Transnationale Direktinvestitionen und kulturelle Unterschiede: Lieferanten und Joint Ventures deutscher Automobilzulieferer in China [1. Aufl.] 9783839405673

In dieser Studie wird auf breiter empirischer Grundlage dargestellt, auf welche Hindernisse deutsche Investoren stoßen k

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German Pages 240 [239] Year 2015

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Inhaltsverzeichnis
Vorwort
1 Einleitung
1. 1 Hintergmnd
1.2 Fragestellung
1.3 Aufbau der Arbeit
2 Nationale Innovationssysteme und wirtschaftliche Globalisierung
2.1 Nationale Innovationssysteme
2.1.1 Die Automobilindustrie im deutschen Innovationssystem
2.1.2 Nationale Innovationssysteme und Sozialkapital
2.1.3 Nationale Innovationssysteme, Varieties of Capitalisms und Soziale Produktionssysteme
2.2 Technologien und nationale Entwicklungspfade
2.3 Institutionen und ökonomische Prozesse
2.3.1 Arten von Institutionen
2.3 .2 Entstehung und Entwicklung von Institutionen
2.4 Institutionen, Technologien und Akteure
2.5 Kultur und Wirtschaft
2.5.1 Kultur als Ergebnis des Wechselspiels zwischen Strukturen und Handeln
2.5.2 Identitäten und Grenzziehungen zu ,Anderen' - Die Dimension der Nation
2.6 Nationalstaaten und Globalisierungsprozesse
2.6.1 Nationalstaaten vor dem Zerfall?
2.6.2 Regionale Produktionskomplexe und nationale Systeme
2.7 Transnationale Direktinvestitionen und Nationale Innovationssysteme
3 Methodische Vorgehensweise
3.1 Wissenschaftstheoretische Perspektive
3.2 Auswahl der Untersuchungsregion und -industrie
3.3 Untersuchungsdesign
3.4 Zur Problematik sozialwissenschaftlicher Erhebungen in China
3.4.1 Zur notwendigen Annäherung an das Verständnis des anderen Sinnsystems
3.4.2 Organisation der Erhebung
3.5 Datenaufbereitung, -analyse und -präsentation
4 Die Automobilindustrie in China als Schnittstelle Nationaler Innovationssysteme
4.1 Globalisierungs- und Umstrukturierungsprozesse in der deutschen Automobilindustrie
4.1.1 Intensivierung der Beziehungen zwischen Automobilherstellern und ihren Zulieferem
4.1.2 Konsequenzen der Globalisierungsstrategien der Automobilhersteller für ihre Zulieferer
4.2 Entwicklung der chinesischen Automobilindustrie
4.2.1 Ursprünge
4.2.2 Heutige Strukturen
4.3 Deutsch-chinesische industrielle Strukturen in Shanghai
4.3.1 Entwicklung der Automobilindustrie in Shanghai
4.3.2 Deutsche Zulieferer in Shanghai
5 Chinesisch-deutsche Zulieferbeziehungen in der Automobilindustrie in Shanghai
5.1 Beschaffungsstrategien der deutschen Zulieferer
5.1.1 Beschaffung von Produktionsmaterialien
5 .1.2 Beschaffung von Produktionsmitteln
5 .1.3 Beschaffungsstrategien der in Deutschland befragten Zulieferer
5.2 Deutsche Kunden in der Wahrnehmung chinesischer Lieferanten
5.3 Entstehung chinesisch-deutscher Zulieferbeziehungen
5.3.1 Entstehung von Zuliefemetzwerken
5.3.2 Suche und Auswahl neuer Lieferanten
5.3.3 Lieferantenentwicklmlg
5.3 .4 Chinesisch-deutsche Zulieferbeziehungen in der Serienfertigung
5.4 Eignung von Qualitätsmanagementsystemzertifiziemngen zur Stabilisierung lokaler Wertschöpfungsketten
5.5 Fazit: Folgen der Einbettung von Zulieferem und Abnehmern in verschiedene Nationale Innovationssysteme
6 Kulturelle Ferne in chinesisch-deutschen Automobilzulieferer-Joint Ventures
6.1 Aufbau deutsch-chinesischer JointVentures
6.2 Untersuchungen von Erfolgsfaktoren chinesisch-ausländischer Joint Ventures
6.3 Klassifikation der untersuchten JointVentures
6.4 Zusammenarbeit deutscher und chinesischer Akteure in JointVentures: FünfFallbeispiele
6.4.1 JointVenture 1
6.4.2 JointVenture 2
6.4.3 JointVenture 3
6.4.4 JointVenture 4
6.4.5 JointVenture 5
6.5 Fazit: Die schwierige Bildung von ,Interkulturen' in JointVentures
7 Globale Produktionsnetzwerke, kulturelle Ferne und boundary spanners
7.1 Globale Produktionsnetzwerke vor lokaler Vemetzung
7.2 Boundary spanners in Joint Ventures
7.3 Handlungsempfehlungen
8 Zusammenfassung
9 Literatur
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Transnationale Direktinvestitionen und kulturelle Unterschiede: Lieferanten und Joint Ventures deutscher Automobilzulieferer in China [1. Aufl.]
 9783839405673

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Transnationale Direktinvestitionen und kulturelle Unterschiede

Heiner Depner (Dr. rer. nat.) lehrt Humangeographie an der Philipps-Universität Marburg.

HEINER DEPNER

Transnationale Direktinvestitionen und kulturelle Unterschiede Lieferanten und JointVentures deutscher Automobilzulieferer in China

[transcript]

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http:j jdnb.ddb.de abrufbar.

© 2oo6 transcript Verlag, Bietefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfaltigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung und Innenlayout Kordula Röckenhaus, Bielefeld Lektorat und Satz: Heiner Depner Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 3-89942-567-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http:jjwww.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Fiir lmke und Max

Inhaltsverzeichnis

Vorwort. ................................................................................................. 17

1

Einleitung ....................................................................................... 19

1. 1 Hintergmnd .............................................................. .. ..................... 19 1.2 Fragestellung ................................................................................... 21 1.3 Aufbau der Arbeit ........................................................................... 23 2

Nationale Innovationssysteme und wirtschaftliche Globalisierung ..................................................... 25

2.1 Nationale Innovationssysteme ........................................................ 26 2.1.1 Die Automobilindustrie im deutschen Innovationssystem .. 28 2.1.2 Nationale Innovationssysteme und Sozialkapital ................ 32 2.1.3 Nationale Innovationssysteme, Varieties of Capitalisms und Soziale Produktionssysteme ................... ....................... 34 2.2 Technologien und nationale Entwicklungspfade ............................ 3 8 2.3 Institutionen und ökonomische Prozesse ........................................ 43 2.3.1 Arten von Institutionen .................................... .................... 44 2.3 .2 Entstehung und Entwicklung von Institutionen ................... 50 2.4 Institutionen, Technologien und Akteure ....................................... 52 2.5 Kultur und Wirtschaft .............................................. ....................... 56 2.5.1 Kultur als Ergebnis des Wechselspiels zwischen Strukturen und Handeln ....................................................... 57 2.5.2 Identitäten und Grenzziehungen zu ,Anderen' Die Dimension der Nation ................................................... 59

2.6 Nationalstaaten und Globalisierungsprozesse ................................. 62 2.6.1 Nationalstaaten vor dem Zerfall? ......................................... 62 2.6.2 Regionale Produktionskomplexe und nationale Systeme .... 66 2.7 Transnationale Direktinvestitionen und Nationale Innovationssysteme ........................................................ 68 3

Methodische Vorgehensweise ....................................................... 71

3.1 Wissenschaftstheoretische Perspektive ........................................... 71 3.2 Auswahl der Untersuchungsregion und -industrie .......................... 73 3.3 Untersuchungsdesign ...................................................................... 74 3.4 Zur Problematik sozialwissenschaftlicher Erhebungen in China ... 78 3.4.1 Zur notwendigen Annäherung an das Verständnis des anderen Sinnsystems ...................................................... 79 3.4.2 Organisation der Erhebung .................................................. 80 3.5 Datenaufbereitung, -analyse und -präsentation ............................... 83 4

Die Automobilindustrie in China als Schnittstelle Nationaler Innovationssysteme .................................................... 87

4.1 Globalisierungs- und Umstrukturierungsprozesse in der deutschen Automobilindustrie .............................................. 87 4.1.1 Intensivierung der Beziehungen zwischen Automobilherstellern und ihren Zulieferem ........................ 89 4.1.2 Konsequenzen der Globalisierungsstrategien der Automobilhersteller für ihre Zulieferer.. .............................. 93 4.2 Entwicklung der chinesischen Automobilindustrie ........................ 94 4.2.1 Ursprünge ............................................................................. 95 4.2.2 Heutige Strukturen ............................................................... 97 4.3 Deutsch-chinesische industrielle Strukturen in Shanghai ............... 99 4.3.1 Entwicklung der Automobilindustrie in Shanghai ............... 99 4.3.2 Deutsche Zulieferer in Shanghai ........................................ 102 5

Chinesisch-deutsche Zulieferbeziehungen in der Automobilindustrie in Shanghai ................................................ 109

5.1 Beschaffungsstrategien der deutschen Zulieferer ......................... 112 5.1.1 Beschaffung von Produktionsmaterialien .......................... 112 5.1.2 Beschaffung von Produktionsmitteln ................................. 118 5.1.3 Beschaffungsstrategien der in Deutschland befragten Zulieferer ............................................................ 120 5.2 Deutsche Kunden in der Wahrnehmung chinesischer Lieferanten ............................................................... 122

5.3 Entstehung chinesisch-deutscher Zulieferbeziehungen ................ 126 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3 .4

Entstehung von Zuliefemetzwerken .................................. 126 Suche und Auswahl neuer Lieferanten .............................. 129 Lieferantenentwicklmlg ...................................................... 132 Chinesisch-deutsche Zulieferbeziehungen in der Serienfertigung ......................................................... 136

5.4 Eignung von Qualitätsmanagementsystemzertifiziemngen zur Stabilisierung lokaler Wertschöpfungsketten ......................... 13 7 5.5 Fazit: Folgen der Einbettung von Zulieferem und Abnehmern in verschiedene Nationale Innovationssysteme ........ 140 6

Kulturelle Ferne in chinesisch-deutschen Automobilzulieferer-Joint Ventures ......................................... 143

6.1 Aufbau deutsch-chinesischer JointVentures ................................ 144 6.2 Untersuchungen von Erfolgsfaktoren chinesisch-ausländischer Joint Ventures ....................................... 146 6.3 Klassifikation der untersuchten JointVentures ............................ 151 6.4 Zusammenarbeit deutscher und chinesischer Akteure in JointVentures: FünfFallbeispiele ................................................ 156 6.4.1 6.4.2 6.4.3 6.4.4 6.4.5

JointVenture 1 ................................................................... 157 JointVenture 2 ................................................................... 166 JointVenture 3 ................................................................... 174 JointVenture 4 ................................................................... 182 JointVenture 5 ................................................................... 184

6.5 Fazit: Die schwierige Bildung von ,Interkulturen' in JointVentures ........................................................................... 187 7

Globale Produktionsnetzwerke, kulturelle Ferne und boundary spanners .............................................................. 191

7.1 Globale Produktionsnetzwerke vor lokaler Vemetzung ............... 191 7.2 Boundary spanners in Joint Ventures ............................................ 197 7.3 Handlungsempfehlungen .............................................................. 203 8

Zusammenfassung .................................................. .. ................... 207

9

Literatur ... .. ............. ................. .. ... .......... ................. ..... .. ............. 215

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 2.1:

Die Automobilindustrie im deutschen Innovationssystem .. 31

Abbildung 2.2:

Institutionentypen ................................................................ 45

Abbildung 2.3:

Die Interdependenz von Strukturen und Handlungen ......... 53

Abbildung 2.4:

Kommunikationsprozess zwischen zwei Akteuren ............. 56

Abbildung 2.5:

Zweigwerke deutscher Zulieferer als Schnittstellen zwischen dem deutschen und dem chinesischen Innovationssystem ............................................................... 69

Abbildung 3.1:

Abfolge der angewendeten Untersuchungsmethoden ......... 75

Abbildung 3.2:

Datenaufbereitung und -analyse .......................................... 84

Abbildung 4.1:

Pkw-Hersteller in China 2000 ............................................. 97

Abbildung 4.2:

Pkw-Hersteller in China 2003 ............................................. 98

Abbildung 4.3:

Konzernstruktur von SAIC 2004 ....................................... 102

Abbildung 4.4:

Produktionsstandorte, Produktionsprogramm und Eröffnungszeitpunkt von Zweigwerken deutscher Zulieferer in Shanghai ....................................................... 104

Abbildung 4.5:

Produktionsbeginn in China der in Deutschland schriftlich befragten Zulieferer .......................................... 105

Abbildung 5.1:

Produktionsprogramm und Beschaffungsorganisation von Shanghai Volkswagen 2002 ....................................... 110

Abbildung 5.2:

Untersuchter Ausschnitt des Zuliefemetzwerks von Shanghai Volkswagen ....................................................... 111

Abbildung 5.3:

Anteil der Importe aus Deutschland am Gesamtwert der beschafften Teile und Investitionsgüter der chinesischen Zweigwerke in Deutschland befragter Zulieferer. ............. 120

Abbildung 5.4:

Beschaffungsstrategien der in China produzierenden befragten Zulieferer ........................................................... 121

Abbildung 5.5:

Die Entstehung von Lieferantennetzwerken deutsch-chinesischer Joint Ventures .................................. 127

Abbildung 5.6:

Bereiche der Lieferantenentwicklung und Ablauf des Freigabeprozesses von Zulieferteilen ................................ 131

Abbildung 6.1:

Aufbau und organisatorische Einbindung eines Automobilzulieferer-Joint Ventures .................................. 145

Abbildung 7.1:

Die Automobilindustrie in Shanghai und ihre Verbindungen nach Deutschland ....................................... 196

Tabellenverzeichnis

Tabelle 3.1:

Untersuchte Unternehmen der Automobilindustrie in Shanghai nach Funktion und Rechtsform ............................ 76

Tabelle 4.1:

Inlands- und Auslandsproduktion deutscher Pkw-Hersteller von 1970 bis 2004 ...................................... 89

Tabelle 4.2:

Anzahl der in China und von Shanghai Volkswagen hergestellten Pkw 1982 bis 2004 ....................................... 100

Tabelle 5.1:

Klassifikation der untersuchten Zulieferer nach Beschaffungscharakteristika .............................................. 112

Tabelle 5.2:

Lokal beschaffte sowie importierte Rohstoffe und Zwischenprodukte der untersuchten Zulieferer ................. 142

Tabelle 6.1:

Klassifikation der untersuchten JointVentures ................. 151

Tabelle 6.2:

Kennzeichen der Joint Yenture-Fallbeispiele .................... l57

Tabelle 6.3:

Bewertung der Beziehungen der untersuchten deutschen Expatriates zu chinesischen Akteuren und Akteursgruppen in den JointVentures .............................. 187

Abkü rzu ngsverzeichn is

ADAC AlP AG ARJ BASt

BPOO BMVBW BZZ CDHK CKD

CME DGM FAT FAW FKFS FuE

GOXX GM

GPOYY IHK JV KPCh KBA

LME NJS

OEM

Allgemeiner Deutscher Automobil-Club Automotive Industrial Policy Aktiengesellschaft Automotive Research Institute Bundesanstalt flir Straßenwesen Beobachtungsprotokoll Nr. 00 (interne Nummerierung) Bundesministerium fUr Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Berufsbildungszentrum Shanghai Chinesisch-Deutsches Hochschulkolleg Completely knocked down Coordinated Market Economy Deputy General Manager Forschungsvereinigung Automobiltechnik First Automotive Works Forschungsinstitut für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren Forschung und Entwicklung Gespräch Nr. XX (interne Nummerierung) General Manager Gesprächspartner Nr. YY (interne Nummerierung) Industrie- und Handelskammer JointVenture Kommunistische Partei Chinas Kraftfahrtbundesamt Liberal Market Economy Nationales Innovationssystem Original Equipment Manufacturer

Pkw QMS RMB

SAIC SDPC SGM SPC SGM

svw TÜV

uozz VDA

vw WTO

Personenkraftwagen Qualitätsmanagementsystem Renmimbi (chinesische Währung; umgangssprachlich Yuan) Shanghai Automotive Irrdustrial Corporation State Development Planning Commission Shanghai General Motors State Planning Commission Shanghai General Motors Shanghai Volkswagen Technischer Übetwachungsverein Unternehmen Nr. ZZ (interne Nummerierung) Verband der Automobilindustrie Volkswagen World Trade Organisation

Vorwort

Das vorliegende Werk war ein Projekt über mehrere Jahre an mehreren Orten. Begonnen wurde es 2001 an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main, abgeschlossen 2006 an der Philipps-Universität Marburg. Die empirische Erhebung fand zum Großteil in Shanghai statt. An allen Orten habe ich Unterstützung von vielen Personen erfahren, denen ich an dieser Stelle herzlich danken möchte. Besonderer Dank gilt Prof. Dr. Harald Bathelt, von dessen Wissen und tatkräftiger Unterstützung ich erheblich profitiert habe. Dank für inhaltliche und methodische Anmerkungen gebührt auch den Mitgliedern seiner Marburger Arbeitsgruppe, insbesondere Katrin Kappes, Caroline von Bemuth, Nina Schuldt, Ulrich Dewald und Arm in Gräf. In China hätte ich ohne die Unterstützung von Prof. Dr. Zeng Gang von der East China Normal University Shanghai die Erhebung in der Form nicht durchführen können. In vielen Unterhaltungen mit ihm habe ich sehr viel über China gelernt. Besten Dank auch für die herzliche und umfangreiche Betreuung während meiner Zeit in Shanghai! Über Prof. Zeng erhielt ich Zugang zu seiner Arbeitsgruppe, mit deren Mitgliedern ich lebhafte Gespräche über Kultur und unterschiedliche Verhaltensweisen führen konnte. Besonders hervorzuheben ist Frau Dr. Je Weihua, die Gesprächstermine organisierte, mich zu diesen begleitete, übersetzte und mir bei der Nachbereitung half. Herzlichen Dank! Herzlicher Dank gebührt auch den zahlreichen Gesprächspartnern und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG)! Vor allem den Personen sei gedankt, die mir die Beobachtungen in den JointVentures und damit tiefer gehende Erkenntnisse über die Schwierigkeiten interkultureller Organisationen ermöglichten. Ohne die finanzielle Unterstützung der DFG wäre die umfangreiche Empirie nicht möglich gewesen.

17

VORWORT

Bei der Erstellung der Karten und Abbildungen haben mir Herr Ömer Alpaslan von der Universität Frankfurt sowie Frau Christiaue Enderle, Frau Cordula Mann und Herr Helge Nödler von der PhilippsUniversität Marburg geholfen. Vielen Dank! Dank gilt auch den Teilnehmern des Projektseminars ,Direktinvestitionen in der VR China' an der Philipps-Universität Marburg, mit deren Hilfe ich im Wintersemester 2003/2004 eine umfangreiche Fax- und Telefonbefragung durchführte. Meiner Frau Imke danke ich nicht nur für die umfangreiche und vielfältige Hilfe in direktem Zusammenhang mit dieser Arbeit, sondern darüber hinaus für die sehr schönen letzten paar Jahre, die Energie gaben! Und flir Max! Mehr geht nicht! Marburg im August 2006 Reiner Depner

18

1

Einleitung

Die vorliegende Arbeit wird aufzeigen, dass Kooperationen zwischen Unternehmen aus unterschiedlichen nationalen Kontexten wesentlich erschwert werden können. Grund ist, dass Unternehmen als kollektive Akteure und ihre Beschäftigten als individuelle Akteure jeweils von spezifischen institutionellen Kontexten geprägt werden und dort vorherrschende Technologien anwenden. So kann es sein, dass ausländische Zweigwerke multinationaler Unternehmen auf ein Umfeld treffen, in dem Lieferanten ihre Produktion gänzlich anders organisieren, als es ausländische Unternehmen von ihren Stammlieferanten kennen. Zudem können sich die Gewohnheiten von Arbeitnehmern, Abläufe zu organisieren oder zwischenmenschliche Beziehungen zu pflegen, international stark unterscheiden. Grund ist, dass der Nationalstaat nach wie vor einen Referenzrahmen für die Entwicklung kultureller Eigenarten bildet. Wie stark sich unterschiedliche Kulturen auf Beziehungen zwischen Unternehmen auswirken können, wird in der vorliegenden Arbeit am Beispiel der Automobilindustrie in Shanghai deutlich gemacht, wo viele deutsche Zulieferer für Shanghai Volkswagen (SVW) produzieren und auf Produkte von vorgelagerten chinesischen Lieferanten zugreifen. Die Problematik, individuelle Akteure aus verschiedenen Ländern in eine kohärente und effiziente Organisation zu integrieren, wird am Beispiel deutsch-chinesischer Zulieferer-Joint Ventures analysiert.

1.1

Hintergrund

Seit den 1980er Jahren hat der Grad der internationalen Durchdringung und Integration von Produktions- und Marktstrukturen eine hohe Intensität erreicht. Neue Technologien im Transport- und Kommunikations-

19

KULTURELLE UNTERSCHIEDE BEl TRANSNATIONALEN DIREKTINVESTITIONEN

hereich sowie der Abbau von Handels- und Investitionshemmnissen haben es Unternehmen sukzessive erleichtert, umfassende internationale Standortsysteme aufzubauen (z.B. Chesnais 1992; Bathelt 2000; Henderson et al. 2002; Bathelt/Glückler 2003a; Dicken 2003a). Von dieser Entwicklung hat die Volksrepublik China wirtschaftlich stark profitiert. Industrieunternehmen aus Europa, Nordamerika, Japan oder anderen asiatischen Ländern bauen in großem Umfang Produktionsstandorte in China auf, da sie angesichts der zunehmenden Kaufkraft der ca. 1,3 Mrd. Menschen zählenden Bevölkerung (2005) und der Liberalisierung des Marktes hohe zukünftige Absatzpotentiale erwarten (DEG 1998; Yeung/Li 2000; Wirtschaftswoche 2003, 2004). Chinas Wirtschaft wächst seit Jahren in einem rasanten Tempo. Seit 1978 ist die untemehmerische Initiative vermehrt vom Staat auf private Unternehmer übertragen worden. Zudem wurden immer mehr Wirtschaftsbereiche und Regionen für transnationale Direktinvestitionen geöffnet, die mittlerweile einen beträchtlichen Teil zur Wertschöpfung des Landes beitragen (Laaksonen 1988; Ge 1999; Luo 2000; Taylor/Chang/ Li 2003). Shanghai hat sich aufgrund der ausländischen Investoren zu einem der bedeutendsten Industriezentren Chinas entwickelt, in dem ausländisches Kapital zu Beginn des neuen Jahrtausends zu 30 bis 50 Prozent der Gesamtinvestitionen beitrug (Sassen 2000; Seitz 2000; ChinaContact Exklusiv 2001 ). Einer der Pfeiler der industriellen Entwicklung der Metropole ist die Automobilindustrie. 1 Das 1984 gegründete deutsch-chinesische Joint Venture Shanghai Volkswagen ist einer der größten Pkw-Hersteller des Landes und legte das Fundament für die hohe Präsenz deutscher Zulieferer in der Region. Diese sind Volkswagen (VW) nach China gefolgt und haben mehrheitlich ebenfalls Joint Ventures mit chinesischen Unternehmen gebildet. Die vorliegende Arbeit stellt dar, wie das Zuliefernetzwerk von Shanghai Volkswagen im Spannungsfeld zwischen deutschen und chinesischen Akteuren strukturiert ist und sich entwickeln hat. Die Arbeit versteht sich als ein Beitrag zur relationalen Wirtschaftsgeographie (Bathelt/Glückler 2003a, 2003b), da Abstimmungsprozesse und entstehende Strukturen zwischen Akteuren analysiert werden, die durch ihr Wissen, ihre Beziehungen und Gewohnheiten in territorial verankerten Systemen mit unterschiedlichen Entwicklungspfaden eingebettet sind. Die umfangreiche primär qualitativ durchgeführte Empirie baute auf einer theoretisch begründeten Fragestellung auf. Es wird ausschließlich der Teil der Automobilindustrie inklusive Zuliefererindustrie betrachtet, der sich mit der Herstellung von Personenkraftwagen (Pkw) befasst. Die Begriffe Automobilhersteller, Pkw-Hersteller und OEM (Original Equipment Manufacturer) werden synonym verwendet.

20

EINLEITUNG

Die theoretische Basis der Arbeit beruht auf Konzepten, die einen Systemzusammenhang der wirtschaftsstrukturellen Entwicklung auf nationaler Ebene beschreiben, vor allem auf dem Ansatz der Nationalen Innovationssysteme (Lundvall 1988, 1992c; Lundvaii/Maskell 2000; Lundvall et al. 2002). Sie sehen die inteme Organisation von Untemehmen, ihre Beziehungen zu anderen Unternehmen, die Gestaltung der Produktionsprozesse sowie die Qualität der Produkte in einer Abhängigkeit von den institutionellen und technologischen Rahmenbedingungen des jeweiligen Landes, weil diese Akteuren divergierende Ausgangsbedingungen für Aktionen vorgeben (Lundvall 1992c; Nelson 1993; Hollingsworth 2000; Lundvall/Maskell 2000; Hall/Soskice 2001; Gertier 2004). Akteure handeln demnach nicht nach der Rationalität des homo oeconomicus, sondern folgen auch anderen Sinngebungen. Der Ansatz der Nationalen Innovationssysteme nimmt zwar eine zentrale Position bei der theoretischen Argumentation ein, allerdings werden nicht explizit Innovationseinrichtungen oder -prozesse untersucht. Der Ansatz wird als theoretische Ausgangsbasis genommen, nach der die nationale Ebene Einfluss auf die Entstehung und Entwicklung von Strukturen wie Technologien und Institutionen hat. Diese beeinflussen wiederum Handlungsoptionen individueller als auch kollektiver Akteure. Aufgrund dessen müssen Beziehungen zwischen Akteuren aus unterschiedlichen nationalen Kontexten anderen Bedingungen unterliegen als solche zwischen Akteuren aus dem gleichen Kontext.

1.2

Fragestellung

Bei der industriellen Produktion müssen Unternehmen Arbeitskräfte, Rohstoffe, Zwischenprodukte und Anlagen so zusammenbinden, dass eine möglichst effiziente Teilung und Integration der Arbeit erfolgt (Bathelt 2000). Ein wichtiger Faktor für ihren Markterfolg ist die Kompetenz ihrer Zulieferer. Dies gilt insbesondere flir die Automobilindustrie: Die Fertigungstiefe der deutschen Automobilhersteller liegt nur noch bei ca. 25 Prozent (Veloso/Kumar 2002; VDA 2003). Qualitativ hochwertige Fahrzeuge setzen aber leistungsfahige Zulieferer und eine hohe Integration von Produzenten und Abnehmern voraus, die auf einer gemeinsamen Wissensgrundlage und die Bindung der Partner an verlässliche Standards aufbaut. Ansonsten ist die Verständigungsgrundlage instabil und die Unsicherheit bei Transaktionen zu hoch (Granovetter 1992; Glückler 2001). Trotz der Fortschritte bei den Telekommunikationstechnologien sind deswegen für Interaktionen in der Wertschöp-

21

KULTURELLE UNTERSCHIEDE BEl TRANSNATIONALEN DIREKTINVESTITIONEN

fungskette technologische als auch institutionelle Nähe von Bedeutung, da sie gemeinsame Wahmehmungsstrukturen der Akteure deduzieren. Die Herstellung von effizienten Organisationsstrukturen ist in internationalen JointVentures eine Herausforderung für die beteiligten Partneruntemehmen. Studien zeigen, dass eine große Anzahl von ihnen aufgrund unterschiedlicher Ziele der beteiligten Partner, fehlenden Abstimmungen oder interkultureller Schwierigkeiten scheitern (Trommsdorff/Schuchardt/Lesche 1995; Pothukuchi et al. 2002; Reisach/Tauber/ Yuan 2003). Die vorliegende Arbeit verfolgt das Ziel, die Konsequenzen der Einbettung von miteinander vernetzten Unternehmen in unterschiedliche Nationale Innovationssysteme zu untersuchen. Das Ziel wird auf zwei Ebenen verfolgt. Erstens wird analysiert, wie sich die Unterschiede der jeweiligen Makrosysteme auf die Entstehung und die Funktionsweise von vertikalen Beziehungen zwischen chinesischen Lieferanten und ihren deutschen Abnehmern auswirken? Es wird analysiert, welche Konsequenzen technologische und institutionelle Unterschiede für das Vernetzungspotenzial zwischen chinesischen Lieferanten und deutschen Automobilzulieferem haben. Zweitens wird der Frage nachgegangen, wie stabil und effizient horizontale Beziehungen zwischen deutschen und chinesischen Unternehmen in Zuliefer-Joint Ventures sind. Diese stehen vor der Aufgabe, trotz der jeweiligen Einbindung in das Machtgefüge ihrer Mutterunternehmen und trotz unterschiedlicher Gewohnheiten der Mitarbeiter, Aufgaben zu erledigen oder Beziehungen zu gestalten, eine neue funktionierende Organisationseinheit aufbauen zu müssen. Hier wird der Frage nachgegangen, welche Konsequenzen kulturelle Feme für deutsch-chinesische Automobilzulieferer-Joint Ventures hat. Fokus der Analyse in den Gemeinschaftsunternehmen bildete das Vermögen deutscher Fach- und Führungskräfte, im interkulturellen Umfeld interagieren und Strukturen oder Abläufe beeinflussen zu können. Aus der Untersuchung der beiden Ebenen lassen sich Rückschlüsse darauf ziehen, a) wie stark deutsche Industrieuntemehmen, die auf Vorprodukte angewiesen sind, chinesische Lieferanten in ihre Beschaffungsstrategien einbinden können und b) wie trotz kultureller Differenzen und paralleler deutsch-chinesischer Entscheidungsstrukturen Gemeinschaftsuntemehmen aufgebaut werden können, die effiziente inner2

22

Nahezu alle untersuchten deutschen Zulieferer in Shanghai hatten Joint Ventures mit chinesischen Unternehmen gebildet. Trotzdem werden diese in der Arbeit aus Gründen der Übersichtlichkeit als ,deutsche' Abnehmer bezeichnet. Die Begrifflichkeit ist aus Sicht der geforderten Standards in der Beziehung gerechtfertigt, weil Produkte, Produktionsprozesse, Qualitätsmanagement usw. weitgehend in Deutschland spezifiziert werden.

EINLEITUNG

betriebliche Prozesse zulassen. Neben der Untersuchung der Beziehungen auf den Ebenen Zulieferbeziehungen und JointVentures wird auch analysiert, warum, auf welche Art und zu welchem Ausmaß deutsche Zulieferer in der Automobilindustrie in Shanghai integriert sind.

1.3 Aufbau der Arbeit Im 2. Kapitel der Arbeit wird theoretisch begründet, welche Konsequenzen Strukturen auf nationaler Ebene zum einen für die Organisation der Produktion von Unternehmen und zum anderen für Handlungen von individuellen Akteuren haben können. Daraus wird abgeleitet, dass Interaktionen von kollektiven und individuellen Akteuren aus unterschiedlichen nationalen Kontexten unter erschwerten Bedingungen stattfinden müssen. Im 3. Kapitel wird die methodische Vorgehensweise erläutert. Zudem wird auf Schwierigkeiten hingewiesen, die bei sozialwissenschaftliehen Erhebungen in China auftreten können. Kapitel 4 fokussiert auf die Entstehung der modernen Automobilindustrie in China und speziell in Shanghai. Es wird aufgezeigt, dass deutsche Zulieferer sowohl bei der Entscheidung, in China zu investieren, als auch bei der Wahl der geeigneten Unternehmensform nicht frei von Vorgaben agierten. Kapitel 5 zeigt auf, wie die untersuchten deutschen Zulieferer die Beschaffung im ,fremden' Umfeld organisierten. Im 6. Kapitel werden die Schwierigkeiten analysiert, die bei den untersuchten Zulieferem in den Gemeinschaftsunternehmen mit chinesischen Partnern auftraten. Es wird dargestellt, dass unterschiedliche Gewohnheiten deutscher und chinesischer Kollegen sowie deren Einbindung in die Strukturen ihrer Mutteruntemehmen den Aufbau einer kohärenten neuen Organisation oftmals verhindern. Allerdings werden auch Fälle präsentiert, in denen Akteure gelernt haben, im jeweils ,anderen' Kontext machtvoll zu agieren und effiziente Strukturen zu etablieren. In Kapitel 7 werden die Ergebnisse zusammengeführt und diskutiert sowie und abschließend darauf eingegangen, welche Möglichkeiten bestehen, Unterschiede, die sich in den Interaktionen zwischen Akteuren aus unterschiedlichen Innovationssystemen äußern, sowohl auf kollektiver als auch auf individueller Ebene zu überbrücken. Kapitel 8 fasst die Arbeit zusammen.

23

2

Nationale Innovationssysteme und wirtschaftliche Globalisierung

Die Zunahme von Direktinvestitionen wird als ein Kennzeichen des Globalisierungsprozesses der Wirtschaft betrachtet (z.B. Kutschker/ Schmid 2002; Bathelt/Glückler 2003a; Dicken 2003a). 1 Ein falscher Rückschluss aus dem Indikator einer Intensivierung der grenzüberschreitenden wirtschaftlichen Vernetzung wäre jedoch, dass Unternehmen überall zu gleichen Konditionen produzieren können. Der regionale Kontext hat durch vorherrschende institutionelle und technologische Rahmenbedingungen einen wesentlichen Einfluss darauf, wie Unternehmen produzieren, in welche unternehmensübergreifenden Arbeitsteilungen sie eingebettet sind und welche Kompetenzen sie entwickeln können (Lundvall 1992a; Herrmann-Pillath 2002; Nelson/Nelson 2002; Dicken 2003b; Gertier 2001,2003, 2004). Die Rückgriffsmöglichkeit auf unternehmensextern vorhandenes ökonomisch verwertbares Wissen ist zu einem wichtigen Faktor für ihre Innovativität und Wettbewerbsfähigkeit geworden (Lundvall 1992a; Ichijo!Krogh/Nonaka 1998; Strambach 2001; Glückler/Bathelt 2003 ). Diese hängen unter anderem von spezifischen unternehmensexternen Fertigkeiten in ihrer näheren räumlichen Umgebung ab (localised capabilities) (Maske111Malmberg 1999a, 1999b). Aufgrund ihrer Einbettung in einen gesellschaftlichen Kontext und einen spezifischen technologischen Entwicklungspfad sind sie mit ihrer Umwelt über traded und untraded interdependencies (Storper 1997) verbunden.

Transnationale oder ausländische Direktinvestitionen sind Unternehmen im Ausland, über die die Investoren die gesamte oder einen Teil der unternehmefischen Kontrolle beibehalten (Kutschker/Schmid 2002; Bathelt/ Glück! er 2003a).

25

KULTURELLE UNTERSCHIEDE BEl TRANSNATIONALEN DIREKTINVESTITIONEN

Die nationalstaatliche Ebene hat nach wie vor einen hohen Einfluss darauf, wie Unternehmen strukturiert sind, welche Strategien ihnen offen stehen, wie sie untereinander und mit anderen Organisationen vernetzt sind sowie welche Technologien sich entwickeln und verbreiten (Lundvall1992a; Hollingsworth 2000; Hall/Soskice 2001). Nach Dicken (2003b) sind es vor allem institutionelle Faktoren, die eine besondere Bedeutung flir das Umfeld haben, in dem sich Unternehmen entwickeln: Die Kultur eines Landes, die dominante Ideologie eines Staates sowie die Art seiner politischen und wirtschaftlichen Institutionen. Er sieht in den Faktoren eine Ursache dafür, dass ,globale' Unternehmen, die Operationen in einer hohen Anzahl von Ländern koordinieren, kontrollieren und funktional integrieren, de facto nicht existieren und internationale Fusionen und strategische Allianzen oftmals aufgrund nationaler institutioneller Unterschiede erschwert oder sogar verhindert werden. Nationale Wirtschaftssysteme unterscheiden sich aber nicht nur aus institutioneller Perspektive, sondern auch in der industriellen Spezialisierung. Sie behindern damit Globalisierungsprozesse, weil Unternehmen weder ihr Organisationsmodell in andere Länder übertragen noch weltweit auf gleichrangige Arbeitskräfte und Zulieferer zmückgreifen können. Seit Ende der 1980er Jahre sind mehrere theoretische Ansätze entstanden, die auf nationaler Ebene wirtschaftsstrukturelle Differenzen erklären. Allen gemeinsam ist, dass sie eine Abkehr vom neoklassischen Paradigma darstellen und strukturelle Unterschiede zwischen Nationalstaaten durch evolutionär gewachsene institutionelle und technologische Bedingungen erklären. In den folgenden Abschnitten werden das Konzept der Nationalen Innovationssysteme, wie es vor allem von Lundvall (1988, 1992a, 1992c) definiert wurde, der Ansatz der Varieties of Capitalisms von Haii/Soskice (2001) sowie jener der Sozialen Produktionssysteme (Amable 2000; Hollingsworth 2000) vorgestellt.

2.1

Nationale Innovationssysteme

Die Grundsteine des Konzepts der Nationalen Innovationssysteme (NIS) wurden Ende der 1980er Jahre gelegt (Lundvall 1988). Seither ist es sukzessive erweitert und ergänzt worden (Lundvall1992c; Nelson 1993; Edquist 1997b; Lundvaii/Maskell 2000; Lundvall et al. 2002). Ausgangspunkt waren Erkenntnisse, dass sich Länder auf unterschiedliche industrielle Bereiche spezialisiert hatten. Die jeweiligen charakteristischen nationalen Strukturen wurden über spezifische Innovationsprozesse verfestigt und reproduziert (Lundvall 1992a; Lund vaii/Maskell 2000.

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NATIONALE INNOVATIONSSYSTEME UND WIRTSCHAFTLICHE GLOBALISIERUNG

Ein Nationales Innovationssystem besteht aus "[ ... ] elements and relationships which interact in the production, diffusion and use ofnew, and economically useful, knowledge [ .. .]" (Lundvall 1992a: 2). In Nationalen Innovationssystemen ist Wissen über die Herstellung spezifischer Produkte gespeichert und wird durch Interaktionen erneuert und ergänzt (McKelvey 1997; Maskeli/Malmberg 1999a, 1999b). Dadurch wird die evolutionär entstandene nationale Wissensbasis vertieft und erweitert. Nationale Unterschiede in der historischen Erfahrung, der Sprache und der Kultur der Nationalstaaten sorgen dafür, dass die Elemente jedes Nationalen Innovationssystems unterschiedlich ausgeprägt sind. Nach Lundvall (1992a) haben sich in den einzelnen Ländern in folgenden Bereichen das Innovationssystem kennzeichnende Eigenarten gebildet: (1) In der internen Organisation von Unternehmen, (2) den Beziehungen zwischen Unternehmen, (3) der Rolle des Staates, (4) der Struktur des Finanzsektors, (5) der Organisation und Intensität von Forschung und Entwicklung (FuE) sowie (6) der Struktur des Aus- und Weiterbildungssystems. Für pfadabhängige und konvergente Entwicklungen der Nationalen Innovationssysteme sind nicht nur internationale Unterschiede in den einzelnen Elementen verantwortlich, sondern auch deren wechselseitige Beeinflussung. Beispielsweise kann sich der Staat unterschiedlich stark in FuE-Prozesse und -Strukturen einbringen. Oder, wie es in China bis in die 1980er Jahre der Fall war (Yang 1995; Sit/Liu 2000; Wang/Liu 2000), Warenströme zwischen Unternehmen planen und vorgeben bzw. die Entscheidungen den Abnehmern überlassen, wie dies in Marktwirtschaften in der Regel geschieht. Durch die institutionelle Struktur eines Landes werden die Akteure auf eine bestimmte Art und Weise zusammengebunden und ihre Aktionen koordiniert. Das sozio-ökonomische System wird stabilisiert, da Akteuren nur bestimmte Handlungsoptionen in Bezug auf andere offen stehen. Dieses gibt ihnen Sicherheit für die Akzeptanz eigener Aktionen und lässt Erwartungen an die Handlungen von Geschäftspartnern zu. Durch Interaktionen wird die institutionelle Struktur reproduziert (Lundvall 1992a). In Abschnitt 2.1.1 wird dargestellt, welche Organisationen das institutionelle Umfeld der Automobilindustrie in Deutschland beeinflussen und dadurch sowohl Interaktionen in und zwischen Unternehmen als auch Entwicklm1gen des gesamten Teils des Innovationssystems prägen. Spezifische nationale Interaktionsmuster und Innovationspfade entwickeln sich zusätzlich dazu weiter, da die industrielle Spezialisierung die Art der routinemäßig auftretenden und zu bewältigenden Probleme in den Wirtschaftsabläufen vorstrukturiert (Lundvall 1992a; Lundvall!Maskell 2000; Gertier 1993, 1997, 2004). Dies führt zur sukzessi-

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KULTURELLE UNTERSCHIEDE BEl TRANSNATIONALEN DIREKTINVESTITIONEN

ven Stabilisierung der charakteristischen industriellen Strukturen. Es kommt zu inkrementeilen Verbesserungen und Anpassungen von Produkten und Prozessen in den spezifischen Technologiebereichen des betreffenden Innovationssystems, die sich verfestigend auf die vorhandene Produktionsstruktur auswirken und Spezialisierungsprozesse im Vergleich zu anderen nationalstaatliehen Kontexten verstärken (Lundvall/Maskell 2000). In der Automobilindustrie in Deutschland wird beispielsweise das seit über 100 Jahren gewachsene Know-how in Kooperationen zwischen Automobilherstellem, Zulieferern, Entwicklungsbüros und Forschungseinrichtungen vertieft und Produkte und Prozesse permanent verbessert (Heftrich 200 I; Rentmeister 2002). Der Grad an Konsistenz und das Zusammenwirken zwischen Produktionsstruktur und institutionellen Elementen unterscheidet sich von Land zu Land. Widersprüchliche, einander entgegen gerichtete Strukturen können auch dazu führen, dass eine zirkuläre Verknüpfung der verschiedenen Komponenten nicht zustande kommt und kein spezifischer nationaler Pfad der Produktions- und Technologieentwicklung entsteht (Lundvall/Maskell2000; White/Liu 2001; Bathelt!Depner 2003).

