ließ. Mehrfachversicherungen waren damit nicht möglich. War der Versicherungswert erst durch mehrere Versicherer vollständig versichert, hafteten diese hinsichtlich des Schadens nach ihrer jeweiligen Versicherungssumme. Die Versicherer, die zuerst den Vertrag abgeschlossen hatten, mussten allerdings auch zuerst entschädigen. Nur, wenn deren Versicherungssumme vollständig ausbezahlt wurde und der Schaden des Versicherungsnehmers immer noch nicht ausgeglichen war, hafteten die anderen Versicherer 629 Vgl. exemplarisch Versicherungsprospekt der L’Union Incendie (1828), Art. VI, abgedruckt in: Union Incendie, nach S. 30; Instruktionen für Versicherungsagenten der L’Aigle incendie (1853), Art. 106; Instruktionen für Versicherungsagenten der Le Globe (1854), Art. 79; Instruktionen für Versicherungsagenten der L’Aigle incendie (1874), Art. 20; Versicherungsbedingungen der l’Urbaine (1886), Art. 10, abgedruckt in: Chaufton, S. 356 ff. 630 Lalante, Rn. 492. 631 Persil, Rn. 96; Vincens, Bd. 3, S. 565 f.; Quénault, Rn. 361; Boudousquié, Rn. 177.
B. Elemente der Einräumung des Versicherungsschutzes
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ebenfalls nach der Reihenfolge, in der sie den Vertrag mit dem Versicherungsnehmer geschlossen hatten, bis zur Höhe ihrer Versicherungssumme. War die Sache durch mehrere Versicherer nicht für ihren vollständigen Versicherungswert versichert, hatten die Versicherer jeweils anteilige Entschädigung nach der jeweils versicherten Versicherungssumme und deren Verhältnis zum Versicherungswert zu leisten. Nicht erheblich war hier die zeitliche Reihenfolge, in der die Versicherer den Vertrag mit dem Versicherungsnehmer abgeschlossen hatten. Der Wortlaut des Art. 360 C. com. ist hier zwar offen, da nur von der Versicherung nach Versicherungssummen die Rede ist und nicht spezifiziert wird, dass diese Versicherungssumme den Versicherungswert unterschreitet. Der systematische Zusammenhang mit Art. 359 C. com. zeigt jedoch, dass nur diese Fälle überhaupt den Anwendungsbereich von Art. 360 C. com. eröffneten, weil sonst schon eine Unwirksamkeit der Folgeverträge nach Art. 359 C. com. vorgelegen hätte. Diese Beziehung der Versicherer hinsichtlich der Entschädigung untereinander, die in England ebenfalls als Ausprägung der Proportionalitätsregel verstanden wurde, wurde in Frankreich allerdings nicht unter diesem Begriff diskutiert und wich zusätzlich in ihrem Anwendungsbereich und teilweise auch in ihrem Inhalt ab. Schließlich galt das erwähnte principle of contribution in England typischerweise unabhängig vom Vorliegen einer Unter- oder Vollwertversicherung.632 Außerdem konnte der Versicherungsnehmer in England den Versicherer seiner Wahl vollumfänglich in Anspruch nehmen, wenn dies nicht anders vereinbart war, während dieser dann im Innenverhältnis die anderen Versicherer in Anspruch nehmen konnte. Artt. 359 f. C. com. differenzierten dabei nur nach der Versicherung der gleichen Sache beziehungsweise Sachen, wie es auch in der frühen englischen Rechtsprechung geschehen war.633 Die Aspekte des gleichen Interesses und der gleichen Gefahr wurden dagegen außer Acht gelassen. Tatsächlich hatten Artt. 359 C. com. damit aber andere Rechtsfolgen als die behandelten Bedingungen der Versicherer, was die Autoren, die diese Meinung vertraten, abgesehen von Boudousquié, verkannten.634 Dort musste der Versicherungsnehmer den Versicherer über bereits bestehende oder später abgeschlossene Versicherungen aufklären. Schloss der Versicherer dann den Vertrag oder machte von seinem eingeräumten Kündigungsrecht nicht Gebrauch, haftete er nach den Grundsätzen der Proportionalität mit anderen Versicherern gemeinschaftlich. Damit spielte es genau wie in der englischen Praxis gerade keine Rolle, ob eine Unter- oder Vollwertversicherung vorlag. Anmerken muss man zudem, dass durch das Bestehen der Praxisbedingungen die Anwendung der Artt. 359 f. C. com. auch schlicht nicht unbedingt notwendig war. 632
Siehe S. 129 f. Siehe S. 130. 634 So richtig Grün/Joliat, Rn. 143; vgl. auch Boudousquié, Rn. 178 der von einer Modifikation der Art. 359 f. C. com. ausging. 633
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Kapitel 2: Untersuchung der Feuerversicherungsverhältnisse
Wie gezeigt, verlangten die Versicherer von ihren Versicherungsnehmern, dass Aufklärung hinsichtlich anderer bestehender oder abzuschließender Versicherungen stattfand. Kam der Versicherungsnehmer dem nicht nach, verlor er ohnehin den Entschädigungsanspruch gegen den Versicherer.635 Die Rechtsprechung beschränkte sich auf die Anwendung der Versicherungsbedingungen und damit der Proportionalitätsregel auch unter mehreren Versicherern.636 Die Artt. 359 f. C. com. wurden dagegen für unanwendbar gehalten.637 Ergab sich aus dem Vertrag dabei nichts Gegenteiliges, konnte der Versicherungsnehmer alle Versicherer vollumfänglich in Anspruch nehmen, während die Versicherer untereinander Ausgleich verlangen konnten.638 Unabhängig von der Gestaltung der Versicherungsbedingungen wurde dabei auch das Thema der Mehrfachversicherung unter dem Begriff der double assurance diskutiert. Anforderung war es hier aber nicht nur, dass die gleiche Sache bei mehreren Versicherern versichert wurde. Vielmehr musste auch das gleiche Interesse versichert worden sein, damit eine double assurance vorlag.639 Zusätzlich war es auch erforderlich, dass die gleiche Gefahr versichert wurde.640 Dieses Thema wurde jedoch in der Literatur seinerzeit nicht behandelt. 