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German Pages 587 [591] Year 2012
Rechtsordnung und Steuerwesen Band 45
Schriftenreihe begründet von Brigitte Knobbe-Keuk herausgegeben von Wolfgang Schön und Ralner Hüttemann
Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen Vereinbarkeit der deutschen Verrechnungspreisvorschriften und der Zinsschranke mit Europa- und Verfassungsrecht
von
Dr: jur: Moritz Glahe
2012
Verl~
Dr.OftoSchmidt Köln
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrofbar.
Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 0221/93738-01, Fax 0221/93738-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-64244-0 ©2012 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für V ervielfältigungen, Bearbeitungen. Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung nach einem Entwurf von: Jan P. Lichtenford Druckund Verarbeitung: Be1z, Darmstadt Printed in Germany
Geleitwort Zu dieser Schriftenreihe Seit Brigitte Knobbe-Keuk im Jahre 1986 diese Schriftenreihe in der Nachfolge von Werner Flume begründet hat, sind mehr als 40 Bände erschienen, in deren thematischen Mittelpunkt die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem Steuerrecht und der allgemeinen Rechtsordnung gestellt ist. Die Entwicklung der Reihe hat gezeigt, dass die vielfältigen Verflechtungen des Steuerrechts mit anderen Rechtsgebieten den gewählten Zuschnitt eindrucksvoll gerechtfertigt haben. Die publizierten Arbeiten nehmen Bezüge zum allgemeinen Zivilrecht, zum Gesellschaftsrecht, zum Bilanzrecht und zu den Wirtschaftswissenschaften ebenso in den Blick wie die Rahmenbedingungen des Verfassungsrechts, des Europarechts und des Internationalen Rechts. Strafrechtliche Zusammenhänge unserer Steuerrechtsordnung werden ebenso beleuchtet wie verfahrensrechtliche Implikationen der Besteuerungspraxis. Der Erkenntnis der Begründerin der Schriftenreihe, dass in den juristischen Fragestellungen aus dem Bereich des Steuerwesens Fragestellungen aus den Teilgebieten der allgemeinen Rechtsordnung zusammentreffen, muss besonders Nachdruck in einer Zeit verliehen werden, in der die innere Stabilität unserer Besteuerungsordnung in hohem Maße gefährdet ist und der Wunsch, aus der eigenen Systematik des Steuerrechts heraus feste Leitlinien für Rechtspolitik und Rechtsanwendung zu gewinnen, hinter den fiskalischen Zwängen der öffentlichen Hand und dem Gestaltungswillen der Steuerpolitik immer weiter zurücktritt. Die Verankerung des Steuerrechts in der allgemeinen Rechtsordnung dient daher auch den Anliegen der Rechtssicherheit und Rationalität unseres Steuerrechts. Darüber hinaus kann durch die Anlehnung an die der Privatautonomie verpflichtete Zivilrechtsordnung sowie durch die Verwirklichung verfassungsrechtlicher und europarechtlicher Freiheitsgewährungen dem Steuerwesen ein Stück rechtsstaatlicher Liberalität zurückgegeben werden. Die Herausgeber wünschen daher, dass die Schriftenreihe in ihrer Gesamtheit einen Beitrag zur Kultur unserer Steuerrechtsordnung zu leisten vermag. München und Bonn, im Oktober 2011 Wolfgang Schön
Rainer Hüttemann
V
Geleitwort
Zu dieser Schrift Angesichts der vielfältigen Unterschiede in den nationalen Steuerrechten besteht insbesondere für international operierende Konzerne mit rechtlich selbständigen Tochtergesellschaften ein erheblicher Anreiz, Steuersubstrat über die Festlegung von Verrechnungspreisen und grenzüberschreitende Finanzierungen in Staaten mit einem niedrigeren Steuerniveau zu verlagern. Staaten mit einem hohen Steuerniveau wie Deutschland versuchen dieser Entwicklung schon seit längerem mit steuerlichen Verrechnungspreis- und Unterkapitalisierungsvorschriften zu begegnen. Für das deutsche Steuerrecht ist insoweit auf die Einkünftekorrektur nach § 1 AStG und die 2008 eingeführte Zinsschranke nach § 4h, § 8a KStG hinzuweisen. Die breit angelegte Untersuchung von Moritz Glahe unterzieht beide Regelungen erstmals einer zusammenhängenden Analyse in Hinsicht auf ihre steuerlichen Wirkungen und ihre Vereinbarkeit mit dem Europa- und Verfassungsrecht. Ausgangspunkt der unionsrechtlichen Würdigung des § 1 AStG ist dabei die Einsicht, dass eine ausschließlich grenzüberschreitend angewandte Einkünftekorrektur eine Diskriminierung darstellt, die der Rechtfertigung bedarf. Zwar hat der EuGH in seiner neueren Rechtsprechung die Ziele der Verhinderung der Steuerumgehung und der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse als mögliche Rechtfertigungsgründe anerkannt, so dass eine ausschließlich am Fremdvergleich orientierte Gewinnabgrenzung unionsrechtlich zulässig erscheint. Wie Glahe nachweist, wird § 1 AStG in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung diesen Anforderungen aber nicht gerecht, da die Regelung in verschiedenen Punkten über das „Erforderliche“ hinaus schießt. Auch die Zinsschranke verstößt nach Ansicht von Glahe in mehrfacher Hinsicht – u.a. wegen der Bereichsausnahme für Inlandskonzerne – gegen unionsrechtliche Vorgaben. Sie verfehlt darüber hinaus auch die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine gleichheitsgerechte Besteuerung. Angesichts dieses ernüchternden Befundes plädiert Glahe für eine Rückkehr zu einer am Fremdvergleich orientierten Gesellschafter-Fremdfinanzierungsvorschrift ähnlich dem früheren § 8a KStG a.F. Die Arbeit von Glahe beeindruckt nicht nur durch die Genauigkeit und Sorgfalt, mit der das umfangreiche Material geordnet und verarbeitet wird, sondern auch durch ihre konsequente Ausrichtung auf den Fremdvergleich als Maßstab der grenzüberschreitenden Einkünftekorrektur. München und Bonn, im Juli 2012 Wolfgang Schön
VI
Rainer Hüttemann
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2011/2012 von der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg als Dissertation angenommen. Für die Drucklegungen konnten die neueren Entwicklungen in Rechtsprechung und Literatur bis zum März 2012 berücksichtigt werden. Zu nennen sind hier insbesondere die Entscheidung des EuGH in der Rs. Scheuten Solar Technology sowie die jüngeren Urteile des BFH zur Thematik der grenzüberschreitenden Organschaft. Ohne die Hilfe und Unterstützung anderer wäre diese Arbeit nicht zustande gekommen. Mein herzlicher Dank gilt zunächst meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Joachim Englisch, für die Betreuung der Arbeit sowie seine tatkräftige Unterstützung bei Themenwahl und -konzeption. Sein wissenschaftliches Werk war mir für diese Arbeit stets ein Vorbild. Mein Dank gilt auch Herrn Prof. Dr. Ulrich M. Gassner für die Erstellung des Zweitgutachtens. Bedanken möchte ich mich weiterhin bei der Sonntag & Partner PartG, die in großzügiger Weise meine Anstellung am damaligen Augsburger Lehrstuhl von Prof. Dr. Joachim Englisch gefördert hat. Andreas Königer und Jörg Kurzenberger danke ich für ihre große Hilfe bei der Korrektur und so manche gewinnbringende Diskussion. Prof. Dr. Dr. h. c. Wolfgang Schön und Prof. Dr. Rainer Hüttemann danke ich für die Aufnahme in die vorliegende Schriftenreihe. Mein Dank gilt schließlich meinen Eltern, die mich auf meinem Weg stets unterstützt und gefördert haben. Hamburg, im März 2012
Moritz Glahe
VII
.
Inhaltsübersicht Seite Geleitwort der Herausgeber............................................................................... V Vorwort ........................................................................................................... VII Inhaltsverzeichnis .............................................................................................XI Abkürzungsverzeichnis .................................................................................XIX
Einleitung .........................................................................................................1 A.
Rahmenbedingungen der Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen ...............................................................5
I.
Lieferungs- und Leistungsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen............................................................................................6
II.
Fremdfinanzierung zwischen verbundenen Unternehmen ......................8
B.
Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen .............................................................15
I.
Verrechnungspreisvorschriften ..............................................................15
II.
Vorschriften zur Abwehr gegen Unterkapitalisierung ...........................69
III.
Strukturvergleich von Verrechnungspreis- und Unterkapitalisierungsvorschriften..........................................................87
IV.
Entstehung und Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbesteuerung ................................................................................91
C.
Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht .....................................................................121
I.
Verrechnungspreisvorschriften ............................................................121
II.
Zinsschranke ........................................................................................307
D.
Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse ......................461
IX
Inhaltsübersicht
Literaturverzeichnis........................................................................................467 Rechtsprechungsverzeichnis ..........................................................................533 Stichwortverzeichnis ......................................................................................559
X
Inhaltsverzeichnis Seite Geleitwort der Herausgeber............................................................................... V Vorwort ........................................................................................................... VII Inhaltsübersicht ................................................................................................IX Abkürzungsverzeichnis .................................................................................XIX
Einleitung .........................................................................................................1 A.
Rahmenbedingungen der Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen ...............................................................5
I.
Lieferungs- und Leistungsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen............................................................................................6
II.
Fremdfinanzierung zwischen verbundenen Unternehmen ......................8
B.
Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen .............................................................15
I. 1.
Verrechnungspreisvorschriften ..............................................................15 Verdeckte Gewinnausschüttung und verdeckte Einlage ........................15 a) Verdeckte Gewinnausschüttung ......................................................15 aa) Tatbestand ................................................................................17 (1) Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung ........................................................17 (2) Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis.............18 bb) Rechtsfolgen ............................................................................22 b) Verdeckte Einlage ...........................................................................25 aa) Tatbestand ................................................................................26 bb) Rechtsfolgen ............................................................................28 c) Vorteilszuwendungen zwischen Schwestergesellschaften..............30 d) Konkretisierung des Fremdvergleichs ............................................32 aa) Tatsächlicher Fremdvergleich ..................................................34 bb) Hypothetischer Fremdvergleich...............................................36 cc) Methoden der Verrechnungspreisermittlung............................37 dd) Bandbreite von Verrechnungspreisen ......................................41 (1) Die Ansichten der Rechtsprechung, der Finanzverwaltung und der OECD...................................42 (2) Stellungnahme.................................................................43
XI
Inhaltsverzeichnis
2.
3. II. 1. 2.
ee) Verrechnungspreisdokumentation............................................45 Berichtigung von Einkünften nach § 1 AStG ........................................45 a) Tatbestand und Rechtsfolge ............................................................46 b) Konkurrenzverhältnis zur verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage...................................................................49 c) Bestimmung des verbleibenden Anwendungsbereichs des § 1 AStG..........................................................................................50 aa) Vergleich mit der verdeckten Einlage ......................................52 (1) Einlagefähige Wirtschaftsgüter .......................................53 (2) Unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe ..........................53 bb) Weitergehende Rechtsfolgen des § 1 AStG aufgrund der gesetzlichen Konkretisierung des Fremdvergleichs in § 1 Abs. 3 AStG ...................................................................57 (1) Tatsächlicher und hypothetischer Fremdvergleich..........58 (2) Bandbreiten von Verrechnungspreisen............................60 (3) Preisanpassung bei immateriellen Wirtschaftsgütern ............................................................63 cc) Schätzung nach § 1 Abs. 4 AStG .............................................67 Zwischenergebnis ..................................................................................68 Vorschriften zur Abwehr gegen Unterkapitalisierung ...........................69 Unterkapitalisierungsregelungen vor Einführung der Zinsschranke ..........................................................................................70 Die Zinsschranke der §§ 4h EStG, 8a KStG ..........................................73 a) Tatbestand .......................................................................................76 aa) Zinsabzugsbeschränkung .........................................................76 bb) Ausnahmen des § 4h Abs. 2 EStG ...........................................78 b) Rechtsfolgen ...................................................................................85
III.
Strukturvergleich von Verrechnungspreis- und Unterkapitalisierungsvorschriften..........................................................87
IV.
Entstehung und Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbesteuerung ................................................................................91 Schrankenwirkung des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA..................................93 a) Verrechnungspreisvorschriften .......................................................93 aa) Verdeckte Gewinnausschüttung und verdeckte Einlage ..........95 bb) § 1 AStG...................................................................................96 b) Unterkapitalisierungsvorschriften.................................................100 c) Konsequenzen ...............................................................................106 Gegenberichtigung............................................................................... 110 a) Verrechnungspreisvorschriften ..................................................... 110 aa) Verständigungs- und Schiedsverfahren der DBA .................. 111 bb) Das EU-Schiedsübereinkommen ........................................... 113
1.
2.
XII
Inhaltsverzeichnis
3.
cc) Vorabverständigungsvereinbarung – Advance Pricing Agreement.............................................................................. 117 b) Unterkapitalisierungsvorschriften................................................. 117 Zwischenergebnis ................................................................................ 119
C.
Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht .....................................................................121
I. 1.
Verrechnungspreisvorschriften ............................................................121 Relevante unionsrechtliche Vorgaben..................................................122 a) Die Bedeutung des primären Unionsrechts für die direkten Steuern ..........................................................................................122 b) Der Gewährleistungsgehalt der Grundfreiheiten ..........................125 aa) Diskriminierungsverbot .........................................................128 bb) Beschränkungsverbot.............................................................134 cc) Vergleichbarkeitsprüfung.......................................................139 (1) Vertikale Vergleichspaare..............................................147 (i) Vergleichbarkeit im Inbound-Fall ..........................147 (ii) Vergleichbarkeit im Outbound-Fall .......................152 (2) Horizontale Vergleichspaare .........................................155 (i) Rechtsformwahlfreiheit..........................................155 (ii) Finanzierungsneutralität.........................................158 (iii) Abkommensrechtliche Meistbegünstigung............158 (iv) Unilaterale Meistbegünstigung ..............................162 (v) Umgekehrte horizontale Diskriminierung .............166 (3) Zusammenfassende Stellungnahme zur Vergleichbarkeitsprüfung ..............................................167 c) Rechtfertigung...............................................................................170 aa) Geschriebene Rechtfertigungsgründe ....................................170 bb) Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe – Die „rule of reason“ ...................................................................................171 Unionsrechtliche Würdigung der Verrechnungspreisvorschriften.......179 a) Anwendungsbereich......................................................................180 aa) Abgrenzung der Niederlassungs- von der Kapitalverkehrsfreiheit ..........................................................181 (1) Einkünftekorrektur nach § 1 AStG................................184 (2) Einkünftekorrektur nach der verdeckten Gewinnausschüttung oder verdeckten Einlage .............188 bb) Anwendbarkeit einer Grundfreiheit .......................................188 b) Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot ..............................193 aa) § 1 AStG als spezifisch grenzüberschreitende Einkünfte betreffende Korrekturvorschrift ............................194 (1) Vertikale Diskriminierung.............................................194
2.
XIII
Inhaltsverzeichnis
(i) Vergleichspaarbildung............................................195 (ii) Schlechterstellung des grenzüberschreitenden Sachverhalts ...........................................................195 (a) Übereinstimmung mit dem Fremdvergleichsgrundsatz .....................................200 (b) Personenübergreifende Betrachtungsweise............203 (c) Abkommensrechtlich zwingend vereinbarter Ausgleich................................................................204 (d) § 1 AStG als Verteilungsnorm im Sinne der Rs. Gilly?................................................................207 (iii) Vergleichbarkeitsprüfung .......................................210 (a) Ausdifferenzierung der Vergleichspaarbildung............................................ 211 (b) Rechtliche und tatsächliche Vergleichbarkeit ........213 (2) Horizontale Diskriminierung ........................................216 (i) Rechtsformwahlfreiheit..........................................216 (ii) Abkommensrechtliche Meistbegünstigung............218 bb) Verdeckte Gewinnausschüttung und verdeckte Einlage als unterschiedslos anwendbare Einkünftekorrekturvorschriften .............................................219 (1) Vergleichspaarbildung...................................................220 (2) Schlechterstellung des grenzüberschreitenden Sachverhalts ..................................................................220 (i) Wirtschaftliche Doppelbesteuerung .......................221 (a) Die Rechtsprechung des EuGH..............................222 (b) Unionsrechtskonformität der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung.................................................225 (ii) Materielles Korrespondenzprinzip .........................228 cc) Zwischenergebnis ..................................................................230 c) Rechtfertigung...............................................................................230 aa) Abzulehnende Rechtfertigungsgründe...................................231 bb) Wahrung der steuerlichen Kohärenz......................................233 (1) Spätere Veräußerung oder Liquidation einer Tochtergesellschaft........................................................238 (2) Korrespondierende Gegenberichtigung im anderen Staat .................................................................239 (i) Zulässigkeit einer personen- und staatenübergreifenden Betrachtungsweise .............240 (ii) Unmittelbarer Zusammenhang...............................243 (iii) Äquivalenter Ausgleich..........................................245 (3) Kohärenz des steuerlichen Gesamtsystems ..................247 cc) Verhinderung der Steuerumgehung und Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse ................................248 XIV
Inhaltsverzeichnis
(1)
3. II. 1.
Verhinderung der Steuerumgehung...............................248 (i) Zwingender Grund des Allgemeininteresses .........248 (ii) Verhinderung der Steuerumgehung bei Lieferungs- und Leistungsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen ....................255 (2) Gesamtbetrachtung mit dem Ziel der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse..................257 (i) Die Rechtsprechung zur grenzüberschreitenden Ergebnisverrechnung ........257 (ii) Die Rechtsprechung zu Unterkapitalisierungsvorschriften..........................262 (iii) Die Rechtsprechung zur belgischen Verrechnungspreisvorschrift in der Rs. SGI...........268 (iv) Stellungnahme........................................................270 (3) Anwendung auf § 1 AStG .............................................275 (i) Verfolgung der Ziele und Geeignetheit..................275 (ii) Erforderlichkeit ......................................................276 (a) Möglichkeit zum Nachweis wirtschaftlicher Gründe....................................................................276 (aa) Anzuerkennende außersteuerliche Gründe ............281 (bb) Anwendung auf § 1 AStG ......................................285 (b) Fremdüblichkeit der Einkünftekorrektur des § 1 AStG .................................................................287 (c) Anerkennungsgrundsatz.........................................290 (iii) Verhältnismäßigkeit i.e.S. ......................................291 (a) Wirtschaftliche Doppelbesteuerung .......................292 (b) Zusätzliche Verwaltungsauflagen...........................295 d) Rechtsfolgen des Verstoßes gegen die Niederlassungsfreiheit ..................................................................297 e) Zwischenergebnis .........................................................................301 Verrechnungspreiskorrektur de lege ferenda .......................................303 Zinsschranke ........................................................................................307 Vorgaben höherrangigen Rechts ..........................................................308 a) Sekundäres Unionsrecht: Die Zins-Lizenzgebühr-Richtlinie .......308 b) Verfassungsrecht ...........................................................................316 aa) Allgemeiner Gleichheitssatz, Art. 3 Abs. 1 GG.....................317 (1) Leistungsfähigkeitsprinzip ............................................319 (i) Subjektives Nettoprinzip........................................322 (ii) Objektives Nettoprinzip .........................................322 (2) Gebot der Folgerichtigkeit ............................................326 (3) Gebot der Gleichbehandlung der Einkunftsarten..........330 (4) Rechtsformneutralität....................................................331
XV
Inhaltsverzeichnis
(5)
2.
XVI
Rechtfertigung...............................................................332 (i) Vom bloßen Willkürverbot bis zur strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung .................................333 (ii) Legitime Rechtfertigungsgründe............................337 bb) Die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG .................................338 Unionsprimärrechtliche Würdigung der Zinsschranke........................341 a) Anwendungsbereich......................................................................342 aa) Abgrenzung der Niederlassungs- von der Kapitalverkehrsfreiheit ..........................................................342 bb) Anwendbarkeit einer Grundfreiheit .......................................343 b) Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot ..............................345 aa) Vertikale Diskriminierung......................................................345 (1) Escape-Klausel und in EWR-Staaten ansässige Konzerne .......................................................................345 (2) Abkommensrechtlich freigestellte Zinserträge .............347 (3) Vermeidung der Zinsschranke mit Hilfe der Organschaft ...................................................................349 (i) Vergleichspaarbildung und rechtliche Ungleichbehandlung ..............................................355 (ii) Schlechterstellung des grenzüberschreitenden Sachverhalts ...........................................................361 (iii) Vergleichbarkeitsprüfung .......................................365 bb) Horizontale Diskriminierung .................................................368 cc) Beschränkung.........................................................................370 (1) Überwiegende Erfassung grenzüberschreitender Sachverhalte ..................................................................370 (2) Wirtschaftliche Doppelbesteuerung ..............................371 dd) Zwischenergebnis ..................................................................373 c) Rechtfertigung...............................................................................373 aa) Escape-Klausel und in EWR-Staaten ansässige Konzerne ................................................................................374 bb) Abkommensrechtlich freigestellte Zinserträge......................375 cc) Vermeidung der Zinsschranke mit Hilfe der Organschaft ............................................................................377 (1) Wahrung der steuerlichen Kohärenz .............................377 (2) Territorialitätsprinzip.....................................................379 (3) Verhinderung der Steuerumgehung und Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse..................383 (i) Verfolgung der Ziele und Geeignetheit..................384 (ii) Erforderlichkeit ......................................................385 d) Rechtsfolgen der Verstöße gegen die Niederlassungsfreiheit.......389 aa) Zu den Rechtsfolgen im Einzelnen........................................389
Inhaltsverzeichnis
3.
4.
5.
bb) Zur Erfüllung der übrigen Voraussetzungen der Organschaft, insbesondere zum Gewinnabführungsvertrag .....................................................391 (1) Zivilrechtliche Zulässigkeit des grenzüberschreitenden Gewinnabführungsvertrags ...........................................392 (2) Schlussfolgerungen .......................................................394 e) Zwischenergebnis .........................................................................396 Unionssekundärrechtliche Würdigung der Zinsschranke ....................398 a) Zum Wortlaut der ZLRL ...............................................................399 b) Zu den Zielsetzungen der ZLRL...................................................403 Verfassungsrechtliche Würdigung der Zinsschranke...........................406 a) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ..................406 aa) Persönlicher Anwendungsbereich..........................................407 bb) Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip als Subprinzip des Leistungsfähigkeitsprinzips ..........................407 (1) Keine Kompensation durch den Zinsvortrag ................410 (2) Auch keine Kompensation durch den EBITDAVortrag...........................................................................413 cc) Verstoß gegen die folgerichtige Umsetzung des einfachgesetzlichen objektiven Nettoprinzips .......................413 dd) Rechtfertigung .......................................................................415 (1) Gegenfinanzierung im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008 ...................................417 (2) Verhinderung der Steuerumgehung...............................418 (i) Verfolgung des Ziels und Geeignetheit..................422 (ii) Erforderlichkeit ......................................................423 (iii) Inbezugnahme des internationalen Steuerwettbewerbs .................................................425 (3) Europarechtskonformität...............................................427 b) Die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG ........................................428 c) Zwischenergebnis .........................................................................431 Unterkapitalisierung de lege ferenda ...................................................433 a) Spezifisch im grenzüberschreitenden Fall anwendbare Gesellschafter-Fremdfinanzierungsvorschrift ..............................435 aa) Zulässigkeit einer Missbrauchstypisierung............................435 (1) Die Rechtsprechung des EuGH.....................................437 (i) Thin Cap und Lammers & Van Cleef.....................437 (ii) Cadbury Schweppes ...............................................439 (iii) CFC and Dividend, Jobra und SGI ........................440 (2) Die Ansicht der Kommission ........................................441 (3) Exkurs: Bericht des OECD Committee on Fiscal Affairs............................................................................441 XVII
Inhaltsverzeichnis
(4)
Schlussfolgerungen .......................................................442 (i) Zur Zulässigkeit einer Missbrauchstypisierung im Allgemeinen...............442 (ii) Zur Zulässigkeit eines „safe haven“ im Speziellen ...............................................................444 bb) Grundzüge eines § 8a KStG-E...............................................447 (1) Missbrauchsvermutung .................................................447 (i) Persönlicher Anwendungsbereich ..........................447 (ii) Sachlicher Anwendungsbereich .............................449 (2) Gegenbeweis wirtschaftlicher Gründe ..........................450 (3) Rechtsfolge....................................................................452 (4) Ein Formulierungsvorschlag .........................................453 b) Gemeinsame konsolidierte KörperschaftsteuerBemessungsgrundlage ..................................................................455 c) Zwischenergebnis .........................................................................459
D.
Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse ......................461
Literaturverzeichnis........................................................................................467 Rechtsprechungsverzeichnis ..........................................................................533 I. Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs .................................533 II. Schlussanträge der Generalanwälte beim Europäischen Gerichtshof ...............................................................................................545 III. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts .................................547 IV. Entscheidungen des Bundesfinanzhofs................................................551 V. Entscheidungen der Finanzgerichte .....................................................556 VI. Entscheidungen des Bundesgerichtshofs .............................................557 VII. Entscheidungen sonstiger Gerichte......................................................558 Stichwortverzeichnis ......................................................................................559
XVIII
Abkürzungsverzeichnis a.A. ABl. ACT AEUV a.F. AG AktG AO AöR APA AStG BB Bd. ber. BewG BFH BFH/NV BFH/PR BFHE BGBl. BGH BGHZ BIFD BIT BMF BR-Drs. Bschl. BStBl. BT-Drs. BTR BVerfG BVerfGE CDFI
anderer Ansicht Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft Advance corporate tax Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Aktiengesetz Abgabenordnung Archiv des Öffentlichen Rechts (Zeitschrift) Advance Pricing Agreement Außensteuergesetz Betriebs-Berater (Zeitschrift) Band bereinigt Bewertungsgesetz Bundesfinanzhof Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Entscheidungen des BFH für die Praxis der Steuerberatung (Zeitschrift) Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Bulletin for International Fiscal Documentation (Zeitschrift) Bulletin for International Taxation (Zeitschrift) Bundesministerium/Bundesminister der Finanzen Bundesrats-Drucksache Beschluss Bundessteuerblatt Bundestags-Drucksache British Tax Review (Zeitschrift) Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Rechtsprechungssammlung) Cahiers de Droit Fiscal International (Tagungsband) XIX
Abkürzungsverzeichnis
CIR CMLRev. COM DB DBA ders. dies. Diss. DFGT DJT DÖV DStJG DStR DStRE DStZ D/W EBIT EBITDA EFG EFTA EG
EStG ET EU EUV EuGH EuR EU-SchÜ EuZW EWG EWR EWS FGO Fn. FR XX
Code des impôts sur les revenus (belgisches Einkommensteuergesetz) Common Market Law Review (Zeitschrift) Communication from the Commission/communication de la Commission Der Betrieb (Zeitschrift) Doppelbesteuerungsabkommen derselbe dieselbe/dieselben Dissertation Deutscher Finanzgerichtstag e.V. Deutscher Juristentag Die Öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft e.V. Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst (Zeitschrift) Deutsche Steuer-Zeitschrift Debatin/Wassermeyer (DBA-Kommentar) Earnings before interest and taxes Earnings before interest, taxes, depreciation and amortization Entscheidungen der Finanzgerichte (Rechtsprechungssammlung) European Free Trade Association Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (abgelöst ab dem 01.12.2009 durch den AEUV) / Europäische Gemeinschaft Einkommensteuergesetz European Taxation (Zeitschrift) Europäische Union Vertrag über die Europäische Union Europäischer Gerichtshof Europarecht (Zeitschrift) EU-Schiedsübereinkommen Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Europäischer Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift) Finanzgerichtsordnung Fußnote Finanz-Rundschau (Zeitschrift)
Abkürzungsverzeichnis
FRL FS FVerlV GA GAufzV GewStG GG GKKB gl.A. GmbHG GmbHR GmbH-StB GrS GRUR Int. GS HBTLJ HFR HGB H/H/R H/H/Sp H&I h.M. HStR IAS i.e.S. IFRS IRC i.S.d. i.V.m. IStR ITLR ITPJ IWB JbFStR JOIT
Fusionsrichtlinie Festschrift Funktionsverlagerungsverordnung Generalanwalt/Generalanwältin Gewinnaufzeichnungsverordnung Gewerbesteuergesetz Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Gemeinsame konsolidierte KörperschaftsteuerBemessungsgrundlage gleicher Ansicht Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau (Zeitschrift) Der GmbH-Steuerberater (Zeitschrift) Großer Senat Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Internationaler Teil (Zeitschrift) Gedächtnisschrift Houston Business and Tax Law Journal Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung (Rechtsprechungssammlung) Handelsgesetzbuch Herrmann/Heuer/Raupach (EStG-Kommentar) Hübschmann/Hepp/Spitaler (AO/FGOKommentar) Highlights & Insights on European Taxation (Zeitschrift) herrschende Meinung Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland International Accounting Standards im engeren Sinne International Financial Reporting Standards Internal Revenue Code (US-amerikanisches Steuergesetz) im Sinne des/der in Verbindung mit Internationales Steuerrecht (Zeitschrift) International Tax Law Reports International Transfer Pricing Journal Internationale Wirtschaftsbriefe Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht Journal of International Taxation XXI
Abkürzungsverzeichnis
JTPF JuS jurisPR-SteuerR JZ K/S/M KOM KStG KStG-E lit. MTRL m.w.N. NJW NJW-RR n.n.v. NVwZ NWB NZA NZG OECD OECD-MA
OECD-MK OECD-RL ÖStZ RdW RFH RIW Rs. SchlA SEK Slg. SteuerStud Stbg StbJb StBp StuB StuW SWI TNI XXII
Joint Transfer Pricing Forum Juristische Schulung (Zeitschrift) juris PraxisReport Steuerrecht Juristen Zeitung (Zeitschrift) Kirchhof/Söhn/Mellinghof (EStG-Kommentar) Mitteilung der Kommission Körperschaftsteuergesetz Körperschaftsteuergesetz-Entwurf Litera (Buchstabe, lateinisch) Mutter-Tochter-Richtlinie mit weiteren Nennungen Neue Juristische Wochenschrift NJW Rechtsprechungsreport Zivilrecht noch nicht veröffentlicht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Wirtschafts-Briefe Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD-Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen OECD-Musterkommentar OECD-Verrechnungspreisrichtlinien Österreichische Steuerzeitung Österreichisches Recht der Wirtschaft Reichsfinanzhof Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Rechtssache(n) Schlussanträge Mitteilung der Kommission (interne Kommunikation) Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts erster Instanz Steuer und Studium (Zeitschrift) Die Steuerberatung (Zeitschrift) Steuerberater-Jahrbuch Die steuerliche Betriebsprüfung (Zeitschrift) Steuern und Bilanzen (Zeitschrift) Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) Steuer und Wirtschaft International (Zeitschrift) Tax Notes International (Zeitschrift)
Abkürzungsverzeichnis
TPI Rev. Tz. Ubg Urt. VVDStRL WPg WRV WTJ WÜRV ZHR ZLRL
Tax Planning International Review (Zeitschrift) Textziffer Die Unternehmensbesteuerung (Zeitschrift) Urteil Veröffentlichungen der Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer (Tagungsband) Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift) Weimarer Reichsverfassung World Tax Journal Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zins-Lizenzgebühr-Richtlinie
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Einleitung Internationale Konzerne produzieren und vertreiben ihre Waren und Dienstleistungen heute in vielen Staaten dieser Welt. Dazu haben sie ein Netzwerk verbundener, aber rechtlich selbstständiger Unternehmen aufgebaut. Dieses eröffnet ihnen die Möglichkeit, Einkünfte zwischen den einzelnen verbundenen Unternehmen derart abzugrenzen, dass Gewinne von Deutschland in einen anderen Staat verlagert werden, der ein niedrigeres Steuerniveau aufweist. Auf diese Weise können die Konzernsteuerquote gesenkt und Wettbewerbsvorteile gegenüber der Konkurrenz erzielt werden. Gängig sind dabei zwei Gestaltungsmethoden: Einerseits die steueroptimierte Festlegung von Verrechnungspreisen für Waren und Dienstleistungen, die zwischen den verbundenen Unternehmen gehandelt werden. Andererseits die Finanzierung eines verbundenen Unternehmens mit Fremd- statt Eigenkapital. Mit dieser kann ausgenutzt werden, dass Zinsen beim Zahlenden abzugsfähig und nach den Regeln des internationalen Steuerrechts allein im Ansässigkeitsstaat des Zahlungsempfängers steuerpflichtig sind.1Einleitung Auf die in internationalen Konzernen bestehenden Gewinnverlagerungsmöglichkeiten haben insbesondere Staaten mit einem hohen Steuerniveau wie Deutschland mit der Einführung von Verrechnungspreis- und Unterkapitalisierungsvorschriften reagiert. Derartige Einkünftekorrekturnormen sollen im Grundsatz zu dem Gewinnansatz führen, der ohne Interessenidentität im Konzern zwischen unabhängigen Dritten entstanden wäre. Insofern sehen sie in der Regel eine Einkünftekorrektur anhand des international anerkannten Fremdvergleichsgrundsatzes2 vor. Zwar führt eine am Fremdvergleich orientierte Einkünftekorrektur zu einer verursachungsgerechten Gewinnaufteilung und damit zugleich zu einer wirksamen Verhinderung der Gewinnverlagerung, die Anwendung der Einkünftekorrekturnormen belastet internationale Konzerne aber mit zusätzlichen Verwaltungsauflagen und führt in vielen Fällen zu einer internationalen wirtschaftlichen Doppelbesteuerung. Die Einkünftekorrekturnormen geraten daher in Konflikt mit den Grundfreiheiten3 des Unionsrechts. Diese schützen den 1
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Siehe Art. 11 Abs. 1 OECD-MA sowie Art. 1 Abs. 1 Zins-Lizenzgebühr-Richtlinie 2003/49/EG (ZLRL) v. 03.07.2003, ABl. 2003 L 157, 49, zuletzt geändert durch Richtlinie 2006/98/EG v. 20.11.2006, ABl. 2006 L 363, 129. Siehe näher A.II. Die OECD-Staaten haben sich einstimmig auf den Fremdvergleichsgrundsatz zur Gewinnabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen entschieden. Siehe Art. 9 OECDMusterabkommen (OECD-MA) sowie die OECD-Verrechnungspreisrichtlinien (OECDRL). Dies sind im Einzelnen die Warenverkehrsfreiheit (Art. 28 AEUV), die Personenverkehrsfreiheiten (Art. 45 und 49 AEUV), die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) und die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV).
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Einleitung
grenzüberschreitend tätigen Steuerpflichtigen vor einer Benachteiligung gegenüber einem rein innerstaatlich tätigen Konkurrenten und tragen so wesentlich zur Schaffung eines europaweiten Binnenmarktes bei. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat seit der grundlegenden Entscheidung in der Rs. avoir fiscal4 im Jahr 1986 zahlreiche mitgliedstaatliche Normen des direkten Steuerrechts für unvereinbar mit den Grundfreiheiten erklärt und hat sich auf diese Weise als ein „Motor der [europäischen] Integration“5 erwiesen.6 Im Jahr 2002 hat er in der Rs. Lankhorst-Hohorst7 die deutsche Unterkapitalisierungsvorschrift8 für unionsrechtswidrig erklärt. Der deutsche Gesetzgeber hat darauf übergangsweise mit der Ausweitung des Anwendungsbereichs der Norm auf den Inlandsfall reagiert, um grenzüberschreitend und rein innerstaatlich tätige Steuerpflichtige gleich zu behandeln. Diese Ausweitung ist andererseits verfassungsrechtlich nicht unproblematisch, da mögliche Nachteile der Norm im Inlandsfall nicht mit der Gefahr der Gewinnverlagerung gerechtfertigt werden können. Im Rahmen der Unternehmensteuerreform 20089 wurde diese Regelung durch die sog. Zinsschranke ersetzt, die – ohne an den Fremdvergleichsgrundsatz anzuknüpfen – ein allgemeines Abzugsverbot für Nettozinsaufwendungen vorsieht, die 30% des steuerlichen EBITDA10 eines Unternehmens übersteigen.11 Die Unternehmensteuerreform führte im Detail auch zu einer Verschärfung12 der Verrechnungspreisvorschrift des § 1 AStG, wobei an dessen 4 EuGH, Urt. v. 28.01.1986, 270/83 (avoir fiscal), Slg. 1986, 273. 5 Hey, StuW 2004, 193 (194); Kokott/Henze, BB 2007, 913; vgl. auch Schnitger, Grenzen, 2006, S. 17 m.w.N.; Gosch, DStR 2007, 1553; Weber-Grellet, DStR 2009, 1229 (1235 f.). 6 Von den 91 bis Ende 2007 entschiedenen Verfahren im direkten Steuerrecht wurden 71 (78%) zugunsten der Steuerpflichtigen entschieden, vgl. Cordewener/Kofler/van Thiel, Fundamental Freedoms and Direct Taxation, draft 2008, S. 6, Download unter: http://www.steuerrecht.jku.at/gwk/de/elemente_site/lehre/SS09/Kofler_EC_Materials.pdf. Es sei an dieser Stelle aber bereits darauf verwiesen, dass der EuGH seit dem Urt. v. 13.12.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837 die Tendenz zeigt, die mitgliedstaatlichen Interessen höher zu gewichten, vgl. Lang, Die Rechtsprechung des EuGH zu den direkten Steuern, 2007, S. 72; Kokott/Henze, BB 2007, 913 (918); Englisch, IFSt-Schrift Nr. 449, 2008, S. 8 f.; Musil/Fähling, DStR 2010, 1501. Dies äußert sich darin, dass 65% der bis Ende 2007 zugunsten der Mitgliedstaaten entschiedenen Verfahren in den Zeitraum von 2005 bis 2007 fallen, vgl. Cordewener/Kofler/van Thiel, a.a.O. 7 EuGH, Urt. v. 12.12.2002, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-11779. 8 Siehe § 8a KStG in der Fassung des Standortsicherungsgesetzes v. 13.03.1993, BGBl. I 1993, 1569. 9 Unternehmensteuerreformgesetz 2008 v. 14.08.2007, BGBl. I 2007, 1912. 10 Earnings before interest, taxes, depreciation and amortization. Siehe § 4h Abs. 1 Satz 2 EStG. 11 Siehe §§ 4h EStG, 8a KStG, zuletzt geändert durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz v. 22.12.2009, BGBl. I 2009, 3950. 12 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1461; Kroppen/Rasch/Eigelshoven, IWB 2007, Fach 3 Gruppe 1, 2201 (2226 ff.).
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Einleitung
alleiniger Anwendbarkeit auf grenzüberschreitende Wirtschaftsvorgänge festgehalten wurde. Ziel dieser Arbeit ist es, die deutschen Verrechnungspreisvorschriften und die Zinsschranke auf ihre Vereinbarkeit mit Europa- und Verfassungsrecht hin zu untersuchen. Besondere Relevanz hat dabei die Fragestellung, inwieweit das Interesse des Fiskus an der Verhinderung der grenzüberschreitenden Gewinnverlagerung gegenüber dem Interesse der Steuerpflichtigen an der Ausübung ihrer europa- und verfassungsrechtlich gewährten Rechte berücksichtigt werden kann. Fraglich ist dabei auch, welche Rolle es spielt, dass das internationale Steuerrecht die Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen dem Grunde nach anerkennt. Die Einkünftekorrekturvorschriften werden in dieser Arbeit allein im Kontext verbundener Unternehmen untersucht. Der Begriff des Konzerns bezieht sich daher auf reine Kapitalgesellschafts-Konzerne. Die Gewinnabgrenzung von Konzerngesellschaften zu Personengesellschaften und Betriebsstätten ist nicht Gegenstand der Arbeit. Vereinfachend wird zudem davon ausgegangen, dass die verbundenen Unternehmen im Konzernabschluss vollkonsolidiert werden. Kein Gegenstand dieser Arbeit sind ferner die Dokumentationsvorschriften für Verrechnungspreise13 sowie die Besteuerung von Funktionsverlagerungen. In Teil A. dieser Arbeit werden eingangs die Rahmenbedingungen der Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen erläutert. Dabei werden die Ursachen für die Gewinnverlagerung und die Notwendigkeit der Einkünftekorrektur erklärt. In Teil B. werden die verschiedenen deutschen Einkünftekorrekturnormen analysiert und untereinander abgegrenzt. Diese werden zudem in das System internationaler Steuerabkommen eingeordnet, wobei auch auf die Maßnahmen zur Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung eingegangen wird. In Teil C. werden die Einkünftekorrekturnormen auf ihre Vereinbarkeit mit den Vorgaben des höherrangigen Rechts untersucht. Die Verrechnungspreisvorschriften werden dabei mangels verfassungsrechtlicher Problemstellungen allein anhand der grundfreiheitlichen Vorgaben gewürdigt. Die Zinsschranke soll hingegen sowohl auf ihre Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten, als auch mit Unionssekundärrecht und Verfassungsrecht überprüft werden. Soweit die Verrechnungspreisvorschriften und die Zinsschranke gegen höherrangiges Recht verstoßen, sollen auch mögliche Lösungswege de lege ferenda aufgezeigt werden. Die Arbeit schließt in Teil D. mit einer Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse.
13 Siehe § 90 Abs. 3 AO i.V.m. der Gewinnaufzeichnungsverordnung (GAufzV) v. 13.11.2003, BGBl. I 2003, 2296, zuletzt geändert durch das Gesetz v. 14.08.2007, BGBl. I 2007, 1912.
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A. Rahmenbedingungen der Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen Verbundene Unternehmen i.S.v. § 15 AktG sind rechtlich selbstständige Unternehmen, die durch Mehrheitsbeteiligungen oder Beherrschungs- und Unternehmensverträge rechtlich miteinander verbunden sind. Stehen sie gemeinsam unter einer einheitlichen Leitung, bilden sie einen Konzern.1 Das Steuerrecht knüpft an die zivilrechtliche Selbstständigkeit der verbundenen Unternehmen2 an und behandelt diese als Kapitalgesellschaften als eigenständige Steuersubjekte.3 Zur Besteuerung ist zwischen der Ebene des Gesellschafters und der Gesellschaft zu trennen. Dieses Trennungsprinzip gilt auch für verbundene Unternehmen.4 Das Steuerrecht verlangt, dass die Einkünfte demjenigen Unternehmen zugerechnet werden, das diese erzielt hat.5 Folglich wird ein Konzern nicht als Einheit besteuert,6 sondern die Einkünfte werden für jede Ge1
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Siehe § 18 AktG und vgl. Bayer, in: Kropff/Semmler, Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl. 2008, § 18 AktG, Rz. 1; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl. 2010, § 18 AktG, Rz. 1; Hüffer, Aktiengesetz, 10. Aufl. 2012, § 18, Rz. 1. Siehe zur eigenen Rechtspersönlichkeit der AG § 1 Abs. 1 Satz 1 AktG, zur GmbH § 13 Abs. 1 GmbHG und zur Europäischen Gesellschaft Art. 1 Abs. 3 der EG-Verordnung 2157/2001 v. 08.10.2001, ABl. 2001 L 294, 1. Siehe § 1 Abs. 1 KStG. Dies gilt auch für alle OECD-Staaten, vgl. OECD-RL 2010, Vorwort Tz. 5 und Tz. 1.6. Dies wird in den OECD-RL 2010, Vorwort Tz. 5 wie folgt begründet: „OECD member countries have chosen this separate entity approach as the most reasonable means for achieving equitable results and minimising the risk of unrelieved double taxation.“ Dieses Ergebnis war aber nicht immer selbstverständlich. Vgl. zur sog. „Organtheorie“ des RFH, Urt. v. 26.10.1937, I 9/37, RStBl. 1937, 46, Nr. 37, vgl. dazu etwa Schön, in: Lüdicke, Besteuerung von Unternehmen im Wandel, 2007, S. 71 ff. Vgl. Schaumburg, in: Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 1994, S. 1; ders., Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2011, Rz. 18.80; Baumhoff, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl. 2005, Rz. C 224. Das Trennungsprinzip ist auch international anerkannt und verbreitet, vgl. Rasch, Konzernverrechnungspreise, 2001, S. 2 m.w.N.; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2011, Rz. 18.80. Siehe § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG. Vgl. Tipke, StuW 1977, 293 (298 f.); Raupach/Schenking, in: H/H/R, EStG/KStG, § 2 EStG, Rz. 100 (Stand: 08.2002), Rz. 125 (Stand: 05.1990); Kirchhof, in: K/S/M, EStG, § 2, Rz. A 77 ff. (Stand: 1986); Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2011, Rz. 18.80 m.w.N. Eine Einheitsbesteuerung wird aber z.B. in den USA (unitary taxation) praktiziert, wonach das weltweite Gruppeneinkommen ermittelt und auf die einzelnen Gesellschaften aufgeteilt wird, vgl. Zschiegner, IWB 2002, Fach 8 USA Gruppe 2, 1141 (1239 f.); Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 7. Aufl. 2011, S. 247 ff., 614 f. m.w.N. Ein vergleichbares Konzept sieht auch der Richtlinienvorschlag der Kommission über eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB) vor, vgl. Kommission v. 16.03.2011, KOM(2011) 121 endg.; siehe dazu C.II.5.b).
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Rahmenbedingungen der Einkünftekorrektur
sellschaft separat ermittelt. Dies ist in internationalen Konzernen ohnehin notwendig, um die Einkünfte den verschiedenen Steuerrechtsordnungen zuzuordnen. Denn nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA werden die Gewinne einer Konzerngesellschaft grundsätzlich in ihrem Ansässigkeitsstaat besteuert. Verbundene Unternehmen sind zwar rechtlich selbstständig, als Konzern bilden sie aber wirtschaftlich eine Einheit.7 Verbundene Unternehmen werden daher die Einkünfte untereinander derart abgrenzen, dass es für den Konzern, aber nicht zwingend für jedes einzelne Unternehmen vorteilhaft ist. Die Steuerplanung wird sich somit eher an der Konzernsteuerquote, als an der Steuerhöhe eines einzelnen Unternehmens orientieren. Zur Senkung der Konzernsteuerquote kann es für internationale Konzerne attraktiv sein, Gewinne in die Gesellschaften zu verlagern, die in einem Staat mit niedrigem Steuerniveau ansässig sind oder Verluste erwirtschaften. Dadurch können sich internationale Konzerne Wettbewerbsvorteile8 erarbeiten und ihre Attraktivität gegenüber potentiellen Kapitalgebern erhöhen. Hierzu bieten sich zwei gängige Gestaltungsmöglichkeiten an:9 Zum einen die steueroptimierte Bestimmung von Verrechnungspreisen für Lieferungs- und Leistungsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen, zum anderen die Finanzierung mit Fremd- statt Eigenkapital.
I.
Lieferungs- und Leistungsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen
Nach Schätzungen der OECD werden mehr als 60% des Welthandels zwischen verbundenen Unternehmen abgewickelt.10 Internationale Konzerne profitieren auf diese Weise von Synergie- und internationalen Standortvorteilen. Werden Wirtschaftsgüter und Dienstleistungen zwischen verbundenen Unternehmen ausgetauscht, liegt zivilrechtlich u.a. ein schuldrechtliches Geschäft zwischen zwei Vertragspartnern vor. Dieses ist steuerlich nach dem Trennungsprinzip 7 Vgl. Debatin, RIW 1975, 596 (597); Burmester, Unternehmensfinanzierung im internationalen Steuerrecht, 2003, Rz. 71; Frotscher, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2009, Rz. 551; Rödder, FS Lang, 2010, S. 1147 (1153); Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 7. Aufl. 2011, S. 551; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2011, Rz. 18.80. 8 Dazu anschaulich: Hinnekens, FS Vanistendael, 2008, S. 511 (513 f.). 9 Diese Gestaltungsmöglichkeiten gehen nach Frotscher über jede andere Möglichkeit der Gewinnverlagerung hinaus, vgl. Frotscher, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2009, Rz. 550; ähnlich: Bächle/Rupp/Ott/Knies, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl. 2008, S. 553. 10 Vgl. Kommission v. 23.10.2001, SEK(2001) 1681, S. 24; BMF Monatsbericht 9/2004, „Wettbewerb der Steuersysteme braucht Regeln – die koordinierende Rolle der OECD in der internationalen Steuerpolitik“, S. 52, Download unter: http://www.bundesfinanzministerium.de/nn_53836/DE/BMF__Startseite/Service/Downloads/Abt__I/26688__0, property=publicationFile.pdf (Abruf: 15.04.2009).
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Lieferungs- und Leistungsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen
dem Grunde nach anzuerkennen. Der Preis, den verbundene Unternehmen bei einem derartigen Geschäft untereinander vereinbaren, wird als Verrechnungspreis bezeichnet.11 Aufgrund der wirtschaftlichen Einheit des Konzerns wird der Verrechnungspreis nicht durch eine Preisbildung auf dem freien Markt bestimmt, sondern kann nach dem Interesse des Konzerns zweckorientiert festgelegt werden.12 Aus steuerlicher Sicht können verbundene Unternehmen die Bestimmung von Verrechnungspreisen zur grenzüberschreitenden Gewinnverlagerung nutzen. Veräußert ein im Staat A ansässiges Unternehmen ein Wirtschaftsgut an ein verbundenes Unternehmen, das in Staat B ansässig ist, kann je nach dem Interesse des Konzerns ein Verrechnungspreis festgelegt werden, der dem Marktpreis entspricht oder höher bzw. niedriger als der Marktpreis ist. Zahlt das Unternehmen aus Staat A einen hohen Preis, sinkt sein Gewinn verglichen zum Ansatz des Marktpreises, jedoch steigt der Gewinn des verbundenen Unternehmens aus Staat B. Der Gewinn wird somit von Staat A in den Staat B verlagert. Umgekehrt werden Gewinne von Staat B in den Staat A verlagert, wenn ein niedriger Preis vereinbart wird. Durch derartige Gewinnverlagerungsmöglichkeiten sehen insbesondere Staaten mit einem hohen Steuerniveau wie Deutschland ihr Steueraufkommen gefährdet.13 Deutschland hat sich auch verfassungsrechtlich verpflichtet, ein gerechtes Steuersystem aufrecht zu erhalten, in dem jeder Steuerpflichtige nach seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit14 besteuert wird.15 Aus diesen Gründen haben Deutschland und viele andere Staaten Verrechnungspreisvorschriften eingeführt, die eine Korrektur der Einkünfte von verbundenen Unternehmen erlauben, die untereinander Lieferungs- und Leistungsbeziehungen
11 Vgl. die entsprechende Definition bei Baumhoff, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl. 2005, Rz. C 225. 12 Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 1.2; Debatin, RIW 1975, 596 (597); Baumhoff, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl. 2005, Rz. C 225. Vgl. allgemein zur Unterscheidung zwischen der marktlichen und hierarchischen Preisbildung: Schmidt/Sigloch/Henselmann, Internationale Steuerlehre, 2005, S. 332 ff.; Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 2009, S. 16 ff. 13 Das konkrete Ausmaß der Gewinnverlagerung ist gleichwohl schwer bezifferbar. Hinsichtlich aller Gewinnverlagerungsmöglichkeiten reichen die Schätzungen für Deutschland von 2 – 100 Mrd. € pro Jahr, vgl. den Überblick bei Heckemeyer/Spengel, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 2008, 37 (38 f.). 14 Das Leistungsfähigkeitsprinzip folgt aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Siehe dazu noch ausführlich C.II.1.b)aa)(1). 15 Ferner kann durch die Verrechnungspreiskorrektur eine Angleichung der durch steuermotivierte Verrechnungspreisgestaltungen beeinträchtigten Wettbewerbsverhältnisse erzielt werden. Dies spielt für die Fiski aber nur eine untergeordnete Rolle, vgl. Hinnekens, FS Vanistendael, 2008, S. 511 (513 f.).
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Rahmenbedingungen der Einkünftekorrektur
unterhalten. International ist es üblich,16 dass die Einkünfte in Anlehnung an Art. 9 Abs. 1 OECD-MA so angesetzt werden, wie sie bei einer vergleichbaren Lieferungs- und Leistungsbeziehung zwischen voneinander unabhängigen Dritten angefallen wären (Fremdvergleichsgrundsatz). Dies wird dadurch erzielt, dass anstatt des aus der Sicht der Finanzverwaltungen zu niedrigen bzw. zu hohen Verrechnungspreises ein Marktpreis angesetzt wird. Die Bestimmung des Verrechnungspreises ist im internationalen Konzern jedoch nicht nur steuerlich motiviert. Zur Steuerung eines Konzerns benötigt das Management eine den tatsächlichen Erfolgen jeder Konzerngesellschaft entsprechende Unternehmensrechnung. Auch wenn sich betriebswirtschaftlich dazu nicht nur eine Abgrenzung anhand von Marktpreisen, sondern etwa auch anhand von Grenzkosten rechtfertigen lässt,17 würde jedenfalls eine rein steuerlich motivierte Verrechnungspreisgestaltung den betriebswirtschaftlichen Erfordernissen zu wider laufen. Insofern ist die Gefahr der Gewinnverlagerung oftmals geringer als es allgemein angenommen wird.18 Die steuerliche Motivation der Verrechnungspreisgestaltung kann das Interesse an einem betriebswirtschaftlich zutreffenden Gewinnausweis aber übersteigen.
II.
Fremdfinanzierung zwischen verbundenen Unternehmen
In einem Konzern benötigt jede einzelne Gesellschaft Kapital, um am Wirtschaftsleben teilnehmen zu können. Der Konzern hat dabei grundsätzlich zwei Möglichkeiten, die Gesellschaft mit Kapital auszustatten, nämlich mit Eigenoder Fremdkapital. Eigenkapital wird im Wesentlichen dadurch charakterisiert, dass es voll am Risiko des Unternehmens teilnimmt und Kontrollrechte an der Gesellschaft gewährt. Die Finanzierung mit Fremdkapital verleiht hingegen keine zusätzlichen Kontrollrechte und stellt den Konzern in der Insolvenz wie einen fremden Dritten. Das Gesellschaftsrecht erlaubt nach dem Grundsatz der Finanzierungsfreiheit, dass eine Gesellschaft auch durch ihre Anteilseigner mit
16 Die OECD-Staaten haben sich einstimmig auf die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes verständigt und gemeinsam die OECD-Verrechnungsrichtlinien (OECD-RL) verabschiedet, vgl. OECD, Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Administrations, 2010. Siehe auch B.I.1.d). 17 Vgl. grundlegend Schmalenbach, Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung 1908/1909, 165 ff. Nach Schmalenbach setzen Grenzkosten die richtigen Anreize für lokale betriebliche Einheiten, die vorhandenen Kapazitäten optimal zu nutzen. Nach Schön, Transfer Pricing, 2011, S. 1, Download unter: http://ssrn.com/abstract?1746063; ders., IStR 2011, 777 (780 m.w.N.) lassen sich betriebswirtschaftlich letztlich verschiedene Verrechnungspreise abhängig von den jeweiligen Anreizfunktionen rechtfertigen. 18 Vgl. auch Scheffler, Internationale betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 3. Aufl. 2009, S. 454; Frotscher, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2009, Rz. 552.
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Rahmenbedingungen der Einkünftekorrektur
unterhalten. International ist es üblich,16 dass die Einkünfte in Anlehnung an Art. 9 Abs. 1 OECD-MA so angesetzt werden, wie sie bei einer vergleichbaren Lieferungs- und Leistungsbeziehung zwischen voneinander unabhängigen Dritten angefallen wären (Fremdvergleichsgrundsatz). Dies wird dadurch erzielt, dass anstatt des aus der Sicht der Finanzverwaltungen zu niedrigen bzw. zu hohen Verrechnungspreises ein Marktpreis angesetzt wird. Die Bestimmung des Verrechnungspreises ist im internationalen Konzern jedoch nicht nur steuerlich motiviert. Zur Steuerung eines Konzerns benötigt das Management eine den tatsächlichen Erfolgen jeder Konzerngesellschaft entsprechende Unternehmensrechnung. Auch wenn sich betriebswirtschaftlich dazu nicht nur eine Abgrenzung anhand von Marktpreisen, sondern etwa auch anhand von Grenzkosten rechtfertigen lässt,17 würde jedenfalls eine rein steuerlich motivierte Verrechnungspreisgestaltung den betriebswirtschaftlichen Erfordernissen zu wider laufen. Insofern ist die Gefahr der Gewinnverlagerung oftmals geringer als es allgemein angenommen wird.18 Die steuerliche Motivation der Verrechnungspreisgestaltung kann das Interesse an einem betriebswirtschaftlich zutreffenden Gewinnausweis aber übersteigen.
II.
Fremdfinanzierung zwischen verbundenen Unternehmen
In einem Konzern benötigt jede einzelne Gesellschaft Kapital, um am Wirtschaftsleben teilnehmen zu können. Der Konzern hat dabei grundsätzlich zwei Möglichkeiten, die Gesellschaft mit Kapital auszustatten, nämlich mit Eigenoder Fremdkapital. Eigenkapital wird im Wesentlichen dadurch charakterisiert, dass es voll am Risiko des Unternehmens teilnimmt und Kontrollrechte an der Gesellschaft gewährt. Die Finanzierung mit Fremdkapital verleiht hingegen keine zusätzlichen Kontrollrechte und stellt den Konzern in der Insolvenz wie einen fremden Dritten. Das Gesellschaftsrecht erlaubt nach dem Grundsatz der Finanzierungsfreiheit, dass eine Gesellschaft auch durch ihre Anteilseigner mit
16 Die OECD-Staaten haben sich einstimmig auf die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes verständigt und gemeinsam die OECD-Verrechnungsrichtlinien (OECD-RL) verabschiedet, vgl. OECD, Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Administrations, 2010. Siehe auch B.I.1.d). 17 Vgl. grundlegend Schmalenbach, Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung 1908/1909, 165 ff. Nach Schmalenbach setzen Grenzkosten die richtigen Anreize für lokale betriebliche Einheiten, die vorhandenen Kapazitäten optimal zu nutzen. Nach Schön, Transfer Pricing, 2011, S. 1, Download unter: http://ssrn.com/abstract?1746063; ders., IStR 2011, 777 (780 m.w.N.) lassen sich betriebswirtschaftlich letztlich verschiedene Verrechnungspreise abhängig von den jeweiligen Anreizfunktionen rechtfertigen. 18 Vgl. auch Scheffler, Internationale betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 3. Aufl. 2009, S. 454; Frotscher, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2009, Rz. 552.
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Fremdfinanzierung zwischen verbundenen Unternehmen
Fremdkapital ausgestattet werden kann.19 Solange die Mindestkapitalvorschriften20 eingehalten werden, kann eine Gesellschaft zu einem beliebig hohen Anteil fremdfinanziert werden. Mindestanforderungen an die Eigenkapitalquote bestehen nur für vereinzelte Branchen.21 Betriebswirtschaftlich existiert kein allgemein optimales Verhältnis von Eigen- zu Fremdkapital. Eine Entscheidung kann nur individuell für jedes einzelne Unternehmen getroffen werden und hängt etwa von den jeweiligen Eigen- und Fremdkapitalkosten, der zu erwartende Gesamtkapitalrendite, dem Geschäftsrisiko und der individuellen Risikobereitschaft ab.22 Durch eine Fremdfinanzierung kann grundsätzlich die Eigenkapitalrendite gesteigert werden, solange die Gesamtkapitalrendite den Fremdkapitalzins übersteigt (sog. leverage effect).23 Ist jedoch der Fremdkapitalzins größer, sinkt die Eigenkapitalrendite oder wird negativ. Fremdkapital ist betriebswirtschaftlich damit zugleich Chance und Risiko. Allgemein hat die Fremd- gegenüber der Eigenfinanzierung die Vorteile der Begrenzung des voll haftenden Kapitals sowie der Einfachheit und Flexibilität; denn sie unterliegt keinen Formvorschriften, führt zu keiner Änderung der Beteiligungsquote und ist leicht zurückführbar.24 Die Fremdfinanzierung ermöglicht damit z.B. ein flexibles Cash-Pooling im Konzern.25
19 Vgl. BGH, Urt. v. 26.11.1979, II ZR 104/77, BGHZ 75, 334 (337 f.); Urt. v. 13.07.1981, II ZR 256/79, BGHZ 81, 252 (257); Urt. v. 26.03.1984, II ZR 171/83, BGHZ 90, 381 (390). 20 Das minimale Grund- bzw. Stammkapital beträgt für eine AG 50.000 € (§ 7 AktG), für eine GmbH 25.000 € (§ 5 Abs. 1 GmbHG) und für die Europäische Gesellschaft 120.000 € (Art. 4 Abs. 2 EG-Verordnung 2157/2001 v. 08.10.2001, ABl. 2001 L 294, 1). 21 Insbesondere Kredit- und Finanzinstitute sind etwa nach den Basel-II-Regeln dazu verpflichtet, bestimmte Mindestkapitalanforderungen zu erfüllen, vgl. Richtlinie 2006/48/EG v. 14.06.2006, ABl. 2006 L 177, 1; Richtlinie 2006/49/EG v. 14.06.2006, ABl. 2006 L 177, 201. Siehe auch § 10 Kreditwesengesetz. 22 Vgl. Piltz, CDFI LXXXIb (1996), 19 (27); Blumenberg, Die Besteuerung der Gesellschafter-Fremdfinanzierung, 1997, S. 51 ff.; Obser, Gesellschafter-Fremdfinanzierung im europäischen Konzern, 2005, S. 1 f.; Mewes, Die Finanzierung von Kapitalgesellschaften im steuerrechtlichen Kontext, 2009, S. 11 ff.; Prinz, FR 2009, 593 (594 f.). 23 Formal gilt dabei der folgende Zusammenhang: EKR = GKR + (GKR – i) x FK/EK, wobei EKR = Eigenkapitalrendite; GKR = Gesamtkapitalrendite; i = Zinssatz; FK = Fremdkapital und EK = Eigenkapital. Solange GKR > i ist, ist das Produkt positiv, was zu einer Steigerung von EKR führt. Ist hingegen i > GKR, ist das Produkt negativ, mit der Folge der Reduzierung von EKR. Vgl. zum leverage effect etwa Drukarczyk, Finanzierung, 10. Aufl. 2008, S. 126 ff., 163 ff.; Perridon/Steiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung, 15. Aufl. 2009, S. 489 ff. 24 Vgl. nur Piltz, CDFI LXXXIb (1996), 19 (28); Wenehed, TNI 2003, 1145 (1147); Obser, Gesellschafter-Fremdfinanzierung im europäischen Konzern, 2005, S. 4; Herr, Gesellschafterfremdfinanzierung und Europarecht, 2008, S. 39 f. 25 Beim Cash-Pooling fungiert eine Konzerneinheit als Verteiler von Liquidität, vgl. dazu Polster-Grüll, in: Bernegger/Rosenberger/Zöchling, Handbuch Verrechnungspreise, 2009, S. 317 ff.
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Rahmenbedingungen der Einkünftekorrektur
Steuerlich liegt der Vorteil der Fremdfinanzierung gerade für internationale Konzerne in der Möglichkeit der grenzüberschreitenden Gewinnverlagerung zwischen den einzelnen Gesellschaften. Der Vorteil ist in der unterschiedlichen Behandlung von Eigen- und Fremdfinanzierung im internationalen Steuerrecht begründet. Wird einer Konzerngesellschaft Fremdkapital zugeführt, zahlt sie als Gegenleistung Zinsen. Diese sind bei ihr steuerlich als Betriebsausgabe abzugsfähig.26 Die Zinserträge werden nach Art. 11 Abs. 1 OECD-MA grundsätzlich im Ansässigkeitsstaat des Kapitalgebers besteuert. Eine Quellensteuer27 ist nach Art. 11 Abs. 2 OECD-MA auf 10% begrenzt und wird nach vielen DBA28 sogar ganz ausgeschlossen. Sind die kapitalgebende und -nehmende Konzerngesellschaft in der EU ansässig, fällt auch im Anwendungsbereich der Zins-Lizenzgebühr-Richtlinie29 keine Quellensteuer an. Die Abzugsfähigkeit des Zinsaufwands im Staat der kapitalnehmenden Gesellschaft einerseits und die (zumeist alleinige) Versteuerung des Zinsertrags im Staat der kapitalgebenden Gesellschaft andererseits, ermöglichen eine grenzüberschreitende Gewinnverlagerung. Diese ist bei der Finanzierung mit Eigenkapital hingegen ausgeschlossen. Denn Dividenden werden als Vergütung für Eigenkapital aus dem bereits versteuerten Gewinn der kapitalnehmenden Gesellschaft gezahlt und sind nicht als Betriebsausgabe abzugsfähig.30 Die Dividende wird nach Art. 10 Abs. 1 OECD-MA grundsätzlich im Ansässigkeitsstaat der kapitalgebenden Gesellschaft besteuert. Eine Quellensteuer ist nach Art. 10 Abs. 2 OECD-MA auf 5% bzw. 15% begrenzt31 und entfällt nach
26 Siehe allgemein § 4 Abs. 4 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG. Dies ist auch international üblich, vgl. OECD Committee on Fiscal Affairs, Thin Capitalisation, 1987, Tz. 5 u. 7; sowie den Generalbericht des IFA-Kongresses von Piltz, CDFI LXXXIb (1996), 19 (30). In Deutschland werden jedoch wieder ¼ der Entgelte für Schulden zur Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer hinzugerechnet, siehe § 8 Nr. 1 lit. a GewStG. 27 Siehe für Deutschland die §§ 43 ff. EStG (Kapitalertragsteuer). 28 Vgl. etwa die deutschen DBA mit Bulgarien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Island, Kuwait, Malta, Namibia, Niederlande, Norwegen, Russland, Schweden, Schweiz und Ungarn. Vgl. auch die Übersicht bei Pöllath/Lohbeck, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 11, Rz. 48. 29 Richtlinie 2003/49/EG v. 03.07.2003, ABl. 2003 L 157, 49, zuletzt geändert durch Richtlinie 2006/98/EG v. 20.11.2006, ABl. 2006 L 363, 129. Siehe zu deren Anwendungsbereich C.II.1.a). 30 Siehe für Deutschland § 8 Abs. 3 Satz 1 KStG, siehe dazu näher B.I.1.a). Dies ist auch international üblich, vgl. OECD Committee on Fiscal Affairs, Thin Capitalisation, 1987, Tz. 5 u. 7; sowie den Generalbericht des IFA-Kongresses von Piltz, CDFI LXXXIb (1996), 19 (29). 31 Die Quellenteuer beträgt im Konzern 5%, wenn das Darlehen von einer (mindestens mit 25% beteiligten) Muttergesellschaft gewährt wird. Andernfalls fällt ein Quellensteuersatz von 15% an, etwa wenn das Darlehen von einer Schwester- oder Enkelgesellschaft ausgezahlt wird, siehe Art. 10 Abs. 2 OECD-MA.