2.1.1 Die Automobilindustrie im deutschen Innovationssystem Der Ansatz Nationaler Innovationssysteme stellt Innovationsprozesse in einen Systemzusammenhang. Diese stehen in Abhängigkeit von der nationalstaatlichen Produktionsstruktur und den institutionellen Rahmenbedingungen eines Landes. Unter einem Nationalen Innovationssystem sind dabei jedoch nicht sämtliche Strukturen und Prozesse eines Landes anzusehen, sondern die charakteristischen nationalen Wirtschaftsstrukturen und die diese unterstützenden Einrichtungen. In Deutschland beispielsweise sind die Chemische Industrie, der Maschinenbau sowie die Automobilindustrie bedeutende international wettbewerbsfähige Industrien, die im Zusammenwirken mit politischen Entscheidungen, Einflussnahmen weiterer staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen und den spezifischen Arbeits-, Forschungs- und Bildungsbedingungen eine bestimmte Ausprägung erfahren haben (Hollingsworth 2000; Hall/Soskice 2001). Wie sich die Einbettung von Industrieunternehmen in die Strukturen eines Innovationssystems auf ihre Handlungsmöglichkeiten auswirkt, wird am Beispiel der Automobilindustrie in Deutschland gezeigt. Die Einbettung in das institutionelle Umfeld sowie die Einflussnahme bestimmter Organisationen auf die Automobilindustrie werden selektiv an Beispielen dargestellt (Abbildung 2.1). Auf die Beziehung zwischen Automobilherstellern und Zulieferem wird in Kapitel 4 eingegangen.

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NATIONALE INNOVATIONSSYSTEME UND WIRTSCHAFTLICHE GLOBALISIERUNG

Politik Beispiele der Einflussnahme der Politik auf die Automobilindustrie gibt es viele. Die unterschiedliche Besteuerung von Diesel- oder Benzinfahrzeugen wirkt sich etwa auf die Nachfrage nach bestimmten Fahrzeugtypen aus, was wiederum den Produktionsplan der Automobilhersteller in bestimmte Bahnen lenkt. Zugleich fordern von der Politik vorgegebene Abgasnormen die Entwicklung von daran angepassten Technologien. Hier beeinflussen nicht nur von deutschen, sondern auch von EU-Behörden festgelegte Richtlinien Entscheidungen in der Automobilindustrie. Beispielsweise senkte die EU die Schadstoffgrenzwerte zum 1. Januar 2005. In dem Zusammenhang sagten die deutschen Automobilhersteller zu, bis 2008/2009 alle in Deutschland verkauften Dieselfahrzeuge mit Partikelfilter auszurüsten (VDA 2005a). Momentan entwickeln die Unternehmen bereits Technologien, um flir die flir 2010 angekündigte Abgasnorm ,Euro 5' gerüstet zu sein (Spiegel Online 2005). Beraten werden die Politiker von Forschungseinrichtungen, die Ministerien nachgelagert sind, wie etwa die Bundesanstalt flir Straßenwesen (BASt). Diese ist ein wissenschaftliches Institut des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (BMVBW). Ein Schwerpunkt der BASt ist die Ausarbeitung von Vorschriften und Normen auf allen Gebieten des Straßenwesens, insbesondere Umweltbelastungen als auch die Verkehrssicherheit betreffend. Zu diesem Zweck kooperiert sie eng mit anderen wissenschaftlich-technischen Einrichtungen wie der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, dem Deutschen Institut ftlr Normung, dem Deutschen Verkehrssicherheitsrat, den ftir Straßenbau und Straßenverkehr zuständigen Länderbehörden, Hochschulen, Verbänden und der Industrie (BASt 2005). Ein staatliches Kontrollorgan der Automobilindustrie ist das Kraftfahrtbundesamt (KBA). Es überwacht die staatliche Reglementierung der Kraftfahrzeugtechnik um Bürger vor Gefahren zu schützen und flir Hersteller Rechtsicherheit zu schaffen. Dabei richtet es sich nach den technischen Mindestforderungen in nationalen und internationalen Bauund Betriebsvorschriften, etwa der Straßenverkehrszulassungsordnung, die eine Rechtsverordnung des BMVBW ist. Das KBA erteilt Typgenehmigungen ftir Fahrzeuge und Bauteile mit dem Ziel, dass nur Fahrzeuge am Straßenverkehr teilnehmen, die in Bezug auf Sicherheit und Umweltrelevanz die vorgeschriebenen Standards einhalten. Es arbeitet eng mit technischen Diensten wie dem Technischen Überwachungsverein (TÜV) oder der DEKRA zusammen, welche Fahrzeuge und Bauteile begutachten und Prüfberichte flir das KBA erstellen. Die Kompetenz der technischen Dienste wird vom KBA periodisch überprüft (KBA 2005).

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KULTURELLE UNTERSCHIEDE BEl TRANSNATIONALEN DIREKTINVESTITIONEN

Inte ressenvertretu n g en Einen starken Einfluss auf Richtlinien der Politik hat der Verband der Automobilindustrie (VDA) mit Sitz in Frankfurt!Main. Der VDA fördert national und international die Interessen der deutschen Automobilindustrie etwa in der Wirtschafts-, Verkehrs- und Umweltpolitik, in der technischen Gesetzgebung sowie der Normung und Qualitätssicherung. Insgesamt sind im VDA über 500 in Deutschland produzierende Unternehmen der Automobilindustrie Mitglied (VDA 2005b). Der Verband zeichnet sich auch dadurch aus, dass durch die Einflussnahme auf die Politik versucht wird, bessere Rahmenbedingungen für die Automobilindustrie zu schaffen. Im VDA wurden zudem Richtlinien für Qualitätsmanagementsysteme geschaffen, die die deutschen Hersteller versuchen, auch in Shanghai durchzusetzen (Kapitel 5). Heute bindet der VDA in einem eigens errichteten Qualitäts-ManagementCenter mehrere Hundert freie Mitarbeiter aus der Automobilindustrie zusammen, die neue Methoden der Qualitätssicherung und Qualitätsmanagementsysteme konzipieren (VDA 2005c). Zudem veranstaltet der VDA die jährlich stattfindende Internationale Automobil-Ausstellung. Eine wichtige Interessenvertretung in der Automobilindustrie in Deutschland ist auch der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC). 2004 hatte er über 15 Mio. Mitglieder. Diesen bietet er eine breite Palette von Leistungen an, testet u.a. auch Fahrzeuge und Zubehör. Vom ADAC propagierte Meinungen haben aufgrund der hohen Mitgliedszahl nicht nur Einfluss auf Entscheidungen der Konsumenten, sondern auch auf solche von Industrie und Politik (ADAC 2005). Ausbildungseinrichtungen Eine Folge der traditionsreichen Geschichte der Automobilindustrie in Deutschland ist, dass sie auf ein weites Feld hoch qualifizierter Arbeitskräfte zurückgreifen kann, die vor allem von Fachhochschulen und Technischen Universitäten stammen.2 Insgesamt reichen die Angebote vom Studiengang des Wirtschaftsingenieurs mit der Studienrichtung ,Automobilwirtschaft und -technik', der umfassende Kenntnisse der Organisation der Industrie und des Produktentstehungsprozesses von Automobilen vermittelt (Fachhochschule Gelsenkirchen 2005), bis zu hochspezialisierten technischen Studiengängen wie dem auf die Funktionsweise von Motoren fokussierten der ,Fahrzeug- und Motorentechnik'

2

30

Die Zahl der Akademiker in der deutschen Automobilindustrie hat sich von 1999 bis 2003 um 34 Prozent erhöht. Angesichts stark globalisierter Strukturen in der Automobilindustrie (Kapitel 4) ist die Verfügbarkeit hoch qualifizierter Arbeitskräfte ein zunehmend wichtiger Erfolgsfaktor für die Unternehmen in Deutschland (VDA 2005a).

NATIONALE INNOVATIONSSYSTEME UND WIRTSCHAFTLICHE GLOBALISIERUNG

an der Universität Stuttgart (Universität Stuttgart 2005). Einen jungen Studiengang mit einem hohen Anwendungspotential bildet die ,Mechatronik'. Der Studiengang umfasst alle Gebiete der Technik, in denen Komponenten der Elektronik, Mechanik und Informatik zusammenwirken. Wissen aus den drei Ingenieurbereichen Elektrotechnik, Informatik und Maschinenbau befähigt Mechatroniker zu vielseitigen Einsatzbereichen in der Automobilindustrie (Fachhochschule Augsburg 2005). Abbildung 2.1: Die Automobilindustrie im deutschen Innovationssystem

Sozio-institutionelles Umfeld in Deutschland A usbildungseinriclztungen Bundestag Gesetzgebung

Berufs-/Berufs-

fachsehnten Berufsausbildung Facharbeiter

Bundesregierung Exekutive

Bundesministerien BMWA, BMVBW ..

Produktion/ Entwicklung

Nachgelagerte

Genehmigt Fahrzeugtypen/ teile, überwacht Prüfstellen

Ingenieursaushildung, Forschung

[]

Politik

Organisationen z.B. Krafifahrtbundesamt

Universitäten

Fachhochschulen Ingenieursausbildung

~

Forschung/ Entwicklung Entwicklungsdienst1eister Bertrandt, EDAG

V

Automobilhersteller VW. BMW, Ope!, DaimlerChrysler .

I

Forschungs· institute BAST, FKFS ..

I

Automobilzulieferer

Bosch, ZF, Edscha .. PrüfsteUen TÜV, Dekra .. Überprüfen Qualitä ll Sicherhe·it in Industrie

n

Branchenverbände VDA, BDJ ..

Industrie- und Handelskammern Interessenvertre-

Interessenvertretung Branchen

tung U ntemehmen

~

Automobilclubs ADAC, ACE ...

Jnteressenvertretung Autofahrer

Finanzsektor Banken und Börsen Finanzierung und Kontrolle

Gewerkschaften DGB, TG Metall .. JnteressenvertreLUng Arbeitnehmer

Verbände und lnteressenvertretunf(en

Quelle: Eigene Darstellung

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KULTURELLE UNTERSCHIEDE BEl TRANSNATIONALEN DIREKTINVESTITIONEN

Forschung und Entwicklung In den letzten Jahrzehnten haben Entwicklungsdienstleister im Forschungs- und Entwicklungsbereich der Automobilindustrie eine Bedeutungsaufwertung erfahren, weil Automobilhersteller und -zulieferer ihre Entwicklungstiefe reduziert und Entwicklungsaufgaben ausgelagert haben (engineering outsourcing) (Rentmeister 2001, 2002). So konnten sich in wenigen Jahren große Entwicklungsdienstleister herausbilden, die in Kundennähe individuelle Lösungen von einzelnen Komponenten bis hin zu Fahrzeugen entwickeln. Die Bertrandt AG beispielsweise hat sich seit der Gründung im Jahr 1974 bis 2005 zu einem Unternehmen mit etwa 3.000 Mitarbeitern an 19 Standorten in Europa und den USA entwickelt (Bertrandt AG 2005). Die EDAG Engineering + Design AG, deren Grundstein 1969 gelegt wurde, hatte Ende 2004 sogar 4.200 Mitarbeiter an über 30 Standorten (EDAG Engineering+ Design AG 2005). FuE-Aufträge werden von Unternehmen auch gemeinschaftlich vergeben, wie beispielsweise über die in den VDA integrierte Forschungsvereinigung Automobiltechnik e.V. (FAT). Diese gibt in Absprache mit ihren Mitgliedern Forschungsprojekte in Bereichen wie Sicherheit oder Werkstoff-/Fertigungsverfahren in Auftrag (VDA 2005b). Ein potentieller Auftragnehmer ist das Forschungsinstitut für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren Stuttgart (FKFS), das mit Automobilherstellern auf dem Gebiet der Aerodynamik und Geräuschreduzierung zusammen arbeitet. Aufgrund der hohen Präsenz der deutschen Automobilindustrie in China hat es 1999 begonnen, mit der Tongji-Universität Shanghai auf dem Gebiet der Kfz-Aerodynamik zu kooperieren (FKFS 2005). Sämtliche der in Abbildung 2.1 dargestellten Organisationen schaffen Rahmenbedingungen für die Organisation der Produktion und Entwicklung der Automobilindustrie. Die Organisationen sind gleichzeitig in das spezifische sozio-institutionelle Gefüge Deutschlands eingebettet. Theoretische Überlegungen zur sozio-institutionellen Ausgestaltung von Nationalstaaten und zu deren Bedeutung werden in den folgenden Abschnitten präsentiert.

2.1.2 Nationale Innovationssysteme und Sozialkapital Der sozio-institutionelle Kontext spielt für unternehmerische Aktivitäten eine hohe Rolle, weil er bestimmte Interaktionsmöglichkeiten fördert, andere ausschließt. Lundvall ( 1992a, 1992c) hob diesen Aspekt in dem von ihm geprägten Ansatz hervor: "The concept [ ... ] presumes the existence of nation states and this phenomenon has two dimensions: the national-cultural and the etatist-political" (Lundvall 1992a: 2). Sein Ver-

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NATIONALE INNOVATIONSSYSTEME UND WIRTSCHAFTLICHE GLOBALISIERUNG

ständnis von Innovationssystemen unterscheidet sich dadurch erheblich von jenem von Nelson (1993), da er politischen und kulturelle Strukturen Einfluss auf Handlungsspielräume von Akteuren und dadurch auf Innovationsprozesse zuweist. Zudem konzipiert er Innovationen hauptsächlich als durch Feedbacks und Interaktionen in Wertschöpfungsketten entstehend (Lundvall 1988, 1992b; Bathelt!Depner 2003). Nelson (1993) hingegen versteht unter Nationalen Innovationssystemen die für zielgerichtete Forschungs- und Entwicklungsprozesse relevanten organisatorischen Strukturen, in denen zielgerichtet nach vermarktungsfähigen Innovationen gesucht wird. Lundvall (1992a, 1999b) hingegen betont die Bedeutung von langfristigen Produktionsbeziehungen zwischen Unternehmen flir die Entstehung wichtiger Lern- und Innovationsprozesse in Nationalen Innovationssystemen. Über Interaktionen können Akteure Extemalitäten nutzen und stetige Verbesserungen und Neuerungen bei Produkten und Abläufen herbei fuhren (Nonaka/Takeuchi 1995; Amable 2000; Nelson/ Nelson 2002). Institutionen bieten ihnen hierbei stabilisierte Verknüpfungsmöglichkeiten und erleichtern Austausch- und Lemprozesse (Lundvall 1992a; Edquist/Johnson 1997; Bathelt/Glückler 2003a). Interaktive Innovationsprozesse sind somit wie andere ökonomische Prozesse sozial situiert und in Netzwerke eingebettet (Granovetter 1992; Polanyi 1992; Bathelt/Glückler 2003a, 2003b). Die Herkunft aus dem gleichen technologischen und institutionellen Umfeld erleichtert Austauschprozesse. Sie lässt gleiche oder ähnliche Wahrnehmungs- und Kommunikationsstrukturen entstehen, wodurch kulturelle Nähe geschaffen wird (Zukin/DiMaggio 1990; Lundvall 1992b; Bathelt 2000; Pütz 2003). Durch diese haben Akteure Anhaltspunkte, was und wie sich andere Akteure in Beziehungen einbringen können. Kulturelle Nähe erleichtert so die Entstehung und Stabilisierung von vertrauensvollen Beziehungen (Lundvall 1999; Mossig 2002). Sie ist wichtig bei der Bildung von Sozialkapital, das aus der Perspektive eines einzelnen Akteurs durch die Quantität und Qualität seiner Beziehungen zu anderen Akteuren definiert wird. Ein gut vemetzter Akteur hat den Vorteil, die Beziehungen zu anderen Akteuren für seine Zwecke nutzen zu können (Burt 1997). Auch für die Entstehung effizient organisierter lokaler Produktionszusammenhänge ist kulturelle Nähe und eine hohe Vemetzungsintensität der Akteure förderlich, da ein bedeutender Teil des ökonomisch verwertbaren Wissens implizit ist. Bei dessen Austausch können wettbewerbsfähige lokale Produktions- und Innovationszusammenhänge entstehen (Maskell/Malmberg 1999a, 1999b; Fischer/Diez/Snickars 2001).

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KULTURELLE UNTERSCHIEDE BEl TRANSNATIONALEN DIREKTINVESTITIONEN

Auch auf nationaler Ebene spielt Sozialkapital eine Rolle. Nach Lundvall/Maskell (2000) sind vor allem informelle Institutionen maßgeblich daran beteiligt, wie hoch das Sozialkapital eines Landes ist - die Summe und Struktur von Beziehungen auf Mikroebene. Sozialkapital als lokalisierte Ressource trägt somit zur Wettbewerbsfähigkeit eines Landes bei, da durch den systematischen Austausch von Wissen neues Wissen entstehen kann. Low trust-Gesellschaften, in denen kein derartiger Wissensaustausch zwischen Akteuren stattfindet, können das intellektuelle Potenzial der Bevölkerung nicht vollständig ausschöpfen und vergeben Entwicklungschancen (Amable 2000; Lundvaii/Maskell2000). Im empirischen Teil dieser Arbeit wird untersucht, wie Akteure aus verschiedenen Nationalen Innovationssystemen die strukturellen Unterschiede zwischen den Systemen überbrücken und Beziehungen zueinander herstellen. Zunächst wird jedoch nach einer Darstellung weiterer Ansätze, die den der Nationalen Innovationssysteme ergänzen, vertiefend darauf eingegangen, wie sich Strukturen wie Institutionen und Technologien auf das Handeln von Akteuren auswirken und kulturelle Ferne Interaktionen erschweren kann.

2.1.3 Nationale lnnovationssysteme, Varieties of Capitalisms und Soziale Produktionssysteme Ein wichtiger Ansatz, der ebenfalls die Existenz spezifischer nationaler Wirtschaftsstrukturen analysiert, ist jener der Varieties of Capitalisms (Hall/Soskice 200 1). Allerdings entstehen diese nicht wie im Ansatz der Nationalen Innovationssysteme aus der wechselseitigen Beeinflussung zwischen industrieller Basis und institutionellen Strukturen, sondern weil letztere Unternehmensaktivitäten bestimmter Branchen fördern und deren Entwicklung begünstigen. Aus dem historischen und kulturellen Vermächtnis des Landes entstandene Institutionen werden als socializing agencies betrachtet, da sie Rahmenbedingungen und Optionen für Handlungen kreieren (Hall/ Soskice 2001 ). Unternehmen richten den Aufbau von strategischen Beziehungen an der institutionellen Struktur aus. 3 Nationalstaaten bieten so bestimmten Unternehmen komparative institutionelle Vorteile, die sich sowohl auf ihre als auch auf die Leistungsfähigkeit der gesamten Volkswirtschaft auswirken: 4 3 4

34

Hall/Soskice (2001) fokussieren ihre Analyse der Varieties of Capitalisms auf Handlungsoptionen von Untemehmen. Daraus resultierende Konsequenzen für individuelle Akteure werden nicht explizit thematisiert. Ähnlich wie Haii/Soskice (200 I) argumentieren auch Boyer/Freyssenet (2003): Für politische und wirtschaftliche Räume, in der Regel den Natio-

NATIONALE INNOVATIONSSYSTEME UND WIRTSCHAFTLICHE GLOBALISIERUNG

"[ ... ] the availibility of [... ] different modes of coordination conditions the efficiency with which firms can perform certain activities, thereby affecting the efficiency with which they can produce certain kinds of goods and services. [... ] the national institutional frameworks [... ] provide nations with comparative advantages in particular activities and products." (Hall/Soskice 2001: 37-38) Hall/Soskice (200 1) unterscheiden zwei Hauptarten der Koordination von Volkswirtschaften: Liberal Market Economies (LMEs) wie die USA oder Großbritannien und Coordinated Market Economies (CMEs) wie Deutschland oder Japan. CMEs unterstützen durch ihre institutionelle Struktur eher langfristige Untemehmensvemetzungen und dadurch die Entstehung inkrementeller Innovationen. LMEs hingegen fördern das Zustandekommen radikaler Innovationen, da Unternehmen in der Regel Kapital vom Finanzmarkt erhalten und demgemäß in stärkerem Maße Erwartungen von Investoren genügen müssen. Deutschlands Wirtschaftssystem als Coordinated Market Economy sehen Hall/Soskice (2001) geprägt von einem dichten Netzwerk von gegenseitigen Unternehmensbeteiligungen, engen Beziehungen zwischen Kunden und Zulieferem und der Existenz von Wirtschaftskammern und -verbänden, über die Informationen ausgetauscht, Standards der Zusammenarbeit erarbeitet und Aus- bzw. Weiterbildungsprogramme organisiert werden. Solche deliberative institutions, "[ ... ] institutions that provide actors potentially able to cooperate with one another with a capacity for deliberation" (Hall/Soskice 2001: 11), spielen in CMEs eine maßgebliche Rolle bei der Stabilisierung der Wirtschaftssysteme und der Koordination der Unternehmen, weil sie Informationen über Unternehmen für Geschäftspartner oder Banken leichter zugänglich machen, einen Informationsaustausch zwischen Akteuren vereinfachen sowie eine Kontrolle des Verhaltens anderer Akteure und Sanktionen ermöglichen (Hali/Soskice 2001). Sie stärken im Sinne einer institutional thickness die Vertrauensbasis in Unternehmensnetzwerken (Amin/Thrift 1994). Als charakteristisch für die deutsche Wirtschaftsstruktur wird im Ansatz der Varieties of Capitalisms auch die betriebliche Mitbestimmung sowie die tarifliche Aushandlung von Löhnen angesehen, die das Abwerben von Fachkräften aus Unternehmen erschweren. Mit der betrieblichen Mitbestimmung wird den Arbeitern Gestaltungspotential beigemessen, über das eine hohe Verantwortungsübernahme erreicht werden soll. Von LMEs unterscheidet das deutsche Modell, dass Arnalstaaten, werden von politischen Akteuren Wachstumsmodi festgelegt, die bestimmte Profitstrategien erleichtern und beeinflussen, welche Ressourcen zur Verfugung stehen (Boyer/Freyssenet 2003).

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KULTURELLE UNTERSCHIEDE BEl TRANSNATIONALEN DIREKTINVESTITIONEN

beitskräfte viel stärker industrie- und unternehmensspezifisch aus- und weitergebildet werden, worin Kammern und Verbände stark involviert sind. Der Technologietransfer zwischen Unternehmen wird nicht über mobiles Personal, sondern über intensive Unternehmensbeziehungen erreicht, deren Entstehung und Aufrechterhaltung von den oben e1wähnten deliberative institutions gefördert werden. Durch die komparativen Vorteile, die deutsche Unternehmen aus der spezifischen institutionellen Konfiguration der Volkswirtschaft haben, können sie vor allem Stärken in industriellen Bereichen wie dem Maschinen- oder Kraftfahrzeugbau entwickeln, in denen inkrementeile Innovationen vorherrschen. In den USA hingegen hat sich eine Industriestruktur entwickelt, in der Branchen mit vornehmlich radikalen Innovationen dominieren: Medizintechnik, Biotechnologie oder Halbleiterindustrien. "The striking finding is, that Germany specializes in technological developments that are just the reverse ofthose in the USA[ ... ]" (Hall/Soskice 2001: 41). 5 Die Leistung von Hall/Soskice (200 1) besteht da1in, die Bedeutung der institutionellen Bedingungen für die Handlungsoptionen und die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen herausgearbeitet zu haben. Sie verdeutlichen, dass Unternehmen auf eine bestimmte Art der Koordination angewiesen sind, die sich international unterscheidet. Zudem zeigen sie, dass Komplementantäten zwischen den einzelnen institutionellen Teilbereichen nationaler Systeme existieren. Eine Übertragung institutioneller Bereiche aus LMEs in CMEs würde die bestehenden CMESysteme destabilisieren. Beispielsweise würde eine stärkere Finanziemng von Unternehmen in Deutschland über Aktienmärkte und Venture Capital deren Konkurrenz verschärfen und die Bereitschaft zur koordinierten Zusammenarbeit reduzieren (Haii/Soskice 2001 ). Weitere Ansätze, die die unterschiedliche Wirtschaftsstruktur von Nationalstaaten thematisieren, sind jener der Social Systems of Production (Hollingsworth/Boyer 1997; Hollingsworth 2000) sowie der der Social Systems of Innovation and Production (Amable 2000). Social Systems of Production werden durch die Art und Weise der Integration von Institutionen und Strukturen in die soziale Konfiguration eines Landes oder einer Region bestimmt. 6 Die institutionelle Logik jedes Systems ist 5

6

36

Ein Nachteil, der deutschen Unternehmen jedoch nach Hall/Soskice (2001) bei der Eröffnung neuer Standorte im Ausland entsteht, ist, dass sie die gewohnten institutionellen Vorteile ihres Heimatmarktes nicht mehr nutzen können. Unternehmen aus LMEs haben es deswegen in umkämpften Wachstumsmärkten wie China leichter: "[... ] firms based in LMEs [... ] already coordinate their endeavors using the market structures that less developed nations usually provide [.. .]" (Hali/Soskice 2001: 57). Zu den Institutionen und Strukturen zählen a) Arbeitsbeziehungen, b) das Ausbildungssystem, c) die interne Struktur von Unternehmen, d) die

NATIONALE INNOVATIONSSYSTEME UND WIRTSCHAFTLICHE GLOBALISIERUNG

dadurch gegeben, dass die Strukturen in eine Kultur eingebettet sind, die in den Institutionen symbolhaft verankert ist. Social Systems of Production sind immer mit einem speziellen technologisch-ökonomischen Paradigma verbunden, das die Entwicklungsmöglichkeiten eingrenzt (Hollingsworth/Boyer 1997; Hollingsworth 2000). Auch Amable (2000) hält die Kohärenz von nationalen Systemen und damit die Komplementarität ihrer institutionellen Teilbereiche als entscheidend für die Wirtschaftskraft und Spezialisierung von Social Systems of Innovation and Production. Er kritisiert am Ansatz der Nationalen Innovationssysteme, dass dieser versucht, jeweils spezifische kulturelle Faktoren zur Erklärung von Phänomenen heranzuziehen. Er eigne er sich nicht fli.r komparative Studien, weswegen Nationale Innovationssysteme meistens deskriptiv als Fallstudien analysiert würden. Amables (2000) Ziel war es deswegen, ein analytisches Instrument zu schaffen, über das Volkswirtschaften verglichen werden können. Das erreicht er, da er durch die Reduktion der Analyse auf wenige als zentral erachtete Institutionen eine Typisierung von Volkswirtschaften vornimmt.7 Ihre weltweite Konvergenz wird durch die Trägheit von Institutionen verhindert, die dafür sorgt, dass in den einzelnen Systemen auch ökonomisch nicht-effiziente Institutionen bestehen bleiben können, etwa wenn ihre Abschaffung durch machtvolle Akteure verhindert wird. Gemeinsam haben die vorgestellten Ansätze, dass sie die Herausbildung institutioneller Systeme auf nationaler Ebene sowie der wirtschaftlichen Spezialisierung von Volkswirtschaften thematisieren. Die nationalstaatliehen Systeme reproduzieren sich und wirken einer globalen Konvergenz entgegen. Die Ansätze widersprechen damit Thesen, dass Nationalstaatenangesichts der technologischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung antiquierte Einheiten ohne verbleibende Steuerungsfunktion sind (z.B. Guehenno 1994; Ohmae 1995; Elam 1997; Bahrenberg/Kuhm 1999).

7

Struktur der vertikalen und horizontalen Untemehmensbeziehungen, e) Finanzmärkte, f) vorherrschende Konzepte von Fairness und Gerechtigkeit, g) die Struktur des Staates und seiner Politik sowie h) die informellen sozialen Institutionen. So entstehen jeweils spezifische Systeme mit unterschiedlicher Kohärenz (Hollingsworth/Boyer 1997; Hollingsworth 2000). Hall/Soskice (2001) oder Amable (2000) versuchen, über die Typisierung von Ländern ein Instrumentarium zur Vergleichbarkeit von nationalen Systemen zu erreichen. Problematisch daran ist, dass sich ihre Typisierung an gut untersuchten Systemen wie denen Deutschlands oder der USA orientiert und eine Skala kreiert, in die beispielsweise stark durch den Islam beeinflusste Systeme nur schwerlich eingeordnet werden können (Leipold 2002). Problematisch ist auch, dass dabei Eigenarten der betrachteten Systeme zugunsten der Vergleichbarkeit außen vor gelassen werden.

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KULTURELLE UNTERSCHIEDE BEl TRANSNATIONALEN DIREKTINVESTITIONEN

Unterschiede zwischen den Ansätzen gibt es in ihrem Erklärungsziel. Während die Ansätze, die ihre Wurzeln in der politischen Ökonomie haben (Hollingsworth/Boyer 1997; Amable 2000; Hollingsworth 2000; Haii/Soskice 2001 ), generell Unterschiede zwischen nationalstaatliehen Wirtschaftssystemen erklären wollen, wird im evolutionstheoretisch fundierten Ansatz der Nationalen Innovationssysteme analysiert, warum sich auf nationaler Ebene industrielle Spezialisierungen entwickeln. Die Ansätze der politischen Ökonomie ergänzen den NIS-Ansatz aber, indem sie die Koordinationsfunktion von Institutionen weiter verdeutlichen und die Komplementarität von Institutionen in nationalen Systemen sowie deren Kohärenz thematisieren. Einen gemeinsamen Nenner haben die Ansätze auch darin, dass nationalen Makrostrukturen eine Koordinationsfunktion ftir Akteure zugesprochen wird, die die Art und Weise ihrer Vemetzungsoptionen beeinflusst. Aus der Tatsache wurde die übergeordnete Fragestellung der vorliegenden Arbeit abgeleitet: Wie äußert sich die Prägung von Akteuren durch unterschiedliche nationale Strukturen auf ihr Kooperationspotenzial? In den nachfolgenden Abschnitten dieses Kapitels wird erläutert, wie technologische und institutionelle Strukturen sich auf Handlungsoptionen und Verknüpfungsmöglichkeiten von Akteuren auswirken.

2.2

Technologien und nationale Entwicklungspfade

Regionale Wachstumserfolge können nicht allein auf institutionelle Eigenarten zurückgeftihrt werden, sondern erfolgen aufgrund einer Verknüpfung der technischen Fertigkeiten von Akteuren durch geeignete institutionelle Strukturen (Storper 1997). Erstere beinhalten das Wissen um technische Kausalzusammenhänge in Netzwerken oder Volkswirtschaften, letztere die Koordination der Zusammenarbeit der Akteure, die unterschiedliche Wissensstände haben. Als Technologie wird in dieser Arbeit"[ ... ] eine Menge von Elementarprozessen der Produktion in einer bestimmten zeitlichen und räumlichen Ordnung [.. .]" (Herrmann-Pillath 2002: 310) verstanden. Technologie umfasst sowohl Verfahren als auch Artefakte wie Werkzeuge oder Maschinen zur Produktion von Gütern. Aufgrund der zeitlichen und räumlichen Dimension von Technologien benötigen diese jeweils einen spezifischen Grad der Organisation. Die Einführung neuer Technologien in gefestigte gesellschaftliche Kontexte kann deswegen bedingen, dass deren Ordnung gestört wird und neue Arbeitsteilungen etabliert werden müssen, die die alten Organisations-

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NATIONALE INNOVATIONSSYSTEME UND WIRTSCHAFTLICHE GLOBALISIERUNG

strukturen in Frage stellen (Hargadon/Douglas 2001). 8 Existierende Technologien bilden die Basis für ihren Wandel, der durch Lern- und Innovationsprozesse von Akteuren vonstatten geht und technologische Entwicklungspfade beschreibt (Bathelt/Glückler 2003a). Technologie ist an Artefakte gebunden. "Eine Technologie ist eine geordnete Beziehung zwischen mindestens einem Artefakt, einem Problem und einer Handlungsregel der Anwendung des Artefaktes zur Lösung des Problems" (Herrmann-Pillath 2002: 312). 9 Aus den Handlungsregeln leiten sich Routinen auf Akteursebene ab, die zu Produktionsprozessen zusammengebunden werden (Nelson/Winter 1982; Saha 1998; Herrmann-Pillath 2002; Bathelt/Glückler 2003a). Komplexe Routinen können analytisch in einfachere Subroutinen zerlegt werden: 10 "[ ... ] a cake-making routine presupposes that the necessary ingredients and equipment are at hand, and the acquisition of these at some prior date requires its own ,shopping' routines. And still further back in the chain of activity, the inputs themselves needed to be produced, in a form that meets the requirements of cake-makers." (Nelson/Nelson 2002: 268) Unternehmen binden individuelle Akteure, Artefakte und Routinen jeweils in einer bestimmten Art und Weise zusammen. Es entsteht das organisatorische Gedächtnis oder organizational memory des Unternehmens (Nelson/Winter 1982; McKelvey 1997), in dem festgelegt ist, wer welche Routinen zu verrichten hat. Einzelne Routinen sind dann abhängig von der Verfiigbarkeit anderer unternehmensinterner oder -externer Routinen (Boyer 1998; Nelson/Nelson 2002). Ihre Verbindung wird durch das jeweils spezifische institutionelle Gefüge aufrecht gehalten.

8

Gertier (1997, 2004) zeigt anhand der Probleme, die in nordamerikanischen Unternehmen bei der Benutzung deutscher Maschinen auftraten, dass die Nutzung von Artefakten, die in einem nationalen Kontext entwickelt wurden, in anderen auf Schwierigkeiten stoßen kann, weil die Arbeitsteilung inklusive der damit verbundenen Verantwortlichkeiten, Wissensständen und Routinen anders ausgeprägt ist und das Wissen um die sinngemäße Bedienung und Wartung der Maschine fehlt. Gertier (2004) spricht von unterschiedlichen manufacturing cultures. 9 Ivarsson/ Alvstam (2005) unterscheiden hard oder embodied technologies -Produkte, Pläne, technische Spezifikationen und Produktionsmittel- und soft oder disembodied technologies "[ ... ] managerial knowledge and skills [.. .]" (Ivarsson/Alvstam 2005: 91 ). I 0 Der Begriff der Routine wird in der vorliegenden Arbeit sowohl für regelmäßiges Handeln bei der Verrichtung von Arbeitsschritten als auch für regelmäßige Interaktionsformen verwendet. Routinen sind damit gewohnheitsmäßig auftretende Verhaltensweisen, über die Institutionen und Technologien im Handeln von Akteuren verankert sind (Hodgson 2003).

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Zum territorialen Bezug von Technologien Der Erfolg von Unternehmen hängt auch von den Ressourcen ab, die sie aus ihrer Umwelt beziehen. Sie müssen zum Aufbau ihrer Kompetenzen und zum Erhalt von Flexibilität gute Beziehungen zu Zulieferern, Kunden, Kooperationspartnern, Anteilseignern, Gewerkschaften, Banken und Politikern haben und sich durch Rekrutierung und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter eine gut ausgebildete Belegschaft sichern (Edquist 1997a; Hall/Soskice 2001). So steuern die localized capabilities des regionalen Umfeldes eines Unternehmens einen hohen Anteil zu dessen Kompetenzen bei (Maskell/Malmberg 1999a, 1999b).11 Ihre spezifische Art führt zu untraded interdependencies zwischen Unternehmen und Umfeld. Das Unternehmen ist abhängig von spezifischen "[ ... ] Iabor markets, public institutions, and locally or nationally derived rules of action, customs, understandings, and values" (Storper 1997: 19), prägt diese durch sein Wirtschaften und die Nachfrage aber auch. Ressourcen und Strukturen sind räumlich jeweils spezifisch ausgebildet, da sie sich durch ungleiche Entscheidungen, Aktionen und Vernetzungen von Akteuren pfadabhängig entwickeln (Maskell/Malmberg 1999a, 1999b; Bathelt/Glückler 2003a). So entwickeln und reproduzieren sich räumliche technologische Entwicklungspfade. Die industrielle Basis determiniert die Art der zu bewältigenden Probleme (Lundvall 1992a; Lundvall/Maskell 2000; Gertier 1993, 1997, 2004). Aufbauend auf vorhandenen Routinen werden neue Lösungswege gefunden, was zum weiteren Ausbau und zur Stabilisierung der charakteristischen Industriestrukturen fUhrt. Die in einem Nationalen Innovationssystem eingebetteten Routinen sind Teil des akkumulierten Wissensbestandes einer Volkswirtschaft und Folge ihrer pfadabhängig erfolgten technologischen Spezialisierung (Lundvall 1992c; Lundvall/Maskell 2000). Durch intensive und häufige Interaktionen von Akteuren im Innovationssystem vermehrt sich das akkumulierte Wissen (Lundvall1992a; Maskeli/Malmberg 1999a). Zur Entwicklung und Weitergabe von Wissen Regional unterschiedliche Entwicklungspfade entstehen, weil Akteure aufgrund von räumlicher Nähe interagieren und dadurch ähnliche 11 Dies hat Auswirkungen für die Innovationsprozesse von multinationalen Unternehmen. Trotz der internationalen Ausdehnung ihrer Standortnetze bleiben die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten in der Regel in ihrem Heimatland konzentriert. Für Tochterunternehmen im Ausland bleibt das Mutterunternehmen die Hauptquelle von Innovationen. Lokal werden oft nur Produktanpassungen an Marktbedingungen vorgenommen. Im Gegensatz zu einheimischen Unternehmen nutzen sie das Innovationspotenzial vor Ort weitaus geringer (Gertler/Wo1fe/Garkut 2000).

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Verständnis- und Wahrnehmungsstrukturen entwickeln. Die Verknüpfung im Produktions- und Innovationsprozess ist wichtig, da ein großer Bestandteil des Wissens akteursgebunden ist: Akteure kennen aus Erfahrung bestimmte kausale Zusammenhänge, die nicht kodifiziert sind. Dieses implizite Wissen oder tacit knowledge kann mit anderen Akteuren nur geteilt werden, wenn eine gemeinsame Wissensbasis vorhanden ist (Lawson/Lorenz 1999; Maskeli/Malmberg 1999a, 1999b). In der Regel ist dies gegeben, wenn Akteure gleiche oder ähnliche Tätigkeiten ausüben und durch relativ stabile Netzwerkbeziehungen unternehmensinterne communities of practice oder unternehmensübergreifende knowledge communities formieren (Gertler 2001; Nelson/Nelson 2002; Coe/Bunnell 2003). Wenn Akteure Wissen in Interaktionen einbringen, das sich von dem anderer Akteure trotz Überlappungen unterscheidet und es dadurch ergänzt, können Interaktionen zu neuen Kombinationen von Wissen und zu Innovationen führen (Lundvall 1992a; Lawson/ Lorenz 1999; Gertier 2001; Bathelt/Glückler 2003a). Da mehrere Parteien Wissen in den Innovationsprozess investieren, brauchen sie neben einer gemeinsamen Wissensbasis eine bestimmte Sicherheit, dass das dadurch eingegangene Risiko nicht zu hoch ist. Die Weitergabe von tacit knowledge verlangt deswegen eine reziproke und stabile Beziehung, in der der Empfänger des Wissens dieses nicht zum Nachteil desjenigen einsetzt, von dem das Wissen kommt (Maskell/ Malmberg 1999b). Grundlage einer stabilen und reziproken Beziehung ist Vertrauen. Es beruht auf einer Einschätzung des Verhaltens und der Fertigkeiten eines anderen Akteurs. Ein Akteur hat Vertrauen, wenn er glaubt zu wissen, dass ein anderer Akteur sich in einer Situation an bestimmte Regeln halten wird: "Trust can be defined as the judgement one makes on the basis of one's past interactions with others that they will seek to act in ways that favour one's interests, rather than harm them, in circumstances that remain tobe defined" (Lorenz 1999: 305). Vertrauen kann aufgrund wiederheiter erfolgreicher Transaktionen entstehen (capacity trust), entwickelt sich aber in vielen Beziehungen und Netzwerken auch auf der Basis von emotionalem Vertrauen (emotive trust) (Ettlinger 2003) oder freundschaftlichen bzw. altruistischen Elementen (Uzzi 1997). 12 Innovationen entstehen oft in der Interaktion zwischen Kunden und ihren Zulieferem (Lundvall 1992b; Storper 1997). Hierflir sind langfris12 Vertrauen kann auch unbekannten Akteuren trotz fehlender Erfahrungswerte oder emotionaler Basis entgegengebracht werden. Tn solchen institutionellen Kontexten existiert eine shared tmst-Umgebung, von der Akteure durch verminderte Transaktionskosten und erhöhte Wissenstransfers profitieren (Maskell/Malmberg 1999b; Lundvall/Maskell 2000).