3. Ergebnis: Entschädigungsprinzip, Proportionalitätsregel, Restitutionsvorbehalte und double insurance/assurance Nahezu selbstverständlich wurde das Entschädigungsprinzip von der Praxis Englands und Frankreichs anerkannt. Nicht so selbstverständlich war es dagegen, dass der Versicherungsnehmer auch seinen vollständigen Schaden ersetzt erhielt. Die englischen Versicherer deckelten insbesondere vor 1722 die versicherbare Versicherungssumme mit dem Argument, dass der Versicherungsnehmer an der Erhaltung der versicherten Sache interessiert bleiben solle. In Frankreich verfolgte man das 635
Agnel, Rn. 193. Vgl. Compagnie de l’Aisne c. Compagnie de la Marne, Cour de Cassation (27. August 1828), Bonneville de Marsagny, Teil 1, S. 6; Compagnie la Sauvegarde c. Devars, Cour d’Appel de Bordeaux (3. August 1866), Bonneville de Marsagny, Teil 2, S. 325; Compagnie la France c. Rémy, Cour d’Appel de Colmar (9. Juni 1868), Bonneville de Marsagny, Teil 2, S. 348. 637 Compagnie la France c. Compagnie la Soleil, Cour d’Appel de Colmar (14. Dezember 1849), Bonneville de Marsagny, Teil 2, S. 97; Compagnie l’Agricole c. Chenevière et Compagnie la Rouennaise, Cour d’Appel de Caen (17. April 1867), Bonneville de Marsagny, Teil 2, S. 334; Compagnie le Monde c. Duriez et Compagnie l’Abeille, Cour de Cassation (8. Januar 1878), Bonneville de Marsagny, Teil 1, S. 206. 638 Vgl. Drouilhet c. Compagnie la Confiance et le Soleil, Cour d’Appel d’Agen (19. November 1869), Bonneville de Marsagny, Teil 2, S. 373. 639 Compagnie l’Urbaine c. Boudet, Cour d’Appel de Bordeaux (22. März 1858), abgedruckt in: Bonneville de Marsagny, Teil 2, S. 198. 640 Vgl. Compagnie de Loir et Cher c. Ménage et Compagnie la Confiance, Cour d’Appel d’Orléans (20. August 1880), Bonneville de Marsagny, Teil 2, S. 618. 636
B. Elemente der Einräumung des Versicherungsschutzes
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gleiche Ziel, erreichte es allerdings durch prozentuale Begrenzungen der Versicherungssumme in Relation zum Versicherungswert. In Frankreich ließen sich dabei sogar zeitweise gesetzgeberische Tendenzen feststellen, die ein Verbot der Vollwertversicherung erwogen. Fand eine Unterversicherung statt, ergaben sich auf Rechtsfolgenseite ebenso Gemeinsamkeiten. In der frühen Praxis beider Länder wurde hier schlicht bis zur Höhe der Versicherungssumme nach dem jeweiligen Schaden entschädigt. Zusehends beliebter wurde allerdings die Verwendung der aus der Seeversicherung in beiden Ländern bekannten Proportionalitätsregel. Aufgrund ihrer weiten Verbreitung und der Seeversicherungstradition wurde dabei von der französischen Literatur erwogen die Proportionalitätsregel nicht nur als Vertragsbedingung zuzulassen, sondern sie zudem auch zum Regelfall in Ermangelung einer gegenteiligen Vertragsbedingung zu erheben. Letztlich entschied die Rechtsprechung allerdings im Gleichlauf mit der Situation in England, dass sie Bestandteil des Vertrages sein musste, um die schlichte Entschädigung nach der Höhe der Versicherungssumme abzuwenden. Auch in den Fällen der Überversicherung lassen sich wiederum Parallelen ausfindig machen. Ein Reflex der Anerkennung des Entschädigungsprinzips war, dass Überversicherungen an sich zwecklos waren, da grundsätzlich nur der Schaden des Versicherungsnehmers ersetzt werden konnte. Für die Irrtums- und Missbrauchsfälle kannten beide Rechtsordnungen dabei unterschiedliche Abwehrmechanismen. Der sehr viel bedeutendere Aspekt war aber die Konstellation der Versicherung durch mehrere Versicherer. Während die frühen englischen Versicherer jegliche Versicherung der gleichen Sache bei einem anderen Versicherer ausschlossen, wurde dies Anfang des 18. Jahrhunderts durch eine entsprechende Erklärung gegenüber dem Versicherer möglich. Nachdem in den 1750er und 60er Jahren dann entschieden wurde, dass im Falle einer Versicherung der gleichen Sache durch mehrere Versicherer – ohne eine gegenteilige Vereinbarung – der Versicherungsnehmer von jedem Versicherer die volle Entschädigung erlangen konnte und die Versicherer dann nur im Innenverhältnis Ausgleich erlangen konnten, verbreitete es sich in England zusehends, dass die Versicherer Bedingungen für diesen Fall vorsahen. Diese bestimmten, dass die Versicherer jeweils nur anteilige Entschädigung nach Maßgabe der Proportionalitätsregel für ihre jeweilige Versicherungssumme zu leisten hatten. Dieses Modell wurde dann 1786 in Frankreich übernommen. Bemerkenswert war dabei, dass es dort nur in Paris zwei Feuerversicherer gab und auch keinerlei rechtliche Vorgabe für den Ausgleich unter mehreren Feuerversicherern. Dennoch wurde die Bestimmung so übernommen. Im 19. Jahrhundert, als in Frankreich eine eigenständige rechtliche Diskussion zur Feuerversicherung entstand, wurde abermals erwogen, ob man nicht die nunmehr stark verbreitete Versicherungsbedingung unter die seeversicherungsrechtlichen Vorgaben subsumieren konnte. Dies setzte sich allerdings wiederum mit Blick auf die Rechtsprechung nicht durch. Dort wurden abermals die identischen Konsequenzen