10
Fremdfinanzierung zwischen verbundenen Unternehmen
wenigen DBA ganz.32 Eine Quellensteuer wird zudem nach Art. 5 MutterTochter-Richtlinie33 ausgeschlossen, wenn das Darlehen von einer Muttergesellschaft gewährt wird, die zu mindestens 10% an der Tochter beteiligt ist und beide Gesellschaften in der EU ansässig sind.34 Die Möglichkeit der Gewinnverlagerung durch Fremdfinanzierung wird aus Sicht des Konzerns insbesondere dann attraktiv, wenn die fremdkapitalgebende Gesellschaft in einem Staat mit niedrigem Steuerniveau ansässig ist.35 Studien haben gezeigt, dass der Anteil der Fremdfinanzierung steigt, wenn der Steuersatz im Staat der kapitalnehmenden Gesellschaft erhöht wird.36 Sind Kapitalgeber und -nehmer hingegen beide im Inland ansässig, erfolgt eine Vollerfassung durch das nationale Steuerrecht.37 Um eine Gewinnverlagerung ins Ausland zu verhindern, haben zahlreiche Staaten Einkünftekorrekturvorschriften eingeführt: Eine erste Korrektur findet bereits über die Verrechnungspreisvorschriften statt. Die Überlassung von Kapital zählt insofern zu den Leistungsbeziehungen. Die Verrechnungspreisvorschriften ermöglichen aber nur eine Korrektur bezüglich des vereinbarten Verrechnungspreises, hier des Zinssatzes. Eine grenzüberschreitende Gewinnverlagerung erfolgt aber auch bei einem Zins, der dem Fremdvergleich entspricht.38 Die Gewinnverlagerung kann durch Verrechnungspreisvorschriften lediglich eingeschränkt 32 Vgl. etwa die deutschen DBA mit Schweden, Norwegen und der Schweiz. Einseitig verzichten die Vertragsstaaten zudem auf die Quellensteuer in den DBA Frankreich, Malaysia und Malta. Die DBA mit Georgien und den USA sehen einen Quellensteuererlass bei höheren Beteiligungen vor. Vgl. für eine Übersicht Tischbirek, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 10, Rz. 67. 33 Richtlinie 2011/96/EU v. 30.11.2011, ABl. 2011 L 345, 8. 34 Siehe Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 lit. a, Art. 5 Mutter-Tochter-Richtlinie (MTRL). Siehe zur Umsetzung im deutschen Recht § 43b EStG i.V.m. § 52 Abs. 55c EStG. Bezieht eine inländische Muttergesellschaft die Dividenden von einer in der EU ansässigen Tochtergesellschaft, sind diese nach § 8b Abs. 1 KStG grundsätzlich steuerfrei, nach § 8b Abs. 5 KStG werden jedoch 5% als nicht abzugsfähige Betriebsausgabe behandelt. 35 Vgl. Piltz, CDFI LXXXIb (1996), 19 (34); Blumenberg, Die Besteuerung der Gesellschafter-Fremdfinanzierung, 1997, S. 438 f.; Schwarz, IStR 2008, 11 (12); Bauer, StuW 2009, 163 (165); vgl. auch GA Geelhoed, SchlA v. 29.06.2006, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 4. 36 Vgl. Schwarz, IStR 2008, 11 (12 f.) m.w.N. 37 Vgl. GA Mischo, SchlA v. 26.11.2002, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I11779, Rz. 61; Vinther/Werlauff, EC Tax Rev. 2003, 90 (103); Schön, IStR 2004, 289 (299); Obser, Gesellschafter-Fremdfinanzierung im europäischen Konzern, 2005, S. 7; Kofler, JOIT 2/2005, 34 (42); ders., DBA und EG-Recht, 2007, S. 887 f.; Bauer, StuW 2009, 163 (164 f.). Dennoch ist festzustellen, dass durch eine intranationale Gewinnverlagerung zwischen ansässigen verbundenen Unternehmen eine konzerninterne Verlustverrechnung ermöglicht wird und speziell in Deutschland unterschiedliche Gewerbesteuerhebesätze verschiedener Kommunen ausgenutzt werden können, vgl. Broer, StuW 2010, 110 ff.; siehe auch C.I.2.c)cc)(3)(ii)(c). 38 Vgl. nur Frotscher, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, 2. Aufl. 2008, Rz. 453.
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Rahmenbedingungen der Einkünftekorrektur
werden. In Anerkennung der gesellschaftsrechtlichen Finanzierungsfreiheit wird auch steuerrechtlich die Fremdfinanzierung zwischen verbundenen Unternehmen grundsätzlich anerkannt.39 Viele Staaten40 sehen aber spezielle Maßnahmen vor, die die Abzugsfähigkeit des Zinsaufwands im Fall einer übermäßigen Fremdfinanzierung begrenzen (sog. Unterkapitalisierung bzw. thin capitalisation). Einige Staaten behandeln derartige Fälle über ihre allgemeinen Missbrauchsvorschriften.41 In Anlehnung an den Bericht des OECD Committee on Fiscal Affairs von 198742 sehen die meisten Staaten spezialgesetzliche Unterkapitalisierungsvorschriften vor, die anhand des Fremdvergleichsgrundsatzes überprüfen, ob der Anteil der Fremdfinanzierung auch von fremden Dritten gewährt worden wäre. Die meisten Staaten stellen dabei auf den Verschuldungsgrad ab,43 andere auf das Verhältnis des Fremdkapitals zu bestimmten Aktiva,44 wieder andere auf den Umfang der Zinslast45. Deutschland und Italien verwenden seit 2008 nicht mehr den Fremdvergleich, sondern beschränken allgemein die steuerliche Abzugsfähigkeit der Zinsen, wenn der
39 Vgl. BFH, Urt. v. 05.02.1992, I R 127/90, BStBl. II 1992, 532 (536); Urt. v. 24.04.1997, VIII R 23/93, BStBl. II 1999, 342 (343). Vgl. allgemein zur Finanzierungsfreiheit Prinz, FR 2009, 593 (595 ff.). 40 Von den 27 Mitgliedstaaten der EU sehen nur Estland, Finnland, Griechenland, Malta, Schweden und Zypern keine Maßnahmen vor, vgl. Herzig/Bohn, IStR 2009, 253 (254). 41 So etwa Irland, Luxemburg und Österreich, vgl. Obser, Gesellschafter-Fremdfinanzierung im europäischen Konzern, 2005, S. 15; Herzig/Bohn, IStR 2009, 253 (254). Eine vergleichbare Vorgehensweise verfolgte Deutschland im Rahmen des § 42 AO bis 1993, vgl. den Erlass des BMF v. 16.03.1987, BStBl. I 1987, 373, der im BFH-Urt. v. 05.02.1992, I R 127/90, BStBl. II 1992, 532 jedoch als mit § 42 AO nicht vereinbar angesehen wurde, siehe dazu B.II.1. 42 OECD Committee on Fiscal Affairs, Thin Capitalisation, 1987, Tz. 70 ff. 43 Auf diese Weise verfahren 15 der 27 EU-Mitgliedstaaten: Belgien, Bulgarien, Dänemark, Frankreich, Lettland, Litauen, Niederlande, Polen, Portugal, Rumänien, Slowakische Republik, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik und Ungarn, vgl. Herzig/Bohn, IStR 2009, 253 (255 f.); Bauer, StuW 2009, 163 (171 ff., 182). In der Regel wird dabei ein festes Eigenkapital-Fremdkapital-Verhältnis angegeben, das typisierend als fremdüblich betrachtet wird, wobei der Steuerpflichtige bei Überschreiten die Möglichkeit zum Gegenbeweis hat, dass sein Verhältnis im Einzelfall doch dem Fremdvergleich entspricht (sog. „safe haven“). Siehe zum früheren § 8a KStG a.F. B.II.1. 44 So etwa Australien, die Schweiz und in Kombination mit anderen Methoden auch Dänemark, vgl. Herzig/Bohn, IStR 2009, 253 (255 u. 257 f.). Vgl. näher zur Aktivagrenze Herzig/Bohn/Fritz, DStR 2009, Beihefter zu Heft 29, 61 (65 ff.); Bohn, Zinsschranke, 2009, S. 329 ff. 45 Großbritannien hat seit 2004 seine speziellen Unterkapitalisierungsvorschriften abgeschafft und stattdessen die Verrechnungspreisvorschriften erweitert. Diese stellen darauf ab, ob die Zinszahlungen angemessen sind, das heißt, bis zu welcher Grenze die Gesellschaft in der Lage ist, die Zinslast zu tragen, vgl. Bauer, StuW 2009, 163 (180 f.); Casley, ITPJ 2004, 114 ff.; Brosens, EC Tax Rev. 2004, 188 (202 f.); van den Berg van Saparoea, ET 2009, 3 (6 f.).
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Fremdfinanzierung zwischen verbundenen Unternehmen
Nettozinsaufwand einen gewissen Prozentsatz einer steuerlichen Ergebnisgröße überschreitet.46
46 Siehe §§ 4h EStG, 8a KStG. Dazu später im Einzelnen unter B.II.2. Vgl. zur italienischen Regelung Romani/Grabbe/Imbrenda, IStR 2008, 210 ff.; Marino/Russo, Intertax 2008, 204 ff.; Galeano/Rhode, Intertax 2008, 292 ff.; Bauer, StuW 2009, 163 (170 f.); von Brocke/Garcia Perez, ITPJ 2009, 29 (33 f.); Wengerter, IWB 2009, Fach 5 Italien Gruppe 2, 649 ff.; Kessler/Dietrich, DB 2010, 240 ff. Eine derartige Ergebnisgrenze sehen in individueller Kombination mit dem Verschuldungsgrad auch Bulgarien, Dänemark, Frankreich und die USA vor, verzichten insofern aber nicht auf ein Element des Fremdvergleichs, vgl. Herzig/Bohn, IStR 2009, 253 (257 ff.).
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B. Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen In Teil B. dieser Arbeit werden die deutschen Einkünftekorrekturnormen näher dargestellt, zunächst die Verrechnungspreisvorschriften, anschließend die Unterkapitalisierungsvorschriften. Beide Normengruppen sollen zudem in einem Strukturvergleich gegenüber gestellt werden. Darüber hinaus werden die Problematik der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung aufgrund einer Einkünftekorrektur und die diesbezügliche Rolle der bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen untersucht.
I.
Verrechnungspreisvorschriften
Das Recht der Verrechnungspreise wird im deutschen Steuerrecht durch zwei Gruppen von Rechtsgrundlagen bestimmt: Einerseits die verdeckte Gewinnausschüttung, § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, und die verdeckte Einlage, § 4 Abs. 1 EStG, § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG, die sowohl im innerstaatlichen als auch im grenzüberschreitenden Sachverhalt Anwendung finden. Andererseits können Verrechnungspreise durch § 1 AStG korrigiert werden, der nur auf grenzüberschreitende Lieferungs- und Leistungsbeziehungen anwendbar ist.
1.
Verdeckte Gewinnausschüttung und verdeckte Einlage
Die verdeckte Gewinnausschüttung und die verdeckte Einlage ermöglichen eine Gewinnkorrektur, wenn verbundene Unternehmen untereinander Lieferungs- und Leistungsbeziehungen unterhalten. Beide Rechtsinstitute sind spiegelbildlich zueinander ausgestaltet: Während die verdeckte Gewinnausschüttung anwendbar ist, wenn eine Tochter- ihrer Muttergesellschaft einen Vorteil gewährt, betrifft die verdeckte Einlage umgekehrt die Vorteilsgewährung von der Mutter- an die Tochtergesellschaft. Bei derartigen vertikalen Lieferungs- und Leistungsbeziehungen schließen sich beide Rechtsinstitute gegenseitig aus. Sie finden jedoch gemeinsam auf horizontale Lieferungs- und Leistungsbeziehungen zwischen zwei Schwestergesellschaften Anwendung.1 a)
Verdeckte Gewinnausschüttung
Eine Gesellschaft kann Gewinne offen oder verdeckt an ihre Gesellschafter ausschütten. Eine offene Ausschüttung beruht auf einem handelsrechtlichen Gewinnverteilungsbeschluss i.S.v. § 174 AktG, § 46 GmbHG. Gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 KStG mindert eine offene Ausschüttung das Einkommen der Gesellschaft nicht und erfolgt somit aus dem bereits versteuerten Gewinn. Werden Gewinne nicht offen, sondern verdeckt im Rahmen von Lieferungs- und Leis1
Siehe dazu B.I.1.c).
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
tungsbeziehungen ausgeschüttet, liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung vor. Sofern die verdeckte Gewinnausschüttung von der Finanzverwaltung nicht als solche erkannt wird, weist sie den steuerlichen Vorteil auf, dass sie bei der ausschüttenden Gesellschaft zu einer Betriebsausgabe bzw. zu einem Verzicht auf eine Betriebseinnahme führt und insoweit ihren Gewinn schmälert. In einem internationalen Konzern können auf diese Weise Gewinne grenzüberschreitend verlagert werden. Erfolgt die verdeckte Ausschüttung an eine natürliche Person, kann auch im Inlandsfall Körperschaftsteuer gespart werden. Um die genannten Folgen zu verhindern, werden verdeckte Gewinnausschüttungen den offenen gleichgestellt: Dazu bestimmt § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, dass verdeckte Gewinnausschüttungen das Einkommen der (Tochter-)Gesellschaft nicht mindern. Auf der Ebene des Steuerpflichtigen dient die verdeckte Gewinnausschüttung auf diese Weise der korrekten Einkünfteabgrenzung zwischen Tochter- und Muttergesellschaft sowie einer wettbewerbsneutralen2 und gerechten Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit3 jeder Gesellschaft. Bei natürlichen Personen als Gesellschafter dient sie primär zur Trennung der Einkommensverwendung von der Einkommenserzielung.4 Im international zwischenstaatlichem Kontext dient die verdeckte Gewinnausschüttung ferner einer gerechten Verteilung des Steuersubstrats zwischen zwei Staaten.5
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16
Eine Einkünftekorrektur anhand des international anerkannten Fremdvergleichsgrundsatzes zielt einerseits auf Wettbewerbsgleichheit zwischen zwei verbundenen Unternehmen und andererseits zwischen im Konzern verbundenen und unverbundenen Unternehmen ab, vgl. OECD-RL 2010, Tz. 1.3, 1.8, 1.14; Hinnekens, FS Vanistendael, 2008, S. 511 (513 f.); Wittendorf, Transfer Pricing and the Arm’s Length Principle in International Tax Law, 2010, S. 7; Schön, World Tax Journal 2010, 227 (232); ders., Transfer Pricing, 2011, S. 2, Download unter: http://ssrn.com/abstract?1746063; ders., Transfer Pricing, the Arm’s Length Standard and European Union Law, 2011, S. 9, Download unter: http://ssrn.com/abstract=1930237; ders., IStR 2011, 777 (780). Vgl. Schoueri, FS Lang, 2010, S. 1117 (1122); a.A. Baßler, Steuerliche Gewinnabgrenzung im Europäischen Binnenmarkt, 2011, S. 102 ff. Eine leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung wird im Schrifttum als primäres Ziel der verdeckten Gewinnausschüttung im Rahmen der Trennung von Einkommensverwendung und Einkommenserzielung genannt, siehe Fn. 4. In diesem Zusammenhang dient die verdeckte Gewinnausschüttung zugleich dem Schutz von Gläubigern und Minderheitsgesellschaftern, vgl. Schön, Transfer Pricing, 2011, S. 2 f., Download siehe Fn. 2; ders., IStR 2011, 777 (780). Vgl. Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, Anhang zu § 8 KStG, Rz. 8 (Stand: 03.2005); ders., Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, 2. Aufl. 2008, Rz. 380 f.; Rasch, Konzernverrechnungspreise, 2001, S. 24; Scheffler, Internationale betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 3. Aufl. 2009, S. 429; Gosch, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 8, Rz. 156 ff. Vgl. zu dieser zweiten Funktion einer Einkünfteabgrenzung anhand des Fremdvergleichsgrundsatzes allgemein Wittendorf, Transfer Pricing and the Arm’s Length Principle in International Tax Law, 2010, S. 7 f.; Schön, World Tax Journal 2010, 227 (230); ders., Transfer Pricing, 2011, S. 2, Download siehe Fn. 2; ders., Transfer Pricing, the
Verrechnungspreisvorschriften
Im Folgenden werden der Tatbestand und die Rechtsfolgen der verdeckten Gewinnausschüttung näher erläutert. aa)
Tatbestand
Die verdeckte Gewinnausschüttung wird durch § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG nicht definiert, sondern als unbestimmter Rechtsbegriff vorausgesetzt.6 Dieser wurde durch eine umfassende Rechtsprechung des BFH ausgefüllt. Danach ist unter einer verdeckten Gewinnausschüttung „bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrags gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht.“7 Von überragender Bedeutung sind die beiden zuerst genannten Voraussetzungen, die Vermögensminderung bzw. verhinderten Vermögensmehrung und die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis. Sie sollen im Folgenden näher erläutert werden. (1)
Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung
Der Begriff der Vermögensminderung stellt auf das bilanzielle Vermögen ab.8 Sie scheidet aus, wenn eine Tochtergesellschaft ein Wirtschaftsgut an ihre Muttergesellschaft zum Buchwert veräußert.9 Liegt der Verkehrswert des Wirtschaftsguts über dem Buchwert, kommt eine verhinderte Vermögensmehrung in Betracht. Diese besteht im entgangenen Gewinn,10 den die Tochterge-
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Arm’s Length Standard and European Union Law, 2011, S. 11, Download siehe Fn. 2; ders., IStR 2011, 777 (782); a.A. hinsichtlich der verdeckten Gewinnausschüttung Baßler, Steuerliche Gewinnabgrenzung im Europäischen Binnenmarkt, 2011, S. 93-115, 196. Vgl. BFH, Urt. v. 10.06.1987, I R 149/83, BStBl. II 1988, 25; Urt. v. 13.04.1988, I R 284/82, BFH/NV 1989, 395 (397). BFH, Urt. v. 08.10.2008, I R 61/07, BFH/NV 2009, 504 (505); Urt. v. 17.07.2008, I R 83/07, BFH/NV 2009, 417; erstmals im: Urt. v. 01.02.1989, I R 73/85, BStBl. II 1989, 522 (523); vgl. weiter: Urt. v. 13.12.1989, I R 99/87, BStBl. II 1990, 454 (455); Urt. v. 17.05.1995, I R 147/93, BStBl. II 1996, 204 (205); Urt. v. 17.10.2001, I R 103/00, BStBl. II 2004, 171 (173); Urt. v. 07.08.2002, I R 2/02, BStBl. II 2004, 131; Urt. v. 15.09.2004, I R 62/03, BStBl. II 2005, 175 (178); Urt. v. 20.08.2008, I R 19/07, BFH/NV 2008, 1963 (1964); Urt. v. 08.09.2010, I R 6/09, IStR 2011, 160 (161). Vgl. BFH, Urt. v. 23.06.1993, I R 72/92, BStBl. II 1993, 801 (802); Urt. v. 29.06.1994, I R 137/93, BStBl. II 2002, 366 (367); Urt. v. 17.09.2003, I R 91/02 u.a., BFH/NV 2004, 182. Dies verdeutlicht auch, dass sich die dritte Voraussetzung des BFH (die Auswirkung der Vermögensminderung bzw. verhinderten Vermögensmehrung auf die Höhe des Unterschiedsbetrags gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG) mit der ersten weitgehend deckt, vgl. insbesondere Reiß, StuW 2003, 21 (30), der sogar von einer Redundanz ausgeht. Vgl. Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, Anhang zu § 8 KStG, Rz. 71 (Stand: 01.2009). Vgl. etwa BFH, Urt. v. 22.10.2003, I R 36/03, BStBl. II 2004, 307 (Leitsatz 2). Der BFH nimmt insbesondere bei natürlichen Personen als Gesellschafter-Geschäftsführer eine
17
Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
sellschaft bei einer Veräußerung des Wirtschaftsguts am Markt hätte erzielen können. Erbringt die Muttergesellschaft für das Wirtschaftsgut eine marktkonforme und somit angemessene Gegenleistung, scheiden Vermögensminderung und verhinderte Vermögensmehrung aus. Zur Beurteilung der Angemessenheit der Gegenleistung sind ggf. auch mehrere Rechtsgeschäfte zu betrachten, wenn diese so eng zusammenhängen, dass sie wirtschaftlich als ein einheitliches Geschäft aufzufassen sind.11 (2)
Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis
Zur Einkünfteabgrenzung zwischen Tochter- und Muttergesellschaft bzw. allgemein zwischen Gesellschaft und Gesellschafter zieht der BFH das Veranlassungsprinzip heran.12 Dieses hat seinen Ursprung in § 4 Abs. 4 EStG im Rahmen der Trennung beruflich und privat veranlasster Aufwendungen. Im Fall natürlicher Personen als Gesellschafter erfüllt es bei verdeckten Gewinnausschüttungen den gleichen Zweck durch die Trennung von Einkommenserzielung und -verwendung. Ein Rechtsgeschäft ist der Einkommensverwendung zuzuordnen, wenn es durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Dies ist stets bei offenen Gewinnausschüttungen der Fall. Es kann jedoch nicht jede Lieferungs- und Leistungsbeziehung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter als gesellschaftlich veranlasst und somit als verdeckte Gewinnausschüttung eingestuft werden. Dies gebietet allein das Trennungsprinzip.13 Rechtsgeschäfte, die auch fremde Dritte untereinander abgeschlossen hätten, können nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sein. Zur Bestimmung der gesellverhinderte Vermögensmehrung an, wenn der Gesellschafter „Geschäftschancen, die der Kapitalgesellschaft gebühren, als Eigengeschäfte wahrnimmt oder Kenntnisse der Gesellschaft über geschäftliche Möglichkeiten tatsächlicher oder rechtsgeschäftlicher Art an sich zieht und für eigene Rechnung nutzt“, siehe BFH, Urt. v. 09.07.2003, I R 100/02, BFH/NV 2003, 1666 (1668 m.w.N.). 11 Vgl. BFH, Urt. v. 08.06.1977, I R 95/75, BStBl. II 1977, 704 (705). Für Verrechnungspreise verlangt die Finanzverwaltung darüber hinaus, dass die Vorteile innerhalb eines Wirtschaftsjahres ausgeglichen werden oder, dass zumindest zum Ende des Wirtschaftsjahres ein Ausgleich innerhalb der folgenden drei Jahre vertraglich bestimmt ist, vgl. BMF v. 23.02.1983, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.3.3. Diese strengen Voraussetzungen sind jedoch unverhältnismäßig, weil es keinen Unterschied machen kann, ob zwei sich ausgleichende Geschäfte in aufeinander folgenden Monaten innerhalb eines Kalenderjahres oder über den Jahreswechsel hinweg vollzogen werden. 12 Siehe bereits die Definition des BFH unter B.I.1.a)aa). Das Veranlassungsprinzip ebenfalls als das zentrale, der verdeckten Gewinnausschüttung zugrunde liegende Prinzip einordnend: Oppenländer, Verdeckte Gewinnausschüttung, 2004, S. 31 ff.; Rasch, Konzernverrechnungspreise, 2001, S. 30 ff.; Wilk, in: H/H/R, EStG/KStG, § 8 KStG, Rz. 132 (Stand: 10.2007); Winter, GmbHR 2010, 1073. A.A. ist Bauschatz, Verdeckte Gewinnausschüttung und Fremdvergleich im Steuerrecht der GbmH, 2001, S. 39 ff., der den Fremdvergleichsgrundsatz als die dogmatische Grundlage der verdeckten Gewinnausschüttung ansieht. 13 Siehe zum Trennungsprinzip bereits A.
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Verrechnungspreisvorschriften
schaftlichen Veranlassung ist folglich ein Fremdvergleich vorzunehmen. Dabei ist zu fragen, ob ein Rechtsgeschäft, das zwischen Gesellschaft und Gesellschafter abgeschlossen wurde, auch zwischen voneinander unabhängigen Dritten unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen vereinbart worden wäre. Dieser Fremdvergleichsgrundsatz wird in allen deutschen Verrechnungspreisvorschriften14 zur Einkünfteabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen herangezogen. Er ist international15 anerkannt und findet sich auch in den Verrechnungspreisvorschriften vieler anderer Steuerrechtsordnungen16 sowie, beruhend auf Art. 9 OECD-MA, in zahlreichen Doppelbesteuerungsabkommen17 wieder. Der Fremdvergleichsgrundsatz dient einerseits der Zuordnung von Gewinnen an eine einzelne Konzerngesellschaft und andererseits der zwischenstaatlichen Zuordnung von Besteuerungsrechten.18 Er versucht die Interessenidentität im Konzern19 auszublenden, indem der natürliche Interessengegensatz, der zwischen fremden Dritten besteht, fingiert wird.20 Auf diese Weise soll die Preisfindung nachgebildet werden, die unabhängige Geschäftspartner auf dem freien Markt vornehmen. Der Fremdvergleichsgrundsatz sichert damit die steuerlich gleiche Behandlung von verbundenen und unverbundenen Unternehmen.21
14 Siehe die Legaldefinition in § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG. 15 Der Fremdvergleichsgrundsatz wird im Englischen als „arm’s length principle“ bezeichnet. Der Begriff entstammt dem Fechtsport. Erst die Einhaltung eines angemessenen Abstands („arm’s length“) garantiert einen sportlich fairen Kampf, vgl. Scheuerle, IStR 2002, 798 (799). 16 Vgl. nur Baumhoff, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. 256 (Stand: 11.1999). Die OECD-Staaten haben sich einstimmig auf die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes verständigt und gemeinsam die OECD-Verrechnungsrichtlinien (OECD-RL) verabschiedet, vgl. OECD, Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Administrations, 2010. Siehe auch B.I.1.d). 17 Siehe für eine Übersicht zu den deutschen DBA: Eigelshoven, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 9, Rz. 145. 18 Vgl. Schön, World Tax Journal 2010, 227 (230); ders., Transfer Pricing, the Arm’s Length Standard and European Union Law, 2011, S. 9, Download unter: http://ssrn.com/abstract=1930237; ders., IStR 2011, 777 (782). Vgl. zur betriebswirtschaftlichen und gesellschaftsrechtlichen Funktion des Fremdvergleichsgrundsatzes auch Schön, Transfer Pricing, 2011, S. 1 ff., Download siehe Fn. 2. 19 Siehe bereits A. 20 Vgl. Baumhoff, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl. 2005, Rz. C 230. 21 Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 1.3, 1.8, 1.14; Wittendorf, Transfer Pricing and the Arm’s Length Principle in International Tax Law, 2010, S. 7; Schön, World Tax Journal 2010, 227 (232); ders., Transfer Pricing, the Arm’s Length Standard and European Union Law, 2011, S. 9, Download unter: http://ssrn.com/abstract=1930237; ders., IStR 2011, 777 (780).
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
Zur Konkretisierung des Fremdvergleichsgrundsatzes verwendet der BFH den Maßstab des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters.22 Die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis wird angenommen, „wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet,23 den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte“.24 Dieser Maßstab dient zur Objektivierung des Fremdvergleichs.25 Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer hat unmittelbar im Interesse der Gesellschaft zu handeln, nicht aber im Interesse einzelner Gesellschafter.26 Indem der eigentliche Gesellschafter-Geschäftsführer, der in seiner Position als Gesellschafter über Interessenkonflikte verfügt, durch einen objektivierten Geschäftsführer ersetzt wird, kann der Fremdvergleich zwischen fremden Dritten vorgenommen werden. In der späteren Rechtsprechung ist der BFH dazu übergegangen, auch den Vertragspartner nach dem Maßstab des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters zu objektivieren.27 Dadurch wird sichergestellt, dass beide 22 Dieser Maßstab wurde aus dem Handelsrecht gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG, § 43 Abs. 1 GmbHG hergeleitet, vgl. BFH, Urt. v. 16.03.1967, I 261/63, BStBl. III 1967, 626 (627). Er hat steuerrechtlich aber eine eigene Bedeutung erlangt, vgl. Wassermeyer, DB 1994, 1105 (1107); Wilk, in: H/H/R, EStG/KStG, § 8 KStG, Rz. 137 (Stand: 10.2007); Rasch, Konzernverrechnungspreise, 2001, S. 56. 23 Nach neuerer Rechtsprechung setzt die verdeckte Gewinnausschüttung nur die Eignung voraus, beim Gesellschafter einen Vermögensvorteil auszulösen, siehe die Nachweise in Fn. 28. 24 BFH, Urt. v. 20.08.2008, I R 19/07, BFH/NV 2008, 1963 (1964); vgl. auch Urt. v. 16.03.1967, I 261/63, BStBl. III 1967, 626 (627); Urt. v. 23.10.1968, I 228/65, BStBl. II 1969, 243 (244); Urt. v. 17.05.1995, I R 147/93, BStBl. II 1996, 204 (205); Urt. v. 13.12.1989, I R 99/87, BStBl. II 1990, 454 (456); Urt. v. 15.09.2004, I R 62/03, BStBl. II 2005, 176 (178); Urt. v. 06.04.2005, I R 22/04, BStBl. II 2007, 658 (660); Urt. v. 17.07.2008, I R 83/07, BFH/NV 2009, 417; Urt. v. 20.08.2008, I R 16/08, BFH/NV 2009, 49; Urt. v. 08.09.2010, I R 6/09, IStR 2011, 160 (161). 25 Vgl. Baumhoff, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl. 2005, Rz. C 298; Schulte, in: Erle/Sauter, KStG, 2. Aufl. 2006, § 8, Rz. 161; Wilk, in: H/H/R, EStG/KStG, § 8 KStG, Rz. 137 (Stand: 10.2007); Frotscher, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, 2. Aufl. 2008, Rz. 424. 26 Vgl. BFH, Urt. v. 24.04.2002, I R 18/01, BStBl. II 2002, 670 (671). 27 Vgl. BFH, Urt. v. 17.05.1995, I R 147/93, BStBl. II 1996, 204 (205); Urt. v. 27.02.2003, I R 46/01, BStBl. II 2004, 132 (134); Urt. v. 20.10.2004, I R 4/04, BFH/NV 2005, 723 (724); vgl. zuvor bereits Urt. v. 13.12.1989, I R 99/87, BStBl. II 1990, 454 (456). Dieser sog. doppelte ordentliche und gewissenhafte Geschäftsführer wurde zuvor bereits gefordert von Flick, JbFStR 1981/1982, 131 (135); Baumhoff, Verrechnungspreise für Dienstleistungen, 1986, S. 139 ff.; Wassermeyer, DB 1994, 1105 (1107). Dadurch konnte insbesondere eine Gleichstellung mit den Fremdvergleichsmaßstäben von Art. 9 OECDMA und § 1 AStG (siehe jetzt § 1 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 AStG 2008) hergestellt werden. Vgl. hingegen kritisch: Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, Anhang zu § 8 KStG, Rz. 191 (Stand: 08.2006); Schulte, in: Erle/Sauter, KStG, 2. Aufl. 2006, § 8, Rz. 170; Leitner, FS Schaumburg, 2009, S. 889 (905); Wellens, IStR 2010, 153 (156).
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Verrechnungspreisvorschriften
Vertragspartner unabhängig voneinander sind und nach objektiven Maßstäben handeln. Die Veranlassung aus dem Gesellschaftsverhältnis erfordert außerdem die Eignung, beim Gesellschafter einen Vermögensvorteil auszulösen.28 Um missbräuchliche Gestaltungen zu verhindern, werden auch Vermögensvorteile erfasst, die nahe stehenden Personen zugewendet werden.29 Dazu zählen insbesondere Schwestergesellschaften,30 das heißt Gesellschaften, an denen dieselbe Muttergesellschaft jeweils maßgeblich beteiligt ist.31 Der BFH verwendet neben dem Fremdvergleichsgrundsatz noch zwei weitere Maßstäbe, um die Veranlassung aus dem Gesellschaftsverhältnis zu bestimmen: Erstens zieht er die Kriterien der Ernsthaftigkeit32 und Üblichkeit33 einer Vereinbarung heran, um auch Sachverhalte zu erfassen, die zwar für die Gesellschaft, nicht aber für den Gesellschafter vorteilhaft sind.34 Derartige Vereinbarungen seien dem Grunde nach unüblich bzw. nicht ernsthaft gewollt. Diese Kriterien sind jedoch ungeeignet, die gesellschaftliche Veranlassung zu bestimmen.35 Insbesondere fehlt es bei einseitig für die Gesellschaft vorteilhaften Vereinbarungen an einer Vermögensminderung bzw. verhinderten Vermögensmehrung. Somit kann keine verdeckte Gewinnausschüttung, sondern
28 Vgl. BFH, Urt. v. 07.08.2002, I R 2/02, BStBl. II 2004, 131; Urt. v. 20.08.2008, I R 19/07, BFH/NV 2008, 1963 (1964); Urt. v. 08.09.2010, I R 6/09, IStR 2011, 160 (161). Vgl. ausführlich zu dieser Thematik Oppenländer, Verdeckte Gewinnausschüttung, 2004, S. 18 ff. m.w.N. 29 Vgl. BFH, Urt. v. 22.02.1989, I R 9/85, BStBl. II 1989, 631 (Leitsatz 3); Urt. v. 18.12.1996, I R 139/94, BStBl. II 1997, 301 (Leitsatz 1); Urt. v. 08.10.2008, I R 61/07, BFH/NV 2009, 504 (505). 30 Vgl. BFH, Bschl. v. 26.10.1987, GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348 (356); Urt. v. 06.04.2005, I R 22/04, BStBl. II 2007, 658 (659); Urt. v. 08.10.2008, I R 61/07, BFH/NV 2009, 504. Siehe zu Vorteilsgewährungen zwischen Schwestergesellschaften B.I.1.c). Siehe für weitere Fallgestaltungen im Konzern Schuhmann, GmbHR 2008, 1029 (1030 f.); Winter, GmbHR 2010, 1073 ff. 31 Vgl. BFH, Bschl. v. 26.10.1987, GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348 (355). 32 Vgl. etwa BFH, Urt. v. 02.12.1992, I R 54/91, BStBl. II 1993, 311 (313 f.); Urt. v. 06.12.1995, I R 88/94, BStBl. II 1996, 383 (384). 33 Vgl. etwa BFH, Urt. v. 13.12.1989, I R 99/87, BStBl. II 1990, 454 (456); Urt. v. 06.04.2005, I R 27/04, BFH/NV 2005, 1633 (1634). 34 In der späteren Rechtsprechung stellte der BFH auch darauf ab, dass der Vertragspartner – nach dem Maßstab des doppelten ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters – einer einseitig für die Gesellschaft vorteilhaften Vereinbarung nicht zugestimmt hätte, vgl. BFH, Urt. v. 17.05.1995, I R 147/93, BStBl. II 1996, 204 (205); Urt. v. 27.02.2003, I R 46/01, BStBl. II 2004, 132 (134). 35 Vgl. Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, Anhang zu § 8 KStG, Rz. 194 f. (Stand: 03.2005); Schulte, in: Erle/Sauter, KStG, 2. Aufl. 2006, § 8, Rz. 170.
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
allenfalls eine verdeckte Einlage vorliegen.36 Einen zweiten Maßstab zur Bestimmung der Veranlassung aus dem Gesellschaftsverhältnis sieht der BFH für beherrschende Gesellschafter37 vor: Hier verlangt der BFH eine klare, im Voraus getroffene Vereinbarung, die zivilrechtlich wirksam ist und auch tatsächlich durchgeführt wird.38 Zwar besteht bei einem beherrschenden Gesellschafter aufgrund des fehlenden Interessengegensatzes eine erhöhte Gefahr verdeckter Gewinnausschüttungen, der formale Maßstab ist dennoch abzulehnen: Denn eine Vereinbarung ist nicht allein deswegen durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, weil es an deren formaler Wirksamkeit fehlt. Dies ist nach § 41 AO für die Besteuerung generell unerheblich.39 Werden die Einkünfte dennoch aus diesem Grund erhöht, wird bei der Gesellschaft gleichheitswidrig eine nicht vorhandene Leistungsfähigkeit abgeschöpft.40 bb)
Rechtsfolgen
§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG bestimmt, dass die verdeckte Gewinnausschüttung das Einkommen der Gesellschaft nicht mindert. Bei der Gesellschaft wird daher ein Betrag in Höhe der Vermögensminderung bzw. verhinderten Vermögensmehrung außerhalb der Steuerbilanz41 dem Gewinn wieder hinzugerechnet.
36 Vgl. Hoffmann, DStR 1996, 729 (729 f.); Forschungsgruppe Viadrina, BB 1996, 2436 (2439); Rasch, Konzernverrechnungspreise, 2001, S. 83 ff., 91; Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, Anhang zu § 8 KStG, Rz. 191 (Stand: 08.2006). 37 Nach der Rechtsprechung ist ein Gesellschafter ein beherrschender, wenn er seinen Willen in der Gesellschaft durchsetzen kann, vgl. BFH, Urt. v. 08.01.1969, I R 91/66, BStBl. II 1969, 347 (348); Urt. v. 23.10.1985, I R 247/81, BStBl. II 1986, 195 (197); Urt. v. 13.12.1989, I R 99/87, BStBl. II 1990, 454 (455). Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Gesellschafter über mehr als die Hälfte der Stimmrechte verfügt, vgl. BFH, Urt. v. 01.02.1989, I R 73/85, BStBl. II 1989, 522 (523); Urt. v. 13.12.1989, I R 99/87, BStBl. II 1990, 454 (455). 38 Vgl. BFH, Urt. v. 13.12.1989, I R 99/87, BStBl. II 1990, 454 (455); Urt. v. 22.10.2003, I R 36/03, BStBl. II 2004, 307 (308); Urt. v. 15.09.2004, I R 62/03, BStBl. II 2005, 176 (178); Urt. v. 17.07.2008, I R 83/07, BFH/NV 2009, 417; Urt. v. 20.08.2008, I R 16/08, BFH/NV 2009, 49; Urt. v. 08.10.2008, I R 61/07, BFH/NV 2009, 504 (505); Bschl. v. 22.12.2008, I B 161/08, BFH/NV 2009, 969 f. 39 Vgl. Streck, DStR 1991, 1645 (1646); Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, Anhang zu § 8 KStG, Rz. 122 ff. (Stand: 02.2002); Schulte, in: Erle/Sauter, KStG, 2. Aufl. 2006, § 8, Rz. 177. 40 Vgl. Frotscher, DStJG 20 (1997), 205 (236 f., 239 ff.); ders., in: Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, Anhang zu § 8 KStG, Rz. 122 ff. (Stand: 02.2002); ders., Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, 2. Aufl. 2008, Rz. 418; Schulte, in: Erle/Sauter, KStG, 2. Aufl. 2006, § 8, Rz. 177. 41 Vgl. BFH, Urt. v. 29.06.1994, I R 137/93, BStBl. II 2002, 366 (367); Urt. v. 17.10.2001, I R 103/00, BStBl. II 2004, 171 (174); Urt. v. 22.10.2003, I R 37/02, BStBl. II 2004, 121 (123); Urt. v. 31.03.2004, I R 70/03, BStBl. II 2004, 937 (938); Urt. v. 06.04.2005, I R 22/04, BStBl. II 2007, 658 (659); Wassermeyer, DB 2010, 1959 ff.; a.A.: Reiß, StuW 2003, 21 (28 f., 39); Schulte, in: Erle/Sauter, KStG, 2. Aufl. 2006, § 8, Rz. 227 u. 230;
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Verrechnungspreisvorschriften
Damit wird nur der fremdunübliche bzw. unangemessene Teil einer Vereinbarung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter korrigiert,42 das heißt die Differenz zwischen dem vereinbarten Preis und dem Wert, den fremde Dritte ausgehandelt hätten (Fremdvergleichswert).43 Im Fall der vom BFH vertretenen Kriterien der Üblichkeit bzw. Ernsthaftigkeit und dem formalen Maßstab bei beherrschenden Gesellschaftern soll auch der angemessene Teil der Vergütung korrigiert werden.44 Beim Gesellschafter wird die verdeckte Gewinnausschüttung wie eine offene behandelt. Im internationalen Konzern sind die folgenden Fälle zu unterscheiden:45 1. Eine ansässige Tochtergesellschaft liefert/leistet an eine gebietsfremde Muttergesellschaft zu einem unangemessen niedrigen Preis. 2. Eine gebietsfremde Muttergesellschaft liefert/leistet an eine ansässige Tochtergesellschaft zu einem unangemessen hohen Preis. 3. Eine gebietsfremde Tochtergesellschaft liefert/leistet an eine ansässige Muttergesellschaft zu einem unangemessen niedrigen Preis. 4. Eine ansässige Muttergesellschaft liefert/leistet an eine gebietsfremde Tochtergesellschaft zu einem unangemessen hohen Preis. In den Fällen 1 und 2 wendet eine ansässige Tochtergesellschaft der gebietsfremden Muttergesellschaft Vorteile zu. Zur Korrektur der verdeckten Gewinnausschüttung wird das Einkommen der Tochtergesellschaft außerbilanziell erhöht. Ihre Körperschaftsteuerbelastung steigt. Die gebietsfremde Muttergesellschaft ist mit der verdeckten Gewinnausschüttung im Inland be-
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Bareis, FS Krawitz, 2010, S. 3 ff. Vgl. für Einzelheiten zur bilanziellen Erfassung: BMF v. 28.05.2002, BStBl. I 2002, 603. Vgl. BFH, Urt. v. 19.03.1975, I R 137/73, BStBl. II 1975, 722 (723); Urt. v. 12.10.1995, I R 27/95, BStBl. II 2002, 367; Urt. v. 17.10.2001, I R 103/00, BStBl. II 2004, 171 (Leitsatz 2). Vgl. BFH, Urt. v. 17.10.2001, I R 103/00, BStBl. II 2004, 171 (Leitsatz 2); Urt. v. 06.04.2005, I R 22/04, BStBl. II 2007, 658 (659); zuvor bereits: Wassermeyer, IStR 2001, 633 (637). Zuvor gingen der BFH und die Finanzverwaltung vom Ansatz des gemeinen Werts aus, vgl. BFH, Urt. v. 18.10.1967, I 262/63, BStBl. II 1968, 105 (107); Urt. v. 27.11.1974, I R 250/72, BStBl. II 1975, 306 (307) bzw. Abschnitt H 37 KStR (Stichwort: „Hingabe von Wirtschaftsgütern“). Dem Ansatz des Fremdvergleichs scheint sich jetzt aber auch die Finanzverwaltung angeschlossen zu haben, die zutreffend hinzufügt, dass der gemeine Wert dem Fremdvergleichswert in aller Regel entspricht, vgl. BMF v. 12.04.2005, BStBl. I 2005, 570, Tz. 5.3.1; ähnlich auch BFH, Urt. v. 23.02.2005, I R 70/04, BStBl. II 2005, 882 (884). Vgl. BFH, Urt. v. 13.12.1989 I R 99/87, BStBl. II 1990, 454 (456); Urt. v. 17.05.1995, I R 147/93, BStBl. II 1996, 204 (206); Urt. v. 27.03.2001, I R 27/99, BStBl. II 2001, 111 (113); Urt. v. 20.10.2004, I R 4/04, BFH/NV 2005, 723 (725). Vgl. auch Baumhoff, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl. 2005, Rz. C 237; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 7. Aufl. 2011, S. 738; Rasch, Konzernverrechnungspreise, 2001, S. 23.
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
schränkt steuerpflichtig gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 lit. a EStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG;46 eine (teilweise) Steuerbefreiung von der fälligen Kapitalertragsteuer wird ggf. aufgrund eines DBA47 oder der Mutter-TochterRichtlinie48 gewährt. In den Fällen 3 und 4 wendet eine gebietsfremde Tochtergesellschaft der ansässigen Muttergesellschaft Vorteile zu. Die Rechtsfolgen bei der gebietsfremden Tochtergesellschaft richten sich ausschließlich nach dem Recht ihres Ansässigkeitsstaates. Nimmt dieser eine Einkünftekorrektur vor und erkennen die deutschen Behörden diese an, wird der Vermögensvorteil, der der ansässigen Muttergesellschaft zufließt, als verdeckte Gewinnausschüttung behandelt.49 Diese erzielt gemäß § 8b Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 KStG dann zu 95% steuerfreie Einkünfte. Im Ausland fällt ggf. eine Quellensteuer an. Eines der zentralen Probleme der Einkünftekorrektur in grenzüberschreitenden Sachverhalten ist, dass der ausländische Staat und Deutschland die Notwendigkeit der Korrektur häufig nicht einheitlich beurteilen. Derartige Qualifikationskonflikte treten vereinzelt auch im Inlandsfall auf, z.B. wenn eine verdeckte Gewinnausschüttung bei der Muttergesellschaft, aber nicht bei der Tochtergesellschaft erkannt wird.50 In diesen Fällen kann es zu einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung oder doppelten Nicht-Besteuerung kommen.51 Um dies zu vermeiden, hat der Gesetzgeber mit dem Jahressteuergesetz 200752 eine materielles und formelles Korrespondenzprinzip eingeführt und die Besteuerung von Gesellschaft und Gesellschafter unter Durchbrechung des Trennungsprinzips teilweise verknüpft:53 Soweit ein Steuerbescheid der Tochtergesellschaft erlassen, aufgehoben oder geändert wird, kann formell nach § 32a Abs. 1 Satz 1 KStG der Steuerbescheid der ansässigen Muttergesellschaft entsprechend angepasst werden. Dies ist auch im Fall eines ausländischen 46 Aufgrund der isolierten Betrachtungsweise des § 49 Abs. 2 EStG trifft dies selbst dann zu, wenn die gebietsfremde Muttergesellschaft im Ausland ansonsten gewerbliche Einkünfte erzielt. 47 Siehe Art. 10 Abs. 2 OECD-MA. 48 Richtlinie 2011/96/EU v. 30.11.2011, ABl. 2011 L 345, 8. 49 Vgl. Baumhoff, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl. 2005, Rz. C 239. 50 Dies ist möglich, weil als Ausfluss des Trennungsprinzips das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung bei der Gesellschaft und dem Gesellschafter getrennt geprüft werden, vgl. BFH, Urt. v. 27.10.1992, VIII R 1/89, BStBl. II 1993, 569 (571 f.). 51 Vgl. nur Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 8 KStG, Rz. 86a (Stand: 05.2007); Roser, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 8, Rz. 124. Siehe dazu noch ausführlich B.IV. 52 Gesetz v. 13.12.2006, BGBl. I 2006, 2878. 53 Vgl. Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 8 KStG, Rz. 86b, 86d und § 32a KStG, Rz. 1 (Stand: 05.2007); kritisch: Gosch, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 8b, Rz. 143a, 148b; Frase, BB 2008, 2713 (2717); differenziert: Lüdicke, GS Walz, 2008, S. 401 (409 f.).
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Verrechnungspreisvorschriften
Steuerbescheids möglich.54 Wurde eine verdeckte Gewinnausschüttung55 bei der leistenden Tochtergesellschaft nicht berücksichtigt und ist ihr Steuerbescheid bereits bestandskräftig und nicht mehr änderbar56, erfolgt nach § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG eine materielle Korrektur bei der Muttergesellschaft. Diese wird von der teilweisen Steuerfreistellung des § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG oder eines DBA57 ausgeschlossen. Die Einkommensminderung bei der Tochtergesellschaft, die entstanden ist, weil die Lieferungs- und Leistungsbeziehung nicht als verdeckte Gewinnausschüttung erkannt wurde, soll auf diese Weise durch die Versteuerung auf Ebene der Muttergesellschaft ausgeglichen werden.58 Im grenzüberschreitenden Fall wird damit unter Anerkennung der Gewinnverlagerung eine im Ausland erwirtschaftete Leistungsfähigkeit im Inland besteuert.59 b)
Verdeckte Einlage
Die verdeckte Einlage regelt den spiegelbildlichen Fall zur verdeckten Gewinnausschüttung. Sie erfasst Vorteilszuwendungen einer Muttergesellschaft an die Tochtergesellschaft bzw. allgemein eines Gesellschafters an die Gesell54 Vgl. BT-Drs. 16/2712, S. 72; Dötsch/Pung, DB 2007, 11 (12); Pohl, DStR 2007, 1336 (1338 f.); Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 32a KStG, Rz. 6 f. (Stand: 05.2007); Bauschatz, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 32a, Rz. 20; a.A.: Gosch, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 8b, Rz. 148, 149b; zumindest zweifelnd: Pohl/Raupach, FR 2007, 210 (215). 55 In Betracht kommt ferner eine Einkommensminderung aufgrund einer (ausländischen) Gesellschafter-Fremdfinanzierungsregelung, jedoch nicht aufgrund § 4h EStG oder einer vergleichbaren ausländischen Zinsabzugsbeschränkung, vgl. Gosch, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 8b, Rz. 147; Schnitger/Rometzki, BB 2008, 1648 (1650); a.A.: Dörfler/Adrian, Ubg 2008, 373 (377 f.). 56 Kann ein Steuerbescheid noch nach den §§ 173 ff. AO geändert werden, ist eine materielle Korrespondenz nicht erforderlich, vgl. Gosch, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 8b, Rz. 147; Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 8b KStG, Rz. 29j (Stand: 05.2008). 57 Siehe § 8b Abs. 1 Satz 3 KStG. Die Vorschrift ordnet dazu ein treaty override an, siehe B.IV.1.c). Vergleichbare Regelungen enthielten bereits einige deutsche DBA, z.B. Art. 23 Abs. 1 lit. a DBA Österreich und Art. 24 Abs. 1 lit. a DBA Polen. 58 Insofern wird eine Fehlerkorrektur durch eine „Fehlerdopplung“ vorgenommen, vgl. Roser, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 8, Rz. 124; kritisch: Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 8 KStG, Rz. 86d (Stand: 05.2007). 59 Vgl. Dörfler/Heurung/Adrian, DStR 2007, 514 (518); Dörfler/Adrian, Ubg 2008, 373 (378 f.); Kohlhepp, DStR 2007, 1502 (1506); Binnewies, in: Streck, KStG, 7. Aufl. 2008, § 8b, Rz. 38; Schnitger/Rometzki, BB 2008, 1648 (1651). Nach wörtlicher Auslegung könnte mit Pohl/Raupach, FR 2007, 210 (216) angenommen werden, dass § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG nicht anwendbar ist, wenn die leistende Körperschaft im Ausland ansässig ist. Denn die Vorschrift stellt auf eine nach deutschem Steuerrecht bestehende Einkommensminderung ab. Diese Auslegung wäre jedoch in Anbetracht der legislativen Ziele zu eng, vgl. Kohlhepp, DStR 2007, 1502 (1506); Schnitger/Rometzki, BB 2008, 1648 (1649 f.).
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
schaft. Diese Vorteile können offen oder verdeckt eingelegt werden: Offene Einlagen entsprechen den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften.60 Ihre Einzahlung wird bei der Gesellschaft im Nennkapital oder als Kapitalrücklage ausgewiesen.61 Der Gesellschafter erhält dafür in einem tauschähnlichen Vorgang Gesellschaftsrechte.62 Eine verdeckte Einlage findet im Rahmen von Lieferungs- und Leistungsbeziehungen zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter statt. Sie entspricht nicht den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften,63 so dass im Gegenzug auch keine Gesellschaftsrechte gewährt werden. Durch die Vermögensverschiebung vom Gesellschafter zur Gesellschaft können in einem grenzüberschreitenden Fall Gewinne verlagert werden. Um dies zu verhindern, bestimmt § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG, dass verdeckte Einlagen das Einkommen der Gesellschaft nicht erhöhen.64 Die verdeckte Einlage dient damit wie die verdeckte Gewinnausschüttung auf der Ebene des Steuerpflichtigen zur korrekten Einkünfteabgrenzung zwischen Tochter- und Muttergesellschaft sowie einer wettbewerbsneutralen und gerechten Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit jeder Gesellschaft. Auf zwischenstaatlicher Ebene dient sie ebenfalls einer gerechten Verteilung des Steuersubstrats zwischen zwei Staaten. aa)
Tatbestand
Ähnlich wie bei der verdeckten Gewinnausschüttung65 wird die verdeckte Einlage durch § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG nicht definiert, sondern als unbestimmter Rechtsbegriff vorausgesetzt. Diese liegt nach der Rechtsprechung des BFH vor, „wenn der Gesellschafter seiner Kapitalgesellschaft einen einlagefähigen Vermögensvorteil zuwendet und diese Zuwendung ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis hat.“66 Dabei gelten die gleichen Tatbestandsvoraussetzungen 60 Vgl. BFH, Urt. v. 19.02.1970, I R 24/67, BStBl. II 1970, 442 (443); Urt. v. 15.10.1997, I R 80/96, BFH/NV 1998, 624 (625). 61 Siehe § 272 Abs. 1 und 2 HGB. 62 Vgl. etwa BFH, Urt. v. 21.06.1994, VIII R 5/92, BStBl. II 1994, 856 (858); Urt. v. 24.01.2008, IV R 37/06, BFH/NV 2008, 854 (856); Urt. v. 17.07.2008, I R 77/06, BFH/NV 2008, 1941 (1942). 63 Vgl. BFH, Urt. v. 07.07.1992, VIII R 24/90, BStBl. II 1993, 333 (334); Urt. v. 15.10.1997, I R 80/96, BFH/NV 1998, 624 (625). 64 § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG wurde erst durch das Jahressteuergesetz 2007 v. 13.12.2006, BGBl. I 2006, 2878 eingeführt. Mangels ausdrücklicher Gesetzesgrundlage galten zuvor nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG die allgemeinen Regelungen des EStG zur offenen Einlage, § 4 Abs. 1, 7 EStG. Eine materielle Änderung des Rechts geht damit aber nicht einher, vgl. nur Schnitger/Rometzki, BB 2008, 1648; Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 8 KStG, Rz. 86j (Stand: 05.2008). 65 Siehe B.I.1.a)aa). 66 BFH, Urt. v. 21.09.1989, IV R 115/88, BStBl. II 1990, 86; vgl. auch Urt. v. 29.05.1968, I 187/65, BStBl. II 1968, 722 (723); Urt. v. 19.02.1970, I R 24/67, BStBl. II 1970, 442 (443); Urt. v. 14.11.1984, I R 50/80, BStBl. II 1985, 227 (229); Urt. v. 15.10.1997, I R 80/96, BFH/NV 1998, 624 (625).
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Verrechnungspreisvorschriften
wie bei der verdeckten Gewinnausschüttung. Die gesellschaftsrechtliche Veranlassung wird auch bei der verdeckten Einlage nach dem Fremdvergleichsgrundsatz bestimmt67 und durch die Figur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters konkretisiert.68 Zwar verwendet der BFH hier die Formulierung der „Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns“69, inhaltlich besteht aber kein Unterschied.70 Wie die obige Definition des BFH zeigt, werden jedoch nur einlagefähige Vermögensvorteile als verdeckte Einlagen erfasst. Dies setzt die Bilanzierungsfähigkeit des Vermögensvorteils voraus.71 Bilanzierungsfähig sind materielle wie immaterielle Wirtschaftsgüter72 und Rechte, nicht jedoch bloße Nutzungsvorteile aufgrund der Überlassung von Wirtschaftsgütern oder Kapital. Die verdeckte Einlage erfasst folglich nur Vermögensmehrungen, aber keine verhinderten Vermögensminderungen.73 Nach Ansicht des Großen Senats des BFH74 sind zu erwartende Nutzungsvorteile keine selbstständigen Wirtschaftsgüter; ihre Nutzungseignung bildet vielmehr nur ihre Eigenschaft, von der ihr Wert abhängt. Im Fall verbundener Unternehmen kann die Überlassung von Wirtschaftsgütern und Kapital (Darlehensvergabe) sowie die Erbringung von Dienstleistungen75 durch die Muttergesellschaft zu einem unangemessen niedrigen Entgelt folglich nicht durch die verdeckte Einlage
67 Vgl. BFH, Urt. v. 19.02.1970, I R 24/67, BStBl. II 1970, 442 (443); Urt. v. 15.10.1997, I R 80/96, BFH/NV 1998, 624 (625) m.w.N. 68 Siehe dazu bereits B.I.1.a)aa)(2). 69 BFH, Urt. v. 21.09.1989, IV R 115/88, BStBl. II 1990, 86. Siehe für weitere Nacheise Fn. 66. 70 Vgl. nur Rasch, Konzernverrechnungspreise, 2001, S. 107, 48 ff.; ferner: Debatin, RIW 1975, 596 (600). 71 Vgl. BFH, Urt. v. 08.11.1960, I 131/59 S, BStBl. III 1960, 513 (515); Urt. v. 09.03.1962, I 203/61 S, BStBl. III 1962, 338; Urt. v. 28.01.1981, I R 10/77, BStBl. II 1981, 612 (613 f.); Urt. v. 19.05.1982, I R 102/79, BStBl. II 1982, 631 (632); Urt. v. 24.05.1984, I R 166/78, BStBl. II 1984, 747 (749); Bschl. v. 26.10.1987, GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348 (352 f.). 72 Immaterielle Wirtschaftsgüter werden entgegen § 5 Abs. 2 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG auch dann erfasst, wenn sie selbst erstellt wurden. Nach ständiger Rechtsprechung geht die korrekte Bestimmung der Leistungsfähigkeit der einzelnen Gesellschaft dem Bilanzierungsverbot des § 5 Abs. 2 EStG vor, vgl. BFH, Urt. v. 22.01.1980, VIII R 74/77, BStBl. II 1980, 244 (246); Urt. v. 20.08.1986, I R 150/82, BStBl. II 1987, 455 (457); Bschl. v. 26.10.1987, GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348 (353). 73 Siehe zur verdeckte Gewinnausschüttung B.I.1.a)aa)(1). 74 BFH, Bschl. v. 26.10.1987, GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348 (352); bestätigt im Urt. v. 28.03.2000, VIII R 68/96, BFH/NV 2000, 1278; a.A. war der I. Senat des BFH, vgl. den entsprechenden Vorlagebeschluss v. 20.08.1986, I R 41/82, BStBl. II 1987, 65. Vgl. zur Kritik in der Literatur etwa Groh, DB 1988, 514 (515 ff.); Beiser, StuW 1991, 136 (138 ff.); Rasch, Konzernverrechnungspreise, 2001, S. 106 m.w.N. 75 BFH, Urt. v. 14.03.1989, I R 8/85, BStBl. II 1989, 633 (634 f.).
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
erfasst werden.76 Erbringt die Tochtergesellschaft jedoch Leistungen für die Muttergesellschaft zu einem unangemessen hohen Entgelt, erfolgt die verdeckte Einlage bei der Tochtergesellschaft in entgeltlicher Form. Die hierdurch bei der Tochtergesellschaft eintretende bilanzielle Vermögensmehrung stellt eine verdeckte Einlage dar.77 Durch die fehlende Erfassung nicht einlagefähiger Wirtschaftsgüter wird die verdeckte Einlage den Zielen der korrekten Einkünfteabgrenzung sowie wettbewerbsneutralen und gerechten Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht vollständig gerecht. bb)
Rechtsfolgen
§ 8 Abs. 3 Satz 3 KStG bestimmt, dass die verdeckte Einlage das Einkommen der Gesellschaft nicht erhöht. Nach dem Fremdvergleichsgrundsatz wird nur der unangemessene Teil der Vermögenszuwendung korrigiert.78 Im internationalen Konzern sind die folgenden Fälle hinsichtlich der Rechtsfolgen der verdeckten Einlage zu unterscheiden:79 1. Eine ansässige Muttergesellschaft liefert/leistet an eine gebietsfremde Tochtergesellschaft zu einem unangemessen niedrigen Preis. 2. Eine gebietsfremde Tochtergesellschaft liefert/leistet an eine ansässige Muttergesellschaft zu einem unangemessen hohen Preis. 3. Eine gebietsfremde Muttergesellschaft liefert/leistet an eine ansässige Tochtergesellschaft zu einem unangemessen niedrigen Preis. 4. Eine ansässige Tochtergesellschaft liefert/leistet an eine gebietsfremde Muttergesellschaft zu einem unangemessen hohen Preis. In den Fällen 1 und 2 wendet eine ansässige Muttergesellschaft der gebietsfremden Tochter Vorteile zu. Die verdeckte Einlage führt bei der Muttergesellschaft zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung.80 Das eingelegte Wirtschaftsgut wird dazu gemäß § 6 Abs. 6 Satz 2 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG mit dem Teilwert bewertet, so dass es in der Höhe der Differenz zum vereinbarten Verrechnungspreis zu einer Gewinnrealisierung kommt. Der Teilwert ist der Wert, den ein Erwerber bei der Veräußerung des Gesamtunter76 Dies ergibt sich heute auch aus § 4 Abs. 1 Sätze 2 und 7 EStG: Während im Fall der Entnahme Nutzungen durch den Klammerzusatz in Satz 2 erfasst werden, fehlt die Auflistung von Nutzungen bei der Einlage in Satz 7. 77 Vgl. Baumhoff, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl. 2005, Rz. C 243. 78 Siehe bereits B.I.1.a)bb). 79 Vgl. auch Baumhoff, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl. 2005, Rz. C 241; Rasch, Konzernverrechnungspreise, 2001, S. 23. 80 Vgl. nur Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 8 KStG, Rz. 82a (Stand: 05.2008); Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2011, Rz. 18.103.
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Verrechnungspreisvorschriften
nehmens für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde, wobei von der Betriebsfortführung auszugehen ist.81 Auf diese Weise wird der wertbestimmende Einfluss der Zugehörigkeit eines Wirtschaftsguts zum Betrieb berücksichtigt.82 Aus diesem Grund kann der Teilwert vom Fremdvergleichswert abweichen,83 der als Bewertungsmaßstab der verdeckten Gewinnausschüttung dient. Als weitere Bewertungsbesonderheit der verdeckten Einlage werden übertragene Wirtschaftsgüter, die innerhalb der letzten drei Jahre angeschafft oder hergestellt worden sind, erfolgsneutral zum Buchwert angesetzt.84 Verdeckte Einlage und verdeckte Gewinnausschüttung sehen folglich unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe vor. Die steuerlichen Folgen der verdeckten Einlage bei der gebietsfremden Tochtergesellschaft richten sich allein nach dem Recht ihres Ansässigkeitsstaates. In den Fällen 3 und 4 wendet eine gebietsfremde Muttergesellschaft der ansässigen Tochter Vorteile zu. Die verdeckte Einlage darf das Einkommen der Tochtergesellschaft dann nicht erhöhen, § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG. Analog zur offenen Einlage ist daher die Vermögensmehrung durch eine außerbilanzielle Kürzung zu neutralisieren.85 Die Bewertung erfolgt nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG auch hier zum Teilwert, in den Fällen des Halbsatzes 286 jedoch höchstens zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Die Rechtsfolgen bei der gebietsfremden Muttergesellschaft werden wiederum durch das ausländische Recht bestimmt. Kommt es hierbei zu Qualifikationskonflikten zwischen der steuerrechtlichen Beurteilung im Ausland und Inland, gilt auch für die verdeckte Einlage das formelle und materielle Korrespondenzprinzip.87 Soweit der Steuerbescheid 81 Siehe § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG, § 10 Satz 2 f. BewG. 82 Vgl. BFH, Bschl. v. 16.07.1968, GrS 7/67, BStBl. II 1969, 108 (112); Urt. v. 25.08.1983, IV R 218/80, BStBl. II 1984, 33 (34); ferner: Kulosa, in: Schmidt, EStG, 31. Aufl. 2012, § 6, Rz. 231. 83 Vgl. BFH, Urt. v. 30.01.1980, I R 89/79, BStBl. II 1980, 327 (329). Siehe auch B.I.2.c)aa)(2). 84 Siehe § 6 Abs. 6 Satz 3 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 lit. a EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG. 85 Vgl. BFH, Bschl. v. 09.06.1997, GrS 1/94, BStBl. II 1998, 307 (310); Urt. v. 29.07.1997, VIII R 57/94, BStBl. II 1998, 652 (653). Ein Teil der Literatur will alternativ auch einen erfolgsneutralen Ausweis im Eigenkapital zulassen, vgl. Baumhoff, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl. 2005, Rz. C 244 m.w.N. 86 Dies ist der Fall, wenn das zugeführte Wirtschaftsgut (a) innerhalb der letzten drei Jahre angeschafft oder hergestellt wurde, (b) ein i.S.v. § 17 Abs. 1, 6 EStG wesentlicher Anteil an einer Kapitalgesellschaft ist oder (c) ein Wirtschaftsgut i.S.v. § 20 Abs. 2 EStG darstellt. Zu letzteren Wirtschaftsgütern zählen Kapitalanlagen, die einer Veräußerungsgewinnbesteuerung nach § 20 Abs. 2 EStG unterliegen. Nach BMF v. 12.10.1998, DStR 1998, 1754, Tz. 2 ist Fall (b) jedoch teleologisch zu reduzieren und ein Ansatz mit dem Teilwert vorzunehmen, um eine doppelte Erfassung stiller Reserven zu vermeiden. 87 Siehe zum Korrespondenzprinzip bei der verdeckten Gewinnausschüttung B.I.1.a)bb).