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tige vertrauensvolle Beziehungen bedeutend, da Kunden so besser einschätzen können, zu welchen Leistungen Lieferanten fähig sind. Vertrauensverhältnisse fördern Informationsflüsse und gewähren zusätzlich Zeit- und Kostenvorteile, da Vereinbarungen schneller geschlossen werden können. Sie sind auch notwendig, da nicht sämtliche zukünftige Entwicklungen vorhersehbar sind und keine vollständigen Verträge zwischen Geschäftspartnern abgeschlossen werden können (Lorenz 1999). So beinhalten sie ein geringeres Risiko als Marktbeziehungen, da durch die Verbundenheit der Akteure Risiken eher gemeinschaftlich getragen werden. Ausgereifte Produkte können demgegenüber auch über Marktbeziehungen gehandelt werden (Lundvall 1992b; Uzzi 1997). Langfristige Beziehungen zu wichtigen Zulieferern, mit denen auch gemeinsame Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten durchgeführt werden, sind in der Regel durch Eigenschaften wie Reziprozität, Interdependenz und Flexibilität der Kooperation gekennzeichnet (Grabher 1993). Vertrauensvolle Unternehmensbeziehungen werden durch mehrere Nähedimensionen beeinflusst (Lundvall 1992b; Bathelt 2000): Wirtschaftliche oder technologische Nähe besteht zwischen Unternehmen, die im gleichen Sektor Produkte herstellen. Organisatorische Nähe beschreibt die Integration von Akteuren. Sie ist beispielsweise sehr gering zwischen Kunden und unabhängigen Lieferanten, wächst aber bei einem Aufkauf des Lieferanten und dessen Einbindung in das Unternehmen. Räumliche Nähe ist durch die geographische Distanz zwischen zwei Punkten auf der Erde definiert. Kulturelle Nähe besteht zwischen Akteuren, wenn diese gleiche oder ähnliche Wahrnehmungs- und Kommunikationsstrukturen haben (Zukin/DiMaggio 1990; Lundvall 1992b; Bathelt 2000; Pütz 2003). Je nach der Gewichtung der einzelnen NäheArten ergeben sich unterschiedliche Konfigurationen von regionalen, nationalen und internationalen Unternehmensbeziehungen und damit unterschiedliche Voraussetzungen für Kooperationen und Innovationsprozesse. Häufig notwendige Interaktionen bei komplexen Technologien oder sich ändernden technologischen Paradigmen machen langfristige Beziehungen, die durch räumliche und kulturelle Nähe erleichtert werden, besonders wichtig (Gertler 1997; Storper 1997). In der Automobilindustrie in Shanghai treffen deutsche Abnehmer und chinesische Lieferanten aufeinander, die in deutlich unterschiedlichen technologischen Kontexten verankert sind. Während die Automobilindustrie in Deutschland eine lange Geschichte hat und ein wesentlicher Bestandteil des deutschen Innovationssystems ist, hat sich die chinesische Automobilindustrie erst seit der Öffnung der Volksrepublik China zu einem wichtigen Wirtschaftszweig entwickelt (Kapitel 4). Deutsche Unternehmen, die seither in China investiert haben, treffen auf

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chinesische Lieferanten, bei denen sie nur schwer einschätzen können, welche Produktionsverfahren mit welchen Ergebnissen chinesische Unternehmen einsetzen. Aus dem Grund müssten sowohl Innovationsprozesse als auch normale Transaktionen zwischen deutschen Abnehmern und chinesischen Lieferanten erschwert sein. Die empirischen Ergebnisse hierzu werden in Kapitel 5 dargestellt.

2.3

Institutionen und ökonomische Prozesse

Eine wichtige Leistung des Ansatzes der Nationalen Innovationssysteme besteht darin, dass er neben Technologien Institutionen als zentrale Strukturen der Systeme betrachtet. Institutionen übernehmen eine wichtige Funktion in ökonomischen Prozessen, indem sie Akteure mit unterschiedlichen Kompetenzen zusammenbinden und damit u.a. ermöglichen, dass Menschen gemeinsam ihre materiellen Bedürfnisse decken können (Polanyi 1992; Bathelt/Depner 2003). Die Organisation der Arbeitsteilung in Wertschöpfungsketten oder Wirtschaftssektoren wird von Transaktionsregeln bestimmt, die die Vernetzung der Akteure zum Ziel der Produktion festlegen (Breschi/Malerba 1997; Malerba 2002). Institutionen sind im weitesten Sinne Handlungsanleitungen, die soziale Beziehungen stabilisieren können. Sie setzen an den Schnittstellen zwischen Akteuren an und ermöglichen geordnete gesellschaftliche Verhältnisse, da sie soziale Rollen und Verhaltensweisen für bestimmte Situationen nahe legen (Edquist/Johnson 1997; Leipold 2002)Y Nelson/Nelson (2002) sehen Institutionen als standardisierte Muster menschlicher Interaktionen. Wie es Routinen im technologischen Bereich gibt, sind flir sie Institutionen Routinen im gesellschaftlichen Bereich. Da Institutionen Verhalten strukturieren und relativ langlebig sind, können sie als soziale Strukturen betrachtet werden, die zwischenmenschliche Beziehungen ordnen (Denzau!North 1994). Hodgson (2003: 163) beschreibt sie als "[ ... ] durable systems of established and embedded social rules and conventions that structure social interaction". Institutionen regeln das Miteinander in verschiedenen sozialen Entitäten (Familie, Freundeskreis, Unternehmen, Wertschöpfungskette, Nationalstaat). In ihnen existieren Verhaltensregeln, die gemeinsames Wis13 Institutionen beschränken zwar Handlungsoptionen (North 1991, Leipold 2000), generieren dadurch aber Verknüpfungsmöglichkeiten, die wiederum Akteuren Chancen eröffnen, die ihnen ansonsten nicht zugänglich wären: "[I]nstitutions and routines, other than acting simply as rigidities and constraints, play an enabling roJe, by providing more-or-less reliable information regarding the likely actions of others" (Hodgson 1988: 132).

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sen der Akteure sind und diese miteinander verbinden. Für einen einzelnen Akteur gibt es dadurch, je nachdem, in welcher Gruppe er agiert, unterschiedliche Rationalitäten (Ettlinger 2003). Manager werden beispielsweise in der Regel mit Arbeitern anders interagieren als mit gleichrangigen Kollegen oder als Väter. Durch die kollektiv verankerten Verhaltensregeln werden Erwartungshaltungen an Gruppenmitglieder gestellt und regelmäßige Interaktionen sowie ein geordnetes soziales Gefüge erleichtert (Esser 2000, Willke 2000, Herrmann-Pillath 2002). Das Verhalten eines Akteurs kann der Erwartungshaltung der anderen Akteure entsprechen und akzeptiert werden oder, sollte es von der Norm abweichen, abgelehnt und sanktioniert werden (Esser 2000, Opp 2000). Durch die Bedeutung von Institutionen für Interaktionen spielen diese auch für die Analyse von vertikalen Unternehmensbeziehungen und Beziehungen in chinesisch-deutschen Joint Ventures eine überragende Rolle. Wenn Akteure Handlungen an den institutionellen Strukturen ihres sozialen Kontextes ausrichten, muss es zwischen deutschen und chinesischen Akteuren sowohl auf Unternehmens- als auch auf individueller Ebene zu Störungen der Interaktionen kommen. Nachfolgend werden Arten von Institutionen dargestellt. An den Beispielen von Managementstandards in der Automobilindustrie sowie wichtigen institutionellen Strukturen in China wird gezeigt, welchen Einfluss Institutionen auf die Koordination von Akteuren haben.

2.3.1 Arten von Institutionen Institutionen lassen sich in informelle und formelle Institutionen unterteilen (Edquist/Johnson 1997; Leipold 2002; Bathelt/Glückler 2003a). Informelle Institutionen umfassen nicht-formalisierte Regeln und Normen, die von den Akteuren einer sozialen Gruppe wechselseitig anerkannt werden. Bei formellen Institutionen handelt es sich um Gesetze, Vorschriften und andere Formen dauerhafter, gefestigter Regeln, die Handlungsvorschriften festlegen (Abbildung 2.2). Formelle Institutionen sind in der Regel kodifiziert und rechtlich erzwingbar. 14 Die Grenze zwischen beiden Arten ist fließend. Aus informellen Institutionen können durch Kodifizierung formelle werden. Andererseits können formelle 14 Organisationen sind keine Institutionen, sondern können einerseits den Rahmen bilden, in dem bestimmte Institutionen gelten (Nelson/Nelson 2002). Zudem gibt es Organisationen, die Handlungsvorschriften bestimmen, wie beispielsweise die Legislative eines Staates, oder solche, die diese überwachen. Rechtlich erzwingbare Institutionen werden durch speziell eingerichtete Überwachungs-, Rechtsprechungs- oder Schiedsorganisationen zur Geltung gebracht. Sie gibt es in allen gesellschaftlichen Subsystemen, sei es Sport, Wirtschaft oder Wissenschaft (Leipold 2000, 2002).

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NATIONALE INNOVATIONSSYSTEME UND WIRTSCHAFTLICHE GLOBALISIERUNG

Institutionen bei ihrer Auflösung als informelle Institutionen erhalten bleiben, wenn sie im Denken und Handeln von Akteuren verankert bleiben. Institutionen als Handlungsanleitungen funktionieren nur, wenn Akteure ihr Handeln bewusst oder unbewusst an sie binden, sei es weil sie Sanktionen furchten oder sich dadurch den Zugang zu bestimmten Ressourcen sichern (Hall/Soskice 2001 ; Hodgson 2003).

Abbildung 2.2: Institutionentypen

... Formelle Institutionen

~

Informelle Institutionen Selbst bindende Institutionen (Konventio nen)

lf Vereinbarungen

...-1'

Bindungsbedürftige Institutionen Emotional gebundene Institutionen

lf Moralische Gefühle + Vernunft

Religiös gebundene Institutionen

lf

Ideologisch gebundene Institutionen

lf

Rechdich er2win9bare lnstitu110nen

li

Glaube

Überzeugung

Vernunft

• Moralische Gefühle • Vernunft

+Moralische Gefühle +Glaube +Vernunft

+ Moralische Rückbindu ngen

Bindungsmechanismen auf Akteursebene Quelle: Verändert nach Leipold 2002: 25

Institutionen können auch danach unterschieden werden, ob sie selbstbindenden Charakter für Akteure haben oder bindungsbedürftig sind (Leipold 2000, 2002) (Abbildung 2.2). Konventionen haben beispielsweise selbstbindenden Charakter: Akteure halten sich an Abmachungen, weil sie damit ein Ziel erreichen wollen, dass für sie alleine außer Reichweite liegt. Konventionen haben nur in der spezifischen Gruppe von Akteuren Geltung, in der sie festgelegt wurden (Leipold 2000, 2002). 15 Sanktionen im Beziehungsnetzwerk oder institutionalisierte Sanktionen fallen aufgrund des Eigeninteresses der Gruppenmitglieder relativ gering aus (Herrmann-Pillath 2002). Für den Aufbau von Zulieferer-Joint Ventures in Shanghai spielen Konventionen eine wichtige Rolle. Die Schwierigkeit für die beteiligten 15 Der Maßstab kann von der Familie bis zu globalen Übereinkünften wie beispielsweise WTO-Abkommen reichen. Storper (1997: 126) betont den zielgerichteten Charakter von Konventionen: "The regional development problern [.. .] thus tums essentially on building the capacities for reflexive, collective action and the forms of action consistent with the kind of action required in each world. This resides in the construction of conventions that allow actors to act in a coherently coordinated fashion [.. .]."

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Akteure besteht darin, Personal und Organisationsprinzipien aus zwei oder mehreren Mutterunternehmen zu integrieren, die zudem in unterschiedliche nationale Kontexte eingebettet sind. Die chinesische Organisation der Produktion kann nicht übernommen werden, da die Produkte nach technologischen und qualitativen Kriterien gefertigt werden müssen, die bestimmte im deutschen Innovationssystem verankerte Produktions- und Kontrollprozesse voraussetzen. Diese wiederum können nicht einfach nach China kopiert werden, da hier ein anderer institutioneller und technologischer Kontext vorherrscht. Aus den Gründen muss das Personal ein neues wettbewerbsfähiges Unternehmensmodell entwickeln, dessen Prinzipien und Regeln von allen Mitarbeiter akzeptiert werden (Boyer 1998; Lang 1998). Bindungsbedürftige Institutionen in der Industrie, die sich aus Konventionen zwischen Unternehmen in den letzten Jahrzehnten entwickelt haben, sind Managementstandards. Sie bilden damit eine relativ neue Form industrieller Koordination. Managementstandards schreiben Unternehmen bestimmte Strukturen und Prozeduren vor, um die Zusammenarbeit zwischen ihnen zu erleichtern. Europäische Verbände und Unternehmen sind Vorreiter in der Entwicklung und Akzeptanz von Managementstandards. Für deren internationale Verbreitung sorgen vor allem multinationale Unternehmen. Lieferanten und Geschäftspartner von diesen übernehmen die Standards entweder aufgrund von Druck der multinationalen Unternehmen oder weil sie befürchten, ohne die Standards ihre Wettbewerbsfähigkeit einzubüssen (Braun 2005). Da sich Akteure unter Umständen besser stellen, wenn sie Eigeninteresseninteressen durchsetzen und sich nicht an Institutionen halten, sind Abweichungen von Institutionen mit Sanktionen verbunden. Bei formellen Institutionen gibt es eine organisierte oder institutionalisierte Form der Sanktion, deren Notwendigkeit aus ordnungstechnischen Gründen abgeleitet wird (Leipold 2000, Herrmann-Pillath 2002). Insgesamt sorgen jedoch Faktoren wie Emotionen, Glaube, Vernunft, Überzeugung bei Akteuren in der Regel dafür, dass sie Institutionen einhalten (Leipold 2000, 2002) (Abbildung 2.2). Bei informellen Institutionen hängt deren Anerkennung durch einzelne Akteure wesentlich von ihrer Einbettung in Netzwerkzusammenhänge ab, vor allem verwandtschaftlicher oder freundschaftlicher Art. Die Aspekte der Zugehörigkeit zu einer Gruppe und der gesellschaftlichen Rolle, die wesentlich Identitätsbildungen beeinflussen, berühren emotionale Empfindungen. Werden informelle Institutionen nicht eingehalten, leidet möglicherweise die Reputation des entsprechenden Akteurs. Für ihn kann das zur Folge haben, dass er entweder Scham verspürt und/oder Angst vor Entrüstung anderer Gruppenmitglieder beziehungsweise sogar den Gruppenausschluss befürchtet.

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So bilden Emotionen einen wichtigen Mechanismus der Selektion von Institutionen auf individueller Ebene (Herrmann-Pillath 2002). Religionslehren und Ideologien binden über freundschaftliche und verwandtschaftliche Beziehungen hinausgehend weitaus mehr Menschen zusammen. Religiös gebundene Institutionen erwachsen aus Vorstellungen, die sich auf Glauben und Überzeugungen stützen. Religionslehren haben eine Sinndeutungs- und Ordnungsfunktion. In Religionen finden Menschen Antworten auf existenzielle Fragen sowie Trost und Erleichterung für Leiden, Seelenängste und Nöte. Gleichzeitig postulieren Religionen moralische Werte und soziale Normen für das Gemeinschaftsleben. Eng verwandt mit Religionslehren sind Ideologien als moral- und wertgeleitete Vorstellungen über eine anzustrebende Gesellschaftsordnung. Ideologien und Religionslehren sind Meta-Institutionen, da sie viele Institutionen in sich vereinen und kohärente Gesellschaftsvisionen bieten (Hollingsworth 2000). Aus Religionen oder Ideologien resultieren Werte, die Individuen Sinneshaltungen und Orientierungspunkte für Handlungen vermitteln sollen (Johnson 1992; Denzau/North 1994; Meulemann 1998). Werte wirken hintergründig, konstituieren aber Verhaltensnormen. Auf nationaler Ebene werden Werte durch geschichtliche Erfahrungen, politische Steuerung und vorherrschende Ideologien sowie gesellschaftliche Entwick:lungen konstituiert (Johnson 1992; Hofstede 2001 ). Für Innovationen und wirtschaftliche Entwicklung besonders wichtig ist, welcher Wert technologischer Entwicklung in der Kultur eines Landes beigemessen wird (Saha 1998; Casson/God1ey 2000; Freeman 2002). 16 In der chinesischen Geschichte bildet der Konfuzianismus seit über 2000 Jahren eine wichtige Meta-Institution der Gesellschaft. Die Sittenlehre geht aufK.onfuzius zurück, der von 551-479 vor Christus lebte und als politischer Berater tätig war. Konfuzius' Ziel war, soziale Spannungen zu minimieren und eine leistungsfördernde gesellschaftliche Har16 In England wurde beispielsweise der wirtschaftliche Aufstieg erst ermöglicht, als die Wissenschaft nach der Renaissance eine kirchlich tolerierte hohe gesellschaftliche Aufwertung erfuhr. Während in England institutioneHe Strukturen geändert wurden, um Anreize für wirtschaftliche Eigeninitiativen zu setzen, blockierte im restlichen Europa die Kirche technischen Fortschritt und wirtschaftliche Entwicklung (Freeman 2002). Auch in anderen Ländern oder Gesellschaften wurde bzw. wird der technische Fortschritt durch den Glauben an übernatürliche Phänomene und/oder das Fehlen institutioneller Anreize zu innovativen Lösungswegen behindert. Saha (1998) sieht das in einer Religion oder Ideologie postulierte Verhältnis von Menschen und Natur als zentral für wirtschaftliche Entwicklung und technischen Fortschritt an. Gesellschaften, die sich als Teil der Natur sehen, vermeiden deren Umgestaltung durch technischen Fortschritt (vgl. auch White!Liu 2001).

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monie zu schaffen. Zu diesem Zweck wollte er Individuen dazu erziehen, sich immer in Bezug auf ihre soziale Einbindung zu sehen. Die Sittenlehre - im Konfuzianismus gibt es keinen Gott und kein Jenseits wurde nach Konfuzius' Tod von wichtigen Anhängern erweitert und an gesellschaftliche Rahmenbedingungen angepasst. Unter Einfluss von Menzius (372-289 vor Christus) gewann beispielsweise die Fürsorgepflicht des Herrschers besondere Bedeutung in der Lehre (Ostendorf 1996; Child!Warner 2003; Reisach/Tauber/Yuan 2003). Das konfuzianische Gebilde eines stabilen gesellschaftlichen Systems beruht auf mehreren Säulen: (I) Herrscher sollen durch Güte überzeugen und eine Vorbildfunktion haben; (2) Sippenbeziehungen dienen mit vorgeschriebenen Rollen und damit verbundenen Pflichten als Grundlage der Moral; (3) Verhalten soll ritualisiert und der Rolle des Individuums angepasst sein; (4) Studium bzw. Lernen und Leistung sollen als Schlüssel zu wichtigen Posten und gesellschaftlicher Reputation dienen (Rötz 1995; Reisach/Tauber/Yuan 2003). Wissen wird zudem im Konfuzianismus sehr hoch bewertet und als Weg gesehen, individuelle Vervollkommnung zu eneichen. 17 Allerdings wird unter Wissenserwerb das Wiederholen, Auswendiglernen und die Wiedergabe von bestehendem Wissen verstanden und weniger analytisches Denken. Lernende sollen umfassende Kenntnisse der Vergangenheit sammeln und zeitlos gültige Mechanismen und Prinzipien erfassen. Idealetweise sollen sie dazu befähigt werden, auftauchende Probleme intuitiv mit einem Präzedenzfall in Beziehung zu setzen und sich aus allen möglichen und erprobten Verhaltensweisen zielsicher die passende herauszusuchen (Ostendorf 1996; Reisach/Tauber/Yuan 2003). 18 Der Konfuzianismus fördert nicht die persönliche Entfaltung des individuellen Akteurs, sondern die Einordnung desselben in eine hierarchische Gesellschaft. Individuen ordnen sich in ein von fünf Beziehungen geprägtes Strukturgefüge ein, aus dem Tugenden und Kernpflichten abgeleitet werden, welche die Stabilität der Gesellschaft gewährleisten sollen: (1) Kinder sind verpflichtet, ihre Eltern zu respektieren und zu ehren. Dafür werden sie versorgt und erzogen. (2) Jüngere müssen Älte17 Der vollendete Mensch nach Konfuzius soll sich an innerer Freude bereichern. Ein ,Edler' muss durch die Grundeigenschaften Tapferkeit, Freundlichkeit und Tntellektualität überzeugen. Als der Konfuzianismus Staatsdoktrin war, genossen ,Edle' höchste Reputation (Roetz 1995). 18 Eine daraus resultierende und im chinesischen Kontext weit verbreitete Denkweise ist stark praxisorientiert und bedient sich oft viersilbigen Redewendungen um ähnliche Sachverhalte zu charakterisieren, die auf eine bestimmte Anekdote zurückgehen. Diese Ausdrücke grenzen nicht so stark ein wie analytisch gewonnene Erkenntnisse, sondern bieten Raum für Assoziationen und weitere Gedanken (Reisach/TauberN uan 2003).

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ren gegenüber gehorsam sein und ihren Respekt erbringen. Als Gegenleistung erhalten sie Wohlwollen und Unterstützung. (3) Untertanen sind dem Herrscher zu Loyalität verpflichtet, solange dieser fürsorglich ist. (4) Frauen sind ihren Männem zu Treue verpflichtet und werden im Gegenzug materiell versorgt. (5) Die einzige horizontale zwischenmenschliche Beziehung, die der Konfuzianismus vorsieht, ist die zwischen Freunden (Ostendorf 1996). Die vorgeschriebenen Pflichten (Ii) sollen ein harmonisches Miteinader garantieren. Ein weiteres Konzept (ren) schreibt Menschenfreundlichkeit vor. Beide Konzepte bieten eine fast lückenlose Orientierungshilfe für das Individuum in seiner Bezugsgruppe, regeln jedoch nicht die Beziehungen zu Menschen außerhalb dieser (Roetz 1995; Child/Warner 2003; Reisach/Tauber/Yuan 2003). 19 Die Reichweite der Beziehungen zeigt, dass im Konfuzianismus die Familie als Basiselement der Gesellschaft verstanden wird. Der Staat bildet zwar die übergeordnete Organisationsform, das Gefüge der Familie ist für das Individuum jedoch wichtiger. So hatten für Anhänger des Konfuzianismus informelle Institutionen ursprünglich Vorrang vor ,harten' Institutionen wie dem Gesetz (Roetz 1995).20 Der Konfuzianismus geriet ins Schussfeld des Maoismus, weil er angeblich die Modemisierung behinderte. Die Kritik führte in China zur Kulturrevolution. Unter Deng Xiaoping gab es jedoch eine Renaissance konfuzianischer Werte, weil diese nun als Bollwerk gegen westliche Einflüsse betrachtet wurden (Ostendorf 1996). Auch nach Deng Xiaopings Tod hat die KPCh konfuzianische Werte propagiert, um wirtschaftliche Entwicklung und eine bestimmte gesellschaftliche Ethik zu erreichen (Klaschka 2000). Der Konfuzianismus hat sich aber auch er-

19 lm Maoismus wurden Elemente aus dem Konfuzianismus übernommen. Beispielsweise wurden Fürsorgepflichten auf Arbeitsgruppen übertragen, so genannte danweis. Über sie waren Arbeiter organisiert und sozial abgesichert (Ostendorf 1996). Die dadurch ins Arbeitsleben übertragene Gruppenfokussierung erschwert heute die gruppenübergreifende Zusammenarbeit von chinesischen Arbeitnehmern in Privatunternehmen und Joint Ventures, weil sie sich tendenziell eher ihrer Arbeitsgruppe und weniger dem Unternehmen verpflichtet fühlen (Reisach/TauberNuan 2003). 20 Die gesellschaftliche Unterordnung von Individuen in der chinesischen Gesellschaft wird nicht nur durch den Konfuzianismus, sondern auch durch die Glaubenssysteme Taoismus und Buddhismus unterstützt: Der Taoismus beispielsweise propagiert, dass sich der Mensch ins Universum einordnen muss. Sein Körper ist ihm dazu nur geliehen. Er muss den Weg begreifen (Tao) und mit ihm im Einklang handeln. Der Buddhismus verstärkt eine Unterordnung des Menschen in die Gesellschaft, da die angestrebte Wiedergeburt nur über mehrere Leben zu erreichen ist und Ort und Form des neuen Lebens sich nach Verdiensten und Verfehlungen im vorigen Leben ausrichten (Redding 1993; Reisach/TauberNuan 2003).

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halten, da er in der familiären Erziehung sowie in der schulischen Ausbildung vermittelt wird und zudem die kantonesische Filmindustrie entsprechende Werte verbreitet (Redding 1993 ). So ist er heute immer noch relevant, allerdings nicht mehr in seiner ursprünglichen Form. Durch Integration von Elementen des Buddhismus und Taoismus wurde er zum Neokonfuzianismus (Redding 1993, Ostendorf 1996). Heute spricht man von einem Metakonfuzianismus, da nur einzelne Facetten erhalten geblieben sind. Überlebt haben unter anderem ( 1) die an Hierarchien orientierte Organisation der Gesellschaft; (2) das Beziehungsgeflecht zwischen Schüler und Lehrer/Meister; (3) die Achtung des Alters; (4) das Streben nach Harmonie sowie (5) der Wert, der Wissen und Lemen beigemessen wird (Ostendorf 1996; Child/Wamer 2003; Reisach/Tauber/Yuan 2003). Neben dem Konfuzianismus hat die maoistische Ideologie einen starken Einfluss auf die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in China genommen (Laaksonen 1988; Sergeant/Frenkel 1998). Durch die umfassende Versorgung der Bevölkerung über ihre Einbindung in Staatsunternehmen (Nolan/Yeung 2001), hat sie nachhaltig die Gewohnheiten vieler Arbeitnehmer geprägt. Tsang (1994: 7) beschreibt beispielsweise die Arbeitnehmersituation vor der Liberalisierung der chinesischen Wirtschaft: "A worker was virtually immune from dismissal unless he failed to tum up at the workplace for a few months [ ... ]". Darauf führt er eine auch Jahre später noch wahrnehmbare schlechte Arbeitsmoral und schlechte Produktivität in der Arbeiterschaft zurück: "[ ... ] it is generally agreed that 1abour discipline is poor and morale is low in China. The cause can be traced back to the laxity of management in Chinese industrial enterprises where egalitarianism dominates and overstaffing is common. [ ... ]labour productivity is usually the victim." (Tsang 1994: 11)

Lang ( 1998) spricht von einer anerzogenen Hilflosigkeit ehemaliger chinesischen Manager von Staatsunternehmen, die keine Entscheidungen alleine treffen mussten. Folgerichtig stellen die Bedingungen in internationalen JointVentures hohe Herausforderungen an sie.

2.3.2 Entstehung und Entwicklung von Institutionen Die Institutionengebäude des Konfuzianismus als auch des Maoismus entstanden in ihren Grundzügen als Gesellschaftspläne ihrer beiden Namensgeber und wurden für die Bevölkerung Chinas durch die jeweilige politische Führung gesetzt, die damit bestimmte Ziele erreichen wollte. In Unternehmen werden Organisationsprinzipien und Ablaufsregeln

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vom Management gesetzt und für Beschäftigte verbindlich. Dies ist aufgrund von Machtasymmetrien möglich, die zum Zwecke eines kollektiven und koordinierten Handeins eingesetzt werden, damit wirtschaftliche Ziele erreicht werden (Granovetter 1992; Esser 2000; Opp 2000; Taylor 2004). Auch in anderen Organisationsformen wie Wertschöpfungsketten oder dem Staat können Institutionen , von oben' gesetzt werden, deren Einhaltung durch bestimmte Überwachungseinrichtungen kontrolliert wird (Edquist/Johnson 1997; Opp 2000; Leipold 2000, 2002; Herrmann-Pillath 2002). Auf geplante Art und Weise entstehen Institutionen etwa bei der Aushandlung von Verträgen. Die den Vertrag abschließenden Parteien verpflichten sich zur Einhaltung bestimmter Pflichten als Grundlage der Zusammenarbeit (Opp 2000). Übereinkünfte können sich später zu Normen und damit zur Normalform von Interaktionen entwickeln. Institutionen können aber auch spontan entstehen, wenn eine Art der Interaktion sich bei mehreren Akteuren als immer wiederkehrendes Interaktionsmuster etabliert (Johnson 1992; Edquist/Johnson 1997). Die Institution kann sich ausbreiten, wenn die Interaktionsweise von anderen Akteuren imitiert oder auf sie übertragen wird. Das ist etwa der Fall, wenn Qualitätserwartungen, die sich durch erfolgreiche Transaktionen mit Zulieferem entwickelt haben, auf andere Zulieferer ausgedehnt werden (Herrmann-Pillath 2002). Aus einer wiederholten Interaktionsart weniger Akteure kann sich so eine Institution entwickeln, wenn weitere Akteure sie nutzen und stabilisieren (Johnson 1992; Hodgson 2003). Institutionen sind einem stetigen Wandel unterworfen, da sich innerhalb der gesellschaftlichen Teilsysteme sowie zwischen Teilsystemen durch Interaktionen Organisationsstrukturen und Abläufe verändern. Würden Institutionen sich nicht an veränderte Realitäten anpassen, könnten sie nicht für stabile Verhältnisse sorgen (Haii/Soskice 200 I; Willke 2000). Die Entwicklung neuer Institutionen ist ein evolutionärer Prozess (McKelvey 1997). Neu gesetzte Institutionen müssen komplementär zu bestehenden sein, da sie ansonsten möglicherweise nicht angenommen werden oder das komplette institutionelle Gefüge destabilisieren können (Granovetter 1992; Hargadon/Douglas 2001; Haii/Soskice 2001; Bathelt/Glück1er 2003a). Dieser Tatsache hat die KPCh Rechnung getragen, als sie das wirtschaftliche Subsystem des Landes nur schrittweise liberalisierte und dies zudem stark regional begrenzte. Dadurch sollte mit neuen Strukturen experimentiert und gleichzeitig eine Destabilisierung der alten Ordnung verhindert werden (Giese/Zeng 1993).

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2.4 Institutionen, Technologien und Akteure Ein Manko in vielen wirtschaftsgeographischen Arbeiten ist, dass Institutionen nur randlieh untersucht werden, obwohl ihnen eine hohe Bedeutung flir das Handeln von Akteuren beigemessen wird. Allerdings wird auf die Darstellung verzichtet, warum und wie menschliches Verhalten strukturiert wird. In diesem Abschnitt wird aufbauend auf Konzepten aus der kognitiven Psychologie, der Soziologie und der Evolutionsökonomik dargestellt, wie Akteure sich das Wissen um Institutionen und Technologien aneignen. Damit soll gezeigt werden, wie der soziale Kontext, in dem Akteure sich entwickeln und agieren, deren Handeln prägt.

Cultural und direct learning Menschen werden in bereits vorhandene Netzwerkbeziehungen und gesellschaftliche Zusammenhänge geboren, in denen spezifische Strukturen vorherrschen und einige Verhaltensweisen akzeptiert, andere wiederum abgelehnt werden. Über den Sozialisierungsprozess eignen sie sich die Ordnungen an. Sie lernen von Bezugspersonen, Ereignisse und Symbole zu interpretieren, und bauen Deutungsmuster auf, die helfen, Informationen wahrzunehmen und zu verarbeiten (Johnson 1992; Denzau/North 1994, DiMaggio 1997; Werlen 2003a). Sinnverständnisse und Rationalitäten werden erzeugt, indem das Verhalten von Menschen in der engeren sozialen Umgebung interpretiert, imitiert und verglichen wird (Hodgson 2003). Individuelle kognitive Strukturen sind somit stark beeinflusst von den sozialen Rahmenbedingungen, die zum Lernen zur Verfügung stehen.21 Menschen brauchen sie, um Abbilder von ihrer Umwelt zu erzeugen. Nach Denzau/North (1994: 4) stellen sie das individuelle Pendant zur Ordnungsfunktion von Institutionen im sozialen Bereich dar (vgl. auch DiMaggio 1997): "The mental models are the intemal representations that individual cognitive systems create to interpret the environment; the institutions are the external [... ] mechanisms individuals create to structure and order the environment." Hodgson (2003) sieht Gewohnheiten als Brücke zwischen Institutionen und individuellem Verhalten an. Gewohnheiten werden aus wiederhol21 Es gibt eine Reihe von Bezeichnungen für kognitive Strukturen: mentale Modelle (Denzau/North 1994), mentale Schemata (DiMaggio 1997), Wahrnehmungsschemata (Giddens 1997), mental programs (Hofstede 1997) oder cognitive frameworks (Hollingsworth 2000). Sie bezeichnen jeweils Strukturen, die die Wahrnehmung beeinflussen. Die Begriffe Modelle und Schemata werden im folgenden synonym verwendet.

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tem Denken und Handeln geformt und festigen sich langfristig. Sie bilden die Basis von reflexivem und unbewusstem Verhalten und stellen eine Verhaltensneigung dar, determinieren aber nicht in jeder Situation das Handeln. Sie können brach liegen und durch bestimmte Stimuli wieder ausgelöst werden (Hodgson 2003). Gewohnheiten bauen auf mentalen Schemata auf (Denzau!North 1994; DiMaggio 1997). Denkgewohnheiten als kognitive Strukturen verketten diese und helfen Akteuren, Ordnung in empfangene Informationen zu bringen. Gewohnheiten zu Handeln basieren wiederum auf Denkgewohnheiten, haben jedoch zusätzlich die Qualität, dass sie beobachtet, interpretiert und imitiert werden können. Somit spielen sie eine große Rolle bei der Verbreitung von Sinnzusammenhängen und der Entstehung von Institutionen und neuen Techniken von unten (Hodgson 2003) (Abbildung 2.3). Abbildung 2.3: Die Interdependenz von Strukturen und Handlungen

Sozialer Kontext

Individuelle Ebene I Handlungsebene

Beeinftussungspotenzial:

··· · · ... schwach

-

stark

Quelle: Eigene Darstellung

Das soziale Umfeld, in dem Akteure aufwachsen, ist jedoch nicht allein ausschlaggebend für die Entwicklung der kognitiven Strukturen. Eine bestimmte Grundordnung erhalten Individuen durch ihr genetisches Erbe, das sie mit Instinkten versieht. Die Weiterentwicklung der Strukturen geht jedoch auf Erfahrungen zurück (Denzau/North 1994; Hodgson 2003). Einen weiten Teil der kognitiven Strukturen entwickeln Individuen über den oben skizzierten Prozess des cultural learning (Denzau/ N orth 1994), der Aneignung der Ordnungsstrukturen der sozialen Umgebung während der Sozialisation. Durch solche Lernprozesse werden beobachtete Einstellungen und Gewohnheiten von anderen Personen des sozialen Umfelds übernommen, was zum Beispiel sicherstellt, dass Wahrnehmungen zwischen Generationen transferiert werden können.

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Durch cultural learning erzeugte Schemata erleichtern eine schnelle und automatische Wahrnehmung. Sie stellen Wissen über bestimmte Objekte und Ereignisse dar und sind gleichzeitig Mechanismen, um Informationen zu verarbeiten (DiMaggio 1997; Hargadon/Douglas 2001 ). Sind Wirkungszusammenhänge unbekannt, müssen Zusammenhänge individuell konstruiert werden, was Entscheidungsfindungen verzögert. Es findet ein Prozess des direct learning statt (Denzau/North 1994). Dieser wird initiiert, wenn Akteure mit ihren Gewohnheiten auf Grenzen stoßen, sei es, dass Kommunikation fehlschlägt oder sie mit eingeübten Routinen nicht mehr zum Ziel kommen. Sie werden gezwungen, ihre Handlungen zu reflektieren. Neue Schemata werden dann reflexiv erzeugt. Die neuen Erfahmngen werden kategorisiert und bereichsspezifisch abgelegt, um analytische Erfahrungen verarbeitbar zu machen (Denzau/North 1994; Piore 1995; DiMaggio 1997). Direct learning führt dazu, dass Akteure ihre über cultural learning erworbene Palette von Deutungsmustern weiterentwickeln. Sie vergrößern ihren Bestand an Denk- und Handlungsmustern, der dann mit einem Werkzeugsatz verglichen werden kann, von dem einzelne Werkzeuge bei Bedarf eingesetzt werden (DiMaggio 1997). Findet direct learning bei Akteuren statt, können sie ihre Gewohnheiten an die Anforderungen verschiedener gesellschaftlicher Kontexte anpassen (DiMaggio 1997; Hodgson 2003).

Mentale Schemata und interkulturelle Kommunikation Hodgson (2003) nennt den Prozess der Beeinflussung des Individuums durch institutionelle Strukturen, wie er bei cultural learning stattfindet, reconstitutive downward causation. Er analysiert jedoch nur die Wirkung von Institutionen auf menschliches Verhalten. Von Technolagien geht allerdings eine ähnliche Beeinflussung aus. Routinen werden angewendet, weil sie sich in bestimmten Kontexten in Verbindung mit spezifischen Artefakten bewährt haben und Sinn machen (Nelson/ Nelson 2002). Zwar können auch Individuen Strukturen wie Institutionen ändern, allerdings ist der mögliche Grad der Beeinflussung wesentlich geringer (Giddens 1997). Daraus lässt sich folgern, dass sich deutsche Fachkräfte in chinesischen Zweigwerken an den institutionellen Kontext vor Ort anpassen müssen, da ihre Möglichkeiten, diesen zu ändern, sehr begrenzt sind. Dies gilt vor allem in ihrer Anfangszeit, wenn sie weder in Netzwerke integriert sind noch eine gemeinsame Verständigungsbasis mit ihren chinesischen Kollegen haben. Die Möglichkeit dazu bietet ihnen der Prozess des direct learning, der jedoch schwierig ist, weil Akteure bei der Interpretation der neuen äußeren Ordnung ihre existierenden Sehe-

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mata verwenden und versuchen, Analogien zu bilden (Denzau/North 1994). In dem Fall fehlt ihnen die Kompetenz, in den Unternehmen effizient zu kommunizieren, weil sie kein Verständnis der Kommunikationsbasis der chinesischen Belegschaft haben. Diese ist in Gruppen und Netzwerken organisiert, in denen spezifische Symbole und Regeln gelten. Unter der chinesischen Belegschaft sind diese bekannt und werden praktiziert - es existieren kognitive Gemeinsamkeiten (DiMaggio 1997). Gemeinsame Wahrnehmungen und Verhaltenserwartungen sind Voraussetzung für die Entstehung stabiler Formen der Zusammenarbeit zwischen Akteuren. Sie sind Kennzeichen kultureller Nähe. 22 Zur Verfolgung gemeinsamer Ziele müssen Akteure Vorstellungen dessen haben "[ ... ] what other actors are like1y to do, [ ... ] what is appropriate to do in such circumstances. [ ... ] shared understandings are important elements of the ,common knowledge' that Iead participants to coordinate on one outcome [ ... ]." (Hall/Soskice 2001: 13)

Kognitive Gemeinsamkeiten ermöglichen eine relativ stömngsfreie Kommunikation. Kommunikation ist allerdings nie perfekt in dem Sinne, dass sämtliche Informationen, die der Sender weitergeben will, auch beim Ernpfauger ankommen. Der Sender muss das, was er mitteilen will, kodieren. Er ist jedoch nicht in der Lage, dies flir sämtliche Informationen zu machen, die zum genauen Verstehen der Nachricht erforderlich sind. Der Empfänger dekodiert Nachrichten und greift dabei auf Schemata zurück, die er flir sein Verständnis der Umwelt aufgebaut hat. Da mentale Modelle zwischen zwei Individuen nie komplett gleich sein können, unterscheidet sich der Sinn der Mitteilung zwischen Sender und Empfänger (Denzau/North 1994; Piore 1995). Der Empfänger interpretiert eine Nachricht ,X' unweigerlich beim Dekodieren nach seinen individuellen kognitiven Fähigkeiten, so dass diese einen neuen Sinn ,X*' ergibt (Abbildung 2.4). Kommunikation ist zudem immer individuell, da sie eine Abfolge von verbalen und non-verbalen Signalen ist, welche ebenfalls vom Empfänger interpretiert werden müssen (Piore 1995). Greifen zwei Kommunizierende auf ähnliche mentale Schemata zurück, dann fallt die Interpretation der Nachricht relativ leicht. Intrakulturelle Kommunikation baut auf einem gemeinsamen Wissensvorrat auf. 22 Kulturelle Nähe zwischen den Mitarbeitern eines Unternehmens oder Geschäftspartnern entsteht und verfestigt sich auch durch nicht-zielgerichtete Interaktionen und Kommunikationsflüsse in Netzwerken. Akteure erhalten wichtige Informationen allein durch ihre Teilnahme an diesem alltäglichen ,buzz' (Bathelt/Malmberg/Maskell 2004). Dieser sorgt für eine Verfestigung gemeinsamer Einstellungen und Wahrnehmungen, die Transaktionen innerhalb der Netzwerke erleichtern.