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Kapitel 2: Untersuchung der Feuerversicherungsverhältnisse
wie in England gezogen. Die Bedingungen wurden für wirksam gehalten und angewendet. Gab es keine Bedingungen, konnte der Versicherungsnehmer, ebenso wie in England, von allen Versicherern die vollständige Entschädigung erlangen. Diese hatten dann im Innenverhältnis Ausgleich untereinander zu nehmen. In beiden Ländern beschränkten sich die Bedingungen der Versicherer und auch die rechtliche Diskussion dabei zunächst auf die Analyse der Versicherung der gleichen Sache durch mehrere Versicherer. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde dann aber von der Rechtsprechung erkannt, dass nicht nur die gleiche Sache Gegenstand der Versicherung sein musste, sondern auch, dass weitere Anforderungen erfüllt sein mussten, um eine Kongruenz der Versicherungsverhältnisse zu verursachen, die eine double insurance in England oder double assurance in Frankreich bedingten. So war es erforderlich, dass die gleiche Gefahr und das gleiche Interesse Gegenstand der Versicherungen sein mussten. Betrachtet man schließlich die Art der Entschädigung, so war der naheliegendste Fall, dass der Versicherungsnehmer in Geld entschädigt wird. Bereits im 17. Jahrhundert wurden in England jedoch Restitutionsvorbehalte in die Bedingungen eingeführt, die es den Versicherern gestatteten durch Wiederherstellung ihrer Leistungspflicht nachzukommen. Diese Restitutionsvorbehalte stammten dabei wiederum aus der Seeversicherung. Die französische Praxis des 18. Jahrhunderts verwendete dagegen keine Restitutionsvorbehalte. Dies wurde erst in der Zeit der Restauration auch hier populär. Gleichwohl waren die rechtlichen Dimensionen der Ausübung des Wahlrechtes in den Ländern sehr unterschiedlich. Während in England eine Umwandlung des Vertragsverhältnisses stattfand, die auch eine Abweichung vom Entschädigungsprinzip durch die Erstattung nicht kausal auf das Feuer zurückführbarer Schäden bedeuten konnte, wurde das Entschädigungsprinzip in Frankreich stets eingehalten.
Kapitel 3
Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Spuren der Einflussnahme Die vorangegangene Darstellung hat gezeigt, dass sich in der Geschichte der englischen und französischen Feuerversicherung Parallelen finden lassen. Diese Parallelen offenbarten sich in verschiedenen Gestalten und auf verschiedenen Ebenen.
A. Gemeinsamkeiten in der Versicherungspraxis der Länder und ihre gemeinsame rechtliche Dimension Zunächst gab es durchaus vergleichbare Praktiken der einzelnen Feuerversicherer in beiden Ländern. Die Systematisierung der Beitragszahlung nach dem VierKlassen-System, die ihren Ursprung im frühen 18. Jahrhundert in England nahm, wurde auch bei den frühesten französischen Feuerversicherern verwendet.641 Im 19. Jahrhundert erinnerten zumindest vereinzelte Bestandteile der Beitragssystematisierung noch begrifflich, wenn auch nicht inhaltlich, an jenes Modell.642 Zudem verwendeten die Versicherer in beiden Ländern Feuermarken als Publizitätsmerkmal, führten Restitutionsvorbehalte ein und nahmen konkret benannte Sachen aus der Versicherungsfähigkeit aus. Deutlich zahlreicher sind aber diejenigen Gemeinsamkeiten, die sich nicht nur auf die Versicherungspraxis beschränkten, sondern zusätzlich eine rechtliche Dimension erlangten: die gleichermaßen weitreichende Zulässigkeit der verschiedenen versicherbaren Interessen sowie die Regelung des Interessemangels für den Fall der Falschbezeichnung des versicherten Interesses;643 die Gefahrausnahmeregelung für Kriegs-, Aufstands- und Aufruhrschäden im Bereich der versicherten Gefahr;644 zunächst die Einführung des Erfordernisses der einfachen Schadensanzeige und dann später die Differenzierung nach einfacher Schadensanzeige und Mitteilung von Einzelheiten;645 die Anwendung des Einlösungsprinzips mit der Strukturierung der 641 642 643 644 645
Siehe S. 28. Siehe S. 38 f. Siehe S. 52 ff. Siehe S. 81 ff. und S. 90 ff. Siehe S. 100 ff.
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Kapitel 3: Gemeinsamkeiten und Spuren der Einflussnahme
wiederkehrenden Beitragszahlungen nach bestimmten, typischerweise jährlichen Zeitabschnitten unter Einsatz der Regel der 15 Gnadentage;646 die Anerkennung des Entschädigungsprinzips und die zunächst vorhandene Abwesenheit von Vollwertversicherungen mit Bezug zur ursprünglich aus der Seeversicherung bekannten Proportionalitätsregel;647 zudem die mit dem Entschädigungsprinzip einhergehenden gemeinsamen Grundsätze für die Überversicherung und die begrifflichen und inhaltlichen Überschneidungen in der double insurance/double assurance.