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
der Muttergesellschaft88 erlassen, aufgehoben oder geändert wird, kann formell nach § 32a Abs. 2 Satz 1 KStG der Steuerbescheid der ansässigen Tochtergesellschaft entsprechend angepasst werden. Wurde eine verdeckte Einlage bei der Muttergesellschaft nicht erkannt,89 sondern als Betriebsausgabe abgezogen, und ist ihr Steuerbescheid bestandskräftig und nicht mehr änderbar, erfolgt nach § 8 Abs. 3 Satz 4 KStG eine materielle Korrektur bei der Tochtergesellschaft. Ausnahmsweise wird dann ihr Einkommen durch die verdeckte Einlage erhöht, um die Einkommensminderung bei der Muttergesellschaft auszugleichen.90 c)
Vorteilszuwendungen zwischen Schwestergesellschaften
Verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen sind stets durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und betreffen daher das Verhältnis zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften. Sie erfassen gemeinsam aber auch Vorteilszuwendungen an nahe stehende Personen, insbesondere Schwestergesellschaften.91 Werden Vorteile zwischen Schwestergesellschaften gewährt, werden der gemeinsamen Muttergesellschaft verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen zugerechnet. Denn die Vorteilszuwendungen zwischen den Schwestergesellschaften sind in ihrem Gesellschaftsverhältnis veranlasst.92 In diesem Dreiecksverhältnis wird somit eine verdeckte Gewinnausschüttung der leistenden Schwestergesellschaft an die Muttergesellschaft angenommen, die den erhaltenen Vorteil im zweiten Schritt verdeckt in die Schwestergesellschaft einlegt, die den Vorteil empfangen hat.93 Dies wird durch die folgende Abbildung veranschaulicht:
88 Dies ist auch im Fall eines ausländischen Steuerbescheids einer gebietsfremden Muttergesellschaft möglich, siehe dazu bereits B.I.1.a)bb) mit Fn. 54. 89 Dies ist entweder der Fall, wenn der ausländische Staat den Vorgang grundsätzlich nicht als verdeckte Einlage qualifiziert oder, wenn das in- oder ausländische Recht falsch angewendet wurden. 90 Insofern wird wiederum eine Fehlerkorrektur durch eine Fehlerdopplung vorgenommen und eine Leistungsfähigkeit bei der Tochtergesellschaft besteuert, die eigentlich bei der Muttergesellschaft entstanden ist. Siehe dazu bereits B.I.1.a)bb) mit Fn. 58 f. 91 Siehe bereits B.I.1.a)aa)(2). 92 Siehe B.I.1.a)aa)(2). Denn die Muttergesellschaft erlangt einen Vorteil, weil sie keine eigenen Aufwendungen tätigen muss, vgl. BFH, Bschl. v. 26.10.1987, GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348 (355 f.). 93 Vgl. BFH, Urt. v. 29.01.1964, I 209/62 U, BStBl. III 1965, 27 (29); Urt. v. 23.10.1968, I 228/65, BStBl. II 1969, 243 (244); Urt. v. 19.05.1982, I R 102/79, BStBl. II 1982, 631; Bschl. v. 26.10.1987, GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348 (355 f.). Voraussetzung ist, dass das Wirtschaftsgut auch einlagefähig ist, siehe dazu B.I.1.b)bb).
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Verrechnungspreisvorschriften
Muttergesellschaft Verdeckte Gewinnausschüttung
Verdeckte Einlage
Wirtschaftsgut Tochtergesellschaft A
Tochtergesellschaft B unangemessen niedriges Entgelt
Abbildung 1: Fiktion der Vorteilsgewährung im Dreieck
Eine Besonderheit besteht jedoch bei nicht einlagefähigen Nutzungen und Dienstleistungen, die zu unangemessen niedrigen Preisen94 zwischen den Schwestergesellschaften ausgetauscht werden. Hier scheidet die Annahme einer verdeckten Einlage aus. Der Große Senat des BFH95 nimmt daher an, dass der Vorteil aus der verdeckten Gewinnausschüttung bei der Muttergesellschaft „verbraucht“ wird und sich Ertrag und Aufwand bei dieser ausgleichen. Der Vermögensvorteil, der der empfangenden Schwestergesellschaft zufließt, wird bei ihr als Betriebseinnahme behandelt.96 Der Vorgang wird somit nur einmal besteuert. Diese Lösung findet auch in grenzüberschreitenden Fällen Anwendung. In diesen besteht generell die Gefahr von Qualifikationskonflikten. Dabei gelten auch hier wieder das formelle und materielle Korrespondenzprinzip.97 Die §§ 8 Abs. 3 Sätze 5 f.; 8b Abs. 1 Satz 4 KStG sehen zudem spezielle materielle Korrekturen für Dreieckssachverhalte vor.98
94 Im Fall unangemessen hoher Preise stellt sich das Problem der Einlagefähigkeit von Nutzungen nicht, siehe B.I.1.b)aa). 95 Vgl. BFH, Bschl. v. 26.10.1987, GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348 (356). Zuvor ging der BFH noch davon aus, dass die vorteilsgewährende Tochtergesellschaft zwar eine verdeckte Gewinnausschüttung vorgenommen hat, diese der Muttergesellschaft jedoch nicht zugegangen ist, vgl. BFH, Urt. v. 09.03.1962, I 203/61 S, BStBl. III 1962, 338; Urt. v. 28.01.1981, I R 10/77, BStBl. II 1981, 612. 96 Vgl. etwa Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, Anhang zu § 8 KStG, Rz. 432 (Stand: 01.2009); ders., Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, 2. Aufl. 2008, Rz. 432; Baumhoff, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl. 2005, Rz. C 248 ff. 97 Siehe § 32a KStG (formelles Korrespondenzprinzip) und § 8 Abs. 3 Sätze 4-6, § 8b Abs. 1 Sätze 2-4 KStG (materielles Korrespondenzprinzip). Siehe dazu bereits B.I.1.a)bb) und B.I.1.b)bb). Siehe für natürliche Personen ferner § 3 Nr. 40 lit. d Sätze 2-3 EStG. 98 § 8b Abs. 1 Satz 4 KStG betrifft den Fall, dass eine Vorteilszuwendung zwischen Schwestergesellschaften von beiden fälschlicherweise als betrieblich veranlasst angese-
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
d)
Konkretisierung des Fremdvergleichs
Die verdeckte Gewinnausschüttung und die verdeckte Einlage verwenden mit dem Fremdvergleichsgrundsatz beide denselben Korrekturmaßstab. Danach ist für Lieferungs- und Leistungsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen derjenige Preis anzusetzen, der zwischen voneinander unabhängigen Dritten unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen vereinbart worden wäre. Fraglich ist jedoch, wie dieser Fremdvergleichspreis genau zu bestimmen ist. Der Gesetzgeber hat hierzu bisher nur für § 1 AStG im dortigen Abs. 3 Vorgaben aufgestellt, die jedoch nicht auf die verdeckte Gewinnausschüttung und verdeckte Einlage anwendbar sind.99 Mangels gesetzlicher Kodifizierung ist es die Aufgabe der Rechtsprechung, den Fremdvergleich bei der verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage zu konkretisieren. Eine hohe praktische Bedeutung haben neben den zugehörigen Erlassen der Finanzverwaltung100 vor allem die Verrechnungspreisrichtlinien der OECD (OECD-RL)101.
hen wird. Entsprechend wird das Einkommen der leistenden Gesellschaft gemindert und der empfangenden Gesellschaft erhöht. Kann keine Korrektur mehr nach § 32a KStG vorgenommen werden, wäre eigentlich die verdeckte Gewinnausschüttung der gemeinsamen Muttergesellschaft nach § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG steuerpflichtig, was zu einer Doppelbesteuerung führen würde. Die Anwendung des § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG verhindert Satz 4. § 8 Abs. 3 Satz 5 Halbsatz 1 KStG betrifft den Fall, dass die verdeckte Gewinnausschüttung bei der leistenden Schwestergesellschaft und der Muttergesellschaft nicht erkannt wurde und ihre Steuerbescheide bestandskräftig und nicht mehr änderbar sind. Dann wird die Besteuerung bei der empfangenden Schwestergesellschaft nachgeholt, indem der Zufluss nicht als verdeckte Einlage, sondern als Betriebseinnahme besteuert wird. Entsprechend fallen bei der Muttergesellschaft auch keine nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung an. Ferner betrifft § 8 Abs. 3 Satz 5 Halbsatz 2 KStG den Fall, dass die verdeckte Gewinnausschüttung bei der Muttergesellschaft nicht erkannt worden ist, jedoch bei der leistenden Schwestergesellschaft. Weil ihr Einkommen nicht durch die verdeckte Gewinnausschüttung gemindert wurde, bedarf es keiner erfolgswirksamen Besteuerung der verdeckten Einlage bei der empfangenden Schwestergesellschaft. Folglich wird bei ihr und der Muttergesellschaft eine Besteuerung nach den Grundsätzen der verdeckten Einlage angenommen. Die Anwendung des § 8 Abs. 3 Satz 6 KStG auf Satz 5 Halbsatz 2 ist entsprechend teleologisch zu reduzieren, vgl. Dörfler/Heurung/Adrian, DStR 2007, 514 (519); Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG/ UmwStG, § 8 KStG, Rz. 88b (Stand: 05.2007); ferner: Schnitger/Rometzki, BB 2008, 1648 (1649). 99 Siehe dazu ausführlich B.I.2.c)bb). 100 Vgl. BMF v. 23.02.1983, BStBl. I 1983, 218 (Verwaltungsgrundsätze 1983); v. 30.12.1999, BStBl. I 1999, 1122 (Verwaltungsgrundsätze Umlageverträge); v. 12.04.2005, BStBl. I 2005, 570 (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren). Diese Erlasse orientieren sich überwiegend an den OECD-RL. 101 OECD, Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Administrations, 2010.
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Verrechnungspreisvorschriften
Bei den OECD-RL handelt es sich um an die Mitgliedstaaten der OECD gerichtete Empfehlungen,102 wie diese den Fremdvergleichsgrundsatz auslegen sollten. Ähnlich wie beim OECD-Musterkommentar (OECD-MK) wird den OECD-RL damit keine Rechtsverbindlichkeit zu Teil. Nach h.M. sind sie aber als Auslegungshilfe für DBA heranzuziehen, die eine mit Art. 9 OECD-MA vergleichbare Regelung enthalten,103 was überwiegend aus Art. 31 Abs. 4 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (WÜRV)104 gefolgert wird.105 Die OECD-RL können aber nicht ohne Weiteres als Auslegungshilfe für innerstaatliche Verrechnungspreisvorschriften herangezogen werden, da das innerstaatliche Recht einen eigenen Rechtskreis mit eigener Begriffsbildung bildet.106 Dies gilt erst Recht für die verdeckte Gewinnausschüttung und verdeckte Einlage, die auch in rein innerstaatlichen Fällen und nicht nur im Fall verbundener Unternehmen anwendbar sind. Aufgrund ihrer hohen Sach-
102 Siehe Art. 5 lit. b OECD-Statut; vgl. auch OECD-RL 2010, Vorwort, Tz. 16. Nach dem Selbstverständnis der OECD-RL richten sich diese als Empfehlung aber auch an die Steuerpflichtigen, vgl. OECD-RL a.a.O.: „OECD member countries are encouraged to follow these Guidelines in their domestic transfer pricing practices, and taxpayers are encouraged to follow these Guidelines in evaluating for tax purposes whether their transfer pricing complies with the arm’s length principle.” 103 Vgl. Becker, FR 1980, 478 (479); Vetter, in: Lahodny-Karner u.a., Die neuen Verrechnungspreisrichtlinien der OECD, 1996, S. 9 (18 ff.); Werra, IStR 1995, 457 (458); Henkel, in: Gosch/Grother/Kroppen, DBA, Grundlagen Teil 1, Abschn. 4, Rz. 40 (Stand: 2005); Eigelshoven, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 9, Rz. 30; Eigelshoven/Ebering, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Vorb. OECD-RL, Rz. 14 (Stand: 06.2010); Vögele/Raab, in: Vögele/Borstell/Engler, 3. Aufl. 2011, B Rz. 14; den OECD-RL hingegen jede rechtliche Verbindlichkeit absprechend: Höppner, StBp 1981, 56 (57); Menck, JbFStR 1983/84, 127 (130). Einschränkend ist zu ergänzen, dass die OECD-RL nur in den DBA als Auslegungshilfe herangezogen werden können, bei denen die Vertragsparteien keine abweichende Auslegung erkennen lassen und die nach der jeweiligen Regelung der OECD-RL in Kraft getreten sind, siehe auch B.IV.1.a). 104 Abgedruckt im BGBl. II 1987, 757. Das WÜRV regelt für die dem Abkommen beigetretenen Staaten das Recht zwischenstaatlicher Verträge. Dazu sieht es in den Art. 3133 WÜRV Vorgaben zu deren Auslegung vor. 105 Vgl. Vetter, in: Lahodny-Karner u.a., Die neuen Verrechnungspreisrichtlinien der OECD, 1996, S. 9 (18 ff.); Eigelshoven/Ebering, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Vorb. OECD-RL, Rz. 14 (Stand: 06.2010); vgl. zum mit gleicher rechtlicher Qualität ausgestatteten OECD-MK: Ault, Intertax 1994, 144 (146 f.); Ward, BIFD 2006, 98 (99); Wassermeyer, in: D/W, OECD-MA, vor Art. 1, Rz. 44 (Stand: 01.2008); Vogel, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Einl., Rz. 126; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2011, Rz. 16.76. 106 Vgl. BFH, Urt. v. 15.01.1971, III R 125/69, BStBl. II 1971, 379 (380); Urt. v. 15.06.1973, III R 118/70, BStBl. II 1973, 810 (811); Vetter, in: Lahodny-Karner u.a., Die neuen Verrechnungspreisrichtlinien der OECD, 1996, S. 9 (13 f., 29) unter Verweis auf Debatin, DStR 1992, Beihefter zu Heft 23, 1 (4); zu weitgehend hingegen: Rüd, IStR 2010, 725 (726 f.).
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
kunde107 und einer gewissen Selbstbindung der Finanzverwaltung108, die durch die Zustimmung Deutschlands zu den OECD-RL entsteht, entfalten diese aber rein faktisch große Bedeutung.109 So hat auch der BFH zur Bestätigung seiner Auslegung der verdeckten Gewinnausschüttung vereinzelt auf die OECD-RL verwiesen.110 Auf Grundlage der genannten Rechtsquellen und (faktischen) Auslegungshilfen kann im Folgenden der Fremdvergleich der verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage näher konkretisiert werden. Nach einhelliger Auffassung kann zur Ermittlung eines Fremdvergleichspreises entweder ein tatsächlicher Fremdvergleich mit realen Transaktionen oder ein hypothetischer Fremdvergleich mit fiktiven Transaktionen herangezogen werden. aa)
Tatsächlicher Fremdvergleich
Beim tatsächlichen Fremdvergleich wird zwischen dem betriebsinternen und betriebsexternen Fremdvergleich unterschieden: Ein betriebsinterner Fremdvergleich111 ist nur möglich, wenn ein verbundenes Unternehmen die gleiche Lieferung oder Leistung auch an fremde Dritte erbringt. Zwischen beiden kann von einem natürlichen Interessengegensatz ausgegangen werden. Der hierbei vereinbarte Preis ist auf dem freien Markt entstanden und kann als Fremdvergleichspreis verwendet werden.112 Der betriebsinterne Fremdver107 Vgl. Becker, FR 1980, 478 (479); Eigelshoven/Ebering, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Vorb. OECD-RL, Rz. 5 f. (Stand: 06.2010). 108 Vgl. Becker, FR 1980, 478 (479); Vetter, in: Lahodny-Karner u.a., Die neuen Verrechnungspreisrichtlinien der OECD, 1996, S. 9 (14); Eigelshoven/Ebering, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Vorb. OECD-RL, Rz. 5 f. (Stand: 06.2010). Von dieser Selbstbindung scheint auch die Finanzverwaltung auszugehen, vgl. BMF v. 13.10.2010, BStBl. I 2010, 774, Rz. 9: „Die Auslegung des Inhalts des Fremdvergleichsgrundsatzes – sowohl für die DBA als auch für § 1 AStG – folgt regelmäßig dem OECD Musterkommentar zu Artikel 9 und Artikel 7 sowie den OECD Veröffentlichungen zum Fremdvergleichsgrundsatz (OECD Leitlinien und OECD Betriebsstättenbericht).“ 109 Im Schrifttum wird den OECD-RL darüber hinaus teilweise auch eine gewisse rechtliche Bindungswirkung gegenüber dem innerstaatlichen Recht zugeschrieben, vgl. Werra, IStR 1995, 457 (458); Loukota, SWI 2000, 517 (518); ders./Jirousek, SWI 2008, 12 (15); Staudacher/Groß, SWI 2010, 461 (465); Eigelshoven/Ebering, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Vorb. OECD-RL, Rz. 17 f. (Stand: 06.2010); Vögele/Raab, in: Vögele/Borstell/Engler, 3. Aufl. 2011, B Rz. 14. 110 Vgl. BFH, Urt. v. 17.10.2001, I R 103/00, BStBl. II 2004, 171 (174, 176 f.); Urt. v. 09.08.2000, I R 12/99, BStBl. II 2001, 140 (142). 111 Vgl. BFH, Urt. v. 06.04.2005, I R 22/04, BStBl. II 2007, 658 (661); Urt. v. 09.07.2003, I R 36/02, BFH/NV 2004, 88 (Leitsatz 2); Urt. v. 17.07.2005, I R 111/03, BStBl. II 2005, 307 (308); ferner: OECD-RL 2010, Tz. 2.13 ff.; BMF v. 30.12.1999, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 2.1.6. 112 Dies gilt solange, wie das verbundene Unternehmen sich wie ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter verhält. Das verbundene Unternehmen könnte jedoch
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Verrechnungspreisvorschriften
gleich hat den Vorteil, dass die Konzernzugehörigkeit der Gesellschaft berücksichtigt wird und die Vergleichsdaten vorhanden sind.113 Ist dieser mangels einer Transaktion mit einem Dritten nicht möglich, kommt nur ein betriebsexterner Fremdvergleich mit einer vergleichbaren Transaktion zwischen zwei fremden Dritten in Betracht. Verglichen mit dem Ausgangsgeschäft, werden beide Konzerngesellschaften durch Dritte ersetzt. Die Transaktion ist daher frei von innerbetrieblichen Einflüssen und somit besonders objektiv. Problematisch ist es jedoch, Vergleichsdaten zu ermitteln, die mit dem Ausgangsfall auch vergleichbar sind. Hierzu werden in der Regel Datenbanken herangezogen, die eine große Zahl von Transaktionen unabhängiger Dritter enthalten.114 Das zentrale Problem des tatsächlichen Fremdvergleichs ist die Vergleichbarkeit des Ausgangsfalls mit der Transaktion mit einem fremden Dritten (betriebsinterner Fremdvergleich) bzw. zwischen zwei fremden Dritten (betriebsexterner Fremdvergleich). Zwei verschiedene Transaktionen sind nur unter der Annahme eines vollkommenen Marktes vollständig vergleichbar, auf dem homogene Güter unter vollständiger Transparenz zwischen Marktteilnehmern mit gleichen Präferenzen gehandelt werden.115 Vollkommene Märkte existieren näherungsweise nur an Börsen. Die Mehrzahl an Transaktionen findet zwischen Vertragspartnern statt, die über unterschiedliche Informationen und Präferenzen verfügen und heterogene Güter austauschen. Für die Annahme der Vergleichbarkeit muss es daher ausreichen, wenn die wesentlichen preisdeterminierenden Faktoren hinreichend vergleichbar sind.116 Dazu zählen insbesondere:117 • die Eigenschaften der ausgetauschten Waren und Dienstleistungen (Art, Ausgestaltung, Qualität, Quantität, etc.),
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auch bewusst marktinkonforme Preise mit dem Dritten vereinbaren, um die Verrechnungspreisgestaltung zu beeinflussen. Insofern muss ein bestimmtes Mindestvolumen von Transaktionen mit Dritten vorausgesetzt werden, vgl. Baumhoff, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. 402 (Stand: 11.1999). Vgl. Baumhoff, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl. 2005, Rz. C 293. Jedoch besteht kein strenger Vorrang des tatsächlichen Fremdvergleichs. Die Verwendung von Datenbanken durch die Finanzverwaltung hat der BFH ausdrücklich zugelassen, dieser stellt aber Mindestanforderungen an die Qualität der Datensätze, vgl. Urt. v. 17.10.2001, I R 103/00, BStBl. II 2004, 171 (175). Vgl. zur Datenbankanalyse auch Oestreicher/Duensing, IStR 2005, 134 ff.; Haselauer/Rosar, in: Bernegger/Rosenberger/Zöchling, Handbuch Verrechnungspreise, 2009, S. 115 ff. Vgl. allgemein zum vollkommenen Markt etwa Stobbe, Mikroökonomik, 2. Aufl. 1991, S. 312 ff. Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 1.33; ferner: Oestreicher/Duensing, IStR 2005, 134 (136); Baumhoff, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl. 2005, Rz. C 273. Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 1.36, 1.38 ff.; BMF v. 23.02.1983, BStBl. I 1983, 218, Tz. 3.1.2; v. 12.04.2005, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.12.7.
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
• die ausgeübten Funktionen118, die getragenen Risiken119 und die eingesetzten Wirtschaftsgüter der Vertragspartner (Funktionsanalyse120), • die Vertrags- und Lieferbedingungen, • die Marktverhältnisse und • die Geschäftsstrategien. Sind die Verhältnisse identisch, bestehen nur unwesentliche Unterschiede oder können sonstige Unterschiede durch mathematisch exakte Anpassungsrechnungen121 beseitigt werden, spricht die Finanzverwaltung von uneingeschränkter Vergleichbarkeit.122 Im Fall nicht nur unwesentlicher Unterschiede, die aber durch Anpassungsrechnungen weitestgehend beseitigt werden können, liegt eine eingeschränkte Vergleichbarkeit vor.123 In der Praxis sind uneingeschränkt vergleichbare Werte aufgrund der Vielzahl möglicher Unterschiede von Geschäftsbeziehungen eher die Ausnahme.124 bb)
Hypothetischer Fremdvergleich
Können durch einen tatsächlichen Fremdvergleich keine Verrechnungspreise bestimmt werden, weil keine oder keine vergleichbaren Vergleichsdaten vorliegen, ist subsidiär ein hypothetischer Fremdvergleich vorzunehmen.125 Dabei 118 Dies sind betriebliche Funktionen wie Produktion, Vertrieb und Forschung. Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 1.43. 119 Zum Beispiel das Mengen-, Gewährleistungs- oder Zinsrisiko, vgl. OECD-RL 2010, Tz. 1.46. 120 Eine Funktionsanalyse erfasst nach OECD-RL 2010, Tz. 1.42 und BMF v. 23.02.1983, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.1.3 die hier genannten Elemente, vgl. ferner für § 1 AStG den dortigen Abs. 3 Satz 1. Hingegen geht § 4 Nr. 3 Gewinnaufzeichnungsverordnung (GAufzV) von einem umfassenderen Begriff aus, der auch die Vertrags- und Lieferbedingungen, die Marktverhältnisse und die Geschäftsstrategien umfasst. 121 Nach BMF v. 12.04.2005, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.12.7 lit. a. soll eine uneingeschränkte Vergleichbarkeit auch vorliegen, wenn „Unterschiede in den Geschäftsbedingungen (z. B. unterschiedliche Zahlungsziele) durch hinreichend genaue Anpassungen beseitigt worden sind“. Die Begrenzung auf mathematisch exakte Anpassungen – wie hier im Beispiel der Zahlungsziele – ist jedoch erforderlich, um die Abgrenzung zu bloß eingeschränkt vergleichbaren Vergleichsdaten zu gewährleisten. 122 Vgl. BMF v. 23.02.1983, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.2.2; v. 12.04.2005, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.12.7 lit. a. Vgl. auch OECD-RL 2010, Tz. 2.14 lit. a. 123 BMF v. 23.02.1983, BStBl. I 1983, 218, Tz. 3.1.2; v. 12.04.2005, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.12.7 lit. b und c. Vgl. auch OECD-RL 2010, Tz. 2.14 lit. b. 124 Vgl. Wassermeyer, DB 2007, 535 (537); Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1461 (1463); Klapdor, StuW 2008, 83 (86); Greinert, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 2007, S. 541 (549). 125 Vgl. zur Subsidiarität des hypothetischen Fremdvergleichs: BFH, Urt. v. 06.04.2005, I R 22/04, BStBl. II 2007, 658 (660); ferner: Baumhoff, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. 353 (Stand: 11.1999); ders., in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl. 2005, Rz. C 296; Eigelshoven, in: Vogel/Lehner, DBA,
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Verrechnungspreisvorschriften
wird „durch Nachdenken“ ermittelt, was fremde Dritte vereinbart hätten.126 Zur Objektivierung des Preisbildungsprozesses findet hier die Figur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters Anwendung.127 Beim hypothetischen Fremdvergleich werden zumeist die Kosten des Leistenden ermittelt und um angemessene Gewinnaufschläge erhöht.128 cc)
Methoden der Verrechnungspreisermittlung
In Anlehnung an den tatsächlichen und hypothetischen Fremdvergleich haben sich verschiedene Verrechnungspreismethoden entwickelt. Zu den sog. Standardmethoden zählen die Preisvergleichsmethode, die Wiederverkaufspreismethode und die Kostenaufschlagsmethode. Der tatsächliche Fremdvergleich wird durch die Preisvergleichsmethode129 umgesetzt. Per betriebsinternen oder -externen Fremdvergleich werden vergleichbare Geschäfte mit bzw. zwischen fremden Dritten ermittelt. Wie bereits dargestellt wurde, erweist sich die Vergleichbarkeit der Verhältnisse jedoch als das entscheidende Problem. Wassermeyer schätzt, dass die Preisvergleichsmethode nur in 5% der Fälle Anwendung findet.130 Sie kommt insbesondere bei gleichartigen Waren und Dienstleistungen, bei Börsenpreisen und bei der konzerninternen Darlehensvergabe in Betracht.131
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5. Aufl. 2008, Art. 9, Rz. 60 u. 96; Preining, in: Bernegger/Rosenberger/Zöchling, Handbuch Verrechnungspreise, 2009, S. 97 (112); Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2011, Rz. 16.300; a.A.: BMF v. 23.02.1983, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.4.1. Die OECD sieht nach den neuen OECD-RL 2010, Tz. 2.3 den tatsächlichen Fremdvergleich im Rahmen der Preisvergleichsmethode nur noch dann als vorrangig an, wenn die Methode mindestens gleichermaßen geeignet ist, siehe dazu sogleich C.I.1.d)cc). Wassermeyer, IStR 2001, 633 (637); vgl. auch dens., in: Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 1994, S. 123 (135); Scheffler, Internationale betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 3. Aufl. 2009, S. 462; Wellens, IStR 2010, 153 (155). Vgl. BFH, Urt. v. 17.10.2001, I R 103/00, BStBl. II 2004, 171 (177); Urt. v. 06.04.2005, I R 22/04, BStBl. II 2007, 658 (661). Siehe zum ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter B.I.1.a)aa)(2). Siehe hierzu sogleich unter B.I.1.d)cc). Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 2.13 ff.; BMF v. 23.02.1983, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.2.2; Sieker, in: D/W, DBA, Art. 9 OECD-MA, Rz. 233 (Stand: 05.2004); Eigelshoven, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 9, Rz. 72 f.; Baumhoff, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. 396 ff. (Stand: 11.1999). Vgl. Wassermeyer, DB 2007, 535 (536). Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 2.17 ff.; Baumhoff, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. 412 (Stand: 11.1999); Eigelshoven, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 9, Rz. 73; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2011, Rz. 16.307; Kußmaul/Ruiner/Delarber, Ubg 2011, 837 (843). Vgl. zu Darlehen Polster-Grüll, in: Bernegger/Rosenberger/Zöchling, Handbuch Verrechnungspreise, 2009, S. 317 (320 f., 336).
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
Die Wiederverkaufspreismethode132 ist anwendbar, wenn eine Vertriebsgesellschaft Waren von einem verbundenen Unternehmen erwirbt und diese an fremde Dritte weiterveräußert.133 Ausgehend vom hierbei erzielten Wiederverkaufspreis wird eine fremdübliche Handelsspanne entsprechend den von der Vertriebsgesellschaft ausgeübten Funktionen und getragenen Risiken abgezogen.134 Auf diese Weise kann auf den Verrechnungspreis für den Handel zwischen den verbundenen Unternehmen zurückgerechnet werden. Während der Wiederverkaufspreis gegeben ist, wird die Handelsspanne primär über einen betriebsinternen oder -externen tatsächlichen Fremdvergleich ermittelt.135 Für die Vergleichbarkeit sind dabei insbesondere die von der Vertriebsgesellschaft übernommenen Funktionen und Risiken relevant; Produktunterschiede spielen beim Vertrieb eine geringere Rolle.136 Besteht keine hinreichende Vergleichbarkeit, ist die Handelsspanne nach einem hypothetischen Fremdvergleich i.S.d. Kostenaufschlagsmethode zu ermitteln.137 Sollten durch den hierdurch ermittelten Verrechnungspreis bei der Vertriebsgesellschaft dauerhaft Verluste entstehen, geht der BFH von der widerlegbaren Vermutung der Unangemessenheit des Verrechnungspreises aus.138 Denn eine unabhängige Vertriebsgesellschaft würde nach Ansicht des BFH auf Dauer keine Produkte vertreiben, mit denen sie Verluste erzielt.139 Dem Steuerpflichtigen steht es aber offen nachzuweisen, dass der vereinbarte Verrechnungspreis dennoch fremdüblich ist. 132 Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 2.21 ff.; BMF v. 23.02.1983, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.2.3; Sieker, in: D/W, DBA, Art. 9 OECD-MA, Rz. 234 ff. (Stand: 05.2004); Eigelshoven, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 9, Rz. 74 ff.; Baumhoff, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. 416 ff. (Stand: 11.1999). 133 Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 2.21; BMF v. 23.02.1983, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.2.4 u. 3.1.3; BFH, Urt. v. 17.10.2001, I R 103/00, BStBl. II 2004, 171 (176); Urt. v. 06.04.2005, BStBl. II 2007, 658 (661). 134 Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 2.21; BMF v. 23.02.1983, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.2.4; BFH, Urt. v. 06.04.2005, BStBl. II 2007, 658 (661). 135 Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 2.29; BFH, Urt. v. 06.04.2005, BStBl. II 2007, 658 (661) m.w.N. Der betriebsinterne Fremdvergleich ist nur möglich, wenn die Vertriebsgesellschaft auch Waren Dritter vertreibt. 136 Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 2.23-2.26; BFH, Urt. v. 06.04.2005, BStBl. II 2007, 658 (661). 137 Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 2.27; ferner: BFH, Urt. v. 17.10.2001, I R 103/00, BStBl. II 2004, 171 (177). 138 Vgl. BFH, Urt. v. 17.02.1993, I R 3/92, BStBl. II 1993, 457 (458); Urt. v. 17.10.2001, I R 103/00, BStBl. II 2004, 171 (177); Urt. v. 06.04.2005, BStBl. II 2007, 658 (661). Vgl. auch OECD-RL 2010, Tz. 1.70 ff. u. 3.75 ff.; BMF v. 23.02.1983, BStBl. I 1983, 218, Tz. 3.4.1. Kritisch: Baumhoff, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. 606 m.w.N. (Stand: 11.1999). 139 Der BFH gesteht den Steuerpflichtigen zwar Verluste in einer Anlaufphase zu, die in der Regel drei Jahre nicht überschreiten würde, verlangt in der Totalperiode aber einen angemessenen Totalgewinn, vgl. die Rechtsprechungsnachweise in der vorigen Fn. 138.
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Verrechnungspreisvorschriften
Die Kostenaufschlagsmethode140 konkretisiert den hypothetischen Fremdvergleich. Danach werden die Selbstkosten des veräußernden verbundenen Unternehmens nach einem anerkannten Kostenrechnungsverfahren141 ermittelt und um einen betriebs- und branchenüblichen Gewinnaufschlag erhöht. Dieser wird über einen betriebsinternen oder -externen Fremdvergleich ermittelt.142 Ein Nachteil der Kostenaufschlagsmethode ist, dass der Verrechnungspreis primär nach den Kosten und nicht aufgrund marktentstandener Preise bestimmt wird. Insofern bleibt der Verhandlungsspielraum zwischen Anbieter und Nachfrager unberücksichtigt.143 Die Kostenaufschlagsmethode findet daher zumeist erst Anwendung, wenn die Voraussetzungen der anderen Standardmethoden nicht erfüllt sind.144 Neben den Standardmethoden sind auch die geschäftsfallbezogenen Gewinnmethoden anerkannt.145 Dazu zählt einerseits die geschäftsfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode, nach der der Gewinn eines gemeinsamen Geschäfts zwischen den beteiligten Konzerngesellschaften in der Art und Weise aufgeteilt wird, wie es fremde Dritte tun würden. Dabei sind insbesondere die übernommenen Funktionen und Risiken der einzelnen Gesellschaften zu berücksichtigen.146 Andererseits kann nach der geschäftsfallbezogenen Netto140 Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 2.39 ff.; BMF v. 23.02.1983, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.2.4; Sieker, in: D/W, DBA, Art. 9 OECD-MA, Rz. 242 ff. (Stand: 05.2004); Eigelshoven, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 9, Rz. 77 ff.; Baumhoff, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. 451 ff. (Stand: 11.1999). 141 Die Finanzverwaltung erkennt die Kostenrechnungsverfahren an, die auch bei einer Preisfindung gegenüber fremden Dritten verwandt werden oder, wenn keine Geschäfte mit Dritten bestehen, die betriebswirtschaftlichen Grundsätzen entsprechen, vgl. BMF v. 23.02.1983, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.2.4. Vgl. auch OECD-RL 2010, Tz. 2.46 ff.; Baumhoff, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. 466 ff. (Stand: 11.1999); Eigelshoven, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 9, Rz. 78 f. 142 Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 2.41 ff.; BMF v. 23.02.1983, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.2.4.; Baumhoff, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl. 2005, Rz. C 360. 143 Vgl. Frotscher, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2009, Rz. 582; Baumhoff, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl. 2005, Rz. C 360. 144 Vgl. FG Saarland, Urt. v. 18.12.1996, 1 K 257/94, EFG 1997, 485 (486); Baumhoff, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl. 2005, Rz. C 333 m.w.N. Dies ist häufig beim konzerninternen Austausch von Halbfabrikaten, Dienstleistungen oder dem Bau von Großanlagen der Fall, vgl. OECD-RL 2010, Tz. 2.39; Eigelshoven, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 9, Rz. 78. 145 Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 2.56 ff. [„Transactional profit methods“]; BMF v. 12.04.2005, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.3 lit. b und c. Über die geschäftsfallbezogenen Gewinnmethoden hinaus erkennen die OECD-RL auch andere Methoden grundsätzlich an, sofern diese im Einzelfall geeigneter sind. Der Steuerpflichtige muss dies dann entsprechend dokumentieren, vgl. OECD-RL 2010, Tz. 2.9. 146 Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 2.108 ff. [„Transactional profit split method”]; BMF v. 12.04.2005, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.3 lit. c.
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
margenmethode die Angemessenheit der vereinbarten Verrechnungspreise anhand eines Vergleichs der Nettomargen im Rahmen eines betriebsinternen oder -externen Fremdvergleichs erfolgen147 Die geschäftsfallbezogenen Gewinnmethoden betrachtete die OECD lange als „methods of last resort“ und damit als streng subsidiär gegenüber den Standardmethoden.148 Diese Ansicht wurde von der Finanzverwaltung,149 dem Schrifttum150 und wohl auch der Rechtsprechung151 geteilt. Nach den neuen OECD-RL 2010 ist jedoch stets die für den konkreten Anwendungsfall „geeignetste“ Methode anzuwenden.152 Die geschäftsfallbezogenen Gewinnmethoden sind somit anzuwenden, wenn sie im Einzelfall zu mit größerer Wahrscheinlichkeit zutreffenden Fremdvergleichswerten führen als die Standardmethoden.153 Ist dies der Fall, ist gegen ihre Verwendung im Rahmen der verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage nichts einzuwenden. Bei gleicher Eignung müssen die Standardmethoden als die direkt am Verrechnungspreis einer Lieferung oder Leistung ansetzenden Methoden jedoch vorrangig bleiben. Unter den Standardmethoden ist bei gleicher Eignung die Preisvergleichsmethode vorzuziehen. Beides sehen so auch die OECD-RL 2010 vor.154
147 Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 2.58 ff. [„Transactional net margin method”]; BMF v. 12.04.2005, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.3 lit. b. 148 OECD-RL 1995/2009, Tz. 3.49 f. 149 Vgl. BMF v. 23.02.1983, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.2.1.; BMF v. 12.04.2005, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.3 lit. b und c. 150 Vgl. statt vieler Baumhoff, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. 383 ff. (Stand: 11.1999); Eigelshoven, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 9, Rz. 81 u. 96 jeweils m.w.N. 151 Vgl. BFH, Urt. v. 17.10.2001, I R 103/00, BStBl. II 2004, 171 (175): „Eine vGA setzt die zusätzliche Annahme voraus, dass der tatsächlich vereinbarte Preis nicht innerhalb der Bandbreite angemessener Fremdvergleichspreise liegt. Diese Feststellung ist auch dann erforderlich, wenn der Steuerpflichtige den vereinbarten Preis nach überhaupt keiner Methode, nach keiner anerkannten Standardmethode oder nach der "falschen" Methode ermittelt haben sollte.“ [Hervorhebungen nur hier]. 152 Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 2.2: „most appropriate method for a particular case“. Die OECD übernimmt damit die „best method rule” der U.S. regulations § 1.482-1(c). Damit passt die OECD die OECD-RL an die in der Praxis häufige Verwendung der geschäftsfallbezogenen Gewinnmethoden an, vgl. Förster, IStR 2009, 720 (722); Luckhaupt, Ubg 2010, 646. 153 Dies ist insbesondere der Fall, wenn Vergleichsdaten für die geschäftsfallbezogenen Gewinnmethoden, aber nicht für die Standardmethoden vorliegen. Nach den OECD-RL 2010 wird die Geeignetheit einer Methode insbesondere anhand der Verfügbarkeit von Vergleichsdaten und deren Vergleichbarkeit im konkreten Einzelfall bestimmt, vgl. OECD-RL 2010, Tz. 2.2. 154 Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 2.3.
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Verrechnungspreisvorschriften
Generell gilt, dass keine Verrechnungspreismethode für alle Situationen geeignet ist.155 Zur Verprobung können die verschiedenen Methoden auch kombiniert werden.156 Dies zeigt, dass die Verrechnungspreisbestimmung oft problematisch und nicht immer objektiv möglich ist.157 Der Fremdvergleichsmaßstab kann insbesondere nicht die Einbindung einer Gesellschaft in den Konzern berücksichtigen. Lieferungen und Leistungen werden aber gerade dann aus dem Konzernverbund bezogen, wenn sich Konzerne davon Synergievorteile versprechen.158 Dennoch kommt der Fremdvergleich der Funktionsweise des freien Marktes am nächsten und sichert eine steuerlich gleiche Behandlung von im Konzern verbundenen und unverbundenen Unternehmen.159 Die Alternative einer globalen Aufteilung des Konzerngesamtgewinns auf die einzelnen Gesellschaften i.S.d. US-amerikanischen formulary apportionment bzw. des Richtlinienvorschlags der Kommission für eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage (GKKB)160 bringt ganz eigene Aufteilungsschwierigkeiten mit sich und kann den Fremdvergleichsgrundsatz für Lieferungs- und Leistungsbeziehungen mit verbundenen Unternehmen außerhalb des Systems ohnehin nicht obsolet machen.161 dd)
Bandbreite von Verrechnungspreisen
Die obigen Erläuterungen zeigen nochmals, dass die Verrechnungspreisermittlung „keine exakte Wissenschaft“ ist.162 Während unter dem Modell eines vollkommenen Marktes163 ein einheitlicher Gleichgewichtspreis entsteht, bestehen in der Realität Verhandlungsspielräume zwischen den Vertragsparteien. Aufgrund unterschiedlicher Präferenzen, Informationen und Verhandlungsmacht entstehen subjektive Preisvorstellungen.164 Dabei kommt eine 155 Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 2.2. 156 Vgl. BFH, Urt. v. 17.10.2001, I R 103/00, BStBl. II 2004, 171 (176); BMF v. 23.02.1983, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.4.2; OECD-RL 2010, Tz. 2.11. Die Anwendung mehrerer Methoden ist aber nicht verpflichtend, vgl. OECD-RL 2010, Tz. 2.11. 157 Siehe bereits BT-Drs. VI/2883, S. 24. 158 Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 1.10; Hinnekens, FS Vanistendael, 2008, S. 511 (515); Eigelshoven, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 9, Rz. 61; Frotscher, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2009, Rz. 571; Rödder, FS Lang, 2010, S. 1147 (1157 f.); Baßler, Steuerliche Gewinnabgrenzung im Europäischen Binnenmarkt, 2011, S. 103 ff.; Schön, World Tax Journal 2010, 227 (233 f.); ders., IStR 2011, 777 f. Vgl. allgemein zur Kritik am Fremdvergleichsgrundsatz Nientimp, Steuerliche Gewinnabgrenzung in internationalen Konzernen, 2003, S. 144 ff.; Rödder, a.a.O. 159 Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 1.14 f. Siehe zu diesem Aspekt der Wettbewerbsgleichheit bereits B.I.1.a)aa)(2). 160 Kommission v. 16.03.2011, KOM(2011) 121 endg.; siehe dazu C.II.5.b). 161 Siehe näher C.II.5.b). Kritisch insbesondere OECD-RL 2010, Tz. 1.15 ff., 1.32. 162 Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 1.13, 3.55 und 4.8 [eigene Übersetzung]. 163 Siehe C.I.1.d)aa). 164 Vgl. Baumhoff, FS Wassermeyer, 2005, S. 347 (348 f.); Eigelshoven, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 9, Rz. 115; Mann, Einkünftekorrekturnormen, 2008, S. 31;
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
Einigung zwischen fremden Dritten nur zustande, wenn die Preisobergrenze, die der Nachfrager zu zahlen bereit ist, nicht unter der Preisuntergrenze des Anbieters liegt. Der entstehende Einigungsbereich bildet die Bandbreite möglicher Verrechnungspreise.165 Die Anwendung der Preisvergleichsmethode gibt diese Bandbreite wieder, wenn mehrere vergleichbare Marktpreise gefunden werden. Beim hypothetischen Fremdvergleich führen allein die bestehenden Bewertungsunsicherheiten zu Bandbreiten.166 Von großer praktischer Bedeutung ist die Frage, welchen Wert einer Bandbreite der Steuerpflichtige bei der verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage ansetzen darf bzw. muss. Hierzu werden von der Rechtsprechung, der Finanzverwaltung und der OECD unterschiedliche Ansichten vertreten. (1)
Die Ansichten der Rechtsprechung, der Finanzverwaltung und der OECD
Im Urteil vom 17.10.2001167 hat der BFH entschieden, dass jeder Preis innerhalb einer Bandbreite steuerlich anzuerkennen ist, weil „innerhalb der letztlich maßgebenden Bandbreite jeder Preis dem Fremdvergleich entspricht und eine Rechtsgrundlage für eine Gewinnkorrektur nur insoweit besteht, als eine Abweichung vom Fremdvergleichspreis festgestellt werden kann.“ Eine Korrektur des Verrechnungspreises durch die Finanzverwaltung müsse sich nach Ansicht des BFH deswegen an den für den Steuerpflichtigen günstigen Oberoder Untergrenzen der Bandbreite orientieren.168 Jedoch dürfe die Finanzver-
165
166 167 168
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Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 2009, S. 86; Eigelshoven/Ebering, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, zu OECD-RL Tz. 1.45 (Stand: 06.2010). Ferner führte der BFH im Urt. v. 17.10.2001, I R 103/00, BStBl. II 2004, 171 (176) aus, dass man Preisbandbreiten „nicht nur aus dem Unterschied zwischen übernommenen Funktionen und Risiken, sondern ebenso z.B. aus unterschiedlichen Unternehmensstrategien und Zielsetzungen erklären kann.“ Vgl. allgemein § 1 Abs. 3 Satz 6 AStG. Die Entstehung von Bandbreiten ebenfalls anerkennend: BFH, Urt. v. 17.10.2001, I R 103/00, BStBl. II 2004, 171 (176); Urt. v. 15.09.2004, I R 7/02, BStBl. II 2005, 867 (871); Urt. v. 06.04.2005, I R 22/04, BStBl. II 2007, 658 (659); Urt. v. 27.02.2003, I R 46/01, BStBl. II 2004, 132 (134); Urt. v. 04.06.2003, I R 24/02, BStBl. II 2003, 136 (138); siehe auch OECD-RL 2010, Tz. 3.55; BMF v. 23.02.1983, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.1.8 f.; v. 12.04.2005, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.12.5 und 3.4.12.7 lit. a. Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 3.55; Eigelshoven, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 9, Rz. 115. BFH, Urt. v. 17.10.2001, I R 103/00, BStBl. II 2004, 171 (176 f.). Vgl. in diesem Sinne auch die Rechtsprechung des BFH zu Geschäftsführervergütungen, in denen der BFH entschieden hat, dass nur die Bezüge, die den oberen Rand der fremdüblichen Bandbreite übersteigen, verdeckte Gewinnausschüttungen sind, vgl. etwa BFH, Urt. v. 27.02.2003, I R 80/01 u.a., BFH/NV 2003, 1346 (1349); Urt. v. 17.02.2010, I R 79/08, BFH/NV 2010, 1307 (1308 f.) m.w.N.
Verrechnungspreisvorschriften
waltung die Bandbreite durch Verprobung mit anderen Methoden einengen, etwa um einzelne ausreißende Werte zu eliminieren. Im Unterschied zum BFH erkennt die Finanzverwaltung in den sog. Verwaltungsgrundsätze-Verfahren 2005169 den Ansatz des für den Steuerpflichtigen günstigsten Werts einer Bandbreite nur bei uneingeschränkt vergleichbaren Werten170 an, sofern jeder Wert innerhalb der Bandbreite gleich wahrscheinlich ist. Trifft ein Wert mit der größten Wahrscheinlichkeit zu, sei dieser anzusetzen.171 Bei eingeschränkt vergleichbaren Werten sieht die Finanzverwaltung die vom BFH zugelassene Einengung der Preisbandbreite durch Plausibilitätsüberlegungen und Verprobungen vor. Führt diese nicht zum Ziel, seien darüber hinaus die oberen und unteren 25% aller Werte der Bandbreite (Quartile) zu streichen (Interquartilsmethode).172 Auch die OECD-RL sehen die Einengung einer Bandbreite vor. Weniger wahrscheinliche Werte sind insofern zu eliminieren. Verbleiben danach gewisse Vergleichbarkeitsdefizite, erlauben die OECD-RL 2010 seit kurzem auch die Verwendung der Interquartilsmethode.173 Innerhalb der eingeengten Bandbreite werden dann grundsätzlich alle Werte anerkannt.174 Liegt der vom Steuerpflichtigen angesetzte Wert jedoch außerhalb der zutreffenden Bandbreite, erlauben die OECD-RL 2010 auch die Verwendung statistischer Verfahren wie dem Median175 oder Mittelwert. Die OECD-RL 1995/2009 sahen hier noch den Ansatz des Wertes vor, der „am besten“ den Umständen des Einzelfalls entspricht.176 (2)
Stellungnahme
Die eher restriktiven Ansichten der Finanzverwaltung und der OECD können sich bei der verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage nicht 169 BMF v. 12.04.2005, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.12.5 und 3.4.12.7. 170 Siehe B.I.1.d)aa). 171 Vgl. BMF v. 12.04.2005, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.12.5 und 3.4.12.7 lit. a. Auch die OECD-RL 1995/2009, Tz. 1.45, 1.48 sahen den Ansatz des Wertes vor, der „am besten“ den Umständen des Einzelfalls entspricht, siehe unten. Kritisch: Baumhoff, FS Wassermeyer, 2005, S. 347 (355 ff.); Bödefeld/Kuntschik, in: Blumenberg/Benz, Die Unternehmensteuerreform 2008, 2007, S. 240 (251). 172 Vgl. BMF v. 12.04.2005, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.12.5 lit. d. Danach darf der Steuerpflichtige zudem andere mathematische Verfahren zur Einengung der Bandbreite benutzen, sofern er glaubhaft macht, dass diese den Verhältnissen besser entsprechen. 173 Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 3.56 f. 174 Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 3.60; vgl. zuvor OECD-RL 1995/2009, Tz. 1.48. 175 Der Median ist der Wert einer Reihe von Zahlen, der in der Mitte liegt, d.h. dass höchstens die Hälfte der Werte größer und höchsten die Hälfte der Werte kleiner ist. Der Median ist nur eindeutig bei einer ungeraden Anzahl von Werten. Bei einer geraden Anzahl bilden zwei Werte den Median. Hier bedarf es weiterer statistischer Verfahren; üblicherweise wird der Mittelwert der beiden Werte berechnet. 176 Vgl. OECD-RL 1995/2009, Tz. 1.45, 1.48.
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
durchsetzen. Hier ist der Steuerpflichtige nach wie vor berechtigt, den für ihn günstigsten Wert einer Bandbreite anzusetzen. Denn wie der BFH zu Recht feststellt, entspricht auch dieser dem Fremdvergleich.177 Die verdeckte Gewinnausschüttung und verdeckte Einlage stellen nur insoweit eine Rechtsgrundlage für Einkünftekorrekturen dar, als fremde Dritte ein Rechtsgeschäft nicht oder zu anderen Konditionen vereinbart hätten. Nur dann ist das Rechtsgeschäft durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst.178 Für die Korrektur eines noch fremdüblichen Preises, der am Rand der Bandbreite liegt, bieten die verdeckte Gewinnausschüttung und verdeckte Einlage damit schlichtweg keine Rechtsgrundlage.179 Daran ändern auch die neuen OECD-RL 2010 nichts, da sie weder rechtsverbindlich sind, noch eine obligatorische Auslegungshilfe für innerstaatliche Verrechnungspreisvorschriften darstellen.180 Der BFH hat im Urteil vom 17.10.2001181 aus den genannten Gründen auch zu Recht nicht auf den „besten Wert“ einer Bandbreite entsprechend Tz. 1.48 der OECD-RL 1995 abgestellt. Eine anhand der OECD-RL vorgenommene Auslegung der verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage, dass diese auch die Korrektur fremdüblicher Verrechnungspreise erlauben würde, wäre contra legem. Die Anerkennung auch des für den Steuerpflichtigen günstigsten Wertes einer Bandbreite bedeutet aber nicht, dass die Finanzverwaltung verpflichtet wäre, jede vom Steuerpflichtigen angegebene Bandbreite anzuerkennen. Zur Sicherstellung einer korrekten Einkünfteabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen sowie einer wettbewerbsneutralen und gerechten Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist sie sogar verpflichtet, unzutreffende 177 Vgl. BFH, Urt. v. 17.10.2001, I R 103/00, BStBl. II 2004, 171 (176); vgl. auch FG Hamburg, Urt. v. 31.10.2011, 6 K 179/10, juris, Rz. 26; Becker, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, zu OECD-RL Tz. 1.48, Rz. 1 ff. (Stand: 06.1997); Baumhoff, FS Wassermeyer, 2005, S. 347 (362); Wassermeyer, DB 2007, 535 (537); Kroppen, FS Schaumburg, 2009, S. 857 (872 f.); Englisch, IStR 2010, 139 (142); Eigelshoven/Ebering, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, zu OECD-RL Tz. 1.48, Rz. 228 (Stand: 06.2010). 178 Siehe bereits B.I.1.a)aa)(2). 179 Vgl. auch BFH, Urt. v. 17.10.2001, I R 103/00, BStBl. II 2004, 171 (176). 180 Siehe B.I.1.d). Als Auslegungshilfe könnten die OECD-RL 2010 allenfalls ohnehin nur für Sachverhalte sein, die die Zeit nach ihrer Veröffentlichung betreffen, siehe dazu B.IV.1.a. Zudem ist fraglich, ob die der Ansatz von Median oder Mittelwert nach Tz. 3.62 der OECD-RL 2010 nicht über den Wortlaut des Art. 9 OECD-MA hinausgeht. Denn danach sind nur Korrekturen erlaubt, wenn verbundene Unternehmen Bedingungen vereinbaren, „die von denen abweichen, die unabhängige Unternehmen miteinander vereinbaren würden“. Unabhängige Unternehmen vereinbaren aber auch die Preise, die dem Randbereich einer Bandbreite entsprechen. Vgl. auch Eigelshoven/Ebering, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, zu OECD-RL Tz. 1.48, Rz. 228 (Stand: 06.2010). 181 BFH, Urt. v. 17.10.2001, I R 103/00, BStBl. II 2004, 171 (176 f.).
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Verrechnungspreisvorschriften
Bandbreiten zu korrigieren. Dazu sind Verprobungen und Plausibilitätskontrollen vorzunehmen. Einzelne ausreißende Werte, die nur bedingt vergleichbar sind, sind zu eliminieren. Die willkürliche Streichung der oberen und unteren Quartile einer Bandbreite ist mit dem Fremdvergleichsgrundsatz jedoch nicht zu vereinbaren.182 Für die Streichung fremdüblicher Werte bieten die verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage keine Rechtsgrundlage.183 Die Interquartilsmethode muss von den Steuerpflichtigen damit nicht angewandt werden. ee)
Verrechnungspreisdokumentation
Damit die Finanzverwaltung die Angemessenheit der Verrechnungspreise überprüfen kann, haben die Steuerpflichtigen ihre Verrechnungspreisermittlung im Rahmen ihrer allgemeinen Mitwirkungspflichten zu dokumentieren. Darüber hinaus bestehen speziell für grenzüberschreitende Lieferungs- und Leistungsbeziehungen nach § 90 Abs. 3 AO i.V.m. der GAufzV184 umfangreiche Dokumentationspflichten über Art und Inhalt der Geschäftsbeziehung und die Angemessenheit der Verrechnungspreise.185
2.
Berichtigung von Einkünften nach § 1 AStG
Lieferungs- und Leistungsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen können neben der verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage auch im Rahmen des § 1 AStG auf ihre Angemessenheit hin überprüft werden. Die Norm wurde 1972 im Rahmen des AStG186 eingeführt und ist nur auf grenzüberschreitende Sachverhalte anwendbar. Im Unterschied zur verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage zielt § 1 AStG weniger auf eine korrekte Gewinnabgrenzung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter, sondern in erster Linie auf die Verhinderung der Gewinnverlagerungen ins Aus182 Vgl. auch Finsterwalder, DStR 2005, 765 (769); Werra, IStR 2005, 19 (21); Kaminski, RIW 2007, 594 (596); Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1461 (1463); Greinert, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 2007, S. 541 (550 f.); Scheffler, Internationale betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 3. Aufl. 2009, S. 457; Eigelshoven/Ebering, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, zu OECD-RL Tz. 1.48, Rz. 224 (Stand: 06.2010). Die Methode gleichwohl als praktikabel ansehend: Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 2009, S. 92; wohl auch: Mann, Einkünftekorrekturnormen, 2008, S. 216. 183 Diese Gesetzesgrundlage schafft auch nicht Tz. 3.57 der OECD-RL 2010 (siehe oben). Siehe zur Anwendung der Interquartilsmethode im Rahmen von § 1 AStG B.I.2.c)bb)(2). 184 Gewinnaufzeichnungsverordnung (GAufzV) v. 13.11.2003, BGBl. I 2003, 2296, zuletzt geändert durch Gesetz v. 14.08.2007, BGBl. I 2007, 1912. 185 Auf eine nähere Auseinandersetzung mit den Dokumentationspflichten wird in dieser Arbeit verzichtet, siehe dazu in der Einleitung. 186 Siehe BGBl. I 1972, 1713.
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
land ab.187 § 1 AStG wurde im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008188 umfassend präzisiert und erweitert.189 a)
Tatbestand und Rechtsfolge
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG sind die Einkünfte eines Steuerpflichtigen so anzusetzen, wie sie bei einer Vereinbarung zwischen voneinander unabhängigen Dritten angefallen wären, wenn die Einkünfte des Steuerpflichtigen aus einer Geschäftsbeziehung zum Ausland mit einer ihm nahe stehenden Person dadurch gemindert wurden, dass mit dieser vom Fremdvergleich abweichende Verrechnungspreise vereinbart worden sind. Der persönliche Anwendungsbereich des § 1 AStG erfasst natürliche und juristische Personen, die in Deutschland unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtig sind.190 Eine Geschäftsbeziehung ist nach § 1 Abs. 5 AStG jede schuldrechtliche Beziehung, die keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung ist und beim Steuerpflichtigen oder der nahe stehenden Person zu Einkünften191 führt. Mit dieser weiten Definition reagierte der Gesetzgeber auf die Rechtsprechung des BFH,192 die zuvor die Vergabe von (eigenkapitalersetzen187 Vgl. BT-Drs. VI/2883, S. 16 f., Tz. 12 u. 16 f. Weiterhin sollte mit § 1 AStG Art. 9 OECD-MA in innerstaatliches Recht umgesetzt werden. 188 Unternehmensteuerreformgesetz 2008 v. 14.08.2007, BGBl. I 2007, 1912. 189 Zuvor blieb § 1 AStG lange Zeit weitgehend unverändert. Im Rahmen des Steueränderungsgesetzes v. 25.02.1992, BGBl. I 1992, 297 und des Steuervergünstigungsabbaugesetzes v. 16.05.2003, BGBl. I 2003, 660 wurde der heutige § 1 Abs. 5 AStG eingeführt bzw. geändert, um den Begriff der Geschäftsbeziehung im Sinne des Gesetzgebers zu definieren. Siehe dazu sogleich unter B.I.2.a). Die jüngste Änderung des § 1 Abs. 3 Sätze 9 und 10 AStG durch das Gesetz zur Änderung steuerlicher EU-Vorgaben (BGBl. I 2010, 386) betrifft die Funktionsverlagerung, die nicht Gegenstand dieser Arbeit ist, siehe dazu die Einleitung; vgl. dazu aber Glahe, IStR 2010, 870 (872); Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2010, 1309 ff. Mit dem Jahressteuergesetz 2013 soll der Anwendungsbereich des § 1 AStG in Umsetzung des neuen Art. 7 OECD-MA auch auf die Gewinnabgrenzung zwischen Betriebsstätten erweitert werden, vgl. Referentenentwurf eines Jahressteuergesetzes 2013 v. 05.03.2012, Download unter: http://www.bundesfinanzministerium.de/ (Abruf: 19.03.2012). 190 Vgl. Wassermeyer, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. 218 (Stand: 10.2004); Schoss, in: Lademann, EStG u.a., § 1 AStG, Rz. 19 (Stand: 10.2003); Kraft, in: Kraft, AStG, 2009, § 1, Rz. 65. 191 Dabei werden nur Einkünfte nach §§ 13, 15, 18 und 21 EStG erfasst. Hinsichtlich Gebietsfremder reicht es aus, wenn diese Einkunftsarten bei entsprechender inländischer Tätigkeit anwendbar wären. 192 Der BFH hatte zunächst im Urt. v. 05.12.1990, I R 94/88, BStBl. II 1991, 287 eine Geschäftsbeziehung bei der Darlehensvergabe eines Gesellschafters an die Gesellschaft verneint, weil eine derartige Geschäftsbeziehung nicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnehme. Daraufhin führte der Gesetzgeber eine Legaldefinition der Geschäftsbeziehung ein, um auch die Darlehensvergabe eines Gesellschafters zu erfassen, vgl. Steueränderungsgesetz v. 25.02.1992, BGBl. I 1992, 297. Der Gesetzgeber reagierte ein zweites Mal auf das BFH-Urt. v. 29.11.2000, I R 85/99, BStBl. II 2002, 720. Dar-
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Verrechnungspreisvorschriften
den) Darlehen durch einen Gesellschafter nicht als Geschäftsbeziehung qualifiziert hatte. Heute fehlt es an einer Geschäftsbeziehung insbesondere nur noch, wenn Eigenkapital überlassen wird.193 Die Geschäftsbeziehung muss ferner zum Ausland bestehen. Dies ist der Fall, wenn im Inland die Einkünfte gemindert werden und im Ausland bei der nahe stehenden Person der korrespondierende Vermögensvorteil zufließt.194 Zur Feststellung der Einkünfteminderung ist ein Soll-Ist-Vergleich vorzunehmen und zu fragen, ob die Einkünfte höher ausgefallen wären, wenn voneinander unabhängige Dritte das Geschäft vorgenommen hätten.195 Insofern werden auch verhinderte Vermögensmehrungen erfasst. Eine Gesamtbetrachtung mehrerer zusammenhängender Geschäfte ist auch bei § 1 AStG möglich.196 Die Voraussetzung der Einkünfteminderung zeigt auch, dass Korrekturen nach § 1 AStG nur zugunsten des Fiskus erfolgen.197 § 1 AStG ist daher nur anwendbar, wenn ein ansässiges verbundenes Unternehmen einem gebietsfremden Vorteile gewährt. Der Beg-
193
194
195 196 197
in hatte der BFH ein eigenkapitalersetzendes Darlehen nicht als Geschäftsbeziehung angesehen, weil eine derartige Darlehensvergabe eine Geschäftsbeziehung überhaupt erst begründe. Obwohl das Urteil zur alten Fassung erging, hatte dieses auch Auswirkungen auf die seit 1992 geltende Fassung, vgl. später BFH, Urt. v. 27.08.2008, I R 28/07, BFH/NV 2009, 123 (124 f.); Urt. v. 29.04.2009, I R 26/08, BFH/NV 2009, 1648 (1649); Urt. v. 23.06.2010, I R 37/09, BStBl. II 2010, 895; vgl. jetzt auch BMF v. 12.01.2010, BStBl. I 2010, 34; zuvor noch a.A. BMF v. 17.10.2002, BStBl. I 2002, 1025. Mit der Änderung durch das Steuervergünstigungsabbaugesetz v. 16.05.2003, BGBl. I 2003, 660 erlangte § 1 Abs. 5 AStG die heute geltende Fassung. Vgl. zum Ganzen ausführlich: Rehfeld, Die Vereinbarkeit des Außensteuergesetzes mit den Grundfreiheiten des EG-Vertrags, 2008, S. 89 ff.; Mann, Einkünftekorrekturnormen, 2008, S. 13 ff. Vgl. BFH, Urt. v. 30.05.1990, I R 97/88, BStBl. II 1990, 875 (877 f.). Denn in diesem Fall wird eine Geschäftsbeziehung durch die Eigenkapitalvergabe überhaupt erst begründet. Dies wohl auch bei eigenkapitalersetzenden Darlehen annehmend: Andresen, IStR 2010, 289 (290); Scheipers/Linn, IStR 2010, 469 (470). Vgl. BFH, Urt. v. 28.04.2004, I R 5/02, BStBl. II 2005, 516 (Leitsatz); Wassermeyer, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. 231 (Stand: 10.2004); Baumhoff, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl. 2005, Rz. C 254; Kraft, in: Kraft, AStG, 2009, § 1, Rz. 72. Der BFH stellt dabei im genannten Urteil verstärkt auf die personale Beziehung zwischen dem inländischen Steuerpflichtigen und der ausländischen nahe stehenden Person ab. Nach dem Urteil fehlt es daran, wenn beide Personen im Inland ansässig sind und die nahe stehende Person ein Darlehen bloß in einer ausländischen Betriebsstätte einsetzt. A.A. BMF v. 14.05.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 1.4.3. Siehe § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG; vgl. auch Wassermeyer, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. 252 (Stand: 10.2004). Siehe dazu bereits B.I.1.a)aa)(1) mit Fn. 11. Vgl. Debatin, RIW 1975, 596 (601); Wassermeyer, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. 231 (Stand: 10.2004); Baumhoff, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl. 2005, Rz. C 254; Kraft, in: Kraft, AStG, 2009, § 1, Rz. 12 u. 66. Dies wird im Schrifttum teilweise heftig kritisiert, vgl. nur Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2011, Rz. 18.105 m.w.N.