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Im interkultureBen Kontext sind aber Kodierungs- und Dekodierungsschemata teilweise inkompatibel. Informationen werden auf Schemata reduziert, die beim Sender nicht oder in anderer Weise existieren. Wird dies nicht erkannt, können Missverständnisse entstehen (Bolten 1995). Abbildung 2.4: Kommunikationsprozess zwischen zwei Akteuren

Quelle: Verändert nach Denzau/North 1994: 19

Es wurde dargestellt, dass Akteure über Lernprozesse neue mentale Schemata entwickeln können, indem sie beispielsweise über die Beobachtung von Gewohnheiten anderer neue Sinnzusammenhänge entwickeln (Denzau/North 1994; DiMaggio 1997; Hodgson 2003). Das wiederum heißt, dass gesellschaftliche Strukturen wie Technologien und Institutionen in den Einflussbereich von Individuen geraten. Ohne die Möglichkeit, diese beeinflussen zu können, wäre eine Umstrukturierung von JointVentures durch deutsche Manager nicht möglich. Diese müssen sich einerseits an den chinesischen Kontext anpassen, um mit möglichst wenigen interkultureBen Missverständnissen mit ihren Kollegen interagieren und diese in ihre Pläne einbinden zu können. Andererseits müssen sie aber die Strukturen beeinflussen können ändern, um die Unternehmen international wettbewerbsfähig zu machen.

2.5 Kultur und Wirtschaft In dieser Arbeit werden ökonomische Handlungs- und Denkmuster als untrennbar von kulturellen betrachtet. Damit fügt sie sich in den in der Wirtschaftsgeographie schon seit mehreren Jahren diagnostizierten cu1tural turn ein, einer in den Sozialwissenschaften verbreiteten Tendenz, wirtschaftliche oder gesellschaftliche Phänomene durch Berücksichtigung kultureHer Einflüsse zu erk1ären.23 Der cultural turn ist mitunter 23 Der Begriff der Kulturgeographie im deutschsprachigen Raum folgt nicht eindeutig diesem Verständnis. Einerseits befasst sich die Kulturgeographie

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Folge der Tatsache, dass mit dem neoklassischen Modell wirtschaftliche Phänomene wie die Entstehung von Wissen oder vertrauensbasierten Unternehmensnetzwerken nicht erklärt werden können (Zukin/ DiMaggio 1990; Grabher 1993; Thrift 2000). Er hat zu einer Öffnung der Grenzen zwischen den Disziplinen, zu einer Erweiterung der zu untersuchenden Fragestellungen und zu einer verstärkten Verwendung qualitativer Erhebungsmethoden beigetragen, die es erlauben, kontextuelle Strukturen und Prozesse zu erfassen (Boeckler/Lindner 2000; Thrift 2000; Bathelt/Glückler 2003a; B\otevoge\2003). 24 Es werden nun verstärkt Hintergründe und Mechanismen etwa von Untemehmensvemetzungen oder das Verhältnis von Wirtschaft, Kultur und Raum analysiert, wobei der einzige gemeinsame Nenner die Verwendung des Begriffs ,Kultur' ist. Definitionen und Herangehensweisen bei der Entwicklung einer Beziehung zwischen Kultur und Wirtschaft fallen allerdings sehr unterschiedlich aus (Crang 1997; Boeckler/Lindner 2000; Thrift 2000).

2.5.1 Kultur als Ergebnis des Wechselspiels zwischen Strukturen und Handeln Kultur wird in der Wirtschaftsgeographie vor allem als Phänomen betrachtet, das Kommunikation innerhalb einer Gruppe von Akteuren erleichtert, weil diese einander ähnlicher sind als anderen Akteuren. So werden Erwartungshaltungen sicherer und Vertrauensbeziehungen gefördert, die wiederum Produktionsvemetzungen und Lernprozesse unterstützen (z.B. Fromhold-Eisebith 1995; Starper 1997; Bathelt 1998; Cooke 1998; Maillat 1998). 25 Diese Sichtweise ist richtig, allerdings umfasst sie nur einen Teilaspekt des Kulturbegriffs, der in dieser Arbeit verwenhier mit der menschlichen Aneignung von Natur (z.B. Grötzbach/Rinschede 1984). Andererseits sieht WerJen (2003b) ihre Aufgabe darin, globalisierte und globalisierende Praktiken im Spannungsfeld von Entankerung und Wiederverankerung zu untersuchen. 24 Thrift (2000) argumentiert, dass der cultural turn das Selbstverständnis der Wirtschaftsgeographie zwar gestört hat, sie aber vor der Versinkung in die Vergessenheit bewahrte und im interdisziplinärem Vergleich aufwertete. 25 Auch in den Wirtschaftswissenschaften ist diese Sichtweise üblich. Leipold (2000, 2002) beispielsweise fasst das System von bindungsbedürftigen Institutionen zu Kultur zusammen. Casson/Godley (2000) umschreiben Kultur mit ,shared values and beliefs'. Unter values verstehen sie die Ziele, die ein Akteur für erstrebenswert hält. Diese und die wahrgenommenen Beschränkungen erklären sein Verhalten. Beliefs (wahr/falsch) sind die Sinnzusammenhänge, die sich Akteure zur Erklärung der Welt konstruieren. Die Definitionen sind partiell, da sie nur Institutionen oder kognitive Strukturen bzw. Einstellungen als Kulturbausteine abdecken.

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det wird: Kultur umfasst den Gesamtbereich von Lebensformen, "[ ... ] mit denen die Probleme der Existenz bewältigt werden" (Werlen 2003a: 257). "Culture [ ... ] is a complete whole that includes ideas, the framework ofnorms, and materiel" (Saha 1998: 500). Kultur ist eine Eigenschaft sozialer Gmppen, die sie von anderen Gruppen unterscheidet. Kultur entsteht als Wechselspiel zwischen Strukturen und Handeln. Unter Strukturen werden Institutionen, Technologien und Machtbeziehungen verstanden, die gemeinsam eine Ordnung bilden und Akteuren Handlungsrahmen vorgeben. Die Strukturen sind gleichzeitig Manifestationen und Bestandteile von Kultur (Bolten 1995, Saha 1998, Herrmann-Pillath 2002). Akteure haben diese verinnerlicht, um eine innere Ordnung aufzubauen und die Komplexität der Umwelt verarbeitbar zu machen (Luhmann 1984). Manifestation von Kultur sind aber beispielsweise auch Artefakte, die von Akteuren produziert werden. Diese beeinflussen ebenfalls Wahrnehmung und Handlungen von Akteuren (Latour 1996, Jöns 2003). Kultur äußert sich so auf mentaler, sozialer und materieller Ebene. Auf individueller Ebene zeigt sie sich, da kulturelle Praktiken stmkturierte Praktiken sind (Giddens 1997): "Jede Tätigkeit eines Subjekts ist [... ] als Ausdruck bestimmter kultureller Standards, deren Reproduktion oder Transformation zu sehen" (Werlen 2003a: 258). Die Standards in einem kulturellen Kontext werden durch Aktionen und Interaktionen reproduziert und transformiert und in Denk- und Handlungsgewohnheiten verankert (DiMaggio 1997, Hodgson 2003, WerJen 2003a). Dauerhaft funktionsfähige gesellschaftliche Ordnungen haben in der Regel eine Basis in subjektiven Werthaltungen, in bestimmten religiösen Traditionen, Sittenlehren oder politischen Ideologien. Eine solche Ordnung stellt für die betroffenen Akteure einen sinnvollen Zusammenhang dar. Sie binden sich an diese und akzeptieren dabei auch Machtasymmetrien, da diese mit einem Sinnzusammenhang in Verbindung gebracht werden. Werte werden dann zu einer Determinante individueller Identität, geben Ziele vor und lösen Entscheidungskonflikte der Akteure (Herrmann-Pillath 2002, Blotevogel2003, WerJen 2003a). Die Verbindung zwischen Strukturen und Handlungen entsteht über kognitiv-emotionale Eigenschaften des Akteurs (Leipold 2000, 2002, Herrmann-Pillath 2002, Amin/Thrift 2004). Individuen verinnerlichen Strukturen aus einer funktionellen Perspektive - sie machen Sinn - sowie aus einer emotionalen, weil sie aus ihnen Identität beziehen (Crang 1997). Allerdings interpretieren auch Individuen, die in gleichen kulturellen Kontexten sozialisiert wurden, Strukturen nicht auf die gleiche Art und Weise, da sie unterschiedlichen Instinkten und auch individuellen Erfahrungen Folge leisten (Abbildung 2.3). Schon allein aus dem Gmnd

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ist ein essentialistisches Kulturverständnis verkehrt, bei dem Territorium und Kultur gleichgesetzt werden. Kulturelle Grenzen sind Konstruktionen entlang Zugehörigkeit und Ausschluss markierender Symbole. Da diese permanent neu konstruiert werden und sich damit auch der Bezug einzelner Akteure zu ihnen verändert, kann Kultur als Gesamtheit aller in einer gesellschaftlichen Gruppe existierenden kulturellen Symbole nicht bestimmt werden (Pütz 2003). Weil formelle Institutionen durch Setzung oder Aushandlungen in Verwaltungseinheiten mit räumlicher Ausprägung entstehen, Technolagien durch traded und untraded interdependencies die Bildung regionaler Entwicklungszusammenhänge fördern (Storper 1997) und Akteure zum gesellschaftlichen Kontext aufgrund der kognitiv-emotionalen Beziehung eine tendenziell langfristige Beziehung haben, hat Kultur jedoch eine enge Beziehung zu Territorialität. Durch die Deterritorialisierung von Beziehungen, die Teil des Globalisierungsprozesses ist, kann man allerdings heute nicht mehr von vorgegebenen homogenen Regionalkulturen ausgehen (Boeckler/Lindner 2000; Amin 2004). Allerdings existieren aufgrundräumlich unterschiedlicher historischer Entwicklungspfade, verschiedener institutioneller Strukturen von Verwaltungseinheiten sowie der häufigen Interaktionen zwischen sozial verankerten Akteuren trotzdem räumlich spezifische "symbolisch strukturierte Handlungsräume" (Pütz 2003: 67). "[ ... ] there are, within a certain geographical boundaty, sufficient connections between socio-cultural values and economic behaviour to make for a distinctive and unique constellation of features [... ]" (Redding 1993: 7).

2.5.2 ldentitäten und Grenzziehungen zu ,Anderen' - Die Dimension der Nation Das Leben an einem Ort ist heute schon zu einem bedeutenden Teil durch Informationen und Beziehungen bestimmt, die weit über lokale Grenzen hinausgehen. Durch Migranten, Geschäftsreisende oder Touristen werden Praktiken, die aus anderen Regionen oder Ländern herrühren, weltweit transportiert. So trägt Globalisierung dazu bei, dass kulturelle Differenzen zunehmend wahrgenommen werden, ein räumlich determinierter Kulturbegriff aber nicht mehr haltbar ist (Boeckler/Lindner 2000; WerJen 2003a, 2003b; Amin 2004)?6 26 Amin (2004) argumentiert, dass Städte und Regionen durch die Einbindung in globale Zusammenhänge Strömen von Informationen, Menschen und kulturellen Einflüssen ausgesetzt sind. Sie bilden als temporäre Formationen relationale Räume. Durch Aushandlungen gemeinsamer Ziele

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Individuen handeln und kommunizieren in sozialen Gruppen oder Netzwerken und beziehen über die eingenommenen Rollen Identität. Diese ist notwendig, damit sie sich als Individuen definieren können (Piore 1995, Esser 2000). Über die Integration in Gemeinschaften entstehen Identitätsgruppen, deren Grenzen sich permanent wandeln, da die Gruppen ständig neu definiert werden (Massey 2004, Amin 2004)?7 Die Beobachtung anderer Praktiken und deren Interpretation gibt Individuen die Gelegenheit, kulturelle Differenz zu konstruieren. Gleichzeitig ist es ihnen dadurch möglich, ein ,Wir'-Bild von der eigenen Gruppe zu konstruieren (Fuchs/Gerhards/Roller 1993; Gerhards 2000; Werlen 2003a, 2003b). Die Differenz zu den ,Anderen' ist flir Akteure wichtig, weil dadurch eine Identität geschaffen wird, die zur Bildung, Verbesserung und Aufrechterhaltung eines persönlichen Selbstwertgefühls führt und Handlungsrelevanz erhält (Meulemann 1998; Schmidt 1998; Herrmann-Pillath 2000; Hodgson 2003). Kultur wird endogen als Differenz zur Umwelt erzeugt, um die Kohärenz zu stärken und einen internen Wissensaustausch zu induzieren, der der Entwicklung der Gruppe zugute kommt (Henmann-Pillath 2000)?8 Bei der Konstruktion der Differenz zu den ,Anderen' hat die nationale Dimension eine hohe Bedeutung. Eine Untersuchung der Wahrnehmung von Differenzen zu ,Anderen' in den zwölf Ländern der ehemaligen Europäischen Gemeinschaft etwa zeigte, dass die Befragten sich am stärksten von den Nationalitäten abgrenzten, die jeweils die größten Ausländeranteile in ihren Ländern aufwiesen. Die Abgrenzung erfolgte hauptsächlich auf Basis eigener Erfahrungen oder massenmedialen Eindrücken. Die Grenzziehung beruhte vor allem auf einer Einschätzung der ökonomischen Leistungsfähigkeit der ,Anderen' als auch auf der wahrgenommenen kulturellen Nähe (Zugehörige wohlhabender Nationen und okzidentaler Herkunft wurden positiver wahrgenommen) (Fuchs/Gerhards/Roller 1993).

müssen neu miteinander vernetzte Menschen permanent ihr Miteinander neu ausgestalten, um aus den unterschiedlichen Lebensweisen und kulturellen Praktiken einen ,shared turf' zu konstruieren (Amin 2004). 27 Die Praktiken und Symbole, die sich Einwanderer in Gastländern zur Wahrung ihrer Identität konstruieren, unterscheiden sich von denen des Herkunftslandes, da Einwanderer mit neuen Strukturen interagieren, was zu veränderten ,Bausteinen' der Identitätsbildung führt (Roy 1999). 28 Ist die Identifikation mit einem Kollektiv hoch, kann sich aus der Wertegemeinschaft eine Solidargemeinschaft bilden. Individuen übernehmen Verantwortung für die Gemeinschaft (Blank 1997; Parekh 1999; Gerhards 2000; Herrmann-Pillath 2002; Massey 2004). Logische Konsequenz daraus ist, dass eine geringe subjektive Identifikation mit einem Kollektiv zu dessen Instabilität führen kann (Schmidt 1998).

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Der Begriff ,Nation' wird in der Literatur für ein Kollektiv von Individuen verwendet, die entweder die gemeinsame Staatsbürgerschaft, kulturelle Aspekte, eine gemeinsame Abstammung oder ein kollektiver Wille verbindet (Blank 1997; Jafroodi 2000). Die Nation ist untrennbar mit der Institution des Nationalstaats verbunden. Allerdings bauten Nationalstaaten weder in ihrer Gründungsphase auf homogenen gesellschaftlichen Verhältnissen auf, noch tun sie das heute. Sie wurden durch machtvolle Akteure gegründet (Jafroodi 2000). Shapiro (2003) beispielsweise zeigt anhand der Entstehung und Konsolidierung südamerikanischer Staaten, dass nationale Integrationsprozesse nie vollständig, sondern pennanent von Gegentendenzen geprägt waren, da einige Gruppen versuchten, ihre Identität zu wahren. Nationale Kultur ist demgemäß ein Phänomen, das andauernd konstruiert werden muss: "Nicht die Nation hat den Nationalstaat hervorgebracht, sondern umgekehrt [... ].Ehe die Nation eine gemeinsame Vergangenheit haben konnte, musste sie diese Gemeinsamkeiten schaffen." (Jafroodi 2000: S. 56)

Die stattfindende Identitätsstiftung spricht dafür, dass sich Nationalstaaten reproduzieren werden. Durch die kulturelle Steuerung haben sich die Staaten legitimiert und im Bewusstsein ihrer Bürger verankert (Hall/Soskice 2001; Shapiro 2003). Nationen sind nach Shapiro (2003: 272): "[ ... ] imaginaries (abstract domains of collective coherence and attachment), which persist through a complex set of institutionalized modes of inclusion and exclusion." Autoritäten propagieren gewisse Konstruktionen und prägen die öffentliche Meinung. Dadurch wird die Ausbreitung anderer Ansichten erschwert und Raum ,geo-graphiert': Der Bevölkerung eines Territoriums wird eine Meinung zugewiesen, die durch einen Diskurs verfestigt wird. So entstehen innerhalb eines bestimmten Territoriums Normen (Piore 1995; Casson/Godley 2000; Allen 2003). Nationale Symbole dienen dem Zweck, eine kollektive Identität zu konstruieren, die durch Kulturpolitik und Geschichtsschreibung gefestigt wird (DiMaggio 1997; Parekh 1999; Klaschka 2000)? 9 Nach Jessop (1994) kann die Globalisierung sogar dazu führen, dass die Identifikation mit dem Nationalstaat zunimmt, da Prozesse auf supranationaler Ebene für Akteure oftmals nicht transparent sind. Daraus kann eine Gegenbewegung resultieren, die sich aus den Bedürfnissen 29 Die Identifikation mit einem räumlich definierten Kollektiv ist natürlich nicht nur dem Nationalstaat vorbehalten. Akteure können sich auch mit anderen territorialen Kategorien wie dem Ortsteil, der Stadt, dem Bundesland etc. emotional identifizieren. Individuen aktivieren ihre jeweiligen Identitäten situationsspezifisch (DiMaggio 1997).

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nach Transparenz, Verantwortlichkeit und Geborgenheit nährt und nationale Identitätsbildungen verstärkt (Jessop 1994). 30 Aufgrund dieser Tatsache wird davon ausgegangen, dass nationale Strukturen und Identitäten auch in Zukunft eine wesentliche Rolle spielen und auf Internationalisierungsstrategien von Unternehmen einschränkend wirken werden.

2.6

Nationalstaaten und G loba I isieru ngsprozesse

In diesem Abschnitt wird die Frage beantwortet, warum sich Nationalstaaten als Makro-Organisationsform trotz Globalisierungsprozessen reproduzieren und ob sie nicht durch andere Organisationsformen auf suboder supranationaler Ebene abgelöst werden. Es wird argumentiert, dass Nationalstaaten keineswegs vor der Auflösung stehen, sondern als institutionalisierte Ordnungsstrukturen notwendig sind und sich zudem als selbstreferenzielle Systeme reproduzieren.

2.6.1 Nationalstaaten vor dem Zerfall? Der Nationalstaat hat sich beginnend mit dem Westfalischen Frieden von 1648 als gesellschaftliche Organisationsform weltweit durchgesetzt.31 Er ist auch heute noch die Instanz, auf deren Ebene die meisten politischen Entscheidungen fallen, die in Gesetze und Verordnungen münden. Diese bilden für individuelle und kollektive Akteure einen Rahmen für ihre Handlungsoptionen. Die in Abschnitt 2.1 betrachteten theoretischen Ansätze postulieren eine Reproduktion nationalstaatlicher Strukturen aus wirtschaftlichen Gründen, sei es aufgrund komparativer institutioneller Vorteile, die im internationalen Wettbewerb wichtig sind 30 In China ist die Identifikation mit dem Nationalstaat nach deutschen Maßstäben besonders hoch. Dies wurde in mehreren Interviews und Gesprächen mit Studierenden in der Erhebungsphase deutlich. Shi/Wright (2003) fanden in einer Befragung von 4 77 chinesischen Manager heraus, dass bei Verhandlungen mit westlichen Geschäftspartnern neben den Unternehmensinteressen nationale Interessen eine wesentliche Rolle spielten. 31 Die Nation als Träger eines Kollektivgefühls gewann an Bedeutung, da dynastische und religiöse Ordnungsstrukturen geschwächt waren. Der Buchdruck wurde zur Herausbildung von Landessprachen und zur Verbreitung politischer Ideologien wichtig. Mit der Industrialisierung nahm die Verbreitung von Nationalsprachen weiter zu, da eine Grundbildung der wachsenden Stadtbevölkerungen notwendig war. Zugleich begannen Regierungen, nationale Symbole zu produzieren, um ständische Strukturen zu überwinden und Bürger für die Industrie und Militärdienste zu mobilisieren (Casson/Godley 2000; Jafroodi 2000; Shapiro 2003).

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(Hall/Soskice 2001), oder der sich wechselseitig bedingenden Interaktion von Produktionsstruktur und nationalen Institutionen, die zu global konvergierenden Nationalen Innovationssystemen führt (Lundvall 1992c; Lundvall/Maskell 2002). Ein nationalstaatlicher ökonomischer Wirkungszusammenhang wird seit den 1990er Jahren in einigen Arbeiten aber auch in Frage gestellt. Ohmae (1995) beispielsweise sieht Nationalstaaten vor der Auflösung und glaubt, dass aufgrund globaler wirtschaftlicher Verflechtungen so genannte region-states wie Wales, Baden-Württemberg oder Hongkong als die zentrale politische und wirtschaftliche Entitäten entstehen. Ohmae (1995) beantwortet allerdings nicht die Frage, was mit Regionen geschieht, die nicht die Voraussetzungen für einen region-state erfüllen. Ferner bleibt unklar, wie die Einheiten abgegrenzt und gesteuert werden können. Sie wären einer ständigen Veränderung ausgesetzt, da sich Technologien und wirtschaftliche Verflechtungen ändern. In ähnlicher Weise sieht auch Elam (1997) die Nationalstaaten vor dem Verfall, da sie als antiquierte institutionelle Gebilde nicht mehr mit dem heutigen technologischen Entwicklungsstand harmonieren würden. Bahrenberg/ Kuhm (1999) wiederum schließen von der globalen Ausbreitung von Funktionalsystemen wie dem Finanzsystem, dass Nationalstaaten nicht mehr ökonomische Grenzen fixieren können und als politische Entitäten nicht mehr sinngemäß sind. Die Schlussfolgerungen dieser Arbeiten werden allerdings von der Realität widerlegt. Nationalstaatlich konstituierte Strukturen spielen nach wie vor eine wichtige Rolle als Grundlage für wirtschaftliches Handeln. Selbst im europäischen Integrationsprozess entstehen neue nationenspezifische Institutionen, so dass keineswegs Konvergenz der Strukturen vorliegt (z.B. Gregersen/Johnson 1997). Der Nationalstaat reproduziert sich und übernimmt dabei neue Rollen, indem er z.B. neuartige Institutionen zur Integration in die Weltwirtschaft schafft und gleichzeitig Einfluss auf die Stabilisierung der Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Wirtschaft und Gesellschaft nimmt (Boyer/Drache 1996; Boyer 2000; Hall/Soskice 2001; Lundvall/Maskell2000; Lundvall et al. 2002). Zwar durchlaufen Nationalstaaten permanente Restrukturierungsprozesse, die durch Formation, Deformation und Reformation gekennzeichnet sind (Painter 2000), und geben dabei auch ehemals zentralstaatliche Aufgaben und Kompetenzen an subnationale Einheiten oder nichtstaatliche Akteure ab (Jessop 1994). Zugleich können sie nicht mehr das Spektrum an wirtschaftspolitischen Möglichkeiten ausreizen, dass zur Verfügung stand, als Kapital noch relativ immobil war. In dem Sinne haben sie an Steuerungspotential verloren. Allerdings können sie mit Maßnahmen zum Ausbau der technologischen Wissensbasis nach wie

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vor dafür sorgen, dass Fundamente ftir ein wettbewerbsfähiges System entstehen (Archibugi/Howells/Michie 1999; Lundvall 1999). Nationalstaaten sind von zentraler Bedeutung, um langfristig stabile Strukturen zu schaffen, die den Unternehmen berechenbare Arenen für ihre Aktivitäten bieten (Boyer/Drache 1996; Lundvall et al. 2002). Das bedeutet aber keineswegs, dass Nationalstaaten nicht zerfallen können. Vermeiden oder verpassen sie notwendige Restrukturierungsprozesse, büßen sie einen Teil ihrer Überlebensfähigkeit ein, da diese auch davon abhängt, wie sie ökonomischen Erfolg und Wohlfahrt ihrer Bürger beeinflussen können (Painter 2000). Willke (2000) argumentiert, dass im Fall der ehemaligen Ostblockstaaten die Planung und Kontrolle sämtlicher Teilsysteme durch die Politik eine Ausdifferenzierung der Gesellschaft verhinderte. Das führte dazu, dass die interne Komplexität der Systeme nicht mehr mit jener der Umwelt korrespondierte, wodurch letztlich die Nationalstaaten zerbrachen oder einen radikalen Systemwechsel durchlaufen mussten (vgl. auch Lundvall 1999). Zum Erhalt von Nationalstaaten tragen weitere Funktionen bei, die einen gesellschaftlichen Ausgleich erstens zwischen Generationen, zweitens innerhalb der nationalen Grenzen und drittens diese überschreitend sicherstellen sollen: Zum einen wird es angesichts schwindender Rohstoffe und steigender Umweltverschmutzung zunehmend dringender, ftir einen nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen zu sorgen (Lundvall/Maskell 2000; Lundvall et al. 2002). Bestimmungen hierzu können am wirkungsvollsten von nationalen Regierungen getroffen und umgesetzt werden. Gleichzeitig bieten Nationalstaaten eine geeignete organisatorische Ebene, um soziale Konflikte und Verteilungsprobleme zu regeln: Sie sind Werte- und Solidaritätsgemeinschaften, die soziale Stabilität sicherstellen und das Maß an wirtschaftlicher und sozialer Ungleichheit begrenzen können (Jessop 1994; Boyer/Drache 1996; Meulemann 1998; Lundvall 1999; Gerhards 2000). Zudem ist die nationalstaatliche Ebene diejenige, auf der globale Abkommen aufbauen und auf der Akteuren Bezugsrahmen geboten werden, um zwischen ,Innen' und ,Außen' zu vermitteln (Jessop 1994). Die Reproduktion von Nationalstaaten und darin verankerten Nationalen Innovationssystemen im Sinne von Lundvall (1992c; Lundvall/Maskell 2000) kann analog zu der autopoietischer Systeme betrachtet werden. Soziale Systeme im Sinne Luhmanns (1984, 2000) reproduzieren sie sich wie Zellen oder Organismen aus sich selbst heraus. Sie sind von ihrer Umwelt abgegrenzt und in der Tiefenstruktur ihrer Selbststeuerung geschlossen. Aus ihrer Umwelt beziehen sie zwar Informationen, verarbeiten diese und leiten daraus Operationen ab, ohne dass die Umwelt diese Operationen jedoch determinieren oder kontrollieren

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NATIONALE INNOVATIONSSYSTEME UND WIRTSCHAFTLICHE GLOBALISIERUNG

kann. Die Informationen werden nicht über den direkten Austausch erhalten, sondern indem die Systeme sich selbst beobachten und ein internes Bild über die Differenz zu ihrer Umwelt erzeugen. Diese Differenz wird fortlaufend reproduziert (Luhmann 2000). Autopoietische Systeme reproduzieren sich mit Hilfe der Elemente, aus denen sie bestehen. Sie differenzieren sich in Subsysteme aus, um auf die komplexe Umwelt reagieren zu können (Luhmann 1984). Die Gesellschaft als Ganzes wird in der Theorie sozialer Systeme als Gesamtzusammenhang aneinander anschließbarer Kommunikation gesehen. Sie vollzieht und reproduziert sich durch Kommunikation (Bahrenberg/Kuhm 1999, Luhmann 2000). Demgemäß müssen soziale Subsysteme Spezialsemantiken herausbilden, die es ihnen erlauben, systemische Operationen von allgemeiner Kommunikation zu unterscheiden. Dies geschieht über die Schaffung von Sinnsystemen innerhalb eines Systems, die Alltagsrollen, Prioritäten und Prozeduren regeln (Luhmann 1984). Die Sinnsysteme schaffen eine Ordnung, die eine Grenzziehung zur Umwelt erlaubt. Sie reduzieren den Komplexitätsgrad des Handlungskontexts der Akteure und Organisationen innerhalb eines Systems und erleichtern Handeln. 32 Sinn wird dabei in Form von sprachlichsymbolischer Kommunikation prozessiert (Willke 2000). Systeme existieren somit auf der Basis von Sinnzusammenhängen und konstruieren durch ihre Existenz fortlaufend neuen Sinn.33 Luhmanns (1984, 2000) Theorie der sozialen Systeme wurde von ihm selber nie im Zusammenhang mit Nationalstaaten gesehen. Allerdings weisen der autopoietische Reproduktionsmechanismus autopoietischer Systeme sowie die Hervorhebung unterschiedlicher Sinnsysteme starke Parallelen zu den dargestellten Strukturen in Nationalstaaten und Nationalen Innovationssystemen auf: Nationalstaaten reproduzieren sich, da die pfadabhägig entstandenen Sinnzusammenhänge durch Interaktionen im System sowie der Steuerung desselben durch das politische System vertieft und verfestigt werden. Es rekonstituieren sich auch Nationale Innovationssysteme, da die bestehende Produktionsstmktur vorgibt, in welchem Bereich Innovationen stattfinden. Durch interaktive In32 Bei Luhmann (1984) bestehen soziale Systeme streng genommen nur aus Kommunikation. Die Akteure selbst sind nicht Bestandteile eines Systems, da sie in verschiedenen Systemen kommunizieren können (Willke 2000). 33 Die Theorie sozialer Systeme von Luhmann (1984, 2000) kommt explizit ohne den Institutionenbegriff aus, da sie nicht als Handlungstheorie konzipiert ist und dementsprechend die Intentionen und Zwecke von menschlichem Handeln nicht zur Begründung eines Systemzusammenhangs heranzieht. Dabei markieren die Konzepte ,Sinn' und ,Spezialsemantik' zwar eine andere Perspektive, stehen aber in engem Zusammenhang mit dem in dieser Arbeit verwendeten Institutionenbegriff (Bathelt/Depner 2003).

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KULTURELLE UNTERSCHIEDE BEl TRANSNATIONALEN DIREKTINVESTITIONEN

novationsprozesse, die durch systeminterne Institutionen vorkonfiguriert sind, wird das bestehende Wissen vermehrt. Die Konzeptualisierung von Nationalen Innovationssystemen als autopoietische Systeme widerspricht einer Annahme, dass sich die Wirtschaftsstrukturen zwischen Nationalstaaten angleichen werden. Nationale Unterschiede bleiben bestehen, da im Zusammenwirken von Wirtschaftsstruktur und der sich auf nationalstaatlicher Ebene konstituierenden Institutionen eine zirkuläre Verknüpfung entsteht, die eine selbst verstärkende Wirkung entfaltet (Lundvall 1992a; Lundvall/Maskell 2000).

2.6.2 Regionale Produktionskomplexe und nationale Systeme Das im vorhergehenden Abschnitt mit Nationalstaaten und Nationalen Innovationssystemen in Verbindung gebrachte Konzept der autopoietischen Systeme widerspricht einer Konzeptualisierung von Innovationssystemen auf regionaler Ebene, wie sie Ende der 1990 Jahre durchgefli.hrt wurde (Cooke/Uranga/Extebarria 1997; Cooke 1998) 34 Die Fokussierung auf die regionale Ebene erfolgte durch Beobachtungen, dass auch subnationale räumliche Entwicklungspfade existieren und Innovationen hauptsächlich aus einer regionalen Vemetzung von kleinen und mittleren Unternehmen resultieren. 35 Zugleich wurde eine Bedeutungszunahme regionaler Steuerungskompetenzen antizipiert, die die nationale Steuerungsebene in Frage stellt. Nach Cooke (1998) bilden sich so Systeme kollektiver Ordnung. Kernproblem in dem Ansatz ist jedoch, dass die Region implizit als eigenständiges System mit Steuerungskompetenz angenommen wird, 34 Neben den territorialen Innovationssystemen nationaler oder regionaler Art gibt es in der Literatur auch die Konzeption sektoraler (Breschi/ Malerba 1997; Malerba 2002) oder technologischer Innovationssysteme (Carlsson/Stankiewitz 1991 ). Eine Gegenüberstellung der jeweiligen Ansätze findet sich bei Edquist (1997a) sowie bei Bathelt/Depner (2003). 35 Diese Beobachtungen wurden durch eine Reihe von Studien über regionale Produktionszusammenhänge belegt, die zeigen, wie Unternehmen durch enge Kooperation und Vernetzung mit anderen lokalen Akteuren derselben Wertschöpfungskette ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern können. Beispiele hierfür sind die Arbeiten über Industriedistrikte (Goodman/ Bamford/Saynor 1989; Pyke/Becattini/Sengenberger 1990) und innovative Milieus (Camagni 1991 ; Ratti/Bramanti/Gordon 1997). Reziproke, vertrauensbasierte Informations- und Kommunikationsflüsse innerhalb solcher Unternehmensnetzwerke erzeugen eine gemeinsame Wissensbasis und bilden eine wichtige Voraussetzung für die Entstehung regionsspezifischer Lern- und Jnnovationsprozesse. Allerdings handelt es sich bei diesen Produktionszusammenhängen um regionale Vernetzungen von Unternehmen, die noch keinen Systemzusammenhang darstellen.

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NATIONALE INNOVATIONSSYSTEME UND WIRTSCHAFTLICHE GLOBALISIERUNG

das sich von seiner Umwelt abgrenzt, was in der Realität jedoch selten der Fall ist. Auch wenn die Vemetzung innerhalb regionaler Produktionszusammenhänge hoch ist, wird der Systembegriff zu schnell und zu unreflektiert auf die regionale Ebene übertragen (vgl. Howells 1999). Bei empirischen Untersuchungen wird meistens nur die Vernetzung der Akteure als systembildend betrachtet (Tödtling/K.aufinann 1999; Fischer/Diez/Snickars 2001; Evangelista et al. 2002). Tödtling/K.aufmann ( 1999) zum Beispiel gestehen in einer breit angelegten Untersuchung allen untersuchten europäischen Regionen Innovationssysteme zu. Sie bewerten die Stärke der regionalen Systeme aufgrund der Vemetzungsdichte wichtiger Akteure. Evangelista et al. (2002) jedoch kommen aufgrund ihrer Analyse der Innovativität von Unternehmen, der Art der Vemetzung der Akteure, dem Informationsangebot sowie der institutionellen Entwicklungshindernisse in europäischen Regionen zu dem Ergebnis, dass nur in zwei Regionen von einem Systemzusammenhang in dem Sinne auszugehen ist, dass Politik, Wirtschaft und Wissenschaft regionsintern besonders intensiv miteinander vernetzt sind. 36 Auch wenn in lokalen bzw. regionalen Produktionszusammenhängen eine starke Vemetzung der Akteure eneicht wird, so kann bei diesen Netzwerken nicht von selbstreferenziellen Systemen in Analogie zu Luhmann (1984, 2000) ausgegangen werden, die sich eigenständig reproduzieren?7 Das liegt darin begründet, dass zentrale Teile der formellen institutionellen Bedingungen auf nationalstaatlicher Ebene festgelegt werden. Eine Bedeutungszunahme lokaler bzw. subnationaler Steuemngsebenen zu Lasten des Nationalstaats konnte bisher nicht überzeugend nachgewiesen werden. Regionale Produktions- und Innovationszusammenhänge werden deshalb als regionale Entwicklungskomplexe betrachtet, die aufgrund günstiger nationalstaatlicher Entwicklungsbedingungen entstehen konnten (Freeman 2002; Bathelt/Depner 2003).

36 Um einen Sonderfall regionaler Innovationszusammenhänge handelt es sich bei den so genannten Metropolitanen Tnnovationssystemen, in denen Ballungsgebiete zu Innovationssystemen deklariert werden (Fischer/ Diez/Snickars 2001 ). 37 Nach Kuhm (2002, 2003) sind regionale Produktionszusammenhänge Folge der strukturellen Kopplung von Funktionssystemen. Tm Gegensatz zu den Funktionssystemen können sie jedoch nicht als sich reproduzierbare soziale Systeme betrachtet werden, sondern ihr Zustandekommen (sowie ihre räumliche Ausdehnung) hängt von Prozessen in den Funktionssystemen ab. Bedeutsame Kopplungsmechanismen sind Territorialität, Ethnizität, Medienidiosynkrasien und Einheitssemantiken.

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KULTURELLE UNTERSCHIEDE BEl TRANSNATIONALEN DIREKTINVESTITIONEN

2.7 Transnationale Direktinvestitionen und Nationale Innovationssysteme Transnationale Direktinvestitionen eröffnen Möglichkeiten, dass sich Technologien und Institutionen über nationale Grenzen hinweg ausbreiten können. Gäbe es keine kulturellen Unterschiede, könnten sich über multinationale Unternehmenbest practice-Lösungen durchsetzen, die irgendwo auf der Welt konzipiert wurden. In den bisherigen Abschnitten wurde jedoch gezeigt, dass es national unterschiedliche sich reproduzierende Wirtschaftsstrukturen gibt, die sich auf Handlungsoptionen von Unternehmen und Individuen auswirken. Jedes Unternehmen ist materiell als auch durch nicht-tangible Charakteristika wie soziale Beziehungen und kulturelle Praktiken territorial verankert (Dicken 2005). Für Unternehmen, die im Ausland investieren, hat das zur Konsequenz, dass in anderen nationalstaatliehen Kontexten Strukturen die Vernetzung mit lokalen Unternehmen erschweren können. Zumindest am Anfang haben Unternehmen bei ausländischen Direktinvestitionen zum Innovationssystem des Gastlandes wenig Bezug. Ihnen fehlen sowohl Beziehungen zu als auch Erfahrungswerte im Umgang mit lokalen Akteuren. Es fehlt eine Vertrauensbasis, die kontextuell verankerte und miteinander vernetzte Unternehmen durch kulturelle Nähe und erfolgreiche Transaktionen haben. Zweigwerke müssen aber Beziehungen zu Akteuren des Innovationssystems des Gastlandes entwickeln, sofern sie nicht in einer abgeschotteten Exportverarbeitungszone produzieren, in der Sonderrechte gelten. Sie müssen auf Arbeitslaäfte oder materielle Ressourcen zurückgreifen, die im Gastland ausgebildet bzw. erzeugt wurden und kommen über diese mit institutionellen oder technologischen Charakteristika des Gastlandes in Berührung. Ein über transnationale Direktinvestitionen errichtetes Unternehmen ist folglich an der Schnittstelle zweier Innovationssysteme positioniert (Lundvall 1992a) (Abbildung 2.5). Die Bildung von Beziehungen zu individuellen und kollektiven Akteuren des Gastlandes muss durch die in diesem Kapitel begründete Existenz Nationaler Innovationssysteme und deren Auswirkungen auf Organisation und Leistungsvermögen von Unternehmen sowie die kulturelle Prägung von Individuen schwierig sein. Nach Lundvall ( 1992b) ist kulturelle Nähe zwischen Akteuren ein wichtiger Faktor zur Schaffung von vertrauensvollen Beziehungen, der die Bedeutung räumlicher Nähe übertrifft (siehe auch Latour 1996; Bathelt 2000).