B. Von der Evidenz zur Einflussnahme Eine bloße Gemeinsamkeit stellt aber noch keine Einflussnahme dar. Zwar liefert die hieraus resultierende Evidenz bereits einen entscheidenden Anhaltspunkt für eine solche, ebenso möglich ist es jedoch, dass unabhängig von einer Übernahme aus England lediglich die gleichen Problemkreise gesehen wurden und daher hierauf schlicht die gleichen Antworten gefunden wurden. Wie teilweise schon in der vorstehenden Bearbeitung anklang, lassen sich aber auch tatsächliche Spuren der Einflussnahme ausmachen: Der erste Blick richtet sich dabei auf die Einleitung zur Gründungssatzung des ersten französischen Feuerversicherers, der Compagnie d’assurances générales aus dem Jahre 1753:648 „L’Éxperience a prouvé depuis long-temps que l’établissement des Compagnies d’Assurances intéressoit également le commerce & le bien public; c’est une vérité qui n’a besoin ni de preuves ni de détail. L’Angleterre en fournit l’exemple.“ „Die Erfahrung hat seit langem bewiesen, dass die Gründung von Versicherungsgesellschaften auch für die Wirtschaft und das öffentliche Wohl von Interesse ist; dies ist eine Wahrheit, die weder eines Beweises noch von Details bedarf. England liefert ein Beispiel dafür.“
Es lässt sich zwar hieraus kein Motiv für eine bestimmte Regelung ableiten, hier lässt sich jedoch bereits eine Idee für das Bewusstsein des Vorbilds des englischen Feuerversicherungsmarktes gewinnen. An anderer Stelle zeigt sich dabei noch deutlicher die Kenntnis vom englischen Feuerversicherungsgeschäft. In einer Stellungnahme der Teilhaber der Gesellschaft betreffend deren Gründungsakt liest sich:649
646
Siehe S. 40 ff. und S. 109 ff. Siehe S. 118 ff. 648 Zitiert aus Registrierungsakt der Compagnie d’assurances générales de Paris (1754), abgedruckt in: Pouilloux, S. 475 ff. 649 Zitiert aus Stellungnahmen der Teilhaber zur Registrierung der Compagnie d’assurances générales de Paris (1756 – 1760), abgedruckt in: Pouilloux, S. 483 f. 647
B. Von der Evidenz zur Einflussnahme
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„Le Locataire chez qui l’incendie peut arriver, en faisant assurer, s’affranchit des évenements dont il est tenu envers le Propriétaire; les Propriétaires peuvent même exiger que les Locataires fassent assurer, ou en assurant eux-mêmes, augmenter proportionnellement les loyers. La Prime d’Assurance en Angleterre entre toujours dans le prix des loyers.“ „Der Mieter, bei dem der Brand auftreten kann, wird durch die Versicherung des Brandes von den Ereignissen befreit, für die er gegenüber dem Eigentümer haftet; die Eigentümer können vom Mieter sogar verlangen, dass er den Brand versichert, oder durch eine Selbstversicherung die Miete anteilig erhöht. Die Versicherungsprämie in England ist immer in der Miete enthalten.“
Wie dargestellt, war die Versicherung von Mieterinteressen ein zentraler Aspekt der französischen Feuerversicherung.650 In England nahm diese keinen solch hohen Stellenwert ein.651 Gleichwohl bestand eine Kenntnis des französischen Versicherers über die Beitragserhebungspraxis in England. Auch der bereits zitierte Art. IV der Feuerversicherungsbedingungen der Gesellschaft verglich die eigene Regelung mit der englischen Praxis:652 „… pour engager l‘Assuré à veiller … à la conservation de sa maison … le cinquiéme de sa valeur sera encore à ses risques, & ne pourra être compris dans l’Assurance … (conditions pour exciter les Assurés à prévenir les accidens … & contribuer à la sûreté publique. Conditions différentes de celles des Chambres de Londres, & autres, où l‘on assure indifféremment les meubles, effets, & sommes, telles que les Assurés les démandent …“. „… um den Versicherungsnehmer zu verpflichten … sich um die Erhaltung seines Hauses zu kümmern … bleibt ein Fünftel des Wertes sein Risiko, & kann nicht in die Versicherung eingeschlossen werden … (Bedingungen, um anzuregen, dass der Versicherungsnehmer Unfälle verhindert … & zur öffentlichen Sicherheit beiträgt. Bedingungen, die sich von denen der Londoner Versicherer & anderer unterscheiden, wo Mobilien, Güter & Summen alle so versichert werden, wie die Versicherungsnehmer es verlangen …“.
Diese Aspekte belegen, dass die Gesellschaft bereits ihren Blick auf den englischen Versicherungsmarkt richtete und eine nicht nur grundsätzliche Idee von dessen Funktionalität hatte. Dies überrascht auch nicht, da die Gesellschaft auch sonst einer internationalen Ausrichtung folgte, indem sie Vertreter zur Errichtung von Versicherungsbüros auch in ausländische Städte, wie Hamburg oder Cádiz, entsandte.653 Letztlich am eindrucksvollsten ist aber der Bericht von Blum, der unter Bezugnahme auf eine Sammlung von Manuskripten der französischen Nationalbibliothek schrieb, dass der Gründer der Compagnie d’assurances générales 1753, Claude
650
Siehe S. 66 und S. 68 ff. Siehe S. 77 ff. 652 Zitiert aus Pouilloux, S. 481; siehe hierzu auch S. 133. 653 Siehe hierzu die notariellen Beurkundungen der Beratungen des Komitees der Compagnie d’assurances générales de Paris für die Ernennung von Kommissionsdirektoren in der Provinz (02. 03. 1754 und 22. 03. 1754), Archives nationales, minutier central des notaires de Paris, ET/XLV/493. 651
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Kapitel 3: Gemeinsamkeiten und Spuren der Einflussnahme