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
riff der nahe stehenden Person wird in § 1 Abs. 2 AStG präzisiert und erfasst praktisch sämtliche Gesellschaften eines Konzerns i.S.v. § 18 AktG: Nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG reicht eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung in Höhe von 25% bzw. ein bloß beherrschender Einfluss aus. Schwestergesellschaften werden nach Nr. 2 zueinander als nahe stehend angesehen. Nach Nr. 3 genügt zudem ein außerhalb der Geschäftsbeziehung begründeter Einfluss auf den Transaktionspartner bzw. ein Interesse an der Einkünfteerzielung des anderen. Konzernsachverhalte werden regelmäßig aber schon durch die Nr. 1 und 2 erfasst. Als letztes Tatbestandsmerkmal setzt § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG voraus, dass der Steuerpflichtige mit der nahe stehenden Person andere Verrechnungspreise vereinbart, „als sie voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen vereinbart hätten (Fremdvergleichsgrundsatz)“. § 1 AStG ist damit die einzige Verrechnungspreisvorschrift, die den Fremdvergleichsgrundsatz legal definiert.198 Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 AStG ist auch hier die Rechtsfigur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Damit stimmt der Fremdvergleichsmaßstab des § 1 AStG weitgehend mit demjenigen der verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage überein. Ein Unterschied besteht jedoch aufgrund der Transparenzfiktion des § 1 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 AStG, nach der beiden Vertragspartnern alle wesentlichen Umstände der Geschäftsbeziehung bekannt sein sollen. Dieser im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008 eingeführte Zusatz weicht von einem echten Fremdvergleich ab:199 In der Realität sind voneinander unabhängigen Dritten nicht alle Umstände bekannt.200 Zusammenfassend kommt eine Anwendung des § 1 AStG insbesondere in den folgenden beiden Fällen in Betracht:
198 Der Wortlaut entspricht in etwa Art. 9 Abs. 1 OECD-MA. Die Legaldefinition wurde in der Form des Klammerzusatzes erst mit der Unternehmensteuerreform 2008 eingeführt. Kritisch: Frischmuth, FS Schaumburg, 2009, S. 647 (649 ff.). Die vom Gesetzgeber intendierten Definition des Verrechnungspreises (vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 85) in § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG ist jedoch nicht gelungen, vgl. Zech, Verrechnungspreise und Funktionsverlagerungen 2009, 2009, S. 42 ff. 199 Vgl. Kaminski, RIW 2007, 594 (595); ders., StuW 2008, 337 (341); Eigelshoven, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 9, Rz. 23; Frischmuth, FS Schaumburg, 2009, S. 647 (658 f.); ferner eine Abweichung zum Fremdvergleichsmaßstab des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA feststellend: Piltz, JbFStR 2007/2008, 148 (151 f.); Wassermeyer, DB 2007, 535 (536); Greinert, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 2007, S. 541 (545 f.); Wassermeyer/Baumhoff/Greinert, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. V 9 (Stand: 05.2008); Klapdor, StuW 2008, 83 (85); Kraft, in: Kraft, AStG, 2009, § 1, Rz. 535; Zech, Verrechnungspreise und Funktionsverlagerungen 2009, 2009, S. 56. 200 Die Informationstransparenz ist ein Teilaspekt des vollkommenen Marktes, den es in der Realität jedoch nicht gibt, siehe bereits B.I.1.d)aa). Vgl. auch Piltz, JbFStR 2007/2008, 148 (151 f.); Wassermeyer, DB 2007, 535 (536); Greinert, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 2007, S. 541 (545); Eigelshoven, in: Vo-
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Verrechnungspreisvorschriften
1. Ein ansässiges verbundenes Unternehmen liefert/leistet an ein gebietsfremdes verbundenes Unternehmen zu einem unangemessen niedrigen Preis. 2. Ein gebietsfremdes verbundenes Unternehmen liefert/leistet an ein ansässiges verbundenes Unternehmen zu einem unangemessen hohen Preis. Der Fremdvergleichsgrundsatz bestimmt zugleich die Rechtsfolge des § 1 AStG:201 Die Einkünfte sind bei der ansässigen Konzerngesellschaft so anzusetzen, wie sie bei einer Vereinbarung zwischen voneinander unabhängigen Dritten angefallen wären. In der Höhe der Differenz zwischen dem vereinbarten Verrechnungspreis und diesem Fremdvergleichswert ist ein Korrekturbetrag außerhalb der Steuerbilanz anzusetzen.202 Die Rechtsfolgen bei der gebietsfremden Konzerngesellschaft richten sich ausschließlich nach dem Recht ihres Ansässigkeitsstaates. b)
Konkurrenzverhältnis zur verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage
Bei grenzüberschreitenden Lieferungs- und Leistungsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen kommen sowohl Einkünftekorrekturen nach den Grundsätzen der verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage als auch nach § 1 AStG in Betracht. In der Folge stellt sich die Frage des Konkurrenzverhältnisses dieser Tatbestände. Dieses ist in § 1 Abs. 1 AStG geregelt: Nach Satz 1 sind die Einkünfte des Steuerpflichtigen „unbeschadet anderer Vorschriften“ anzusetzen. Demnach schließt § 1 AStG die Rechtsfolgen der anderen Vorschriften nicht aus.203 Das Konkurrenzverhältnis wird durch Satz 3 präzisiert, der erst im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008 eingeführt wurde.204 Danach sind ausschließlich die verdeckte Gewinnausschüttung und
201 202
203 204
gel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 9, Rz. 20; Wassermeyer/Baumhoff/Greinert, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. V 9 (Stand: 05.2008); Klapdor, StuW 2008, 83 (84); Mann, Einkünftekorrekturnormen, 2008, S. 208 f.; Kraft, in: Kraft, AStG, 2009, § 1, Rz. 535; Zech, Verrechnungspreise und Funktionsverlagerungen 2009, 2009, S. 55; Scheffler, Internationale betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 3. Aufl. 2009, S. 456. Dies ist gesetzestechnisch unproblematisch möglich, vgl. Wassermeyer, IStR 2001, 633 (637). Vgl. BFH, Urt. v. 30.05.1990, I R 97/88, BStBl. II 1990, 875 (878) unter Verweis auf BMF v. 23.02.1983, BStBl. I 1983, 218, Tz. 8.3.1, mittlerweile aufgehoben und neu aufgenommen in BMF v. 12.04.2005, BStBl. I 2005, 570, Tz. 5.3. Vgl. ferner Wassermeyer, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. 811 ff. (Stand: 10.2004); Baumhoff, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl. 2005, Rz. C 255; Kraft, in: Kraft, AStG, 2009, § 1, Rz. 150 jeweils m.w.N. Vgl. Wassermeyer, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. 76 (Stand: 10.2004). Zuvor war das Konkurrenzverhältnis hoch umstritten, vgl. nur Wassermeyer, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. 76 ff. (Stand: 10.2004); ferner: Debatin, RIW 1975,
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
verdeckte Einlage anzuwenden, wenn deren Rechtsfolgen weiter oder genauso weit gehen, wie die Rechtsfolgen des § 1 AStG. Gehen hingegen die Rechtsfolgen des § 1 AStG weiter, ist § 1 AStG neben den anderen Korrekturvorschriften anzuwenden (Idealkonkurrenz).205 Die Einkünftekorrektur nach der verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage wird dann um den Differenzbetrag zu § 1 AStG erhöht.206 Die Rechtsfolgen gehen weiter, wenn der Betrag der Einkünftekorrektur größer ist. Um den verbleibenden Anwendungsbereich des § 1 AStG zu bestimmen, sind daher im Folgenden diejenigen Fälle zu identifizieren, in denen § 1 AStG zu einer umfangreicheren Einkünftekorrektur führt. c)
Bestimmung des verbleibenden Anwendungsbereichs des § 1 AStG
Sowohl § 1 AStG als auch der verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage liegt mit dem Fremdvergleichsgrundsatz der gleiche Korrekturmaßstab zugrunde. Dieser wird auch grundsätzlich gleich ausgelegt – Abweichungen können sich allenfalls aufgrund der Fiktion der Informationstransparenz in § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG ergeben.207 In vielen Fällen gehen damit beide Gruppen von Verrechnungspreisvorschriften gleich weit. Die Rechtsfolgen des § 1 AStG finden dann keine Anwendung. In zahlreichen Fällen gehen auch die verdeckte Gewinnausschüttung und verdeckte Einlage weiter als § 1 AStG. Dies ist etwa der Fall, wenn der BFH bei der verdeckten Gewinnausschüttung die Maßstäbe der Üblichkeit bzw. Ernsthaftigkeit oder den formalen Maßstab bei beherrschenden Gesellschaftern anwendet und auch den angemessenen Teil einer Vereinbarung korrigiert.208 Bedeutender ist, dass die verdeckte Gewinnausschüttung und die verdeckte Einlage auch in einem Inlandsfall anwendbar sind und zudem Einkünftekorrekturen auch zugunsten der Steuerpflichtigen vorsehen. Diese Unterschiede sind auf die verschiedenen Zielsetzungen der beiden Normengruppen zurückzuführen: Die verdeckte Gewinnausschüttung und verdeckte Einlage zielen allgemein auf eine korrekte Abgrenzung von Einkünften und somit auf eine wettbewerbsneutrale und lastengleiche Besteuerung von Gesellschaft
205
206
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50
596 (599). Die jetzige Kodifizierung setzt aber die von der Finanzverwaltung vertretene Idealkonkurrenz um, vgl. BMF v. 23.02.1983, BStBl. I 1983, 218, Tz. 1.1.3; v. 14.05.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 1.1.2. Vgl. Wassermeyer/Baumhoff/Greinert, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. V 12 (Stand: 05.2008); Menck, in: Blümich, EStG u.a., § 1 AStG, Rz. 14 u. 50 (Stand: 06.2008); Kraft, in: Kraft, AStG, 2009, § 1, Rz. 20 f.; Hofacker, in: Haase, AStG/DBA, 2009, § 1 AStG, Rz. 17. Vgl. BMF v. 14.05.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 1.1.2; Wassermeyer/ Baumhoff/Greinert, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. V 12 f. (Stand: 05.2008); Bär, Verständigungen über Verrechnungspreise, 2009, S. 41; Hofacker, in: Haase, AStG/DBA, 2009, § 1 AStG, Rz. 17; Schönfeld, IStR 2011, 219 (224). Siehe bereits B.I.2.a). Siehe dazu B.I.1.a)aa)(2) und bb).
Verrechnungspreisvorschriften
und Gesellschafter ab. Im internationalen Kontext dienen sie auf dieser Weise zugleich einer gerechten Aufteilung des Besteuerungssubstrats zwischen Staaten.209 Das Ziel des § 1 AStG ist enger: Mit der Norm sollen vor allem Gewinnverlagerungen ins Ausland verhindert werden.210 Folglich werden Inlandsfälle und Vorteilsgewährungen vom Ausland ins Inland nicht durch § 1 AStG erfasst. Von den jeweils vier genannten Grundfällen der verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage211 ist § 1 AStG daher jeweils nur auf die ersten beiden anwendbar.212 Dies wird nochmals in der folgenden Darstellung aufgezeigt. Diese gilt für Lieferungs- und Leistungsbeziehungen zwischen Schwestergesellschaften entsprechend.213
209 Siehe B.I.1.a) und b). 210 Siehe B.I.2. und vgl. nochmals BT-Drs. VI/2883, S. 16 f. Vgl. auch Debatin, RIW 1975, 596 (599); Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2011, Rz. 18.105. Nicht zu überzeugen vermag daher die Ansicht von Baßler, dass die verdeckte Gewinnausschüttung und die verdeckte Einlage allein das Ziel einer lastengerechten Besteuerung, § 1 AStG hingegen das Ziel der zwischenstaatlichen Steuergerechtigkeit verfolgten, vgl. Baßler, Steuerliche Gewinnabgrenzung im Europäischen Binnenmarkt, 2011, S. 93-115, 196. Auch wenn man wie Baßler die lastengerechte Besteuerung als Kernziel der verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage identifiziert, heißt dies nicht, dass die Normen auf dieses Kernziel beschränkt wären. Die Anwendung der verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage auf die zwischenstaatliche Gewinnabgrenzung – und damit jenseits der Trennung von Einkommenserzielung und Einkommensverwendung – erfolgt nicht zielfremd (so aber Baßler, a.a.O., S. 109), sondern zielkongruent (siehe B.I.1.a) bzw. allenfalls zielerweiternd). Aufgrund seiner asymmetrischen Struktur ist das Ziel des § 1 AStG zudem besser mit der Verhinderung der Gewinnverlagerung ins Ausland beschrieben, als mit zwischenstaatlicher Steuergerechtigkeit. 211 Siehe zu diesen Grundfällen B.I.1.a)bb) und B.I.1.b)bb) jeweils unter 1. und 2. 212 Diese entsprechen den beiden unter B.I.2.a) angegebenen Fällen. Vgl. Debatin, RIW 1975, 596 (601). 213 Siehe zur Dreiecksfiktion bei der verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage B.I.1.c).
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
Grundfälle der verdeckten Gewinnausschüttung (und verdeckten Einlage) Vorteilsgewährung vom Inland ins Ausland
Vorteilsgewährung vom Ausland ins Inland
Wird von § 1 AStG erfasst?
1. Ansässige TG* (MG*) liefert/leistet an gebietsfremde MG (TG) zu einem unangemessen niedrigen Preis
Ja
2. Gebietsfremde MG (TG) liefert/leistet an ansässige TG (MG) zu einem unangemessen hohen Preis
Ja
3. Gebietsfremde TG (MG) liefert/leistet an ansässige MG (TG) zu einem unangemessen niedrigen Preis
Nein
4. Ansässige MG (TG) liefert/leistet an gebietsfremde TG (MG) zu einem unangemessen hohen Preis
Nein
*TG = Tochtergesellschaft; MG = Muttergesellschaft Abbildung 2: Vergleich der Anwendungsbereiche deutscher Verrechnungspreisvorschriften
Fraglich bleibt, in welchen Fällen § 1 AStG zu weitergehenden Rechtsfolgen führt. Dies ist prinzipiell aufgrund der unterschiedlichen Bestimmung nahe stehender Personen möglich.214 Lieferungs- und Leistungsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen werden jedoch von beiden Gruppen von Verrechnungspreisvorschriften praktisch immer erfasst. Relevante Differenzen bestehen aber dort, wo die verdeckte Einlage in nicht symmetrischer Weise von der verdeckten Gewinnausschüttung abweicht. Zudem hat die Konkretisierung des Fremdvergleichs in § 1 Abs. 3 AStG im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008 zu weiteren Differenzen geführt. aa)
Vergleich mit der verdeckten Einlage
Die verdeckte Einlage erfasst Vorteilszuwendungen der Mutter- an die Tochtergesellschaft und somit den spiegelbildlichen Fall zur verdeckten Gewinnausschüttung. Beide Rechtsinstitute sind jedoch nicht vollständig symmetrisch ausgestaltet. Wie bereits dargestellt, erfasst die verdeckte Einlage nicht die bloße Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern bzw. Erbringung von Dienstleistungen durch die Muttergesellschaft und weist mit dem Teilwert 214 Vgl. Baumhoff, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl. 2005, Rz. C 257; Frotscher, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2009, Rz. 567. Vgl. zur unterschiedlichen Bestimmung nahe stehender Personen auch die Ausführungen zu B.I.1.a)aa)(2) und B.I.2.a).
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Verrechnungspreisvorschriften
einen anderen Korrekturmaßstab auf.215 Diesbezüglich kann § 1 AStG zu weitergehenden Rechtsfolgen führen. Die Anwendungsbereiche der verdeckten Einlage und des § 1 AStG überschneiden sich grundsätzlich in den folgenden Fällen:216 1. Eine ansässige Muttergesellschaft veräußert Waren oder Dienstleistungen an eine gebietsfremde Tochtergesellschaft zu einem unangemessen niedrigen Preis. 2. Eine ansässige Muttergesellschaft erwirbt Waren oder Dienstleistungen von einer gebietsfremden Tochtergesellschaft zu einem unangemessen hohen Preis. (1)
Einlagefähige Wirtschaftsgüter
Werden in Fall 1 Wirtschaftsgüter zur Nutzung überlassen bzw. Dienstleistungen erbracht, liegt nach der Rechtsprechung des Großen Senats des BFH mangels eines einlagefähigen Wirtschaftsguts keine verdeckte Einlage vor.217 In Fall 2 besteht die Gegenleistung hingegen in bilanzierungsfähigem Entgelt.218 Im hiermit allein relevanten Fall 1, ist lediglich § 1 AStG anwendbar. Die Norm ist nicht auf einlagefähige Wirtschaftsgüter beschränkt219 und sieht damit in Fall 1 weitergehende Rechtsfolgen als die verdeckte Einlage vor. (2)
Unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe
Während verdeckte Einlagen in der Regel mit dem Teilwert bewertet werden,220 sieht § 1 AStG den Fremdvergleichswert als Maßstab der Einkünftekorrektur vor.221 Diese abweichenden Bewertungsmaßstäbe können zu einer unterschiedlich hohen Einkünftekorrektur führen. Die Rechtsfolgen des § 1 AStG sind nur anwendbar, wenn die Bewertung zum Fremdvergleichswert zu einer umfassenderen Einkünftekorrektur als die Bewertung zum Teilwert führt. Dabei ist wiederum zwischen den beiden obigen Fällen zu unterscheiden: Im ersten Fall, der Unterpreislieferung ins Ausland, geht die Einkünftekorrektur nach § 1 AStG weiter, wenn der Fremdvergleichswert größer ist als der Teil215 Siehe B.I.1.b)aa) und bb). 216 Siehe oben B.I.2.c) mit Abbildung 2. 217 Vgl. BFH, Bschl. v. 26.10.1987, GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348 (352); siehe bereits bereits B.I.1.b)aa). 218 Siehe B.I.1.b)aa) und vgl. nochmals Baumhoff, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl. 2005, Rz. C 243. 219 Vgl. nur BMF v. 12.04.2005, BStBl. I 2005, 570, Tz. 5.3.3.; Debatin, RIW 1975, 596 (598); Wassermeyer, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. 92 (Stand: 10.2004); Kraft, in: Kraft, AStG, 2009, § 1, Rz. 36; vgl. exemplarisch BFH, Urt. v. 29.11.2000, I R 85/99, BStBl. II 2002, 720; FG Düsseldorf, Urt. v. 19.02.2008, 17 K 894/05 E, IStR 2008, 449. Der Gesetzgeber hat mit der Definition der Geschäftsbeziehung in § 1 Abs. 5 AStG auch eigenkapitalersetzende Darlehen erfasst, siehe B.I.2.a). 220 Siehe B.I.1.b)bb). 221 Siehe B.I.2.a).
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
wert; im zweiten Fall, der Überpreislieferung aus dem Ausland, wenn der Fremdvergleichswert kleiner ist. Im Folgenden ist daher zu untersuchen, in welchen Fällen der Teilwert nach oben bzw. unten vom Fremdvergleichswert abweicht. Der Teilwert ist der Wert, den ein Erwerber bei einer Veräußerung des Gesamtunternehmens für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde, wobei von der Betriebsfortführung auszugehen ist.222 Die Zugehörigkeit eines Wirtschaftsguts zum Betrieb kann seinen Wert beeinflussen.223 Dies gilt in der Regel jedoch nur für betriebsnotwendige Wirtschaftsgüter. Bei nicht betriebsnotwendigen Wirtschaftsgütern, die jederzeit neu angeschafft werden können, ist der betriebliche Zusammenhang zu vernachlässigen.224 In diesem Fall entspricht der Teilwert dem Einzelveräußerungspreis.225 Dieser bildet zugleich die Untergrenze der Bewertung für den Teilwert.226 Bei betriebsnotwendigen Wirtschaftsgütern würde der fiktive Erwerber des Betriebs maximal nur soviel zahlen, wie er für deren Wiederbeschaffung bzw. Reproduktion aufbringen müsste.227 Dementsprechend bilden die Wiederbeschaffungs-228 bzw. Reproduktionskosten229 nach der Rechtsprechung des BFH die Obergrenze des Teilwerts.230 Eine gesetzliche und ggf. niedrigere Obergrenze231 besteht für 222 Siehe § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG, § 10 Satz 2 f. BewG. Siehe bereits B.I.1.b)bb). 223 Siehe bereits B.I.1.b)bb) mit Fn. 82. Vgl. nochmals BFH, Bschl. v. 16.07.1968, GrS 7/67, BStBl. II 1969, 108 (112); Urt. v. 25.08.1983, IV R 218/80, BStBl. II 1984, 33 (34). 224 Vgl. Glanegger, in: Schmidt, EStG, 28. Aufl. 2009, § 6, Rz. 228; Werndl, in: K/S/M, EStG, § 6, Rz. B 360 (Stand: 05.2008); Ortmann-Babel, in: Lademann, EStG u.a., § 6 EStG, Rz. 412 (Stand: 07.2000). 225 Vgl. BFH, Urt. v. 25.06.1970, IV 166/65, BStBl. II 1970, 721 (722); Urt. v. 25.08.1983, IV R 218/80, BStBl. II 1984, 33 (34); Urt. v. 04.12.1986, IV R 162/85, BFH/NV 1987, 296 (297). 226 Vgl. BFH, Urt. v. 05.11.1981, IV R 103/79, BStBl. II 1982, 258 (260); Urt. v. 25.08.1983, IV R 218/80, BStBl. II 1984, 33 (34); Urt. v. 04.12.1986, IV R 162/85, BFH/NV 1987, 296 (297); Urt. v. 17.09.1987, III R 201/84 u.a., BStBl. II 1988, 488 (489). Vgl. ferner: Glanegger, in: Schmidt, EStG, 28. Aufl. 2009, § 6, Rz. 228; Winkeljohann, in: H/H/R, EStG/KStG, § 6 EStG, Rz. 616 (Stand: 10.2007); Halaczinsky, in: Rössler/Troll, BewG, § 10, Rz. 8 (Stand: 12.2005); Dötsch, in: Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, § 10 BewG, Rz. 85 (Stand: 04.2002). 227 Vgl. BFH, Urt. v. 25.08.1983, IV R 218/80, BStBl. II 1984, 33 (34). 228 Diese sind am Beschaffungsmarkt des jeweiligen Unternehmens zu ermitteln und beinhalten auch die Anschaffungsnebenkosten, vgl. nur Werndl, in: K/S/M, EStG, § 6, Rz. B 332 (Stand: 05.2008). 229 Diese umfassen nicht nur die in der Steuerbilanz aktivierbaren Herstellungskosten, sondern auch die betrieblichen Selbstkosten, einschließlich anteiliger Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten, vgl. nur BFH, Urt. v. 17.05.1974, III R 50/73, BStBl. II 1974, 508. 230 Vgl. BFH, Urt. v. 13.10.1976, I R 79/74, BStBl. II 1977, 540 (541); Urt. v. 08.05.1981, III R 26/79, BStBl. II 1981, 702 (704); Urt. v. 05.11.1981, IV R 103/79, BStBl. II 1982,
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Verrechnungspreisvorschriften
Wirtschaftsgüter, die innerhalb der letzten drei Jahre angeschafft oder hergestellt worden sind: Diese sind höchstens mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen.232 Zwischen der Ober- und Untergrenze besteht ein Ermessensspielraum des Steuerpflichtigen, der teilweise durch widerlegbare Teilwertvermutungen233 der Rechtsprechung eingeschränkt wird. Von diesen Bewertungsgrundsätzen ausgehend, hängt es letztlich vom Einzelfall ab, ob der Teilwert größer oder kleiner als der Fremdvergleichswert ist oder diesem entspricht. Dennoch können einige Regelfälle herausgebildet werden: Beide Werte sind gewöhnlich gleich groß, wenn nicht betriebsnotwendige Wirtschaftsgüter zwischen den Konzerngesellschaften gehandelt werden. Dann ist die Betriebszugehörigkeit des Wirtschaftsguts zu vernachlässigen und als Teilwert wird der Einzelveräußerungspreis angesetzt. Dieser entspricht als Verkehrswert234 dem Fremdvergleichswert. Abweichungen beider Wertmaßstäbe können sich dementsprechend bei betriebsnotwendigen Wirtschaftsgütern ergeben. Deren Teilwert wird nach oben durch die Wiederbeschaffungs- und Reproduktionskosten begrenzt. Zunächst soll ermittelt werden, wann im Fall der Veräußerung ins Ausland (Fall 1) der Fremdvergleichswert größer als der Teilwert ist. Die Wiederbeschaffungskosten enthalten als Obergrenze des Teilwerts keinen Gewinnaufschlag. Fremde Dritte würden Wirtschaftsgüter unter normalen Umständen jedoch nur mit Gewinn veräußern. Der Fremdvergleichswert ist dann größer.235
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258 (260); Urt. v. 25.08.1983, IV R 218/80, BStBl. II 1984, 33 (34); Urt. v. 04.12.1986, IV R 162/85, BFH/NV 1987, 296 (297); Urt. v. 19.05.1998, I R 54/97, BStBl. II 1999, 277. Vgl. ferner Glanegger, in: Schmidt, EStG, 28. Aufl. 2009, § 6, Rz. 227; Winkeljohann, in: H/H/R, EStG/KStG, § 6 EStG, Rz. 615 (Stand: 10.2007); Halaczinsky, in: Rössler/Troll, BewG, § 10, Rz. 8 (Stand: 12.2005); Dötsch, in: Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, § 10 BewG, Rz. 84 (Stand: 04.2002). Diese Grenze ist häufig niedriger, weil die Reproduktionskosten nicht nur die in der Steuerbilanz aktivierbaren Herstellungskosten, sondern auch betriebliche Selbstkosten enthalten, siehe Fn. 229. Siehe § 6 Abs. 6 Satz 3 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 lit. a EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG; siehe auch B.I.1.b)bb) zum dortigen Fall 1. Fall 2 wird von § 1 AStG nicht erfasst, siehe B.I.2.c). Diese besagen etwa, dass ein Wirtschaftsgut zu Beginn seiner Anschaffung den Anschaffungskosten entspricht. Zu einem späteren Zeitpunkt wird der Wert abnutzbaren Anlagevermögens durch die Abschreibungen gemindert. Umlaufvermögen soll dann mit den Wiederbeschaffungskosten angesetzt werden. Vgl. etwa Kulosa, in: Schmidt, EStG, 31. Aufl. 2012, § 6, Rz. 241 ff.; Winkeljohann, in: H/H/R, EStG/KStG, § 6 EStG, Rz. 586 ff. (Stand: 10.2007) jeweils m.w.N. Vgl. BFH, Urt. v. 25.08.1983, IV R 218/80, BStBl. II 1984, 33 (34); Urt. v. 04.12.1986, IV R 162/85, BFH/NV 1987, 296 (297). In der Literatur zu § 1 AStG wird zumeist vertreten, dass der Fremdvergleichswert aus diesem Grund höher sei als der Teilwert, ohne jedoch eine Differenzierung nach Veräußerung und Erwerb vorzunehmen, vgl. Dautzenberg/Goksch, BB 2000, 904 (905); Wassermeyer, IStR 2001, 633 (637); Schaumburg, DStJG 24 (2001), 225 (248); Scheuerle,
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
§ 1 AStG sieht im Fall der Veräußerung ins Ausland daher häufig eine umfangreichere Einkünftekorrektur vor.236 Fraglich bleibt, wann im Fall des Erwerbs aus dem Ausland (Fall 2) der Fremdvergleichswert kleiner ist als der Teilwert. Der Teilwert ist nach oben durch die Wiederbeschaffungskosten begrenzt. Bei einem Erwerb orientiert sich der Fremdvergleichswert nach Borstell/Brüninghaus/Dworaczek237 am Wiederbeschaffungsmarkt und enthält deswegen keinen Gewinnaufschlag. Fremdvergleichswert und Teilwert würden sich danach entsprechen. Dies dürfte in der Mehrzahl der Fälle zutreffend sein: Ein fremder Dritter würde versuchen, Waren zum Einkaufspreis zu erwerben, um sie später überhaupt mit Gewinn veräußern zu können. Der Teilwert geht aber von der Betriebszugehörigkeit eines Wirtschaftsguts aus, was nach verbreiteter Auffassung im Schrifttum zu einem Mehrwert für das Wirtschaftsgut führen kann.238 Die Obergrenze bleiben jedoch die Wiederbeschaffungskosten. Diese umfassen aber auch die Anschaffungs- und Herstellungsnebenkosten,239 die der Fremdvergleichswert gerade nicht enthält.240 Diese sind bei Umlaufvermögen typischerweise ge-
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IStR 2002, 798 (799); Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 6. Aufl. 2007, S. 243; Kraft, in: Kraft, 2009, § 1 AStG, Rz. 157; Goebel/Küntscher, Ubg 2009, 235 (238); Hofacker, in: Haase, AStG/DBA, 2009, § 1 AStG, Rz. 18; Looks/Steinert/Müller, BB 2009, 2348 (2350). Dies geht weitestgehend auf den BFH-Bschl. v. 21.06.2001, I B 141/00, BFHE 195, 398 zurück, in dem dies im Einzelfall zutraf. Auch die Finanzverwaltung nennt nur den Fall des niedrigeren Teilwerts, vgl. BMF v. 12.04.2005, BStBl. I 2005, 570, Tz. 5.3.2. Eine Ausnahme kann hiervon u.a. bestehen, wenn bei der Übertragung von Anlagevermögen die Anschaffungsnebenkosten den Gewinnaufschlag übersteigen. Siehe dazu sogleich. Borstell/Brüninghaus/Dworaczek, IStR 2001, 757 (758). Sich diesen anschließend: Laule, IFSt-Schrift, Nr. 407, 2003, S. 51; Schwenke, Internationale Einkünfteabgrenzung, 2006, S. 193 f.; Mann, Einkünftekorrekturnormen, 2008, S. 46 f. u. 141. Vgl. Winkeljohann, in: H/H/R, EStG/KStG, § 6 EStG, Rz. 575 (Stand: 08.2003); Werndl, in: K/S/M, EStG, § 6, Rz. B 332 f. (Stand: 05.2008); Ortmann-Babel, in: Lademann, EStG u.a., § 6 EStG, Rz. 378 (Stand: 07.2000); Knittel, in: Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, § 9 BewG, Rz. 16 (Stand 09.2007). Vgl. etwa BFH, Urt. v. 08.09.1994, IV R 16/94, BStBl. II 1995, 309 (312); Bschl. v. 20.03.1997, IV B 48/95, BFH/NV 1997, 563. Zu den Anschaffungsnebenkosten zählen z.B. die Kosten für Transport, Provision, Installation, Inbetriebnahme und Schulung des Personals. Vgl. Winkeljohann, in: H/H/R, EStG/KStG, § 6 EStG, Rz. 575 (Stand: 08.2003). Beim Fremdvergleich kommt es nur auf den Preis an, der zwischen fremden Dritten vereinbart wird. Er enthält typische Nebenkosten wie die Kosten der Installation einer Maschine nur, wenn fremde Dritte diese als Teil der Leistung im Preis mit berücksichtigen würden. Anschaffungs- und Herstellungsnebenkosten sollen hier aber als solche verstanden werden, die der Erwerber zusätzlich zu dem an den Verkäufer gezahlten Preis aufbringt.
Verrechnungspreisvorschriften
ring,241 können bei Anlagevermögen jedoch erheblich sein – z.B. bei der Installation und Inbetriebnahme einer Maschine. Ist dies der Fall, kann der Teilwert größer als der Fremdvergleichswert sein. Bei Überpreislieferungen sieht § 1 AStG dann eine umfangreichere Einkünftekorrektur vor. bb)
Weitergehende Rechtsfolgen des § 1 AStG aufgrund der gesetzlichen Konkretisierung des Fremdvergleichs in § 1 Abs. 3 AStG
Im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008 hat der Gesetzgeber in § 1 Abs. 3 AStG erstmals eine Konkretisierung des Fremdvergleichsgrundsatzes vorgenommen und sich dabei stark an den Verwaltungsgrundsätzen der Finanzverwaltung242 orientiert. Abs. 3 umfasst 13 Sätze: Die Sätze 1-8 behandeln den tatsächlichen und hypothetischen Fremdvergleich sowie die Bildung von Preisbandbreiten. Die Sätze 9 und 10 regeln erstmals die steuerliche Behandlung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen, die jedoch nicht Gegenstand dieser Arbeit sind.243 Die Sätze 11 und 12 sehen unter bestimmten Voraussetzungen eine nachträgliche Anpassung des Verrechnungspreises vor. Schließlich enthält Satz 13 eine Ermächtigung zum Erlass einer Anwendungsverordnung. Bis heute wurde jedoch mit der Funktionsverlagerungsverordnung244 (FVerlV) nur eine Verordnung zu den Sätzen 9-12 erlassen. Entscheidend für die Bestimmung des Anwendungsbereichs des § 1 AStG ist, dass § 1 Abs. 3 AStG nicht auf die verdeckte Gewinnausschüttung und verdeckte Einlage anwendbar ist. Die vereinzelt im Schrifttum245 mit Verweis auf die bisher einheitliche Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes geäußerte gegenteilige Auffassung kann nicht überzeugen. Der Gesetzgeber hat die Konkretisierung des Fremdvergleichsgrundsatzes nur im Rahmen des § 1 AStG kodifiziert. § 1 Abs. 3 AStG enthält keinen Verweis auf die verdeckte 241 In der Literatur wird deswegen auch vermutet, dass der Teilwert bei Umlaufvermögen häufig kleiner sei als der Verkehrswert, vgl. Werndl, in: K/S/M, EStG, § 6, Rz. B 333 (Stand: 05.2008). 242 Siehe B.I.1.d) mit den Nachweisen in Fn. 100. 243 Siehe bereits die Einleitung. Vgl. dazu aber Glahe, IStR 2010, 870 (872 ff. m.w.N.). 244 Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes nach § 1 Abs. 1 des Außensteuergesetzes in Fällen grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen v. 12.08.2008, BGBl. I 2008, 1680. 245 Vgl. Strunk/Kaminski, Stbg 2008, 211 (212); ferner: Frotscher, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2009, Rz. 567 [ohne Begründung]. Der gl.A. ist wohl auch Scheffler, Internationale betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 3. Aufl. 2009, S. 452 ff., der die Konkretisierung des Fremdvergleichs für alle Verrechnungspreisvorschriften einheitlich anhand des § 1 Abs. 3 AStG beschreibt. Kaminski will aber zumindest die Regelung des § 1 Abs. 3 AStG zur Funktionsverlagerung nicht auf Betriebsstätten ausweiten, vgl. Kaminski, StuW 2008, 337 (341). Frotscher vertrat zuvor noch die Auffassung, dass § 1 Abs. 3 AStG zumindest nicht auf inländische Fälle einer verdeckten Gewinnausschüttung anwendbar ist, vgl. Frotscher, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, 2. Aufl. 2008, Rz. 424, Fn. 96.
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
Gewinnausschüttung oder verdeckte Einlage, sondern knüpft vielmehr explizit an Abs. 1 an.246 Insbesondere wurde in § 8 Abs. 3 KStG kein Verweis auf § 1 Abs. 3 AStG aufgenommen. Insofern wird die früher vertretene einheitliche Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes durch zwingendes Gesetzesrecht gerade durchbrochen. Für eine getrennte Auslegung spricht auch die besondere Zielsetzung des § 1 AStG:247 Im Beschluss vom 26.10.1987248 stellte der Große Senat des BFH fest, dass dieser „als Ausnahmebestimmung für Auslandsbeziehungen“ zu verstehen sei. In der Entscheidung konnte in der Folge § 1 AStG nicht herangezogen werden, um in einem Inlandsfall eine Einkünftekorrektur bei einer Nutzungseinlage anzunehmen. In der Konsequenz kann § 1 Abs. 3 AStG zumindest auch nicht auf Inlandsfälle der verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage angewendet werden. Aber auch die alleinige Anwendung auf grenzüberschreitende Fälle der verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage ist abzulehnen, weil kein Raum für eine unterschiedliche Auslegung derselben Vorschriften bezüglich grenzüberschreitender und inländischer Sachverhalte besteht. Aus den genannten Gründen ist § 1 Abs. 3 AStG somit nur auf Einkünftekorrekturen nach § 1 AStG anwendbar.249 Im Folgenden werden die Konkretisierungen des Fremdvergleichs in § 1 Abs. 3 AStG herausgearbeitet, die zu einer weitergehenden Einkünftekorrektur führen. (1)
Tatsächlicher und hypothetischer Fremdvergleich
Mit § 1 Abs. 3 AStG wird erstmals gesetzlich zwischen dem tatsächlichen und hypothetischen Fremdvergleich unterschieden. Dabei wird ein Stufenverhältnis begründet: Der tatsächliche Fremdvergleich wird als vorrangig angesehen, wobei wiederum uneingeschränkt vergleichbare Werte den eingeschränkt vergleichbaren vorzuziehen sind.250 Die Unterscheidung zwischen uneingeschränkt und eingeschränkt vergleichbaren Werten entspricht der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung251. Die Vergleichbarkeit soll nach § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG „im Hinblick auf die ausgeübten Funktionen, die eingesetzten Wirtschaftsgüter und die übernommenen Chancen und Risiken (Funktionsana-
246 Siehe für den tatsächlichen Fremdvergleich § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG, für den hypothetischen Fremdvergleich § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG. Vgl. auch Mann, Einkünftekorrekturnormen, 2008, S. 241. 247 Siehe B.I.2. 248 BFH, Bschl. v. 26.10.1987, GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348 (355). 249 Gl.A.: Wassermeyer/Baumhoff/Greinert, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. V 13 (Stand: 05.2008); Mann, Einkünftekorrekturnormen, 2008, S. 241; Kroppen, FS Schaumburg, 2009, S. 857 (864 f.); Looks/Steinert/Müller, BB 2009, 2348 ff. 250 Siehe § 1 Abs. 3 Sätze 1, 4 und 5 AStG. 251 Vgl. BMF v. 23.02.1983, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.2.2 u. 3.1.2; v. 12.04.2005, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.12.7 lit. a - c. Siehe dazu bereits B.I.1.d)aa).
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Verrechnungspreisvorschriften
lyse)“252 überprüft werden. Andere Kriterien scheinen keine Rolle zu spielen. Es wäre aber abwegig, wenn z.B. Produktunterschiede im Fall des § 1 AStG unberücksichtigt blieben. § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG ist daher teleologisch zu erweitern, so dass hierdurch keine Abweichung zur verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage entsteht. § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG sieht weiter vor, dass uneingeschränkt vergleichbare Werte vorrangig anhand der Standardmethoden253 zu ermitteln sind.254 Die Regelung entspricht damit noch den alten OECD-RL 1995/2009.255 Die OECD-RL 2010 kennen kein strenges Vorrangverhältnis mehr, sondern sehen den Ansatz der „geeignetsten“ Methode vor.256 In der Praxis dürften Abweichungen aber die Ausnahme sein, weil im Fall uneingeschränkt vergleichbarer Werte in aller Regel die Standardmethoden „geeigneter“ sein dürften als die anderen Methoden.257 Bei zumindest gleicher Eignung sind aber auch nach den OECD-RL 2010 die Standardmethoden vorrangig.258 Für den Fall nur eingeschränkt vergleichbarer Werte sieht § 1 Abs. 3 Satz 2 AStG keine Hierarchie von Verrechnungspreismethoden vor, sondern verlangt lediglich, dass die angewandte Methode geeignet sein muss. Zwar ist der Steuerpflichtige damit nicht verpflichtet, die „geeignetste“ Methode zu wählen, die Wahl einer nur am zweitbesten geeigneten Methode wird aber auch nach § 1 Abs. 3 Satz 2 AStG nur schwer begründbar sein, so dass Abweichungen zu den OECD-RL 2010 die Ausnahme bleiben dürften. Letztlich dürften die in § 1 Abs. 3 AStG vorgenommenen Kodifizierungen zur Methodenwahl nur in Einzelfällen Unterschiede zur verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage begründen.259 Diese können jedoch ggf. beim hypothetischen Fremdvergleich entstehen, für den mit § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG auf die Fiktion der Informationstransparenz nach § 1 Abs. 2 AStG verwiesen wird.260 252 Damit wird die Funktionsanalyse erstmals gesetzlich definiert. Diese Definition entspricht aber der gängigen Auffassung, vgl. B.I.1.d)aa). 253 Siehe hierzu bereits B.I.1.d)cc). 254 Befremdlich erscheint hieran, dass auch die Kostenaufschlagsmethode erwähnt wird, die primär eine Methode des hypothetischen Fremdvergleichs darstellt, vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1461 (1462). Auch die Wiederverkaufspreismethode kann hypothetische Elemente enthalten, siehe B.I.1.d)cc). 255 Vgl. OECD-RL 1995/2009, Tz. 3.49 f. Siehe bereits B.I.1.d)cc). 256 Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 2.2. Siehe B.I.1.d)cc). 257 Vgl. Förster, IStR 2011, 20 (22); ferner: Luckhaupt, Ubg 2010, 646 (648). 258 Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 2.3. Siehe auch B.I.1.d)cc). 259 Vgl. im Ergebnis auch BT-Drs. 16/4841, S. 85; Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1461 (1462); Zech, Verrechnungspreise und Funktionsverlagerungen 2009, 2009, S. 63. 260 Vgl. dazu bereits B.I.2.c). An dieser Stelle wird auch deutlich, dass diese Fiktion nur auf den hypothetischen Fremdvergleich Anwendung finden kann. Wird ein tatsächlicher Fremdvergleich vorgenommen, können auch nur die tatsächlichen Verhältnisse berücksichtigt werden. Vgl. auch Wassermeyer/Baumhoff/Greinert, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. V 10 (Stand: 05.2008); Greinert, in: Schaumburg/Rödder,
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
(2)
Bandbreiten von Verrechnungspreisen
Das mit § 1 Abs. 3 AStG vorgegebene Stufenverhältnis wirkt sich auch auf die Zulässigkeit von Preisbandbreiten aus. Bilden nach § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG mehrere uneingeschränkt vergleichbare Werte eine Bandbreite, wird diese wie bei der verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage in vollem Umfang anerkannt; der Steuerpflichtige darf somit auch den aus seiner Sicht günstigsten Wert der Bandbreite wählen.261 Können hingegen nur eingeschränkt vergleichbare Werte ermittelt werden, sind diese einzuengen, § 1 Abs. 3 Satz 3 AStG. Wie die Einengung vorzunehmen ist, wird gesetzlich nicht näher bestimmt. Die Gesetzesbegründung262 verweist hierzu auf die Verwaltungsgrundsätze-Verfahren263 der Finanzverwaltung. Wie bereits erläutert wurde,264 sehen diese ähnlich wie die OECD-RL 2010265 zunächst die Einengung der Bandbreite durch Plausibilitätsüberlegungen und Verprobungen vor. Führt dies nicht zum Ziel, kann die Interquartilsmethode angewendet werden. Aber auch wenn der Verweis in der Gesetzesbegründung im Rahmen der historischen Auslegungsmethode und die OECD-RL 2010 als faktische Auslegungshilfe266 herangezogen werden, kann § 1 Abs. 3 Satz 3 AStG nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die Einengung der Bandbreite eingeschränkt vergleichbarer Werte anhand der Interquartilsmethode vorzunehmen wäre. Denn der Grundtatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG erlaubt nach seinem Wortlaut nur die Korrektur fremdunüblicher Verrechnungspreise, sprich „andere[r] Bedingungen, insbesondere Preise […], als sie voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen vereinbart hätten“. Eine davon abweichende Gesetzesgrundlage schaffen weder der Verweis in der Gesetzesbegründung,267 noch die OECD-RL 2010268.
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Unternehmensteuerreform 2008, 2007, S. 541 (546 f.); Zech, Verrechnungspreise und Funktionsverlagerungen 2009, 2009, S. 55. Siehe § 1 Abs. 3 Sätze 1 und 4 AStG. Diese Regelung ist für den Steuerpflichtigen sogar günstiger als diejenige der Finanzverwaltung, vgl. BMF v. 12.04.2005, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.12.5 lit. a. Danach wird die volle Bandbreite nur anerkannt, wenn alle Werte gleich wahrscheinlich sind. Trifft ein Wert mit der größten Wahrscheinlichkeit zu, soll dieser angesetzt werden. Siehe bereits B.I.1.d)dd)(1). BT-Drs. 16/4841, S. 85. BMF v. 12.04.2005, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.12.5. Siehe B.I.1.d)dd). Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 3.56 f. Siehe dazu B.I.1.d). Zumindest dahingehend Zweifel äußernd: Zech, Verrechnungspreise und Funktionsverlagerungen 2009, 2009, S. 68 f.; a.A. wohl Förster, IStR 2011, 20 (22), nach dem davon auszugehen sei, dass der Gesetzgeber mit der Übernahme der Formulierung der Verwaltungsgrundsätze-Verfahren eine Gesetzesgrundlage schaffen wollte. Eine Gesetzesgrundlage schafft auch nicht Tz. 3.57 der OECD-RL 2010, siehe B.I.1.d) und B.I.1.d)dd)(2). Siehe dazu B.I.1.d) und B.I.1.d)dd)(2).
Verrechnungspreisvorschriften
Eine weitergehende Rechtsfolge des § 1 AStG im Vergleich zur verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage wird jedoch durch § 1 Abs. 3 Satz 4 begründet:269 Liegt der Verrechnungspreis außerhalb der (eingeengten) Bandbreite, ist danach der Median maßgeblich. § 1 Abs. 3 Satz 4 AStG schafft damit eine Gesetzesgrundlage, um den nach Abs. 1 Satz 1 ansonsten erforderlichen Ansatz des für den Steuerpflichtigen günstigsten Wertes der Bandbreite zu umgehen. § 1 Abs. 3 Satz 4 AStG ist gegenüber Abs. 1 Satz 1 insofern lex specialis. Die Regelung mag zwar weitestgehend den neuen OECD-RL 2010 entsprechen,270 sie widerspricht nach hier vertretener Auffassung gleichwohl dem Fremdvergleichsgrundsatz.271 Darüber hinaus ist § 1 Abs. 3 Satz 4 AStG auch gleichheitsrechtlich problematisch: Besteht die Bandbreite richtiger Verrechnungspreise zum Beispiel aus den Werten 100, 110, 130, 135 und 140, wird ein Verrechnungspreis von 100 steuerlich anerkannt, ein Wert von 99 aber auf den Median von 130 korrigiert.272 Können zu einer Transaktion keine eingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichswerte ermittelt werden, ist die Bandbreite im Rahmen des hypothetischen Fremdvergleichs aus dem Mindestpreis des Leistenden und dem Höchstpreis des Leistungsempfängers zu bestimmen, § 1 Abs. 3 Satz 6 AStG.273 Entgegen Abs. 1 Satz 1 ist dann grundsätzlich der Preis innerhalb 269 Vgl. auch Wassermeyer, DB 2007, 535 (537); Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1461 (1465); Greinert, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 2007, S. 541 (552); Kroppen/Rasch/Ei-gelshoven, IWB 2007, Fach 3 Gruppe 1, 2201 (2226). 270 Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 3.60-3.62. Siehe näher B.IV.1.a)bb). 271 Siehe B.I.1.d)dd)(2). Vgl. auch Kaminski, RIW 2007, 594 (597); ders., StuW 2008, 337 (341); Englisch, IFSt-Schrift Nr. 449, 2008, S. 109; Mann, Einkünftekorrekturnormen, 2008, S. 218. Aus diesem Grund eine Abweichung gegenüber Art. 9 OECD-MA annehmend: Wassermeyer, DB 2007, 535 (537); Wassermeyer/Baumhoff/Greinert, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. V 104 (Stand: 05.2008); Eigelshoven, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 9, Rz. 25; Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 2009, S. 109 ff.; Scheffler, Internationale betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 3. Aufl. 2009, S. 460; Leitner, FS Schaumburg, 2009, S. 889 (906); Looks/Steinert/Müller, BB 2009, 2348 (2351); vgl. allgemein bereits: Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl. 1998, Rz. 18.113; Baumhoff, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. 151 (Stand: 11.1999); a.A.: BR-Drs. 352/08, S. 1 u. 9; Naumann u.a., IStR 2009, 665 (666). 272 Vgl. auch Kaminski, RIW 2007, 594 (597). Einen Verstoß gegen Verfassungsrecht annehmend, wenn nicht der günstigste Wert innerhalb der Bandbreite anerkannt wird: Kroppen/Rasch/Eigelshoven, IWB 2007, Fach 3 Gruppe 1, 2201 (2226); Mann, Einkünftekorrekturnormen, 2008, S. 219. 273 Siehe zu dem theoretischen Hintergrund des Preisbildungsprozesses bereits B.I.1.d)dd). Problematisch ist hier nur, dass entgegen dem Wortlaut ein Einigungsbereich nicht zwingend ist. Denn es ist theoretisch möglich, dass beide Vertragspartner sich auf einen Preis einigen oder kein Vertrag zu Stande kommt, wenn der Höchstpreis des Käufers unter dem Mindestpreis des Verkäufers liegt. Vgl. auch Piltz, JbFStR 2007/2008, 148 (154); Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1461 (1464); Greinert, in: Schaumburg/
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
dieses Einigungsbereichs als Verrechnungspreis anzusetzen, der dem Fremdvergleichsgrundsatz mit der höchsten Wahrscheinlichkeit entspricht.274 Dieses Vorgehen ähnelt den OECD-RL 1995/2009275 und stimmt mit der bisherigen Ansicht der Finanzverwaltung276 überein, die mangels Gesetzesgrundlage im Bereich der verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage von den Steuerpflichtigen aber nicht umgesetzt werden musste.277 Durch die Kodifizierung278 für § 1 AStG wird gegenüber der verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage damit eine weitergehende Rechtsfolge bestimmt, sofern der wahrscheinlichste Wert ausnahmsweise nicht am günstigsten Rand der Bandbreite liegt. Kann die höchste Wahrscheinlichkeit eines Wertes – was häufig der Fall sein wird279 – nicht nachgewiesen werden, ist nach § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG der Mittelwert anzusetzen.280 Auch hiermit sieht § 1 AStG eine weitergehende Rechtsfolge vor. Dies wird in aller Regel auch nicht durch die Ausnahme des § 1 Abs. 3 Satz 8 AStG verhindert. Danach kann zwar nach dem Ermessen der Finanzverwaltung vom Ansatz des wahrscheinlichsten Wertes bzw. des Mittelwertes abgesehen werden, wenn der vom Steuerpflichtigen ermittelte Einigungsbereich unzutreffend281 war und der gewählte Ver-
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Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 2007, S. 541 (554 f.); Bödefeld/Kuntschik, in: Blumenberg/Benz, Die Unternehmensteuerreform 2008, 2008, S. 240 (251); a.A.: BTDrs. 14/4841, S. 86. Dies zeigt ein typisches Problem des Fremdvergleichs auf, weil es Transaktionen gibt, die aufgrund von Synergieeffekten nur zwischen verbundenen Unternehmen abgeschlossen werden. Siehe § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG. Vgl. OECD-RL 1995/2009, Tz. 1.48. Danach ist der Ansatz des wahrscheinlichsten Werts jedoch nur zulässig, wenn der vom Steuerpflichtigen angegebene Verrechnungspreis zuvor außerhalb der Bandbreite lag. BMF v. 12.04.2005, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.12.5 lit. a. Siehe B.I.1.d)dd). § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG stellt wiederum das lex specialis gegenüber Abs. 1 Satz 1 dar, nachdem ansonsten nur die Korrekturen fremdunüblicher Werte außerhalb der Bandbreite erlaubt sind, siehe oben. Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1461 (1465); Greinert, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 2007, S. 541 (556); Freytag, IWB 2007, Gruppe 1 Fach 3, 2193 (2196); Klapdor, StuW 2008, 83 (88); Frotscher, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2009, Rz. 573; Kroppen, FS Schaumburg, 2009, S. 857 (872). Hingegen verweisen Looks/Köhler, Der Steuerberater 2009, 317 (319 ff.) auf die Möglichkeit, mit Hilfe der Spieltheorie Preisverhandlungen zu simulieren und den wahrscheinlichsten Wert zu ermitteln. Der Mittelwert wird nach § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG praktisch immer auch dann angesetzt, wenn der wahrscheinlichste Wert für den Steuerpflichtigen ungünstiger ist. Denn in diesem Fall wird vom Steuerpflichtigen „kein anderer Wert glaubhaft gemacht“ werden. Der Einigungsbereich ist bereits unzutreffend, wenn der Mindestpreis des Leistenden oder der Höchstpreis des Leistungsempfängers unzutreffend ist. Vgl. auch Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1461 (1466); Greinert, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 2007, S. 541 (557).
Verrechnungspreisvorschriften
rechnungspreis innerhalb des neuen Einigungsbereichs liegt. Jedoch ist die Einkünftekorrektur des § 1 AStG nur dann nicht umfassender, wenn der Verrechnungspreis zufällig dem für den Steuerpflichtigen günstigsten Wert der neuen Bandbreite entspricht. Den Ansatz des Mittelwerts sehen unter bestimmten Bedingungen zwar auch die OECD-RL 2010 vor,282 er widerspricht nach hier vertretener Auffassung wie der Ansatz des wahrscheinlichsten Wertes gleichwohl dem Fremdvergleichsgrundsatz.283 (3)
Preisanpassung bei immateriellen Wirtschaftsgütern
Werden zwischen verbundenen Unternehmen immaterielle Wirtschaftsgüter übertragen, ist die Bestimmung des Verrechnungspreises mit besonderen Unsicherheiten verbunden. Immaterielle Wirtschaftsgüter weisen häufig besondere Merkmale auf, die einen Vergleich mit anderen immateriellen Wirtschaftsgütern unmöglich machen.284 Ihr Marktwert wird durch die zukünftigen Erträge bestimmt, die mit ihnen erwirtschaftet werden können. Diese sind im Rahmen des hypothetischen Fremdvergleichs zum Transaktionszeitpunkt jedoch nur schwer abschätzbar. Aus Sicht des Fiskus besteht daher die Gefahr, dass durch vom Fremdüblichen abweichende Verrechnungspreise Gewinne ins Ausland verlagert werden.285 Aus diesen Gründen sieht der Gesetzgeber mit § 1 Abs. 3 Sätze 11 und 12 AStG die Möglichkeit vor, den ursprünglich vereinbarten Verrechnungspreis nachträglich286 zu korrigieren: Weicht die tatsächliche spätere Gewinnentwicklung von der ursprünglichen Schätzung ab, wird widerlegbar vermutet, dass fremde Dritte eine Preisanpassungsklausel verein282 Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 3.60-3.62. Im Unterschied zu § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG ist der Ansatz des Mittelwerts danach aber nur im Korrekturfall eines vom Steuerpflichtigen zunächst außerhalb der zutreffenden Bandbreite angegebenen Verrechnungspreises zulässig, siehe näher B.IV.1.a)bb). 283 Siehe B.I.1.d)dd)(2); vgl. auch Schreiber, Ubg 2008, 433 (442); ders., in: Kroppen, Handbuch internationale Verrechnungspreise, FVerlV, Rz. 27 (Stand: 05.2009); Kroppen, FS Schaumburg, 2009, S. 857 (864 f.); Englisch, IStR 2010, 139 (142). 284 Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 6.13 und 6.28; BT-Drs. 16/4841, S. 86 f.; Wassermeyer/Baumhoff/Greinert, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. V 96 (Stand: 05.2008); Trenkwalder, in: Bernegger/Rosen-berger/Zöchling, Handbuch Verrechnungspreise, 2009, S. 145 ff. Das Committee on Fiscal Affairs der OECD hat in 2010 zudem ein Projekt zu „Transfer Pricing Aspects of Intangibles“ angestoßen, das in einer Überarbeitung des Kapitels VI der OECD-RL münden könnte, siehe dazu http://www.oecd.org/document/55/0,3746,en_2649_33753_45565303_1_1_1_1, 00.html (Abruf: 22.01.2011). 285 Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 86 f. 286 Durch eine Korrektur im Veranlagungszeitraum des Jahres, das dem Anlass für die Anpassung folgt, wird die ggf. bereits bestehende Bestandskraft des ursprünglichen Steuerbescheides umgangen. Kritisch: Wassermeyer, DB 2007, 535 (539); Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1649 (1654 f.); Wassermeyer/Baumhoff/Greinert, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. V 99 (Stand: 05.2008); Bödefeld/Kuntschik, in: Blumenberg/Benz, Die Unternehmensteuerreform 2008, 2007, S. 240 (282).
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
bart hätten. Ist diese tatsächlich nicht vereinbart worden und tritt innerhalb der ersten zehn Jahre eine erhebliche Abweichung der tatsächlichen von der geschätzten Gewinnentwicklung ein, wird der Verrechnungspreis an die tatsächliche Gewinnentwicklung287 angepasst. Für die verdeckte Gewinnausschüttung und verdeckte Einlage existiert keine vergleichbare Regelung. Im Fall einer abweichenden Gewinnentwicklung im Zusammenhang mit der grenzüberschreitenden Übertragung immaterieller Wirtschaftsgüter sieht § 1 AStG daher stets eine weitergehende Rechtsfolge vor. Dies gilt auch dann, wenn bereits im Transaktionszeitpunkt eine Einkünftekorrektur nach den Grundsätzen der verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage vorgenommen wurde. § 1 Abs. 3 Sätze 11 und 12 AStG weist allerdings einen relativ engen Anwendungsbereich auf: Im Rahmen eines hypothetischen Fremdvergleichs müssen wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter und Vorteile übertragen werden. Was wesentlich ist, wird nicht näher definiert – auch nicht in der FVerlV.288 Weiterhin muss eine erhebliche Abweichung der Gewinnentwicklung innerhalb der ersten zehn Jahre eintreten. Diese soll nach § 10 Satz 1 FVerlV bereits dann vorliegen, wenn der nachträglich bestimmte Verrechnungspreis außerhalb des ursprünglichen Einigungsbereichs liegt. Danach würde ggf. eine marginale Abweichung ausreichen.289 Eine nachträgliche Preisanpassung erfolgt zudem nur, wenn die Parteien keine vertragliche Preisanpassungsklau287 Unklar ist dabei, ob nur die sich später als unzutreffend herausstellenden Vergangenheitswerte erneuert werden oder ob auch für die noch ausstehenden Jahre neue Budgetwerte berechnet werden. Der Wortlaut des § 1 Abs. 3 Satz 11 AStG („tatsächliche spätere Gewinnentwicklung“) spricht für Ersteres, vgl. auch Bernhardt/van der Ham/Kluge, IStR 2008, 844 (847 f.); ferner: Oestreicher/Wilcke, DB 2010, 467 (469). 288 A.A. Kraft, in: Kraft, AStG, 2009, § 1, Rz. 452; Zech, Verrechnungspreise und Funktionsverlagerungen 2009, 2009, S. 87 f.; wohl auch Bernhardt/van der Ham/Kluge, IStR 2008, 844 (845). Kraft will § 1 Abs. 5 FVerlV analog heranziehen. Dieser bestimmt, dass „in Fällen von Funktionsverlagerungen“ immaterielle Wirtschaftsgüter wesentlich sind, wenn sie für die verlagerte Funktion erforderlich sind und mehr als 25% des Wertes aller Wirtschaftsgüter der Funktion ausmachen. Wird keine Funktion übertragen, kann die 25%-Grenze aber nicht auf die gesamte Konzerngesellschaft übertragen werden. Dies wäre allenfalls möglich, wenn diese nur eine betriebliche Funktion erfüllt. Andernfalls wäre die Grenze in der Regel zu hoch gewählt. Pohl, IStR 2010, 690 (691) will mangels Funktion hingegen das immaterielle Wirtschaftsgut selbst als Vergleichsobjekt eben diesem immateriellen Wirtschaftsgut gegenüberstellen, so dass stets von der Wesentlichkeit auszugehen wäre. Entgegen Wortlaut und Sinn und Zweck des § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG übergeht Pohl damit aber die einschränkende Funktion des Wesentlichkeitskriteriums der Regelung. 289 Vgl. Wassermeyer/Baumhoff/Greinert, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. V 97 (Stand: 05.2008); Greinert, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 2007, S. 541 (573); Peter/Spohn/Hogg, IStR 2008, 864 (868). Insofern dürfte es fraglich sein, ob der Verordnungsgeber seine Ermächtigung nach § 1 Abs. 3 Satz 13 AStG nicht überschritten hat.