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NATIONALE INNOVATIONSSYSTEME UND WIRTSCHAFTLICHE GLOBALISIERUNG

Abbildung 2.5: Zweigwerke deutscher Zulieferer als Schnittstellen zwischen dem deutschen und dem chinesischen Innovationssystem

Innovationssystem Bundesrepublik Deutschland

Staat

Staat

Gesellschaft

0 0

0

Deutsche individuelle Akteure

c:::::::::>

Chinesische individuelle Akteure Kollektive Akteure im Einflussbereich von Normen beider Nationaler Innovationssysteme

Institutionelle Einflüsse aus Subsystemen Zulieferbeziehung

0

Geltungsbereiche von Normen der Nationalen Innovationssysteme

Quelle: Eigene Darstellung

Die Frage ist, wie sich kulturelle Feme bei ausländischen Direktinvestitionen auswirkt und wie sie überwunden werden kann. Im empirischen Teil der Arbeit wird dies auf den Ebenen vertikaler und horizontaler Beziehungen zwischen chinesischen und deutschen Unternehmen untersucht. Auf den Ebenen liegt ein Interesse beider Seiten vor, die kulturellen Grenzen zu überwinden, um von der Zusammenarbeit zu profitieren. Während sich deutsche Unternehmen von der Einbindung chinesischer Lieferanten vor allem Kosteneinsparungen erhoffen, versuchen chinesische Unternehmen über deutsche Abnehmer Know-how und den Zugang zu internationalen Märkten zu erlangen. Bei der Gründung von Joint Ventures erhoffen sich deutsche Teilhaber hauptsächlich, die Marktbeziehungen des chinesischen Partners nutzen zu können, bei diesen steht wiederum der Technologietransfer im Vordergrund. Nach Lundvall (1992b) kann kulturelle Feme durch organisatorische Nähe, die durch Verträge oder den Kauf eines Unternehmens entsteht, zumindest partiell ausgeglichen werden. Eine derartige Kompensation erfolgt jedoch nicht automatisch, wie die Ergebnisse im empirischen

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KULTURELLE UNTERSCHIEDE BEl TRANSNATIONALEN DIREKTINVESTITIONEN

Teil dieser Arbeit zeigen. Der Aufbau von kohärenten Organisationsformen über kulturelle Grenzen hinweg, wie sie beispielsweise die untersuchten Zulieferbeziehungen und JointVentures in Shanghai darstellen, ist ein fragiles Unterfangen. Während auf Ebene der JointVentures deren Erfolg stark davon abzuhängen scheint, wie es den aus unterschiedlichen Unternehmen und nationalen Kontexten stammenden Mitarbeitern gelingt, eine funktionierende und wettbewerbsfahige Einheit aufzubauen, in der Ziele sowie Organisations- und Entscheidungsprinzipien gemeinsam festgelegt und von allen akzeptiert werden (z.B. Trommsdorff/Schuchardt/Lesche 1995; Lang 1998; Hoon-Halbauer 1999), ist es in den Zulieferbeziehungen eher ausschlaggebend, wie Anforderungen der deutschen Kunden mit dem Leistungsvermögen chinesischer Lieferanten in Einklang gebracht werden können: "[ ... ] the firms [... ] need to coordinate their activities to exchange information, to learn about the available and required quantities and qualities of production, and to accumulate knowledge about the nature and reliability of the business partners, as well as the technical characteristics of exchanged products and their future improvements." (lvarsson/Aivstam 2005: 87) Im folgenden Kapitel wird die methodische Vorgehensweise vorgestellt, um die Organisation von Zulieferbeziehungen und JointVentures zwischen chinesischen und deutschen Unternehmen der Automobilindustrie zu analysieren. Es wird die Eignung von Methoden diskutiert, die Fragestellung zu untersuchen, sowie gezeigt, welche Schwierigkeiten auftraten, im chinesischen Kontext die Untersuchungen zu organisieren und durchzuführen. Letztlich bestand auch für den Autor die Hürde, die kulturelle Feme zu chinesischen Gesprächspartnern zu überwinden.

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3

Methodische Vorgehensweise

Wie im vorhergehenden Kapitel dargestellt, werden über transnationale Direktinvestitionen Institutionen und Technologien aus einem Nationalen Innovationssystem in ein anderes transportiert. Unternehmen tun dies über die Einführung erprobter Organisationsstrukturen und Produktionsprozesse in den ausländischen Zweigwerken. Empirisches Ziel der Arbeit ist, zu analysieren, ob und wie sich die konzeptionell hergeleiteten strukturellen Unterschiede auf die Beziehungen zwischen individuellen und kollektiven Akteuren aus Deutschland und China auswirken. In diesem Kapitel wird dargestellt, wie die Empirie organisiert wurde. In Abschnitt 3.4 wird auf die Schwierigkeiten eingegangen, die bei den Erhebungen im chinesischen Kontext aufgetreten sind.

3.1

Wissenschaftstheoretische Perspektive

Die vorliegende Arbeit ist aufgrund ihrer Forschungsperspektive der relationalen Wirtschaftsgeographie zuzuordnen (Bathelt/Glückler 2003a, 2003b), in der ökonomische Strukturen und Prozesse aus einer räumlichen Perspektive betrachtet werden. Ökonomisches Handeln wird als soziales und kontextuelles Handeln aufgefasst, was die relationale Wirtschaftsgeographie von der Raumwirtschaftslehre unterscheidet, die von universell geltenden Gesetzen und einem streng ökonomisch rational handelnden Menschen ausgeht (Bathelt!Glüclder 2003a, 2003b). Im Gegensatz dazu basiert die relationale Wirtschaftsgeographie auf der Ontologie des kritischen Realismus, einer wissenschaftstheoretischen Perspektive, in der die Geltung universeller Gesetze, die menschliches Handeln leiten, verworfen und die Bedeutung des Kontextes für menschliches Handeln aufgewertet wird (Sayer 1992; Glückler 2002; Bathelt/

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KULTURELLE UNTERSCHIEDE BEl TRANSNATIONALEN DIREKTINVESTITIONEN

Glückler 2003a, 2003b; Snape/Spencer 2003). Kontexte haben eine räumliche Dimension, da sie erst durch den Raum mit jeweils eigenen Kausalbestimmungen entstehen können (Glückler 2002). Die Untersuchung der Fragestellung bedingte die Auswahl von Erhebungsmethoden, über die Handlungsmuster, Interaktionen und die Existenz unterschiedlicher Verständnisse bei den Akteuren erfasst werden konnten. So kamen hauptsächlich Methoden des qualitativen Forschungsparadigmas zum Einsatz. Durch die Einbettung von Handlungsmustern oder Entscheidungen in soziale Kontexte folgen sie bestimmten Sinnzusammenhängen. Mit Methoden des quantitativen Forschungsparadigmas hätten die Zusammenhänge bzw. das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Zusammenhänge im interkulturellen Kontext nicht befriedigend erfasst werden können (Lamnek 1995; Snape/Spencer 2003). Die primäre Verwendung qualitativer Methoden hat zur Folge, dass in der Arbeit nur begrenzt quantitative Angaben gemacht werden können, was auch nicht Hauptziel war. Dieses war vielmehr eine ganzheitliche Darstellung der Konsequenzen der Verankerung der Akteure in unterschiedlichen Kontexten für ihre Zusammenarbeit. Qualitative Ansätze haben die Konsequenz, dass die Untersuchungen nicht replikativ sind, was Markusen (1999) vielen wirtschaftsgeographischen Studien vorwirft. Sie können nicht replikativ sein, da die Analysen in komplexen sozialen Umfeldern stattfinden, in denen zeitund raumabhängige Faktoren Untersuchungsaspekte beeinträchtigen (Hudson 2003) und zudem qualitative Analysemethoden Interpretationen erfordern, was durch die Erfahnmg und das Wissen der Interpretierenden beeinflusst wird. Allerdings haben qualitative Methoden eine hohe Validität, d.h. die Methode gilt als akkurat, um die Realität darzustellen (Schoenberger 1991; Mayring 1996; Snape/Spencer 2003). Markusen (2003) bemängelt auch eine mangelhafte Repräsentativität der Untersuchungsergebnisse qualitativer Studien. Diese muss jedoch an der ontologischen Perspektive des Forschers gemessen werden. Eine Fordenmg nach Repräsentativität ist in einer positivistischen Sichtweise der sozialen Welt begründet, in der verdeckte Regelmäßigkeiten in der Gesellschaft angenommen werden. Fallbeispiele haben nicht den Anspruch, repräsentative Beispiele darzustellen, über die universelle ökonomische Regelmäßigkeiten aufgedeckt werden. Vielmehr sollen durch sie nach Maßgabe der wissenschaftstheoretischen Perspektive des kritischen Realismus kontextuelle Zusammenhänge des untersuchten Falles erklärt und theoretisch eingebettet werden. Aussagen, die aus Fallbeispielen abgeleitet werden, knüpfen an bestehende Konzepte an und tragen durch die Schließung von Wissenslücken zum Erkenntnisgewinn bei (Peck 2002; Hudson 2003; Lagendijk 2003; Snape/Spencer 2003).

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METHODISCHE VORGEHENSWEISE

Wichtig ist aber, die Vorgehensweise von Erhebung und Analyse transparent zu machen, damit das Zustandekommen der Ergebnisse nachvollzogen werden kann (Mayring 1996; Markusen 1999, 2003; Hudson 2002; Peck 2002; Lagendijk 2003). Dieses wird für die vorliegende Arbeit in den nachfolgenden Abschnitten vorgenommen.

3.2 Auswahl der Untersuchungsregion und -industrie Für die zu untersuchende Fragestellung bot sich aus folgenden Gründen eine Untersuchung der Automobilindustrie in Shanghai an: • Die Volksrepublik China und die Bundesrepublik Deutschland haben jeweils spezifische Entwicklungspfade durchlaufen, in denen sich wirtschaftlich, politisch und sozial sehr unterschiedliche Strukturen etabliert haben. Nach der im zweiten Kapitel dargestellten Ableitung struktureller Gegebenheiten auf Handeln und Vemetzungspotentiale müssten die nationalen Unterschiede Beziehungen zwischen deutschen und chinesischen Akteuren deutlich erschweren. • Die Volksrepublik China wird als wichtiger Wachstumsmarkt gesehen, der für die deutsche Industrie, nicht zuletzt für die Automobilindustrie, bereits eine hohe Bedeutung hat, die in Zukunft nach Meinung zahlreicher Wirtschaftsexperten und Politiker noch stark zunehmen wird (Wirtschaftswoche 2003, 2004). Daraus wurde ein Bedarf an wissenschaftlichen Ergebnissen zu den Integrationsmöglichkeiten deutscher und chinesischer Industrieunternehmen abgeleitet. • Beziehungen in der Wertschöpfungskette der Automobilindustrie sind gekennzeichnet durch eine langfristige Ausrichtung und einen intensiven Koordinationsbedarf (Pries 1999; Preissl/Solimene 2003; Ivarsson/Alvstam 2005). Letzterer bot gute Voraussetzungen für die geplante Untersuchung. • In der Automobilindustrie in Shanghai gibt es eine starke Präsenz deutscher Zulieferer, die im Gefolge von Volkswagen Zweigwerke errichtet haben. Sie sind horizontal über Gemeinschaftsunternehmen und vertikal durch den Beschaffungsmarkt mit chinesischen Zulieferem vemetzt. Explorative Gespräche mit Akteuren aus der chemischen Industrie zeigten, dass die Vernetzung deutscher mit chinesischen Unternehmen in dem Bereich in China viel geringer ist. • Zwar gibt es schon zahlreiche Publikationen zu den kulturellen Spezifika, auf die ausländische Unternehmen in China stoßen. Allerdings beschränken sich diese in der Regel auf die Untersuchung interkultureller Koordinationsprobleme in JointVentures und sind durch heu-

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KULTURELLE UNTERSCHIEDE BEl TRANSNATIONALEN DIREKTINVESTITIONEN



ristische Untersuchungsansätze charakterisiert (z.B. Trommsdorff/ Schuchardt!Lesche 1995; Lang 1998; Pothukuchi et al. 2002). Deduktive Studien zur Untersuchung deutsch-chinesischer Beziehungen sind Mangelware. Studien, die chinesisch-ausländische Zulieferbeziehungen analysieren, sind erst in den letzten Jahren entstanden (Yeung/Li 2000; Ivarsson/Aivstam 2005). Ein weiteres Argument für die Wahl der Untersuchungsregion war der enge Kontakt zu Prof. Zeng Gang von der East China Normal University Shanghai. Er und Mitglieder seiner Arbeitsgruppe waren wesentlich an Vorbereitung und Durchführung der Empirie beteiligt.

3.3

Untersuchungsdesign

Die Empirie wurde von September 2001 bis März 2005 durchgeführt. Insgesamt fanden fünf Forschungsaufenthalte in Shanghai statt. Der erste Aufenthalt ist der explorativen Phase zuzuordnen, in der Gespräche mit Unternehmensrepräsentanten aus mehreren Industriezweigen sowie Expertengespräche stattfanden. Während des zweiten Aufenthalts wurden hauptsächlich Leitfadeninterviews in der Automobilindustrie durchgeführt. Beim dritten Aufenthalt lag der Schwerpunkt in der Beobachtung von Unternehmensabläufen in Zulieferer-Joint Ventures (Abbildung 3.1). Der vierte Besuch musste aufgrund der SARS-Krise nach wenigen Tagen abgebrochen werden. Gespräche, die in dieser Phase stattfinden sollten, wurden im Frühling 2005 nachgeholt. Wie das skizzierte Untersuchungsdesign in Abbildung 3.1 zeigt, wurden zwar vermehrt qualitative Methoden eingesetzt, allerdings wurden sie auch durch quantitative Methoden ergänzt. Die Triangulation wurde vorgenommen, um die Validität zu optimieren (Jick 1979; Flick 1991). Nach Jick (1979) werden zwei Arten der Triangulation unterschieden: Die between-method, bei der verschiedene Methoden miteinander kombiniert werden, dient der externen Validation. Im Rahmen der Arbeit wurden Leitfadengespräche geführt, Beobachtungsmethoden angewendet und standardisierte Fragebögen verwendet, um Teilergebnisse zu überprüfen und Schwächen einzelner Methoden auszugleichen. Beobachtung sowie Fax- und Telefonbefragung kamen ergänzend zur Anwendung, da (a) durch die Beobachtung reale Interaktionen und nicht nur eine Beschreibung derselben erfasst werden und (b) durch die Befragung in Deutschland Angaben verifiziert werden sowie ergänzende Informationen erhoben werden konnten. Die within-method (Jick 1979) dient der internen Validation einer Methode, indem mehrere Fälle analy-

74

METHODISCHE VORGEHENSWEISE

siert werden. Dies geschah sowohl bei den Leitfadengesprächen als auch bei den Betriebsbeobachtungen. Abbildung 3.1: Abfolge der angewendeten Untersuchungsmethoden Kern der Untersuchung

I

Leitfadeninterviews

Direkte Beobachtung

Ergänzende Erhebung

I

Faxbefragung

I

Telefoninterviews

I

I

I

I

I

60 Gespräche (inklusive explorative Phase)

Drei

83 Zu lieferer aus Deutschland

27 Tnterviews mit

JointVentures

Repräsentanten der Zulieferer

Ziel:

Ziel:

Ziel:

Ziel:

Analyse der Zulieferbeziehungen/ des Aufbaus der Produktion

Analyse unternehmensintemer Abstimmungsprozesse

Analyse der Markteinstiegsstrategie in China

Analyse Markteins tieg und Steuerung der Zweigwerke in China

Leitfadeninterviews Das Leitfadeninterview, zu Beginn der Untersuchung die wichtigste Untersuchungsmethode, eignet sich sehr gut, um komplexe Phänomene und deren Ursachen in Unternehmen zu erfassen (Schoenberger 1991; Mayring 1996). Es ist zwischen der offenen Befragung und dem standardisierten Interview angesiedelt Inhalte und Reihenfolge der meist offenen Fragen sind fixiert. (Hopf 1991; Lamnek 1995). Vorteile des Leitfadeninterviews liegen darin, dass fokussiert aber flexibel einen Sachverhalt erkundet und durch Zwischenfragen Unklarheiten beseitigt bzw. Missverständnisse aufgeklärt werden können. Zudem werden möglicherweise wichtige Kausalfaktoren oder Untersuchungsaspekte identifiziert, die a priori nicht berücksichtigt waren (Schoenberger 1991 ). Noch mehr Flexibilität bieten offene Gespräche, in denen der Verlauf nicht mehr nach den Vorgaben des Leitfadens gesteuert wird. Wissenschaftler und Befragte unterhalten sich relativ frei. Der Interviewer formuliert jedoch Zwischenfragen und fordert zur Präzisierung auf, so dass Gesprächsinhalte im Rahmen der umgrenzten Fragestellung bleiben (Lamnek 1995). In Shanghai wurden in wenigen Fällen Gespräche gefUhrt, die zwischen Leitfadeninterview und offenem Gespräch einzuordnen sind. Beispielsweise war das der Fall, wenn das Gespräch während eines gemeinsamen Essens geführt werden musste.

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KULTURELLE UNTERSCHIEDE BEl TRANSNATIONALEN DIREKTINVESTITIONEN

Insgesamt wurden von 27 Automobilzulieferbetrieben in Shanghai Manager oder Bereichsleiter befragt (Tabelle 3.1). Die in Shanghai kontaktierten Unternehmen wurden über mehrere Quellen ausfindig gemacht. Eine Auflistung aller in China anwesenden deutschen Unternehmen der Automobilindustrie existierte nicht. Einige der Unternehmen waren in der Datenbank ,Liste Deutscher Firmen in China' (Botschaft der Bundesrepublik Deutschland 2000) aufgelistet. Zudem wurden Unternehmen kontaktiert, die im Online-Unternehmensverzeichnis der deutschen Außenhandelskammer Shanghai (GIC 2002) gelistet waren. Zu einigen Zweigwerken wurde der Kontakt über die Zentrale in Deutschland hergestellt. Während der Befragung in Shanghai wiesen Gesprächspartner zudem auf weitere deutsche Zulieferer hin, die ebenfalls angesprochen wurden. Die Kontaktaufnahme zu chinesischen Unternehmen erfolgte über Prof. Dr. Zeng Gang oder Mitglieder seiner Arbeitsgmppe. Die in Shanghai befragten Unternehmen der Automobilindustrie unterteilen sich wie in Tabelle 3.1 angegeben. Die absolute Mehrheit der Unternehmen war in der Produktion tätig. 1 Tabelle 3.1: Untersuchte Unternehmen der Automobilindustrie in Shanghai nach Funktion und Rechtsform

Produktion

Handelsgesellschaften

Repräsentanzen

Holdings

Dt. TochtergeseUschaften (WFOEs) Deutsch-chinesische JointVentures

15

Chinesische Unternehmen Sonstige

Direkte Beobachtung in JointVentures Interviews eignen sich sehr gut, um Entscheidungsstrukturen oder Prozessabläufe in Unternehmen zu erfassen, haben jedoch den Nachteil, dass die befragten Personen ihr eigenes Verhalten und das Verhalten anderer Personen interpretieren, so dass die Erfassung von subjektiven Wahrnehmungen der sozialen Umwelt unvermeidbar ist. Die dargestellte Handlung eines Befragten kann sich von der tatsächlich ausgeführten Handlung wesentlich unterscheiden. Dem gegenüber wird über die BeoFlankierend zu den Interviews in der Automobilindustrie wurden noch 13 Expertengespräche mit Repräsentanten von Rechtsanwaltskanzleien, Untemehmensberatungen, Zertifiziemngsorganisationen sowie deutschen Organisationen, die im Ausbildungsbereich in China tätig sind, geführt.

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METHODISCHE VORGEHENSWEISE

bachtung das faktische soziale Handeln von Individuen erfasst, das dann vom Beobachter interpretiert werden muss (Kromrey 1983; van de Graaf/Rottenburg 1989; Lamnek 1995). In drei Joint Ventures wurden deswegen Beobachtungen durchgeführt (vgl. Abbildung 3.1). Allerdings handelte es sich nicht um teilnehmende Beobachtung im engeren Sinne, da der Zeitraum der Beobachtung auf wenige Tage begrenzt war und zudem Abstimmungsprozesse in mehreren Unternehmen beobachtet werden sollten. 2 Eine teilnehmende Beobachtung, bei welcher der Forscher aktiv in Unternehmensabläufe eingebunden ist und damit selber mit den Situationen konfrontiert wird, die Beschäftigte erleben, wäre nur bei längeren Beobachtungen möglich gewesen, was den Rahmen der Untersuchung gesprengt hätte. Stattdessen wurden entweder deutsche Manager oder Produktionsleiter in den JointVentures über mehrere Arbeitstage begleitet und ihre alltäglichen Interaktionen mit chinesischen Mitarbeitern beobachtet. Durch die Beobachtung sollte erfasst werden, mit welchen Strukturen und Problemen sie tagtäglich konfrontiert waren und wie sie Beziehungen zu chinesischen Kollegen und Beschäftigten tatsächlich gestalteten. Aufgrund der engen Begleitung der fokalen Akteure handelte es sich um eine sehr intensive Art der Informationsaufnahme, die neben der eigentlichen Beobachtung vielfaltige Gespräche mit den betreffenden Personen umfasste. Ein vorher ausgearbeiteter detaillierter Beobachtungsplan erwies sich als nur eingeschränkt verwendbar, da die Beobachtung jeweils auf die Handlungen und Einbettung einer Hauptperson in den Unternehmenskontext fokussiert war. Die fokalen Personen nahmen jedoch unterschiedliche Funktionen in den Unternehmen wahr. Eng vordefinierte Beobachtungskategorien hätten die Wahrnehmung stark eingeschränkt. Die Aufzeichnung der gewonnenen Informationen wurde zeitnah vorgenommen. Die Beobachtungsprotokolle hatten im Durchschnitt einen Umfang von ca. zehn Textseiten pro Tag. Die Auswahl der Unternehmen für die Beobachtung erfolgte nach dem Prinzip des theoretical sampling (Lamnek 1995): Die Unternehmen schienen nach den zuvor gewonnenen Erkenntnissen aus den Interviews ideale Typen für die Untersuchung der Fragestellung zu sein. Es handelte sich um drei deutsch-chinesische JointVentures, die unterschiedlich 2

Die Beobachtung in einem vierten JointVenture wurde durch einen Fabrikbrand verhindert, durch den Fertigungs- und Montageanlagen vernichtet wurden. Der Brand wurde versehentlich durch chinesische Arbeiter ausgelöst, die vom deutschen Management aufgestellte Sicherheitsbestimmungen bezüglich der Lagerung leicht brennbarer Materialien nicht eingehalten hatten. Das Beispiel zeigt aufmakabre Art und Weise, dass die Einführung von Nmmen, die sich in einem Kontext bewert haben, in einen anderen erschwert wird, weil sie bisherigen Gewohnheiten zuwider laufen.

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KULTURELLE UNTERSCHIEDE BEl TRANSNATIONALEN DIREKTINVESTITIONEN

lange in Shanghai produzierten. Gleichzeitig hatten die beteiligten deutschen Zulieferer unterschiedlich viele ausländische Führungskräfte nach China geschickt (vgl. Tabelle 6.2). Die drei Beispiele boten so Gelegenheit für die Untersuchung der Aspekte, ob sich die Dauer des Aufenthalts sowie die Größe des deutschen Führungsteams auf die Anpassung der deutschen Akteure ausgewirkt hatten. Die Methode erwies sich im Lauf der Untersuchung als sehr wertvoll, um unternehmensinterne Strukturen und Abläufe zu analysieren. Über sie konnte eine bessere Innenperspektive als über die Interviews gewonnen werden - eine Vertiefung in das zu untersuchende soziale Umfeld, um es aus der Perspektive der Handelnden zu verstehen. Durch die Teilnahme an den Tagesabläufen der fokalen Personen und der Beobachtung der Interaktionen sowie Strukturen in den Betrieben war es möglich, Aussagen aus den Interviews zu überprüfen sowie ergänzende Informationen zu gewinnen. Es gab keine Indizien daftir, dass das Verhalten der fokalen Akteure oder der anderen Mitarbeiter der Joint Yentures durch die Beobachtung spürbar beeinflusst wurde.

Schriftliche Befragung und Telefoninterviews in Deutschland Die Erhebung in Shanghai wurde durch eine Befragung in Deutschland ergänzt, in der Aspekte der Produktion der Zweigwerke in China erfasst wurden, die maßgeblich in der Steuerungskompetenz der Zentralen verankert sind: Wahl des Standorts, Wahl der Unternehmensform und Auswahl des Führungspersonals der Zweigwerke. Zudem sollte das Verhältnis zwischen Zweigwerk und Zentrale näher beleuchtet sowie analysiert werden, wie stark die Zentralen Einfluss auf die Beschaffungsstrategien der Zweigwerke nahmen. Im Winter 2003/04 wurde ein standardisierter Fragebogen an 500 Automobilzulieferer geschickt. 83 der zurückgesendeten 99 Fragebögen waren auswertbar. Von den 83 Unternehmen wurden wiederum 27 ausgewählt, mit denen mit Unterstützung einer studentischen Projektgruppe zusätzlich kurze Leitfadeninterviews per Telefon abgehalten wurden, um die aus der schriftlichen Befragung gewonnenen Erkenntnisse zu vertiefen. Insgesamt entstand so ftir die gesamte Untersuchung das in Abbildung 3.2 skizzierte Design.

3.4 Zur Problematik sozialwissenschaftlicher Erhebungen in China Bei sozialwissenschaftliehen Erhebungen im Ausland müssen Forscher generell - ähnlich wie entsandte Fachkräfte in der Industrie - die kulturelle Distanz bei der Vorbereitung und Durchführung von Untersuchun-

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METHODISCHE VORGEHENSWEISE

gen überbrücken. Im Fall der vorliegenden Arbeit wurde deutlich, dass erhebliche Unterschiede beim Zugang zu chinesischen Unternehmen oder bei der Gesprächsführung mit chinesischen Akteuren im Vergleich zu Befragungen im deutschen Kontext auftreten können. Zudem stellte sich das Problem, dass erhaltene Aussagen von chinesischen Gesprächspartnern oder beobachtete Verhaltensweisen chinesischer Mitarbeiter interpretiert werden mussten. Hierzu zeigte sich ein Abgleich der Interpretation mit chinesischen Kollegen als äußerst hilfreich. In diesem Abschnitt wird dargestellt, welche Konsequenzen die speziellen Charakteristika des chinesischen Kontextes für die Erhebung hatten und wie versucht wurde, die kulturelle Distanz bei der Erhebung zu überb1ücken.

3.4.1 Zur notwendigen Annäherung an das Verständnis des anderen Sinnsystems Die Sichtweise eines Forschers bei der Beobachtung und Interpretation fremder Verhaltensweisen kann nicht objektiv sein, da er selbst in einen kulturellen Kontext eingebunden ist und Verhaltensphänomene anderer aus seinem spezifischen Blickwinkel interpretiert. So können Verhaltensweisen verkehrt oder gar nicht eingeordnet werden, wenn Wissenschaftler nicht versuchen, Sinngebungen des untersuchten Kontextes zu verstehen (Hofstede 1997; Herrmann-Pillath 2000). Dass dieses schon bei geringer kultureller Distanz Probleme aufwerfen kann, zeigt das Beispiel, dass Umfragemethoden der Meinungsforschung, die in Westdeutschland erprobt und für gut befunden wurden, in der ehemaligen DDR keine akzeptablen Ergebnisse erbrachten. Bestimmte dort vorherrschende soziale Phänomene waren in Westdeutschland unbekannt und wurden nicht erfragt. Zudem hatten Begriffe wie ,Leistung' oder ,Vaterland' unterschiedliche Wertigkeiten (Meulemann 1998; Schmidt 1998). Studien in China, die anhand von in Europa erproben standardisierten Fragebögen nationale Organisationsmerkmale oder Managementtechniken ergründen wollten, erbrachten wenige brauchbare Ergebnisse (Adler/Campbell/Laurent 1988; Hofstede 1997). In der Studie von Adler/Campbell/Laurent (1988) wurde beispielsweise versucht, über eine schriftliche Befragung Entscheidungsmuster chinesischer Manager zu ergründen. Schon bei der Übersetzung des Fragebogens ins Chinesische kam es zu Fehlern, da zum Teil die entsprechenden Begriffe in der chinesischen Sprache fehlten. Weiterhin stellten die Forscher im Nachhinein fest, dass die Befragten über ihre Antworten eher Idealvorstellungen anstelle der Realität abdeckten, vermutlich dadurch beeinflusst, dass sie beim Ausfüllen der Fragebögen von Mitgliedern der KPCh beobachtet wurden. In 55 Prozent der Fragen konnten keine Ergebnisse erzielt

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werden, da sich die Antworten jeweils um mehrere Optionen häuften. Mögliche Ursachen sahen die Autoren unter anderem darin, dass ihre Fragen anders als beabsichtigt verstanden wurden. Ihre Untersuchung verfehlte deshalb das Ziel, das chinesische Managementmodell zu ergründen, lieferte allerdings wertvolle Erkenntnisse über die Anwendbarkeit von Methoden in China. Adler/Campbeii/Laurent (1988: 71) hinterfragten dementsprechend ihr Vorgehen: "Are we asking the right questions to understand them, or are we merely asking how similar Asian managers are to westemers on dimensions that have been found to be meaningful in explaining westem managerial behaviour? Will we need to develop more indigenous models, questions and methods perhaps more fundamentally based on anthropological methods - if we are to begin to understand ,them' notjust as a reflection of ,us'?" Ohne ,Eintauchen' in den zu untersuchenden Kontext, bei dem der Forscher mit dort vorherrschenden Sinngebungen vertraut wird, kann deshalb eine sozialwissenschaftliche Fragestellung nicht befriedigend untersucht und interpretiert werden. Dies geschah bei den Erhebungen zur vorliegenden Arbeit über ein breites Studium von Sekundärliteratur sowie die Verifikation der Interpretation der erhobenen Daten in Besprechungen mit Kollegen und Studierenden von der East China Normal University in Shanghai. Besonders Frau Je Weihua war oft bei Interviews anwesend und übersetzte bei Bedarf. Nach den Gesprächen half sie bei der Interpretation der Informationen und Eindrücke um Fehlinterpretationen des Autors vorzubeugen. Zudem wurden Gesprächsinhalte mit Prof. Zeng Gang und Mitgliedern seiner Arbeitsgruppe diskutiert.

3.4.2 Organisation der Erhebung Der Sozialwissenschaftler wird in einem fremden kulturellen Kontext nicht nur mit dem Problem konfrontiert, die Angepasstheit seiner Fragen an den Kontext zu hinterfragen und die Verankerung der Antworten aus einem anderen Sinnsystem heraus verstehen zu müssen. Es ist zudem notwendig, die Organisation der Erhebung an den Kontext anzupassen (Redding 1993). Das betrifft beispielsweise die Kontaktaufuahme mit den potentiellen Gesprächspartnern, die Art der Befragung und die Aufzeichnung der Gespräche. Die Sprachbarriere in Gesprächen mit chinesischen Gesprächspartnern, die weder Deutsch noch Englisch sprachen, wurde durch die Unterstützung von Frau Je Weihua überwunden. Sie übersetze die Fragen vom Englischen ins Chinesische und die Antworten zurück ins Engli-

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METHODISCHE VORGEHENSWEISE

sehe. Problem bei Dolmetscherprozessen ist jedoch, dass bereits eine Interpretation und Reduktion der zu übersetzenden Passagen durch den Dolmetscher erfolgt, wie auch bei den durchgeführten Gesprächen geschehen. Es ist davon auszugehen, dass ohne Übersetzung die Aufzeichnungen inhaltsreicher gewesen wären. Zugang zu chinesischen Gesprächspartnern und Unternehmen Der Zugang zu deutschen Gesprächspartnern in Shanghai gestaltete sich in der Regel unproblematisch. Nur in etwa 10 Prozent der Anfragen gab es Absagen. Schwieriger war es bei chinesischen Gesprächspartnern und Unternehmen. Während bei potentiellen chinesischen Gesprächspartnern in Unternehmen mit deutscher Beteiligung ebenfalls relativ problemlos Termine vereinbart werden konnten - allerdings musste in den meisten Fällen das Vorhaben weitaus detaillierter vorgestellt werden -war die Erfolgsquote bei chinesischen Unternehmen viel geringer. Nur etwa jedes fünfte kontaktierte Unternehmen erklärte sich nach mehreren Rückfragen letztlich zu einem Interview bereit. Dies mag daran liegen, dass Interviews, die lediglich Forschungszwecken dienen, in der chinesischen sozialwissenschaftliehen Forschung nach Angaben der Kooperationspartner eher unüblich sind. In der Regel finden sie eher dann statt, wenn ein Auftrag von Regierungsstellen vorliegt und die zu befragenden Organisationen entweder , verpflichtet' werden, an der Untersuchung teilzunehmen oder sich Vorteile von der Teilnahme versprechen. Generell kann festgestellt werden, dass der Zugang zu chinesischen Gesprächspartnern einfacher war, wenn der Kontakt über Akteure hergestellt wurde, die eine gute Beziehung zum Gesprächspartner unterhielten. Die Vermittlung kannjeweils als Produkt von guanxi, guten persönlichen Beziehungen der vermittelnden Akteure, betrachtet werden (vgl. Kapitel 6). Die betreffenden Gesprächspartner nahmen sich entsprechend Zeit, um Fragen zu beantworten. In zwei Fällen, in denen eine solche Vermittlung erfolgte, erklärten die Gesprächspartner explizit, dass ohne diese ein Interview nicht zustande gekommen wäre (G021, G041). 3 In Fällen, in denen der Kontakt ohne Vermittlung hergestellt 3

Allerdings können selbst bei einer Vermittlung Hindernisse auftreten. Beispielsweise kam die Teilnahme an einer Auditierung trotz Vermittlung durch den Geschäftsführer der Zertifizierungsgesellschaft und schriftlicher Zusage nicht zustande (U025). Eine seiner Angestellten und Personal des zu beobachtenden Joint Ventures verzögerten den Beginn der Beobachtung z.B. mit Verweisen auf die Notwendigkeit, dass noch weitere Personen der Beobachtung zuzustimmen hätten, die allerdings nicht erreichbar waren bzw. kein Englisch sprachen. Die Beobachtung kam letztlich nicht mehr zustande. Allerdings hatte es auch keine klare Absage gegeben, bei der der Vermittler oder die um den Gefallen gebetene Person ihr ,Gesicht'

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wurde, fiel es einigen Gesprächspartnern schwer, die Rolle des Autors richtig einzuschätzen. Bei ihnen nahm die Antwortbereitschaft ab, als sie nach der Gesprächseinleitung feststellten, dass sie aus rein wissenschaftlichem Interesse aufgesucht worden waren (G037, G038). So unterschied sich die Auskunftsbereitschaft der chinesischen Gesprächspartner insgesamt stark von jener der deutschen Gesprächspartner. Während viele der deutschen Gesprächspartner erfreut darüber schienen, dass sich jemand über ihre Situation an der Schnittstelle zwischen zwei Kulturen und die damit verbundene Problematik interessierte, waren Auskünfte von chinesischen Gesprächspartner, vor allem von denen, die noch keine oder wenige Erfahrungen mit westlichen Geschäftspartnern hatten, sehr viel schwieriger zu erhalten.

Durchführung von Interviews Nach Redding (1993) ist im chinesischen Kontext ein Vertrauensverhältnis zwischen Interviewer und Befragtem der Schlüssel zum Erfolg eines Interviews. Dazu sind seiner Ansicht nach drei Bedingungen notwendig: (1.) Sozialer Status und gegenseitiger Respekt zwischen Interviewer und Befragtem müssen ungefahr gleich verteilt sein; (2.) es muss genug Zeit zum reflektieren, debattieren und diskutieren vorhanden sein und es muss (3.) eine Atmosphäre erzeugt werden, welche die Befragten dazu verleitet, Informationen von sich zu geben. Um den drei Bedingungen gerecht zu werden, lud Redding (1993) seine Gesprächspartner zun1 Essen ein und befragte sie während dessen. Er brachte ihnen durch die Einladung Respekt entgegen und zeigte, dass er bereit und in der Lage war, in die Beziehung zu investieren. Damit nutzte er Mechanismen, die Hwang (1987) als ,Chinese power game' bezeichnet. Bei einer Überprüfung der ErfUIIung der drei Bedingungen von Redding (1993) muss festgestellt werden, dass der Autor der ersten eher nicht und der zweiten und dritten erst nach einer Lernperiode gerecht werden konnte. Die Gespräche mit chinesischen Gesprächspartnern, die weder in Deutschland studiert noch gearbeitet hatten, verliefen demgemäß äußerst unterschiedlich. Neben guten Gesprächen nach einer Lernphase waren einige auch sehr kurz oder dadurch geprägt, dass kaum wichtige Informationen preisgegeben wurden (G023, G037, G038, verloren hätten (vgl. Kapitel 6). In einem anderen Fall sollten zwei Angestellte einer Behörde (U037) in einem Restaurant zu einem Projekt der Stadt befragt werden, dass die Entwicklung der Automobilindustrie tangierte. Die beiden Gesprächspartner gaben nur Informationen aus einer Pressemitteilung preis und schlugen eine Essenseinladung aus, deren Annahme sie zu einer Gegenleistung verpflichtet hätte. Mit ihrem Erscheinen hatten sie ihre Pflicht gegenüber dem Vermittler erfüllt. Die Beantwortung der Fragen sahen sie scheinbar nicht mehr als ihre Aufgabe an.

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METHODISCHE VORGEHENSWEISE

G047). Bei zwei Gesprächen ließen sich die Gesprächspartner nach wenigen Minuten entschuldigen und durch eine andere Person aus dem Unternehmen vertreten, als sie den Status des Autoren und den Zweck der Befragung erfuhren (G037, G038). Die Anpassung an einen ,chinesischen' Interviewstil erfolgte, als Frau Je Weihua nach den ersten Gesprächen anmerkte, dass in den Interviews mehr Zeit für die Einleitung reserviert und diese als Zeremonie aufgefasst werden sollte, in der Befragter und Interviewer Zeit haben, sich näher kennen zu lernen. Sie kritisierte den fokussierten Interviewstil und schlug vor, die Fragen weniger direkt zu formulieren. Eine Beachtung der zwei Richtlinien führte dann auch dazu, dass die meisten weiteren Gespräche mit chinesischen Gesprächspartnern in einer deutlich produktiveren Atmosphäre abliefen.

Aufzeichnung der Gespräche Eine Aufzeichnung der Gespräche war in den meisten Fällen unerwünscht. Sowohl deutsche als auch chinesische Gesprächspartner signalisierten, dass sie keine Aufnahme der Gespräche wollten. Einige deutsche Gesprächspartner gaben an, dass sie ihre Arbeit in einem Spannungsfeld zwischen lokalen Anforderungen und den Richtlinien der Zentrale in Deutschland verrichten würden und nicht riskieren wollen, dass ihre Aussagen an ,ungeeigneten Stellen' auftauchen würden. Von den chinesischen Gesprächspartnern waren nur zwei bereit, das Gespräch mit eingeschaltetem Diktiergerät zu führen (GPOOl, GP013). Beide hatten mehrere Jahre in Deutschland studiert und gearbeitet. Es ist anzunehmen, dass die Befürchtung bei den Gesprächspartnern vorherrschte, etwas Falsches zu sagen, was unter Umständen über die Aufnahme bzw. die Stimme ihnen leicht zuzuordnen gewesen wäre. So konnten nur zehn der 60 Gespräche aufgezeichnet und später transkribiert werden. 4 War keine Aufnahme möglich, wurde während des Gesprächs ein Protokoll angefertigt und zeitnah ergänzt.

3.5 Datenaufbereitung, -analyse und -präsentation Bei den verwendeten Untersuchungsmethoden wurden - sieht man von der Faxbefragung ab - qualitative Daten in Form von Transkripten bzw. Gesprächs- oder Beobachtungsprotokollen erzeugt. Im folgenden Abschnitt wird dargestellt, wie die Daten verdichtet und analysiert wurden. Der Prozess basierte im Wesentlichen auf dem von Ritchie/Spen4

Ganz anders reagierten die Gesprächspartner bei den Telefoninterviews in Deutschland: Von 27 Interviews konnten 26 aufgezeichnet werden.