Hilaire de Maisonneuve, sich sogar selbst zur englischen Versicherungspraxis äußerte, indem er sein Unternehmen mit derselben verglich.654 Wendet man sich dann den zwei weiteren Feuerversicherern aus den 1780er Jahren zu, so findet man hinsichtlich der Compagnie des eaux keine Spuren der Einflussnahme. Diese verfügte aber auch nur über einen allgemein als rudimentär zu beurteilenden Versicherungsplan.655 Die Compagnie royale 1786 jedoch, wurde von Etienne Clavière mitgegründet.656 Clavière verbrachte dabei zwei Jahre in London, die er nutzte, um die englische Lebensversicherung zu studieren.657 Feuerversicherungsspezifisch lässt sich zwar kein solcher Nachweis finden, allerdings liegt der Schluss nicht fern, dass auch eine Kenntnis des englischen Feuerversicherungsgeschäftes vorlag, insbesondere da Clavière nach Rückkehr nach Frankreich zunächst eine Feuerversicherungsgesellschaft gründete und erst einige Zeit später die Lebensversicherungssparte der Compagnie royale eröffnete. Auch abseits dieses Gesellschaftsgründers lässt sich ein Bewusstsein für die englische Versicherung ausmachen. Jacques Pierre Brissot de Warville, der Anwalt und Journalist der Zeit war,658 veröffentlichte im Zusammenhang mit der Gründung der Compagnie des eaux ein Pamphlet, in welchem er darlegte, warum die Versicherung allgemein und auch die Feuerversicherung in Frankreich keine Zukunft habe.659 Dort stellte er insbesondere auch zahlreiche Vergleiche zwischen der englischen und der französischen Lage und damit den Umständen des Versicherungsmarktes her und nutzte diese für seine Argumentation. In der Folgezeit der französischen Revolution, die allgemein das Entstehungszeitalter der französischen Gegenseitigkeitsversicherung markiert, wurde auch die Toulouser Gegenseitigkeitsversicherung des Barrau gegründet.660 Barrau stellte selbst fest, dass ihm die englischen Versicherer als Vorbild galten:661 „En Angleterre, tout s’assure, même la vie de l’homme. Le navigateur qui y en s’embarquant, emporte avec lui l’espoir de sa famille, assigne à son existence un prix proportionné à son utilité, pour son épouse et ses enfans, et, certain que même sa mort ne peut les plonger dans la misère, il affronte avec plus d’intrépidité les périls d’une longue navigation. C’est ce système des assurances que j’ai adapté à l’agriculture et à des propriétés qui n’en parais654 Blum, Revue d’histoire économique et sociale 1920, 96 leider ließ sich die hier zitierte Quelle aus dem Nachlass Joly de Fleury der französischen Nationalbibliothek heute nicht mehr auffinden. 655 Siehe beispielsweise S. 31. 656 Siehe S. 32. 657 Rivier, S. 65; Caloni, in: L’UAP et l’Histoire de l’Assurance, S. 44 f.; La Nationale, S. 8; hierzu auch Bachmann, S. 74 f., der so die Einflussnahme im Bereich der Lebensversicherung nachweist. 658 Bellenger, S. 103. 659 Hierzu und zum Folgenden vgl. Brissot de Warville. 660 Siehe S. 34 f. 661 Barrau, Manuel des propriétaires de toutes les classes, S. 356.
B. Von der Evidenz zur Einflussnahme
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saient pas susceptibles, en y apportant les modifications que commandaient les propriétés elles-mêmes, et les chances qu’elles courent, par rapport aux fléaux et aux cas fortuits.“ „In England ist alles versichert, sogar das Leben eines Mannes. Der Seefahrer, der sich darauf einlässt und die Hoffnung seiner Familie mitnimmt, ordnet seiner Existenz einen Preis zu, der seinem Nutzen für seine Frau und seine Kinder entspricht, und in der Gewissheit, dass auch sein Tod sie nicht in Armut stürzen kann, sieht er mit größerer Kühnheit den Gefahren einer langen Schifffahrt entgegen. Es war dieses Versicherungssystem, das ich an die Landwirtschaft und an Immobilien anpasste, die dafür nicht anfällig schienen, indem ich die Veränderungen vornahm, die die Sachen selbst erforderten, und die Wahrscheinlichkeiten, die sie in Bezug auf Plagen und unvorhergesehene Ereignisse hatten, berücksichtigte.“
Bemerkenswerterweise stellte Barrau hier aber gerade auch den Bezug zur englischen Lebensversicherung und nicht zur Feuerversicherung her. Dies erklärt wohl auch, warum sich zur englischen Feuerversicherung nur sporadische Überschneidungen ausmachen lassen. In der Zeit der Restauration dann befasste sich auch die französische Literatur verstärkt mit Feuerversicherungen und versuchte sie einer rechtlichen Erschließung zuzuführen. Wie bereits einige Male in den Elementen anklang, war dies aber auch keine isolierte Erarbeitung der Materie. Der frühe Kommentar von Grün/Joliat aus dem Jahre 1828 verwies in vielen Gesichtspunkten auf die englischen Kommentatoren.662 Quénault übersetzte sogar einen englischen Kommentar ins Französische und fügte ihn seiner eigenen Arbeit an.663 Persil und Pouget zitierten englische Autoren und setzten sich auch mit deren rechtlichen Bewertungen auseinander.664 Alauzet tat es ihnen gleich und fasste die englische Feuerversicherungsgeschichte auch noch in seinem Werk zusammen.665 Diese Bezugnahmen auf die englische Feuerversicherung wurden zwar im Laufe des 19. Jahrhunderts weniger, gleichwohl muss man sich vergegenwärtigen, dass diese frühen Arbeiten für die späteren Autoren, auch noch am Ende des 19. Jahrhunderts, Relevanz besaßen und zitiert wurden.666 Letztlich lässt sich damit auch der Bogen bis zur französischen Rechtsprechung spannen, da die internationale Literatur auch hier Erwähnung fand und somit gelesen wurde. Vor diesem Hintergrund lässt sich eine Einflussnahme sowohl auf Ebene der Praxis als auch auf rechtlicher Ebene nachweisen. Die Qualität der Einflussnahme veränderte sich jedoch. Während im 18. Jahrhundert keine gesonderte rechtliche Aufarbeitung der Feuerversicherung in Frankreich erfolgte und damit eher von einem reinen Praxiseinfluss gesprochen werden kann, war vor allem in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts dann auch eine 662 Exemplarisch Grün/Joliat, Traité des assurances terrestres, S. 2, 4, 82, 149, 173, 191, 285, 366. 663 Vgl. Quénault, S. 311 ff. 664 Vgl. exemplarisch Persil, S. 95, 307, 359; Pouget, Bd. 1, S. 1, 222. 665 Vgl. Alauzet, Bd. 1, S. 101 ff. 666 Vgl. exemplarisch Lalante, Rn. 411; Hettier, Rn. 225.