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Verrechnungspreisvorschriften
sel vereinbart haben und die Vermutung nicht widerlegt werden konnte, dass zum Transaktionszeitpunkt Bewertungsunsicherheiten bestanden und fremde Dritte eine vertragliche Preisanpassungsklausel vereinbart hätten. Wassermeyer schätzt, dass fremde Dritte nur in 5% der von § 1 Abs. 3 Sätze 11 und 12 AStG erfassten Fälle eine Preisanpassungsklausel abschließen.290 Dennoch dürfte dieser Gegenbeweis kaum zu erbringen sein,291 weil der Steuerpflichtige die Beweislast trägt und im Rahmen des hypothetischen Fremdvergleichs gerade keine Vergleichstransaktion existiert292. Dies ist rechtsstaatlich problematisch, weil auf diese Weise gesetzlich etwas als fremdüblich angesehen wird, was größtenteils dem Fremdvergleich nicht entspricht. Dem Fremdvergleich entspricht in aller Regel auch nicht der zehnjährige gesetzliche Preisanpassungszeitraum.293 Nach empirischer Analyse von Scholz sind zwischen fremden Dritten vielmehr ein bis drei Jahre üblich.294 Die Zehn-Jahresfrist wirkt einseitig zugunsten des Fiskus, da die Einkünftekorrektur weiterhin nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG erfolgt.295 290 Wassermeyer, DB 2007, 535 (539); ebenfalls allgemein die Seltenheit annehmend: Scholz, IStR 2007, 521 (524); Kroppen/Rasch/Eigelshoven, IWB 2007, Fach 3 Gruppe 1, 2201 (2219 f.); Wassermeyer/Baumhoff/Greinert, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. V 98 (Stand: 05.2008); Greinert, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 2007, S. 541 (574); Klapdor, StuW 2008, 83 (88); Kaminski, StuW 2008, 337 (342) = FS Djanani, 2008, S. 129 (142); Peter/Spohn/Hogg, IStR 2008, 864 (865 u. 869); Hofacker, in: Haase, AStG/DBA, 2009, § 1 AStG, Rz. 307; Welling, FS Schaumburg, 2009, S. 985 (993). Scholz, IStR 2007, 521 (526) weist zudem darauf hin, dass fremde Dritte zumeist Preisanpassungsklauseln vereinbaren, um Unsicherheiten aufgrund von Informationsasymmetrien zu reduzieren. Weil nach der Fiktion der Informationstransparenz gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG derartige Asymmetrien nicht bestehen, sei es nicht fremdüblich von Preisanpassungsklauseln auszugehen. 291 Vgl. auch Frotscher, FR 2008, 49 (54); Wassermeyer, DB 2007, 535 (539); Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1649 (1654 f.); Wassermeyer/Baumhoff/Greinert, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. V 99 (Stand: 05.2008); Mann, Einkünftekorrekturnormen, 2008, S. 231; Klapdor, StuW 2008, 83 (88); Kraft, in: Kraft, AStG, 2009, § 1, Rz. 474. A.A. ist die Bundesregierung, die den Fremdvergleichsgrundsatz gewahrt sieht, vgl. BT-Drs. 16/8027, S. 8. 292 Vgl. Scheffler, Internationale betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 3. Aufl. 2009, S. 465. 293 Vgl. Scholz, IStR 2007, 521 (524); Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1649 (1655); Greinert, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 2007, S. 541 (575); Bödefeld/Kuntschik, in: Blumenberg/Benz, Die Unternehmensteuerreform 2008, 2007, S. 240 (282); Peter/Spohn/Hogg, IStR 2008, 864 (865); Wassermeyer/Baumhoff/Greinert, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. V 101 (Stand: 05.2008); Cauwenbergh/Lucas Mas, ET 2008, 514 (526); Kraft, in: Kraft, AStG, 2009, § 1, Rz. 461; Zech, Verrechnungspreise und Funktionsverlagerungen 2009, 2009, S. 94 f.; Frotscher, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2009, Rz. 639; Thömmes, JbFStR 2010/2011, 31 (100); a.A.: BT-Drs. 16/8027, S. 4 f. 294 Scholz, IStR 2007, 521 (524). 295 Siehe den Verweis auf Abs. 1 Satz 1 in § 1 Abs. 3 Satz 12 AStG. Siehe zur asymmetrischen Struktur des § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG bereits B.I.2.a). Gl.A. Kaminski, RIW 2007,
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
Der Umfang der Einkünftekorrektur wird durch § 1 Abs. 3 Satz 12 AStG und § 11 FVerlV konkretisiert. Danach ist einmalig296 im Jahr nach der Erfüllung des Tatbestands ein angemessener Anpassungsbetrag auf den ursprünglichen Verrechnungspreis zugrunde zu legen. Der Anpassungsbetrag entspricht in der Regel der Differenz zwischen dem alten und neuen Verrechnungspreis. Der Umfang der Einkünftekorrektur wird zugunsten297 des Steuerpflichtigen aber dadurch reduziert, dass für den neuen Einigungsbereich der neue Höchstpreis und weiterhin der alte Mindestpreis herangezogen werden.298 Dennoch ist es für den Steuerpflichtigen vorteilhaft, von vornherein eine vertragliche Preisanpassungsklausel zu vereinbaren, die die gesetzliche gemäß § 1 Abs. 3 Satz 12 AStG ersetzt.299 In einer vertraglichen Regelung können etwa ein kürzerer
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594 (601); Scholz, IStR 2007, 521 (525); Jahndorf, FR 2008, 101 (108); Bernhardt/van der Ham/Kluge, IStR 2008, 844 (845); Peter/Spohn/Hogg, IStR 2008, 864 (868); Hofacker, in: Haase, AStG/DBA, 2009, § 1 AStG, Rz. 298; teilweise a.A.: Kraft, in: Kraft, AStG, 2009, § 1, Rz. 480. Die bloß einmalige Korrektur eröffnet Gestaltungsmöglichkeiten für den Steuerpflichtigen, sofern keine vertragliche Preisanpassung vorgesehen wurde. Insofern kann eine zeitlich frühe Korrektur günstiger sein, sobald der neue Verrechnungspreis außerhalb des ursprünglichen Einigungsbereichs liegt. Denn spätere, ggf. größere Abweichungen müssen dann nicht mehr korrigiert werden. Vgl. auch Kraft, in: Kraft, AStG, 2009, § 1, Rz. 462; Bernhardt/van der Ham/Kluge, IStR 2008, 844 (848). Die Vorteilhaftigkeit kann am besten anhand eines Beispiels erläutert werden: Der alte Einigungsbereich betrage 90 – 110 und der alte Verrechnungspreis nach der Mittelwertmethode gemäß § 1 Abs. 3 Satz 8 AStG entsprechend 100. (A) Liegt der neue Einigungsbereich höher bei 120 – 150, erfolgt nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG nur eine Korrektur zugunsten des Fiskus, wenn ein Verkauf eines ansässigen verbundenen Unternehmens an ein gebietsfremdes vorliegt. Nur in diesem Fall besteht die Gefahr, dass Gewinne ins Ausland verlagert werden. Für den Fiskus wäre ein hoher neuer Verrechnungspreis vorteilhaft. Der neue Verrechnungspreis müsste entsprechend dem neuen Einigungsbereich nach der Mittelwertmethode bei 135 liegen. Tatsächlich setzt er sich nach § 10 Satz 2 FVerlV aus dem alten Mindestpreis und dem neuen Höchstpreis zusammen, also 90 – 150. Der Mittelwert beträgt 120. Für den Steuerpflichtigen besteht ein Vorteil von 135-120=15. (B) Liegt im umgekehrten Fall der neue Einigungsbereich niedriger bei 70 – 100, erfolgt eine Einkünftekorrektur nur bei der Gefahr eines früheren, zu hohen Verrechnungspreises bei einer Kaufsituation. Nach § 10 Satz 2 FVerlV reicht der Einigungsbereich von 90 – 100. Nach der Mittelwertmethode besteht für den Steuerpflichtigen ein Vorteil von 95-85=5. Siehe § 10 Satz 2 FVerlV. Ist der neue Höchstpreis ausnahmsweise niedriger als der ursprüngliche Mindestpreis, entspricht der Anpassungsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen der Differenz zwischen dem ursprünglichen Verrechnungspreis und dem Mittelwert zwischen dem neuen Höchstpreis und dem ursprünglichen Mindestpreis, siehe § 11 Alt. 2 FVerlV. Vgl. BT-Drs. 14/4841, S. 87. Danach war es gerade das Ziel des Gesetzgebers, die Steuerpflichtigen dazu zu veranlassen Preisanpassungsklauseln zu vereinbaren. Dieses Ziel dürfte durch die restriktive gesetzliche Preisanpassungsklausel des § 1 Abs. 3 Satz 11 und 12 AStG wohl auch erreicht werden. Damit wird zugleich eine Abkehr von der früheren Auffassung der Finanzverwaltung vollzogen, die vertragliche Preisanpas-
Verrechnungspreisvorschriften
Anpassungszeitraum und eine großzügigere Definition der (erheblichen) Abweichung bestimmt werden. Insbesondere werden dann auch nachträgliche Anpassungen zugunsten des Steuerpflichtigen möglich. Ferner kann die Gefahr einer Doppelbesteuerung reduziert werden, wenn der ausländische Fiskus die vertragliche Preisanpassungsklausel anerkennt. Eine gesetzliche Regelung ist international bisher unüblich.300 cc)
Schätzung nach § 1 Abs. 4 AStG
§ 1 AStG kann auch zu einer weitergehenden Rechtsfolge führen, wenn die Finanzverwaltung eine Schätzung des Verrechnungspreises unter Verwendung von Globalmethoden nach § 1 Abs. 4 AStG vornimmt. Voraussetzung ist, dass der vom Steuerpflichtigen angegebene Verrechnungspreis unzutreffend ist und das Finanzamt eine Schätzung nach § 162 Abs. 2 AO durchführt,301 weil der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 AO verletzt hat. Sofern die Standardmethoden vom Finanzamt nicht durchführbar sind,302 kann der Verrechnungspreis anhand der durchschnittlichen Umsatzrendite oder Kapitalverzinsung ermittelt werden. Diese Globalmethoden dürfen nicht ohne weiteres im Rahmen der verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage angewandet werden,303 so dass Abweichungen zu § 1 AStG nicht ausgeschlossen sind.304
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sungsklauseln nur unter bestimmten Voraussetzungen überhaupt anerkannte, vgl. BMF v. 12.04.2005, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.12.8. Vgl. auch Scholz, IStR 2007, 521 (522 f.). Eine vergleichbare Regelung existiert nur im US-Steuerrecht in Section 482 Internal Revenue Code (IRC). Nach dem sog. „commensurate with income standard“ kann der Verrechnungspreis angepasst werden, wenn immaterielle Wirtschaftsgüter an nahe stehende Personen länger als ein Jahr überlassen werden und die tatsächliche von der ursprünglich geschätzten Gewinnentwicklung abweicht. Vgl. dazu im deutschen Schrifttum Peter/Spohn/Hogg, IStR 2008, 864 (866 ff.). Andere Staaten behandeln derartige Fälle allenfalls über allgemeine Missbrauchsklauseln, vgl. Scholz, IStR 2007, 521 (523). Die OECD-RL schreiben keine gesetzliche Preisanpassungsklausel vor, erlauben diese aber, sofern sie dem Fremdvergleich entspricht, siehe OECD-RL 2010, Tz. 6.30. Siehe auch B.IV.1.a). Vgl. Wassermeyer, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. 861 (Stand: 10.2004). Vgl. Wassermeyer, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. 867 (Stand: 10.2004); Schoss, in: Lademann, EStG u.a., § 1 AStG, Rz. 88 (Stand: 10.2003); Kraft, in: Kraft, AStG, 2009, § 1, Rz. 605. Siehe B.I.1.d)cc). § 1 Abs. 4 AStG ist aus den gleichen Gründen nicht auf die verdeckte Gewinnausschüttung und verdeckte Einlage anwendbar wie § 1 Abs. 3 AStG, siehe dazu B.I.2.c)bb). Vgl. auch Frotscher, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2009, Rz. 567; a.A. ist wohl Wassermeyer, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. 862 (Stand: 10.2004). Der Referentenentwurf eines Jahressteuergesetzes 2013 sieht jüngst jedoch die Abschaffung des § 1 Abs. 4 AStG ab dem Veranlagungszeitraum 2013 vor. Nach Ansicht der Referenten des BMF sei der Regelungsinhalt der Norm in den allgemeinen Schät-
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
Von § 1 Abs. 4 AStG ist die Schätzung nach § 162 Abs. 3 AO zu unterscheiden.305 Diese gilt für alle Verrechnungspreisvorschriften, wenn der grenzüberschreitend tätige Steuerpflichtige seine zusätzlichen Dokumentationsanforderungen nach § 90 Abs. 3 AO i.V.m. der GAufzV verletzt hat. Die Bandbreite geschätzter Verrechnungspreise darf von der Finanzbehörde dann auch zugunsten des Fiskus ausgeschöpft werden.306
3.
Zwischenergebnis
Die bis hierhin gefundenen Ergebnisse können wie folgt zusammengefasst werden: Verbundene Unternehmen unterhalten untereinander oft zahlreiche Lieferungs- und Leistungsbeziehungen. Dies stellt das Steuerrecht vor die Herausforderung, die Einkünfte zwischen diesen korrekt abzugrenzen und grenzüberschreitende Gewinnverlagerungen zu verhindern. Dazu sieht das deutsche Steuerrecht zwei Gruppen von Verrechnungspreisvorschriften vor: Einerseits die verdeckte Gewinnausschüttung und verdeckte Einlage, die sowohl im inländischen als auch im grenzüberschreitenden Sachverhalt Anwendung finden. Beide Rechtsinstitute sind spiegelbildlich zueinander ausgestaltet: Während die verdeckte Gewinnausschüttung anwendbar ist, wenn eine Tochter- ihrer Muttergesellschaft einen Vorteil gewährt, betrifft die verdeckte Einlage umgekehrt die Vorteilsgewährung von der Mutter- an die Tochtergesellschaft. Beide finden zusammen auf Vorteilsgewährungen zwischen Schwestergesellschaften Anwendung. Die verdeckte Gewinnausschüttung und verdeckte Einlage dienen mit der am Fremdvergleichsgrundsatz orientierten Gewinnabgrenzung allgemein einer wettbewerbsneutralen, lastengleichen und zwischenstaatlich gerechten Gewinnaufteilung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter. Andererseits sieht das deutsche Steuerrecht die Verrechnungspreisvorschrift des § 1 AStG vor. Diese ist nur in einem grenzüberschreitenden Sachverhalt anwendbar und zielt weniger auf eine wettbewerbsneutrale, lastengleiche und zwischenstaatlich gerechte Gewinnabgrenzung als vielmehr auf die Verhinderung der Gewinnverlagerung ins Ausland ab. Grenzüberschreitende Lieferungs- und Leistungsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen werden somit von zwei Normengruppen geregelt. Deren Konkurrenzverhältnis wird durch § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG bestimmt. Danach ist § 1 AStG nur anzuwenden, wenn dessen Rechtsfolgen weiter gehen als diejenigen der verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage. Ein verbleibender Anwendungsbereich für § 1 AStG besteht bei konzerninternen Lieferungs- und Leistungsbeziehungen damit insbesondere, wenn zungsregelungen des § 162 AO enthalten, vgl. Referentenentwurf eines Jahressteuergesetzes 2013 v. 05.03.2012, S. 90, Download unter: http://www.bundesfinanz-ministerium.de/ (Abruf: 19.03.2012). 305 Siehe § 1 Abs. 4 Satz 2 AStG. Vgl. auch Kraft, in: Kraft, AStG, 2009, § 1, Rz. 600. 306 Siehe § 162 Abs. 3 Satz 2 AO.
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Vorschriften zur Abwehr gegen Unterkapitalisierung
• eine ansässige Muttergesellschaft einer gebietsfremden Tochtergesellschaft Wirtschaftsgüter zur Nutzung überlässt oder Dienstleistungen für diese erbringt und als Gegenleistung nur ein unangemessen niedriges Entgelt erhält, • die Korrektur nach § 1 AStG zum Fremdvergleichswert im Einzelfall zu einer umfangreicheren Einkünftekorrektur führt als bei einer zum Teilwert bewerteten verdeckten Einlage, • im Einzelfall die Fiktion der Informationstransparenz des § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG zu einer weitergehenden Einkünftekorrektur führt, • im Einzelfall nach § 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 AStG die Verwendung einer anderen Verrechnungspreismethode vorgeschrieben ist und diese zu umfangreicheren Einkünftekorrekturen führt, • im Rahmen eines tatsächlichen Fremdvergleichs nach § 1 Abs. 3 Satz 4 AStG der Median der eingeschränkt oder uneingeschränkt vergleichbaren Werte anzusetzen ist, • im Rahmen des hypothetischen Fremdvergleichs gemäß § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG der wahrscheinlichste Wert oder der Mittelwert angesetzt wird, • § 1 Abs. 3 Sätze 11 und 12 AStG eine nachträgliche Preisanpassung bei der Übertragung wesentlicher immaterieller Wirtschaftsgüter vorsehen oder • im Einzelfall die Schätzung nach § 1 Abs. 4 AStG zu einer umfangreicheren Einkünftekorrektur führt.
II.
Vorschriften zur Abwehr gegen Unterkapitalisierung
Neben der Verrechnungspreisgestaltung besteht für internationale Konzerne mit der Finanzierung von Gesellschaften mit Fremd- statt Eigenkapital eine zweite Möglichkeit, Gewinne in Staaten mit niedrigem Steuerniveau zu verlagern. Verrechnungspreisvorschriften ermöglichen zwar eine Einkünftekorrektur, wenn dabei ein fremdunüblich hoher Zinssatz vereinbart wurde, können eine grenzüberschreitende Gewinnverlagerung aufgrund einer Fremdfinanzierung jedoch nicht verhindern. Denn Gewinne werden auch im Fall fremdüblicher Zinssätze verlagert.307 Insbesondere ermöglichen die deutschen Verrechnungspreisvorschriften es nicht, eine übermäßige Fremdfinanzierung (Unterkapitalisierung) zu verhindern.308 Dazu hat Deutschland 1993 erstmals eine 307 Siehe bereits A.II. 308 Dies wäre aber möglich, wenn die Verrechnungspreisvorschriften dahingehend erweitert würden, dass auch der Verschuldungsgrad der Gesellschaft oder die Höhe der Zinslast auf ihre Fremdüblichkeit hin überprüft werden. Eine entsprechende Erweiterung der Verrechnungspreisvorschriften hat Großbritannien 2004 als Reaktion auf das EuGH-
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Vorschriften zur Abwehr gegen Unterkapitalisierung
• eine ansässige Muttergesellschaft einer gebietsfremden Tochtergesellschaft Wirtschaftsgüter zur Nutzung überlässt oder Dienstleistungen für diese erbringt und als Gegenleistung nur ein unangemessen niedriges Entgelt erhält, • die Korrektur nach § 1 AStG zum Fremdvergleichswert im Einzelfall zu einer umfangreicheren Einkünftekorrektur führt als bei einer zum Teilwert bewerteten verdeckten Einlage, • im Einzelfall die Fiktion der Informationstransparenz des § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG zu einer weitergehenden Einkünftekorrektur führt, • im Einzelfall nach § 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 AStG die Verwendung einer anderen Verrechnungspreismethode vorgeschrieben ist und diese zu umfangreicheren Einkünftekorrekturen führt, • im Rahmen eines tatsächlichen Fremdvergleichs nach § 1 Abs. 3 Satz 4 AStG der Median der eingeschränkt oder uneingeschränkt vergleichbaren Werte anzusetzen ist, • im Rahmen des hypothetischen Fremdvergleichs gemäß § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG der wahrscheinlichste Wert oder der Mittelwert angesetzt wird, • § 1 Abs. 3 Sätze 11 und 12 AStG eine nachträgliche Preisanpassung bei der Übertragung wesentlicher immaterieller Wirtschaftsgüter vorsehen oder • im Einzelfall die Schätzung nach § 1 Abs. 4 AStG zu einer umfangreicheren Einkünftekorrektur führt.
II.
Vorschriften zur Abwehr gegen Unterkapitalisierung
Neben der Verrechnungspreisgestaltung besteht für internationale Konzerne mit der Finanzierung von Gesellschaften mit Fremd- statt Eigenkapital eine zweite Möglichkeit, Gewinne in Staaten mit niedrigem Steuerniveau zu verlagern. Verrechnungspreisvorschriften ermöglichen zwar eine Einkünftekorrektur, wenn dabei ein fremdunüblich hoher Zinssatz vereinbart wurde, können eine grenzüberschreitende Gewinnverlagerung aufgrund einer Fremdfinanzierung jedoch nicht verhindern. Denn Gewinne werden auch im Fall fremdüblicher Zinssätze verlagert.307 Insbesondere ermöglichen die deutschen Verrechnungspreisvorschriften es nicht, eine übermäßige Fremdfinanzierung (Unterkapitalisierung) zu verhindern.308 Dazu hat Deutschland 1993 erstmals eine 307 Siehe bereits A.II. 308 Dies wäre aber möglich, wenn die Verrechnungspreisvorschriften dahingehend erweitert würden, dass auch der Verschuldungsgrad der Gesellschaft oder die Höhe der Zinslast auf ihre Fremdüblichkeit hin überprüft werden. Eine entsprechende Erweiterung der Verrechnungspreisvorschriften hat Großbritannien 2004 als Reaktion auf das EuGH-
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
spezialgesetzliche Vorschrift eingeführt, die im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008 durch die sog. Zinsschranke ersetzt wurde.
1.
Unterkapitalisierungsregelungen vor Einführung der Zinsschranke
Bis 1993 wurden Unterkapitalisierungen in Deutschland mangels einer spezialgesetzlichen Regelung309 anhand der Maßstäbe des § 42 AO ggf. als Gestaltungsmissbrauch behandelt.310 Aufgrund der engen Grenzen, die die Rechtsprechung des BFH311 in Anerkennung des zivilrechtlichen Grundsatzes der Finanzierungsfreiheit312 an einen Gestaltungsmissbrauch legte, konnten grenzüberschreitende Gewinnverlagerungen jedoch nicht wirksam verhindert werden. Mit zunehmender Relevanz der Problematik wurde 1993 § 8a KStG a.F. eingeführt.313 Entsprechend der Zielsetzung, grenzüberschreitende Gewinnverlagerungen einzuschränken,314 sollten insbesondere übermäßige Fremdfinanzierungen durch gebietsfremde Anteilseigner oder diesen nahe stehenden Personen verhindert werden. Derartige Fälle einer Gesellschafter-Fremdfinanzierung wurden zuvor im Bericht des OECD Committee on Fiscal Affairs von 1987 als besonders problematisch betrachtet.315 Um eine Unterkapitalisierung zu identifizieren, wurde in Anlehnung an den OECD-Bericht316 anhand des Fremdvergleichs überprüft, ob auch fremde Dritte unter vergleichbaren Bedingungen Fremdkapital überlassen hätten. § 8a KStG a.F. entsprach damit dem noch heute von den EU-Mitgliedstaaten überwiegend angewandten Konzept spezialgesetzlicher Unterkapitalisierungsvorschriften.317 Neben dem Ziel
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Urt. v. 12.12.2002, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-11779 vorgenommen. Siehe zur britischen Regelung auch A.II. mit Fn. 45. Vgl. zu einem historischen Überblick über mehrere gescheiterte Gesetzesentwürfe Holzaepfel/Köplin, in: Erle/Sauter, Gesellschafter-Fremdfinanzierung, 2004, § 8a KStG, Rz. 9 ff.; Herr, Gesellschafterfremdfinanzierung und Europarecht, 2008, S. 46 ff. Vgl. BMF v. 16.03.1987, BStBl. I 1987, 373; BFH, Urt. v. 05.02.1992, I R 127/90, BStBl. II 1992, 532 (535 f.); Urt. v. 24.04.1997, VIII R 23/93, BStBl. II 1999, 342 (343). Vgl. BFH, Urt. v. 05.02.1992, I R 127/90, BStBl. II 1992, 532 (535 f.); Urt. v. 24.04.1997, VIII R 23/93, BStBl. II 1999, 342 (343). Vgl. allgemein zur Finanzierungsfreiheit im Steuerrecht Prinz, FR 2009, 593 (595 ff.). Vgl. BGH, Urt. v. 26.11.1979, II ZR 104/77, BGHZ 75, 334 (337 f.); Urt. v. 13.07.1981, II ZR 256/79, BGHZ 81, 252 (257); Urt. v. 26.03.1984, II ZR 171/83, BGHZ 90, 381 (390). Siehe auch A.II. Siehe das Standortsicherungsgesetz v. 13.09.1993, BGBl. I 1993, 1569. Vgl. BR-Drs. 1/93, S. 38 f. OECD Committee on Fiscal Affairs, Thin Capitalisation, 1987, Tz. 14. OECD Committee on Fiscal Affairs, Thin Capitalisation, 1987, Tz. 70 ff. Siehe A.II. In der EU stellen die spezialgesetzlichen Unterkapitalisierungsvorschriften in 16 von 18 Mitgliedstaaten, die derartige Normen aufweisen, auf den Fremdvergleich ab – teilweise in Kombination mit anderen Methoden. Siehe zu den einzelnen Mitgliedstaaten A.II. mit den Fn. 43 und 45.
Vorschriften zur Abwehr gegen Unterkapitalisierung
der Verhinderung der Gewinnverlagerung ergänzte § 8a KStG a.F. die Verrechnungspreisvorschriften hinsichtlich einer am Fremdvergleich orientierten Gewinnabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen.318 Im Einzelnen sah § 8a KStG in der Fassung von 2001319 vor, dass Vergütungen für Fremdkapital, das ein gebietsfremder wesentlich beteiligter Anteilseigner einer ansässigen Kapitalgesellschaft nicht nur kurzfristig überlassen hat, als verdeckte Gewinnausschüttung behandelt werden, wenn die Vergütungen erfolgsabhängig waren oder wenn diese andernfalls das Eineinhalbfache des anteiligen Eigenkapitals des Anteilseigners überstiegen. Eine wesentliche Beteiligung lag nach § 8a Abs. 3 KStG 2001 bei einem unmittelbar oder mittelbar gehaltenen Anteil von 25% vor. Schwestergesellschaften oder sonstige Konzerngesellschaften, die konzernintern ein Darlehen gewähren, wurden als nahe stehende Personen i.S.v. § 1 Abs. 2 AStG320 erfasst. Gleiches galt für Dritte, auf die der Anteilseigner aufgrund eines rechtlichen Anspruchs oder einer dinglichen Sicherheit zurückgreifen konnte. Auf diese Weise wurden insbesondere back-to-back-Finanzierungen erfasst, bei denen eine Muttergesellschaft bei einer Bank Geld anlegt und die Bank dieses einer Tochtergesellschaft als Darlehen zur Verfügung stellt.321 § 8a KStG 2001 unterschied zwischen erfolgsabhängigen und erfolgsunabhängigen Fremdkapitalvergütungen: Erfolgsabhängige Vergütungen, die etwa im Rahmen einer stillen Beteiligung oder eines partiarischen Darlehens gezahlt werden,322 wurden stets als schädliche Gesellschafter-Fremdfinanzierung betrachtet.323 Erfolgsunabhängige Vergütungen wurden hingegen einem zunächst typisierten Fremdvergleich unterzogen (sog. safe haven): Überstieg das Verhältnis des GesellschafterFremdkapitals zum anteiligen Eigenkapital eine Relation von 1,5 : 1, wurde angenommen, dass eine Unterkapitalisierung vorlag. Der darlehensnehmenden Gesellschaft wurde jedoch die Möglichkeit zu einem Gegenbeweis gegeben, dass das Fremdkapital unter vergleichbaren Verhältnissen auch von einem fremden Dritten überlassen worden wäre (Fremdvergleich).324 In der Praxis 318 319 320 321
Vgl. nur Prinz, in: H/H/R, EStG/KStG, § 8a KStG, Rz. 7 m.w.N. (Stand: 02.1995). Siehe das Steuersenkungsgesetz v. 23.10.2000, BGBl. I 2000, 1433. Siehe dazu bereits B.I.2.a). Siehe § 8a Abs. 2 Satz 3 KStG 2001. Vgl. nur BMF v. 15.04.2004, BStBl. I 2004, 593, Tz. 20. Gerade die Einbeziehung fremder Dritter war im Schrifttum hoch umstritten, vgl. nur Holzaepfel/Köplin, in: Erle/Sauter, Gesellschafter-Fremdfinanzierung, 2004, § 8a KStG, Rz. 270 ff. 322 Vgl. zur Unterscheidung zwischen erfolgsabhängiger und erfolgsunabhängiger Vergütung Holzaepfel/Köplin, in: Erle/Sauter, Gesellschafter-Fremdfinanzierung, 2004, § 8a KStG, Rz. 152 ff. 323 Siehe § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG 2001. Insofern wurden derartige hybride Finanzierungsformen aufgrund ihrer Ähnlichkeit zum Eigenkapital durch die Umqualifikation in eine verdeckte Gewinnausschüttung auch wie Eigenkapital behandelt, vgl. nur Frotscher, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl. 2005, Rz. 636. 324 Siehe § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG 2001.
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
konnten hierzu ernst gemeinte Kreditangebote oder Kreditwürdigkeitsanalysen von Banken vorgebracht werden.325 Gelang der Gegenbeweis nicht, nahm § 8a KStG 2001 eine Umqualifikation der Fremdkapitalvergütung in eine verdeckte Gewinnausschüttung i.S.v. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG326 vor. Dementsprechend wurde das Einkommen der kapitalnehmenden Gesellschaft außerhalb der Steuerbilanz um die gezahlte Fremdkapitalvergütung erhöht; letztere wurde bei der kapitalgebenden Gesellschaft wiederum als Dividende vereinnahmt.327 § 8a KStG 2001 zielte speziell darauf ab, eine Gewinnverlagerung ins Ausland zu verhindern und war dementsprechend nur anwendbar, wenn ein gebietsfremder Gesellschafter oder eine gebietsfremde ihm nahe stehende Person einer in Deutschland ansässigen Kapitalgesellschaft Fremdkapital überließ. Auf diese Weise wurde die grenzüberschreitende Gesellschafter-Fremdfinanzierung steuerlich schlechter behandelt als die Fremdfinanzierung durch ansässige Gesellschafter. In der Rs. Lankhorst-Hohorst328 stellte der EuGH diesbezüglich einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit fest. Die Verteidigung der deutschen Regierung, dass Unterkapitalisierungsvorschriften nur in einem grenzüberschreitenden Sachverhalt sinnvoll sind, in dem überhaupt die Gefahr einer grenzüberschreitenden Gewinnverlagerung besteht, ließ der EuGH letztlich unberücksichtigt.329 Als Reaktion auf das Urteil wurde der Anwendungsbereich des § 8a KStG a.F. mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2004 auf rein inländische Sachverhalte erweitert.330 Ähnlich verfuhren andere Mitgliedstaaten mit ihren spezialgesetzlichen Unterkapitalisierungsvorschriften.331 In § 8a KStG a.F. wurde zudem eine Freigrenze für 325 Vgl. Holzaepfel/Köplin, in: Erle/Sauter, Gesellschafter-Fremdfinanzierung, 2004, § 8a KStG, Rz. 212; Frotscher, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl. 2005, Rz. 638; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 6. Aufl. 2007, S. 692 m.w.N. 326 Insofern enthielt § 8a KStG 2001 einen Rechtsgrundverweis auf § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, vgl. Holzaepfel/Köplin, in: Erle/Sauter, Gesellschafter-Fremdfinanzierung, 2004, § 8a KStG, Rz. 345 m.w.N. 327 Vgl. für Einzelheiten bereits die Ausführungen zu den Fällen 1 und 2 unter B.I.1.a)bb). Vgl. ferner Holzaepfel/Köplin, in: Erle/Sauter, Gesellschafter-Fremdfinanzierung, 2004, § 8a KStG, Rz. 344 ff. 328 EuGH, Urt. v. 12.12.2002, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-11779 zu § 8a KStG 1993. 329 Vgl. EuGH, Urt. v. 12.12.2002, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-11779, Rz. 34-37. 330 Siehe Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz v. 22.12.2003, BGBl. I 2003, 2840. 331 Vgl. Thömmes/Stricof/Nakhai, Intertax 2004, 126 (127); Obser, Gesellschafter-Fremdfinanzierung im europäischen Konzern, 2005, S. 16; Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 902. Portugal und Spanien nahmen hingegen grenzüberschreitende Sachverhalte innerhalb des Binnenmarkts aus dem Anwendungsbereich ihrer Unterkapitalisierungsvorschriften heraus. Im Jahr 2009 waren nur noch die lettischen und belgischen Vorschriften ausschließlich auf grenzüberschreitende Sachverhalte anwendbar, vgl. Herzig/Bohn,
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Vorschriften zur Abwehr gegen Unterkapitalisierung
Fremdkapitalvergütungen in Höhe von 250.000 € eingeführt, um kleine und mittlere Unternehmen aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift herauszuhalten.332
2.
Die Zinsschranke der §§ 4h EStG, 8a KStG
Im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008333 wurde § 8a KStG a.F. zugunsten einer völligen Neuregelung in den §§ 4h EStG, 8a KStG ersetzt. Die sog. Zinsschranke sieht ein steuerliches Abzugsverbot für Nettozinsaufwendungen334 vor, die 30% des steuerlichen EBITDA335 übersteigen. Der nichtabzugsfähige Zinsaufwand wird in die folgenden Wirtschaftsjahre vorgetragen. Die Zinsschranke ist dabei anders als § 8a KStG a.F. nicht auf GesellschafterFremdfinanzierungen begrenzt, sondern erfasst auch Zinsaufwendungen gegenüber fremden Dritten. Die Norm richtet sich damit auch gegen OutboundFinanzierungen, bei denen eine ansässige Muttergesellschaft ein Bankdarlehen aufnimmt und dieses als Eigenkapital einer gebietsfremden Tochter zuführt.336 Entgegen den Empfehlungen des Berichts des OECD Committee on Fiscal Affairs337 sehen die §§ 4h EStG, 8a KStG keinen Fremdvergleich mehr vor. Die Zinsschranke dient in der Folge nicht mehr der Gewinnzuordnung zwischen verbundenen Unternehmen.338 Der Verschuldungsgrad ist für die Zinsschranke nicht mehr relevant, so dass sie keine Unterkapitalisierungsvorschrift im engeren Sinne mehr darstellt; ausweislich der Gesetzesbegründung dient sie jedoch weiterhin dem Ziel, die steuerlichen Folgen einer Unterkapitalisierung zu verhindern.339 Stattdessen wird der Nettozinsaufwand in Verhältnis zu
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337 338 339
IStR 2009, 253 (259 f.); Bauer, StuW 2009, 163 (166). Mit Wirkung vom 01.01.2010 hat auch Lettland seine Unterkapitalisierungsvorschriften auf den grenzüberschreitenden Sachverhalt ausgeweitet, vgl. Kronbergs, IBFD Country Survey: Latvia, Tz. 7.3; Zascirinska-Elksnina, in: PwC, Worldwide Tax Summaries, 2010, S. 728. Die belgischen Regelungen wurden durch das EuGH-Urt. v. 17.01.2008, C-105/07 (Lammers & Van Cleef), Slg. 2008, I-173 als unionsrechtswidrig erklärt und sind in EUSachverhalten nicht mehr anwendbar. Vgl. BT-Drs. 15/1518, S. 14, hier noch mit 50.000 €. Vgl. später BR-Drs. 940/03, S. 3. Unternehmensteuerreformgesetz 2008 v. 14.08.2007, BGBl. I 2007, 1912. Nettozinsaufwand = Zinsaufwendungen – Zinserträge ≥ 0. Earnings before interest, taxes, depreciation and amortization. Siehe § 4h Abs. 1 Satz 2 EStG. Vgl. Rödder/Stangl, DB 2007, 479; Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz, Die Unternehmensteuerreform 2008, 2007, S. 107 (109); Lenz/Dörfler, DB 2010, 18. In § 8a KStG a.F. war hierzu in Abs. 6 eine Sonderregelung vorgesehen, weil der Grundtatbestand keine Darlehen Dritter erfasst. Vgl. OECD Committee on Fiscal Affairs, Thin Capitalisation, 1987, Tz. 70 ff. Siehe bereits A.II. Vgl. Hey, FS Djanani, 2008, S. 109 (110). Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 31: „Die sog. Zinsschranke bei der Körperschaftsteuer ist deshalb grundsätzlich gegen eine übermäßige Fremdkapitalfinanzierung der Unternehmen gerichtet […]. Sie soll insbesondere verhindern, dass Konzerne mittels grenzüber-
73
Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
einer steuerlichen Ergebnisgröße gestellt. Eine vergleichbare Regelung sehen die USA vor, die die Abzugsfähigkeit des Nettozinsaufwands auf 50% eines modifizierten EBIT begrenzen.340 Diese Grenze wird jedoch nur angewendet, wenn zuvor ein bestimmter Verschuldungsgrad überschritten wurde.341 Zudem erfasst die US-Regelung nur Darlehen Dritter, die besichert sind.342 Eine mit der Zinsschranke eng verwandte Regelung hat Italien ebenfalls im Jahr 2008 eingeführt, wobei sich der italienische Gesetzgeber stark an der deutschen Regelung orientierte.343 Grund für die komplette Neuregelung der deutschen Unterkapitalisierungsregelungen war es insbesondere, eine Gegenfinanzierung für die Senkung des Körperschaftsteuersatzes im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008 sicher zu stellen.344 Gegenüber § 8a KStG a.F. versprach sich die Bundesregierung jährliche Mehreinnahmen in Höhe von 1 Mrd. €.345 Weiterhin sollen durch die Zinsschranke speziell im Konzern missbräuchliche Steuergestaltungen und Gewinnverlagerungen ins Ausland verhindert werden. Zudem ist es das Ziel des Gesetzgebers, die Eigenkapitalquoten deutscher Unternehmen zu steigern.346 Darüber hinaus sollten wohl auch die Schwächen des § 8a KStG
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schreitender konzerninterner Fremdkapitalfinanzierung in Deutschland erwirtschaftete Erträge ins Ausland transferieren.“ Vgl. auch BT-Drs. 17/15, S. 18. Siehe Sections 385, 482 und 163(j) IRC. Vgl. zur US-Regelung im deutschen Schrifttum ausführlich: Peter, IFSt-Schrift Nr. 436, 2006, S. 59 ff.; Goebel/Eilinghoff, IStR 2008, 233 ff.; BDI/KPMG, Die Behandlung von Finanzierungsaufwendungen, BDIDrucksache Nr. 392, S. 18 ff., Download unter: http://www.bdi.eu/download_content/ Publikation_BDI-KPMG-Studie.pdf (Abruf: 02.06.2009). Siehe Section 163(j)(2)(A)(ii) IRC. Ähnlich kombinierte Regelungen sehen auch Bulgarien, Dänemark und Frankreich vor, vgl. Herzig/Bohn, IStR 2009, 253 (257 ff.). Vgl. Goebel/Eilinghoff, IStR 2008, 233 (241); Homburg, FR 2007, 717 (719); Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, S. 447 (449); BDI/KPMG, Die Behandlung von Finanzierungsaufwendungen, BDIDrucksache Nr. 392, S. 44, Download siehe Fn. 340. Vgl. Marino/Russo, Intertax 2008, 204 (206); Galeano/Rhode, Intertax 2008, 292 (297); Romani/Grabbe/Imbrenda, IStR 2008, 210; Bohn, Zinsschranke, 2009, S. 130 ff.; Lenz/Dörfler, DB 2010, 18 (20). Auch die italienische Regelung sieht einen Zinsabzug nur bis zu 30% des – hier handelsbilanziell ermittelten – EBITDA vor. Im Gegensatz zur deutschen Zinsschranke werden jedoch keine Personengesellschaften und Einzelunternehmer erfasst. Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 30 f. Den Fiskalzweck betonen insbesondere Drüen, StuW 2008, 154 (165); Hoffmann, Zinsschranke, 2008, Rz. 2; Hey, FS Djanani, 2008, S. 109 (115). Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 42 f. Insgesamt ging die Bundesregierung von durchschnittlichen jährlichen Einnahmen in Höhe von 1,475 Mrd. € durch die Zinsschranke aus, für § 8a KStG a.F. nur von 475 Mio. €. Die Einnahmen durch die Zinsschranke reduzieren sich jedoch durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz v. 22.12.2009, BGBl. I 2009, 3950, siehe dazu sogleich. Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 31; ferner BT-Drs. 17/15, S. 17.
Vorschriften zur Abwehr gegen Unterkapitalisierung
a.F. beseitigt werden: So konnten etwa mit von § 8a KStG a.F. nicht erfassten Rückgriffsfällen Gewinne ins Ausland verlagert werden.347 Empirische Untersuchungen zeigen aber, dass § 8a KStG a.F. durchaus zur Reduzierung von Unterkapitalisierungen beitrug.348 Die Zinsschranke setzt, indem sie auf das Verhältnis des Nettozinsaufwands zum steuerlichen EBITDA abstellt, zumindest Anreize, Gewinne nach Deutschland und Zinsaufwendungen ins Ausland zu verlagern, um eine Zinsabzugsbeschränkung zu verhindern.349 Aufgrund der Rechtsprechung des EuGH sah sich der Gesetzgeber wohl weiterhin gezwungen, die Zinsschranke auch in reinen Inlandsfällen anzuwenden.350 Die noch junge Vorschrift des § 4h EStG wurde bereits zweimal, zuerst durch das Bürgerentlastungs-351 und anschließend durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz352, geändert. In der ab Mitte 2008 einsetzenden Finanz- und Wirtschaftskrise sanken das EBITDA und stiegen die Zinsausgaben der Unternehmen.353 Insofern bestand die Gefahr, dass die Zinsschranke für die Unternehmen krisenverschärfend wirken würde.354 Mit den Reformen wurde § 4h EStG daher punktuell entschärft, ohne grundlegende strukturelle Änderungen vorzunehmen. Wichtigste Neuerung ist die Einführung eines Vortrags für das nicht genutzte EBITDA.355 Die Entlastungsmaßnahmen summieren sich auf jährlich 360 Mio. €,356 so dass gegenüber § 8a KStG a.F. nur noch Mehreinnahmen von 640 Mio. € erwartet werden.
347 Vgl. Mössner, in: Lüdicke, Unternehmensteuerreform 2008 im internationalen Umfeld, 2008, S. 1 (6); Herzig, IStR 2009, 870 (872) m.w.N. 348 Vgl. Schwarz, IStR 2008, 11 (13) m.w.N. 349 Vgl. BT-Drs. 17/15, S. 18; BT-Drs. 17/4653, S. 23; Führich, Der Einfluss der EuGHRechtsprechung auf die deutsche Unternehmensbesteuerung, 2009, S. 90 u. 93; Herzig/Bohn, IStR 2009, 253 (257); Broer, StuW 2010, 110 (111). Dabei bemerkt Führich zu Recht, dass diese Anreizwirkung auch dazu führen kann, dass sich Investoren dafür entscheiden, statt in Deutschland in einem anderen Staat zu investieren, der keine mit der Zinsschranke vergleichbare Regelung aufweist. Die Zinsschranke wird insofern im Schrifttum vielfach als investitionsfeindlich angesehen, vgl. etwa Schwarz, IStR 2008, 11 (14); Homburg, FR 2007, 717 (723); Förster, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 4h EStG Exkurs, Rz. 31. 350 Siehe A.II. und vgl. Mössner, in: Lüdicke, Unternehmensteuerreform 2008 im internationalen Umfeld, 2008, S. 1 (3); Hoffmann, Zinsschranke, 2008, Rz. 7 ff. Zu weitgehend hingegen: Lenz/Dörfler, DB 2010, 18 (22); Seiler, in: Kirchhof, EStG, 11. Aufl. 2012, Rz. 6. 351 Bürgerentlastungsgesetz v. 22.07.2009, BGBl. I 2009, 1959. 352 Wachstumsbeschleunigungsgesetz v. 22.12.2009, BGBl. I 2009, 3950. 353 Vgl. Eilers/Bühring, DStR 2009, 137; Rödding, DStR 2009, 2649. 354 Diese Wirkung wurde bereits in empirischen Studien anhand einer Reihe von Modellunternehmen nachgewiesen, vgl. Blaufus/Lorenz, StuW 2009, 323 ff.; Watrin/Pott/ Richter, StuW 2009, 256 (262 f.). 355 Siehe § 4h Abs. 1 Satz 3 f. EStG. 356 Siehe BT-Drs. 17/15, S. 12 f.
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
a)
Tatbestand
Die Zinsschranke wurde in § 4h EStG und § 8a KStG geregelt. § 4h Abs. 1 EStG enthält den Grundtatbestand, der für Kapitalgesellschaften in § 8a Abs. 1 KStG modifiziert wird. Der Anwendungsbereich der Norm wird vor allem auch durch die drei in § 4h Abs. 2 EStG kodifizierten Ausnahmen bestimmt, für die nach § 8a Abs. 2 und 3 KStG wiederum Rückausnahmen für Kapitalgesellschaften bestehen. aa)
Zinsabzugsbeschränkung
Nach § 4h Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG sind die Zinsaufwendungen eines Betriebs voll abzugsfähig, solange sie die Zinserträge nicht übersteigen; darüber hinaus gehende Zinsaufwendungen (Nettozinsaufwand) jedoch nur in Höhe von bis zu 30% des steuerlichen EBITDA (verrechenbares EBITDA). Unter der Annahme identischer Eigen- und Fremdkapitalrenditen wird auf diese Weise eine Eigenkapitalquote von 70% unterstellt.357 Tatsächlich lag die Quote 2004 in Deutschland im Durchschnitt bei etwa 22%,358 in manchen Branchen deutlich darunter. Konzerngesellschaften, die eine hohe Eigenkapitalrendite aufweisen, können auch zu einem höheren Anteil fremdfinanziert werden, ohne dass die Zinsschranke eingreift. § 4h EStG ist insofern ein wenig zielgenaues Instrument, um eine Gewinnverlagerung ins Ausland aufgrund einer rein steuerlich motivierten Fremdfinanzierung zu verhindern.359 Für Konzerngesellschaften, die eine negative Gesamtkapitalrendite aufweisen, kann die Zinsschranke umgekehrt existenzgefährdend wirken.360 Denn sie kann zu einem Substanzsteuereffekt führen, wenn aufgrund der Nichtabzugsfähigkeit des Nettozinsaufwands die Steuerlast den operativen Gewinn übersteigt oder Steuern bei einem operativen Verlust anfallen.361 357 Vgl. Rödder/Stangl, DB 2007, 479 (483); Kessler/Köhler/Knörzer, IStR 2007, 418 (419); Lenz/Dörfler, DB 2010, 18 (19); Süß/Wilke, SteuerStud 2010, 561 (568). § 8a KStG a.F. ging bei einem Eigenkapital-Fremdkapital-Verhältnis von 1,5 : 1 hingegen noch von einer Eigenkapitalquote von 40% aus. 358 Vgl. Drukarczyk, Finanzierung, 10. Aufl. 2008, S. 310. 359 Vgl. Schwarz, IStR 2008, 11 (13); Herzig/Bohn, IStR 2009, 253 (257); dies./Fritz, DStR 2009, Beihefter zu Heft 29, 61 (64); ferner: Kessler/Köhler/Knörzer, IStR 2007, 418 (421). Siehe dazu noch ausführlich C.II.2.c)cc)(3)(ii) und C.II.4.a)dd)(2)(ii). 360 Dies wird im Schrifttum zu Recht stark kritisiert, vgl. etwa Homburg, FR 2007, 717 (723); Schwarz, IStR 2008, 11 (13); Hoffmann, Zinsschranke, 2008, Rz. 273; Förster, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 4h EStG Exkurs, Rz. 28; Herzig/Bohn, IStR 2009, 253 (257); Lenz/Dörfler, DB 2010, 18 (19). 361 Dazu folgendes Beispiel: Eine Konzerngesellschaft weist einen operativen Verlust von 20 aus. Der Nettozinsaufwand beträgt 100, die Abschreibungen 20. Das EBITDA beläuft sich damit auf -20 + 100 + 20 = 100. Dementsprechend kann nur ein Zinsaufwand von 100 x 30% = 30 als Betriebsausgabe abgezogen werden. Der nicht abzugsfähige Nettozinsaufwand beträgt folglich 100 – 30 = 70. Das steuerpflichtige Einkommen beträgt damit -20 + 70 = 50. Folglich kommt es zu einer Besteuerung eines wirtschaftlich
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Vorschriften zur Abwehr gegen Unterkapitalisierung
Vom subjektiven Anwendungsbereich des § 4h Abs. 1 EStG werden Betriebe aller Art und somit nicht mehr nur Kapital-, sondern auch Personengesellschaften und Einzelunternehmen erfasst. Für Kapitalgesellschaften bestimmt sich die Anwendbarkeit von § 4h EStG allgemein nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG.362 Die Zinsschranke ist betriebsbezogen anzuwenden, das heißt einzeln für jede in Deutschland steuerpflichtige Konzerngesellschaft. Diese unterhalten als Kapitalgesellschaften jeweils immer nur einen Betrieb.363 Bilden mehrere Gesellschaften eine Organschaft, gilt diese nach § 15 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG als ein Betrieb.364 Das verrechenbare EBITDA wird für Kapitalgesellschaften wie folgt bestimmt:365 Maßgebliches Einkommen i.S.v. § 8 Abs. 1 KStG366 vor § 4h EStG + Zinsaufwendungen – Zinserträge + Abschreibungen nach § 6 Abs. 2 Satz 1, Abs. 2a Satz 2 und § 7 EStG367 + Verlustvortrag bzw. -rücktrag nach § 10d EStG + Spendenabzug im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG = Steuerliches EBITDA x 30% = Verrechenbares EBITDA i.S.v. § 4h Abs. 1 Satz 2 EStG
362
363
364 365 366
367
nicht entstandenen Gewinns. Die Steuer muss aus der Veräußerung oder Beleihung von Anlagevermögen gezahlt werden (Substanzsteuereffekt). Vgl. für einen Fall der Substanzbesteuerung auch FG Berlin-Brandenburg, Bschl. v. 13.10.2011, 12 V 12089/11, EFG 2012, 358. Siehe zur verfassungsrechtlichen Problematik C.II.4.b). Der Verweis in § 8a Abs. 1 Satz 1 KStG ist insofern deklaratorisch. Vgl. nur Förster, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 8a, Rz. 14; Seiler, in: Kirchhof, EStG, 11. Aufl. 2012, Rz. 54. Vgl. BFH, Urt. v. 29.10.1986, I R 318/83 u.a., BStBl. II 1987, 310 (313); BMF v. 04.06.2008, BStBl. I 2008, 718, Rz. 7; Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 2007, S. 447 (456); Rödder, in: Kessler/Alber, Konzernsteuerrecht, 2. Aufl. 2008, § 10, Rz. 11; Hoffmann, Zinsschranke, 2008, Rz. 1141; Förster, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 4h EStG Exkurs, Rz. 53; Loschelder, in: Schmidt, EStG, 31. Aufl. 2012, § 4h, Rz. 9. Personengesellschaften können hingegen auch mehrere Betriebe unterhalten. Vgl. zu einer Darstellung von Folgeproblemen und Zweifelsfällen etwa Bron, IStR 2008, 14 ff.; Mössner, in: Lüdicke, Unternehmensteuerreform 2008 im internationalen Umfeld, 2008, S. 1 (8 ff.). Siehe hierzu ausführlich C.II.2.b)aa)(3). Siehe § 4h Abs. 1 Satz 2 EStG, § 8a Abs. 1 Sätze 1 und 2 KStG. Während § 4h Abs. 1 Satz 2 EStG auf den maßgeblichen Gewinn abstellt, bestimmt § 8a Abs. 1 Satz 1 KStG, dass an dessen Stelle das maßgebliche Einkommen tritt. Vgl. zu sich daraus ergebenden Problemen Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 2008, S. 447 (491); Förster, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 8a, Rz. 16. Sonderabschreibungen nach §§ 7a ff. EStG sowie die Teilwertabschreibung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG werden damit nicht erfasst.
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
Zinsaufwendungen werden nach § 4h Abs. 3 Satz 2 EStG weit definiert als Vergütungen für Fremdkapital, die das maßgebliche Einkommen gemindert haben. Anders als bei § 8a KStG a.F. werden auch kurzfristige Zinsen und Zinsaufwendungen gegenüber Dritten, wie etwa Banken, erfasst. Als Zinsaufwendungen gelten weiterhin gewinnabhängige Vergütungen aus typischen stillen Beteiligungen und partiarischen Darlehen.368 Nicht erfasst werden hingegen als verdeckte Gewinnausschüttung qualifizierte Zinsen369 sowie per DBA freigestellte Zinsen einer gebietsfremden Betriebsstätte.370 Keine Zinsaufwendungen sind insbesondere Vergütungen für die Überlassung von Sachkapital wie Mieten, Leasingraten oder Lizenzgebühren.371 Dies ermöglicht Konzerngesellschaften, die Zinsschranke z.B. durch ein sale-and-lease-backVerfahren zu umgehen.372 bb)
Ausnahmen des § 4h Abs. 2 EStG
Ist der Nettozinsaufwand größer als 30% des steuerlichen EBITDA, kann der Steuerpflichtige die Zinsabzugsbeschränkung des § 4h Abs. 1 EStG noch verhindern, indem er das Vorliegen einer von drei Ausnahmen des Abs. 2 nachweist: Nach § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. a EStG ist der Nettozinsaufwand voll abzugsfähig, wenn er weniger als 3 Mio. € beträgt. Durch diese Freigrenze sollen kleine und mittlere Unternehmen aus dem Anwendungsbereich der Zinsschranke herausgehalten werden.373 Bei einem Zinssatz von z.B. 6% bleibt ein Nettozinsaufwand von bis zu 50 Mio. € unschädlich. Von der Freigrenze können aber auch große Konzerngesellschaften profitieren, weil diese auf den Netto368 Vgl. BMF v. 04.06.2008, BStBl. I 2008, 718, Rz. 11 u. 15; Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 2008, S. 447 (460); Hoffmann, Zinsschranke, 2008, Rz. 107, ders., in: Littmann/Bitz/Putz, EStG, § 4h, Rz. 55 (Stand: 02.2008); Förster, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 4h EStG Exkurs, Rz. 126; Loschelder, in: Schmidt, EStG, 31. Aufl. 2012, § 4h, Rz. 24. 369 Denn diese haben das maßgebliche Einkommen nicht gemindert. Auf diese Weise wird auch eine doppelte Einkünftekorrektur durch die verdeckte Gewinnausschüttung und die Zinsschranke im Fall einer fremdunüblichen Darlehensvergabe zwischen verbundenen Unternehmen verhindert. Vgl. Wehrheim/Haussmann, StuW 2009, 269 (271 ff.), vgl. dort zur verdeckten Einlage S. 276 f. 370 Nicht erfasst werden ferner Zinsen, die einem Abzugsverbot wie § 3c, § 4 Abs. 4a oder § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8a EStG unterliegen. Vgl. zum Ganzen: Mössner, in: Lüdicke, Unternehmensteuerreform 2008 im internationalen Umfeld, 2008, S. 1 (20); Stangl/ Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 2008, S. 447 (452); Förster, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 4h EStG Exkurs, Rz. 15, 26, 61 u. 136; Loschelder, in: Schmidt, EStG, 31. Aufl. 2012, § 4h, Rz. 23. Siehe zu per DBA freigestellten Zinsen gebietsfremder Betriebsstätten auch C.II.2.b)aa)(2). 371 Vgl. nur BT-Drs. 16/4841, S. 49; BMF v. 04.06.2008, BStBl. I 2008, 718, Rz. 11. 372 Vgl. Dörr/Geibel/Fehling, NWB 2007, Fach 4, 5199 (5213); Homburg, FR 2007, 717 (723); Hoffmann, Zinsschranke, 2008, Rz. 1346. 373 Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 31 u. 48; BT-Drs. 16/13429, S. 43; BT-Drs. 17/15, S. 18.
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Vorschriften zur Abwehr gegen Unterkapitalisierung
zinsaufwand abstellt. Die Freigrenze betrug zunächst nur 1 Mio. €, wurde aber zunächst temporär durch das Bürgerentlastungs-374 und dann dauerhaft durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz375 auf 3 Mio. € erhöht.376 Sie gilt betriebsbezogen; für Konzerne ergibt sich daraus die steuerliche Gestaltungsmöglichkeit, in Deutschland steuerpflichtige Gesellschaften aufzuspalten oder eine Organschaft aufzulösen.377 Eine weitere Ausnahme von der Zinsschranke besteht nach § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. b EStG für Betriebe, die nicht oder nur anteilig378 zu einem Konzern gehören (sog. Konzern-Klausel). Dies zeigt, dass die Zinsschranke gerade darauf abzielt, die Gewinnverlagerung in einem internationalen Konzern zu verhindern.379 Es wird quasi vermutet, dass konzernfreie Unternehmen weniger Gewinne ins Ausland verlagern. Die bei konzernfreien Kapitalgesellschaften bestehenden Gewinnverlagerungsmöglichkeiten aufgrund GesellschafterFremdfinanzierungen werden durch eine Rückausnahme in § 8a Abs. 2 KStG 374 Siehe § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. a, § 52 Abs. 12d Satz 3 EStG i.d.F. des Bürgerentlastungsgesetzes v. 22.07.2009, BGBl. I 2009, 1959. 375 Siehe § 52 Abs. 12d Satz 3 EStG i.d.F. des Wachstumsbeschleunigungsgesetz v. 22.12.2009, BGBl. I 2009, 3950. Damit wurde zugleich ein Fehler des Gesetzgebers behoben, der dazu geführt hätte, dass die ganze Freigrenze gemäß § 52 Abs. 12d Satz 3 EStG i.d.F. des Bürgerentlastungsgesetzes zeitlich ausgelaufen wäre, vgl. Hoffmann, DStR 2009, 1461 f.; Herzig/Bohn, DStR 2009, 2341 (2344); Nacke, StuB 2010, 139 (142). 376 Während mit der vorübergehenden Erhöhung das Ziel verfolgt wurde, kleine und mittlere Unternehmen auch in Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise aus dem Anwendungsbereich der Zinsschranke herauszuhalten (vgl. BT-Drs. 16/13429, S. 43), sollen diese Unternehmen mit der dauerhaften Erhöhung grundsätzlich gestärkt und entlastet werden, vgl. BT-Drs. 17/15, S. 18. Nach empirischen Studien sinkt dadurch die Zahl der betroffenen Unternehmen deutlich, was aber nur einen geringen Effekt auf das Steueraufkommen hat, vgl. Watrin/Pott/Richter, StuW 2009, 256 (260 u. 262); Blaufus/Lorenz, StuW 2009, 323 (330). Die Freigrenze von 1 Mio. € war im Schrifttum zuvor oft als zu niedrig kritisiert worden, vgl. Köhler, DStR 2007, 597 (598 f.); Rödder/Stangl, DB 2007, 479 (480); Seer, JbFStR 2007/2008, 9 (14); Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 2008, S. 447 (467 f.). 377 Vgl. Dörr/Geibel/Fehling, NWB 2007, Fach 4, 5199 (5213); Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 2008, S. 447 (468); Führich, Der Einfluss der EuGH-Rechtsprechung auf die deutsche Unternehmensbesteuerung, 2009, S. 92; Seiler, in: Kirchhof, EStG, 11. Aufl. 2012, § 4h, Rz. 52; Loschelder, in: Schmidt, EStG, 31. Aufl. 2012, § 4h, Rz. 15. Bezüglich der Auflösung der Organschaft ist allerdings zu beachten, dass ein etwaige bestehender Zinsvortrag untergeht, siehe § 4h Abs. 5 Satz 1 EStG und B.II.2.b). Vgl. auch BMF v. 04.06.2008, BStBl. I 2008, 718, Rz. 47. 378 Nach BT-Drs. 16/4841, S. 50 sind unter Gesellschaften, die anteilmäßig zu einem Konzern gehören, solche zu verstehen, die quotal im Konzernabschluss konsolidiert werden. Nach § 310 HGB und IAS 31 dürfen Gemeinschaftsunternehmen (Joint Ventures) quotal im Konzernabschluss ausgewiesen werden. 379 Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 31.
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
berücksichtigt. Diese schließt die Anwendung der Konzern-Klausel aus, wenn die Zinszahlungen an einen wesentlich beteiligten Gesellschafter380, an eine diesem nahe stehende Person i.S.v. § 1 Abs. 2 AStG oder an einen rückgriffsberechtigten Dritten381 mehr als 10% des Nettozinsaufwands der konzernfreien Kapitalgesellschaft ausmachen. Was ein Konzern i.S.d. Zinsschranke ist, bestimmt § 4h Abs. 3 Satz 5 f. EStG: Dieser stellt auf den Rechnungslegungsstandard des Konzerns ab,382 erfasst jedoch in Anlehnung an IAS 27 auch Betriebe, deren Finanz- und Geschäftspolitik zusammen mit anderen Betrieben einheitlich bestimmt wird.383 Danach ist ein Konzern i.S.v. § 4h Abs. 3 EStG etwa auch dann anzunehmen, wenn eine natürliche Person zwei Gesellschaften kontrolliert.384 Internationale Konzerne im Sinne dieser Arbeit385 fallen damit unter den Konzernbegriff des § 4h Abs. 3 EStG und können sich daher nicht auf die Ausnahme des § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. b EStG berufen. Reine Inlandskonzerne, die alle Konzerngesellschaften in den Organkreis einbeziehen, werden nach § 15 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG für die Zwecke der Zinsschranke aber als ein Betrieb behandelt, so dass für diese die Konzern-Klausel ausnahmsweise greift. Speziell für Konzerngesellschaften sieht § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. c EStG eine Ausnahme von der Zinsschranke vor, wenn die Eigenkapitalquote der jeweiligen Konzerngesellschaft nicht diejenige des Konzerns unterschreitet (sog. Escape-Klausel). Dabei ist für Wirtschaftsjahre, die vor dem 01.01.2010 enden, ein Abweichen um bis zu 1%-Punkt unschädlich; für spätere Wirtschaftsjahre wurde diese Grenze im Rahmen des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes386 auf 2%-Punkte erhöht.387 Mit der Escape-Klausel beabsichtigt der Ge380 Eine wesentliche Beteiligung ist nach § 8a Abs. 2 KStG bei einer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung von über 25% gegeben. Nach BMF v. 04.06.2008, BStBl. I 2008, 718, Rz. 82 sollen die Fremdkapitalvergütungen mehrerer Gesellschafter zusammengerechnet werden. Nach dem Wortlaut des § 8a Abs. 2 KStG werden aber nur die Vergütungen „an einen“ Gesellschafter erfasst, vgl. zu § 8a Abs. 3 Satz 1 KStG auch FG Niedersachsen, Bschl. v. 18.02.2010, 6 V 21/10, DStR 2010, 597 f. m.w.N. 381 Siehe dazu bereits im Rahmen von § 8a KStG a.F. B.II.1. 382 Genauer verweist § 4h Abs. 3 Satz 5 EStG auf Abs. 2 Satz 1 lit. c Sätze 8-10. Dazu sogleich. 383 Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 50. In IAS 27 wird vom „Control“-Verhältnis gesprochen. 384 Vgl. BMF v. 04.06.2008, BStBl. I 2008, 718, Rz. 60; Loschelder, in: Schmidt, EStG, 31. Aufl. 2012, § 4h, Rz. 29. 385 In dieser Arbeit werden nur vollkonsolidierte Konzerngesellschaften betrachtet, siehe dazu die Einleitung. 386 Siehe § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. c Satz 2, § 52 Abs. 12d Satz 4 EStG i.d.F. des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes v. 22.12.2009, BGBl. I 2009, 3950. 387 Die 1%-Grenze wurde in der Literatur zuvor teilweise als zu niedrig angesehen, vgl. Schwarz, IStR 2008, 11 (13); Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 2008, S. 447 (478 f.) m.w.N. Die Bundesregierung bleibt mit der Erhöhung einerseits hinter einem früheren Gesetzentwurf der FDP-Fraktion zurück,
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Vorschriften zur Abwehr gegen Unterkapitalisierung
setzgeber auch Konzerngesellschaften eine Ausnahme von der Zinsschranke zu ermöglichen, die in Branchen tätig sind, in denen typischerweise geringe Eigenkapitalquoten bestehen.388 Diese hätten etwa von einem fixen Verschuldungsgrad nicht profitieren können. In Anbetracht der Problematik, variable Grenzwerte gerecht ausgestalten und verwalten zu können, hat sich der Gesetzgeber scheinbar für eine Escape-Klausel entschieden, die wenig zielgenau ist, um grenzüberschreitende Gewinnverlagerungen zu verhindern. Denn sie ermöglicht ggf. auch aus steuerlichen Motiven extensiv fremdfinanzierten Konzerngesellschaften die Zinsschranke zu umgehen, solange ihre Eigenkapitalquote nur höher ist als diejenige des Konzerns. Letztlich sollten wohl speziell für internationale Konzerne Anreize gesetzt werden, deutsche Konzerngesellschaften – ggf. zu Lasten von Konzerngesellschaften anderer Länder, die keine vergleichbare Regelung aufweisen – relativ hoch mit Eigenkapital auszustatten. Dies ist allerdings insbesondere in Mischkonzernen schwierig, wenn die ansässige Tochtergesellschaft in einer Branche tätig ist, in der typischerweise zu einem hohen Anteil fremdfinanziert wird.389 § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. c Satz 3 EStG verlangt einen Vergleich der Eigenkapitalquoten390 der Konzerngesellschaft nach ihrem Einzelabschluss und des Konzerns391 nach dem Konzernabschluss. Beide Abschlüsse sind zu modifizieren, um eine Vergleichbarkeit herzustellen. Beide sind vor allem nach einem einheitlichen Rechnungslegungsstandard zu erstellen – und zwar grundsätzlich nach IFRS. Der Gesetzgeber orientiert sich dabei an den europäischen Bestimmungen zur Konzernrechnungslegung,392 so dass subsidiär ggf. auch Abschlüsse nach dem Handelsrecht eines EU-Mitgliedstaates bzw. nach US-
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der eine Anhebung der Grenze auf 5%-Punkte vorsah (vgl. BT-Drs. 16/12252, S. 2), andererseits wurde das Ziel des Koalitionsvertrags verfehlt, die Escape-Klausel „für deutsche Konzerne anwendbar [zu] machen“, vgl. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP, S. 3, Download unter: http://www.cdu.de/doc/pdfc/091024koalitionsvertrag-cducsu-fdp.pdf (Abruf: 24.10.2009). Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 31. Vgl. Führich, IStR 2007, 341 (345); Kraft/Bron, EWS 2007, 487 (488); Hoffmann, Zinsschranke, 2008, Rz. 532 f.; Herr, Gesellschafterfremdfinanzierung und Europarecht, 2008, S. 269. Als Eigenkapitalquote wird das Verhältnis des Eigenkapitals zur Bilanzsumme definiert, siehe § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. c Satz 3 Halbsatz 1 EStG. Maßgeblich ist hier nicht der Konzernbegriff des § 4 Abs. 3 Satz 5 f. EStG, sondern derjenige des jeweiligen Rechnungslegungsstandards, vgl. BMF v. 04.06.2008, BStBl. I 2008, 718, Rz. 72; ferner: Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 2008, S. 447 (480 f.); Seiler, in: Kirchhof, EStG, 11. Aufl. 2012, § 4h, Rz. 43. Andernfalls müsste aufwändig ggf. ein neuer Konzernabschluss aufgestellt werden. Jedoch sind quotal konsolidierte Gemeinschaftsunternehmen (siehe Fn. 378) aus dem Konzernabschluss zu entfernen, vgl. BMF v. 04.06.2008, BStBl. I 2008, 718, Rz. 72. Vgl. die EG-Verordnung 1606/2002 v. 19.07.2002, ABl. 2002 L 241, 1. Siehe auch § 315a HGB.