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KULTURELLE UNTERSCHIEDE BEl TRANSNATIONALEN DIREKTINVESTITIONEN

cer/O'Connor (2003) vorgestellten Verfahren der qualitativen Inhaltsanalyse und ist in Abbildung 3.2 schematisch dargestellt. Sämtliche Transkripte und Protokolle wurden als Textdokumente in eine Datenbank eingefügt. In einem ersten Bearbeitungsschritt wurden die Dokumente anschließend gesichtet und eine hierarchische Indexliste der wichtigsten abgefragten Themen mit untergeordneten Inhaltspunkten erstellt. Nach diesem Bearbeitungsschritt wurden die Rohdaten ein weiteres Mal gesichtet und einzelne Passagen der Transkripte bzw. Protokolle den Indizes zugeordnet. So entstanden mehrere Datenmatrizen, in der zeilenweise die Untersuchungsobjekte (je nach Untersuchungsebene Unternehmen bzw. individuelle Akteure) und spaltenweise die Untersuchungsaspekte nach Maßgabe des hierarchischen Indexes angeordnet wurden. Die Rohdaten wurden daraufhin in die Datenmatrizen übertragen. Abbildung 3.2: Datenaufbereitung und -analyse

..

Datenaufbereitung

Erstellung eines hierarchischen Jndexes der Untersuchungsaspekte

Kodierung und Sortierung des Datenmaterials

Identifi kation der Dimensionen der Untersuchungsaspekle

Reduktion des Datenmaterials

Datenanalyse Klassifizierung/ Typisierung

Bildung von Kategorien der Untersuchungsaspekte

Typenbildung aufgrundmultipler Ähnlichkeiten

..

Zuordnung der Fälle zu den Typen

...... Identifikation von Erklärungszusammenhängen

Quelle: Nach Ritchie/Spencer/O'Connor 2003

Im Anschluss daran erfolgte die Reduktion des Datenmaterials. Das Rohmaterial wurde verdichtet, indem die wichtigsten Inhaltspunkte der einzelnen Passagen herausgefiltert wurden, ohne sie inhaltlich zu verfälschen: "[ ... ] summarizing without losing content or context [ ... ]" (Ritchie/Spencer/O'Connor 2003: 231). 5 Nach dem Schritt wurde spal-

5

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Bei der Darstellung der beobachteten Situationen und Abstimmungen in den drei Joint Ventures wurde das Datenmaterial nach den Beziehungen der fokalen Personen geordnet, in denen sich die Situationen abgespielt

METHODISCHE VORGEHENSWEISE

tenweise die Spannweite der Ausprägungen eines Untersuchungsaspekts erkennbar. Dadurch konnten induktiv Kategorien gebildet werden, denen die untersuchten Elemente zugeordnet wurden. Benennung der Kategorien und Zuordnung der reduzierten Daten zu diesen sind interpretative Prozesse, die durch die Ableitung der Kategorien und ihre Beschreibung aber transparent bleiben. Nach der Kategorisierung erfolgte auf Grundlage der Kategorien eine Typisierung der Untersuchungsobjekte. 6 Dabei wurden jeweils aufgrund von Ähnlichkeiten bei mehreren Untersuchungsaspekten Typen gebildet und die Untersuchungsobjekte diesen eindeutig zugeordnet. Bei der Typenbildung wurden einige Untersuchungsaspekte als dominant gesetzt, da sonst der Prozess zu komplex geworden wäre. Ein letzter Schritt der Analyse diente der Identifikation und Erklärung von Sinnzusammenhängen. Die identifizierten Kategorien der einzelnen Untersuchungsaspekte oder Typen von Akteuren werden in den folgenden Kapiteln durch so genannte Ankerbeispiele veranschaulicht: Es handelt sich hierbei um Aussagen der Gesprächspartner, die aufgrundder Analyse als besonders typisch für eine Kategorie bzw. einen Typ angesehen werden (Lamnek 1995; Mayring 2003).

6

hatten. Es wurde danach ebenfalls reduziert und verdichtet. Eine Typenbildung erfolgte nach der Qualität der Beziehungen. Der Prozess der Typisierung ist genau wie die Prozesse der Indexierung und Kategorisierung nicht linear, sondern beinhaltet Abänderungen der Indizes bzw. Typen und Kategorien sowie Neuzuweisungen, da im Verlauf der Auswertung die Vertrautheit mit den Daten zunimmt (Ritchie/Spencer/O'Connor 2003).

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4

Die Automobilindustrie in China als Schnittstelle Nationaler Innovationssysteme

In den folgenden Abschnitten werden Entwicklung und heutige Strukturen der Automobilindustrie zunächst in Deutschland und anschließend in China dargestellt. Es wird dargestellt, dass die Strukturen in China Resultat des Zusammenspiels mehrerer Faktoren sind: (a) Der Globalisierungsstrategien der großen europäischen, nordamerikanischen und japanischen Automobilhersteller, (b) damit verbundenen Umstrukturierungen der Wertschöpfungskette der Automobilindustrie sowie (c) der wirtschaftlichen Entwicklung und spezifischen industriellen Organisationformen in China. Die Entwicklungen in Shanghai, dem bedeutendsten Zentrum der Automobilindustrie in China (KPMG 2003; Depner/Bathelt 2005), werden extra betrachtet, da hier die Empirie durchgeführt wurde.

4.1

Globalisierungs- und Umstrukturierungsprozesse in der deutschen Automobilindustrie

Die Automobilindustrie spielt eine Vorreiterrolle in der Globalisierung der Wirtschaft. Konzerne wie General Motors, Toyota oder Volkswagen haben ihre Produktions- und Distributionsnetze mittlerweile weltweit auf die wichtigsten Märkte ausgedehnt (Dicken 2003a). Die Expansion erfolgte im Wesentlichen in den letzten zwanzig Jahren. Bis in die 1980er Jahre konzentrierten sich europäische, nordamerikanische und japanische Automobilhersteller weitgehend auf die Produktion und den Verkauf ihrer Fahrzeuge in den Heimatmärkten. Der bis dahin relativ

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KULTURELLE UNTERSCHIEDE BEl TRANSNATIONALEN DIREKTINVESTITIONEN

stabile Wettbewerb wurde dann jedoch durch japanische Hersteller gestört, die zunächst Pkw in die USA und nach Europa exportierten. Nach Einführung von Protektionsmaßnahmen der USA und der europäischen Länder gingen sie dazu über, dort Zweigwerke aufzubauen, so genannte transplants (Mair/Florida/Kenney 1988; Florida/Kenney 1991). US-amerikanische und europäische Hersteller mussten reagieren, da ihre Absätze stagnierten und die japanischen Hersteller zunehmend Marktanteile eroberten (Gaebe 1993; Schamp 1995, 2000; Dicken 2003a). Wachstumsoptionen boten die so genannten ernerging markets in Süd- und Mittelamerika sowie Asien: Anfang der 1990er Jahre hatten die zehn weltweit größten Automobilhersteller 28 Werke in den elf größten Wachstumsmärkten (v. a. in China, Indien, Brasilien und Argentinien), Ende der 1990er bereits 68 Werke (Ö hUallachain/Wasserman 1999; Humphrey 2000; Humphrey/Memedovic 2003). 1 Die deutsche Automobilindustrie war bis Anfang der 1990er Jahre wenig globalisiert. Volkswagen hatte als einziger deutscher Hersteller Werke in Südamerika und Asien, um abgeschottete Märkte mit Modellen zu versorgen, die sich in Deutschland bewährt hatten, hier in der Form aber nicht weiter produziert wurden. BMW und Daimler-Benz konzentrierten ihre Produktion in Deutschland. Von den deutschen Zulieferem hatten einige zwar im Ausland investiert, allerdings hauptsächlich in Westeuropa (Pries 1999; Belis-Bergouignan/Bordenave/Lung 2000). Mittlerweile stellt sich die Situation anders dar. Die Auslandsproduktion deutscher Pkw-Hersteller hat sich durch Aufnahme oder Erweiterung von Produktionskapazitäten im Ausland sowie Akquisitionen deutscher Hersteller vor allem in den 1990er Jahren stark erhöht. Lag ihr Produktionsanteil im Ausland 1990 noch bei 26 Prozent, so hatte er sich bis zum Jahr 2000 aufnahezu 42 Prozent erhöht (Tabelle 4.1). Unter den ernerging markets hat neben Brasilien vor allem China in den letzten Jahren eine starke Aufwertung als Produktionsstandort erfahren. Nach Deutschland und Spanien ist China inzwischen der drittwichtigste Produktionsstandort deutscher Automobilhersteller (VDA 2004b). Aber auch für japanische oder amerikanische OEM ist China interessant geworden. Durch die Freigabe der Preise und der Zunahme der Kaufkraft von Privatkunden konnten in den letzten Jahren die PkwAbsatzzahlen vervielfacht werden. Von 2000 bis 2003 hat sich die Herstellerzahl verdoppelt und die der produzierten Modelle mehr als verWeitere Wachstumsmöglichkeiten wurden durch Fusionen oder Akquisitionen realisiett. So haben Volkswagen, Daimler-Benz und BMW in den 1990er Jahren versucht, sich über Zukäufe oder strategische Partnerschaften zu vergrößern und die Angebotspalette zu erweitern (Pries 1999; Schamp 2000; Dicken 2003a).

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DIE AUTOMOBILINDUSTRIE IN CHINA

dreifacht (ARA 2002, 2004). Die Eröffnung neuer Werke von OEM hat dazu geführt, dass in ihrem Gefolge vermehrt auch ausländische Zulieferer Produktionskapazitäten in China aufgebaut haben: Von 1990 bis 2004 hat sich die Präsenz deutschen Automobilzulieferer in China nach Anzahl der Betrieben mehr als versechsfacht (VDA 2005a: 14).

Tabelle 4.1: Inlands- und Ausland~produktion deutscher Pkw-Hersteller von 1970 bis 2004 Jahr

1970

1980

1990

2000

2003

2004

Inlandsproduktion

3.527.864

3.520.934

4.660.657

5.131.918

5.145.403

5.192.19 1

Auslandsproduktion

545 .760

1.11 4.967

1.638.304

3.698.244

4.009.9 15

4.220.499

Gesamtproduktion

4.073.624

4.635.901

6.298.961

8.830.162

9. 155.3 18

9.412.690

Produktionsanteil Ausland

J3.40%

24,05%

26,0 1%

41,88%

43,80%

44,8%

Quellen: VDA 199 5, 2004b, 2005b

4.1.1 Intensivierung der Beziehungen zwischen Automobilherstellern und ihren Zulieferem Auf den zunehmenden Wettbewerbsdruck durch die japanische Konkurrenz reagierten die deutschen Automobilhersteller neben der internationalen Expansion auch mit einer Modelloffensive, die au f einer Umstrukturierung der Fertigungsprozesse aufbaute. Fahrzeugmodule wurden nun so konstruiert, dass sie in mehreren Modellen eingesetzt werden konnten. Zudem basierten die Modelle auf immer weniger Bodengruppen? So sollten neben economies of scale auch economies of scope realisiert werden (Schamp 2000). Die Übertragung von Entwicklungs-, Design-, Produkthaftungs- und Logistikrisiken an Zulieferer sollte zudem Entwicklungs- und Produktionskosten senken (Schumann 1997; Pries 1999; Bain & Company 2002; Veloso/Kumar 2002; Humphrey/Memedovic 2003; Preissl!Solimene 2003). Die von den OEM initiierten Umstrukturierungen erfassten die gesamte W ertschöpfungskette. Automobilhersteller reduzierten die Anzahl ihrer Zulieferer und bildeten mit wichtigen Direktlieferanten enge Kooperationen, indem sie ihnen zunehmend Fertigungs- und Entwicklungsaufgaben übertrugen. So konnte eine schlanke Produktion umgesetzt werden, die es den OEM erlaubte, sich auf ihre Kernkompetenzen 2

Volkswagen produzierte 1992 27 Modelle, die auf 20 diversen Bodengruppen aufuauten. Bis 1997 wurde deren Zahl auf vier reduziert werden, während die der Modelle auf 32 stieg (Preissl/Solimene 2003: 82).

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KULTURELLE UNTERSCHIEDE BEl TRANSNATIONALEN DIREKTINVESTITIONEN

zu beschränken (Schamp 2000; Preissl/Solimene 2003).3 Die Fertigungstiefe der deutschen Automobilhersteller verringerte sich von ca. 35 Prozent in den 1980er Jahren auf unter 25 Prozent (VDA 2003). Andere europäische OEM wie Renault, Fiat oder PSA reduzierten zum Teil noch stärker ihren Wertschöpfungsanteil (Veloso/Kumar 2002).4 Die Umstrukturierungsprozesse führten dazu, dass sich eine hierarchische Struktur in der Automobilindustrie entwickelte, an deren Spitze Modul- und Systemlieferanten als First-Tier-Zulieferer stehen, die direkt an die OEM liefern und mit diesen eng zusammenarbeiten. Sie koordinieren die Zulieferer der darunter liegenden Glieder der Wertschöpfungskette, die Komponenten, Teile oder Rohmaterialien produzieren. Modullieferanten unterscheiden sich von Systemlieferanten, da sie Komponenten sowie Teile von Systemen zu einem Gesamtmodul zusammensetzen (beispielsweise zum Cockpit oder zum Türmodul). Sie müssen über eine hohe Logistildmmpetenz verfügen und diverse Prozesse von der Produktentwicklung über die Vorserie bis zum Abruf zur Serienproduktion erfolgreich koordinieren können. Systemlieferanten dagegen müssen in der Lage sein, technologisch und funktionell zusammenhängende Bauteile, die an verschiedenen Stellen im Fahrzeug eingesetzt werden (beispielsweise Bremsanlagen oder Antriebsstränge), zu entwickeln, an unterschiedliche Kundenansprüche anzupassen und zu produzieren. Entwicklungskosten machen bei ihnen in der Regel einen höheren Anteil am Umsatz aus als bei Modul-, Komponenten- oder Teilelieferanten (Florida/Kenney 1996; Bain & Company 2002; Veloso/Kumar 2002; Humphrey/Memedovic 2003). Komponentenzulieferer stellen kleinere, aus mehreren Teilen oder Materialien bestehende Einheiten her (beispielsweise Steuergeräte, Schlösser). Teilezulieferer haben sich entweder als Prozessspezialisten etabliert (z.B. Stahl-, Aluminium- oder Kunststoffgießereien) oder produzieren einfache, zum Teil standardisierte Teile wie Schrauben oder Federn. Vor allem im Bereich der standardisierten Teile findet der Wettbewerb hauptsächlich über den Preis statt (Humphrey 2000; Bain & 3

4

90

Durch die Umstrukturierungen konnten deutsche und ausländische OEM die Anzahl ihrer Direktlieferanten deutlich reduzieren: 1986 hatte BMW 1400 Direktlieferanten, 1996 nur noch 900. Bei Chrysler sank die Anzahl im gleichen Zeitraum von ca. 3000 auf ca. 1000 (Veloso/Kumar 2002: 10). Bei Renault und PSA folgte die Neustrukturierung der Zusammenarbeit nicht dem deutschen Muster. Die weitaus hierarchischere Beziehung zwischen französischen OEM und ihren Zulieferem wurde reproduziert. Das Leistungsvetmögen der Zulieferer wurde vor allem durch staatliche Förderprogramme erhöht (Hancke 2003). In der deutschen Automobilindustrie erzielten die Zulieferer Qualitätsverbesserungen aufgrund der Kompetenzübertragung durch die OEM und der engeren Zusammenarbeit.

DIE AUTOMOBILINDUSTRIE IN CHINA

bewerb hauptsächlich über den Preis statt (Humphrey 2000; Bain & Company 2002; Humphrey/Memedovic 2003). In den 1990er Jahren nahmen Unternehmenszusammenschlüsse und -akquisitionen unter Zulieferem in Deutschland und auch weltweit stark zu. In einigen Produktbereichen bildeten sich Oligopole. Für First-TierZulieferer wurde es durch Outsourcing- und Konsolidierungsstrategien der OEM zum Gebot, umfangreiche Kernkompetenzen zu entwickeln, um die Beziehung zu den weniger werdenden Kunden durch einen höheren Nutzwert für diese zu festigen. Gleichzeitig mussten sie wachsen, um nicht aufgekauft zu werden. Die Konzentrationsprozesse dauern auch heute noch an und erhalten Nahrung durch die fortgesetzte Reduktion der Fertigungstiefe bei den Automobilherstellern (Heftrich 2001; Automobil-Produktion 2002; Dudenhöffer 2002). Die Unternehmensberatung Bain & Company (2002) schätzt, dass weltweit die Zahl der First- und Second-Tier-Zulieferer von etwa 10.000 im Jahr 2000 auf ca. 3000 im Jahr 20 lO sinken wird. 1990 waren es noch 30.000 Zulieferer. 5

Neuorganisation von Forschung und Entwicklung Nach dem starken Rückgang der Absatzzahlen Anfang der 1990er Jahre haben die deutschen Automobilhersteller auch begonnen, die Produktentwicklung neu zu organisieren. Diese dauerte im Vergleich zu den japanischen Konkurrenten relativ lange (Schamp 2000). Die Anforderungen bestanden darin, die Fahrzeuge technologisch zu verbessern und verstärkt nach Kundenwünschen zu konzipieren. So wurden vermehrt Entwicklungsleistungen auf Zulieferer und Ingenieurbüros übertragen. Auch dieser Prozess des engineering outsourcing ist noch nicht abgeschlossen. Bis 2010 soll sich beispielsweise nach Prognosen der Anteil, den Zulieferer an der Entwicklung neuer Fahrzeuge übernehmen, auf ca. die Hälfte erhöhen (von etwa einem Viertel bis einem Drittel um die Jahrtausendwende) (VDA 2000; Rentmeister 2001). Auch die Zulieferer lagerten einen Teil der steigenden Entwicklungsaufgaben an Entwicklungsdienstleister aus. Zudem begannen Automobilhersteller, Zulieferer und Entwicklungsdienstleister gleichzeitig und parallel Produkte zu entwickeln (simultaneous engineering), um auf 5

System-, Komponenten- und Teilehersteller sowie Rohmateriallieferanten lassen sich nicht pauschal und eindeutig einer Ebene (bzw. einem Tier) der Zuliefererpyramide zuordnen. Modulhersteller sind First-Tier-Zulieferer, Systemlieferanten in der Regel auch. Allerdings können Systemhersteller auch Modulhersteller beliefern. Gleiches gilt für Komponenten- und Teilehersteller. In Schwellenländern wie China oder Brasilien, wo die Modularisiemng und Systemintegration weit weniger fortgeschritten ist, als in der Automobilindustrie der Triadenländer, beliefern verhältnismäßig weitaus mehr Komponenten- und Teilehersteller die OEM direkt.

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sinkende Produktlebenszeiten zu reagieren. Dabei geben die OEM technische Standards oder die Funktionen die Produkte vor, legen die Produktarchitektur bei neuen Modellen fest und entscheiden die Aufgabenverteilung. Die Entwicklungspartnerschaften haben dazu geführt, dass sich um die Entwicklungszentren der Automobilhersteller Ingenieurbüros und Entwicklungseinrichtungen der Zulieferer angesiedelt haben, da regelmäßige und häufige Treffen von Ingenieuren erforderlich sind (Heftrich 2001; Rentmeister 2001 , 2002; Preissl/Solimene 2003). Auch die Reduzierung der Fertigungstiefe der OEM sowie Logistikkonzepte wie just-in-time und j ust-in-sequence haben dazu geführt, dass die Pkw-Hersteller ein starkes Interesse entwickelt haben, wichtige Zulieferer in unmittelbarer Nähe zu haben. So entstanden Ende der 1980er und in den 1990er Jahre neue, um die Werke der OEM organisierte Produktionskomplexe (Schamp 2000; Dörrenbächer/Schulz 2002). 6

Qualitätsmanagement in der deutschen Automobilindustrie Ein weiteres Merlrmal einer intensiverer Zusammenarbeit in der Wertschöpfungskette stellt die gewachsene Bedeutung von Qualitätsmanagementstandards dar (Braun 2005). Diese bieten innerhalb einer Wertschöpfungskette ein Kontrollinstrument flir die effiziente Vemetzung aller Glieder. Sie geben Unternehmen klare Richtlinien vor, wie beispielsweise Produktionsprozesse dokumentiert oder Verantwortlichkeiten organisiert sein müssen. Ein geprüftes Qualitätsmanagementsystem (QMS) gilt als wichtiges Indiz für die Qualitätsfähigkeit eines Unternehmens und ist ein wichtiges Kommunikationsinstrument zwischen Kunden und Zulieferem (VDA 2004a). In Deutschland wurde mit dem VDA 6.1-Regelwerk des Verbands der Automobilindustrie 1991 erstmals ein spezifisches Regelsystem aufgestellt, dass die Anforderungen an die Qualitätsmanagementsysteme von OEM und Zulieferem festlegte. Die US-amerikanische Automobilindustrie folgte wenig später mit dem eigenen Regelwerk QS-9000 (Hengenberg 1999). 7 6

7

92

In Shanghai wurde der Gedanke der Zuliefererparks aufgenommen und ausgeweitet: Jn Anting, dem Standort von Shanghai Volkswagen, entsteht auf 6,8 km2 die Automotive City. SAJC, der JointVenture-Partner Volkswagens, ist an der Planung beteiligt. In der Automotive City sollen Automobile entwickelt, produziert und verkauft werden. Neben SVW sollen weitere OEM angesiedelt werden, die Zahl der bereits anwesenden etwa 100 Zulieferer erhöht werden. FuE-Kapazitäten der Unternehmen werden durch ein auf die Automobilindustrie fokussiertes Forschungs- und Ausbildungsinstitut der Tongji-Universität ergänzt. Die angegliederte Formell-Strecke wurde bereits fertiggestellt (G047; SAIC 2002; Wagner 2004). Eine europäisch-amerikanische Arbeitsgruppe erarbeitete Ende der 1990er Jahre aufgrund der international verflochtenen Industrie das einheitliche Zertifizierungsverfahren TS 16949, das von sämtlichen nationalen Ver-

DIE AUTOMOBILINDUSTRIE IN CHINA

Qualitätsmanagementkontrollen werden von drei Stellen ausgeführt. Einerseits unterhalten Unternehmen Qualitätssichemngsabteilungen, die Richtlinien und Verantwortlichkeiten spezifizieren und deren Einhaltung überwachen. Andererseits nehmen Kunden Zweitparteien-Audits bei ihren Zulieferem vor. 8 Drittparteien-Audits werden von Zertifizierungsgesellschaften durchgeführt, die in Deutschland im Fall der QMS-Regelwerke für die Automobilindustrie vom VDA akkreditiert werden. Besteht ein Unternehmen die Überprüfung, erhält es ein entsprechendes Zertifikat (VDA 2004a).

4.1.2 Konsequenzen der Globalisierungsstrategien der Automobilhersteller für ihre Zulieferar Durch die Globalisierungsstrategien der Automobilhersteller und den Verdrängungswettbewerb in den ernerging markets werden dort mittlerweile moderne Fahrzeugmodelle gebaut und nicht mehr ausschließlich Modelle, die in den Heimatmärkten der OEM bereits ausrangiert sind. In China können heute beispielsweise in etwa die gleichen Fahrzeugmodelle wie in Europagekauft werden (Depner 2003; Morgan Stanley 2004). Für die Stammzulieferer der Automobilhersteller, die in China produzieren, hat das Konsequenzen: Vor allem Modul- und Systemlieferanten unterliegen einem erhöhten Druck, ihren Kunden zu folgen, da sie sonst möglicherweise die Bindung an diese verlieren. Für Automobilhersteller hat die Anwesenheit ihrer traditionellen First-Tier-Lieferanten an ausländischen Standorten große Vorteile: Sie können auch dort einen großen Teil der Produktions- und Logistik-Verantwortung delegieren. Die Zulieferer stehen dann in der Verantwortung, gleiche Teile in gleicher Qualität wie auf dem Heimatmarkt herstellen zu müssen. Die Kommunikation mit den Zweigwerken im Ausland übernimmt die Zentrale der Zulieferer (Pries 1999; VDA 2000; Humphrey/Memedovic 2003; Preissi/Solimene 2003; Endres 2005; Ivarsson/Alvstam 2005). 9 Folgen

8

9

bänden und großen OEM anerkannt wird, sich allerdings noch nicht vollständig durchgesetzt hat (VDA 1999, 2004a). Volkswagen stuft Zulieferer als A-, B- oder C-Lieferanten ein. ALieferanten müssen 90 bis 100 Prozent der möglichen Punktezahl eines VW-intemen QMS-Bemessungssystems erreichen und können Entwicklungsaufgaben übemehmen. C-Lieferanten (weniger als 80 Prozent der Punktezahl) werden nicht mehr als Lieferanten akzeptiert (G053). Der Druck, der auf Zulieferer ausgeht, ist kein ausschließlich deutsches Charakteristikum, wie vom ehemaligen Leiter der Fiat-Autosparte verdeutlicht wird: "[ ... ] suppliers will have to take on board the objectives we have set ourselves [... ]. [They] are asked to break down all barriers, whether geographical or cultural" (Testore 1998, S. 4).

93

KULTURELLE UNTERSCHIEDE BEl TRANSNATIONALEN DIREKTINVESTITIONEN

Zulieferer an die ausländischen Standorte, so entfallt für die OEM der teure und langwierige Prozess der Entwicklung lokaler Lieferanten. Die Mehrheit der in China mit Werken ansässigen Zulieferer hat aus diesem Grund investiert. Von 14 in Deutschland befragten und in China vertretenen Zulieferem gaben elf explizit an, primär ihren Stammkunden gefolgt z u sein. E in Repräsentant eines deutschen Zulieferers schilderte, dass dieser nicht ganz aus freien Stücken in China investiert hatte: "Wir wurden da reingedrängt, um nicht zu sagen gezwungen, [ ...] weil einer unserer wichtigen Kunden gesagt hat, dass er das Produkt auch gerne auf dem chinesischen Markt hätte, um hier den Qualitätsvorteil zu haben. Derzeit sind wir auch rüber gegangen, weil er auch erwartet hat, dass wir durch die günstigeren Lohnkosten die Produkte dort auch billiger anbieten können. " (U046) Das niedrige Lohnkostenniveau in der VR China spielt nur flir Hersteller arbeitsintensiver Produkte eine Rolle. Verlagerungen aus Kostengründen finden in der Automobilzuliefererindustrie eher nach Osteuropa denn nach China statt (Ernst & Young 2004; Depner/Dewald 2004).

4.2

Entwicklung der chinesischen Automobi I i ndustrie

Die heutige Struktur der chinesischen Automobilindustrie ist charakterisiert durch ein Nebeneinander von staatlichen Unternehmen unterschiedlicher Kategorien, Kollektiv- und Privatunternehmen sowie ausländischen Direktinvestitionen, die entweder in Form von JointVentures oder als Wholly Foreign Owned Enterprises (WFOEs - Tochtergesellschaften) bestehen. 10 Automobilhersteller dürfen nach wie vor nur in Joint Ventures in China produzieren, Zulieferer mittlerweile auch WFOEs gründen. Durch diese Auflage versucht die chinesische Regierung seit den 1980er Jahren, ausländisches Kapital mit chinesischen Unternehmen

10 Staatsunternehmen wie FAW in Changchun oder Dongfeng in Wuhan unterstehen direkt dem Zentralstaat, bilden jedoch eine verschwindende Minderheit der staatlichen Unternehmen. 1992 gab es mehr als 850.000 staatliche Verwaltungseinheiten auf mehreren Ebenen, denen 1,2 Millionen Industrieunternehmen gehörten (Walder 1995). Bei Kollektivunternehmen können Privatpersonen oder staatliche Einrichtungen Eigentümer sein. Walder (1995) plädiert dafür, Kollektivuntemehmen, die Behörden unterstehen, als Staatsunternehmen zu betrachten. Sie unterscheiden sich in der chinesischen Klassifikation dadurch von state owned enterprises, weil sie ihren Beschäftigten keine Sozialversicherungsleistungen nach national festgelegten Standards gewähren müssen (siehe auch Taylor/Chang/ Li 2003; Vermeer 2003; Weigelin-Schwiedrzik 2003).

94

DIE AUTOMOBILINDUSTRIE IN CHINA

zu verknüpfen, um es zum Aufbau einer modernen Automobilindustrie zu nutzen (Sit!Liu 2000; China Business Update 2001; BFAI 2004).

4.2.1 Ursprünge Die Automobilindustrie in China ist noch relativ jung. Sie hat ihren Ursprung in den 1950er Jahren, als China wirtschaftlich eng mit der Sowjetunion kooperierte (Laaksonen 1988; Sit/Liu 2000). Die ersten Pkw, Modelle des Typs ,Rote Fahne' für hohe Funktionäre, wurden mit sowjetischer Hilfe 1958 in Changchun von dem Staatsunternehmen First Automotive Works (FAW) hergestellt. Die Shanghai Automobile Assembly Plant, das Unternehmen, aus dem später die Shanghai Automotive Irrdustrial Corporation (SAIC) hervorging, startete im gleichen Jahr mit der Herstellung des ,Phoenix'. Bis 1970 wurden in Chinajedoch nur wenige hundert Pkw produziert, Importe fanden durch die außenpolitische Isolation so gut wie nicht statt (Harwit 1992, Yang 1994). 11 1978 setzte die chinesische Regierung erste Wirtschaftsreformen durch, um die durch die Kulturrevolution verursachte Wirtschaftskrise zu überwinden. Zunächst sollte in der Automobilindustrie eine Modernisierung durch den Import ausländischer Produktionstechnologien erreicht werden. Da sich das als nicht ausreichend erwies und durch notwendige Importe von Fahrzeugen allein 1985 drei Milliarden US-$ an Devisen abflossen (Harwit 1992, 2001 ), entschloss sich die Regierung, die Erhöhung und Modernisierung der Produktionskapazitäten vermehrt über Joint Ventures sicherzustellen (Yang 1995; Sit/Liu 2000). Aus Sicht der chinesischen Regierung stellten diese ideale Gebilde dar, um einen Technologietransfer zu initiieren: Einheimische Unternehmen erhielten Zugang zu Kapital und Know-how. Zudem erlaubte das der Regierung, ausländische Unternehmen zu kontrollieren sowie die einheimische Industrie zu schützen (Wang!Liu 2000; Zhang/Taylor 2001). 1983 wurde mit der Beijing Jeep Corporation das erste chinesischausländische Joint Venture zur Pkw-Montage zwischen der American Motors Corporation (heute DaimlerChrysler) und der Beijing Automotive Irrdustrial Corporation gegründet. Ein Jahr später entstanden Shanghai Volkswagen und Guangzhou Peugeot (Harwit 2001). 1988 begrenzte die Regierung die Pkw-Produktion auf sechs Unternehmen, um diese 11 Noch bis Mitte der 1990er Jahre wurden Zulieferungen und Absatz staatlich vorgeschrieben und entweder durch Ministerien oder spezielle Organisationen, die direkt an die State Planning Commission (SPC), (heute State Development Planning Commission [SDPC]) angebunden waren, kontrolliert. Gleichzeitig wurden Produktionszahlen und Investitionspläne vorgegeben (Harwit 1992; Yang 1995; Sit!Liu 2000; Wang!Liu 2000).

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KULTURELLE UNTERSCHIEDE BEl TRANSNATIONALEN DIREKTINVESTITIONEN

gezielt wettbewerbsfahiger zu machen und Ressourcen zu konzentrieren (Sit/Liu 2000; China Business Update 2001; Lee 2003). Anfang der 1990er Jahre musste jedoch die China National Automotive Industrial Corporation (CNAIC), die damals die Entwicklung der Automobilindustrie kontrollierte, dem Druckzweier Armee-Unternehmen nachgeben und diese ebenfalls als Pkw-Hersteller zulassen (Sit/Liu 2000). Um weitere dezentral gesteuerte Entwicklungen zu verhindern, verabschiedete die SPC 1994 die Automotive Irrdustrial Policy (AlP). Diese hatte zum Ziel, dass im Jahr 2000 90 Prozent der in China verkauften Pkw aus inländischer Produktion kommen und drei bis vier international wettbewerbsfähige chinesische Unternehmensgruppen existieren sollten. Chinesisch-ausländischen Joint Ventures wurden Qualitätsrichtlinien und einheitliche local content-Vorschriften vorgegeben, neue Joint Yentures sollten zunächst nicht zugelassen werden (Sit/Liu 2000; Wang/Liu 2000; China Business Update 2001; Lee 2003). 12 Allerdings scheiterte auch dieser Versuch einer zentralen Steuerung der Automobilindustrie. Weder das Ministry of Machinery Industry noch die CNAIC, die sich beide als zentrale Aufsichtsbehörden der Automobilindustrie abwechselten, konnten ausreichend Einfluss auf Provinzregierungen, Militär und andere Ministerien nehmen, die eigene Interessen beim Aufbau einer Automobilindustrie vertraten. 1994 hatten beispielsweise sieben nationale Regierungsstellen Anteile an Staatsunternehmen aus dem Automobilsektor und wollten ihren Einfluss gewahrt sehen. Bis 1997 hatten zudem 22 Provinzen die Automobilindustrie zu einer Säule ihrer wirtschaftlichen Entwicklung erklärt (Yang 199 5; Wang/Liu 2000; Sit/Liu 2000; Zhang/Taylor 2001; Huang 2002). So schaffte es die chinesische Regierung nicht, die Ressourcen auf wenige Schlüsselunternehmen zu konzentrieren und die AlP umzusetzen. 13 In Folge gingen die einzelnen Staatsunternehmen, Provinzen und Behörden vermehrt Kooperationen mit ausländischen Herstellern ein. Im Jahr 2000 hatten die chinesisch-ausländischen JointVentures der Automobilhersteller einen Marktanteil von etwa 97 Prozent (ARA 2002; Gao

12 Die local content-Quote bezeichnet den lokalen BeschaffungsanteiL Die OEM mussten gemäß den Richtlinien der AIP von 1994 bis 2004 gleich bei Produktionsbeginn einen local content von 40 Prozent aufweisen. Ansonsten wurden sie stärker besteuert. Die vorgegebene Soll-Quote erhöhte sich nach drei Jahren auf SO Prozent (China Business Update 2001 ). 13 In Ländern wie Brasilien, Japan oder Korea, in denen der Staat ebenfalls die Entwicklung der Automobilindustrie maßgeblich gesteuert hat, hatten die drei größten Kraftfahrzeughersteller in den Aufbaujahren mindestens 60 Prozent Marktanteil. In China lag dieser in den 1990er Jahren nur bei etwa einem Drittel (Huang 2002).

96

DIE AUTOMOBILINDUSTRIE IN CHINA

2002). Drei Prozent entfielen auf rein chinesische Hersteller, die sie bis 2003 jedoch auf etwa 10 Prozent erhöhen konnten (ARA 2004).

4.2.2 Heutige Strukturen Nach einer Liberalisiemng der Zugangsbeschränkungen 1997 sind mittlerweile nahezu alle international bedeutenden Automobilhersteller mit Zweigwerken in China vertreten. So hat sich von 2000 bis 2003 nicht nur die Anzahl der produzierten Pkw von ca. 600.000 auf ca. 2 Mio. erhöht, sondern auch die Anzahl der Pkw-Hersteller und der -Modelle ist stark gestiegen (Abbildung 4.1 und 4.2). Während im Jahr 2000 15 Hersteller etwa 20 Pkw-Modelle produzierten, waren im Dezember 2003 mehr als 30 Hersteller mit lmapp 70 Modellen auf dem Markt vertreten (China Business Update 2001; ARA 2002, 2004). Abbildung 4.1: Pkw-Hersteller in China 2000

JoiM Venlure

0

CI"I~C$ Unttrnohmon

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0 Quellen: ARA 2002; China Business Update 2001; eigene Erhebung

Um erneut Einfluss auf die Entwicklung zu nehmen, verabschiedete die State Development and Reform Commission im Juni 2004 die neue Entwicklungspolitik für die Automobilindustrie. Sie zielt darauf ab, China bis 2010 zu einem der wichtigsten Standorte der Automobilpro-

97

KULTURELLE UNTERSCHIEDE BEl TRANSNATIONALEN DIREKTINVESTITIONEN

duktion auszubauen. An neue Automobilhersteller stellt sie hohe Anforderungen bezüglich Investitionssumme, Kreditrating, FuE-Kapazitäten und Produktionszahlen, um die Entstehung von Überkapazitäten zu begrenzen. Ausländische OEM dürfen auch in Zukunft ausschließlich Joint Ventures mit maximal zwei chinesischen Partnern eingehen. Chinesische Hersteller werden ermutigt, eigene Marken zu etablieren und FuEAbteilungen auf- und auszubauen. Zudem wird geplant, die chinesischen Zulieferbetriebe aus den OEM-Unternehmensgmppen zu lösen und sowohl bei OEM als auch bei Zulieferem Konzentrationsprozesse zu unterstützen, um Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Local Content-Bestimmungen werden durch die Regelung ersetzt, dass Fahrzeuge mit einem zu hohen Importanteil verzollt werden (BFAI 2004). 14 Abbildung 4.2: Pkw-Hersteller in China 2003

o

JointVenture

0

Chine&l&ehH U11~hmen

0

~~i~==r:r~~ommen

Quellen: ARA 2004, eigene Erhebung

14 Trotz WTO-Beitritt kann China weiterhin mit Direktinvestitionen restriktiv umgehen, da das WTO-Abkommen zu Trade-Related Investment Measures kein vollwertiges Investitionsabkommen ist. So bleibt die seit 1995 bestehende Klassifikation perrnitted, encouraged, restricted und forbidden bestehen und transnationale Direktinvestitionen genehmigungspflichtig (Wang/Liu 2000; Lauffs/Chia 2001).

98

DIE AUTOMOBILINDUSTRIE IN CHINA

Obwohl chinesische Automobilhersteller in den letzten Jahren erhebliche Lernprozesse durchlaufen haben, sind ihre technologischen Kapazitäten im Vergleich zu ihren internationalen Konkurrenten noch relativ gering ausgeprägt. Um neue Fahrzeuge zu entwickeln, brauchen beispielsweise auch die drei großen Hersteller SAIC, Dongfeng und FAW noch die Hilfe ihrer Joint Venture-Partner (Veloso/Kumar 2002). 15 Allerdings scheint diese Hilfestellung bald nicht mehr nötig zu sein, wie am Beispiel der SAIC im nächsten Abschnitt gezeigt wird.

4.3

Deutsch-chinesische industrielle Strukturen in Shanghai

Bis 2002 investierte die deutsche Industrie insgesamt ca. 6,3 Mrd. Euro in China. Etwas mehr als 30 Prozent davon stammten aus der Automobilindustrie (Deutsche Bank Research 2004). Räumliches Zentrum der deutschen Investitionen aus der Automobilindustrie ist Shanghai, mittlerweile stehen aber auch in Changchun (Volkswagen) sowie in Shenyang (BMW) und Beijing (DaimlerChrysler) Produktionsstätten deutscher OEM (Abbildung 4.2). In Shanghai hat sich durch das Zusammenwirken staatlicher Initiativen sowie der Investitions- und Produktionsaktivitäten ausländischer Unternehmen der wichtigste Standort der Automobilindustrie in China entwickelt, auf den im Jahr 2001 40 Prozent der Pkw-Produktion entfielen. Zudem wurde nahezu die Hälfte der Zulieferprodukte in Shanghai (20 Prozent) und seinen Nachbarprovinzen Zhejiang (14 Prozent) und Jiangsu ( 10 Prozent) hergestellt (Sit/Liu 2000; Yeung/Li 2000; KPMG 2003).

4.3.1 Entwicklung der Automobilindustrie in Shanghai Ihren Anfang nahm die Präsenz der deutschen Automobilindustrie in China 1984, als Volkswagen mit der Shanghai Auto Plant, dem Vorgängerunternehmen von SAIC, CNAIC und der Bank of China Shanghai Volkswagen gründete. Das JointVenture begann 1985 mit der Montage des ,VW Santana' und entwickelte sich zum größten Pkw-Hersteller

15 So wie in anderen Industrien in China bestand auch in der Automobilindustrie vor der Öffnung des Landes eine organisatorische Trennung zwischen Produktion, FuE sowie Universitäten (Sun 2002). FuE war auf die zwei staatlichen Einrichtungen Automotive Research Institute (ART) und Motor Vehicle College in Changchun konzentriert. Das ART wurde 1982 in die FAW-Gruppe integriert, wonach andere Unternehmen begannen, eigene Forschungseinrichtungen aufzubauen (Yang 1994).