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Kapitel 3: Gemeinsamkeiten und Spuren der Einflussnahme
rechtliche Einflussnahme gegeben. Diese nahm dann wiederum im weiteren Laufe des 19. Jahrhunderts ab. Letztlich lässt sich ein Einfluss durch die internationale Tätigkeit verschiedener Feuerversicherer begründen. Die englische Phoenix entsandte 1815 Vertreter nach Frankreich.667 Allerdings lässt sich außer dieses Versuchs keine Tätigkeit auf dem französischen Feuerversicherungsmarkt nachweisen. Daneben geht die Literatur aber auch davon aus, dass französische Feuerversicherer, wie die Compagnie royale 1820, ab den 1820ern auf dem englischen, belgischen und deutschen Markt als Rückversicherer tätig wurden.668 Dies war ein lukratives Geschäft, da die englischen Feuerversicherer aus mehreren Gründen keine Rückversicherungsverträge mit englischen Unternehmen schlossen. Einerseits bestand hinsichtlich der Zulässigkeit von nationalen Rückversicherungen in England eine rechtliche Unsicherheit unter den Versicherern, während diese Erscheinung auf anderen europäischen Märkten, wie dem französischen, schlicht ignoriert wurde.669 Andererseits hätten gegenüber dem Rückversicherer wettbewerbsrelevante Informationen offengelegt werden müssen, weshalb es schlicht aus Konkurrenzgründen günstiger war, einen Rückversicherer zu wählen, der nicht selbst auf dem englischen Markt tätig war. Grund dafür war neben der offensichtlichen Risikostreuung, dass so keine Mitteilung wettbewerbsrelevanter Informationen an Konkurrenten auf dem heimischen Markt erfolgen musste. Die französischen Versicherer, die in diese Geschäftsbeziehungen eintraten, müssen also eine vertiefte Kenntnis von der englischen Direktversicherungspraxis gehabt haben, um die hiermit verbundenen Risiken trefflich einschätzen zu können. Im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts ließ sich dann auch eine stetig voranschreitende Internationalisierung des Feuerversicherungsgeschäftes beobachten, die auch die englischen und französischen Versicherer involvierte.670 Diese besaß dann jedoch für die Untersuchung der Einflussnahme keine große Relevanz mehr, da die Bedingungen der Versicherer zu diesem Zeitpunkt schon länger über eine relativ einheitliche Struktur auf den jeweiligen nationalen Märkten verfügten, an die sich ausländische Versicherer dann auch schlicht in ihrer Tätigkeit auf dem jeweiligen Markt anpassten.
667
Gallix, S. 289. Pearson, Journal of European Economic History 24 (1995), 561; Straus, in: World Insurance, S. 123; vgl. auch Richard, S. 75 f. 669 Pearson, Journal of European Economic History 24 (1995), 563. 670 Vgl. Borscheid, in: World Insurance, S. 39 f.; Pearson, in: World Insurance, S. 69 ff. 668
C. Unterschiede als zusätzliche Kontur
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C. Unterschiede als zusätzliche Kontur der Identität der Einflussnahme Neben diesen behandelten Gemeinsamkeiten und Spuren der Einflussnahme gab es aber auch signifikante Abweichungen zwischen den beiden Ländern. Gerade diese sind aber auch integraler Bestandteil der Bearbeitung, weil sie letztlich die Ermittlung der Identität der Einflussnahme aus einer zusätzlichen Perspektive ermöglichen.
I. Unterschiedliche Entstehungszusammenhänge, Auswirkungen der politisch-gesellschaftlichen Lage und Gegenseitigkeitsversicherung Prägendes Ereignis der französischen Geschichte und auch der Geschichte der französischen Feuerversicherung war die Französische Revolution und die sich hieraus ergebenden abweichenden politischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten. Betrachtet man die Zeit vor der Revolution, so lassen sich nur drei nicht gegenseitige Feuerversicherer in Frankreich ausmachen.671 Zwei dieser Versicherer wurden auch durch die englische Feuerversicherungspraxis beeinflusst. Die Gegenseitigkeitsversicherer, die dann durch das Verbot der Aktiengesellschaften und damit auch der bisherigen Feuerversicherer um 1800 in Frankreich gegründet wurden, hatten dagegen sehr eigenartige Bedingungen, die kaum an ein englisches Vorbild erinnern. Die gegenseitigen und nicht gegenseitigen französischen Feuerversicherer, die ab 1816 gegründet wurden, verfügten dann wieder über gänzlich anders gestaltete Bedingungen, die abermals einem englischen Einfluss unterlagen. Hieraus lässt sich der Schluss ziehen, dass die Zeit der französischen Revolution und ihre Folgejahre eine Zäsur der Einflussnahme durch die englische Feuerversicherung darstellte. Zudem lassen sich auch für die gegenseitige Feuerversicherung Erkenntnisse gewinnen. Ein besonderes Merkmal der englischen Gegenseitigkeitsversicherer war die Anwendung der Verzugsstrafen, die sich nachteilig auf Versicherungsschutz und sonstige mitgliedschaftliche Rechte auswirkte.672 Solche wurden jedoch in Frankreich zu keinem Zeitpunkt verwendet. Dort gab es eben jene Konzepte um 1800, die über sehr eigenartige Bedingungen verfügten. Während der Restauration waren die Versicherungsbedingungen der französischen Gegenseitigkeitsversicherer dann hinsichtlich des Versicherungsverhältnisses weitgehend an die nicht gegenseitigen Versicherer angepasst. Damit hatte die englische gegenseitige Versicherungspraxis 671 672
Siehe S. 27 ff. Siehe S. 21 ff.