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GAAP verwendet werden können.393 Auf diese Weise soll eine grundfreiheitlich gebotene Gleichbehandlung europäischer und rein inländischer Konzerne garantiert werden. Konzerne aus EWR- und Drittstaaten müssten ggf. aber extra einen IFRS-Abschluss erstellen, um die Escape-Klausel nutzen zu können.394 Wurde der Einzelabschluss nicht nach dem Rechnungslegungsstandard des Konzerns erstellt, ist die Eigenkapitalquote dieser Konzerngesellschaft in einer entsprechenden Überleitungsrechnung zu bestimmen.395 In § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. c Sätze 4-7 EStG sind darüber hinaus weitere Modifikationen vorgesehen, z.B. die einheitliche Ausübung von Wahlrechten im Einzel- und Konzernabschluss.396 Besonders bedeutsam ist die Buchwertkürzung für Anteile an Konzerntochtergesellschaften. Sie führt dazu, dass die Eigenkapitalquote einer ansässigen Konzernmuttergesellschaft in aller Regel unter diejenige des Konzerns sinkt.397 Ohnehin müssen Konzerne ernsthaft prüfen, ob der Vorteil des Ausschlusses der Zinsschranke den Aufwand für den Eigenkapitalvergleich tatsächlich überwiegt.398 Ähnlich wie bei der Konzern-Klausel ist auch die Escape-Klausel des § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. c EStG nicht anzuwenden, wenn eine schädliche Gesellschaf393 Siehe zu den diesbezüglichen Voraussetzungen § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. c Sätze 8-10 EStG. 394 Kritisch bezüglich des kaum lohnenswert hohen Aufwands: Hoffmann, Zinsschranke, 2008, Rz. 542. Diese Ungleichbehandlung von EWR- und Drittstaaten könnte ggf. gegen die Diskriminierungsverbote des AEUV und des EWR-Abkommens verstoßen, siehe dazu C.II.2.b)aa)(1). 395 Siehe § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. c Satz 11 EStG. Die Überleitungsrechnung ist dabei einer prüferischen Durchsicht zu unterziehen und auf Verlangen der Finanzbehörden ggf. durch einen Abschlussprüfer zu prüfen. Siehe § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. c Sätze 12 und 13 EStG. 396 Vgl. für Näheres BMF v. 04.06.2008, BStBl. I 2008, 718, Rz. 71 ff.; BT-Drs. 16/4841, S. 48 f. 397 Kritisch: Kessler/Köhler/Knörzer, IStR 2007, 418 (419 f.); Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 2008, S. 447 (482 ff.); Scheunemann/Dennisen, BB 2009, 2564 (2565); Herzig/Bohn, DStR 2009, 2341 (2346) m.w.N.; Ortmann-Babel/Zipfel, Ubg 2009, 813 (816); Bien/Wagner, BB 2009, 2626 (2632); Rödding, DStR 2009, 2649 (2652); Schneider/Roderburg, FR 2010, 58 (64); Dorenkamp, DStJG 33 (2010), 301 (318 ff.). 398 Vgl. auch Kessler/Köhler/Knörzer, IStR 2007, 418 (421); Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 2008, S. 447 (479); Frotscher, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, 2. Aufl. 2008, Rz. 463; Rödder, in: Kessler/Alber, Konzernsteuerrecht, 2. Aufl. 2008, § 10, Rz. 53; Hoffmann, Zinsschranke, 2008, Rz. 646; Förster, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 4h EStG Exkurs, Rz. 72; Lenz/Dörfler, DB 2010, 18 (19); Seiler, in: Kirchhof, EStG, 11. Aufl. 2012, § 4h, Rz. 40. Der Gesetzgeber hat die Bürokratiekosten pro Unternehmen in der Gesetzesbegründung nur auf 9,50 € (!) für die Testierung der Überleitungsrechnungen geschätzt, vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 36. Er bezeichnet die Bürokratiekosten im Verhältnis zu den mit der Zinsschranke verfolgten Zielen der Verhinderung der Gewinnverlagerung ins Ausland und der Verhinderung missbräuchlicher Gestaltungen insgesamt als vertretbar.
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ter-Fremdfinanzierung vorliegt.399 Dies ist nach § 8a Abs. 3 KStG bereits dann anzunehmen, wenn ein400 an einer beliebigen Konzerngesellschaft wesentlich beteiligter Gesellschafter dieser oder einer anderen Konzerngesellschaft ein Darlehen gewährt und die dafür gezahlten Vergütungen mehr als 10% des Nettozinsaufwands derjenigen Konzerngesellschaft betragen, bei deren Veranlagung die Voraussetzungen des § 4h EStG geprüft werden. Insofern wird die Escape-Klausel bereits ausgeschlossen, wenn weltweit401 irgendeine Konzerngesellschaft von einem Gesellschafter Fremdkapital in einem als schädlich betrachteten Umfang aufnimmt. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass eine andere Konzerngesellschaft Gesellschafter-Fremdkapital aufnimmt und dieses an die in Deutschland zu veranlagende Gesellschaft weiterleitet.402 Damit werden die Verhältnisse einer ausländischen Konzerngesellschaft steuerlich für eine deutsche relevant.403 Ein Gegenbeweis, dass tatsächlich kein Fremdkapital weitergeleitet wurde, ist nicht vorgesehen.404 Dieser weite Anwendungsbereich der Rückausnahme des § 8a Abs. 3 KStG wird jedoch dadurch wieder eingeschränkt, dass nur Zinsaufwendungen gegenüber Gesellschaftern erfasst werden, die selbst nicht zum Konsolidierungskreis des Konzerns gehören. Fremdfinanzierungen zwischen Konzerngesellschaften bleiben somit unschädlich. Der nicht konzernzugehörige Gesellschafter muss ferner wesentlich mit mehr als 25% an einer beliebigen Konzerngesellschaft beteiligt sein.405 Wie bei § 8a Abs. 2 KStG wird entsprechend § 8a KStG a.F. auch die
399 Dabei werden auch Darlehen gegenüber Dritten infiziert und in die Zinsabzugsbeschränkung mit einbezogen, vgl. Herzig, IStR 2009, 870 (873). 400 Nach BMF v. 04.06.2008, BStBl. I 2008, 718, Rz. 82 sollen die Fremdkapitalvergütungen mehrerer Gesellschafter zusammengerechnet werden. Nach dem Wortlaut des § 8a Abs. 3 Satz 1 KStG werden aber nur die Vergütungen „an einen“ Gesellschafter erfasst, vgl. FG Niedersachsen, Bschl. v. 18.02.2010, 6 V 21/10, DStR 2010, 597 f. m.w.N. 401 Vgl. BMF v. 04.06.2008, BStBl. I 2008, 718, Rz. 80. Eine andere Auslegung wird durch den Wortlaut des § 8a Abs. 3 Satz 1 KStG auch nicht ermöglicht. A.A. sind Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 2008, S. 447 (503), die insbesondere auf die Aussage der Gesetzesbegründung verweisen, wonach die Zinsschranke nur die inländische Gewinnermittlung betreffe, vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 75; vgl. ähnlich Behrens, BB 2010, 1132 (1134). 402 Vgl. Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 8a KStG, Rz. 164 (Stand: 11.2008); ähnlich: Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 2008, S. 447 (502 f.). 403 Kritisch: Frotscher, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, 2. Aufl. 2008, Rz. 475; Rödder, in: Kessler/Alber, Konzernsteuerrecht, 2. Aufl. 2008, § 10, Rz. 55. 404 Kritisch: Lenz/Dörfler, DB 2010, 18 (24); Lenz/Dörfler/Adrian, Ubg 2010, 1 (6). 405 Die Beteiligung kann wie bei § 8a KStG a.F. gemäß § 8a Abs. 3 Satz 1 KStG „unmittelbar oder mittelbar“ gehalten werden, wobei unmittelbare und mittelbare Beteiligungen zusammengerechnet werden, vgl. BMF v. 04.06.2008, BStBl. I 2008, 718, Rz. 81; Förster, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 8a, Rz. 82; Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 2008, S. 447 (495); a.A. Frotscher, in:
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Fremdkapitalgewährung von einer nahe stehenden Person i.S.v. § 1 Abs. 2 AStG oder einem rückgriffsberechtigten Dritten erfasst.406 Die Rückausnahme des § 8a Abs. 3 KStG und somit auch die Zinsschranke greifen ein, wenn die Vergütungen an diese Fremdkapitalgeber407 mehr als 10% des Nettozinsaufwands der Konzerngesellschaft betragen, für die die Zinsabzugsbeschränkung nach § 4h EStG geprüft wird;408 folglich ist hier paradoxerweise ein hoher Nettozinsaufwand vorteilhaft.409 Die zu veranlagende Konzerngesellschaft trägt selbst die Beweislast für § 8a Abs. 3 KStG. In einem internationalen Konzern ist damit nachzuweisen, dass weltweit keine Konzerngesellschaft in dem entsprechenden Umfang Fremdkapital von einem nicht konzernzugehörigen Gesellschafter, einer diesem nahe stehenden Person oder einem rückgriffsberechtigten Dritten aufgenommen hat. Dies dürfte in großen Konzernen kaum gelingen.410
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Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 8a KStG, Rz. 100 (Stand: 11.2008); ders., Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, 2. Aufl. 2008, Rz. 469. Siehe dazu bereits B.II.1. Nach BT-Drs. 16/4841, S. 74 f. und BMF v. 04.06.2008, BStBl. I 2008, 718, Rz. 83, soll hier jedoch auch eine faktische Rückgriffsmöglichkeit genügen. Kritisch: Köhler/Hahne, DStR 2008, 1505 (1516); Frotscher, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, 2. Aufl. 2008, Rz. 471; Ortmann-Babel/Zipfel, Ubg 2009, 813 (816). Nach BMF v. 04.06.2008, BStBl. I 2008, 718, Rz. 82 werden die Vergütungen mehrerer Fremdkapitalgeber zusammengezählt. Auch Fremdkapitalvergütungen ausländischer Gesellschaften sind insofern einzubeziehen, vgl. BMF v. 04.06.2008, BStBl. I 2008, 713, Rz. 82; Brunsbach/Syré, IStR 2008, 157 (159 f.); a.A.: Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 2008, S. 447 (505); Förster, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 8a, Rz. 98. Vgl. Brunsbach/Syré, IStR 2008, 157 (162 ff.); Mössner, in: Lüdicke, Unternehmensteuerreform 2008 im internationalen Umfeld, 2008, S. 1 (35); Förster, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 8a, Rz. 101. Nach a.A. sei hingegen die Höhe der Fremdkapitalvergütung mit dem Nettozinsaufwand derjenigen Konzerngesellschaft zu vergleichen, die dieses Fremdkapital von ihrem Gesellschafter aufnimmt, vgl. Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 2008, S. 447 (506); Möhlenbrock, Ubg 2008, 1 (11); Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 8a KStG, Rz. 169 (Stand: 11.2008). Dies ist abzulehnen. § 8a Abs. 3 Satz 1 KStG spricht vom „[Rechtsträger] im Sinne des § 4h Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes“. Dort ist nur vom „Betrieb“ und vom „Konzern“ die Rede. Insofern ist auf den Betrieb, d.h. auf die Konzerngesellschaft abzustellen, bezüglich deren Veranlagung die Voraussetzungen des § 4h EStG geprüft werden. Dafür spricht auch, dass die vom Gesellschafter fremdfinanzierte andere Konzerngesellschaft ggf. überhaupt keinen Nettozinsaufwand, sondern einen Nettozinsertrag ausweist. Vgl. auch Mössner, in: Lüdicke, Unternehmensteuerreform 2008 im internationalen Umfeld, 2008, S. 1 (31 f.); Förster, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 8a, Rz. 96; Hoffmann, Zinsschranke, 2008, Rz. 1188; Seiler, in: Kirchhof, EStG, 11. Aufl. 2012, § 4h, Rz. 59. Vgl. Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 8a KStG, Rz. 173 (Stand: 11.2008); Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008,
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b)
Rechtsfolgen
Liegen die Ausnahmen des § 4h Abs. 2 EStG nicht vor, sind Nettozinsaufwendungen, die 30% des steuerlichen EBITDA übersteigen, gemäß § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG nicht als Betriebsausgabe abzugsfähig. Sie werden stattdessen zeitlich unbegrenzt vorgetragen (Zinsvortrag).411 Für die Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2009 enden, wurde durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz412 zudem ein EBITDA-Vortrag eingeführt.413 Dieser wird in Höhe des nicht genutzten EBITDA414 vorgetragen und mindert in den folgenden fünf Jahren415 die nach § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG nicht abziehbaren Zinsaufwendungen. Ein Zinsvortrag wird dann nur noch in Höhe der ggf. verbleibenden Zinsaufwendungen gebildet. Es kann immer nur entweder ein Zins- oder ein EBITDA-Vortrag bestehen. Der EBITDA-Vortrag kann nach § 4h Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 EStG nur in den Jahren gebildet werden, in denen keine der Ausnahmen des § 4h Abs. 2 EStG vorliegt. Die Freigrenze des § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. a EStG ist dem Wortlaut nach aber nicht bei einem Nettozinsertrag einschlägig.416 Das Vorliegen der Konzern- und Escape-Klauseln kann in renditestarken Jahren später hingegen von Nachteil sein.417 Der EBITDA-
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2008, S. 447 (503); Hoffmann, Zinsschranke, 2008, Rz. 1162; Förster, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 8a, Rz. 103; Scheunemann/Dennisen, BB 2009, 2564 (2565); Herzig/Bohn, DStR 2009, 2341 (2346); Bien/Wagner, BB 2009, 2626 (2632); Rödding, DStR 2009, 2649 (2652). Siehe § 4h Abs. 1 Sätze 1, 2 und 5 EStG. Siehe § 4h Abs. 1 Satz 3 f. EStG i.d.F. des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes v. 22.12.2009, BGBl. I 2009, 3950. Einen EBITDA-Vortrag hatte bereits zuvor die FDPFraktion im Rahmen des Bürgerentlastungsgesetzes vorgeschlagen, vgl. BT-Drs. 16/12252, S. 2, was mit der damaligen Regierungsmehrheit jedoch abgelehnt worden war, vgl. BT-Drs 16/13429, S. 7. Einen vergleichbaren Vortrag sehen auch die USA und Italien vor, vgl. Peter, IFSt-Schrift Nr. 436, S. 75; Romani/Grabbe/Imbrenda, IStR 2008, 210 (211); Herzig/Bohn, DStR 2009, 2341 (2344 mit Fn. 40). Nach § 52 Abs. 12d Satz 5 EStG können auf Antrag im ersten Wirtschaftsjahr, das nach dem 31.12.2009 endet, bereits rückwirkend für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2006 beginnen und vor dem 01.01.2010 enden, EBITDA-Vorträge be- und verrechnet werden. Vgl. dazu näher Lenz/Dörfler/Adrian, Ubg 2010, 1 (3 f.). EBITDA-Vortrag = EBITDA x 0,3 – Zinsaufwendungen + Zinserträge, siehe § 4h Abs. 1 Satz 2 f. EStG. Die zeitliche Beschränkung wird von Vertretern der Finanzverwaltung mit der Vermeidung eines missbräuchlichen Handels mit „EBITDA-Mänteln“ verteidigt, vgl. Eisgruber, wiedergegeben von Viskorf, DStR 2010, Beihefter zu Heft 7, 1 (2). Vgl. Rödder, DStR 2010, 529 (530). Nach dem Sinn und Zweck des EBITDA-Vortrags soll der Steuerpflichtige gerade von einem Nettozinsertrag profitieren. Kritisch: Bien/Wagner, BB 2009, 2626 (2632); Herzig/Bohn, DStR 2009, 2341 (2345); Ortmann-Babel/Zipfel, Ubg 2009, 813 (814); Schneider/Roderburg, FR 2010, 58 (63); Kessler/Lindemer, DB 2010, 472 (474 ff.). Nach Eisgruber soll sich der Verweis nur auf die Escape-Klausel beziehen, wiedergegeben von Viskorf, DStR 2010, Beihefter zu Heft 7, 1 (2).
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
Vortrag sorgt dafür, dass Unternehmen, die in nur wenigen Krisenjahren die 30%-Grenze unterschreiten, der Zinsabzugsbeschränkung entgehen können. Er hilft jedoch weder neu gegründeten Unternehmen, die Anfangsverluste ausweisen, noch Unternehmen mit längeren Krisenzeiten.418 § 4h EStG sieht keine Rechtsfolge für den Empfänger der Zinsen mehr vor – insbesondere erfolgt keine Umqualifikation in eine verdeckte Gewinnausschüttung wie bei § 8a KStG a.F. Die Zinsabzugsbeschränkung und der Zinsvortrag haben damit unweigerlich eine zumindest temporäre wirtschaftliche Doppelbesteuerung zur Folge.419 Der Zinsvortrag erhöht in den Folgejahren den Zinsaufwand, aber nicht das steuerliche EBITDA.420 Dadurch erhöht sich die Gefahr, dass auch im Folgejahr die Zinsschranke greift und der Zinsvortrag ggf. nie geltend gemacht werden kann.421 Bei einem gleich bleibenden operativen Nettozinsaufwand werden für 1 € Zinsvortrag ein zusätzliches EBITDA von 3,33 € benötigt. Der Zinsvortrag kann also in den Folgejahren nur bei einer deutlichen Reduktion der Zinsaufwendungen bzw. einer deutlichen Erhöhung des EBITDA geltend gemacht werden.422 Er kann ferner voll genutzt werden, wenn in einem Folgejahr die Ausnahmen des § 4h Abs. 2 greifen, insbesondere wenn die Gesellschaft aus dem Konzern ausscheidet oder der Eigenkapitalvergleich gelingt und gleichzeitig keine schädliche Gesellschafter-Fremdfinanzierung vorliegt.423 Der Zinsvortrag erhöht jedoch auch den Nettozinsaufwand bezüglich der Freigrenze des § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. a EStG.424 418 Kritisch: Herzig/Bohn, DStR 2009, 2341 (2344 f.); Rödding, DStR 2009, 2649 (2652); Schneider/Roderburg, FR 2010, 58 (64); Goebel/Eilinghoff, DStZ 2010, 550 (555); Süß/Wilke, SteuerStud 2010, 561 (568). 419 Kritisch insbesondere: Kessler/Köhler/Knörzer, IStR 2007, 418 ff.; Herzig, IStR 2009, 870 (873). Siehe zur wirtschaftlichen Doppelbesteuerung auch B.IV. 420 Siehe § 4h Abs. 1 Satz 6 EStG. 421 Vgl. nur Watrin/Pott/Richter, StuW 2009, 256 (260 ff.). Diese weisen für 287 Modellunternehmen, die nach den Daten der Unternehmensdatenbank „Dafne“ im Jahr 2002 der Zinsschranke unterfallen wären, empirisch nach, dass sämtliche Unternehmen bis 2006 den Zinsvortrag nicht abgebaut hätten. 422 Vgl. Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 2008, S. 447 (463); Förster, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 4h EStG Exkurs, Rz. 27; Hoffmann, Zinsschranke, 2008, Rz. 227 ff. u. 681 f.; Süß/Wilke, SteuerStud 2010, 561 (566); Loschelder, in: Schmidt, EStG, 31. Aufl. 2012, § 4h, Rz. 13. Daher schlagen Kessler/Dietrich, DB 2010, 240 (242, 244) vor, per Wahlrecht auf den Zinsvortrag verzichten zu können. Andererseits weist Pummerer, FS Djanani, 2008, S. 505 (528) darauf hin, dass der Zinsvortrag im Einzelfall gegenüber dem alternativ entstehenden Verlustvortrag auch vorteilhaft sein kann, weil dieser abhängig von den Abschreibungen ggf. schneller verrechnet werden könne. 423 Siehe § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. b und c EStG, § 8a Abs. 2 f. KStG. Siehe B.II.2.a)bb). Vgl. Hoffmann, Zinsschranke, 2008, Rz. 682 f.; Rödder/Stangl, DB 2007, 479 (482); Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 2008,
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Strukturvergleich von Verrechnungspreis- und Unterkapitalisierungsvorschriften
Für den Steuerpflichtigen besteht zudem die Gefahr, dass der Zins- oder der EBITDA-Vortrag untergehen. Dies ist nach § 4h Abs. 5 Satz 1 EStG der Fall, wenn die Konzerngesellschaft aufgegeben oder übertragen wird. Eine Übertragung liegt auch bei einer Umwandlung vor.425 Für den Fall der Übertragung von Anteilen verweist § 8a Abs. 1 Satz 3 KStG ausschließlich für den Zinsvortrag426 auf § 8c KStG: Werden innerhalb von fünf Jahren mehr als 25% der Anteile an der Konzerngesellschaft übertragen, geht der Zinsvortrag anteilig unter; bei Übertragung von mehr als 50% zur Gänze, es sei denn Veräußerer und Erwerber gehören zu jeweils 100% demselben Konzern an.427
III. Strukturvergleich von Verrechnungspreis- und Unterkapitalisierungsvorschriften Verrechnungspreis- und Unterkapitalisierungsvorschriften ermöglichen jeweils eine Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen. Beide zielen darauf ab, zwischen diesen bestehende Gewinnverlagerungsmöglichkeiten einzuschränken, die aufgrund der fehlenden Interessengegensätze im Konzern bestehen. Im Abkommensrecht werden beide Normengruppen daher auch über Art. 9 OECD-MA behandelt.428 Die Verrechnungspreisvorschriften weisen einen weiteren sachlichen Anwendungsbereich als die Unterkapitalisierungsvorschriften auf: Sie erfassen sämtliche Lieferungs- und Leistungsbeziehungen zwischen verbundenen Unter-
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S. 447 (463); Möhlenbrock, Ubg 2008, 1 (5 f.); Holst, in: Lüdicke/Kempf/Brink, Verluste im Steuerrecht, 2010, S. 73. Vgl. BMF v. 04.06.2008, BStBl. I 2008, 718, Rz. 46; Mössner, in: Lüdicke, Unternehmensteuerreform 2008 im internationalen Umfeld, 2008, S. 1 (19); Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 2008, S. 447 (463); Seiler, in: Kirchhof, EStG, 11. Aufl. 2012, § 4h, Rz. 33; Loschelder, in: Schmidt, EStG, 31. Aufl. 2012, § 4h, Rz. 11. Kritisch: Köhler/Hahne, DStR 2008, 1505 (1512). A.A.: Förster, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 4h EStG Exkurs, Rz. 64; wohl auch: Hoffmann, in: Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 4h, Rz. 152 (Stand: 02.2008). Vgl. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl. 2008, § 11, Rz. 54; Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 2008, S. 447 (464 f.); Hoffmann, Zinsschranke, 2008, Rz. 751; Förster, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 4h EStG Exkurs, Rz. 24; Loschelder, in: Schmidt, EStG, 31. Aufl. 2012, § 4h, Rz. 32. Vgl. auch Herzig/Bohn, DStR 2009, 2341 (2345); Bien/Wagner, BB 2009, 2626 (2632); Rödding, DStR 2009, 2649 (2651); Lenz/Dörfler/Adrian, Ubg 2010, 1 (5). Dies betrachten Schneider/Roderburg, FR 2010, 58 (63) aufgrund der Begrenzung des EBITDAVortrags auf fünf Jahre als sachgerecht. Siehe § 8c Abs. 1 Satz 6 KStG i.d.F. des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes v. 22.12.2009, BGBl. I 2009, 3950. Zudem geht der Zinsvortrag nicht insoweit unter, als hinsichtlich der Beteiligung stille Reserven bestehen, die die nicht genutzten Verluste i.S.v. § 8c Abs. 1 Satz 1 bzw. 2 KStG übersteigen, siehe §§ 8a Abs. 1 Satz 3; 8c Abs. 1 Satz 6 f. KStG i.d.F. des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes. Siehe dazu B.IV.
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Strukturvergleich von Verrechnungspreis- und Unterkapitalisierungsvorschriften
Für den Steuerpflichtigen besteht zudem die Gefahr, dass der Zins- oder der EBITDA-Vortrag untergehen. Dies ist nach § 4h Abs. 5 Satz 1 EStG der Fall, wenn die Konzerngesellschaft aufgegeben oder übertragen wird. Eine Übertragung liegt auch bei einer Umwandlung vor.425 Für den Fall der Übertragung von Anteilen verweist § 8a Abs. 1 Satz 3 KStG ausschließlich für den Zinsvortrag426 auf § 8c KStG: Werden innerhalb von fünf Jahren mehr als 25% der Anteile an der Konzerngesellschaft übertragen, geht der Zinsvortrag anteilig unter; bei Übertragung von mehr als 50% zur Gänze, es sei denn Veräußerer und Erwerber gehören zu jeweils 100% demselben Konzern an.427
III. Strukturvergleich von Verrechnungspreis- und Unterkapitalisierungsvorschriften Verrechnungspreis- und Unterkapitalisierungsvorschriften ermöglichen jeweils eine Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen. Beide zielen darauf ab, zwischen diesen bestehende Gewinnverlagerungsmöglichkeiten einzuschränken, die aufgrund der fehlenden Interessengegensätze im Konzern bestehen. Im Abkommensrecht werden beide Normengruppen daher auch über Art. 9 OECD-MA behandelt.428 Die Verrechnungspreisvorschriften weisen einen weiteren sachlichen Anwendungsbereich als die Unterkapitalisierungsvorschriften auf: Sie erfassen sämtliche Lieferungs- und Leistungsbeziehungen zwischen verbundenen Unter-
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S. 447 (463); Möhlenbrock, Ubg 2008, 1 (5 f.); Holst, in: Lüdicke/Kempf/Brink, Verluste im Steuerrecht, 2010, S. 73. Vgl. BMF v. 04.06.2008, BStBl. I 2008, 718, Rz. 46; Mössner, in: Lüdicke, Unternehmensteuerreform 2008 im internationalen Umfeld, 2008, S. 1 (19); Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 2008, S. 447 (463); Seiler, in: Kirchhof, EStG, 11. Aufl. 2012, § 4h, Rz. 33; Loschelder, in: Schmidt, EStG, 31. Aufl. 2012, § 4h, Rz. 11. Kritisch: Köhler/Hahne, DStR 2008, 1505 (1512). A.A.: Förster, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 4h EStG Exkurs, Rz. 64; wohl auch: Hoffmann, in: Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 4h, Rz. 152 (Stand: 02.2008). Vgl. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl. 2008, § 11, Rz. 54; Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 2008, S. 447 (464 f.); Hoffmann, Zinsschranke, 2008, Rz. 751; Förster, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 4h EStG Exkurs, Rz. 24; Loschelder, in: Schmidt, EStG, 31. Aufl. 2012, § 4h, Rz. 32. Vgl. auch Herzig/Bohn, DStR 2009, 2341 (2345); Bien/Wagner, BB 2009, 2626 (2632); Rödding, DStR 2009, 2649 (2651); Lenz/Dörfler/Adrian, Ubg 2010, 1 (5). Dies betrachten Schneider/Roderburg, FR 2010, 58 (63) aufgrund der Begrenzung des EBITDAVortrags auf fünf Jahre als sachgerecht. Siehe § 8c Abs. 1 Satz 6 KStG i.d.F. des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes v. 22.12.2009, BGBl. I 2009, 3950. Zudem geht der Zinsvortrag nicht insoweit unter, als hinsichtlich der Beteiligung stille Reserven bestehen, die die nicht genutzten Verluste i.S.v. § 8c Abs. 1 Satz 1 bzw. 2 KStG übersteigen, siehe §§ 8a Abs. 1 Satz 3; 8c Abs. 1 Satz 6 f. KStG i.d.F. des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes. Siehe dazu B.IV.
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
nehmen. Der Anwendungsbereich der Unterkapitalisierungsvorschriften, die Überlassung von Fremdkapital, wird auch von den Verrechnungspreisvorschriften miterfasst. Letztere sind in einer steuerlichen Veranlagung zuerst zu prüfen.429 Sie ermöglichen eine Einkünftekorrektur, wenn die zwischen den verbundenen Unternehmen vereinbarte Fremdkapitalvergütung nicht dem Fremdvergleich entspricht. Aufgrund der steuerlichen Abzugsfähigkeit des Zinsaufwands bei gleichzeitig alleiniger Besteuerung der Zinsen im Ansässigkeitsstaat des Zahlungsempfängers, werden Gewinne auch bei fremdüblichen Zinssätzen verlagert.430 In der Folge ist es attraktiv, verbundene Unternehmen, die in Staaten mit einem höheren Steuerniveau ansässig sind, zu marktüblichen Zinssätzen zu einem hohen Anteil fremd zu finanzieren. Hier setzen die Unterkapitalisierungsvorschriften an. Sie erlauben auch die Korrektur eines fremdunüblichen Anteils der Fremdfinanzierung. Nach den Verrechnungspreisvorschriften setzen sie der grenzüberschreitenden Gewinnverlagerung zwischen verbundenen Unternehmen damit eine zweite Grenze. Durch beide wird die Gewinnverlagerung aufgrund Gesellschafter-Fremdfinanzierungen jedoch nicht ausgeschlossen, sondern nur begrenzt. Denn Verrechnungspreisund Unterkapitalisierungsvorschriften stellen keine steuerliche Gleichbehandlung von Eigen- und Fremdkapital her, weil sie nicht an den für die Ungleichbehandlung ursächlichen Grundentscheidungen des internationalen Steuerrechts ansetzen. Unter diesen Rahmenbedingungen sowie unter der Anerkennung des Trennungsprinzips kann Deutschland eine grenzüberschreitende Gewinnverlagerung, die in begrenzter Höhe auch bei fremdüblichen Zinssätzen und Eigenkapitalquoten entsteht, letztlich nicht verhindern. Den Staaten stehen unterschiedliche Konzepte zur Verfügung, um unter den bestehenden Rahmenbedingungen eine grenzüberschreitende Gewinnverlagerung durch Lieferungs- und Leistungsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen zu begrenzen. Von deren Wahl hängt es ab, wie ähnlich sich Verrechnungspreis- und Unterkapitalisierungsvorschriften sind. Das Konzept einer globalen Gewinnaufteilung im Rahmen der Einheitsbesteuerung eines Konzerns könnte sowohl Verrechnungspreis- als auch Unterkapitalisierungsvorschriften überflüssig machen.431 Ein derartiges Konzept kann jedoch praktisch nur in einer integrierten Steuerrechtsordnung funktionieren.432 Aber selbst wenn in der EU das System einer gemeinsamen konsolidierten Körper429 Vgl. etwa Goebel/Eilinghoff, IStR 2008, 233 (237); dies./Busenius, DStZ 2010, 742 (743, 746); Herzig/Bohn, IStR 2009, 253 (254); Wehrheim/Haussmann, StuW 2009, 269 (270 ff.). Dadurch wird zugleich eine doppelte Einkünftekorrektur durch Verrechnungspreis- und Unterkapitalisierungsvorschriften verhindert. 430 Siehe A.II. 431 Siehe dazu bereits A. mit Fn. 6, B.I.1.d)cc) mit Fn. 161 sowie später ausführlich C.II.5.b). 432 Vgl. Nientimp, Steuerliche Gewinnabgrenzung in internationalen Konzernen, 2003, S. 174 u. 193; Rödder, FS Lang, 2010, S. 1147 (1159).
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Strukturvergleich von Verrechnungspreis- und Unterkapitalisierungsvorschriften
schaftsteuer-Bemessungsgrundlage433 eingeführt werden würde, blieben Einkünftekorrekturvorschriften für den Handel mit verbundenen Unternehmen außerhalb dieses Systems weiterhin erforderlich.434 Verrechnungspreis- und Unterkapitalisierungsvorschriften weisen zueinander eine große Ähnlichkeit auf, wenn auch die Unterkapitalisierungsvorschriften Korrekturen anhand des Fremdvergleichsgrundsatzes vorsehen, wie es vom OECD Committee on Fiscal Affairs im Bericht von 1987435 empfohlen wird. Zu dieser Kategorie von Unterkapitalisierungsvorschriften zählt auch § 8a KStG a.F.436 Derartige Unterkapitalisierungsvorschriften dienen wie die Verrechnungspreisvorschriften dem Ziel der Gewinnzuordnung zwischen verbundenen Unternehmen. Sie können einer wettbewerbsneutralen und lastengerechten Besteuerung einerseits und einer zwischenstaatlich fairen Gewinnaufteilung andererseits im Unterschied zu den Verrechnungspreisvorschriften437 aber nicht vollständig gerecht werden, weil auch bei fremdüblichen Verschuldungsgraden Gewinne zwischen Steuerpflichtigen und Staaten verlagert werden. Gegenüber Verrechnungspreisvorschriften steht der Missbrauchsaspekt bei Unterkapitalisierungsvorschriften zudem stärker im Vordergrund: Die Freiheit, eine Gesellschaft mit Eigen- oder Fremdkapital zu finanzieren, stößt nämlich auch dort an ihre Grenze, wo die Finanzierungsstruktur missbräuchlich wird. Einige Mitgliedstaaten behandeln die Unterkapitalisierung daher auch allein über ihre allgemeinen Missbrauchsvorschriften.438 Bei Verrechnungspreisen stellt sich hingegen keine vergleichbare Wahl wie diejenige zwischen Eigen- und Fremdfinanzierung, sondern allein die Frage der Fremdüblichkeit. Weicht ein Verrechnungspreis vom Fremdüblichen ab, kann dies – insbesondere aufgrund der Schwierigkeit der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes – nicht automatisch mit Missbrauch gleichgesetzt werden.439 Verrechnungspreisvorschriften werden daher von OECD und Wissenschaft nicht als Missbrauchsvorschriften verstanden.440 Gleichwohl sind sie abstrakt auch gegen eine miss433 Siehe dazu den Richtlinienentwurf der Kommission v. 16.03.2011, KOM(2011) 121 endg. 434 Siehe im Einzelnen C.II.5.b). 435 OECD Committee on Fiscal Affairs, Thin Capitalisation, 1987, Tz. 70 ff. 436 Siehe B.II.1. 437 Siehe dazu B.I.1.a), B.I.1.b) und B.I.2.c). 438 Siehe A.II. mit Fn. 41. Dazu zählte bis 1993 auch Deutschland, siehe B.II.1. 439 Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 1.2: „Tax administrations should not automatically assume that associated enterprises have sought to manipulate their profits. There may be a genuine difficulty in accurately determining a market price in the absence of market forces or when adopting a particular commercial strategy.” Ähnlich OECD-RL 2010, Tz. 1.11. 440 Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 1.2: “The consideration of transfer pricing should not be confused with the consideration of problems of tax fraud or tax avoidance”; Wittendorf, BIT 2009, 107 (109 f.); ders., Transfer Pricing and the Arm’s Length Principle in International Tax Law, 2010, S. 147 f.; Cottani, BIT 2010, 463 (465 f.); Schön, IStR 2011,
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
bräuchliche Gewinnverlagerung in Niedrigsteuerstaaten gerichtet, zu der es ohne Einkünftekorrekturnormen in einem hoch besteuernden Staat kommen würde.441 Zudem kann die fremdunübliche Verrechnungspreisvereinbarung in Einzelfällen auch missbräuchlich sein.442 Im Unterschied zu § 8a KStG a.F. sieht die Zinsschranke in den §§ 4h EStG, 8a KStG keinen Fremdvergleich mehr vor.443 Die Norm hat sich insofern von den Strukturen der international üblichen Einkünftekorrekturnormen entfernt. An späterer Stelle wird daher untersucht, ob § 4h EStG überhaupt noch mit Art. 9 OECD-MA vereinbar ist.444 Aufgrund der Abkehr vom Fremdvergleich kann die Zinsschranke auch nicht mehr zu einer Gewinnzuordnung zwischen verbundenen Unternehmen beitragen.445 Inwieweit sie dann überhaupt noch den Zielen einer wettbewerbsneutralen und gerechten Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit dienen kann, ist fraglich – dies wird im Rahmen der Vereinbarkeit der Vorschrift mit Europa- und Verfassungsrecht zu untersuchen sein.446 Die Zinsschranke basiert letztlich auf einem völlig anderen Konzept als § 8a KStG a.F.: Es kommt nicht mehr auf die Fremdüblichkeit des Verschuldungsgrads an, sondern darauf, ob der Nettozinsaufwand 30% einer steuerlichen Ergebnisgröße übersteigt. Ein Fremdvergleich ist im Rahmen des § 4h Abs. 1 EStG konzeptionell völlig ausgeschlossen, weil die Norm auch Zinsaufwendungen gegenüber fremden Dritten erfasst. In der Folge ist der sachliche Anwendungsbereich der Zinsschranke hinsichtlich Fremdfinanzierungen deutlich weiter als derjenige der deutschen Verrechnungspreisvorschriften. Ein Fremdvergleich wäre bei der Zinsschranke allenfalls im Rahmen der Rückausnahmen des § 8a Abs. 2 und 3 KStG möglich, die speziell auf Gesellschafter-Fremdfinanzierungen abstellen. Aber auch diesbezüglich hat der Gesetzgeber nur feste Grenzwerte vorgesehen, die einem echten Fremdvergleich nicht gerecht werden. Der Tatbestand der Rückausnahmen ähnelt § 1 AStG nur bezüglich des persönlichen Anwendungsbereichs: Als Fremdkapitalgeber werden wesentlich mit mehr als 25% beteiligte Gesellschafter sowie
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777 (780); a.A.: Li/Sandler, Canadian Tax Journal 1997, 891 (919, 921); Pogorelova, Intertax 2009, 683 (685 f.); van Thiel/Vascega, ET 2010, 334 (337); Schönfeld, IStR 2012, 215. Siehe dazu A. Darauf stellt insbesondere der EuGH ab, vgl. Urt. v. 21.01.2010, C311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 67 f., siehe dazu noch ausführlich C.I.2.c)cc). Vgl. auch Schön, World Tax Journal 2010, 227 (232); ders., IStR 2011, 777 (780); ferner: Li/Sandler, Canadian Tax Journal 1997, 891 (921); Baßler, Steuerliche Gewinnabgrenzung im Europäischen Binnenmarkt, 2011, S. 206 ff. Vgl. im Umkehrschluss auch OECD-RL 2010, Tz. 1.2 und 1.11. Siehe B.II.2.a). Die Escape-Klausel des § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. c EStG sieht nur einen konzerninternen Vergleich der Eigenkapitalquoten, aber keinen Fremdvergleich vor, vgl. Hey, FS Djanani, 2008, S. 109 (112). Siehe dazu B.IV.1.b). Vgl. Hey, FS Djanani, 2008, S. 109 (110). Siehe bereits B.II.2. Siehe C.II.2. und C.II.4.
Entstehung und Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbesteuerung
nahe stehende Personen i.S.v. § 1 Abs. 2 AStG erfasst. Als Rechtsfolge sieht § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG die Nichtabzugsfähigkeit der Zinsen vor. Die Zinsschranke hat sich auch diesbezüglich von den deutschen Verrechnungspreisvorschriften strukturell entfernt.447
IV. Entstehung und Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbesteuerung In grenzüberschreitenden Sachverhalten führen die deutschen Einkünftekorrekturnormen häufig zu einer unerwünschten Doppelbesteuerung: Liefert ein ansässiges Unternehmen Waren an ein gebietsfremdes verbundenes Unternehmen zu einem unangemessen niedrigen Preis, wird nach den deutschen Verrechnungspreisvorschriften das Einkommen des liefernden Unternehmens erhöht. In der Folge steigt die inländische Körperschaftsteuerbelastung.448 Erfolgt im Ausland keine oder eine zu niedrige korrespondierende Einkünftekorrektur beim gebietsfremden Unternehmen, kommt es zu einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung, das heißt eine „Besteuerung derselben Einkünfte […] bei zwei verschiedenen Personen“449. Ist die Korrektur im Ausland zu hoch, folgt hingegen eine teilweise doppelte Nichtbesteuerung. In einem reinen Inlandsfall sind diese Effekte aufgrund einer einheitlichen Korrektur beim liefernden und empfangenden Unternehmen in aller Regel ausgeschlossen. Auch die Zinsschranke kann aufgrund der Nichtabzugsfähigkeit des Zinsaufwands zu höheren Einkünften führen. Dann entsteht selbst im Inlandsfall durch den Zinsvortrag eine zumindest temporäre wirtschaftliche Doppelbesteuerung. Ob diese vermieden werden kann, ist fraglich. Eine Umqualifikation der Zinsen in Dividenden wie bei § 8a KStG a.F. findet jedenfalls nicht statt.450 Auf diese Weise konnte in einem Inlandsfall die wirtschaftliche Doppelbesteuerung vermieden werden; in einem grenzüberschreitenden Fall war 447 Vgl. auch Wehrheim/Haussmann, StuW 2009, 269. Dabei sei angemerkt, dass auch international bei Unterkapitalisierungsvorschriften ein Trend hin zum Abzugsverbot besteht, vgl. Obser, Gesellschafter-Fremdfinanzierung im europäischen Konzern, 2005, S. 140; Kessler/Köhler/Knörzer, IStR 2007, 418; Herzig/Bohn, IStR 2009, 253 (259); dies., DStR 2009, Beihefter zu Heft 29, 61; Bauer, StuW 2009, 163 (166); Herzig, IStR 2009, 870 (873). Der Begriff des Abzugsverbots darf aber nicht mit dem Konzept der Zinsschranke verwechselt werden. International bestehen zwei unterschiedliche Konzepte für die Behandlung als schädlich qualifizierter Fremdkapitalvergütungen: Einerseits die Umqualifikation in verdeckte Gewinnausschüttungen, andererseits das Abzugsverbot. 448 Siehe bereits B.I.1.a)bb), B.I.1.b)bb) und B.I.2.a). 449 OECD-MK, Art. 23, Tz. 2. Das Gegenteil ist die juristische Doppelbesteuerung, die im OECD-MK, Einleitung, Tz. 1 definiert wird als die „Erhebung vergleichbarer Steuern in zwei (oder mehreren) Staaten von demselben Steuerpflichtigen für denselben Steuergegenstand und denselben Zeitraum“. 450 Siehe bereits B.II.2.b).
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Entstehung und Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbesteuerung
nahe stehende Personen i.S.v. § 1 Abs. 2 AStG erfasst. Als Rechtsfolge sieht § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG die Nichtabzugsfähigkeit der Zinsen vor. Die Zinsschranke hat sich auch diesbezüglich von den deutschen Verrechnungspreisvorschriften strukturell entfernt.447
IV. Entstehung und Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbesteuerung In grenzüberschreitenden Sachverhalten führen die deutschen Einkünftekorrekturnormen häufig zu einer unerwünschten Doppelbesteuerung: Liefert ein ansässiges Unternehmen Waren an ein gebietsfremdes verbundenes Unternehmen zu einem unangemessen niedrigen Preis, wird nach den deutschen Verrechnungspreisvorschriften das Einkommen des liefernden Unternehmens erhöht. In der Folge steigt die inländische Körperschaftsteuerbelastung.448 Erfolgt im Ausland keine oder eine zu niedrige korrespondierende Einkünftekorrektur beim gebietsfremden Unternehmen, kommt es zu einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung, das heißt eine „Besteuerung derselben Einkünfte […] bei zwei verschiedenen Personen“449. Ist die Korrektur im Ausland zu hoch, folgt hingegen eine teilweise doppelte Nichtbesteuerung. In einem reinen Inlandsfall sind diese Effekte aufgrund einer einheitlichen Korrektur beim liefernden und empfangenden Unternehmen in aller Regel ausgeschlossen. Auch die Zinsschranke kann aufgrund der Nichtabzugsfähigkeit des Zinsaufwands zu höheren Einkünften führen. Dann entsteht selbst im Inlandsfall durch den Zinsvortrag eine zumindest temporäre wirtschaftliche Doppelbesteuerung. Ob diese vermieden werden kann, ist fraglich. Eine Umqualifikation der Zinsen in Dividenden wie bei § 8a KStG a.F. findet jedenfalls nicht statt.450 Auf diese Weise konnte in einem Inlandsfall die wirtschaftliche Doppelbesteuerung vermieden werden; in einem grenzüberschreitenden Fall war 447 Vgl. auch Wehrheim/Haussmann, StuW 2009, 269. Dabei sei angemerkt, dass auch international bei Unterkapitalisierungsvorschriften ein Trend hin zum Abzugsverbot besteht, vgl. Obser, Gesellschafter-Fremdfinanzierung im europäischen Konzern, 2005, S. 140; Kessler/Köhler/Knörzer, IStR 2007, 418; Herzig/Bohn, IStR 2009, 253 (259); dies., DStR 2009, Beihefter zu Heft 29, 61; Bauer, StuW 2009, 163 (166); Herzig, IStR 2009, 870 (873). Der Begriff des Abzugsverbots darf aber nicht mit dem Konzept der Zinsschranke verwechselt werden. International bestehen zwei unterschiedliche Konzepte für die Behandlung als schädlich qualifizierter Fremdkapitalvergütungen: Einerseits die Umqualifikation in verdeckte Gewinnausschüttungen, andererseits das Abzugsverbot. 448 Siehe bereits B.I.1.a)bb), B.I.1.b)bb) und B.I.2.a). 449 OECD-MK, Art. 23, Tz. 2. Das Gegenteil ist die juristische Doppelbesteuerung, die im OECD-MK, Einleitung, Tz. 1 definiert wird als die „Erhebung vergleichbarer Steuern in zwei (oder mehreren) Staaten von demselben Steuerpflichtigen für denselben Steuergegenstand und denselben Zeitraum“. 450 Siehe bereits B.II.2.b).
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
es jedoch keinesfalls gesichert, dass der ausländische Staat die Umqualifikation auch nachvollzog.451 Eine internationale Doppelbesteuerung führt zu einer Beeinträchtigung des grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs452 und ist auch vor dem Hintergrund des Leistungsfähigkeitsprinzips bedenklich. Um dies zu vermeiden, haben viele Staaten untereinander Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen, die sich in der Regel am OECD-MA orientieren. Darin verpflichten sich die Vertragsstaaten, das ihnen kraft ihrer Souveränität zustehende Besteuerungsrecht ggf. nur eingeschränkt auszuüben.453 Die wirtschaftliche Doppelbesteuerung, die durch nationale Verrechnungspreis- und Unterkapitalisierungsvorschriften entsteht, soll im OECD-MA durch Art. 9 verhindert werden: Dieser sieht eine Einkünftekorrektur anhand des Fremdvergleichsgrundsatzes vor, wenn verbundene Unternehmen untereinander in ihren kaufmännischen oder finanziellen Beziehungen Bedingungen vereinbaren, die von denen abweichen, die unabhängige Dritte untereinander vereinbart hätten. Art. 9 OECD-MA entsprechende DBA-Artikel stellen jedoch keine unmittelbar anwendbare Rechtsgrundlage dar, sondern ermächtigen lediglich die Vertragsstaaten, nach nationalem Recht Einkünftekorrekturen vorzunehmen.454 Bei
451 Vgl. OECD-MK, Art. 23, Tz. 67 f.; Obser, Gesellschafter-Fremdfinanzierung im europäischen Konzern, 2005, S. 34 f., 141 ff.; Hiller, Gesellschafter-Fremdfinanzierung und Diskriminierungsverbote, 2008, S. 139 ff.; Bauer, StuW 2009, 163 (168) jeweils m.w.N. 452 Vgl. etwa OECD-RL 2010, Tz. 4.2: „Double taxation is undesirable and should be eliminated whenever possible, because it constitutes a potential barrier to the development of international trade and investment flows.“ Vgl. Kommission v. 23.10.2001, SEK(2001) 1681, S. 303: „Doppelbesteuerung ist ein ernstes Hindernis für den Binnenmarkt. Durch (gesetzliche) Verrechnungspreisvorschriften verursachte Doppelbesteuerung sollte grundsätzlich vermieden werden.“ Siehe auch C.I.2.b)bb)(2)(i). 453 Dies kann auf zwei Arten geschehen: Entweder verzichtet einer der Staaten auf sein Besteuerungsrecht (Freistellungsmethode) oder ein Staat rechnet die Steuer des anderen an (Anrechnungsmethode). Im letzteren Fall ist zumeist das Besteuerungsrecht des Quellenstaates prozentual begrenzt. Vgl. etwa Lang, Einführung in das Recht der DBA, 2. Aufl. 2002, Rz. 41 ff. 454 Dies ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA: „dürfen“. Vgl. zur fehlenden self-executing-Wirkung des Art. 9 OECD-MA: BFH, Urt. v. 12.03.1980, I R 186/76, BStBl. II 1980, 531 (532 f.); Urt. v. 21.01.1981, I R 153/77, BStBl. II 1981, 517; Bschl. v. 21.06.2001, I B 141/00, BFHE 195, 398 (401); Eigelshoven, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 9, Rz. 18 f.; Wassermeyer, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. 99 (Stand: 10.2002); ders., in: D/W, DBA, Art. 9 OECD-MA, Rz. 76 (Stand: 05.2004); Lang, in: Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, 1994, S. 127 (131); Frotscher, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2009, Rz. 568; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2011, Rz. 16.291. Früher noch a.A.: Schmitz, Kommentar zum internationalen Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland, 1957, S. 473; Menck, DStZ Ausgabe A
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Entstehung und Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbesteuerung
Zins- und Lizenzzahlungen ermöglichen dies ggf. auch Art. 11 Abs. 6 bzw. Art. 12 Abs. 4 OECD-MA entsprechende DBA-Artikel. Art. 9 OECD-MA und die zu seiner Auslegung herangezogenen OECD-RL haben die Funktion, den Fremdvergleich zur Vermeidung einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung international zu vereinheitlichen.455 Die wirtschaftliche Doppelbesteuerung soll durch zwei Maßnahmen vermieden werden: Mit Art. 9 Abs. 1 OECD-MA wird die Einkünftekorrektur (Erstberichtigung) auf den Fremdvergleichswert beschränkt. Art. 9 Abs. 2 sieht dann vor, dass der andere Staat eine korrespondierende Einkünftekorrektur (Gegenberichtigung) anhand desselben Fremdvergleichswerts vornimmt. Erst durch die Vereinheitlichung der Erst- und Gegenberichtigung kann die Doppelbesteuerung vermieden werden. Im Folgenden soll beispielhaft anhand des Art. 9 OECD-MA untersucht werden, ob die deutschen Einkünftekorrekturnormen dem internationalen Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen, oder ob DBA mit Art. 9 Abs. 1 OECD-MA entsprechender Vorschrift den deutschen Einkünftekorrekturnormen Schranken setzen. Anschließend werden das Verfahren, die Schwierigkeiten sowie die Erfolgsaussichten einer Gegenberichtigung analysiert.
1.
Schrankenwirkung des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA
a)
Verrechnungspreisvorschriften
Die Finanzverwaltung456 und Teile der Literatur457 haben eine Schrankenwirkung des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA lange bestritten und die Norm als rein deklaratorisch angesehen. Diese Ansicht ist abzulehnen: Art. 9 Abs. 1 OECDMA kann seiner Funktion zur internationalen Vereinheitlichung des Fremdver1972, 65 (68); Bellstedt, Die Besteuerung international verflochtener Gesellschaften, 1973, S. 431. 455 Vgl. zu Art. 9 OECD-MA: Wassermeyer, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. 99 (Stand: 10.2002); ders., in: D/W, DBA, Art. 9 OECD-MA, Rz. 77 (Stand: 05.2004); Baumhoff, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl. 2005, Rz. C 265; BMF v. 23.02.1983, BStBl. I 1983, 218, Tz. 1.2.1. Weiteres Ziel des Art. 9 OECD-MA ist eine zwischenstaatlich faire Gewinnaufteilung, vgl. Wittendorf, BIT 2009, 107 (108 f.); ders., Transfer Pricing and the Arm’s Length Principle in International Tax Law, 2010, S. 7 f.; Cottani, BIT 2010, 463 (465); Schön, World Tax Journal 2010, 227 (230); ders., IStR 2011, 777 (782). 456 Vgl. BMF v. 23.02.1983, BStBl. I 1983, 218, Tz. 1.2.1; v. 14.05.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, S. 3, Tz. 0. 457 Vgl. Debatin, DStZ Ausgabe A 1971, 385 (388); Menck, DStZ Ausgabe A 1972, 65 (68); ders., in: Blümich, EStG u.a., § 1 AStG, Rz. 18 (Stand: 06.2008); Höppner, StBp 1981, 56 (57). Diese Ansicht wurde auch vom OECD Committee on Fiscal Affairs, Thin Capitalisation, 1987, Tz. 29 lit. b, 30 als eine mögliche Interpretation des Art. 9 OECD-MA diskutiert, letztlich aber abgelehnt, vgl. Tz. 50 u. 64, dazu Portner, IStR 1996, 23 (25). Vgl. auch OECD-MK, Art. 9, Tz. 4.
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
gleichs und zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nämlich nur gerecht werden, wenn er den nationalen Einkünftekorrekturnormen Schranken setzt.458 Legen die Vertragsstaaten unterschiedliche Maßstäbe an eine Einkünftekorrektur derselben grenzüberschreitenden Lieferungs- und Leistungsbeziehung an, ist eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung oder doppelte Nichtbesteuerung unvermeidlich. Ließe sich diese durch Art. 9 OECD-MA nicht verhindern, wäre die Norm schlicht überflüssig.459 Die herrschende Meinung460 geht daher zu Recht von der Schrankenwirkung des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA gegenüber den nationalen Einkünftekorrekturnormen aus. Dieser Auffassung hat sich zuletzt auch die Finanzverwaltung angeschlossen.461 Aufgrund der Schrankenwirkung dürfen die nationalen Einkünftekorrekturnormen zu keiner höheren Einkünftekorrektur führen, als es nach dem Fremdvergleichsgrundsatz zulässig ist. Art. 9 OECD-MA entfaltet die Schrankenwirkung nach seinem Wortlaut dabei nur auf Transaktionen zwischen verbundenen Unternehmen.462 Im Folgenden sollen diejenigen Fälle herausgearbeitet werden, in denen Art. 9 OECD-MA den deutschen Verrechnungspreisvorschriften Schranken setzt. 458 Vgl. Wassermeyer, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. 99 (Stand: 10.2002); Rasch, Konzernverrechnungspreise, 2001, S. 189; Haas, FS Schaumburg, 2009, S. 715 (731); Wittendorf, BIT 2009, 107 (112); ähnlich: Eigelshoven, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 9, Rz. 20. 459 Vgl. Wassermeyer, in: D/W, DBA, Art. 9 OECD-MA, Rz. 77 (Stand: 05.2004); Eigelshoven, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 9, Rz. 20; Wittendorf, BIT 2009, 107 (112); Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2011, Rz. 16.293. 460 Vgl. BFH, Bschl. v. 21.06.2001, I B 141/00, BFHE 195, 398 (401); FG Köln, Urt. v. 22.08.2007, 13 K 647/03, EFG 2008, 161 (162); FG Hamburg, Urt. v. 31.10.2011, 6 K 179/10, juris, Rz. 29; OECD-MK, Art. 9, Tz. 4; OECD Committee on Fiscal Affairs, Thin Capitalisation, 1987, Tz. 29 lit. a, 50 u. 64; Bundessteuerberaterkammer, DStR 1988, 42 (45); Knobbe-Keuk, DB 1993, 60 (64); Lang, in: Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, 1994, S. 127 (132 f.); Portner, IStR 1996, 23 (25); Piltz, CDFI LXXXIb (1996), 19 (69); Rasch, Konzernverrechnungspreise, 2001, S. 187 ff.; Wassermeyer, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. 99 (Stand: 10.2002); Eigelshoven, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 9, Rz. 20; Baumhoff/Greinert, IStR 2008, 353 (355); Scheffler, Internationale betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 3. Aufl. 2009, S. 438 f.; Frotscher, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2009, Rz. 568; Wittendorf, BIT 2009, 107 (111 ff.); Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 7. Aufl. 2011, S. 755; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2011, Rz. 16.292 f. 461 Vgl. BMF v. 13.10.2010, BStBl. I 2010, 774, Rz. 2: „Die Wirkungen innerstaatlicher Vorschriften werden durch die Geltung des Fremdvergleichsgrundsatzes, den Deutschland in seinen DBA – entsprechend Artikel 9 OECD-MA – niedergelegt hat, ggf. begrenzt.“ 462 Vgl. FG Köln, Urt. v. 22.08.2007, 13 K 647/03, EFG 2008, 161 (163); Wassermeyer, in: D/W, DBA, Art. 9 OECD-MA, Rz. 78 m.w.N. (Stand: 05.2004); Lang, in: Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, 1994, S. 127 (132 f.); Chebounov, IStR 2002, 586 (588); a.A.: Homburg, FR 2007, 717 (726); Eigelshoven, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 9, Rz. 39 u. 146.
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Entstehung und Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbesteuerung
Art. 9 OECD-MA wird dabei insbesondere anhand der OECD-RL ausgelegt. Dabei soll auch auf die OECD-RL 1995/2009 eingegangen werden, wo diese von den OECD-RL 2010 abweichen. Für DBA mit Art. 9 OECD-MA entsprechender Vorschrift kann nur diejenige Fassung der OECD-RL als Auslegungshilfe463 herangezogen werden, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses des DBA galt, da nur diese den Willen der Vertragsparteien bestimmen konnte.464 aa)
Verdeckte Gewinnausschüttung und verdeckte Einlage
Der verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage werden durch Art. 9 OECD-MA kaum Schranken gesetzt. Es wurde bereits erläutert, dass die verdeckte Gewinnausschüttung in aller Regel dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht.465 Wendet der BFH jedoch den – ohnehin abzulehnenden – formalen Maßstab bei beherrschenden Gesellschaftern an, wird über den Fremdvergleich hinaus auch der angemessene Teil der Vergütung korrigiert.466 Dies sehen weder Art. 9 OECD-MA noch die OECD-RL vor, so dass die Korrektur auf den unangemessenen Teil der Vergütung beschränkt wird.467 Die verdeckte Einlage schöpft den Korrekturspielraum des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA hingegen teilweise erst gar nicht aus, wenn Nutzungen eingelegt werden oder die Bewertung zum Teilwert zu einer geringeren Einkünftekorrektur führt als die Bewertung zum Fremdvergleichswert.468
463 Siehe zur Funktion der OECD-RL als Auslegungshilfe bereits B.I.1.d). 464 Vgl. Werra, IStR 1995, 457 (458); Vetter, in: Lahodny-Karner u.a., Die neuen Verrechnungspreisrichtlinien der OECD, 1996, S. 9 (23 ff.); vgl. analog zum OECD-MK: BFH, Urt. v. 08.09.2010, I R 6/09, IStR 2011, 160 (164); Urt. v. 09.02.2011, I R 54/10 u.a., DStR 2011, 762 (766); Ault, Intertax 1994, 144 (148); De Broe u.a., BIFD 2000, 503 (510); Henkel, in: Gosch/Grother/Kroppen, DBA, Grundlagen Teil 1, Abschn. 4, Rz. 40 (Stand: 2005); Vogel, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Einl., Rz. 127; Wassermeyer, in: D/W, DBA, vor Art. 1 OECD-MA, Rz. 51 (Stand: 01.2008); Gosch, BFH/PR 2011, 266 (268); a.A.: OECD-MK, Einl., Tz. 33, 35. 465 Siehe B.I.1.a)aa)(2) und B.I.2.c). 466 Siehe B.I.1.a)aa)(2) und B.I.1.a)bb). 467 Vgl. FG Köln, Urt. v. 22.08.2007, 13 K 647/03, EFG 2008, 161 (161 ff. m.w.N.); FG Hamburg, Urt. v. 31.10.2011, 6 K 179/10, n.n.v., Rz. 27 ff. m.w.N.; Eigelshoven, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 9, Rz. 27 f.; Strunk/Kaminski, Stbg 2008, 211 (212); Scheffler, Internationale betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 3. Aufl. 2009, S. 439; Linn, IStR 2010, 542 (544); Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 7. Aufl. 2011, S. 758 f.; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2011, Rz. 16.293; offen gelassen in: BFH, Urt. v. 09.11.2005, I R 27/03, BStBl. II 2006, 564 (565); Urt. v. 08.09.2010, I R 6/09, IStR 2011, 160 (161); a.A.: BMF v. 23.02.1983, BStBl. I 1983, 218, Tz. 1.4.3, 1.2.3; Wassermeyer, in: F/W/B, § 1 AStG, Rz. 98 (Stand.: 10.2002); ders., in: D/W, DBA, Art. 9 OECD-MA, Rz. 76 f. u. 103 (Stand: 05.2004); Chebounov, IStR 2002, 586 (590); Bächle/Rupp/Ott/Knies, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl. 2008, S. 562 f. 468 Siehe hierzu B.I.1.b) und B.I.2.c)aa). Vgl. auch Wassermeyer, in: D/W, DBA, Art. 9 OECD-MA, Rz. 76 u. 80 (Stand: 05.2004).
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
bb)
§ 1 AStG
Eine umfassende Schrankenwirkung entfaltet Art. 9 Abs. 1 OECD-MA hingegen gegenüber § 1 AStG. Zwar entspricht der Grundtatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG dem Fremdvergleichsgrundsatz, die Norm ist jedoch nur anwendbar, wenn ihre Rechtsfolgen über diejenigen der verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage hinausgehen.469 Abgesehen von den Fällen, in denen insbesondere die verdeckte Einlage den Korrekturspielraum des Fremdvergleichsgrundsatzes nicht ausschöpft, ist dies immer dann der Fall, wenn die Einkünftekorrektur des § 1 AStG über den Fremdvergleich hinausgeht. Diese Fälle sind durch die Unternehmensteuerreform 2008 zahlreich geworden: So weicht die in § 1 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 AStG vorgesehene Fiktion der Informationstransparenz von einem Fremdvergleich ab, weil in der Realität voneinander unabhängigen Dritten nicht alle Umstände bekannt sind. Eine derartige Fiktion sehen auch die OECD-RL nicht vor. Führt diese zu einer umfassenderen Einkünftekorrektur, greift die Schrankenwirkung des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA ein.470 Der in § 1 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 AStG vorgesehene Maßstab des doppelten ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters deckt sich hingegen mit dem Fremdvergleichskonzept des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA.471
469 Siehe § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG. Dazu bereits ausführlich B.I.2.b) und c). 470 Siehe B.I.2.c); vgl. Kaminski, RIW 2007, 594 (595); ders., StuW 2008, 337 (341); Piltz, JbFStR 2007/2008, 148 (151 f.); Wassermeyer, DB 2007, 535 (536); Dörr/Fehling, NWB 2007 Fach 2, 9375 (9388 f.); Greinert, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 2007, S. 541 (545 f.); Wassermeyer/Baumhoff/Greinert, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. V 9, V 104 (Stand: 05.2008); Eigelshoven, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 9, Rz. 23; Klapdor, StuW 2008, 83 (85); Mann, Einkünftekorrekturnormen, 2008, S. 208 f.; Kraft, in: Kraft, AStG, 2009, § 1, Rz. 535; Zech, Verrechnungspreise und Funktionsverlagerungen 2009, 2009, S. 56; Leitner, FS Schaumburg, 2009, S. 889 (904); Welling, FS Schaumburg, 2009, S. 985 (992); Kroppen, FS Schaumburg, 2009, S. 857 (868 f.); ders./Rasch, IWB 2009, Fach 3 Gruppe 1, 2439 (2465); Gosch, Diskussionsbeitrag in: Schön/Thömmes, JbFStR 2009/2010, 43 (84 f.) und JbFStR 2010/2011, 31 (110 f.); ders., Podiumsdiskussion auf der 27. Hamburger Tagung zur Internationalen Besteuerung v. 03.12.2010; Thömmes, JbFStR 2010/2011, 31 (100); Baßler, Steuerliche Gewinnabgrenzung im Europäischen Binnenmarkt, 2011, S. 220 f.; a.A.: BT-Drs. 16/8027, S. 4 f.; BR-Drs. 352/08, S. 1; BTDrs. 17/4653, S. 23; Naumann u.a., IStR 2009, 665 (666); Looks/Steinert/Müller, BB 2009, 2348 (2351). 471 Siehe dazu bereits C.I.1.a)aa)(2) mit Fn. 27 und vgl. Baumhoff, Verrechnungspreise für Dienstleistungen, 1986, S. 139 ff.; ders., in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl. 2005, Rz. C 309 m.w.N.; Rasch, Konzernverrechnungspreise, 2001, S. 73; a.A.: Leitner, FS Schaumburg, 2009, S. 889 (905); Wellens, IStR 2010, 153 (155 f.).
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Entstehung und Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbesteuerung
§ 1 Abs. 3 Satz 1 AStG sieht im Fall uneingeschränkt vergleichbarer Werte entsprechend den OECD-RL 1995/2009472 die Standardmethoden als vorrangig an. Es wurde bereits erläutert, dass dadurch jedoch im Einzelfall Abweichungen von den OECD-RL 2010 entstehen. Nach den OECD-RL 2010 sind die geschäftsfallbezogenen Gewinnmethoden anzuwenden, wenn diese geeigneter sind.473 § 1 Abs. 3 AStG sieht zudem erstmals gesetzliche Regelungen zu Bandbreiten von Verrechnungspreisen vor. Hinsichtlich der Beurteilung der Schrankenwirkung ist hier zwischen den OECD-RL 1995/2009 und den OECD-RL 2010 zu unterscheiden: Die OECD-RL 1995/2009 setzen § 1 AStG umfangreiche Schranken. Sie erlauben noch die von § 1 Abs. 3 Satz 3 AStG vorgesehene Eingrenzung eingeschränkt vergleichbarer Fremdvergleichswerte, soweit sich diese – bei der hier vertretenen Auslegung474 – auf Plausibilitätskontrollen und Verprobungen beschränken.475 Die OECD-RL 1995/2009 erlauben aber nicht den Ansatz des Medians, den § 1 Abs. 3 Satz 4 AStG für die Fälle vorsieht, in denen der vom Steuerpflichtigen angegebene Verrechnungspreis außerhalb der (eingeengten) Bandbreite liegt. Die OECD-RL 1995/2009 sehen grundsätzlich den Ansatz des für den Steuerpflichtigen günstigsten Wertes einer Bandbreite vor,476 erlauben in einem Korrekturfall, wie dem von § 1 Abs. 3 Satz 4 AStG beschriebenen, aber auch den Ansatz des Wertes, der „am besten“ den Umständen des Einzelfalles entspricht. Der „beste“ Wert kann jedoch nicht generell mit dem Median gleichgesetzt werden.477 Beim hypothetischen Fremdvergleich ist nach § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG bereits vom Steuerpflichtigen der wahrscheinlichste Wert anzusetzen; wird kein anderer Wert glaubhaft gemacht, der Mittelwert. Der wahrscheinlichste Wert dürfte zwar inhaltlich dem „besten“ Wert entsprechen, die OECD-RL 1995/2009 erlauben dessen Ansatz aber erst im Rahmen der Korrektur eines außerhalb der Bandbreite liegenden Verrechnungspreises.478 Wie der Median kann auch der Mittelwert aber nicht generell als „bester“ Wert angesehen werden.