99

KULTURELLE UNTERSCHIEDE BEl TRANSNATIONALEN DIREKTINVESTITIONEN

Chinas. SVW hat die Position bis heute gehalten, allerdings nicht mehr mit der Dominanz wie Mitte der 1990er Jahre, als ein Marktanteil von über 50 Prozent erreicht wurde (Tabelle 4.2). Im Jahr 2004 ist dieser auf knapp 15 Prozent zurückgegangen, im Vergleich zu 2003 sanken 2004 sogar Produktion und Absatz. Einer der Gründe für diese Entwicklung ist, dass SAIC 1997 ein weiteres JointVenture mit General Motors bildete. SAIC konnte so seine Abhängigkeit von Volkswagen verringern und gleichzeitig die eigene Position innerhalb Chinas Automobilindustrie stärken. Der Einstieg von General Motors und anderer Pkw-Hersteller in China hat Volkswagen bewogen, die Produktpolitik radikal zu überdenken und zu ändern. Bis ins Jahr 2000 wurden in Shanghai nur der ,VW Santana' und der ,VW Santana 2000' produziert, mittlerweile zusätzlich die Modelle ,VW Passat', ,VW Polo' , ,VW Goi' und ,VW Touran' (Abbildung 5.1). 16 Tabelle 4.2: Anzahl der in China und von Shanghai Volkswagen hergestellten Pkw 1982 bis 2004 Jahr

1982

1986

1990

1994

1998

2000

2003

2004

Gesamt

19.356

36.036

40.000

250.333

507.103

604.677

2.082.581'

2.415.090"

svw

8.031

18.537

115.326

235.000

253.120

396.023 '

355.000'

Anteil

22,3

46,3

46, 1

46,3

41,9

19,0

14,7

svw (Prozent)

Quellen: Harwit 1992, 2001 , Yang 1994, China Business Update 2001 , Vwd: Asien 2003, ARA 2004, 2005, FTD 2005; a Pkw-Absatz

Shanghai General Motors (SGM) hatte den Vorteil, auf das bereits gut entwickelte Zuliefemetzwerk von SVW zugreifen zu können. Den Zulieferem bot SGM jedoch von Beginn an nur niedrigere Preise an, als SVW sie zahlte. Bei SVW waren sie zu dem Zeitpunkt noch politisch festgelegt. Die Zulieferer nahmen das Angebot von SGM an, da sie aufgrund der relativ geringen Absatzmengen bei SVW und des anziehenden Wettbewerbs auf weitere Kunden angewiesen waren. So hat Volkswagen indirekt den Markteinstieg von General Motors gefördert (G015). Durch SGM kam SAIC in die Lage, wechselseitig Druck auf Volkswagen oder auf General Motors ausüben und die zwei Hersteller 16 Volkswagen schätzte jedoch bei der Einführung der Modelle ,VW Polo' , ,VW Goi' und ,VW Golf die Präferenzen chinesischer Konsumenten offenbar falsch ein, die eher Stufenheckfahrzeuge bevorzugen, womit sich teilweise auch die verlorenen Marktanteile erklären lassen. Die Markleinführung des ,VW Polo' wurde später Volkswagen-intem auch als ,seiner Zeit voraus' und ,völlig falsche Entscheidung' deklariert (Maass 2004).

100

DIE AUTOMOBILINDUSTRIE IN CHINA

gegeneinander ausspielen zu können. SVW war beispielsweise gezwungen, mit den neuen Modellen mehr Technologie nach China zu übertragen. General Motors musste parallel zum Werk ein Entwicklungszentrum aufbauen. Gleichzeitig hatte SAIC nun die Möglichkeit, Ressourcen nach Bedarf aus dem einen JointVenture abzuziehen und in dem anderen einzusetzen. Von dem durch Konkurrenz zwischen VW und GM bedingten erhöhten Technologieangebot sowie der starken Präsenz ausländischer Zulieferer hat das Shanghaier Unternehmen profitiert: 2002 fertigte es in der Provinz Anhui in dem Unternehmen SAIC-Chery, an dem SAIC Anteile hielt, einen einem älteren SEAT-Modell nachempfundenen Pkw, in den Teile integriert wurden, die Zulieferer für Volkswagen entwickelt hatten: 60 Prozent der Teile entstammten dem ,VW Jetta', den FAWVW in Changchun produzierte (Dow Iones Asien Aktuell2004b). Dies führte zum Konflikt mit VW: Volkswagen Deutschland betrachtete die Teile als geistiges Eigentum und verbat den Zentralen der Zulieferer in Deutschland, über ihre chinesischen Zweigwerke SAICChery zu beliefern. Die Zulieferer mussten dem Druck von Volkswagen nachgeben, da sie negative Konsequenzen auch für die Beziehung zu VW in Deutschland befürchteten (G008, G024). SAIC schließlich musste 2003 die Anteile an SAIC-Chery wieder abgeben, als auch ein Konflikt zu General Motors entstand: GM warf SAIC-Chery vor, zwei PkwModelle kopiert zu haben (Tierney 2003). Weitere Konflikte sind vermutlich nur eine Frage der Zeit: SAIC hat angekündigt, ab 2007 eine eigene Automarke im Tochterunternehmen Shanghai Automotive Co. zu produzieren (Vwd: Asien 2004a). Der Anteil von SAIC am chinesischen Automarkt hat sich auch durch staatliche Hilfe in den letzten Jahren deutlich verstärkt. SAIC ist neben FAW und Dongfeng einer der drei Kfz-Hersteller, die Ziel staatlich initiierter Konzentrationsprozesse sind, um international konkurrenzfahig zu werden. Unternehmen wie Liuzhou Wuling Automotive Co., das in ein weiteres Joint Venture mit General Motors überführt wurde, oder Jiangsu Yizheng Automotive Factory wurden aus diesen Gründen in den SAIC-Konzern integriert (Abbildung 4.3) (SAIC 2002). Mittlerweile ist SAIC auch auf internationalem Expansionskurs. Seit 2002 ist das Unternehmen mit 10 Prozent an GM-Daewoo beteiligt. Im Herbst 2004 hat es zudem 48,9 Prozent des viertgrößten südkoreanischen Automobilbauers Ssangyong übernommen. Gleichzeitig wurden Pläne bekannt, dass SAIC 2005 mit MG Rover zu fusionieren plante, wobei 70 Prozent der Anteile des neuen Unternehmens von SAIC gehalten werden sollten (Dow Iones Asien Aktue\12004a, 2004b, 2004c). Allerdings nahm SAIC aufgrund der prekären Situation des britischen Au101

KULTURELLE UNTERSCHIEDE BEl TRANSNATIONALEN DIREKTINVESTITIONEN

tomobilherstellers von einer Fusion wieder Abstand. Das Bestreben des Unternehmens, zu den international bedeutenden OEM aufzusteigen, ist jedoch unverkennbar. Abbildung 4.3: Konzernstruktur von SAIC 2004

Shanghai Volkswagen A utomotive Co.

Shanghai G eneral Motors Automobile C o .

Anteile an mehreren Oienstleislungsun1emehmen Mehr als 60 JointVentures

(

SAIC-Chery Automobile

Co.

)

Shanghai Automotive Co.

mit ausländ. Zulieferem

Quelle: Eigene Erhebung

4.3.2 Deutsche Zulieferer in Shanghai Auch im Zuliefererbereich ist SAIC gut positioniert. Insgesamt hatte das Unternehmen 2004 in der Fahrzeugsparte 55 Tochterunternehmen und 63 internationale JointVentures, inklusive Betrieben zur Produktion von Bussen, Nutzfahrzeugen und Motorrädern (SAIC 2002, Schmitt 2005). Viele der Joint Ventures waren mit deutschen Zulieferem geschlossen. Die meisten von ihnen kamen aber erst relativ spät nach China. Mitte der 1980er Jahre musste SVW aufgrund der schlecht entwickelten industriellen Basis in China den ,VW Santana' aus CKD-Bausätzen montieren.17 1985 hatte SVW nur zwei lokale Lieferanten, 1986 betrug der local content lediglich 4 Prozent (Haas/Rehner 2002). Politischer Druck veranlasste Shanghai Volkswagenjedoch Ende der 1980er Jahre, den lokalen Beschaffungsanteil zu erhöhen. Die CNAIC band die Lieferung von Rohmaterialien an die Lokalisierungsquote und drohte mit der Drosselung der Produktion des JointVentures. In Shanghai entstanden daraufhin unter der Leitung verschiedener Behörden Zulieferbetriebe, die 1991 zum Großteil in das SAIC-Netzwerk integriert wurden (Harwit 1992; Lee/Chen!Fujimoto 1996; Depner/Bathelt 2005). SAIC hatte bereits 1987 begonnen, eine lokale Lieferantenbasis zu ent17 Bei CKD-Montage (CKD: completely knocked down) werden sämtliche Teile importiert und im Gastland montiert.

102

DIE AUTOMOBILINDUSTRIE IN CHINA

wickeln, um die lokale Wirtschaft durch Technologietransfer und Arbeitsplatzschaffung zu stärken sowie eine zu starke Abhängigkeit von staatlichen Unternehmen aus anderen Provinzen zu vermeiden (Huang 2003; Dicken 2005). Die Initiativen von SAIC sowie der Stadtverwaltung führten dazu, dass 1990 der lokale Zulieferauteil bereits bei 60 Prozent lag und SVW auf über 100 lokale Zulieferer zugreifen konnte (Haas/Rehner 2002). 18 Allerdings hielten sich ausländische Zulieferer mit Investitionen noch stark zurück. 1993 existierten lediglich neun Zweigwerke ausländischer Zulieferer in Shanghai (Yang 1995). Trotzdem war der lokale Zulieferauteil durch die Integration chinesischer Betriebe in das Zuliefemetzwerk von SVW auf85 Prozent gestiegen (Ha1wit 2001). SAIC gelang es immer mehr, die Produktion von Komponenten und Teilen im Stadtgebiet zu lokalisieren. Zulieferbeziehungen in andere Provinzen bzw. Importe wurden durch lokale ersetzt. Während 1990 noch 65 Prozent des ,VW Santana' außerhalb Shanghais gefertigt wurden, betrug dieser Anteil 1998 nur noch 10 Prozent. 1997 hatte SVW 248 Zulieferer in China, 158 davon waren in Shanghai. Von diesen gehörten 40 zu SAIC. Sie stellten die wichtigsten Teile her (Huang 2003). Mittlerweile hat sich die Anzahl ausländischer Zulieferer in der Stadt stark erhöht. Mit ihnen, weiteren chinesischen Lieferanten sowie Werken ausländischer Investoren hatte SVW bis Anfang 2002 das Zuliefernetzwerk in China auf 3 71 Lieferanten erweitert. Etwa 60 Prozent der Zulieferungen stammten jedoch von den Zulieferem der SAIC-Gruppe und ihren JointVentures (G026, G035). Der Aufbau der lokalen Zulieferbasis hat wesentlich dazu beigetragen, dass sich SAIC zum wichtigsten Pkw-Hersteller Chinas entwickelt hat (Huang 2003).

Die Investitionswelle seit Ende der 1990er Jahre Die meisten der in Shanghai vertretenen deutschen Zulieferer produzieren dort erst seit Ende der 1990er Jahre. Ein einziges der vor Ort untersuchten Unternehmen mit deutscher Beteiligung ist in den 1980er 18 Wachstum und Erfolg von SAIC waren und sind im ureigensten Interesse der Stadtve1waltung, da sie die Mehrheit der Anteile hält (Abbildung 4.3). So wurden viele Maßnahmen initiiert, um SAIC zu fördern . Um die lokale Zulieferbasis auszubauen, hat beispielsweise die Stadt zwischen 1988 und 1994 spezielle Steuern und Gebühren erhoben (localization tax, purchase fee, spezial consumption tax). Die Gelder wurden an SAIC für die Entwicklung des Lieferantennetzwerks abgeführt. Zudem wurden TaxiUnternehmen in Shanghai verpflichtet, ihre Fahrzeuge von SVW zu kaufen. Zwischen der Führungsriege von SAIC sowie der Stadtverwaltung existierten beste Beziehungen. So war es üblich, dass Führungskräfte zwischen SAIC und Stadtverwaltung hin und her wechselten (Huang 2003).

103

KULTURELLE UNTERSCHIEDE BEl TRANSNATIONALEN DIREKTINVESTITIONEN

Jahren entstanden (Abbildung 4.4). Der Grund flir die starke Investitionstätigkeit der Zulieferer in den letzten Jahren liegt in der Modernisierung der Produktpalette von SVW. Die neuen Modelle hätten mit dem auf den ,VW Santana' zugeschnittenen alten Lieferantennetzwerk nicht produziert werden können. Abbildung 4.4: Produktionsstandorte, Produktionsprogramm und Eröffnungszeitpunkt von Zweigwerken deutscher Zulieferer in Shanghai

Quelle: Eigene Erhebung

Auch von den in Deutschland befragten Zulieferem mit Zweigwerken in China hatten 75 Prozent erst nach 1998 mit der Produktion begonnen (Abbildung 4.5). Volkswagen intensivierte zu diesem Zeitpunkt die Versuche, Zulieferer von einer notwendigen Investition in China zu überzeugen. Schließlich sollte ab dem Jahr 2000 der ,VW Passat' produziert werden und nach wie vor galt die Regelung, dass gleich im ersten Jahr der Produktion eines neuen Modells ein local content von 40 Prozent erreicht werden musste. Nach den Gründen ft.ir den Zeitpunkt der Investition gefragt, verdeutlichte ein Gesprächspartner den Einfluss der Kunden auf sein Unternehmen, in China ein Zweigwerk zu eröffnen: "Ich denke, das kann man eigentlich nur damit erklären, dass der Druck, [den] wir empfunden haben, von unseren Kunden in Europa, die da vor Ort produzierten[ ... ], dass [wir] da eine Entscheidung treffen mussten. [... ] gegen [19]99 war der Druck so groß geworden und waren auch die Voraussichten, was den chinesischen Markt anbetrifft, größer geworden[ ... ]." (U034)

104

DIE AUTOMOBILINDUSTRIE IN CHINA

Abbildung 4.5: Produktionsbeginn in China der in Deutschland schriftlich befragten Zulieferer 8

-

7

6

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"'

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5

OlJ

g4 §

"

-

3

2 I

0

;--

;--

1994/95

1996/97

n keine Angabe

1998/99

2000/01

2002/03

Zeitraum

Quelle: Eigene Erhebung; n=20

Wahl der Unternehmensform und des Standorts JointVentures stellen immer noch die gängigste Unternehmensform dar, die ausländische Zulieferer wählen, wenn sie in China für den chinesischen Markt produzieren wollen. Der Produktionsanteil von sinoausländischen Zulieferer-Joint Ventures wurde 2002 auf etwa 55 Prozent geschätzt, der rein ausländischer Tochtergesellschaften auf 15 Prozent. Beide Unternehmensgruppen haben einen steigenden Produktionsanteil (Schmitt 2002). 19 Ein JointVenture einzugehen bedeutet für deutsche Investoren, dass sie sich mit einem chinesischen Partnerunternehmen über Unternehmensziele und Strategien einig werden und das alltägliche operative Geschäft mit dem vom Partnerunternehmen abgestellten Personal regeln müssen. Da die Mitarbeiter der deutschen und chinesischen Seite jeweils in ein anderes Unternehmensnetzwerk sowie in andere gesellschaftliche und kulturelle Strukturen eingebettet sind, beinhalten die Abstimmungsprozesse oft ein hohes Konfliktpotential (Kiefer 1998; Lang 1998; 19 Es werden zwei Arten von JointVentures in China unterschieden: Equity JointVentures und Contractual bzw. Cooperative JointVentures. Letztere eignen sich vor allem für kurzfristige Projekte. Die Einlagen bleiben im Eigentum der Partner (Trommsdorff/Schuchhardt!Lesche 1995, Beiten Burkhardt Rechtsanwaltsgesellschaft mbH 2005). Da unter den untersuchten Zulieferem keine Contractual oder Cooperative Joint Ventures existierten, ist in dieser Arbeit bei Nennung des Begriffs Joint Venture die Form des Equity JointVentures gemeint.

105

KULTURELLE UNTERSCHIEDE BEl TRANSNATIONALEN DIREKTINVESTITIONEN

Zhu/Speece/So 1998; Hoon-Halbauer 1999; Reisach/Tauber/Yuan 2003; Depner/Bathelt 2005). Unter den in Shanghai befragten Unternehmen befand sich trotzdem nur ein WFOE. Von 20 in Deutschland befragten Zulieferem, die Zweigwerke in China hatten, waren ebenfalls nur wenige WFOEs gegründet worden: 76 Prozent (29 von 38) der Zweigwerke waren Joint Ventures. Als wichtige Motive für die Wahl dieser Unternehmensform werden vor allem die Nutzung von Markt- sowie Behördenbeziehungen des Partners angesehen. Ein Gesprächspartner beschrieb die Gründe seines Unternehmens für die Errichtung eines JointVentures wie folgt: "[ ... ] weil man als Einzelkämpfer auf dem chinesischen Markt doch nicht so große Erfolgschancen hat, [... ] dass man halt dort in bestehende Beziehungsnetzwerke reinkommt durch den Partner. Und dass der halt schon Kontakte zum Kunden hat und die dann auch einsetzen kann." (U045) Für die in Shanghai befragten deutschen Zulieferer war ein Joint Venture mit einem SAIC-Betrieb die bevorzugte Variante ftir den Aufbau eines Produktionsbetriebs. Lediglich vier der in Abbildung 4.3 dargestellten Zweigwerke waren keine SAIC-Joint Ventures. Drei deutsche Investoren hatten sich andere Partner gesucht und ein vierter eine Tochtergesellschaft gegründet. Die Wahl der Unternehmensform durch die Zulieferer ist durch Richtlinien der Bestimmung von Zulieferem durch SVW entscheidend mitgeprägt worden. Ein Gesprächspartner von Shanghai Volkswagen erläuterte 2002, dass folgende Kriterien bei der Bestimmung von Zulieferem gelten würden: (1) Wenn möglich, sollten es SAIC-Untemehmen sein. (2) Wenn nicht, dann sollten sie möglichst in der Provinz Shanghai angesiedelt sein. (3) Zumindest sollten sie jedoch in der näheren Umgebung von Shanghai angesiedelt sein (G026). So ist die Wahl der Unternehmensform und des Standortes bei vielen Zulieferem durch den Hauptkunden beeinflusst worden. Volkswagen hat 1990 mit FAW-VW ein zweites JointVenture in Changchun eröffnet. Aufgrund der ,ökonomischen Fragmentierung' (Huang 2003) des Landes, die auf die Strategie einzelner Ministerien oder Provinzverwaltungen zurückzuführen ist, eigene unabhängige Wertschöpfungsketten aufzubauen, waren und sind deutsche Zulieferer oft gezwungen, mehrere Werke in China aufzubauen, wenn sie mehrere Kunden beliefern wollen. Auch im Falle der beiden Volkswagen-Werke hatten die jeweiligen Interessen der chinesischen Joint Venture-Partner Konsequenzen ftir deutsche Zulieferer: Viele von ihnen mussten an beiden Standorten vertreten sein, um beide VW-Joint Ventures beliefern zu

106

DIE AUTOMOBILINDUSTRIE IN CHINA

können. Folgende Aussage des Repräsentanten eines befragten Zulieferers zeigt, wie die Standortwahl in dem Fall getroffen wurde: "Ja, wir haben zwei JointVentures. Ein JointVenture [im Norden Chinas] mit der Fim1a [... ]. Die [ ... ] wurde uns von VW Changchun als möglicher Partner genannt. [... ] in Shanghai sind wir selber aktiv geworden, weil wir Probleme hatten, VW-Teile, die identisch waren, nach Shanghai zu verkaufen. Und aus dem Grund mussten wir in die Provinz Shanghai herein, um auch den Kunden VW-Shanghai zu gewinnen." (U056) Um das beschriebene Problem zu umgehen, hatten einige der Zulieferer an einem strategisch ,neutralen' Standort einen Partner für ein Gemeinschaftsunternehmen gesucht, der nicht zu einer der großen Gruppen gehörte, oder ein WFOE gegründet. Auf die Frage, warum die Fertigungsstätte in Beijing sei, obwohl die Hauptkunden in Shanghai und Changchun wären, antwortete der Geschäftsführer eines Zulieferers: "Ganz einfach, wir sind genau in der Mitte. Und wenn sie China etwas näher kennen, das kenne ich von meiner früheren Firma, dann werden sie es nicht schaffen, von Shanghai nach Changchun zu liefern und umgekehrt. Weil da so viele lokale Interessen dagegen sprechen, dass alles Mögliche immer versucht wird, um immer gerade den Lieferanten aus dem anderen Bereich von China außen vor zu lassen." (U049) Volkswagen versucht seit 2002, die Beschaffung der beiden Joint Yentures trotz der Rivalität der chinesischen Partnerunternehmen zusammen zu führen und über Beijing zu organisieren. Schließlich haben die Zulieferer durch die Investitionen an zwei Standorten sowohl hohe fixe als auch variable Kosten, die sich in den Preisen ihrer Produkte niederschlagen. Volkswagen ist angesichts der hohen Konkurrenz und der schwindenden Marktposition in China darauf angewiesen, die Preise der VW-Modelle zu senken. Der Kostensenkungsdruck wird an die mitgereisten Zulieferer weitergegeben. Diese stehen ihrerseits nun zusätzlich dazu vor der Aufgabe, lokalen Lieferanten Fertigkeiten zu vermitteln, Produkte nach den gleichen Standards wie in Deutschland herzustellen, da Importe zu teuer sind. Für die deutschen Zulieferer bedeutet dies, dass sie teilweise auch Entwicklungs- und Konstruktionskompetenzen nach China übertragen müssen, um mit den lokalen Lieferanten Teile entwickeln und produzieren zu können. Wie stark die untersuchten deutschen Zulieferer ihre Beschaffung lokalisiert haben und welche Probleme bei den Lokalisierungsbestrebungen aufgetreten sind, wird in Kapitel 5 dargestellt.

107

5

Chinesisch-deutsche Zulieferbeziehungen in der Automobilindustrie in Shanghai

In Kapitel 4 wurde dargestellt, dass die Mehrheit der untersuchten Zulieferer sich erst seit Ende der 1990er Jahre in Shanghai angesiedelt hatte. Durch ihre Präsenz konnte SVW Importe reduzieren und den lokalen Beschaffungsanteil der neuen Modelle erhöhen. 1 Gleichzeitig umging SVW erhöhte Steuerabgaben, die durch die Unterschreitung der local content-Vorgabe entstanden wären. Volkswagen hatte vor allem FirstTier-Zulieferer bewegt, in China Produktionskapazitäten aufzubauen. Die Zulieferer bildeten so für SVW einen Puffer zur chinesischen Industrie (Florida!Kenney 1996), die durch andere Technologien, Qualitätsmaßstäbe und Organisationsprinzipien gekennzeichnet ist. 2 Mit den Zweigwerken der deutschen Zulieferer, weiteren Werken ausländischer Zulieferer und chinesischen Betrieben hatte SVW bis 2002 sein Lieferantennetzwerk in China auf 371 direkte Zulieferer erweitem können, die entweder Module, Systeme, Komponenten, Teile oder Rohmaterialien für die Modelle , VW Santana', ,VW Santana 2000' (im Jahr 2004 zum ,VW Santana 3000' aufgewertet), ,VW Passat' und ,VW Polo' lieferten (Abbildung 5.1).

2

SVW und FAW-VW importierten Vorprodukte über Volkswagen Deutschland, wo diese zentral beschafft wurden. Anfang 2005 lagen die Preise für die Importteile nach Angaben eines Repräsentanten von VW mehr als 40 Prozent über denen in Deutschland (G053). Tn den USA haben sich japanische transplants ebenfalls wichtige Stammzulieferer ,mitgebracht'. Sie erhielten die Aufgabe, US-amerikanische Lieferanten zu entwickeln und zu koordinieren, da diese nicht den Ansprüchen der japanischen OEM genügten (Florida/Kenney 1996).

109

KULTURELLE UNTERSCHIEDE BEl TRANSNATIONALEN DIREKTINVESTITIONEN

Abbildung 5.1: Produktionsprogramm und Beschaffimgsorganisation von Shanghai Volkswagen 2002 3

Importe Shanghai Volkswagen

Importe von VW Deutschland

371 direkte Zulieferer in China (2002)

Karosserie Moloren Lackiererei

MonLage

Lokale Zulieferer

Pkw-Modelle

Santana

Santana 2000

Passat

Polo

Goi

Tonran

Produktionsstart

1985

1994

2000

2001

2003

2004

Local content 2002

ca. 93%

ca. 88%

ca. 73%

ca. 40%

Quelle: Eigene Erhebung

Abbildung 5.2 stellt den untersuchten Ausschnitt des Zuliefemetzwerks von SVW inklusive der Materialströme, der zusätzlichen Kunden der Zulieferer sowie der Aufteilung der von ihnen beschafften Produkte nach deren Herkunft dar. SAIC hat die meisten deutschen Zulieferer über JointVentures in das Gruppennetzwerk integriert. Zum Zeitpunkt der Befragung dominierten diese vor allem die erste Ebene des Netzwerks und lieferten etwa 60 Prozent des Beschaffungsvolumens von SVW, wie ein Repräsentant des Unternehmens schilderte (G026). 4 In den folgenden Abschnitten wird dargestellt, welche Beschaffungsstrategien die untersuchten SVW-Zulieferer verfolgten und wie sie lokale Lieferantennetzwerke aufbauten.

3

4

Die geringe Lokalisierungsquote des ,VW Polo' resultierte daraus, dass zum Zeitpunkt der Befragung viele Freigabeprozesse liefen. Nach Informationen eines Gesprächpartners von SVW wurden beim ,VW Polo' als auch beim ,VW Passat' 80 Prozent angestrebt (G035). Die Trennlinie zwischen First- und Second-Tier-Zulieferem in Abbildung 5.1 ist nicht eindeutig zu ziehen. Wären alle Direktlieferanten in die erste Ebene eingetragen worden, dann wären nur Ul3 und U32 Second-TierLieferanten. Für die Abbildung wurde eine Positionierung der Zulieferer nach ihrem Produktprogramm sowie weiteren Kunden vorgenommen.

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KULTURELLE UNTERSCHIEDE BEl TRANSNATIONALEN DIREKTINVESTITIONEN

5.1

Beschaffungsstrategien der deutschen Zulieferar

5.1.1 Beschaffung von Produktionsmaterialien In Kapitel 3 wurde dargestellt, wie aus dem qualitativen Datenmaterial Unternehmenstypen gebildet wurden (vgl. Ritchie/Spencer/O' Connor 2003). Nachfolgend werden fünf Zulieferertypen präsentiert, die aufgrund von Ähnlichkeiten bezüglich ihrer Beschaffungsstrategie gebildet wurden. Ausschlaggebend waren die Faktoren Produktart, Beziehung des Zweigwerks zum Mutterunternehmen,5 Höhe des local contents, Lokalisierungsstrategie sowie Art der bevorzugten Lieferanten. Eine Übersicht der Typen gibt Tabelle 5.1 wieder. Tabelle 5.1: Klassifikation der untersuchten Zulieferer nach Beschaffimgscharakteristika G r up pe

Produktart

(Anzahl untersuchter Unternehmen)

I ntegration deutsch e Zentrale/ Zweigwerk

Höhe local content

Strategie

Art d er

der Lokali-

bevorzugten

sierung

Zulieferer

Übermäßig lokal vernetzte Zu1ieferer (3)

Te ile und Komponenten

Niedrig; keine Expatriates

80100%

Grenze erreicht

Lokal ansässige (chinesische) Unternehmen

G ießer eien (3)

Gussleite

Mille!; viele Expalriates; Weiterbi ldungsprogramme

90100%

Durch Rohstoffbedarf determiniert

ln China ansässige Unternehmen

Lokalisierende Komponentenhersteiler (3)

Relativ einfache KomponenLen

Mittel; Weiterbildungsprogramme; Produktionsmittel von M utter-/ Schwesterunternelunen

6070%

R oher Lokalisierungsgrad alsZiel

Vor allem ausländische Zulieferer

System- und M odulher steiler (4)

Systeme und Modul e

Mille! bis hoch; Produkliansm ittel von Mutter/Schwesteruntemehmen; Einbindung in intemati onales Produktionsnetzwerk

3070%

Lokalisierung nur begrenzt möglich

Ausländische und slaalliche Unternehmen

Übermäßig international vernetzte ZuJieferer (3)

Elektronik-/ Elektrikkomponenten Wldsysteme

Hoch; Einhindung in internationa les Produktionsnetzwerk

130%

Intensive Lokalisierung zu aufwendig

Importe; ausländische Unternehmen

5

Zweigwerke multinationaler Unternehmen haben durch die Einbindung in globale Produktionsnetze eingeschränkte Entscheidungsfreiheiten. Ist sie zu stark, können Chancen verpasst werden, die lokale Ressourcen bieten (Höchtberger/Zademach/Grimes 2003; Jvarsson/Alvstam 2005).

112

CHINESISCH-DEUTSCHE ZULIEFERBEZIEHUNGEN

Übermäßig lokal vernetzte Zulieferer In der ersten Gruppe befinden sich mit zwei relativ alten Joint Yentures (1985 bzw. 1994 gegründet) und einem WFOE drei Unternehmen (U019, U024, U026), die Teile und Komponenten herstellten und sehr stark mit lokalen Lieferanten vernetzt waren. Die Unternehmen arbeiteten relativ unbeeinflusst von den deutschen Zentralen: Sie beschäftigten keine Expatriates und waren weder über Weiterbildungsmaßnahmen, noch über Handelsbeziehungen stark mit der deutschen Zentrale oder ausländischen Schwesterunternehmen verbunden. Ihr lokaler Beschaffungsanteil war mit ca. 80 bis 100 Prozent so hoch, dass er nicht mehr bzw. nicht mehr wesentlich gesteigert werden konnte. Importiert wurden zum Zeitpunkt der Befragung nur Teile aufgrund von Kundenvorgaben, so genannte Setzteile, oder Teile, die in China nicht hergestellt wurden. Eines der Unternehmen (U019), das Teile und Komponenten für Schließanlagen herstellte, importierte elektronische Teile sowie solche, die extreme mechanische Belastungen aushalten mussten. U024 hatte insoweit eine Sonderstellung, da es zu über 90 Prozent Komponenten für den Ersatzteilmarkt produzierte und aufgrund der geringeren Qualitätsansprüche die Beschaffung komplett lokalisiert hatte. 6 Produkte, die es flir einen OEM herstellte, wurden als CKDImporte im Werk montiert. Zwar hätte die Herstellung der Vorprodukte in China rein technologisch realisiert werden können, allerdings war dies bislang an zu geringen Stückzahlen gescheitert. Die Unternehmen dieser Gruppe hatten überwiegend chinesische Zulieferer. Gründe dafLir waren, dass (1) im Falle von U024 aufgrund geringer Qualitätsansprüche an die Produkte kleinere chinesische Betriebe den Zuschlag erhalten hatten und (2) bei U019 und U026 der Zulieferstamm unter chinesischer Federführung gewachsen war, zum Großteil in einer Zeit, in der es nur wenige ausländische Unternehmen in China gab. Die chinesischen Repräsentanten der Unternehmen UO 19 und U024 hoben hervor, dass sie mit ihren Zulieferem zufrieden seien und sehr gute Beziehungen zu ihnen pflegen würden. Beide äußerten, dass sie die Geschäftsführer der Zulieferbetriebe gut kennen und oft sehen würden. Der Einkäufer von U024 zeigte sich überzeugt, dass ein Ausländer seine Aufgaben nicht in ähnlicher Weise wahrnehmen könne, da die Beziehung zu den Geschäftsführern der Zulieferer über das Geschäftliche hin6

Die Sonderstellung entstand aus einer Notsituation. U024 sollte eigentlich direkter Zulieferer von SVW werden, was aber nicht gelang, da sich der deutsche Investor gegen ein JointVenture mit einem SAIC-Untemehmen entschieden hatte. Um den Kunden SVW doch noch zu gewinnen, wurde zu einem späteren Zeitpunkt in unmittelbarer Nachbarschaft ein weiterer Betrieb als SAIC-Joint Venture aufgebaut (G026, G029).

113

KULTURELLE UNTERSCHIEDE BEl TRANSNATIONALEN DIREKTINVESTITIONEN

aus gehen würde, worin er einen Unterschied zu den Beziehungen zwischen deutschen Lieferanten und Kunden sah. Er betonte die Interdependenz zwischen seinem Unternehmen und den Lieferanten und beschrieb die Struktur der Beziehungen zu diesen als "relationship network": "[It] is necessary to get along weil with them that they are willing to talk with you and accept your requirements" (G029). Gießereien Die untersuchten Gießereien mit deutscher Beteiligung waren relativ jung. Die erste entstand im Jahr 1997 (U035), zwei weitere erst 2001 (U033, U038). Bis zum Zeitpunkt der Modelloffensive von SVW hatten die chinesischen Gießereien den Ansprüchen für die Produktion des ,VW Santana' offenbar genügt. Drei befragte Zulieferer (UOO 1, U002, U025), die Gussteile benötigten, zeigten sich aber sehr erfreut, dass ihre chinesischen Gießerei-Zuliefer- in JointVentures übergegangen waren, da sie davor erhebliche Qualitätsprobleme hatten. Die Bindung der Gießereien an die deutschen Mutterunternehmen war im Vergleich zur ersten Gruppe viel höher. Einerseits waren in den Gießereien relativ viele Expatriates tätig (zwei in U038, vier in U035, sechs in U033), andererseits schickten sie verstärkt chinesisches Personal zur Weiterbildung nach Deutschland. Sowohl der hohe Einsatz von Expatriates als auch die Weiterbildungsprogramme hingen zum Teil damit zusammen, dass der Prozess des Gießens ein hohes Maß an nicht kodifizierbarem Erfahrungswissen benötigt (G030, BP04, G048). Über die Entsendung von Fachpersonal sowie das Training-ou-the-job von chinesischen Mitarbeitern in Deutschland versuchten die Gießereien, die Prozesse zu stabilisieren und die Qualität der Produkte denen im deutschen Stammwerk anzugleichen. Die Höhe des local content war bei allen drei Gießereibetrieben sehr hoch (>90 Prozent), da Rohstoffe (Stahl, Aluminium, Sand) lokal bezogen wurden. Lediglich Chemikalien wie Schmiermittel oder Trennmittel wurden importiert. Aufgrund von Gewicht und Volumen der benötigten Rohstoffe gab es zu einer Lokalisierung keine Alternative. Rohstofferzeugende Unternehmen waren zu dem Zeitpunkt nur chinesische Unternehmen, so dass die Gießereien nicht die Möglichkeit hatten, zwischen ausländischen oder chinesischen zu wählen. Lokalisierende Komponentenhersteller Die Unternehmen dieser Gruppe (U001, U022, U034) stellten technologisch relativ einfache Komponenten her. Ihre Bindung an das Mutterunternehmen in Deutschland war mäßig ausgeprägt. In zwei der Unternehmen arbeiteten je zwei Expatriates (U001, U022), das dritte leitete 114

CHINESISCH-DEUTSCHE ZULIEFERBEZIEHUNGEN

ein chinesischer General Manager (GM), der lange Zeit in Deutschland gearbeitet hatte, und nur bei Bedarf Spezialisten aus Deutschland holte (U034). Die Unternehmen pflegten einen Personalaustausch mit dem Mutterunternehmen zu Trainingszwecken und beschafften Produktionsmittel von diesem bzw. von Schwesteruntemehmen (UOOl, U022). Weiteres gemeinsames Kennzeichen der Untemehmen dieser Gruppe war, dass sie ein stark lokalisiertes Zuliefernetzwerk vom Joint Yenture-Partner übemommen hatten und zum Zeitpunkt der Befragung dabei waren, das Netzwerk aufgrund höherer Anforderungen an die Produkte für die neuen VW-Fahrzeugmodelle umzustrukturieren. UOOl hatte beispielsweise neun in China ansässige Zulieferer, U022 zählte 35 lokale Lieferanten und U034 etwa 20. Durch die Übernahme der Lieferanten war der lokale Beschaffungsanteil in dieser Gruppe mit ca. 60 bis 70 Prozent relativ hoch. Vor allem die Beschaffung von Vorprodukten aus Metall, die von allen drei Herstellem benötigt wurden, war lokalisiert. Importiert wurden Teile und Komponenten, die hohe Ansprüche an den Produktionsprozess stellten, wie beispielsweise Sicherheitsteile fürs Fahrwerk bei U034, eine Hydraulikkomponente bei UOOI oder spezielle Granulate und Filterpapiere bei U022. Aufgrund zu niedriger Stückzahlen ftir eine Lokalisierung wurden aber auch Kleinteile (Dichtungsringe, Federn) importiert. Zudem importierte U022 für einen Fahrzeugtyp noch sämtliche Vorprodukte und montierte diese nur. Ziel der drei Unternehmen war es jedoch, den local content weiter zu erhöhen. Bei einigen Produkten lief zum Zeitpunkt der Befragung der Freigabeprozess. Repräsentanten der Unternehmen UOOI und U034 beklagten aber, dass strategisch wertvolle Lieferanten schwer zu finden seien. An existierenden Lieferanten bemängelten sie, dass diese zu klein seien und aufgrund Kapitalmangels wenig innovativ arbeiten würden. Sie betrachteten deren Eignung für die Zukunft als eher gering (G034, G043). Bei neuen Lieferanten hielten sie vor allem nach ausländischen Unternehmen Ausschau. Der General Manager von U022, der erst seit kurzem im Amt war, hatte ebenfalls vor, die Anzahl der Lieferanten durch eine BündeJung aufwenige ausbaufähige Zulieferer zu reduzieren (BP03). System- und Modulhersteller In der vierten Gruppe sind drei Systemzulieferer (U002, U0\2, U025) sowie ein Modulhersteller (U018) zusammengefasst. Ihre Bindung an das Mutterunternehmen war, verglichen mit den ersten drei Gruppen, sehr hoch. Allerdings zeigte sich das nicht durchgängig durch einen hohen Einsatz von Expatriates- im JointVenture UOl2 arbeitete kein einziger, in U002 hingegen vier - sondern durch eine relativ starke Kontrolle des Zweigwerks durch das Mutterunternehmen, einer starken 115

KULTURELLE UNTERSCHIEDE BEl TRANSNATIONALEN DIREKTINVESTITIONEN

technologischen Abhängigkeit von diesem, da die wichtigsten Produktionsanlagen von ihm oder einem Schwesterunternehmen bereit gestellt wurden (U002, U012, U018), oder dadurch, dass das Zweigwerk auch für das Mutterunternehmen produzierte (U025). Der local content lag bei den Unternehmen im mittleren Bereich zwischen 30 und 70 Prozent. Die System- und Modulhersteller bezogen so etwa die Hälfte ihrer Vorprodukte von lokalen Lieferanten, die andere Hälfte aus dem Ausland. Die lokalen Zuliefernetzwerke wiederum bestanden zu etwa 50 Prozent aus chinesischen Unternehmen und zu 50 Prozent aus chinesisch-ausländischen JointVentures. In der Regellieferten die chinesischen Unternehmen mit wenigen Ausnahmen technologisch weniger anspruchsvolle Vorprodukte. Der lokale Beschaffungsanteil ließ sich nach Einschätzung der Gesprächspartner aus dieser Gruppe nicht wesentlich erhöhen, da einerseits zum Teil in China nicht auffindbare High-Tech-Teile benötigt wurden. Andererseits dauerte bei komplexen Systemen für neue Fahrzeugmodelle die Lokalisierung aufgrund des aufwendigen Freigabeprozesses zu lange und rentierte sich durch verkürzte Produktlebenszyklen nur noch in Einzelfällen. Drittens waren Importe von Systemen für Fahrzeugmodelle, die nur in geringen Stückzahlen gebaut wurden, günstiger als deren Lokalisierung. Der chinesische Geschäftsführer des Unternehmens Ul2 schilderte die Lokalisierungsstrategie seines Unternehmens: "Für [das] bestehende Produkt, das ist ftir den Santana und Santana 2000, haben wir vielleicht mehr als 95 Prozent local content. [... ] für den Passat und den Polo werden wir am Anfang [alles] von Europa kaufen und[ ... ] ab nächstes Jahr ca. 15 Prozent local content haben. [ ... ]wir sind dabei, [diesen] noch zu erhöhen. Aber[ ... ] das wird nie kommen, dass man mehr als 50 Prozent local content hat. Denn einerseits haben wir nicht alle Fertigungsschritte hier geplant[ ... ], andererseits [sind das] andere Anforderungen." (G014)

Neue Lieferanten der Unternehmen dieser Gruppe mussten bereits einen relativ hohen Produktions- und Qualitätsstandard haben und zudem entwicklungsfähig sein. 7 Von den Gesprächspartnern wurde dieses Potential vor allem Unternehmen mit ausländischer Beteiligung oder Staatsunternehmen zugesprochen.

7

Einem wichtigen privaten Lieferanten mit massiven Qualitätsproblemen, deren Lösung die Kapazitäten von U002 überfordert hätte, hatte U002 in einem Ausnahmefall in Deutschland einen JointVenture-Partner gesucht und gefunden (GOOl ).