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Kapitel 3: Gemeinsamkeiten und Spuren der Einflussnahme
keinen so starken Einfluss auf die französische Feuerversicherung wie die nicht gegenseitige englische Versicherungspraxis. Dies überrascht aufgrund der eher nationalen Verbreitung der Gegenseitigkeitsversicherer auch kaum. Nur nicht gegenseitige englische Feuerversicherer wurden bereits im späten 18. und vor allem ab dem 19. Jahrhundert international tätig.673 Ein zusätzlicher Erklärungsansatz könnte dabei auch der Entstehungszusammenhang der französischen Gegenseitigkeitsversicherer sein. In Frankreich gab es zunächst keine Gegenseitigkeitsfeuerversicherer, was wohl auch der Existenz der Bureaux des Incendiés geschuldet war.674 Diese wurden erst populär, als die nicht gegenseitigen Versicherer wiederum im Zuge der politischen und gesellschaftlichen Konsequenzen der französischen Revolution verschwanden. Dagegen entstanden zur gleichen Zeit, im späten 17. Jahrhundert, in England sowohl die ersten nicht gegenseitigen, als auch die ersten gegenseitigen Versicherer, die damit zeitgleich unterschiedliche Bedürfnisse eines einheitlichen Marktes bedienten und deshalb auch gerade über abweichende Bedingungen verfügten.
II. Bedeutung abweichender rechtlicher Rahmenbedingungen und Traditionen In der rechtlichen Behandlung der Feuerversicherung gab es zwar ebenfalls Spuren der Einflussnahme, allerdings gab es hier auch weitreichende Unterschiede. Insbesondere in der Herleitung der Rechtsfolgen folgten die beiden Rechtsordnungen dabei sehr unterschiedlichen Ansätzen. Während in Frankreich ab dem Beginn des 19. Jahrhundert auf den Code civil und den Code de commerce zurückgegriffen wurde, existierte in England neben vereinzelten gesetzesrechtlichen Akten hauptsächlich das Richterrecht. Beide Ansätze befanden sich damit im Kontext unterschiedlicher allgemein zivilrechtlicher und versicherungsrechtlicher, insbesondere seeversicherungsrechtlicher Traditionen. Im Falle des englischen Rechts lässt sich hier exemplarisch an die Maßgaben der duty of utmost good faith erinnern, die Lösungen für bestimmte Fälle des Interessemangels beim Versicherungsnehmer lieferte.675 Auf französischer Seite dagegen sei in diesem Kontext auf die Anwendung des Art. 1965 C. civ. oder der Artt. 348, 357 C. com. verwiesen.676 Trotz der Verbindung beider Rechtsordnungen gerade auch zur seeversicherungsrechtlichen Tradition erscheint die Bedeutung der Seeversicherung für Frankreich dabei noch größer. Gerade im 19. Jahrhundert hatte sich die, schon ihrer 673 674 675 676
Vgl. Pearson, in: International Insurance, S. 11 ff. Siehe hierzu S. 29 ff. Siehe S. 58 f. Siehe S. 72 f.
D. Abschließende Beantwortung der Forschungsfrage
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Natur nach flexiblere, englische gewohnheitsrechtliche Diskussion weitgehend verselbstständigt, während in Frankreich das Credo der grundsätzlichen Analogie der Seeversicherungsregeln aus dem Code de commerce bestand und eine ständige Auseinandersetzung, sogar eine Art Rechtfertigungserfordernis für die Loslösung von jenen Regeln gebot.677 Nicht zuletzt führten auch abweichende allgemein zivilrechtliche Wertungen dazu, dass auch andere Themen im Fokus der nationalen rechtlichen Diskussion und Praxis um die Feuerversicherung standen. Dies galt in besonderem Maße für die Versicherung von Mieterinteressen aufgrund der französischen Beweislastregeln in Artt. 1733 f. C. civ.,678 die in England keinen hervorzuhebenden Stellewert besaß.
D. Die Einflussnahme der englischen auf die französische Feuerversicherung – abschließende Beantwortung der Forschungsfrage und Ausblick Zuletzt muss der Blick auf die Forschungsfrage der Arbeit zurückgeführt werden. Diese lässt sich nun beantworten. Die englische Feuerversicherung hat die französische Feuerversicherung beeinflusst. Die oft nur proklamierte Aussage der Literatur entspricht damit der Wahrheit. Hierzu konnten zunächst zahlreiche Gemeinsamkeiten in der Versicherungspraxis und der zugehörigen rechtlichen Diskussion der Länder gefunden werden. Diese ließen sich dann durch die nachgewiesene Kenntnis von der englischen Praxis und später auch der englischen Rechtsdiskussion in Frankreich begründen. Darüber hinaus lieferten aber auch die Unterschiede zwischen beiden Ländern Anhaltspunkte, um die Intensität der Einflussnahme zu ermitteln. Letztlich zeigte sich hier, dass die unterschiedlichen geschichtlichen Entstehungszusammenhänge der Feuerversicherung und die unterschiedlichen politisch-gesellschaftlichen Voraussetzungen diese Unterschiede ebenso bedingten, wie die unterschiedliche allgemein zivilrechtliche Ausgangslage sowie die abweichende, bereits zuvor in den Ländern bestehende, Versicherungstradition. Zukunftsorientiert erscheint die weitere Aufschlüsselung gerade auch dieser Unterschiede dabei für einen Forschungsfortschritt auf dem Gebiet der europäischen Versicherungsrechtsgeschichte unerlässlich. Hier sollte insbesondere der Zusammenhang der jeweiligen Seeversicherungstraditionen mit der Feuerversicherung und die genaue Rolle der Gegenseitigkeitsfeuerversicherung in internationalem Kontext erörtert werden. 677 678
Siehe S. 68. Siehe S. 68.