472 Vgl. OECD-RL 1995/2009, Tz. 3.49 f. 473 Siehe B.I.2.c)bb)(1). 474 Zwar verweist die Gesetzesbegründung des § 1 AStG auf die VerwaltungsgrundsätzeVerfahren der Finanzverwaltung, die diesbezüglich auch die Interquartilsmethode vorsehen, letztere fehlt bei § 1 AStG jedoch die gesetzliche Grundlage, siehe B.I.2.c)bb)(2); vgl. ferner B.I.1.d)dd)(2). 475 Siehe OECD-RL 1995/2009, Tz. 1.45 ff. 476 Siehe OECD-RL 1995/2009, Tz. 1.45-1.48; OECD-RL 2010, Tz. 3.60. 477 Vgl. Becker, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, zu OECD-RL Tz. 1.48, Rz. 5 (Stand: 06.1997); Kroppen, FS Schaumburg, 2009, S. 857 (872 f.); Eigelshoven/Ebering, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, zu OECD-RL Tz. 1.48, Rz. 229 (Stand: 06.2010); a.A.: Schreiber, Ubg 2008, 433 (440). 478 Siehe OECD-RL 1995/2009, Tz. 1.48.
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
Auch die OECD-RL 2010 sehen weiterhin grundsätzlich den Ansatz des für den Steuerpflichtigen günstigsten Wertes vor, erlauben im Korrekturfall aber auch den Ansatz des Medians oder Mittelwerts.479 Inwiefern dadurch die Schrankenwirkung für ab Veröffentlichung der OECD-RL 2010 abgeschlossene DBA, die eine Art. 9 OECD-MA entsprechende Regelung enthalten, reduziert wird, ist jedoch fraglich. Denn der Wortlaut des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA erlaubt eigentlich nur Korrekturen von „Bedingungen […], die von denen abweichen, die unabhängige Unternehmen miteinander vereinbaren würden“. Unabhängige Unternehmen vereinbaren aber auch Preise, die dem Randbereich einer Bandbreite entsprechen.480 Unabhängig davon ist festzustellen, dass die OECD-RL 2010 § 1 Abs. 3 Satz 4 und 7 AStG nicht vollumfänglich entsprechen, weil sie den Ansatz von Median und Mittelwert nur dann erlauben, wenn die Werte der Bandbreite Vergleichbarkeitsdefizite aufweisen.481 Zudem hat der Steuerpflichtige nach § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG von Anfang an – und nicht erst im Korrekturfall – den wahrscheinlichsten Wert bzw. Mittelwert anzusetzen. Die OECD-RL 2010 könnten die Schrankenwirkung hinsichtlich Bandbreitenregelungen damit allenfalls reduzieren. Aus dem Umstand, dass die OECD-RL 2010482 anders als die OECD-RL 1995/2009 nicht mehr den Ansatz des „besten“ Werts vorsehen, dürfte hingegen keine Schrankenwirkung folgen, weil § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG den Ansatz eines für den Steuerpflichtigen ungünstigeren wahrscheinlichsten Wertes nur dann vorsieht, wenn der Steuerpflichtige einen „anderen Wert glaubhaft“ macht, der ungünstiger ist als der Mittelwert. Daran hat der Steuerpflichtige in aller Regel aber kein Interesse. Eine Schrankenwirkung des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA besteht auch in vielen Fällen der gesetzlichen Preisanpassungsklausel des § 1 Abs. 3 Satz 11 f. AStG. Eine solche entspräche nur dem Fremdvergleichsgrundsatz des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA, sofern im konkreten Einzelfall fremde Dritte einerseits eine Preisanpassungsklausel überhaupt vereinbart und andererseits zu den im Gesetz genannten Bedingungen abgeschlossen hätten.483 Wie bereits aufgezeigt wurde, werden vertragliche Preisanpassungsklauseln aber nur selten vereinbart und noch seltener mit einem Preisanpassungszeitraum von zehn Jahren.484 Zwar lässt § 1 Abs. 3 Satz 11 AStG den Nachweis zu, dass fremde Dritte keine 479 Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 3.60-3.62. 480 Vgl. auch Eigelshoven/Ebering, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, zu OECD-RL Tz. 1.48, Rz. 228 (Stand: 06.2010). 481 Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 3.62: „Where comparability defects remain…“. Vgl. auch Förster, IStR 2011, 20 (26). 482 Auch im Entwurf zu den OECD-RL 2010 war der Ansatz des besten Wertes noch vorgesehen, vgl. OECD, Proposed Revision of Chapters I-III of the Transfer Pricing Guidelines, 09.09.2009, Tz. 3.60 f., Download unter: http://www.oecd.org/dataoecd/1/ 57/43655703.pdf. 483 So auch OECD-RL 1995/2009, Tz. 6.30-6.32; OECD-RL 2010, Tz. 6.30-6.32. 484 Siehe B.I.2.c)bb)(3) mit den Nachweisen in Fn. 290 und 293 f.
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Entstehung und Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbesteuerung
Preisanpassungsklausel vereinbart hätten, dieser dürfte jedoch kaum gelingen. Denn die gesetzliche Preisanpassung ist nur im Rahmen des hypothetischen Fremdvergleichs anzuwenden, bei dem eine Vergleichstransaktion als möglicher Gegenbeweis gerade nicht existiert.485 Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Unternehmensteuerreform 2008 § 1 AStG auf einen Konfliktkurs zu den DBA gelenkt hat. Fast alle deutschen DBA enthalten eine mit Art. 9 Abs. 1 OECD-MA vergleichbare Regelung.486 Die OECD-RL 2010 würden die DBA hinsichtlich der Bandbreitenbetrachtung zwar den Bestimmungen des § 1 AStG annähern, könnten die Fälle der Schrankenwirkung aber nur reduzieren. Vor der Unternehmensteuerreform setzten die DBA § 1 AStG allenfalls bei einer Schätzung nach § 1 Abs. 4 AStG487 Schranken. Als problematisch erweist sich, dass die dort vorgesehenen Globalmethoden des Umsatz- und Kapitalrenditevergleichs kaum zu fremdüblichen Ergebnissen führen und weder durch die OECD-RL 1995/2009, noch durch die OECD-RL 2010 anerkannt sind.488 Zu beachten ist aber, dass nach § 1 Abs. 4 AStG vorrangig die Standardmethoden, und die Globalmethoden nur als ultima ratio anzuwenden sind.489 Aber auch in letzterem Fall ist den Finanzbehörden mangels anderer Möglichkeiten eine gewisse Schätzungsbefugnis einzuräumen. Die Globalmethoden des § 1 Abs. 4 AStG dürften damit noch zulässig sein, wenn sie mit Sorgfalt angewendet werden und keine besser geeignete Möglichkeit zur Schätzung des Fremdvergleichswerts besteht.490
485 Siehe bereits B.I.2.c)bb)(3) und vgl. nochmals Scheffler, Internationale betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 3. Aufl. 2009, S. 465; a.A.: BT-Drs. 16/8027, S. 8; siehe ferner die Nachweise in Fn. 291. 486 Einzige verbliebene Ausnahme ist das DBA UdSSR, das für einige Staaten der ehemaligen UdSSR fortgilt, vgl. die Übersicht bei Eigelshoven, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 9, Rz. 145. Das DBA Bulgarien enthält erst seit Inkrafttreten des Revisionsabkommens (BGBl. II 2010, 286) am 01.01.2011 eine Art. 9 Abs. 1 entsprechende Regelung. Ab dem Beitritt Bulgariens zum EU-Schiedsübereinkommens (EU-SchÜ) setzte aber bereits der wortgleiche Art. 4 Nr. 1 des Übereinkommens inhaltsgleiche Schranken, siehe dazu B.IV.2.a)bb). 487 Zuvor noch § 1 Abs. 3 AStG a.F. Die Schrankenwirkung tritt ein, wenn die Schätzung zu einer umfangreicheren Einkünftekorrektur führt als ein Fremdvergleich. Siehe auch B.I.2.c)cc). 488 Siehe OECD-RL 1995/2009, Tz. 3.58 ff.; OECD-RL 2010, Tz. 1.16 ff. Vgl. zum Kapitalrenditevergleich auch Wassermeyer, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. 873 (Stand: 10.2004); Kraft, in: Kraft, AStG, 2009, § 1, Rz. 611. 489 Vgl. auch Wassermeyer, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. 867 (Stand: 10.2004); Kraft, in: Kraft, AStG, 2009, § 1, Rz. 605. 490 Vgl. dahingehend Wassermeyer, in: D/W, DBA, Art. 9 OECD-MA, Rz. 110 (Stand: 05.2004). Die OECD-RL 2010 erkennen andere Methoden als die Standard- und geschäftsfallbezogenen Gewinnmethoden grundsätzlich an, sofern diese im Einzelfall ge-
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
Eine Schrankenwirkung für § 1 AStG kann im Übrigen auch aus Art. 11 Abs. 6 und Art. 12 Abs. 4 OECD-MA resultieren, wenn Zinsen bzw. Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen gezahlt werden. Diese Vorschriften sind aber nur in den Fällen überhöhter Zinssätze bzw. Lizenzgebühren anwendbar, gehen Art. 9 Abs. 1 OECD-MA dann aber vor.491 Sie stellen auch auf den Fremdvergleich ab, so dass sich keine Unterschiede zur Schrankenwirkung des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA ergeben.492 b)
Unterkapitalisierungsvorschriften
Fraglich ist, ob Art. 9 Abs. 1 OECD-MA auch den Unterkapitalisierungsvorschriften Schranken setzt. Nach dem Wortlaut könnte Art. 9 Abs. 1 OECD-MA so verstanden werden, dass dieser nur die Berichtigung unangemessener „Bedingungen“ und somit des Zinssatzes zuließe, nicht aber einer Unterkapitalisierung.493 Mit „Bedingungen“ kann jedoch auch die Art der Finanzierung, das heißt Eigen- oder Fremdkapital, gemeint sein.494 Die ganz herrschende Meinung495 geht daher davon aus, dass Art. 9 Abs. 1 OECD-MA als allgemeine Norm zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen eine Schrankenwirkung auch gegenüber nationalen Unterkapitalisierungsvorschriften entfaltet. Letztere lässt Art. 9 Abs. 1 OECD-MA folglich nur zu, soweit sie dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen. Dies hat das OECD Committee
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eigneter sind. Der Steuerpflichtige muss dies dann entsprechend dokumentieren, vgl. OECD-RL 2010, Tz. 2.9. Vgl. OECD-MK, Art. 11, Tz. 35; OECD Committee on Fiscal Affairs, Thin Capitalisation, 1987, Tz. 61; Eigelshoven, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 9, Rz. 7; Pöllath/Lohbeck, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 11, Rz. 121; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2011, Rz. 16.294; a.A.: Chebounov, IStR 2002, 586 (589 f.). Art. 11 Abs. 6 und Art. 12 Abs. 4 OECD-MA weisen aber den weiteren persönlichen Anwendungsbereich auf, weil diese nicht auf verbundene Unternehmen begrenzt sind, vgl. nur OECD-MK, Art. 11, Tz. 33 f. bzw. Art. 12, Tz. 23 f. Vgl. Wassermeyer, in: D/W, DBA, Art. 11 OECD-MA, Rz. 145, 152 f., 156 und Art. 12 OECD-MA, Rz. 125, 127 u. 130 (Stand jeweils: 10.2001); Portner, IStR 1996, 23 (26); Chebounov, IStR 2002, 586 (589 f.); Bauer, StuW 2009, 163 (169). Vgl. Becker, Intertax 1990, 52; Knobbe-Keuk, DB 1993, 60 (64); vgl. auch OECD Committee on Fiscal Affairs, Thin Capitalisation, 1987, Tz. 28. Vgl. Lang, in: Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, 1994, S. 127 (133); De Broe, International Tax Planning and Prevention of Abuse, 2008, S. 505. Vgl. OECD-MK, Art. 9, Tz. 3; OECD Committee on Fiscal Affairs, Thin Capitalisation, 1987, Tz. 48, 70, 84 lit. a; Pöllath/Rädler, DB 1982, 617 ff.; Lang, in: Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, 1994, S. 127 (133 f.); Portner, IStR 1996, 23 (25 f.); Bartone, Gesellschafterfremdfinanzierung, 2001, S. 139 f.; Calderón, TNI 2002, 633 (639 f.); Wassermeyer, in: D/W, DBA, Art. 9 OECD-MA, Rz. 107 (Stand: 05.2004); Eigelshoven, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 9, Rz. 7; Hemmelrath, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 11, Rz. 68; De Broe, International Tax Planning and Prevention of Abuse, 2008, S. 505 f.; kritisch: Wittendorf, BIT 2009, 107 (119 f.).
Entstehung und Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbesteuerung
on Fiscal Affairs im Bericht von 1987 klargestellt,496 der letztlich in Tz. 3 des OECD-MK zu Art. 9 mündete. Darin wird bestätigt, dass Art. 9 Abs. 1 OECDMA nicht nur die Fremdüblichkeit des Zinssatzes, sondern auch des Verhältnisses von Eigen- zu Fremdkapital kontrolliert. Nach dem Wortlaut des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA müsste der Fremdvergleich diesbezüglich zwischen unabhängigen Dritten vorgenommen werden. Diese können jedoch keine Eigenkapitalfinanzierung leisten. Aus diesem Grund ist ein Vergleich mit der Finanzierung durch einen ordentlichen und gewissenhaften Gesellschafter vorzunehmen.497 Der OECD-Bericht erlaubt dabei grundsätzlich zwei Fremdvergleichskonzepte: Als vorzugswürdig wird eine strikte Einzelfallbetrachtung anhand der jeweiligen Umstände angesehen.498 Zulässig ist aber auch ein safe haven499, das heißt die Vorgabe eines festen Eigenkapital-FremdkapitalVerhältnisses, wobei die Möglichkeit zum Gegenbeweis anhand eines individuellen Fremdvergleichs offen stehen muss. Der safe haven soll sich nach dem OECD-Bericht an der Realität orientieren; der Gegenbeweis darf nicht unverhältnismäßig erschwert werden.500 Dabei ist ein umso strikteres EigenkapitalFremdkapital-Verhältnis zulässig, desto einfacher der Gegenbeweis zu erbringen ist und umgekehrt. Ein festes Eigenkapital-Fremdkapital-Verhältnis, ohne die Möglichkeit zum Gegenbeweis, erlaubt der OECD-Bericht hingegen nicht.501 Die OECD sieht damit das Konzept einer Unterkapitalisierungsvorschrift vor, die wie § 8a KStG a.F. an der Fremdüblichkeit des Verschuldungsgrades aus496 OECD Committee on Fiscal Affairs, Thin Capitalisation, 1987, Tz. 48 f., 70, 84. 497 Vgl. OECD Committee on Fiscal Affairs, Thin Capitalisation, 1987, Tz. 76: „whether an independent person would have provided such a high proportion of the capital of the enterprise in the form of a loan.” Gl.A.: Wassermeyer, in: D/W, DBA, Art. 9 OECDMA, Rz. 107 (Stand: 05.2004); Obser, Gesellschafter-Fremdfinanzierung im europäischen Konzern, 2005, S. 25; De Broe, International Tax Planning and Prevention of Abuse, 2008, S. 507; Bron, Zinsschranke, 2009, S. 46. Das OECD Committee on Fiscal Affairs, a.a.O., diskutierte daneben ein anderes Konzept in Tz. 76: „whether […] an independent bank would have provided the funds as a loan on the terms actually agreed between the parties.” Ähnlich auch: Lang, in: Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, 1994, S. 127 (134). Dieses Konzept betrachtete der OECD-Ausschuss jedoch als zu rigide, weil ein Gesellschafter über die besseren Informationen als eine Bank als Dritter verfüge. Gegen dieses Fremdvergleichskonzept spricht aber vor allem, dass Banken und andere Dritte ggf. auch keine Kredite mehr an solvente Unternehmen vergeben, die nicht unterkapitalisiert sind. Dies zeigt gerade die zurückhaltende Kreditvergabe in der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise. 498 Vgl. OECD Committee on Fiscal Affairs, Thin Capitalisation, 1987, Tz. 75, 78 mit Nennung beispielhafter Indikatoren. 499 Siehe bereits B.II.1. 500 Vgl. OECD Committee on Fiscal Affairs, Thin Capitalisation, 1987, Tz. 79. 501 Vgl. OECD Committee on Fiscal Affairs, Thin Capitalisation, 1987, Tz. 71 u. 79. So bereits OECD, Transfer Pricing and Multinational Enterprises, 1979, Tz. 191.
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
gerichtet ist. Im Fall des § 8a KStG a.F. war es aber bereits fraglich, ob dieser den Kriterien der OECD entspricht.502 Denn für erfolgsunabhängige Fremdkapitalvergütungen gab § 8a KStG a.F. ein Eigenkapital-Fremdkapital-Verhältnis von 1,5 : 1 und somit eine etwa doppelt so hohe Eigenkapitalquote vor, wie es in der Realität der Fall war,503 wobei auch an den Gegenbeweis hohe Anforderungen gestellt wurden.504 Die fehlende Möglichkeit zum Gegenbeweis bei erfolgsabhängigen Vergütungen verstieß zudem eindeutig gegen Art. 9 Abs. 1 OECD-MA.505 Das Gleiche muss dann auch für die Zinsschranke gelten: Denn diese sieht nur ein festes Verhältnis des Nettozinsaufwands zum steuerlichen EBITDA vor, ohne dass der Steuerpflichtige anhand eines Fremdvergleichs die Möglichkeit zum Gegenbeweis hätte, dass der Nettozinsaufwand angemessen ist.506 Ein Fremdvergleich ist im Rahmen des § 4h Abs. 1 EStG konzeptionell ohnehin völlig ausgeschlossen, weil die Zinsschranke auch Zinsaufwendungen gegenüber fremden Dritten erfasst. Auch die Rückausnahmen des § 8a Abs. 2 und 3 KStG sehen keinen Fremdvergleich für eine Gesellschafter-Fremdfinanzierung vor.507 Fraglich ist daher, ob die Zinsschranke überhaupt noch eine Unterkapitalisierungsvorschrift darstellt oder ob sie vielmehr als allgemeines Zinsabzugsverbot außerhalb des Anwendungsbereichs der DBA und des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA fällt.508 Denn die Gewinnermittlung ist allein Sache des nationalen 502 Zuletzt offen gelassen in BFH, Urt. v. 08.09.2010, I R 6/09, IStR 2011, 160 (163). 503 Im Jahr 2004 lag die durchschnittliche Eigenkapitalquote deutscher Unternehmen bei ca. 22%, vgl. Drukarczyk, Finanzierung, 10. Aufl. 2008, S. 310. Ein EigenkapitalFremdkapital-Verhältnis von 1,5 : 1 entspricht jedoch einer Quote von 40%. 504 Wohl zu Recht kritisch: Knobbe-Keuk, DB 1993, 60 (64); Cordewener, in: Lang, Direct Taxation: Recent ECJ Developments, 2003, S. 35 (58); ferner: Bartone, Gesellschafterfremdfinanzierung, 2001, S. 141 f.; a.A. die wohl h.M.: Wassermeyer, in: D/W, DBA, Art. 9 OECD-MA, Rz. 107 (Stand: 05.2004); Zimmermann, CDFI XXXLIb (1996), 443 (459); Portner, IStR 1996, 23 (27); Pfeifer, Steueroptimale Gesellschafterfinanzierung einer Kapitalgesellschaft, 2006, S. 48 m.w.N.; Hiller, Gesellschafter-Fremdfinanzierung und Diskriminierungsverbote, 2008, S. 132. 505 Vgl. auch Wassermeyer, in: D/W, DBA, Art. 9 OECD-MA, Rz. 107 (Stand: 05.2004); Frotscher, IStR 1994, 201 (210); Portner, IStR 1996, 23 (27); Thömmes/Stricof/Nakhai, Intertax 2004, 126 (132); Pfeifer, Steueroptimale Gesellschafterfinanzierung einer Kapitalgesellschaft, 2006, S. 48 m.w.N.; Hiller, GesellschafterFremdfinanzierung und Diskriminierungsverbote, 2008, S. 132; vgl. zu ausländischen Regelungen: Calderón, TNI 2002, 633 (639); De Broe, International Tax Planning and Prevention of Abuse, 2008, S. 943 f.; a.A.: BT-Drs. 12/4487, S. 37; Zimmermann, CDFI XXXLIb (1996), 443 (459); Prinz, in: H/H/R, EStG/KStG, § 8a KStG, Rz. 25 (Stand: 02.1995). 506 Siehe B.II.2.a)aa) und B.III. 507 Siehe bereits B.III. 508 Vgl. dahingehend Bauer, StuW 2009, 163 (169); München, Zinsschranke, 2010, S. 135; zweifelnd: Hey, Diskussionsbeitrag in: Lüdicke, Wo steht das deutsche Internationale Steuerrecht?, 2009, S. 171 (182).
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Entstehung und Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbesteuerung
Rechts und wird durch die DBA nicht beschränkt.509 Allein aus dem Umstand, dass die Zinsschranke rechtsfolgenseitig eine Zinsabzugsbeschränkung vorsieht, kann aber nicht gefolgert werden, dass die Regelung außerhalb des Anwendungsbereichs des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA steht. Denn es ist unstreitig, dass auch am Verschuldungsgrad ausgerichtete Unterkapitalisierungsvorschriften, die ein Zinsabzugsverbot vorsehen,510 Art. 9 OECD-MA unterfallen.511 Entscheidend erscheint vielmehr, ob die Zinsschranke ein allgemeines Zinsabzugsverbot darstellt und insofern der Gewinnermittlung zuzuordnen ist. Dies wäre für den Grundtatbestand des § 4h Abs. 1 EStG noch zu bejahen, die Ausnahmen in Abs. 2 richten die Zinsschranke aber selektiv auf Zinsaufwendungen ansässiger Gesellschaften internationaler Konzerne aus.512 Damit hat die Zinsschranke die Qualität einer Gewinnkorrekturvorschrift, die auch die „finanziellen Beziehungen“ i.S.v. Art. 9 Abs. 1 OECD-MA zwischen verbundenen Unternehmen reguliert.513 Auch wenn die Regelung nicht mehr auf den Verschuldungsgrad abstellt, ist sie weiterhin gegen Unterkapitalisierungen im internationalen Konzern gerichtet.514 Auch nach dem Sinn und Zweck des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA muss die Zinsschranke der abkommensrechtlichen Schrankenwirkung unterliegen. Mit Art. 9 Abs. 1 OECD-MA soll gerade die Vereinheitlichung der Maßstäbe zur Einkünftekorrektur erzielt werden, um eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung zu vermeiden. Dazu haben sich die OECD-Staaten auf den Fremdvergleichsgrundsatz geeinigt. Weicht Deutschland von diesem Konsens ab, verhält es sich abkommenswidrig und provoziert eine internationale Doppelbesteuerung. Die Schrankenwirkung der DBA soll dies gerade verhindern. Diese reicht aber nur soweit, als die Einkünftekorrektur des § 4h EStG auf Beziehungen zwischen verbundenen Unternehmen
509 Vgl. allgemein Hemmelrath, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 7, Rz. 21; Wassermeyer, in: D/W, DBA, Art. 7 OECD-MA, Rz. 159 (Stand: 01.2009). 510 Von den 21 Mitgliedstaaten der EU, die Unterkapitalisierungsvorschriften aufweisen, sehen ohnehin nur noch vier die Umqualifikation in Dividenden vor, vgl. Bauer, StuW 2009, 163 (182). 511 Vgl. Hemmelrath, in: Vogel/Lehner, DBA, Art. 11, Rz. 68; Portner, IStR 1996, 23 (25 f.); Bauer, StuW 2009, 163 (169 mit Fn. 65); ferner: Förster, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, Exkurs § 4h EStG, Rz. 38; Shou, Die Zinsschranke im Unternehmensteuerreformgesetz 2008, 2010, S. 168 f. 512 Siehe B.II.2.a)bb). 513 Vgl. Shou, Die Zinsschranke im Unternehmensteuerreformgesetz 2008, 2010, S. 166 f.; ferner: Fassnacht, Fremdfinanzierung von Kapitalgesellschaften, 1984, S. 99; a.A.: München, Zinsschranke, 2010, S. 135. 514 Siehe B.III. und vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 31; Mössner, in: Lüdicke, Unternehmensteuerreform 2008 im internationalen Umfeld, 2008, S. 1 (6); Homburg, FR 2007, 717 (719); Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl. 2008, § 11, Rz. 50; Bron, Zinsschranke, 2009, S. 48.
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
zurückzuführen ist. Die grenzüberschreitende Darlehensvergabe durch Dritte wird von Art. 9 Abs. 1 OECD-MA nicht erfasst.515 Der Abkommenswidrigkeit der Zinsschranke steht auch nicht ihr Charakter als spezialgesetzliche Missbrauchsvorschrift516 entgegen. Die DBA zielen auch darauf ab, missbräuchliche Gestaltungen zu verhindern.517 Nach einer Ansicht können innerstaatliche Missbrauchsvorschriften zur Anwendung kommen, wenn ein DBA keine entsprechenden Regelungen enthält.518 Die Zinsschranke fällt jedoch wie beschrieben unmittelbar in den Anwendungsbereich des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA und damit unter dessen Schrankenwirkung.519 Ohnehin ist der Charakter der Zinsschranke als Missbrauchsvorschrift fraglich, weil sie nicht nur missbräuchliche Gestaltungen, sondern auch den Normalfall der fremdfinanzierten Gesellschaft erfasst.520 Sie ist insgesamt nicht mit Art. 9 Abs. 1 OECD-MA vereinbar.521 515 Nicht nachzuvollziehen ist daher die Auffassung von Shou, nach der die Zinsschranke, weil sie nicht nur Transaktionen zwischen verbundenen Unternehmen erfasst, gegen Art. 9 Abs. 1 OECD-MA verstieße, vgl. Shou, Die Zinsschranke im Unternehmensteuerreformgesetz 2008, 2010, S. 171 ff., 174. 516 So jedenfalls BT-Drs. 16/4841, S. 48, siehe bereits B.II.2. 517 Vgl. OECD-MK, Art. 1, Tz. 7; vor Art. 1, Tz. 41. Ob dies auch für Art. 9 OECD-MA gilt, ist umstruttien, dafür: Pogorelova, Intertax 2009, 683 ff. unter Verweis auf OECDRL 2010, Tz. 1.64; dagegen Wittendorf, BIT 2009, 107 (108 f. m.w.N.). 518 Vgl. BFH, Urt. v. 17.07.1968, I 121/64, BStBl. II 1968, 695; Urt. v. 28.01.1992, VIII R 7/88, BStBl. II 1993, 84; OECD-MK, Art. 1, Tz. 9.2; Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 42 AO, Rz. 102 (Stand: 07.2008); Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, 2008, S. 37; Pogorelova, Intertax 2009, 683 (688 ff.); Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2011, Rz. 16.133 ff.; a.A.: Gassner/Lang, in: Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, 1994, S. 127 (58 f.); Vogel, FS Höhn, 1995, S. 461 (473); Prokisch, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 1, Rz. 117. Neuere deutsche DBA enthalten auch häufig Klauseln, wonach die DBA der Anwendung nationaler Missbrauchsverhinderungsvorschriften nicht entgegenstehen, vgl. etwa Art. 23 Abs. 1 DBA Schweiz; Art. 30 Abs. 1 lit. a DBA Polen. Vgl. für einen internationalen Überblick den Generalbericht von van Weeghel, CDFI XCVa (2010), 17 ff.; ferner: Maisto, BIT 2010, 441 ff. 519 Siehe allgemein zum lex-specialis-Charakter der DBA-Normen B.IV.1.c). Wohl a.A. ist Pogorelova, Intertax 2009, 683 (688 f.), die allgemein von der parallelen Anwendbarkeit nationaler Missbrauchsvorschriften und Art. 9 OECD-MA ausgeht. 520 Vgl. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl. 2008, § 11, Rz. 56; Homburg, FR 2007, 717 (719); Kessler/Köhler/Knörzer, IStR 2007, 418 (419); Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 2007, S. 447 (449 f.); Musil/Volmering, DB 2008, 12 (13); Loschelder, in: Schmidt, EStG, 31. Aufl. 2012, § 4h, Rz. 3; siehe ausführlich C.II.2.c)cc)(3)(ii) und C.II.4.a)dd)(2)(ii). 521 Vgl. auch Homburg, FR 2007, 717 (726); Kaminski, Ausgewählte Internationale Aspekte der Unternehmensteuerreform 2008, 2007, S. 31 f.; Herr, Gesellschafterfremdfinanzierung und Europarecht, 2008, S. 39 f.; Hiller, Gesellschafter-Fremdfinanzierung und Diskriminierungsverbote, 2008, S. 173 u. 177 f.; Förster, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, Exkurs § 4h EStG, Rz. 38; Leitner, FS Schaumburg, 2009, S. 889 (899 f.); Bron,
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Entstehung und Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbesteuerung
Unklar bleibt jedoch die Rechtsfolge dieser Schrankenwirkung. Eine Möglichkeit bestünde darin, nach dem OECD-Konzept522 eine Einkünftekorrektur nur insoweit zuzulassen, als es einem fremdüblichen Verschuldungsgrad entspricht.523 Die Zinsschranke würde insofern durch ein völlig anderes Konzept zur Abwehr gegen Unterkapitalisierung524 überlagert. Eine andere Möglichkeit, die sich an die Zinsschranke anlehnt, bestünde darin, auf ein fremdübliches Verhältnis des Nettozinsaufwands zum steuerlichen EBITDA abzustellen. Dies wäre nach dem Wortlaut des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA nicht ausgeschlossen.525 Dieses Kriterium wäre jedoch ungeeignet, weil jedes Verhältnis von Nettozinsaufwand zum EBITDA fremdüblich wäre – auch unternehmerischer Misserfolg ist fremdüblich. Wie bei den britischen Unterkapitalisierungsregelungen könnte ferner auf die Fremdüblichkeit der Zinslast abgestellt werden.526 Nach dem Sinn und Zweck des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA wäre dennoch die erste Alternative des Verschuldungsgrades vorzugswürdig, weil nur durch einen international einheitlichen Fremdvergleichsmaßstab die wirtschaftliche Doppelbesteuerung wirksam verhindert werden kann. Die Zinsschranke verstößt aber nicht gegen den Zinsartikel des OECD-MA.527 Die Korrekturvorschrift des Art. 11 Abs. 6 OECD-MA ist auf Unterkapitalisierungsvorschriften nicht anwendbar.528 Die DBA schließen auch die Zinsabzugsbeschränkung nicht generell aus. Denn die Ermittlung der steuerlichen
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Zinsschranke, 2009, S. 46 ff.; Shou, Die Zinsschranke im Unternehmensteuerreformgesetz 2008, 2010, S. 162 ff., 175 f. Vgl. OECD-MK, Art. 9, Tz. 3; OECD Committee on Fiscal Affairs, Thin Capitalisation, 1987, Tz. 48 f., 70, 84. Dahingehend Shou, Die Zinsschranke im Unternehmensteuerreformgesetz 2008, 2010, S. 176. Siehe zu den unterschiedlichen international angewandten Konzepten bereits A.II. Auch der Bericht des OECD Committee on Fiscal Affairs von 1987 nennt beispielhaft ganz verschiedene Kriterien zur Feststellung der Fremdüblichkeit und überlässt die Auswahl letztlich den Vertragsstaaten, vgl. OECD Committee on Fiscal Affairs, Thin Capitalisation, 1987, Tz. 75, 82. Siehe bereits A.II. mit Fn. 45 und vgl. Bauer, StuW 2009, 163 (180 f.); Brosens, EC Tax Rev. 2004, 188 (202 f.); van den Berg van Saparoea, ET 2009, 3 (6 f.). Ebenfalls: Shou, Die Zinsschranke im Unternehmensteuerreformgesetz 2008, 2010, S. 156; a.A.: Homburg, FR 2007, 717 (726). Vgl. OECD-MK zu Art. 11, Tz. 35; OECD Committee on Fiscal Affairs, Thin Capitalisation, 1987, Tz. 40, 61; ferner: Bundessteuerberaterkammer, DStR 1988, 42 (46); Lang, in: Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, 1994, S. 127 (140 f.); Thömmes/Stricof/Nakhai, Intertax 2004, 126 (131 f.); Pöllath/Lohbeck, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 11, Rz. 125; De Broe, International Tax Planning and Prevention of Abuse, 2008, S. 506; Wittendorf, BIT 2009, 107 (120); Heger, SWI 2011, 95 (100); a.A.: Portner, IStR 1996, 23 (26); Calderón, TNI 2002, 633 (640).
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
Bemessungsgrundlage bleibt Sache des nationalen Steuerrechts.529 Ein Verstoß der Zinsschranke gegen Art. 10 OECD-MA kommt mangels Umqualifikation der Zinsen in Dividenden ohnehin nicht in Betracht.530 c)
Konsequenzen
Die Verstöße der Zinsschranke und der Verrechnungspreisvorschriften gegen die Einkünftekorrekturvorschriften der DBA verletzen die völkerrechtliche Pflicht zur Einhaltung der Verträge.531 Völkerrechtlich ist der Vertragspartner damit zur Kündigung oder Suspendierung des DBA berechtigt.532 Ob sich die Schrankenwirkung eines DBA auch innerstaatlich durchsetzt, ist eine Frage des Verfassungsrechts. Nach Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG müssen DBA erst per Zustimmungsgesetz in nationales Recht umgesetzt werden. Damit erhalten sie den Rang eines Bundesgesetzes.533 Art. 25 GG, der den Vorrang der allgemeinen Regeln des Völkerrechts bestimmt, ist auf völkerrechtliche Verträge wie DBA nicht anwendbar.534 Nach § 2 AO sollen völkerrechtliche Verträge den Steuergesetzen aber 529 Siehe bereits oben; vgl. Hemmelrath, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 7, Rz. 21; Mössner, in: Lüdicke, Unternehmensteuerreform 2008 im internationalen Umfeld, 2008, S. 1 (39 f.); Wassermeyer, in: D/W, DBA, Art. 7 OECD-MA, Rz. 159 (Stand: 01.2009); a.A.: Homburg, FR 2007, 717 (726); vgl. auch die zurückhaltenderen Diskussionsbeiträge von Reimer, Gosch und Hey in: Lüdicke, Wo steht das deutsche Internationale Steuerrecht?, 2009, S. 180-182. 530 Vgl. zur Problematik im Rahmen des § 8a KStG a.F. etwa Obser, GesellschafterFremdfinanzierung im europäischen Konzern, 2005, S. 29 ff. 531 Vgl. OECD Committee on Fiscal Affairs, Report on Tax Treaty Overrides, TNI 1990, 25, Tz. 13 ff.; FG Düsseldorf, Urt. v. 07.12.2010, 13 K 1214/06 E, EFG 2011, 878 (880 f.); FG Bremen, Urt. v. 10.02.2011, 1 K 20/10 3, DStRE 2011, 679 (682); Vogel, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Einl., Rz. 194; Musil, Deutsches Treaty Overriding und seine Vereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht, 2000, S. 37 ff.; Rust/Reimer, IStR 2005, 843 (844); Rust, Die Hinzurechnungsbesteuerung, 2007, S. 105; Bron, IStR 2007, 431 (435); Gosch, IStR 2008, 413 (414); a.A.: BFH, Urt. v. 21.05.1997, I R 79/96, BStBl. II 1998, 113 (114). Ein Verstoß besteht insbesondere gegen Art. 26 und 27 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge. 532 Siehe Art. 60 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (WÜRV), BGBl. II 1987, 757. Davon wird aber nur sehr selten Gebrauch gemacht, vgl. Musil, Deutsches Treaty Overriding und seine Vereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht, 2000, S. 230. 533 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 14.10.2004, 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307 (318 f.); BFH, Urt. v. 13.07.1994, I R 120/93, BStBl. II 1995, 129 (130); Bschl. v. 17.05.1995, I B 183/94, BStBl. II 1995, 781 (782); FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 11.10.2007, 6 K 1611/07, EFG 2008, 385; FG Köln, Bschl. v. 30.01.2008, 4 V 3366/07, EFG 2008, 593 (595); FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 30.06.2009, 6 K 1415/09, EFG 2009, 1649 (1650). 534 Vgl. BVerfG, Urt. v. 26.03.1957, 2 BvG 1/55, BVerfGE 6, 309 (363); BFH, Urt. v. 01.02.1989, I R 74/86, BStBl. II 1990, 4 (6); Urt. v. 13.07.1994, I R 120/93, BStBl. II 1995, 129 (130); FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 11.10.2007, 6 K 1611/07, EFG 2008, 385; FG München, Urt. v. 30.07.2009, 1 K 1816/09, IStR 2009, 864 (866).
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Entstehung und Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbesteuerung
vorgehen. Die Vorschrift ist jedoch nur einfaches Bundesrecht und kann somit keinen Vorrang gleichrangiger Normen begründen.535 Zur Bestimmung des Vorrangs zwischen den deutschen Einkünftekorrekturnormen und den DBA ist daher auf die allgemeinen Auslegungsgrundsätze zurückzugreifen: Danach geht die spätere der früheren Norm vor (lex posterior derogat legi priori), eine spätere Norm tritt aber wiederum hinter die speziellere zurück (lex specialis prior derogat legi generali posteriori).536 Die Zinsschranke wurde erst mit der Unternehmensteuerreform 2008 eingeführt und ist daher gegenüber fast allen deutschen DBA die spätere Norm. Gleiches gilt für die Ergänzungen zu § 1 AStG, die zur Schrankenwirkung führen. Beide Normen gingen den meisten DBA damit grundsätzlich vor. Ob DBA-Vorschriften gegenüber den entsprechenden nationalen Vorschriften als lex specialis anzusehen sind, ist strittig.537 Dies kann aber dahingestellt bleiben: Denn auch wenn man die DBA nicht als lex specialis ansieht, hat sich der Gesetzgeber von der Regel, dass die spätere der früheren Norm vorgeht, selbst entbunden, indem er mit § 2 AO allgemein die DBA als vorrangig betrachtet.538 Der Gesetzgeber kann diese einfachge535 Vgl. FG Köln, Urt. v. 27.11.1985, I K 33/85, EFG 1986, 189 (191); FG RheinlandPfalz, Urt. v. 11.10.2007, 6 K 1611/07, EFG 2008, 385; Urt. v. 30.06.2009, 6 K 1415/09, EFG 2009, 1649 (1650); FG Bremen, Urt. v. 10.02.2011, 1 K 20/10 3, DStRE 2011, 679 (684); Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 2 AO, Rz. 1 (Stand: 04.2006); Birk, in: H/H/Sp, AO/FGO, § 2 AO, Rz. 4, 160 (Stand: 06.2008); Frotscher, IStR 1994, 201 (210); Portner, IStR 1996, 23 (25); Seer, IStR 1997, 481 (484); Musil, Deutsches Treaty Overriding und seine Vereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht, 2000, S. 43 f.; Bron, IStR 2007, 431 (432); Vogel, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Einl., Rz. 202; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 7. Aufl. 2011, S. 84; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2011, Rz. 3.25; Heger, SWI 2011, 95 (98); teilweise a.A.: Wassermeyer, in: D/W, DBA, Art. 1 OECD-MA, Rz. 1 (Stand: 01.2008); wohl auch: BMF v. 13.07.2006, BStBl. I 2006, 461, Tz. 1.1.4. 536 Vgl. Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 25, Rz. 29; Birk, in: H/H/Sp, AO/FGO, § 2 AO, Rz. 167 (Stand: 06.2008); Streinz, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 59, Rz. 63 f.; Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Art. 59, Rz. 44; ferner: OECD Committee on Fiscal Affairs, Report on Tax Treaty Overrides, TNI 1990, 25, Tz. 14. 537 Dafür: BFH, Urt. v. 18.09.1968, I R 56/67, BStBl. II 1968, 797 (800) m.w.N.; FG Baden-Württemberg, Urt. v. 19.03.1997, 3 K 171/92, EFG 1997, 984 (986); Weigell, RIW 1987, 122 (125); Debatin, DStR 1992, Beihefter zu Heft 23, 1 (2); Holzaepfel/Köplin, in: Erle/Sauter, Gesellschafter-Fremdfinanzierung, 2004, § 8a KStG, Rz. 59; Rust/Reimer, IStR 2005, 843 (845); Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 7. Aufl. 2011, S. 84; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2011, Rz. 3.25, 16.133. Die DBA hingegen als ein lex aliud betrachtend: Birk, in: H/H/Sp, AO/FGO, § 2 AO, Rz. 165 (Stand: 06.2008); Seer, IStR 1997, 481 (482); Musil, Deutsches Treaty Overriding und seine Vereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht, 2000, S. 69; Bron, IStR 2007, 431 (432 f.) m.w.N. Siehe für einen internationalen Vergleich: OECD Committee on Fiscal Affairs, Report on Tax Treaty Overrides, TNI 1990, 25, Tz. 14 ff. 538 Vgl. Birk, in: H/H/Sp, AO/FGO, § 2 AO, Rz. 171 ff. (Stand: 06.2008); Seer, IStR 1997, 481 (482); Musil, Deutsches Treaty Overriding und seine Vereinbarkeit mit Eu-
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
setzliche Kollisionsregel aber durch ein Gesetz gleichen Ranges außer Kraft setzen, indem er klar seinen Willen zum Ausdruck bringt, dass die nationale Norm vorgehen soll.539 Ein derartiger treaty override540 ist verfassungs-541 und europarechtlich542 zulässig. Ein treaty override sieht der Gesetzgeber bei-
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ropäischem Gemeinschaftsrecht, 2000, S. 69 f.; Buschinger/Trompeter, IStR 2005, 510 (513); Bron, IStR 2007, 431 (433) m.w.N.; Haas, FS Schaumburg, 2009, S. 715 (738); wohl auch FG Bremen, Urt. v. 10.02.2011, 1 K 20/10 3, DStRE 2011, 679 (684); a.A.: Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 42 AO, Rz. 2 (Stand: 04.2006). Siehe die Nachweise in Fn. 538 sowie BFH, Urt. v. 13.07.1994, I R 120/93, BStBl. II 1995, 129 (130); Bschl. v. 17.05.1995, I B 183/94, BStBl. II 1995, 781 (782); FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 11.10.2007, 6 K 1611/07, EFG 2008, 385; Urt. v. 30.06.2009, 6 K 1415/09, EFG 2009, 1649 (1650); FG München, Urt. v. 30.07.2009, 1 K 1816/09, IStR 2009, 864 (866); FG Düsseldorf, Urt. v. 07.12.2010, 13 K 1214/06 E, EFG 2011, 878 (881); Wassermeyer, in: D/W, DBA, Art. 1 OECD-MA, Rz. 12 (Stand: 01.2008); Gosch, IStR 2008, 413 (414 u. 418); Heger, SWI 2011, 95 (98); a.A.: Rüd, IStR 2010, 725 (729 f.). Dieser wird vom OECD Committee on Fiscal Affairs definiert als „the enactment of domestic legislation intended by the legislature to have effects in clear contradiction to international treaty obligations“, vgl. OECD Committee on Fiscal Affairs, Report on Tax Treaty Overrides, TNI 1990, 25, Tz. 5. Ein treaty override wird insbesondere vom Gesetzgeber eingesetzt, um kurzfristige Änderungen zu bewirken, was bei einer Neuverhandlung aller DBA nicht möglich wäre, vgl. OECD Committee on Fiscal Affairs, a.a.O., Tz. 37; Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, 2008, S. 33, 37. Dies ergibt sich wie erläutert aus Art. 25 und 59 Abs. 2 GG. Vgl. etwa BFH, Urt. v. 13.07.1994, I R 120/93, BStBl. II 1995, 129; Bschl. v. 17.05.1995, I B 183/94, BStBl. II 1995, 781 (782); FG München, Urt. v. 30.07.2009, 1 K 1816/09, IStR 2009, 864 (866); FG Düsseldorf, Urt. v. 07.12.2010, 13 K 1214/06 E, EFG 2011, 878 (880 ff.); FG Bremen, Urt. v. 10.02.2011, 1 K 20/10 3, DStRE 2011, 679 (682 ff.). Der gegenteiligen Auffassung sind Vogel, IStR 2005, 29 f.; ders., in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Einl., Rz. 204; Becker, NVwZ 2005, 289 ff.; Stein, IStR 2006, 505 (508 f.); Gosch, IStR 2008, 413 (418 f. u. 421); Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBAPolitik, 2008, S. 34; Weigell, IStR 2009, 636 (639 f.); Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2011, Rz. 3.26; zweifelnd zuletzt auch BFH, Bschl. v. 19.05.2010, I B 191/09, IStR 2010, 530 (535); Urt. v. 08.09.2010, I R 6/09, IStR 2011, 160 (163). Vogel beruft sich dabei auf den Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit, vgl. BVerfG, Bschl. v. 04.05.1971, 1 BvR 636/68, BVerfGE 31, 58 (75 f.); Bschl. v. 14.10.2004, 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307 (310); Urt. v. 30.06.2009, 2 BvE 2/08, u.a., BVerfGE 123, 267 (344). Jedoch hat das BVerfG entschieden, dass völkerrechtliche Verträge „nicht automatisch Vorrang vor anderem Bundesrecht“ genießen, vgl. Bschl. v. 14.10.2004, 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307 (329). Eine vermittelnde Ansicht, die auf einer völkerrechtsfreundlichen Auslegung beruht, vertreten Reimer/Rust, IStR 2005, 843 (845 f.); Rust, Die Hinzurechnungsbesteuerung, 2007, S. 104 ff. Ein treaty override ist an sich grundfreiheitlich unbedenklich, solange es nicht in diskriminierender bzw. beschränkender Weise [siehe dazu C.I.1.b)] erfolgt, vgl. EuGH, Urt. v. 06.12.2007, C-298/05 (Columbus Container Services), Slg. 2007, I-10451, Rz. 46 f.; Urt. v. 16.07.2009, C-128/08 (Damseaux), Slg. 2009, I-6823, Rz. 20-22; zuvor: GA Geelhoed, SchlA v. 06.04.2006, C-513/04 (Kerckhaert u. Morres), Slg. 2006, I-10967, Rz. 37; vgl. auch Musil, Deutsches Treaty Overriding und seine Vereinbarkeit
Entstehung und Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbesteuerung
spielsweise im Rahmen des materiellen Korrespondenzprinzips in § 8b Abs. 1 Satz 3 KStG vor,543 der „ungeachtet des Wortlauts des Abkommens“ anzuwenden ist.544 Entsprechende gesetzliche Vorbehalte finden sich in den deutschen Einkünftekorrekturnormen jedoch nicht.545 Diese können nicht einmal der Gesetzesbegründung zur Unternehmensteuerreform 2008 entnommen werden.546 In der Folge gehen Art. 9 Abs. 1 OECD-MA entsprechende DBAVorschriften den deutschen Einkünftekorrekturnormen vor und entfalten diesen gegenüber eine Schrankenwirkung. Werden die Einkünftekorrekturnormen
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mit Europäischem Gemeinschaftsrecht, 2000, S. 213; ders., DB 2009, 1037 (1038); Bron, IStR 2007, 431 (435); Terra/Wattel, European Tax Law, 5. Aufl. 2008, S. 779; Lang, FS Reiß, 2008, S. 679 (681); ders., in: Lehner, Reden zum Andenken an Klaus Vogel, 2010, S. 59 (71 ff.); Leitner, FS Schaumburg, 2009, S. 889 (897); Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2011, Rz. 3.25; a.A.: Gosch, IStR 2008, 413 (420); ders., Diskussionsbeitrag in: Lüdicke, Wo steht das deutsche Internationale Steuerrecht?, 2009, S. 179 f. Geht mit dem treaty override hingegen eine Diskriminierung oder Beschränkung einher, kann diese grundfreiheitlich noch gerechtfertigt werden [siehe C.I.1.c]]. In der Regel kann sich ein Mitgliedstaat, der ein treaty override begründet, dabei aber nicht mehr auf den Rechtfertigungsgrund der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse berufen, weil sich der EuGH zur Bestimmung der Aufteilung an den DBA und am OECD-MA orientiert, siehe C.I.2.c)cc)(2)(i) mit den Fn. 809 und 811. Siehe B.I.1.a)bb) mit Fn. 57. Weitere treaty overrides finden sich in §§ 15 Abs. 1a Satz 1; 17 Abs. 5 Satz 3; 48d Abs. 1 Satz 1; 50d Abs. 1, 8, 9 EStG; § 20 Abs. 1, 2 AStG; §§ 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2; 21 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 UmwStG. Vgl. zu § 1 AStG: Wassermeyer/Baumhoff/Greinert, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. V 104 (Stand: 05.2008); Piltz, JbFStR 2007/2008, 148 (152); Greinert, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 2007, S. 541 (578); Kaminski, StuW 2008, 337 (343); ders., in: Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, § 1 AStG, Rz. 48 (Stand: 10.2010); Graf, FS Djanani, 2008, S. 83 (105); Bär, Verständigungen über Verrechnungspreise, 2009, S. 53 f.; Kroppen, FS Schaumburg, 2009, S. 857 (867); Haas, FS Schaumburg, 2009, S. 715 (738 f.); Looks/Steinert/Müller, BB 2009, 2348 (2351 f.); ferner: Gosch, IStR 2008, 413 (418); Kroppen/Rasch/Eigelshoven, IWB 2007, Fach 3 Gruppe 1, 2201 (2214); ohne Begründung a.A.: Jahndorf, FR 2008, 101 (111). Vgl. zur Zinsschranke: Gosch, IStR 2008, 413 (418); Shou, Die Zinsschranke im Unternehmensteuerreformgesetz 2008, 2010, S. 185 f. Vgl. implizit zu § 8a KStG a.F.: BFH, Urt. v. 08.09.2010, I R 6/09, IStR 2011, 160 (163). Ebenso: Kaminski, StuW 2008, 337 (343) = FS Djanani, 2008, S. 129 (144 f.). Ein entsprechender Wille ließe sich bezüglich § 1 AStG aber allgemein dem BMFSchreiben v. 14.05.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, S. 3, Tz. 0 entnehmen. Die Kollisionsregel des § 2 AO kann aber nur durch mindestens gleichrangiges Gesetzesrecht durchbrochen werden. Eine Verwaltungsauffassung genügt dem nicht. Vgl. auch FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 11.10.2007, 6 K 1611/07, EFG 2008, 385; Musil, Deutsches Treaty Overriding und seine Vereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht, 2000, S. 71 f.; Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 42 AO, Rz. 2 (Stand: 04.2006); Piltz, JbFStR 2007/2008, 148 (151).
109
Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
von der Finanzverwaltung – wovon auszugehen ist547 – gleichwohl angewandt, ist dies mangels eines wirksamen treaty overrides verfassungsrechtlich unzulässig.548
2.
Gegenberichtigung
a)
Verrechnungspreisvorschriften
Indem die Erstberichtigung der deutschen Verrechnungspreisvorschriften auf den Fremdvergleichswert beschränkt wird, ist ein erster Schritt zur Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung getan. Letztlich entscheidet aber die Gegenberichtigung des anderen Staates darüber, ob die wirtschaftliche Doppelbesteuerung tatsächlich vermieden wird. Dazu bedarf es einer korrespondierenden Einkünftekorrektur anhand desselben Verrechnungspreises. Im OECD-MA sieht dies Art. 9 Abs. 2 vor. In Deutschland wird die Gegenberichtigung mangels einer speziellen Gesetzesgrundlage materiellrechtlich durch die verdeckte Gewinnausschüttung und verdeckte Einlage umgesetzt.549 Ist die verdeckte Einlage aufgrund eines nicht einlagefähigen Wirtschaftsguts nicht anwendbar, kann die Finanzverwaltung eine Gegenberichtigung aus Billigkeitsgründen vornehmen.550 Art. 9 Abs. 2 OECD-MA setzt voraus, dass die Erstberichtigung nach Abs. 1 dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht,551 verfahrensmäßig durchgeführt552
547 Vgl. für § 1 AStG: BMF-Schreiben v. 14.05.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, S. 3, Tz. 0; vgl. für die Zinsschranke: BMF v. 04.06.2008, BStBl. I 2008, 718, Rz. 1 ff. Gleichwohl wird im BMF-Schreiben v. 13.07.2006, BStBl. I 2006, 461, Tz. 1.1.4 der Vorrang zumindest des Art. 25 OECD-MA vor dem innerstaatlichen Recht unter Verweis auf § 2 AO anerkannt. 548 Vgl. Mausch, Treaty Overriding, 1998, S. 245 ff.; Hageböke, IStR 2009, 473 (480 f.); ferner: Shou, Die Zinsschranke im Unternehmensteuerreformgesetz 2008, 2010, S. 185 f.; a.A.: Pfeifer, Steueroptimale Gesellschafterfinanzierung einer Kapitalgesellschaft, 2006, S. 248. 549 Vgl. Wassermeyer, in: D/W, DBA, Art. 9 OECD-MA, Rz. 80, 108, 377 (Stand: 05.2004). Die verdeckte Gewinnausschüttung und verdeckte Einlage erfassen im Unterschied zu § 1 AStG nämlich auch die Vorteilsgewährung vom Ausland ins Inland, siehe B.I.1.a)bb), B.I.1.b)bb) und B.I.2.c). 550 Vgl. Wassermeyer, in: D/W, DBA, Art. 9 OECD-MA, Rz. 377 (Stand: 05.2004). 551 Dies ergibt sich aus der Wiederholung des Wortlauts der Fremdvergleichsdefinition des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA in Abs. 2. Eine Doppelbesteuerung aufgrund von Qualifikationskonflikten wird durch Art. 9 Abs. 2 OECD-MA gerade nicht erfasst, vgl. Wassermeyer, in: D/W, DBA, Art. 9 OECD-MA, Rz. 80 u. 373 (Stand: 05.2004); Eigelshoven, in: Vogel/Lehner, 5. Aufl. 2008, Art. 9, Rz. 161. 552 Siehe Art. 9 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1: „zugerechnet – und entsprechend besteuert“. Dadurch soll eine missbräuchliche Inanspruchnahme einer Gegenberichtigung verhindert werden. Vgl. Wassermeyer, in: D/W, DBA, Art. 9 OECD-MA, Rz. 366 (Stand: 05.2004); Becker, in: Haase, AStG/DBA, 2009, Art. 9 OECD-MA, Rz. 53.
110
Entstehung und Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbesteuerung
wurde und eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung553 bewirkt hat. Geht die Erstberichtigung über den Fremdvergleich hinaus, wird der andere Staat nicht verpflichtet, auch den überschießenden Teil der Erstberichtigung gegenzuberichtigen. Dieser müsste andernfalls zugunsten Deutschlands auf eigene Steuereinnahmen verzichten.554 In derartigen Fällen muss die Schrankenwirkung des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA die wirtschaftliche Doppelbesteuerung vermeiden. Entscheidend ist letztlich die Bestimmung des Fremdvergleichswerts. Diese ist grundsätzlich Sache der Vertragsstaaten. Trotz der Vereinheitlichungsfunktion des Art. 9 OECD-MA und der OECD-RL verbleibt aber insbesondere bei komplexen Verrechnungspreisfragen ein großer Auslegungs- und Ermessensspielraum der Finanzverwaltungen.555 Aus diesen Gründen verpflichtet Art. 9 Abs. 2 OECD-MA nur zu einer Gegenberichtigung, wenn sich die beteiligten Staaten dem Grunde und der Höhe nach über die Erstberichtigung einig sind.556 Daher sind effiziente internationale Streitbeilegungsverfahren notwendig, um die wirtschaftliche Doppelbesteuerung zu vermeiden. aa)
Verständigungs- und Schiedsverfahren der DBA
Art. 9 Abs. 2 Satz 2 OECD-MA verweist zur Herbeiführung einer Einigung auf das Verständigungsverfahren des Art. 25 OECD-MA. Akzeptiert der andere Staat die Erstberichtigung dem Grunde bzw. der Höhe nach nicht, nehmen die Finanzbehörden557 beider Staaten unmittelbar miteinander Kontakt auf,558 553 Dies ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des Art. 9 Abs. 2 OECD-MA, vgl. auch Lahodny-Karner, in: Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im internationalen Steuerrecht, 1994, S. 91 (111); Wassermeyer, in: D/W, DBA, Art. 9 OECD-MA, Rz. 369 (Stand: 05.2004); Eigelshoven, in: Vogel/Lehner, 5. Aufl. 2008, Art. 9, Rz. 163. 554 Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 4.35. 555 Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 4.1. 556 Vgl. OECD-MK, Art. 9, Tz. 6; OECD-RL 2010, Tz. 4.35; Lahodny-Karner, in: Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im internationalen Steuerrecht, 1994, S. 91 (111, 115); Becker, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, zu OECD-RL Tz. 4.32, Rz. 1 (Stand: 09.1998); Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 879; Eigelshoven, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 9, Rz. 164; Mayer/Nagelstutz, in: Bernegger/Rosenberger/Zöchling, Handbuch Verrechnungspreise, 2009, S. 495 (497 f.); Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2011, Rz. 16.319; a.A.: Wassermeyer, in: D/W, DBA, Art. 9 OECD-MA, Rz. 388 (Stand: 05.2004). 557 Dies ist in der Regel die oberste Finanzbehörde eines Vertragsstaates. In Deutschland hat das BMF seine Zuständigkeit aber auf das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) übertragen, siehe § 5 Abs. 1 Nr. 1 Finanzverwaltungsgesetz (FVG); ferner: BMF v. 13.07.2006, BStBl. I 2006, 461, Tz. 1.4. 558 Dazu sind die Finanzbehörden nach OECD-MK, Art. 25, Tz. 37 verpflichtet. Gl.A.: Gloria, Verständigungsverfahren, 1988, 208 ff.; Lahodny-Karner, in: Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im internationalen Steuerrecht, 1994, S. 91 (119 f.); a.A.: Wassermeyer, in: D/W, DBA, Art. 9 OECD-MA, Rz. 388 (Stand: 05.2004); Keerl, Internationale Verrechnungspreise in der globalisierten Wirtschaft, 2008, S. 221 ff., 319; Albert, IFSt-Schrift Nr. 457, 2009, S. 22 ff. Nach BFH, Urt. v.
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
um eine Einigung auf einen Verrechnungspreis zu erzielen. Eine Pflicht zur Einigung besteht hierbei jedoch nicht.559 Viele OECD-Staaten fürchten im Fall einer Einigungspflicht ihre steuerliche Souveränität aufzugeben und zu Gegenberichtigungen ggf. willkürlicher Erstberichtigungen verpflichtet zu werden.560 Art. 9 Abs. 2 OECD-MA kann eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung in vielen Fällen daher nicht verhindern. Die Vorschrift ist bisher ohnehin in nur wenige, zumeist neuere DBA aufgenommen worden.561 Fehlt sie in einem DBA, kann dennoch aufgrund einer abkommenswidrigen Besteuerung ein Verständigungsverfahren direkt nach Art. 25 OECD-MA eingeleitet werden,562 wobei wiederum keine Einigungspflicht besteht. In vielen Fällen verzichten die Steuerpflichtigen daher gleich auf einen Antrag zur Einleitung eines Verständigungsverfahrens, das zudem mehrere Jahre in Anspruch nehmen kann und dem Steuerpflichtigen wenig Mitwirkungs- und Informationsrechte ermöglicht.563
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26.05.1982, I R 16/78, BStBl. II 1982, 583 besteht zumindest keine Pflicht, wenn eine Doppelbesteuerung im Rahmen einer Maßnahme zur Steuerumgehung eines Steuerpflichtigen entsteht. Vgl. OECD-MK, Art. 9, Tz. 6; Art. 25, Tz. 38; OECD-RL 2010, Tz. 4.35; BMF v. 13.07.2006, BStBl. I 2006, 461, Tz. 1.2.1; Lahodny-Karner, in: Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im internationalen Steuerrecht, 1994, S. 91 (120 u. 123); Kofler, JOIT 1/2005, 34 (37), 2/2005, 36 (37); Eigelshoven, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 9, Rz. 165; Wassermeyer, in: D/W, DBA, Art. 9 OECD-MA, Rz. 388 (Stand: 05.2004); Hinnekens, FS Vanistendael, 2008, S. 511 (515 f.); Bödefeld/Kuntschik, IStR 2009, 449; Macho, in: Bernegger/Rosenberger/Zöchling, Handbuch Verrechnungspreise, 2009, S. 515 (523 u. 526); Ault/Sasseville, BIT 2009, 208 (209). Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 4.35. Siehe mit Nennung der entsprechenden 22 deutschen DBA: Eigelshoven, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 9, Rz. 145, 181. Deutschland hatte im OECD-MK zu Art. 9 erst 1992 seinen Vorbehalt gegenüber Art. 9 Abs. 2 OECD-MA aufgehoben, so dass die Regelung insbesondere in älteren DBA fehlt, vgl. Portner, IStR 1996, 23 (28); Becker, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, zu OECD-RL Tz. 4.33, Rz. 1 (Stand: 09.1998). Vgl. OECD-MK, Art. 25, Tz. 10 u. 11; OECD-RL 2010, Tz. 4.33; BMF v. 23.02.1983, BStBl. I 1983, 218, Tz. 1.2.4; ferner: Eigelshoven, in: Vogel/Lehner, 5. Aufl. 2008, Art. 9, Rz. 159 u. 165; Becker, in: Haase, AStG/DBA, 2009, Art. 9 OECD-MA, Rz. 50; Macho, in: Bernegger/Rosenberger/Zöchling, Handbuch Verrechnungspreise, 2009, S. 515 (518). Nach Auffassung der österreichischen Finanzverwaltung hat Art. 9 Abs. 2 OECD-MA nur klarstellenden Charakter, so dass sich die Pflicht zur Gegenberichtigung bereits aus Abs. 1 ergäbe, vgl. Lahodny-Karner, in: Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im internationalen Steuerrecht, 1994, S. 91 (112); Macho, a.a.O. Kritisch: Lahodny-Karner, in: Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im internationalen Steuerrecht, 1994, S. 91 (120 ff.); Lehner, FS Reiß, 2008, S. 665 (671); Plansky, in: Lang u.a., Introduction to European Tax Law on Direct Taxation, 2008, Rz. 583; Bödefeld/Kuntschik, IStR 2009, 449; Albert, IFSt-Schrift Nr. 457, 2009, S. 41 ff.; Koppensteiner, ÖStZ 2009, 549 ff. Vgl. auch OECD-RL 2010, Tz. 4.42.