116

CHINESISCH-DEUTSCHE ZULIEFERBEZIEHUNGEN

Übermäßig international vernetzte Zulieferer Die letzte Gruppe enthält Zulieferer, die Komponenten für die Bordelektrik (U014), elektronische Steuergeräte (U013) und Steuersysteme (U036) herstellten. Markanteste gemeinsame Kennzeichen waren, dass die Unternehmen sehr stark in das internationale Produktionsnetzwerk ihres Mutterunternehmens eingebtmden waren und eine sehr geringe Lokalisierungsquote hatten. Die Integration äußerte sich am deutlichsten über den Handel im Unternehmensnetzwerk. Alle drei Unternehmen bezogen Teile von Schwesterunternehmen. Zudem exportierte U014 zum Zeitpunkt der Befragung ca. 30 Prozent seines Absatzes an Schwesterunternehmen in Japan und Europa (G018). U013 sollte zu einem späteren Zeitpunkt einen Teil der Produktion eines Zweigwerks aus den Philippinen übernehmen (GO 17). Die Höhe des local contents war bei allen drei Unternehmen sehr gering. U013 hatte lediglich einen lokalen Zulieferer für Verpackungsmaterialien. Der Repräsentant des Unternehmens bezifferte die Höhe des lokalen Beschaffungsanteils auf weniger als ein Prozent (GO 17). Der General Manager des JointVentures sah auch wenig Potential, sie wesentlich zu erhöhen, da in China die entsprechenden Produktionstechnolagien fehlen würden. Die Gesprächspartner der anderen beiden Unternehmen schätzten ihren local content auf ca. 15 Prozent (U036) und 30 Prozent (U014). Auch die beiden anderen Unternehmen sahen einer weiteren Lokalisierung enge Grenzen gesetzt. Der Repräsentant von UO 14 bemängelte die schlechte Qualität chinesischer Lieferanten (GO 18). Jener von U036 merkte an, dass sein Unternehmen bis 2005 die Lokalisierungsquote auf ca. 40 bis 50 Prozent anheben wolle, allerdings schien das ein unrealistisches Ziel zu sein. Er selber deutete auf die hohe Belastung hin, die der Aufbau von lokalen Lieferanten bedeutete: "Wir sind so oft der erste beim Lieferanten und bereiten dann eben auch den Weg für unsere Konkurrenz. Hier lehnen wir uns jetzt mal zurtick und lassen mal die anderen sich die Finger verbrennen." (0046)

Bei der Frage nach der bevorzugten Art der Zulieferer gab es bei U013 und U036 Übereinkunft: Beide Repräsentanten äußerten, dass sie ausländische Unternehmen bzw. Joint Ventures bevorzugen würden, weil diese technologisch weiter entwickelt wären (G046) bzw. wissen würden, "[...] wie man sich im internationalen Geschäft verhalten muss" (G017). Lediglich der Repräsentant von U014 gab an, dass das Joint Venture den Zulieferstamm des chinesischen Partnerunternehmens übernommen hätte und primär mit chinesischen Zulieferem erweitern würde, da ausländisch investierte Unternehmen zu teuer seien (G018).

117

KULTURELLE UNTERSCHIEDE BEl TRANSNATIONALEN DIREKTINVESTITIONEN

5.1.2 Beschaffung von Produktionsmitteln Die Organisation der Beschaffung von Produktionsmitteln folgt nicht der in Abschnitt 5 .1.1 dargestellten Logik der Beschaffung von Produktionsmaterialien.8 In diesem Bereich sind andere Faktoren wichtig für die Ausrichtung der Strategie wie z.B. die Eignung der vom Joint Yenture-Partner übernommenen Produktionsanlagen bzw. die Abhängigkeit der Herstellung der Produkte von spezifischen Maschinen, die Offenheit der Entscheidungsträger für neue Lösungen oder die empfundene Notwendigkeit der deutschen Seite, über die Verwendung komplexer Technologien Produkte vor dem Nachbau zu schützen. Wichtiger als im Bereich der Vorprodukte war bei der Beschaffung von Produktionsmitteln, welche Erfahrungen bereits existierten bzw. welche Produktionsmittel in der Zentrale eingesetzt wurden. Da chinesische und deutsche Entscheidungsträger jeweils andere Produktionsmitteln gewöhnt waren, gab es bei Neu- und Ersatzbeschaffungen oft unterschiedliche Präferenzen. In den untersuchten Joint Ventures wurden bei der Gründung zumindest Teile der Belegschaft sowie Werkgebäude und Produktionsmittel übernommen. Nur wenige deutsche Investoren bauten mit ihren chinesischen Partnern "auf der grünen Wiese" neu (U013, U018, U036). Mit der Übernahme von Belegschaft und Anlagen nahmen die deutschen Zulieferer zunächst auch die Produktionsweise ihres chinesischen Joint Venture-Partners an. In der Regel begannen sie aber nach kurzer Zeit mit der Umstrukturierung der Produktionsorganisation. Ein Produktionsleiter, der erst wenige Monate in Shanghai war, erklärte, er hätte eine sehr dankbare Aufgabe, da er mit einfachen Mitteln viele Prozesse effizienter gestalten könne (G048). Ein General Manager eines weiteren JointVentures war zum Zeitpunkt der Befragung damit beschäftigt, den Materialfluss zu vereinfachen und die Arbeitsorganisation effizienter zu gestalten: "Weil bisher hier das Prinzip einer schlanken Produktion nicht gegolten hat. [... ]man musste ja Arbeitskräfte beschäftigen" (G016). Während die deutsche Seite bei den Umstrukturierungsprozessen in den Joint Ventures in der Regel jeweils dafür plädierte, hochmoderne und arbeitssparende Maschinen oder Anlagen zu beschaffen, neigte die chinesische Seite dazu, solche Produktionsmittel zu beschaffen, über die möglichst viele Arbeitskräfte eingesetzt werden konnten. In mehreren Joint Ventures waren demzufolge mehr Beschäftigte von der chinesischen Seite integriert worden, als dies nach Bedarfsschätzung der deutschen Seite angemessen gewesen wäre (UOOl, U025, U033, U038). 8

Die Untersuchung der Beschaffung von Produktionsmitteln war nicht Fokus der Arbeit. Aus dem Grund fallt deren Darstellung im Vergleich zu jener der Beschaffung von Produktionsmaterialien kürzer aus.

118

CHINESISCH-DEUTSCHE ZULIEFERBEZIEHUNGEN

Die Präferenz des deutschen Managements für deutsche Maschinen resultierte bei zwei der intensiver beobachteten Joint Ventures (U025, U033) unter anderem auch daher, dass einige Anlagen von chinesischen Maschinenbauern entweder von Anfang an nicht funktionierten (U033) bzw. unpräzise oder stark wartungsanfällig waren (U025). In beiden Unternehmen stellten die Produktionsleiter während der Beobachtung deutsche Maschinen, die sie bereits von ihrer früheren Tätigkeit im Stammwerk kannten, als überlegen dar. Sie versuchten, bei Neubeschaffungen diese entsprechend zu berücksichtigen. Weil das chinesische Management allerdings heimische Produzenten bevorzugte, endete eine mehrmals ohne Ergebnis vertagte Diskussion zum Zeitpunkt der Beobachtung im Unternehmen U033 schließlich mit der Entscheidung für den chinesischen Produzenten (BP04). Bei einer Ansiedlung auf der grünen Wiese und der Neueinführung eines Produkts haben es deutsche Zulieferer einfacher, ihre Vorstellungen durchzusetzen. Zwei Joint Ventures mit neu errichteten Produktionsgebäuden (UO 13, UO 18) haben nahezu komplett Produktionsmittel beschafft, die im deutschen Stammwerk erprobt waren. Der Repräsentant von U018 begtündete die Strategie unter anderem damit, dass dadurch auch ein Schutz gegen potentielle Kopierer gewährleistet sei. Er zeigte sich überzeugt davon, dass die Montageanlagen und Prüfgeräte so komplex seien, dass sie nicht nachgebaut werden könnten (G022). Andere deutsche Zuliefecer nahmen Umzüge als Anlass, die Produktion mit Maschinen aus dem Ausland zu modernisieren. In zwei zum Zeitpunkt der Untersuchung aktuellen Fällen boten die alten räumlichen Kapazitäten des chinesischen Betriebs nicht ausreichend Platz für Erweiterungen. Die deutschen Investoren nutzten den Umzug, um importierte Produktionsanlagen in die Fertigung zu integrieren (U002, U012). Das deutsche Management des intensiv untersuchten JointVentures U022 verfolgte eine komplett konträre Strategie. Der General Manager vertrat die Ansicht, dass es absolut tragbar für das Unternehmen sei, wenn chinesische Maschinen und Anlagen einen höheren Input bei der Instandhaltung verlangen würden, da einerseits ausreichend Personal dazu vorhanden und andererseits der Wettbewerb noch nicht so intensiv sei, dass die Anlagen komplett ausgelastet werden müssten. Zum Zeitpunkt der Beobachtung ließ er bei einem chinesischen Maschinenbauer eine Anlage nachbauen, die bei diesem ungefähr ein Drittel des deutschen Originals kostete (BP03). Für chinesische Anlagen und Maschinen sprach sich auch der Repräsentant einer Gießerei aus. Er wollte vermeiden, Maschinen zu importieren, bei denen in Störfallen das eigene Personal nicht die Reparaturen durchführen könne und zeit- und kostenintensiv Spezialisten eingeflogen werden müssten (G048). 119

KULTURELLE UNTERSCHIEDE BEl TRANSNATIONALEN DIREKTINVESTITIONEN

5.1.3 Beschaffungsstrategien der in Deutschland befragten Zulieferar Die in Abschnitt 5 .1.1 beschriebene Heterogenität der Beschaffungsstrategien der untersuchten Zweigwerke spiegelt sich in den Ergebnissen der schriftlichen Befragung deutscher Zulieferer-Zentralen wieder. Von den befragten Zulieferem hatten insgesamt 18 Angaben zu den Beschaffungsstrategien ihrer chinesischen Zweigwerke gemacht. Auffallendes Ergebnis war, dass nur wenige Zweigwerke stark von Importen aus Deutschland abhingen (Abbildung 5.3). 14 der 18 Zulieferer führten in ihren Zweigwerken in China weniger als 40 Prozent des Bedarfs an Teilen bzw. Maschinen und Produktionsanlagen aus Deutschland ein. Abbildung 5.3: Anteil der Importe aus Deutschland am Gesamtwert der beschafften Teile und Investitionsgüter der chinesischen Zweigwerke in Deutschland b~fragter Zuli~ferer

[J Teile/Komponenten

[J Maschinen/Produktionsaulagen

70

60

10

~50 ~

~ 40

~ .!l ~

30 20

10

0

0+-~-L~L-~L-~~--~--~-L--~--~-L---L~L-~

0-20 %

21-40%

41-60%

61-80 %

81-100%

Anteil der Importe

Quelle: Eigene Erhebung; n= 18;

Die Mehrzahl der Zulieferer gab an, eher lokale Lieferanten zu entwickeln anstatt Vorprodukte zu importieren. 13 von ihnen antworteten, es sei zutreffend bzw. eher zutreffend, dass die Entwicklung lokaler Lieferanten Teil ihrer Strategie sei. Nur drei Zulieferer gaben an, der Aufbau lokaler Zulieferer sei nachrangig (Abbildung 5.4). Bei der Frage nach der Bestimmung von Vorlieferanten ftir die chinesischen Zweigwerke gaben aber acht der 18 Zentralen an, maßgeblich die Entscheidung zu beeinflussen. Neun der Zentralen stellten zudem klar, dass hochwertige Teile und Investitionsgüter importiert wurden. Die letzten beiden Punkte verdeutlichen, dass ein bedeutender Teil der Zweigwerke in China bei

120

CHINESISCH-DEUTSCHE ZULIEFERBEZIEHUNGEN

der Beschaffung stark von Entscheidungen und Vorgaben der Zentrale in Deutschland abhängig ist. 9 So lassen sich auch zwei Gruppen bezüglich der Organisation der Beschaffung unterscheiden: (1) Sieben der 18 Zulieferer gaben an, dass es Teil ihrer Beschaffungsstrategie sei, lokale Zulieferer aufzubauen (nachfolgend ,Lokalisierer' genannt). Fünf von ihnen merkten zudem an, wenig oder keinen Einfluss auf die Auswahl der Vorlieferanten zu nehmen, sondern diese dem lokalen Management in China zu überlassen. Die Unternehmen dieser Gruppe zeichneten sich durch relativ geringe Deutschland-Importe aus. (2) Ebenfalls sieben Zulieferer gaben an, hochwertige Teile und Maschinen bevorzugt von traditionellen Zulieferem zu importieren (, Importierer' ). Bei ihnen äußerte sich folgerichtig diese Strategie in höheren Importen aus Deutschland. Abbildung 5.4: Beschaffimgsstrategien der in China produzierenden befragten Zulieferer

Autbau loka ler Zulieferer

I

13

Beschaffung Sache des lokalen Managements

I

10

Import hochwertiger Teile und

I

9

lnvestitionsgüter M itnahme traditione ller Zu] ieferer nach China

I

5

0

5

Cl trifft zu/trifft eher zu

Cl trifft weniger zu/trifft nicht zu

I

3

I

8

5

I

~

I

9

10

J 15

Anzahl Nennungen

I

20

Nennungen

I

Quelle: Eigene Erhebung; n= l 8, Mehrfachnennungen

Der Median der Importquoten von Teilen und Komponenten aus Deutschland lag in der Gruppe der ,Importierer' bei 30 Prozent und bei Investitionsgütern bei 50 Prozent. Die drei Unternehmen, deren Importquoten über dem Median lagen, importierten 70 Prozent, 80 Prozent bzw. 95 Prozent ihres Bedarfs an Vorprodukten aus Deutschland. Die 9

Zulieferem gelingt es scheinbar weniger gut als Automobilherstellem, vorgelagerte Unternehmen zu Investitionen in China zu bewegen. Nur fünf der Unternehmen stellten dar, dass es Teil ihrer Beschaffungsstrategie sei, Vorlieferanten nach China mitzunehmen (Abbildung 5.4).

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KULTURELLE UNTERSCHIEDE BEl TRANSNATIONALEN DIREKTINVESTITIONEN

hohen Importquoten schienen an Unternehmensphilosophien und nicht am chinesischen Beschaffungsmarkt zu liegen, da nach Art der benötigten Produkte keine wesentlichen Unterschiede zwischen den beiden Gruppen ausgemacht werden konnten. 10 Die ,Importierer' führten scheinbar auch Teile sowie Maschinen und Anlagen ein, die auch lokal bezogen hätten werden können. Als wichtiger Grund wurde hierfür u. a. angegeben, dass Produkte weltweit nach gleichen Qualitätsmaßstäben herzustellen seien. Ein Hersteller, der 70 Prozent der Investitionsgüter importierte, führte dazu folgendes aus: "[... ] wir haben weltweit einheitliche Standards [.. .]. Da wollten wir uns also nicht auf chinesische Maschinen verlassen. Grad im Kunststoffbereich, gut, da könnte man eine Maschine für ein Zehntel vom Preis einkaufen, aber da ist einfach die Ausstattung und die Technik nicht so weit, als dass wir unsere Produkte darauf sinnvoll produzieren könnten." (U009) In der Gruppe der ,Lokalisierer' lag der Importquoten-Median bei Teilen und Komponenten zwar ebenfalls bei 30 Prozent, was jedoch auch dem Maximalwert in der Gruppe entsprach. Bei Maschinen und Produktionsanlagen betrug der Importquoten-Median 20 Prozent. Die vier Zulieferer, die keiner Gruppe zugeordnet werden konnten, bewegten sich bezüglich der Merkmale ihrer Beschaffungsstrategien zwischen den beiden Gruppen. Für die Gesamtheit aller 18 Zulieferer lag der Median der Importquoten bei Teilen und Komponenten aus Deutschland bei 30 Prozent sowie bei Maschinen und Produktionsanlagen bei 20 Prozent.

5.2

Deutsche Kunden in der Wahrnehmung eh i nesischer Lieferanten

In Kapitel 3 wurde dargestellt, dass aufgrund des schwierigen Zugangs die Untersuchung von vomherein aufUnternehmen mit deutscher Beteiligung fokussiert wurde. Trotzdem wurden auch mehrere chinesische Zulieferer mit dem Ziel befragt, Hinweise zu erhalten, wie sich aus ihrer Sicht der Zugang zu deutschen Unternehmen darstellt und auf ihre Produktionsweise auswirkt. Befragt wurden Repräsentanten von a) einem First Tier-Zulieferer, der Systeme für SVW montierte (U030), b) einem 10 Eine genauere Unterteilung der befragten Zulieferer in Gruppen, wie bei den in Shanghai befragten Zweigwerken in Abschnitt 5.1. 1 geschehen,

ließ sich mit dem Datenmaterial, das aus der schriftlichen Befragung sowie den Kurzinterviews resultierte, nicht vornehmen.

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CHINESISCH-DEUTSCHE ZULIEFERBEZIEHUNGEN

Unternehmen, das Karosserieteile für SVW produzierte (U005), c) einem Second Tier-Zulieferer, der Kunststoffteile für eines der befragten Joint Ventures spritzte (U032) und d) einem Zulieferer aus dem Minibus-Bereich, der versucht hatte, Zulieferer von SVW zu werden (U027). Das größte der vier Unternehmen mit 5000 Beschäftigten, davon 500 im Automobilbereich, war ein SAIC-Zulieferer (U005). Der 1999 gegründete Lieferant U032, der lediglich 20 Personen beschäftigte, gehörte als Kollektivunternehmen einer Gruppe von Privatpersonen (G041). Der Systemzulieferer U030 mit 300 Beschäftigten war Mitglied einer Gruppe von 14 Unternehmen, die aus einem staatlichen Unternehmen hervorgegangen und zum Zeitpunkt der Befragung eine Aktiengesellschaft war, deren Anteile Manager und leitende Angestellte hielten (G037). U027 (84 Beschäftigte) war 1992 in Wenzhou als Privatunternehmen gegründet und 2001 nach Shanghai verlagert worden, da zusätzlich zum Minibus-Bereich auch der in Shanghai dominante Pkw-Bereich erschlossen werden sollte (G032). Nachfolgend werden wesentliche Charakteristika dieser Unternehmen aufgezeigt. Organisation der Produktionsabläufe Bei drei der vier Unternehmen (U027, U030, U032) zeigten Betriebsbesichtigungen, dass die Produktionsanlagen einfacher und die Produktionsprozesse arbeitsintensiver als in den deutsch-chinesischen JointVentures organisiert waren. Zudem waren in diesen Betrieben nach Augenschein mehr Personen beschäftigt, als dies für eine effiziente Produktion hätte sein müssen. 11 Die Produktion im Unternehmen U030 schien zusätzlich durch einen geringen Spezialisierungsgrad gekennzeichnet zu sein. Es wurden arbeitsintensiv Metall- und Kunststoffteile bearbeitet und montiert. Die Unterbeschäftigung der Arbeiter fiel auf, da viel überschüssiges Personal in den Werkhallen auszumachen war. An den Pressen und Stanzmaschinen gab es beispielsweise für jeden Arbeitsschritt andere Arbeiter. Ähnlich wurde auch in den Unternehmen U027 und U032 gearbeitet. Während bei den untersuchten JointVentures VDA 6.1- oder QS9000-Zertifikate weit verbreitet waren, schien dies bei rein chinesischen Unternehmen eher unüblich zu sein. Lediglich U030 hob sich hier durch den Besitz beider Zertifikate von den vier Unternehmen hervor. 12 Es war jedoch äußerst überraschend, dass das Unternehmen diese vorweisen 11 Die Besichtigung der Fertigungshallen im Unternehmen UOOS fiel in die Zeit der Mittagspause. Aus dem Grund können über die Organisation der Produktion keine Angaben gemacht werden. 12 Im Gespräch mit Repräsentanten des Unternehmens UOOS wurden zu diesem Punkt keine Angaben gemacht.

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konnte. Die Eindrücke, die beim Besuch der Produktionshallen entstanden waren, hatten nicht vermuten lassen, dass Prozessabläufe oder Dokumentationspflichten nach den vorgesehenen Richtlinien geregelt waren. Die Kunststoffgießerei U032 war nach ISO 9000 zertifiziert. Der Repräsentant stellte klar, dass ein Zertifikat nach VDA 6.1 zu viele Umstrukturierungen bedeuten würde und zu teuer sei. Er wies darauf hin, dass der chinesische Vorgänger des JointVentures, das zum Zeitpunkt der Befragung beliefert wurde, keine Audits gemacht hätte, während nun zwei mal pro Jahr Leute zur Kontrolle kommen würden (G041 ). U027, der Zulieferer aus dem Minibus-Bereich, hatte keines der gängigen Zertifikate. Der Repräsentant des Unternehmens erwiderte, diese seien im Bereich der Minibus-Montage auch nicht verlangt. Die Anforderungen seien insgesamt viel niedriger als im Pkw-Bereich. Eine Zertifizierung nach VDA 6.1 würde erst gemacht werden, wenn SVW das Unternehmen als Zulieferer akzeptieren würde. Ansonsten sei die Zertifizierung mit zu vielen Umstrukturierungen verbunden. Die etwas sorglose Handhabung von Qualitätsprinzipien durch das Unternehmen wurde anhand einer Situation während der Betriebsbesichtigung deutlich: Arbeiter warfen Pakete von einem Lkw herunter, was der Repräsentant des Unternehmens damit erklärte, dass es Teile seien, die der Kunde aufgrund von Mängeln nicht angenommen hätte. Da die Gewinne des Unternehmens so hoch seien, würde die Reklamation nichts ausmachen. Folgen würde die Beanstandung auch keine haben, da andere Lieferungen des gleichen Produkts akzeptiert werden würden (G032).

Organisation der Beschaffung Es schien, dass ein local content von 100 Prozent in zwei Fällen nur von der Vorgabe des Kunden SVW verhindert wurde, der dem Systemlieferanten U030 Importe von Schmiermitteln und bestimmten Teilen sowie dem Spritzgusslieferanten U032 den Import von Granulaten von einem holländischen Untemehmen vorgab (0038, G041). U005 importierte, bedingt durch das knappe Angebot in China, einen Teil seines Stahlbedarfs aus Japan. Ansonsten war eine klare Präferenz lokaler chinesischer Lieferanten auszumachen. Der Gesprächspartner von U030 meinte, er würde diese bevorzugen, da sie flexibler seien. Vor allem mit deutschen Zulieferem hätte er das Problem, dass zu lange im Voraus geplant werden müsste und dann keine Abweichung vom Plan möglich sei, auch wenn dies dringend notwendig sei. Bei chinesischen Zulieferem würden beispielsweise im Falle eines kurzfristig angekündigten Mehrbedarfs an Vorprodukten die Beschäftigten auch am Wochenende arbeiten, bei deutschen Zulieferem sei dies so gut wie ausgeschlossen (G038). Die Flexibilität chinesischer Lieferanten hob auch der Reprä-

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CHINESISCH-DEUTSCHE ZULIEFERBEZIEHUNGEN

sentant von U027 hervor. Zudem deutete er darauf hin, dass chinesische Lieferanten auch verzögerte Bezahlungen akzeptieren würden (G032). Trotzdem konnten nicht alle untersuchten chinesischen Unternehmen auch bei den lokal beschafften Vorprodukten ausschließlich auf chinesische Lieferanten zugreifen. Die Mehrheit der lokalen Granulatlieferanten von U032 waren z.B. chinesisch-ausländische Joint Ventures (G041). Und auch bei U030 waren 30 Prozent der etwa 20 lokalen Lieferantenaufgrund eines Bedarfs an qualitativ höherwertigen Teilen Joint Ventures (G038). U005 sowie U027 hingegen hatten ausschließlich chinesische Vorlieferanten (G006, G032).

Integration in das Zuliefernetzwerk von Shanghai Volkswagen Die vier untersuchten Unternehmen liefern gute Exempel dafür ab, dass es für chinesische Lieferanten im intensiver werdenden Wettbewerb schwieriger wird, ihre Position im Zuliefernetzwerk von SVW zu halten oder Zugang zu diesem zu finden. Drei der untersuchten Zulieferer (U005, U030, U032) waren zwar Teil des Netzwerks (Abbildung 5.2), ihre Stellung darin war aber gefährdet. U027 hatte versucht, Lieferant von SVW zu werden, war aber abgewiesen worden (0032). Die vier Beispiele verdeutlichen, dass durch die gestiegene Konkurrenz und die Modernisierung der Fahrzeugpalette von SVW chinesische Zulieferer zunehmend von ausländischen Betrieben verdrängt werden. U005 wurde SVW 1996 als Zulieferer zugewiesen. Das Verhältnis zwischen beiden Unternehmen hatte sich bis zu dem Zeitpunkt der Befragung eher negativ für U005 entwickelt. Der Repräsentant von U005 schilderte, dass SVW Karosserieteile selber herstellen würde und zudem noch weitere Lieferanten in dem Segment hätte. So hat die Liefermenge stetig abgenommen. Er zeigte sich unzufrieden mit dem Ergebnis, da das Unternehmen im Vorfeld des Auftrags viel Geld in neue Pressen investiert hatte. Zudem beschwerte er sich darüber, dass Volkswagen permanent Dmck ausüben würde, damit das Untemehmen Kosten reduziere, und zudem eine zu hohe Produktvielfalt verlange: "Wir wollen stabile Beziehungen, nicht dauernd Druck und neue Produkte" (G006). U027 war nach Shanghai verlegt worden, um das Unternehmen von der Nähe zu Lieferanten und Automobilherstellern aus dem PkwBereich profitieren zu lassen. Die Rechnung des Eigentümers war bis zum Zeitpunkt der Befragung aber nicht aufgegangen. SVW hatte das Unternehmen als Zulieferer abgewiesen. In zwei Jahren sollte erneut verhandelt werden. Nach Angaben des Repräsentanten sollten aber im Vorfeld keine Umstmkturiemngen gemäß den Anfordemngen von SVW stattfinden. Er begründete dies mit der Meinung, auch dann könne man nicht davon ausgehen, als Lieferant akzeptiert zu werden (G032). Die

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Chancen, mit der oben beschriebenen Qualität der Produktionsprozesse und Produkte Zugang zu SVW zu erlangen, dürftenjedoch gering sein. Der Repräsentant von U030 äußerte im Gespräch, dass das Unternehmen auf der Suche nach einem deutschen JointVenture-Partner sei, da aufgrund der Produkte für die neuen Modelle , VW Passat' und ,VW Polo' neue Technologien eingefilhrt werden müssten. Im Gespräch entstand der Eindruck, dass die Position von U030 als SVW-Zulieferer gefährdet war (G038). Nicht mehr sicher war auch die Rolle von U032 als Second Tier-Lieferant von SVW. Ein Repräsentant des Kunden UOOl stellte in einem Gespräch klar, dass er mit den vom Joint VenturePartner übernommenen Zulieferem nicht zufrieden sei. Diese hätten weder das Kapital noch das Know-how, um als ausbaufähige Lieferanten für die Zukunft gerüstet zu sein. U032 stand auf der Liste mehrerer Lieferanten von UOOI, die ausgetauscht werden sollten (G034).

5.3 Entstehung chinesisch-deutscher Zu I ieferbezie h u nge n In den folgenden Abschnitten wird dargestellt, wie sich die untersuchten deutschen Zulieferer ihre Lieferantennetzwerke aufbauten. Es wird aufgezeigt, dass die Suche nach und Auswahl von Lieferanten in China für die deutschen Investoren schwieriger als im deutschen Kontext ist, sieht man von dem Fall ab, dass sie bei Gründung eines JointVentures den Zuliefererstamm des chinesischen Partnerunternehmens übernehmen. Gründe liegen im unterschiedlichen institutionellen Umfeld und anderen industriellen Ausgangsbedingungen, was den Zugang zu verlässlichen Informationen über das Leistungsvermögen der potentiellen Lieferanten erschwert. Zugleich wird dargestellt, dass es ein beträchtlicher Aufwand ftir die deutschen Zulieferer ist, lokale Lieferanten aufzubauen. Abschnitt 5.4 beschreibt, wie über die Einführung von QMS-Zertifikaten versucht wird, die Beziehungen über branchenspezifische Standards bei der Organisation der Produktion zu stabilisieren.

5.3.1 Entstehung von Zuliefernetzwerken Übernahme bestehender Netzwerke Wie in Kapitel4 dargestellt, waren JointVentures zum Zeitpunkt der Befragung die am häufigsten gewählte Unternehmensform deutscher Zulieferer, für die sich alle bis auf einen der untersuchten deutschen Investoren in Shanghai entschieden hatten. War das chinesische Unternehmen, mit dem das JointVenture gegründet wurde, bereits Zulieferer 126

CHINESISCH-DEUTSCHE ZULIEFERBEZIEHUNGEN

in der Automobilindustrie und hatte vergleichbare Produkte hergestellt, konnte dessen lokales Zuliefemetzwerk übernommen werden. Zehn der untersuchten 18 Unternehmen mit deutscher Beteiligung konnten so von Anfang an mit einem bereits bestehenden Stamm an lokalen Zulieferem produzieren (Abbildung 5.5). Sie entstammen zum Großteil den drei in Abschnitt 5.1.1 klassifizierten Zulieferem der ,Gießereien', ,Lokalisierenden Komponentenhersteller' sowie ,System- und Modulhersteller'. Abbildung 5. 5: Die Entstehung von Lieferantennetzwerken deutsch-chinesischer Joint Ventures Nach Gründung des Joint Ventures

Vor Markteintritt des dt. Zulieferers

Importe

Nach Umstrukturierungl Lokalisierung Importe

lmporte

-

"",..------·- ......

( ..·-·-) China

'----·

0

Chinesischer Lieferant

0

LieferantenJointVenture

0

LieferantenWFOE

Quelle: Eigene Darstellung

Das Zuliefemetzwerk wurde in diesen Fällen nach Gründung der Gemeinschaftsunternehmen in der Regel modifiziert. Dabei wurden Lieferanten ausgetauscht, die Beschaffung mehrerer Produkte bei einem Zulieferer gebündelt oder das Netzwerk erweitert. Die Umstrukturierung war jedoch nicht immer nach Vorstellungen der deutschen Investoren realisierbar. Dies war einfacher, wenn die deutsche Seite den General Manager stellte und die Bereiche Einkauf und Qualitätssicherung leitete, hing aber generell auch davon ab, wie gut die Akteure beider Seiten des 127

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JointVentures miteinander kooperierten (vgl. Kapitel 6). Insgesamt war der local content bei den JointVentures dieser Gruppe wesentlich höher als bei der nachfolgend dargestellten Gruppe, deren Zulieferer sich ihr Lieferantennetzwerk aufbauen mussten und, zumindest in den ersten Jahren, stark international beschafften.

Aufbau neuer Netzwerke Kennzeichnendes gemeinsames Merkmal der Unternehmen dieser Gruppe ist, dass ein Lieferantennetzwerk neu aufgebaut werden musste. Im Falle von JointVentures henschte beim chinesischen Partner keine Produktionserfahrung im betreffenden Bereich vor. So ist es in einer Übergangsphase nach der Joint Venture-Gründung aufgrund langfristiger Freigabeprozeduren für sie unumgänglich, den wesentlichen Anteil der Vorprodukte zu importieren. Je nachdem, welche Produkte ein Joint Venture herstellt und welche Beschaffungsstrategie es verfolgt, wird in der darauf folgenden Periode die Beschaffung lokalisiert (Variante b in Abbildung 5.5) oder nach wie vor über Importe organisiert (Variante a). Eine stärkere Lokalisierung wird oft von den chinesischen Joint Venture-Partnem aufgrund spezifischer Unternehmensstrukturen oder persönlicher Netzwerke forciert. Der erste Fall wird durch die Aussage des Repräsentanten eines deutschen Zuliefecers illustriert, der ein Gemeinschaftsuntemehmen mit mehreren chinesischen Partnern hatte: "Es ist so: Wir haben verschiedene Staatsunternehmen als Lieferanten, was durch unsere Joint-Venture-Struktur bedingt ist. Von der [Unternehmensgmppe A] haben wir nur einen Lieferanten, der Rest ist [Unternehmensgruppe B], ist [Unternehmensgmppe C], unsere Shareholder." (G046)

Andererseits können Zulieferbeziehungen aufgrund bestehender Beziehungen von chinesischem Personal entstehen. Im Fall der Gruppe der ,Übermäßig lokal vernetzten Zulieferer' geschah so der Aufbau des Netzwerkes unter maßgeblicher Leitung der chinesischen Seite. So wurden sämtliche Vorprodukte, bis auf Setzteile der Kunden und Produkte, die aufgrund spezieller Produktionsprozesse in China nicht hergestellt wurden, lokal beschafft. Bei diesen Zulieferem sind die Beziehungen zu den Lieferanten im Wesentlichen durch persönliche Beziehungen gekennzeichnet (G023, G029). Nachteil dieser Zuliefemetzwerke schien zu sein, dass Qualitäts- oder Kostenmerkmale keine primäre Rolle spielten. Zudem waren die Lieferanten oft sehr kleine Unternehmen, deren Ausbaukapazitäten begrenzt waren. Dies bedingte die notwendige Umstrukturierung, wenn ein solches Netzwerk bei JointVenture-Gründung übernommen wurde. In mehreren Fällen wurde von Repräsentanten neu-

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er JointVentures berichtet, dass sie versuchten, die Anzahl der Zulieferer durch Bündelung der Beschaffung zu reduzieren. Allerdings sahen sie hierfür bei den kleinen Zulieferern, bedingt durch fehlendes Kapital oder Know-how, nur wenige Möglichkeiten (G014, G034, BP03).

5.3.2 Suche und Auswahl neuer Lieferanten Die Lieferantensuche in China ist für deutsche Unternehmen erschwert, weil sie keine verlässlichen Informationen über geeignete Unternehmen einholen können. Es fehlen gewohnte deliberative institutions aus dem deutschen Kontext als Informationsquellen (Hall/Soskice 2001 ). Sind potentielle Lieferanten entdeckt worden, fallt deren erste Beurteilung schwer, da chinesische Lieferanten oft vorgeben, verlangte Standards erbringen zu können, ohne jedoch genau zu wissen, wie diese aussehen und wie sie erreichbar sind. Ein chinesischer Gesprächspartner, der lange Zeit in der deutschen Zulieferindustrie gearbeitet hatte, beschrieb die Unterschiede folgendermaßen: "Der erste Kontakt ist schon anders als in Deutschland. In Deutschland wollen Sie die Gelben Seiten suchen, oder Branchenverzeichnisse. [ ... ] Hier gibt es nichts. [ ... ] Man versucht durch Mundpropaganda, durch Beziehungen, ich kenne einen - so fängt es an. Und dann werden Sie schnell merken, dass derjenige, der das gerne tun möchte, eigentlich nicht der richtige ist. Aber wir können nicht einfach den abweisen [.. .]. So wird meistens ein "Jein" als Antwort dem gegeben und das ermutigt [ihn]." (GOOl)

Ein deutscher Deputy General Manager (DGM) meinte zu dem Thema: "[ ... ] wenn Sie hier in den Gelben Seiten einen Lieferanten [ ...] suchen, er [Anmerkung: Zeigt auf einen chinesischen Kollegen] wird vielleicht fündig werden, [ ... ] ich werde es nicht. [ ... ]da ist China umständlich bis zum Gehtnichtmehr. [... ] wenn ich mal im Internet einen wichtigen Lieferanten flir irgendwelche Bauteile suche, [... ] die packen da alles rein. Wenn Sie dann hinterfragen, dann stellen Sie schnell fest, [da] wird was ganz anderes dargestellt, als das, was die in Wirklichkeit dann auch machen können." (G003)

Aus der Perspektive ist die Übernahme eines Lieferantenstammes, mit dem das chinesische Partnemnternehmen bereits Erfahmngen hat, eine gute Anfangsbasis und der Markteinstieg über ein Joint Venture von Vorteil gegenüber dem über ein WFOE. Der oben zitierte chinesische Gesprächspartner lieferte ein gutes Beispiel dafür, wie schwer das Leistungsvermögen neuer potentieller Lieferanten eingeschätzt werden kann:

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"[ ... ] es kommen zu uns auch viele Gummilieferanten. Der eine hat irgendwelche Spielzeuge gemacht und meint: "Jetzt bau ich Bremsen." Wir haben ihm gesagt, das kostet viel Geld - "Kein Problem. Ich hol das Geld. Ich habe jemanden, der das Geld hat. Ich fang jetzt an." - [... ] der versucht, das zu erreichen, dass sie sich verpflichtet fühlen, ihm zu helfen. Und er investiert blind wie ein Bekloppter[ ... ] bis sie [... ] ihn warnen müssen: ,,Bitte kein Geld mehr investieren, du hast keine Chance, du schaffst es nicht." Aber er macht es. Und solche Dinge passieren sehr oft." (GOOI) Neue Lieferanten finden die befragten Zulieferer hauptsächlich über andere Kanäle als das Internet oder Lieferantenverzeichnisse. Sehr wichtig hierfür sind Empfehlungen von eigenen Mitarbeitern, von anderen Unternehmen oder von Shanghai Volkswagen. Das in Shanghai ansässige Büro der deutschen Außenhandelskammer hingegen wurde von den befragten Zulieferem selten als Informationsquelle genannt. Suche und Auswahlprozess von Lieferanten werden auch erschwert, weil deren Auswahl nur zum Teil in der Hand des deutschen Managements vor Ort liegt. Einerseits bestimmt oft die deutsche Zentrale die Vorlieferanten, andererseits sind bei so genannten Setzteilen diese von vomherein vom Kunden festgelegt. 13 Der verbleibende Freiraum wird in JointVentures in der Regel zusätzlich dadurch eingeengt, dass die Auswahl mit den chinesischen Partnern abgestimmt werden muss. Vier deutsche Gesprächspartner von Joint Ventures (UOOl, U002, U033, U036) gaben explizit zu verstehen, dass sie bei der Auswahl von Zulieferem Vorlieferanten be1ücksichtigen mussten, die der Joint Yenture-Partner unbedingt ins Zuliefemetzwerk integrieren wollte. Hätten die Lieferanten normale Auswahlprozesse durchlaufen, dann wären sie nach Angaben der Gesprächspartner als Beschaffungsquellen ausgeschieden. In einem Joint Venture hatte die deutsche Seite, obwohl sie den General Manager stellte und auch die Bereiche Engineering und Produktion leitete, keinen Einfluss auf die Auswahl der Zulieferer, da neben dem Einkauf auch die Qualitätsabteilung unter chinesischer Führung war. Problematisch für das Untemehmen war, dass sogar durch fehlerhafte Vorprodukte verursachte Qualitätsmängel übergangen wurden, die in Deutschland zu einer Rückrufaktion geführt hätten. Der Gesprächspartner berichtete, dass der Vorlieferant mittlerweile den Fehler behoben hätte, aber die bereits eingebauten Produkte nach wie vor im Umlauf seien, weil der JointVenture-Partner den Vorgang nicht transparent und öffentlich gemacht hätte (G030). 13 Bei ihnen liegt auch das letzte Wort, da sämtliche Produkte einen Freiga-

beprozess durchlaufen müssen, an dessen Ende der Fahrzeughersteller das Produkt im Feldversuch testet (Abbildung 5.6).

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Besteht im Joint Venture Konsens über potentielle Lieferanten, beginnt die Prüfung ihrer Produkte. Da mehrere Organisationen in den Prozess eingebunden sind, kann dieser bis zu zwei Jahre dauern. In Abbildung 5.6 ist er am Beispiel der Freigabe neuer Produkte eines Second Tier-Zulieferers von Shanghai Volkswagen nachgezeichnet. Zunächst ist der potentielle Lieferant aufgefordert, ein Produktmuster zu erstellen, das vom Kunden in Shanghai begutachtet wird (Prototyp-Bemusterung). Bei einer positiven Beurteilung werden mehrere Produkte, die unter serienähnlichen Prozessen hergestellt werden müssen, nach Deutschland geschickt, wo sie in der Zentrale des deutschen Zulieferers getestet werden. Bestehen die Produkte den Test, erfolgt die Freigabe zur Vorserienproduktion. Die Vorserie wird von SVW zu Volkswagen nach Deutschland geschickt, wo die Produkte in Testfahrzeugen unter Feldbedingungen mehrere zehntausend Kilometer absolvieren müssen. Erst wenn Volkswagen nach diesen Tests die Produkte freigibt, kann der chinesische Lieferant Serienzulieferer werden (G003, GOIS, G033). Abbildung 5. 6: Bereiche der Lieferantenentwicklung und Ablauf des Freigabeprozesses von Zulief erteilen

Zentrale des deutschen Zulieferers

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Potentieller Lieferant