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Sachverzeichnis 15-Tage-Regel 46 ff., 112, 115 Anzeigepflichten des Versicherungsnehmers 84 f., 92 f. Average Clause siehe Proportionalitätsprinzip Barbon, Nicholas 20 Barrau, Pierre-Bernard 34 ff., 46, 88, 115, 150 f. Beitragszahlungspflicht des Versicherungsnehmers 22, 31, 40 ff., 93 Bureaux des incendiés siehe Feuerkassen chose in action 64 f. Clavière, Etienne 32 f., 150 Compagnie d’assurances générales 1753 28, 45, 65, 96, 113, 131, 148 f. Compagnie d’assurance mutuelle contre l’incendie 37, 47, 68, 104 Compagnie des eaux 31 ff., 45, 66, 70, 96, 140, 150 Compagnie du Phénix 38, 69, 90, 93, 105, 141 Compagnie du Soleil 69, 114 Compagnie générale 1819 68, 75, 90, 96, 104, 115, 132, 135, 137 Compagnie royale 1786 74, 92, 150 Compagnie royale 1820 93, 96, 105, 141, 152 Corporation of London 20, 40, 61, 100, 109 f., 120 days of grace siehe 15-Tage-Regel double assurance siehe double insurance double insurance 128, 130 f., 144 duty of disclosure 58, 85, 126 ff. duty of utmost good faith 58 f., 84 f. 127, 154 Einlösungsprinzip 40, 43 ff., 109 ff., 147 Einstandspflicht der Gegenseitigkeitsversicherer 21, 34 ff., 40 ff., 47 ff.
Entschädigungsprinzip 118 ff., 126 ff., 138 ff., 144 ff. Falschbezeichnung des versicherten Interesses 57 ff., 69, 71 f., 78, 96, 147 faute de l’assuré siehe Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers feu effectif 88 ff. Feuerkassen 29 ff., 36 ff., 154 Feuermarken 109 ff., 147 Fire Insurance Duty Act 1782 43, 112 Fire Offices Committee 27 Französische Revolution, 46, 153 Friendly Society 20 ff., 40 ff., 100, 109 f., 118 ff. Gefahränderung 83 ff., 88 ff., 99 Gefahrausschlussbedingungen 81 ff., 91 ff. Gefahrerhöhung siehe Gefahränderung Gegenseitigkeitsprinzip 21 Gegenseitigkeitsversicherung 21 ff., 34 f., 39 f., 46, 50, 88, 115, 134, 150 Gnadentage siehe 15-Tage-Regel Great London Fire 19 Hand in Hand 20 ff., 40 ff., 50, 61 f., 100, 110, 121, 128 Interessemangel 57 ff., 71 ff., 147 L’Aigle incendie 70 L’Union Incendie 70 Law of Property Act 1925 64 Le Globe 70 Lebensversicherung 22, 33, 52 f., 150 f. Life Assurance Act 1774 53, 58 London Assurance 24 ff., 42, 54, 63, 82, 86, 101 f., 121, 129 Manchester Fire Office 42, 54 Marine Insurance Act 1745 52
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Sachverzeichnis
Mehrfachversicherung 128 f., 140 ff. Metropolitan Building Act 1855 124 Metropolitan Fire Brigade Act 1865 81 Nebenversicherung 128 f., 140 ff. New Bristol Fire Office 42, 54 Nichtigkeit des Versicherungsvertrages 57 ff., 71 ff., 78, 85 f., 95 f., 128, 137, 139 f. Ordonnance de la marine 28, 36, 67 Périer 31, 140 Phoenix Assurance Company 38, 43 Povey, Charles 22, 101 principle of contribution 130, 143 principle of indemnity siehe Entschädigungsprinzip private Feuerbrigaden der englischen Versicherer 110, 113, 117 f. Proportionalitätsprinzip 124 ff., 133 ff., 142 ff. Rechtsnachfolge in Versicherungsverhältnis 60 ff., 74 ff. Restitutionsvorbehalt 120 ff., 137 f., 144 réticence 72 f., 95, 137, 139 return of premium 59 f. Royal Exchange Assurance 24 ff., 42 f., 56, 82, 101 f., 112, 121, 125, 129 Schadensanzeige 100 ff., 127, 147 Schadensermittlung durch Versicherer 105, 121
Seeversicherung 28, 52 f., 58 f., 67 f., 72 f., 87 ff., 97 ff., 107, 120, 132, 135, 142, 145 f. Sun Fire Office 22 ff., 39, 54, 82, 121, 126, 129 Überversicherung 126 ff., 139 ff., 145, 148 Union Society 23, 56, 62, 110, 121, 140 Unteilbarkeit der Prämie 60 Unterversicherung 119 ff., 126 ff., 132 ff., 145 Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers 86 ff., 96 ff. versicherbares Interesse 24 f., 39, 52 ff., 66 ff., 130, 144 versicherte Gefahr 78 ff., 109 versichertes Interesse 52 ff., 68, 74 Versicherungsdauer 108 ff. Versicherungsfähigkeit siehe versicherbares Interesse Versicherungssumme 21, 24, 73, 90, 118 ff., 132 ff. Versicherungswert 34, 73, 119 ff. Verzugsstrafenregelung der englischen Gegenseitigkeitsversicherer 44 ff., 153 Vier-Klassen-System 25 ff., 39 Vollwertversicherung 122 ff., 132 ff., 145, 148 warranties 83 ff. Warville, Jacques Pierre Brissot de 150 West of England Fire and Life Insurance 55, 57 Westminster Fire Office 42, 44 f., 58