Entstehung und Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbesteuerung
Einen besseren Schutz vor wirtschaftlicher Doppelbesteuerung versprechen Schiedsverfahren. Können sich die beteiligten Staaten im Verständigungsverfahren innerhalb einer bestimmten Frist nicht auf einen Verrechnungspreis einigen, entscheidet ein Ausschuss, der zumindest zum Teil aus unabhängigen Personen besteht, über den Fall. Schiedsklauseln sind in DBA bisher allerdings relativ selten und verpflichten die Vertragsstaaten zumeist nicht, die Schiedssprüche auch umzusetzen.564 Obligatorische Schiedsverfahren sind international noch eine Rarität,565 sind aber in den deutschen DBA mit den USA566, Österreich567 und seit kurzem auch in den DBA mit Großbritannien568, der Schweiz569 und Liechtenstein570 enthalten. Darunter nimmt das DBA Österreich eine Sonderstellung ein, weil es gemäß Art. 273 AEUV den EuGH als Schiedsgericht einsetzt. Die OECD hat im Jahr 2008 mit Art. 25 Abs. 5 eine obligatorische Schiedsklausel in das OECD-MA aufgenommen.571 In der Zukunft ist daher mit weiteren obligatorischen Schiedsverfahren in DBA zu rechnen. Deutschland hat Art. 25 Abs. 5 OECD-MA bisher aber nur in die bereits genannten DBA mit der Schweiz, Großbritannien und Liechtenstein aufgenommen. Andere neue DBA beschränken sich weiterhin auf ein Verständigungsverfahren.572 bb)
Das EU-Schiedsübereinkommen
Die Notwendigkeit obligatorischer Schiedsverfahren zur Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung bei Einkünftekorrekturen zwischen ver564 Siehe die deutschen DBA mit Frankreich (Art. 25 A), Kanada (Art. 25 Abs. 6) und Schweden (Art. 41 Abs. 5). Vgl. zu den weltweiten DBA: Groen, Intertax 2002, 3 mit Fn. 3. 565 Vgl. Lehner, in: Vogel/Lehner, 5. Aufl. 2008, Art. 25, Rz. 203. 566 Siehe Art. 25 Abs. 5 lit. a), aa), A) DBA USA 1989/2006. Hier besteht allerdings noch die Ausnahme, dass die USA und Deutschland darin übereinkommen können, dass der Fall sich nicht für ein Schiedsverfahren eignet. Dabei hat der Steuerpflichtige aber zumindest einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung, vgl. Lehner, in: Vogel/Lehner, 5. Aufl. 2008, Art. 25, Rz. 262. 567 Siehe Art. 25 Abs. 5 DBA Österreich. 568 Siehe Art. 26 Abs. 5 DBA Großbritannien 2010, der weitgehend dem neuen Art. 25 Abs. 5 OECD-MA entspricht. 569 Siehe Art. 26 Abs. 5-7 DBA Schweiz 2010. Wie beim DBA USA besteht hier die Ausnahme, dass sich beide Staaten nach Art. 26 Abs. 5 lit. c des DBA einigen können, dass der Fall nicht für ein Schiedsabkommen geeignet ist, siehe oben Fn. 566. 570 Siehe Art. 25 Abs. 5-7 DBA Liechtenstein 2011. Die Ratifikation des DBA stand im Frühjahr 2012 noch aus. 571 Vgl. dazu Ault/Sasseville, BIT 2009, 208 (209); Bödefeld/Kuntschik, IStR 2009, 449 (450 f.); Nientimp/Tomson, IStR 2009, 615 ff.; Herlinghaus, IStR 2010, 125 ff.; Lehner, in: Vogel/Lehner, 5. Aufl. 2008, Art. 25, Rz. 199 ff. 572 Vgl. etwa Art. 25 DBA Belgien 2010; Art. 25 DBA Bulgarien 2011; Art. 25 DBA Irland 2011; Art. 22 DBA Luxemburg 2009; Art. 25 DBA Malaysia 2010; Art. 25 DBA Mazedonien 2010. Dies gilt auch für DBA zwischen sonstigen Mitgliedstaaten, vgl. Kommission v. 11.11.2011, KOM(2011) 712 endg., S. 12.
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
bundenen Unternehmen wurde früh von der Europäischen Union erkannt. Nach einem fehlgeschlagenen Richtlinienentwurf von 1979,573 wurde 1990 auf der Grundlage des früheren Art. 293 EG574 zwischen den EU-Mitgliedstaaten ein multilaterales völkerrechtliches Übereinkommen abgeschlossen, das nach einem langen Ratifizierungsprozess 1995 in Kraft trat.575 Das EU-Schiedsübereinkommen (EU-SchÜ) nimmt daher nicht an der Höherrangigkeit des Unionsrechts Teil. Es hat den gleichen Rang wie die DBA576 und geht den deutschen Einkünftekorrekturnormen mangels eines wirksamen treaty overrides vor.577 Über seine Auslegung entscheidet nicht der EuGH, sondern die nationalen Gerichte.578 Das EU-SchÜ gibt in Art. 4 Nr. 1 den Wortlaut des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA wieder. Es ist damit auf die Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen anwendbar, sofern beide Unternehmen in
573 Siehe Kommission v. 25.11.1976, KOM(1976) 611 endg., zurückgezogen mit ABl. 1997 C 2, 2 (6) v. 04.01.1997. Die Überführung des EU-SchÜ in eine Richtlinie wurde erneut im Jahr 2001 erwogen, vgl. Kommission v. 23.10.2001, KOM(2001) 582 endg., S. 16. 574 Die Vorschrift wurde im Rahmen des Lissabon-Vertrags nicht mehr in den AEUV übernommen. Der rechtliche Bestand des EU-SchÜ wird dadurch jedoch nicht tangiert. Ohnehin bleiben multilaterale Abkommen auch nach der Streichung des Art. 293 EG weiterhin möglich, so dass die Auswirkungen der Streichung gering sind. Vgl. zum Ganzen: Hinnekens, Intertax 2009, 602 (606 f.). 575 Siehe das Übereinkommen über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen v. 23.07.1990, 90/436/EWG, ABl. 1990 L 225, 10 (EU-Schiedsübereinkommen; kurz: EU-SchÜ). Vgl. zu dessen Rechtsentwicklung etwa Kofler, JOIT 1/2005, 39 f.; Krabbe, in: D/W, DBA, vor Art. 1 EU-SchÜ, Rz. 1 ff. Dem EU-SchÜ sind mittlerweile auch die neuen und somit alle 27 Mitgliedstaaten beigetreten. 576 Vgl. Lehner, FS Reiß, 2008, S. 665 (677); Mayer/Nagelstutz, in: Bernegger/Rosenberger/Zöchling, Handbuch Verrechnungspreise, 2009, S. 495 (501); Plansky, in: Lang u.a., Introduction to European Tax Law on Direct Taxation, 2008, Rz. 585 f.; Terra/Wattel, European Tax Law, 5. Aufl. 2008, S. 568; Hinnekens, Intertax 2009, 602 (604). 577 Siehe zu den gleichrangigen DBA bereits B.IV.1.c). Die deutschen Einkünftekorrekturnormen enthalten auch keinen Vorbehalt gegenüber dem EU-SchÜ. Dabei würde dieselbe Formulierung genügen, wie sie bei anderen treaty overrides bezüglich DBA verwendet wird („ungeachtet eines Abkommens“). 578 Vgl. Adonnino, ET 2003, 403 (404); Lehner, FS Reiß, 2008, S. 665 (677); Mayer/Nagelstutz, in: Bernegger/Rosenberger/Zöchling, Handbuch Verrechnungspreise, 2009, S. 495 (501); Plansky, in: Lang u.a., Introduction to European Tax Law on Direct Taxation, 2008, Rz. 586; Terra/Wattel, European Tax Law, 5. Aufl. 2008, S. 568; Hinnekens, Intertax 2009, 602 (604). Die Zuständigkeit des EuGH ließ sich auch nicht aus dem nicht mehr in den AEUV übernommenen Art. 293 EG herleiten, vgl. Lehner, FS Reiß, 2008, S. 665 (678); Adonnino, ET 2003, 403 (404); Lang, FS Reiß, 2008, S. 679 (681 f.).
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Entstehung und Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbesteuerung
zwei verschiedenen Vertragsstaaten des EU-SchÜ ansässig sind.579 Aufgrund der Wortlautidentität sind die Grundsätze zu Art. 9 Abs. 1 OECD-MA auch auf das EU-SchÜ übertragbar; die OECD-RL können als Auslegungshilfe herangezogen werden. Das EU-SchÜ sieht zur Herstellung einer Einigung auf einen Verrechnungspreis ein abgestuftes Verfahren vor, das praktisch an das Verständigungsverfahren der DBA anknüpft.580 Erfolgt im Verständigungsverfahren (Art. 6 EU-SchÜ) innerhalb von zwei Jahren581 keine Einigung zwischen den Vertragsstaaten, geht der Fall zwingend auf einen „Beratenden Ausschuss“582 über.583 Dieser bereitet innerhalb von sechs Monaten einen Lösungsvorschlag vor, der innerhalb weiterer sechs Monate für die Vertragsstaaten verbindlich wird, sofern sich diese nicht auf eine andere Lösung einigen.584 Auf diese Weise wird eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung konzeptionell wirksam verhindert.585 Tatsächlich gab es in den ersten 15 Jahren des EU-SchÜ aber nur zwei Schiedssprüche.586 Dies mag einerseits damit zusammenhängen, dass sich die Vertragsstaaten bereits vorher im Verständigungsverfahren einigen, um ein
579 Siehe Art. 1 Abs. 1 EU-SchÜ. Siehe zum räumlichen Geltungsbereich auch Art. 16 EUSchÜ. Das Übereinkommen ist ferner auf die Einkünfteabgrenzung zwischen Betriebsstätten anwendbar, siehe Art. 4 Nr. 1; 1 Abs. 1 und 2 EU-SchÜ. 580 Vgl. Lehner, FS Reiß, 2008, S. 665 (676); Plansky, in: Lang u.a., Introduction to European Tax Law on Direct Taxation, 2008, Rz. 603. Weitergehende Verpflichtungen der Vertragsstaaten, wie ggf. die obligatorischen Schiedsklauseln der DBA, bleiben nach Art. 15 EU-SchÜ unberührt. Dem Steuerpflichtigen dürfte daher ein Wahlrecht zustehen, zwischen den Schiedsverfahren nach den DBA und dem EU-SchÜ zu wählen. Vgl. auch BMF v. 13.07.2006, BStBl. I 2006, 461, Tz. 2.1.1 u. 11.1.1. 581 Die Frist kann jedoch verlängert werden, wenn sich alle Beteiligten und damit auch die Steuerpflichtigen darauf einigen, Art. 7 Abs. 4 EU-SchÜ. Die Frist verlängert sich ferner, wenn der Fall vor einem nationalen Gericht vorgelegt wird, Art. 7 Abs. 1 Satz 2 EU-SchÜ. 582 Dieser setzt sich nach Art. 9 Abs. 1 EU-SchÜ aus je einem oder zwei Vertretern der Finanzbehörden, einer geraden Anzahl unabhängiger Personen plus dem Vorsitzenden zusammen. Das Votum der unabhängigen Personen ist damit entscheidend. 583 Siehe Art. 7 Abs. 1 Satz 1 EU-SchÜ. Eine Ausnahme besteht hiervon, wenn eines der beteiligten Unternehmen einen „empfindlich zu bestrafenden Verstoß gegen steuerliche Vorschriften begangen hat“, Art. 8 Abs. 1 EU-SchÜ. Dies legen die Vertragsstaaten unterschiedlich aus. Deutschland versteht darunter „jede[n] Verstoß gegen die Steuergesetze, der mit Freiheitsstrafe, Geldstrafe oder Bußgeld geahndet wird“, siehe die Erklärungen zu Art. 8 in der Schlussakte des EU-SchÜ. 584 Siehe Art. 11 Abs. 1; 12 Abs. 1 EU-SchÜ. 585 Nach Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 14 EU-SchÜ ist das Verfahren erst nach der Beseitigung der Doppelbesteuerung abgeschlossen. 586 Davon der erste im Jahr 2003, der zweite im Jahr 2005, vgl. Ault/Sasseville, BIT 2009, 208 (215); Hinnekens, EC Tax. Rev. 2010, 109. Siehe für eine Statistik über die anhängigen Verfahren JTPF v. 12.2009, 2008 Update of the Number of Open Cases under the Arbitration Convention, JTPF/009/REV2/BACK/2009/EN.
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
Schiedsverfahren zu vermeiden.587 Andererseits verzichten viele Unternehmen weiterhin auf die Einleitung von Verständigungs- und Schiedsverfahren und nehmen eine Doppelbesteuerung in Kauf: Obwohl nach einer Umfrage aus dem Jahr 1999588 international 42% der Einkünftekorrekturen zu einer Doppelbesteuerung geführt haben, ist die Zahl von Verständigungs- und Schiedsverfahren vergleichsweise gering.589 Die Gründe hierfür könnten die nach dem EU-SchÜ immer noch langen und oft überschrittenen Verfahrensfristen590 sowie die eigenen Kosten591 der Steuerpflichtigen sein.592 Die Europäische Kommission hat die Schwachstellen des EU-SchÜ erkannt und im Jahr 2002 das Joint Transfer Pricing Forum (JTPF) gegründet,593 dessen Hauptaufgabe es ist, das EU-SchÜ zu verbessern.594 Erste Maßnahmen wie die Aufstellung eines unverbindlichen Verhaltenskodex595 konnten die Situation aber wohl
587 Vgl. Ault/Sasseville, BIT 2009, 208 (215); Bödefeld/Kuntschik, IStR 2009, 449 (452); Terra/Wattel, European Tax Law, 5. Aufl. 2008, S. 567; Hinnekens, EC Tax. Rev. 2010, 109 (110). 588 Vgl. Ernst & Young, Transfer Pricing 1999 Global Survey, zit. in: Kommission v. 23.10.2001, SEK(2001) 1681, S. 297 f. Dabei führten nach einer aktuellen Umfrage 27% der Betriebsprüfungen, in denen die Verrechnungspreise geprüft wurden, zu einer Einkünftekorrektur, vgl. Ernst & Young, Global Transfer Pricing Survey 2007-2008, S. 4, Download unter: http://www.ey.com/Publication/vwLUAssets/Precision_under_ pressure/$FILE/Precision_under_pressure.pdf. 589 Vgl. Kommission v. 23.10.2001, SEK(2001) 1681, S. 298 ff. mit Tabellen 47 und 48: Danach wurden zwischen 1995 und 1999 135 Verständigungsverfahren nach DBA und 166 nach dem EU-SchÜ zwischen den damals 15 Mitgliedstaaten gezählt. 590 Vgl. Kommission v. 23.10.2001, SEK(2001) 1681, S. 299; v. 26.02.2007, KOM(2007) 71 endg., Tz. 27. 591 Die Kosten des Schiedsverfahrens werden aber von den beteiligten Staaten getragen, siehe Art. 11 Abs. 3 EU-SchÜ. 592 Kritisch: Kommission v. 23.10.2001, SEK(2001) 1681, S. 308 ff.; v. 23.10.2001, KOM(2001) 582 endg., S. 16; v. 11.11.2011, KOM(2011) 712 endg., S. 11 f.; Hinnekens, FS Vanistendael, 2008, S. 511 (522); Beiser, IStR 2008, 587 (588); Bödefeld/ Kuntschik, IStR 2009, 268; Scheffler, Internationale betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 3. Aufl. 2009, S. 451; a.A. bezüglich der Kosten: Vögele/Forster, IStR 2006, 537 (537 f.). 593 Siehe Kommission v. 23.10.2001, KOM(2001) 582 endg., S. 16. Diese zunächst informelle Gründung wurde mit Beschluss der Kommission 2007/75/EG vom 22.12.2006 formell bestätigt. Das Mandat des JTPF wurde zuletzt mit Beschluss C/2011/175 vom 25.01.2011 bis zum 31.03.2015 verlängert. 594 Siehe zum Arbeitsprogramm des JTPF: JTPF v. 23.10.2007, 2007-2008 JTPF Work Programme, JTPF/013/2007/EN. Vgl. auch Kommission v. 23.10.2001, KOM(2001), 582 endg., S. 16. 595 Siehe Überarbeiteter Verhaltenskodex zur wirksamen Durchführung des EU-SchÜ v. 30.12.2009, ABl. 2009 C 322, 1. Siehe zur ersten Fassung des Verhaltenskodex ABl. 2006 C 176, 8 v. 28.07.2006.
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Entstehung und Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbesteuerung
nicht entscheidend verbessern. Die Kommission hat daher zuletzt angekündigt, im Jahr 2012 einen Legislativvorschlag vorzulegen.596 cc)
Vorabverständigungsvereinbarung – Advance Pricing Agreement
Neben den genannten Verfahren besteht für verbundene Unternehmen noch die Möglichkeit, Vorabverständigungsverfahren i.S.v. § 178a Abs. 1 Satz 1 AO mit den Finanzbehörden der beteiligten Staaten auf der Rechtsgrundlage des Art. 25 OECD-MA597 aufzunehmen. Dabei wird eine zeitlich befristete Vereinbarung (sog. Advance Pricing Agreement, kurz: APA) über die Verrechnungspreismethode und die wesentlichen preisbestimmenden Faktoren getroffen.598 In Betriebsprüfungen wird später nur noch kontrolliert, ob die Verrechnungspreisgestaltung sich innerhalb der Grenzen des APA bewegt. Die Unternehmen gewinnen dadurch Planungssicherheit und reduzieren das Risiko von Erstberichtigungen und wirtschaftlicher Doppelbesteuerung.599 APAs sind jedoch kein „Allheilmittel“600: Die Vorabverständigung ist zeit- und kostenintensiv601 und eine Einigung mit den Finanzbehörden nicht garantiert. APAs können aber insbesondere bei Transaktionen vorteilhaft sein, bei denen aufgrund einer komplexen Verrechnungspreisermittlung ein hohes Risiko einer Einkünftekorrektur besteht.602 b)
Unterkapitalisierungsvorschriften
Die Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung erweist sich im Fall der Zinsschranke aufgrund ihrer strukturellen Unterschiede zu Art. 9 Abs. 1 OECD-MA als besonders problematisch. Einerseits basiert die Zinsschranke nicht auf dem Fremdvergleichsgrundsatz und erfasst auch Darlehen Dritter, andererseits bewirkt sie aufgrund des Zinsvortrags nur eine temporäre Doppelbesteuerung. Im Fall des § 8a KStG a.F. konnte unabhängig von Art. 9 Abs. 2 und Art. 25 OECD-MA eine Doppelbesteuerung bereits vermieden werden, wenn der andere Staat die Umqualifikation der Zinszahlungen in
596 Vgl. Kommission v. 05.12.2011, KOM(2011) 777 endg./2, Vol. 2/2, S. 39. 597 Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 4.130 f.; Kommission v. 26.02.2007, KOM(2007) 71 endg., S. 10; BMF v. 05.10.2006, BStBl. I 2006, 594, Tz. 1.2; Lehner, FS Reiß, 2008, S. 665 (674); ders., in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Rz. 326 f. Unilaterale APAs werden hingegen von den anderen Finanzverwaltungen in der Regel nicht anerkannt, vgl. BMF v. 05.10.2006, BStBl. I 2006, 594, Tz. 1.2. 598 Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 4.124; Kommission v. 26.02.2007, KOM(2007) 71 endg., S. 10; BMF v. 05.10.2006, BStBl. I 2006, 594, Tz. 1.2. 599 Vgl. Grotherr, BB 2005, 855 (863 f.); Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 7. Aufl. 2011, S. 904; BMF v. 05.10.2006, BStBl. I 2006, 594, Tz. 1.1. 600 Lehner, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Rz. 316 m.w.N. 601 Siehe § 178a AO; vgl. OECD-RL 2010, Tz. 4.147 ff.; Grotherr, BB 2005, 855 (860); Lehner, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Rz. 316; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 7. Aufl. 2011, S. 910. 602 Vgl. zu möglichen Fallgestaltungen Grotherr, BB 2005, 855 (863 ff.).
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
Dividenden nachvollzog.603 Im Fall von Unterkapitalisierungsvorschriften, die eine Zinsabzugsbeschränkung vorsehen, kann eine Doppelbesteuerung nur über Art. 9 Abs. 2 und Art. 25 OECD-MA vermieden werden.604 Die Vorschriften sind auch auf die Zinsschranke anwendbar: Denn wenn von der Anwendbarkeit des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA auf die Zinsschranke auszugehen ist,605 muss dies auch für Abs. 2 gelten, der im unmittelbaren Zusammenhang mit Abs. 1 steht. Art. 25 OECD-MA betrifft ohnehin alle Fälle einer abkommenswidrigen Doppelbesteuerung. Die Gegenberichtigung hat aber nur insoweit zu erfolgen, wie die Schrankenwirkung des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA reicht, das heißt nur insoweit, wie die Zinsabzugsbeschränkung auf Darlehen gebietsfremder verbundener Unternehmen zurückzuführen ist. Hat das ansässige Unternehmen auch Darlehen von Dritten aufgenommen, kann eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung nicht vollständig vermieden werden. Aber auch soweit die Zinsabzugsbeschränkung auf Darlehen verbundener Unternehmen zurückzuführen ist, ist eine Gegenberichtigung kaum zu erwarten.606 Der Vertragsstaat müsste nämlich ggf. jährlich eine korrespondierende Gegenberichtigung zum Auf- und Abbau des Zinsvortrags vornehmen.607 Dies dürfte der Vertragsstaat ob des hohen administrativen Aufwands mit Verweis auf die fehlende Fremdvergleichskonformität des § 4h EStG verweigern. Fraglich ist vor allem, wie in einem obligatorischen Schiedsverfahren entschieden werden würde. Ob das EU-SchÜ auf Unterkapitalisierungsvorschriften angewendet werden kann ist strittig,608 ist aufgrund der Wortlautidentität des Art. 4 Nr. 1 EU-SchÜ mit Art. 9 Abs. 1 OECD-MA aber letztlich aus den bereits oben609 erläuterten Argumenten zu bejahen. Dies bestätigt jetzt auch 603 Siehe bereits B.IV. 604 Vgl. Obser, Gesellschafter-Fremdfinanzierung im europäischen Konzern, 2005, S. 34; 142 ff.; de Vries/Rubbens, IStR 2002, Länderbericht zu Heft 23, 2; ferner: OECD-MK, Art. 25, Tz. 9; OECD Committee on Fiscal Affairs, Thin Capitalisation, 1987, Tz. 50, 65 lit. a, 72. 605 Siehe B.IV.1.b). 606 Vgl. auch Homburg, FR 2007, 717 (726). 607 Eine dauerhafte Gegenberichtigung würde bei späterer Geltendmachung des Zinsvortrags andernfalls zu einer unfreiwilligen Steuerrückzahlung führen. 608 Dafür: Adonnino, ET 2003, 403 (405); Thömmes/Stricof/Nakhai, Intertax 2004, 126 (136); Brosens, EC Tax Rev. 2004, 188 (210); Eicker/Stockburger, IWB 2005, Gruppe 2 Fach 11, 661 (662 f. u. 667); Bernath, The Implications of the Arbitration Convention, 2006, S. 86 ff. m.w.N., Download unter: http://urn.kb.se/resolve?urn=urn:nbn:se:hj: diva-548; ferner wohl auch: Cordewener, in: Lang, Direct Taxation: Recent ECJ Developments, 2003, S. 35 (57 mit Fn. 80). Dagegen: Hinnekens, BTR 1996, 272 (282 f.); Krabbe, in: D/W, DBA, Art. 1 EU-SchÜ, Rz. 11 (Stand: 10.2007); Plansky, in: Lang u.a., Introduction to European Tax Law on Direct Taxation, 2008, Rz. 584; Terra/Wattel, European Tax Law, 5. Aufl. 2008, S. 574. Von einer Anwendbarkeit scheint auch der EuGH auszugehen, vgl. EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 55. 609 Siehe B.IV.1.b).
118
Entstehung und Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbesteuerung
der im Jahr 2009 überarbeitete Verhaltenskodex zur Durchführung des EUSchÜ,610 mehrere Mitgliedstaaten halten über einen Vorbehalt jedoch an der gegenteiligen Auffassung fest.611 Um eine temporäre wirtschaftliche Doppelbesteuerung im Schiedsverfahren effektiv zu vermeiden,612 müsste die Einkünftekorrektur des § 4h EStG nach Art. 9 Abs. 1 OECD-MA auf eine fremdvergleichskonforme Höhe beschränkt und der andere Staat zu einer temporären Gegenberichtigung613 verpflichtet werden. Letzteres dürfte ihm aber in Anbetracht des ggf. jährlichen Anpassungsbedarfs der Gegenberichtigung kaum zuzumuten sein. In der Praxis dürfte der Steuerpflichtige daher kaum um die zumindest temporäre Doppelbesteuerung herum kommen.
3.
Zwischenergebnis
Die Unternehmensteuerreform 2008 hat die deutschen Einkünftekorrekturnormen auf einen Konfliktkurs zu den DBA gelenkt. § 1 AStG sieht jetzt zahlreiche Fälle vor, in denen die Verrechnungspreiskorrektur über den Fremdvergleichsgrundsatz des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA hinausgeht. Daran können auch die OECD-RL 2010 wenig ändern. Mit der Zinsschranke hat sich Deutschland von den abkommensrechtlichen Grundsätzen der Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen fast vollständig entfernt. Die deutschen Einkünftekorrekturnormen unterliegen damit mangels eines wirksamen treaty overrides in vielen Fällen der Schrankenwirkung von Art. 9 Abs. 1 OECD-MA entsprechenden DBA-Vorschriften. Die Schrankenwirkung ist zwingend notwendig, damit die abkommensrechtlichen Maßnahmen zur Verhinderung einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung auch erfolgreich sein können. Denn nur bei einer fremdvergleichskonformen Einkünftekorrektur ist es dem anderen Staat auch zuzumuten, entsprechend Art. 9 Abs. 2; 25 OECDMA eine Gegenberichtigung vorzunehmen. Setzt sich die deutsche Finanzverwaltung über die Schrankenwirkung hinweg, kann eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung nur mit Klagen vor deutschen Gerichten auf Durchsetzung des hier vorrangigen Abkommensrechts vermieden werden. 610 Siehe Tz. 1.2 des Überarbeiteten Verhaltenskodex zur wirksamen Durchführung des EU-SchÜ v. 30.12.2009, ABl. 2009 C 322, 1. Vgl. zuvor bereits JTPF v. 21.02.2008, Secretariat’s Discussion Paper on Thin Capitalization, JTPF/005/2008/EN, S. 2 ff.; Kommission v. 14.09.2009, KOM(2009) 472 endg., S. 7 f., 12 u. 14. 611 Im Einzelnen haben Bulgarien, die Tschechische Republik, die Niederlande, Griechenland, Ungarn, Italien, Lettland, Polen, Portugal und die Slowakei teils unterschiedliche Vorbehalte in einer Fußnote vermerken lassen. 612 Die Vermeidung der Doppelbesteuerung ist zumindest im EU-SchÜ nach Art. 12 Abs. 1; 14 EU-SchÜ verpflichtend. 613 Eine nachträgliche Korrektur der Gegenberichtigung ist zumindest nach Art. 9 Abs. 2 OECD-MA auch vorgesehen, wenn die Erstberichtigung vor Ablauf der Festsetzungsverjährung geändert oder zurückgenommen wird, vgl. Wassermeyer, in: D/W, DBA, Art. 9 OECD-MA, Rz. 366 (Stand: 05.2004).
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Regelungen zur Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen
Die Verhinderung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung ist nach dem internationalen Steuerrecht aber selbst dann problematisch, wenn die Erstberichtigung dem Fremdvergleichsgrundsatz des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA entspricht. Beide beteiligte Staaten müssen sich dem Grunde und der Höhe nach auf die Erstberichtigung einigen. Die Verständigungsverfahren der DBA können dies jedoch nicht garantieren; obligatorische Schiedsverfahren sind auch nach Einführung des Art. 25 Abs. 5 in das OECD-MA weiterhin selten. Zwar bietet bei Sachverhalten innerhalb der EU das EU-SchÜ konzeptionell einen wirksamen Schutz vor wirtschaftlicher Doppelbesteuerung, dieses wird aufgrund praktischer Schwierigkeiten von den Unternehmen bisher aber noch zu selten genutzt. APAs können zwar das Risiko einer Einkünftekorrektur von vornherein reduzieren, eignen sich aufgrund des hohen Aufwands aber nur bei komplexen Verrechnungspreisfragen. Die Maßnahmen zur internationalen Streitbeilegung werden aber zunehmend effizienter,614 so dass mit der sukzessiven Implementierung von Art. 25 Abs. 5 OECD-MA in DBA, der weiteren Verbesserung des EU-SchÜ durch die Kommission und das JTPF sowie durch die verstärkte Nutzung von APAs in Zukunft mit einer Besserung gerechnet werden kann.
614 Vgl. auch Mayer/Nagelstutz, in: Bernegger/Rosenberger/Zöchling, Handbuch Verrechnungspreise, 2009, S. 495 (513); ähnlich: Lehner, FS Reiß, 2008, S. 665 (671).
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C. Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht Die deutschen Verrechnungspreis- und Unterkapitalisierungsvorschriften zählen zu den einfachgesetzlichen Normen. Diese müssen in Einklang mit höherrangigem Recht stehen, insbesondere mit nationalem Verfassungsrecht und aufgrund der Mitgliedschaft der Bundesrepublik in der Europäischen Union auch mit Europarecht. In Teil C. dieser Arbeit sollen daher zunächst die Verrechnungspreisvorschriften und im Anschluss die Zinsschranke auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht untersucht werden.
I.
Verrechnungspreisvorschriften
Während die Vereinbarkeit der deutschen Verrechnungspreisvorschriften mit dem Verfassungsrecht kaum in Frage gestellt wird, wird in der deutschen Rechtsprechung1 und Literatur2 seit einigen Jahren zunehmend kontrovers über deren Vereinbarkeit mit Europarecht gestritten. Um in dieser Frage eine Klärung herbeizuführen, sollen zunächst die relevanten unionsrechtlichen Vorgaben, insbesondere der Gewährleistungsgehalt der Grundfreiheiten, herausgearbeitet werden. Erst daraufhin können die Verrechnungspreisvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit diesen Vorgaben überprüft werden.
1
2
Zweifel an der Vereinbarkeit wurden insbesondere bekundet im BFH-Bschl. v. 21.06.2001, I B 141/00, BFHE 195, 398; FG Düsseldorf, Urt. v. 19.02.2008, 17 K 894/05 E, IStR 2008, 449; zurückhaltender: BFH, Urt. v. 29.11.2000, I R 85/99, BStBl. II 2002, 720 (721 f.); sogar einen Verstoß annehmend: FG Münster, Urt. v. 22.02.2008, 9 K 509/07 K,F, EFG 2008, 923. Zuletzt in Drittstaatenfällen einen Verstoß aufgrund der Verdrängung der Kapitalverkehrs- durch die Niederlassungsfreiheit ablehnend: BFH, Urt. v. 23.06.2010, I R 37/09, BStBl. II 2010, 895 (896 f.). Einen Verstoß nehmen etwa an: Dautzenberg/Goksch, BB 2000, 904 ff.; Wassermeyer, IStR 2001, 633 (637); Scheuerle, IStR 2002, 798 ff.; Rasch/Nakhai, DB 2005, 1984 ff.; Rehm/Nagler, IStR 2008, 421 ff.; Mann, Einkünftekorrekturnormen, 2008, S. 109 ff.; Schenke/Mohr, DStZ 2009, 439 (450); a.A.: Rehfeld, Die Vereinbarkeit des Außensteuergesetzes mit den Grundfreiheiten des EG-Vertrags, 2008, S. 71 ff.; Goebel/Küntscher, Ubg 2009, 235 ff.; Naumann u.a., IStR 2009, 665 ff. Die Diskussion wird auch nach Erlass des EuGH-Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, das zur belgischen Verrechnungspreisvorschrift des Art. 26 CIR erging, kontrovers fortgesetzt, vgl. mit der Annahme eines Unionsrechtsverstoßes etwa Thömmes, IWB 2010, Fach 11a, 107 (111 f.); Bron, EWS 2010, 80 (82 f.); Englisch, IStR 2010, 139 ff.; Andresen, IStR 2010, 289 (290 f.); Glahe, IStR 2010, 870 ff.; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2011, Rz. 18.105; Schönfeld, IStR 2011, 219 (220 ff.); a.A.: Becker/Sydow, IStR 2010, 195 (197 f.); wohl auch Korn, GWR 2010, 72.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
1.
Relevante unionsrechtliche Vorgaben
a)
Die Bedeutung des primären Unionsrechts für die direkten Steuern
Die Europäische Union hat es sich in ihren Gründungsverträgen3 zum Ziel gesetzt, die 27 einzelstaatlichen Märkte ihrer Mitgliedstaaten zu einem „Raum ohne Binnengrenzen“ zusammenzuführen, „in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital […] gewährleistet ist“.4 Dies soll insbesondere durch die Beseitigung von Hindernissen geschehen, die die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen aufweisen.5 Das Binnenmarktkonzept der EU wird wesentlich durch die Orientierung an marktwirtschaftlichen Ordnungsprinzipien geprägt: Durch eine offene Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb soll eine optimale Ressourcenallokation in der Union gewährleistet werden.6 Das Prinzip des unverfälschten Wettbewerbs7 bzw. der Wettbewerbsgleichheit8 verpflichtet die Mitgliedstaaten, den grenzüberschreitend tätigen Marktteilnehmer nicht schlechter zu behandeln als einen nur in einem mitgliedstaatlichen Markt tätigen Konkurrenten.9 Zur Verwirklichung des Binnenmarktziels sieht der primärrechtliche Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) den Erlass von sog. Sekundärrecht vor, zu dem insbesondere Verordnungen und Richtlinien zu zählen sind.10 Art. 113 AEUV enthält einen ausdrücklichen Harmonisierungsauftrag für den Bereich der Umsatzsteuern, Verbrauchsteuern und sonstigen indirekten Steuern11. Davon haben die Mitgliedstaaten umfassend Gebrauch
3 Dazu zählen der Vertrag über die Europäische Union (EUV) und der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), aktuell in der Fassung des Vertrages von Lissabon. Sofern in dieser Arbeit auf den bis 30.11.2009 geltenden Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft eingegangen wird, wird dieser mit „EG“ oder „EGV“ bezeichnet. 4 Art. 26 Abs. 2 AEUV. Siehe zur Zielsetzung Art. 3 Abs. 3 EUV, Art. 26 Abs. 1 AEUV. 5 Vgl. Schön, IStR 2004, 289 (290); Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung, 2005, S. 21; Kahl, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 26 AEUV, Rz. 21 ff. 6 Siehe Art. 119 Abs. 1, Art. 120 AEUV. Vgl. auch Schön, DStJG 23 (2000), 191 (192 ff.); ders., FS Reiß, 2008, S. 571 (578); Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung, 2005, S. 16 ff.; Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 51 m.w.N.; Ruf, StuW 2008, 62; Cordewener, IWB 2009, Fach 11 Gruppe 2, 959 (961). 7 Siehe explizit für die kartell- und beihilferechtlichen Vorschriften Art. 101 ff. AEUV. Diese Wertung strahlt auch auf andere Bereiche des Binnenmarktziels aus, vgl. Englisch, Wettbewerbsgleichheit im grenzüberschreitenden Handel, 2008, S. 222. 8 Vgl. zum Konzept der Wettbewerbsgleichheit Englisch, Wettbewerbsgleichheit im grenzüberschreitenden Handel, 2008, S. 222 ff. m.w.N. 9 Siehe hierzu näher C.I.1.b). 10 Siehe Art. 115 f., 288 AEUV. 11 Die indirekten Steuern sind dadurch gekennzeichnet, dass Steuerschuldner und Steuerträger unterschiedliche Personen sind.
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Verrechnungspreisvorschriften
gemacht und die indirekten Steuern weitestgehend harmonisiert.12 Für die direkten Steuern existiert keine ausdrückliche Rechtsgrundlage. Richtlinien können hier allgemeinen nach Art. 114 AEUV erlassen werden. Die direkten Steuern wurden auf dieser Grundlage aber nur fragmentarisch harmonisiert. Zu nennen sind hier die Fusionsrichtlinie13, die Mutter-Tochter-Richtlinie14, die Zins-Lizenzgebühr-Richtlinie15 und die Zinsrichtlinie16. Das EUSchiedsübereinkommen17 wurde noch auf Grundlage des früheren Art. 293 EG18 durch eine völkerrechtliche Vereinbarung zwischen den Mitgliedsstaaten verabschiedet. Die geringe Harmonisierungsintensität im Bereich der direkten Steuern ist aber weniger auf das Fehlen einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage zurückzuführen,19 als vielmehr auf die besondere Sensibilität der Materie. Das direkte Steuerrecht ist zumeist eng mit den nationalen Rechts- und Gesellschaftsordnungen verbunden und von unterschiedlichen Vorstellungen von Steuergerechtigkeit geprägt.20 Die erforderliche Einstimmigkeit21 konnte vor diesem Hintergrund nur selten erzielt werden. Im Bereich der direkten Steuern kommt dem Unionsprimärrecht und der diesbezüglichen Rechtsprechung des EuGH damit eine überragende Bedeutung zu.22 Die Regelung der direkten Steuern fällt grundsätzlich in den Zuständig-
12 Siehe insbesondere die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie 2006/112/EG v. 28.11.2006, ABl. 2006 L 347, 1, ber. ABl. L 335, 60; zuletzt geändert durch Richtlinie 2010/88/EU v. 07.12.2010, ABl. 2010 L 326, 1. 13 Richtlinie 2009/133/EG v. 25.11.2009, ABL. 2009 L 310, 34; kodifizierte Fassung der Richtlinie 90/434/EWG v. 23.07.1990, ABl. 1990 L 225, 1 und ihrer Änderungsrichtlinien. 14 Richtlinie 2011/96/EU v. 30.11.2011, ABl. 2011 L 345, 8; ehemals Richtlinie 90/435/EWG v. 23.07.1990, ABl. 1990 L 225, 6 mit Änderungsrichtlinien. 15 Richtlinie 2003/49/EG v. 03.07.2003, ABl. 2003 L 157, 49, zuletzt geändert durch Richtlinie 2006/98/EG v. 20.11.2006, ABl. 2006 L 363, 129. Siehe zur ZinsLizenzgebühr-Richtlinie C.II.1.a). 16 Richtlinie 2003/48/EG v. 03.07.2003, ABl. 2003 L 157, 38, zuletzt geändert durch Richtlinie 2006/98/EG v. 20.11.2006, ABl. 2006 L 363, 129. 17 Übereinkommen über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen v. 23.07.1990, 90/436/EWG, ABl. 1990 L 225, 10 (EU-Schiedsübereinkommen; kurz: EU-SchÜ). Siehe dazu B.IV.2.a)bb). 18 Die Vorschrift wurde nicht in den AEUV übernommen, was aber ohne Folgen für das EU-SchÜ bleibt, siehe bereits B.IV.2.a)bb) mit Fn. 574. Vgl. auch Hinnekens, Intertax 2009, 602 (606 f.). 19 So aber Hinny, IFF Forum für Steuerrecht 2009, 77 (80); Amler, Direkte Steuern, 2009, S. 11. 20 Vgl. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl. 2008, § 2, Rz. 53. 21 Siehe Art. 115 i.V.m. Art. 114 Abs. 2 und Art. 294 AEUV. Für die indirekten Steuern ergibt sich das Einstimmigkeitserfordernis unmittelbar aus Art. 113 AEUV. 22 Vgl. J. Lang, FS Flick, 1997, S. 873 (883); ders., in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl. 2008, § 2, Rz. 56; Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 26 ff.; Englisch, StuW 2003,
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
keitsbereich der Mitgliedstaaten. Dieser Teil ihrer Souveränität ist für die Mitgliedstaaten fundamental wichtig, weil sie darüber den wesentlichen Teil ihrer Finanzkraft generieren. Der EuGH hat in der Rs. avoir fiscal23 jedoch entschieden, dass die Mitgliedstaaten ihre Befugnisse im Bereich der direkten Steuern unter der Wahrung des Unionsrechts auszuüben haben. Denn das Unionsrecht ist gegenüber dem nationalen Recht vorrangig24 und unmittelbar anwendbar25. Im Kollisionsfall setzt es sich selbst gegenüber nationalem Verfassungsrecht durch.26 Das mitgliedstaatliche Steuerrecht wird primärrechtlich insbesondere an den Grundfreiheiten gemessen: Dies sind im Einzelnen die Warenverkehrsfreiheit (Art. 34 AEUV), die Personenverkehrsfreiheiten, das heißt die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV) und die Niederlassungsfreiheit für selbstständige Unternehmer und Gesellschaften (Art. 49, 54 AEUV), die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) sowie die Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV).27 Die Grundfreiheiten dienen gera-
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88 (90 f.); ders., Dividendenbesteuerung, 2005, S. 213; M. Lang, Die Rechtsprechung des EuGH, 2007, S. 15; Hinny, IFF Forum für Steuerrecht 2009, 77 (80). EuGH, Urt. v. 28.01.1986, 270/83 (avoir fiscal), Slg. 1986, 273, Rz. 24; seitdem ständige Rechtsprechung, vgl. exemplarisch: Urt. v. 06.12.2007, C-298/05 (Columbus Container Services), Slg. 2007, I-10451, Rz. 28; Urt. v. 26.06.2008, C-284/06 (Burda), Slg. 2008, I-4571, Rz. 66; Urt. v. 25.02.2010, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I-1215, Rz. 16; Urt. v. 18.03.2010, C-440/08 (Gielen), Slg. 2010, I-2323, Rz. 36; Urt. v. 13.10.2011, C-9/11 (Waypoint Aviation), IStR 2011, 848, Rz. 19. Vgl. EuGH, Urt. v. 15.07.1964, 6/64 (Costa/E.N.E.L.), Slg. 1964, 1253 (1269 ff.); Urt. v. 19.06.1990, C-213/89 (Factortame), Slg. 1990, I-2433, Rz. 18 ff.; Urt. v. 09.03.1978, 106/77 (Simmenthal II), Slg. 1978, 629, Rz. 17 f.; Grabitz, DStJG 11 (1988), 33 (41 f.); Hirsch, DStJG 23 (2000), 175 (179 ff.). Vgl. EuGH, Urt. v. 05.02.1963, 26/62 (Van Gend & Loos), Slg. 1963, 3 (27); vgl. zur Niederlassungsfreiheit: Urt. v. 21.06.1974, 2/74 (Reyners), Slg. 1974, 631, Rz. 32; zur Dienstleistungsfreiheit: Urt. v. 03.12.1974, 33/74 (van Binsbergen), Slg. 1974, 1299, Rz. 27; zur Kapitalverkehrsfreiheit: Urt. v. 14.12.1995, C-163/94, C-165/94 und C250/94 (Sanz de Lera), Slg. 1995, 4821, Rz. 48. Vgl. EuGH, Urt. v. 09.03.1978, 106/77 (Simmenthal II), Slg. 1978, 629, Rz. 13 ff. Das BVerfG hat entschieden seine Gerichtsbarkeit zurückzunehmen, solange das Unionsrecht einen effektiven Grundrechtschutz gewährleistet, vgl. Urt. v. 22.10.1986, 2 BvR 197/83, BVerfGE 73, 339 (Leitsatz 2). Weiterhin werden die Steuerpflichtigen durch das allgemeine Freizügigkeitsrecht des Art. 21 AEUV sowie das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV geschützt. Das allgemeine Freizügigkeitsrecht ist jedoch nur auf natürliche Personen anwendbar. Das allgemeine Diskriminierungsverbot ist gegenüber den Grundfreiheiten subsidiär, vgl. nur EuGH, Urt. v. 12.05.1998, C-336/96 (Gilly), Slg. 1998, I-2793, Rz. 37; Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 31; Urt. v. 29.03.2012, C-417/10 (3M Italia), n.n.v., Rz. 35. Auf beide Bestimmungen soll mangels Relevanz für den Gegenstand dieser Arbeit daher nicht näher eingegangen werden.
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Verrechnungspreisvorschriften
de dazu, das Binnenmarktziel der EU rechtlich abzusichern.28 Jede der Grundfreiheiten schützt eine andere grenzüberschreitende wirtschaftliche Tätigkeit. Dennoch ist die Frage, welche der Grundfreiheiten anwendbar ist, in den meisten Fällen29 nicht entscheidend.30 Denn der EuGH misst ihrem Gewährleistungsgehalt ein einheitliches Verständnis bei und verleiht ihnen auf diese Weise konvergente Strukturen.31 Im Folgenden soll der Gewährleistungsgehalt der Grundfreiheiten näher untersucht werden. b)
Der Gewährleistungsgehalt der Grundfreiheiten
Die Grundfreiheiten dienen der Verwirklichung des Binnenmarktziels der EU und tragen so zur Integration der 27 mitgliedstaatlichen Märkte bei. Dies wird dadurch erzielt, dass die Grundfreiheiten den grenzüberschreitend tätigen Marktteilnehmer vor einer Schlechterstellung gegenüber einem rein mitgliedstaatsintern tätigen Konkurrenten schützen. Im Wege der „negativen“ Integration tragen sie so zur Herstellung von Wettbewerbsgleichheit bei. Zur Verwirk-
28 Siehe Art. 26 Abs. 2 AEUV; vgl. Cordewener, DStR 2004, 6; ders., Grundfreiheiten, 2002, S. 25; Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung, 2005, S. 21; Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht, 2005, S. 44. 29 Entscheidungserheblich ist die Frage hingegen vor allem in Fällen mit Bezug zu Drittstaaten, weil in diesen allein die Kapitalverkehrsfreiheit anwendbar sein kann, siehe Art. 63 AEUV. 30 Vgl. GA Kokott, SchlA v. 10.09.2009, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 36-38; Lang, Die Rechtsprechung des EuGH, 2007, S. 21; Schön, JbFStR 2008/2009, 29 (70); Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, vor Art. 39-55 EG, Rz. 208 (Stand: 05.2001). Siehe zur Anwendbarkeit C.I.2.a). 31 Vgl. grundlegend Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 103 ff. Hingegen wollen zuletzt Kokott/Ost, EuZW 2011, S. 496 (498 ff.) den Unterschied ausgemacht haben, dass der EuGH im Rahmen der Kapitalverkehrsfreiheit tatbestandlich von einer Beschränkung ausginge, sobald eine Schlechterstellung des grenzüberschreitenden Sachverhalts vorliegt und die Vergleichbarkeit dann erst auf der Rechtfertigungsebene prüft, wohingegen bei der Niederlassungsfreiheit die Vergleichbarkeit auf Tatbestandsebene geprüft werde. Zwar prüft der EuGH in vielen Fällen, die die Kapitalverkehrsfreiheit betreffen, die Vergleichbarkeit tatsächlich im Rahmen der Rechtfertigung, vgl. etwa EuGH, Urt. v. 07.09.2004, C-319/02 (Manninen), Slg. 2004, I-7477, Rz. 25, 30 ff.; Urt. v. 17.01.2008, C-256/06 (Jäger), Slg. 2008, I-123, Rz. 36, 42 ff.; Urt. v. 10.02.2011, C436/08 u.a. (Haribo u.a.), IStR 2011, 299, Rz. 58 f., 62, 84, 112 f.; siehe m.w.N. C.I.1.b)cc)(3). Dies ist m.E. aber primär durch den in den Urteilen enthaltenen Verweis auf Art. 65 Abs. 1 lit. a AEUV begründet, wonach eine erlaubte Ungleichbehandlung nur vorliegt, wenn keine Vergleichbarkeit besteht oder die streitige Norm gerechtfertigt ist. Man wird daraus folglich nicht die von Kokott/Ost ausgemachten Unterschiede ableiten können. So prüft der EuGH in einigen Urteilen die Vergleichbarkeit im Rahmen der Kapitalverkehrsfreiheit auch auf Tatbestandsebene, vgl. etwa EuGH, Urt. v. 15.09.2011, C310/09 (Accor), IStR 2011, 768, Rz. 44 ff., 64; Urt. v. 20.10.2011, C-284/09 (Kommission/Deutschland), IStR 2011, 840, Rz. 53 ff. Ohnehin ist die Prüfung der Vergleichbarkeit im Rahmen der Rechtfertigung abzulehnen, siehe noch C.I.1.b)cc)(3); kritisch auch Kokott/Ost, EuZW 2011, S. 496 (500) sowie Englisch, Intertax 2010, 197 (202 f.).
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lichung des europaweiten Binnenmarkts ist es jedoch nicht zwingend erforderlich, einen nur im Markt eines Mitgliedstaates agierenden Wirtschaftsteilnehmer zu schützen.32 Die Grundfreiheiten33 setzen dementsprechend einen grenzüberschreitenden Bezug zur Aktivierung ihres Schutzbereichs voraus.34 Dabei genügen bereits mittelbare und potentiell grenzüberschreitende Bezüge: Ein steuerlicher Vorgang muss nicht zwingend selbst grenzüberschreitend sein, es reicht aus, wenn der steuerliche Nachteil kausal bzw. die mittelbare Folge für einen grenzüberschreitenden Bezug ist.35 Generell kann sich auch der passive Marktteilnehmer, insbesondere der Kapitalnehmer und Dienstleistungsempfänger, auf die Grundfreiheiten berufen.36 Wird der Steuerpflichtige durch 32 Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 01.12.2011, C-250/08 (Kommission/Belgien), IStR 2012, 67, Rz. 41. Rein innerstaatlich agierende Marktteilnehmer werden bereits über die nationalen (Grund-)Rechte in der Regel hinreichend geschützt. Ob das Binnenmarktprinzip auch einen Schutz vor Inländerdiskriminierungen, das heißt vor Schlechterstellungen rein inländisch Tätiger gegenüber grenzüberschreitend Tätigen (siehe dazu sogleich mit Fn. 39) erfordert, ist umstritten und soll hier nicht vertieft werden. Zu beachten ist jedoch, dass ein Mitgliedstaat an einer Inländerdiskriminierung in aller Regel kein Interesse haben wird und sich die Betroffenen Inländer bereits auf nationale Diskriminierungsverbote berufen können. 33 Siehe zur Warenverkehrsfreiheit Art. 34 Abs. 1 AEUV („zwischen den Mitgliedstaaten“), zur Niederlassungsfreiheit Art. 49 AEUV („freie Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats“), zur Dienstleistungsfreiheit Art. 56 AEUV („in einem anderen Staat“) und zur Kapitalverkehrsfreiheit Art. 63 AEUV („zwischen den Mitgliedstaaten“). 34 Vgl. auch EuGH, Urt. v. 18.03.1980, 52/79 (Debauve), Slg. 1980, 833, Rz. 9; Urt. v. 16.01.1997, C-134/95 (USSL), Slg. 1997, I-195, Rz. 19 m.w.N. Die Transnationalität kann ferner auch aus dem Subsidiaritätsprinzip des Art. 5 EUV abgeleitet werden, vgl. Kingreen, Grundfreiheiten, 1999, S. 115; Englisch, Wettbewerbsgleichheit, 2008, S. 231 f. 35 Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 23.02.2006, C-471/04 (Keller Holding), Slg. 2006, I-2107, Rz. 22-24; dies zuletzt verkennend: Hessisches FG, Urt. v. 18.05.2010, 8 K 1160/10, IStR 2010, 776 (778); FG München, Urt. v. 19.07.2010, 7 K 1154/09, EFG 2010, 1891 (1892). In der Rs. Keller Holding ging es um die Ausschüttung von Dividenden einer Tochtergesellschaft an eine im selben Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft. Die Ausschüttung wurde steuerlich aber nur deswegen ungünstiger behandelt, weil die Tochtergesellschaft die Dividende von einer gebietsfremden Schwestergesellschaft weiterleitete. 36 Vgl. zur Kapitalverkehrsfreiheit: EuGH, Urt. v. 06.06.2000, C-35/98 (Verkooijen), Slg. 2000, I-4071, Rz. 34 f.; Urt. v. 04.03.2004, C-334/02 (Kommission/Frankreich), Slg. 2004, I-2229, Rz. 24; Urt. v. 07.09.2004, C-319/02 (Manninen), Slg. 2004, I-7477, Rz. 20-23; Urt. v. 06.12.2006, C-446/04 (FII), Slg. 2006, I-11753, Rz. 64; Urt. v. 20.05.2008, C-194/06 (Orange European Smallcap Fund), Slg. 2008, I-3747, Rz. 74; Urt. v. 22.01.2009, C-377/07 (STEKO), Slg. 2009, I-299, Rz. 27; Urt. v. 11.06.2009, C521/07 (Kommission/Niederlande), Slg. 2009, I-4873, Rz. 39; Urt. v. 17.09.2009, C182/08 (Glaxo Wellcome), Slg. 2009, I-8591, Rz. 57 f.; Urt. v. 31.03.2011, C-450/09 (Schröder), IStR 2011, 301, Rz. 32. Vgl. zur Dienstleistungsfreiheit: EuGH, Urt. v. 31.01.1984, 286/82 u.a. (Luisi und Carbone), Slg. 1984, 377, Leitsatz 1; Urt. v.
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einen Mitgliedstaat von vornherein an der Aufnahme einer grenzüberschreitenden Tätigkeit gehindert, besteht ein zumindest potentiell grenzüberschreitender Bezug.37 Fehlt dieser in einem rein innerstaatlichen Sachverhalt, ist der Steuerpflichtige jedoch keineswegs rechtlos gestellt: Inländer werden in diesem Fall durch nationales (Verfassungs-)Recht geschützt.38 Dies verdeutlicht, dass eine steuerliche Bevorteilung eines grenzüberschreitenden gegenüber einem mitgliedstaatsinternen Sachverhalt nicht durch die Grundfreiheiten verhindert wird.39 Diese schützen den grenzüberschreitend Tätigen damit nur vor einer Schlechterstellung. Dazu entfalten die Grundfreiheiten Diskriminierungs- und Beschränkungsverbote. Das Diskriminierungsverbot wendet sich gegen steuerliche Nachteile, die durch die Ungleichbehandlung zweier vergleichbarer Gruppen aufgrund rechtlicher Differenzierungskriterien entstehen. Es bildet den Kernbereich der Grundfreiheiten. Der grenzüberschreitende Wirtschaftsverkehr kann jedoch auch durch faktische Nachteile behindert werden, die aus der Gleichbehandlung zweier nicht vergleichbarer Gruppen resultieren.40 Diese Fälle werden durch das Beschränkungsverbot geschützt.
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28.04.1998, C-158/96 (Kohll), Slg. 1998, I-1931, Rz. 35; Urt. v. 26.10.1999, C-294/97 (Eurowings), Slg. 1999, I-7447, Rz. 34; Urt. v. 30.01.2007, C-150/04 (Kommission/Dänemark), Slg. 2007, I-1163, Rz. 40; Urt. v. 06.10.2009, C-153/08 (Kommission/Spanien), Slg. 2009, I-9735, Rz. 29; Urt. v. 20.05.2010, C-56/09 (Zanotti), Slg. 2010, I-4571, Rz. 26, 41; Urt. v. 13.10.2011, C-9/11 (Waypoint Aviation), IStR 2011, 848, Rz. 23 ff. Vgl. zur Warenverkehrsfreiheit: Urt. v. 07.05.1985, 18/84 (Kommission/Frankreich), Slg. 1985, 1339, Rz. 15. Siehe zur Zurückhaltung des EuGH bei der Niederlassungsfreiheit C.I.2.a)bb). Vgl. ausführlich: Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 234 ff. Vgl. etwa das EuGH-Urt. v. 16.12.2008, C-210/06 (Cartesio), Slg. 2008, I-9641, Rz. 2125, in der eine ungarische Kommanditgesellschaft sich gegen die Ablehnung des Antrags auf identitätswahrende Sitzverlegung auf die Grundfreiheiten berufen konnte. Bereits im Urt. v. 27.09.1988, 81/87 (Daily Mail), Slg. 1988, 5483, Rz. 16 hatte der EuGH festgestellt, dass die Grundfreiheiten ansonsten „sinnentleert“ wären. Siehe dazu sogleich. Vgl. Fischer, Gemeinschaftsrecht, 2001, S. 120; Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht, 2005, S. 49; Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 49 AEUV, Rz. 6. Eine sog. Inländerdiskriminierung bzw. umgekehrte Diskriminierung ist nach h.M. grundfreiheitlich zulässig, vgl. Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 318 m.w.N.; Schaden, in: Lüdicke, Europarecht, 2006, S. 89 (107 f.); Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 1, 2. Aufl. 2012, Rz. 274 f.; ausführlich und differenzierend: Lach, Umgekehrte Diskriminierungen im Gemeinschaftsrecht, 2008, S. 338 ff. Die grundfreiheitliche Zulässigkeit zumindest bezüglich horizontalen umgekehrten Diskriminierungen in Frage stellend: Cordewener/Kofler/van Thiel, Fundamental Freedoms and Direct Taxation, draft 2008, S. 45. Vgl. EuGH, Urt. v. 14.02.1995, C-279/93 (Schumacker), Slg. 1995, I-225, Rz. 30; Urt. v. 11.08.1995, C-80/94 (Wielockx), Slg. 1995, I-2493, Rz. 17; Urt. v. 14.11.2006, C-
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aa)
Diskriminierungsverbot
Entscheidend für die Feststellung einer Diskriminierung ist die Bestimmung des Differenzierungskriteriums, anhand dessen zwei Vergleichsgruppen unterschieden werden. Der AEUV41 verbietet ausdrücklich eine Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit (sog. offene Diskriminierung). Einem Mitgliedstaat ist es danach untersagt, andere Staatsangehörige schlechter als die eigenen Staatsangehörigen zu behandeln. Das Diskriminierungsverbot ist somit ein klassisches Gleichheitsrecht.42 Es nimmt einen Vergleich der belastenden Wirkung vor, die eine streitige mitgliedstaatliche Maßnahme auf das Vergleichspaar ausübt: Einerseits der Steuerpflichtige fremder Staatsangehörigkeit, andererseits ein hypothetisch herangezogener Steuerpflichtiger der eigenen Staatsangehörigkeit, der den wirtschaftlich gleichen Sachverhalt verwirklicht. Die belastende Maßnahme kann durch jedwede steuerliche Behandlung begründet sein, sei es durch Gesetz, Verwaltungsakt oder rein tatsächliches Handeln. Sie wird isoliert betrachtet – kompensatorische Vor- und Nachteile werden allenfalls erst in der Rechtfertigungsprüfung berücksichtigt.43 Das
513/04 (Kerckhaert u. Morres), Slg. 2006, I-10967, Rz. 19; Lang, Die Rechtsprechung des EuGH, 2007, S. 47 f.; Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 241. 41 Art. 18 AEUV sieht ein allgemeines Verbot offener Diskriminierungen vor, das gegenüber den Grundfreiheiten jedoch subsidiär ist. Auch diese enthalten Verbote offener Diskriminierungen: Siehe für die Niederlassungsfreiheit Art. 49 Abs. 2 AEUV, für die Dienstleistungsfreiheit Art. 57 Abs. 3 AEUV und für die Arbeitnehmerfreizügigkeit Art. 45 Abs. 2 AEUV. Dieses Verständnis ist aufgrund der konvergenten Strukturen der Grundfreiheiten [siehe C.I.1.a)] auch auf die Kapitalverkehrsfreiheit übertragbar, vgl.: Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung, 2005, S. 59 f.; Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 236; ders., in: Cordewener/Enchelmaier/Schindler, Meistbegünstigung, 2006, S. 163 (169); Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 56 m.w.N. 42 Siehe für Näheres C.I.1.b)bb). 43 Nach ständiger Rechtsprechung sind zufällige oder anderweitige Kompensationseffekte nicht zu berücksichtigen, was der EuGH stets auf der Rechtfertigungsebene feststellt, vgl. etwa EuGH, Urt. v. 28.01.1986, 270/83 (avoir fiscal), Slg. 1986, 273, Rz. 21; Urt. v. 21.09.1999, C-307/97 (Saint Gobain), Slg. 1999, I-6161, Rz. 54; Urt. v. 26.10.1999, C294/97 (Eurowings), Slg. 1999, I-7447, Rz. 44; Urt. v. 08.11.2007, C-379/05 (Amurta), Slg. 2007, I-9569, Rz. 75 u. 78. Kompensatorische Vorteile werden nur im Rahmen des Rechtfertigungsgrundes der Kohärenz berücksichtigt, sofern sie in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem steuerlichen Nachteil stehen, siehe C.I.2.c)bb) und vgl. nur EuGH, Urt. v. 28.01.1992, C-204/90 (Bachmann), Slg. 1992, I-249, Rz. 21 f. Der EuGH hält diese Differenzierung zwischen Diskriminierungs- und Rechtfertigungsebene jedoch nicht immer aufrecht. Nach jüngerer Rechtsprechung will er etwa die kompensatorischen Wirkungen eines DBA in die Diskriminierungsprüfung mit einbeziehen, vgl. EuGH, Urt. v. 07.09.2004, C-319/02 (Manninen), Slg. 2004, I-7477, Rz. 21; Urt. v. 19.01.2006, C265/04 (Bouanich), Slg. 2006, I-923, Rz. 51-55; Urt. v. 14.12.2006, C-170/05 (Denkavit), Slg. 2006, I-11949, Rz. 45; Urt. v. 08.11.2007, C-379/05 (Amurta), Slg. 2007, I9569, Rz. 79 f. Siehe dazu C.I.2.b)aa)(1)(ii)(b).
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konkrete Ausmaß der Ungleichbehandlung ist irrelevant, auch geringfügige44 oder nur vorübergehende45 Nachteile sind rechtlich diskriminierend. Eine diskriminierende Ungleichbehandlung liegt jedoch nur vor, wenn beide Vergleichsgruppen auch vergleichbar sind.46 Das Verbot der offenen Diskriminierung macht den Kernbereich der Grundfreiheiten aus.47 Bereits in der Rs. avoir fiscal48 stellte der EuGH fest, dass die Grundfreiheiten ausgehöhlt werden würden, wenn ein Mitgliedstaat nach Belieben offen diskriminieren könnte. Bei der Besteuerung natürlicher Personen spielt das Verbot offener Diskriminierungen dennoch eine untergeordnete Bedeutung, weil steuerliche Normen in aller Regel an die Ansässigkeit des Steuerpflichtigen und nicht an dessen Staatsangehörigkeit anknüpfen.49 Seine Bedeutung ist bei Gesellschaften jedoch weitaus höher einzustufen. Diese verfügen über keine Staatsangehörigkeit wie natürliche Personen. Deswegen sieht Art. 54 Abs. 1 AEUV für die Niederlassungs- und die Dienstleistungsfreiheit50 vor, dass der Sitz, die Hauptverwaltung oder die Hauptniederlassung
44 Vgl. EuGH, Urt. v. 28.01.1986, 270/83 (avoir fiscal), Slg. 1986, 273, Rz. 21; Urt. v. 11.03.2004, C-9/02 (de Lasteyrie), Slg. 2004, I-2409, Rz. 43; Urt. v. 14.12.2006, C170/05 (Denkavit), Slg. 2006, I-11949, Rz. 50; Urt. v. 01.07.2010, C-233/09 (Dijkman), Slg. 2010, I-6645, Rz. 42. So sind etwa auch Zins- und Liquiditätsnachteile diskriminierend, vgl. EuGH, Urt. v. 08.03.2001, C-397/98 u.a. (Metallgesellschaft u.a.), Slg. 2001, I-1727, Rz. 87; Bschl. v. 08.06.2004, C-268/03 (De Baeck), Slg. 2004, I-5961, Rz. 24; Urt. v. 13.12.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837, Rz. 32; Urt. v. 29.11.2011, C-371/10 (National Grid Indus), IStR 2012, 27, Rz. 37. Eine aufgrund geringer Intensität ggf. erforderliche Korrektur findet innerhalb der Rechtfertigungsprüfung statt, vgl. Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 976. 45 Vgl. EuGH, Urt. v. 18.12.2007, C-436/06 (Grønfeldt), C-436/06, Slg. 2007, I-12357, Rz. 15; Urt. v. 22.01.2009, C-377/07 (STEKO), n.n.v., Rz. 29. 46 Siehe dazu noch ausführlich C.I.1.b)cc). 47 Vgl. Jarass, EuR 2000, 705 (709); Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 236 m.w.N.; ders., Wettbewerbsgleichheit, 2008, S. 298 f.; Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 56; Cordewener/Kofler/van Thiel, Fundamental Freedoms and Direct Taxation, draft 2008, S. 19. 48 EuGH, Urt. v. 28.01.1986, 270/83 (avoir fiscal), Slg. 1986, 273, Rz. 18; vgl. auch Urt. v. 13.07.1993, C-330/91 (Commerzbank), Slg. 1993, I-4017, Rz. 13; Urt. v. 13.12.2005, C446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837, Rz. 37; Urt. v. 22.12.2008, C-282/07 (Truck Center), Slg. 2008, I-10767, Rz. 32; Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 40; Urt. v. 25.02.2010, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I-1215, Rz. 23; Urt. v. 01.12.2011, C-250/08 (Kommission/Belgien), IStR 2012, 67, Rz. 50. 49 Siehe etwa § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG, § 1 Abs. 1 KStG. Vgl. auch Lang, Die Rechtsprechung des EuGH, 2007, S. 28; ders., DStJG 22 (1999), 255 (259); Schön, IStR 2004, 289 (290); Schaumburg/Schaumburg, StuW 2005, 306 (307); Hintsanen, in: Russo, Attribution of Profits, 2005, S. 459 (461); Schnitger, Grenzen, 2006, S. 179; Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 57 m.w.N. 50 Siehe den Verweis in Art. 62 AEUV.
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der Gesellschaft zur Bestimmung ihrer Staatsangehörigkeit dienen.51 Folglich kann die im Steuerrecht häufig vorgesehene Anknüpfung an die Ansässigkeit eines Steuerpflichtigen im Bereich der Gesellschaften durch das Verbot offener Diskriminierungen erfasst werden.52 Nichtsdestotrotz kann die offene Diskriminierung sowohl bei natürlichen Personen als auch bei Gesellschaften dem Ziel eines europäischen Binnenmarkts alleine nicht genügen, weil durch sie nicht sämtliche Nachteile erfasst werden, die den grenzüberschreitenden Wirtschaftsteilnehmer behindern können:53 Erstens werden zahlreiche Wettbewerbsverzerrungen durch andere Differenzierungskriterien als die Staatsangehörigkeit bzw. den Sitz der Gesellschaft bewirkt. Zweitens verbietet die offene Diskriminierung es einem Mitgliedstaat nicht, seine eigenen Staatsangehörigen zu benachteiligen, die grenzüberschreitend tätig werden wollen.54 Zur Beseitigung des erstgenannten Problems erfasste der EuGH – insbesondere in seiner früheren Rechtsprechung – andere Differenzierungskriterien als die Staatsangehörigkeit auch als versteckte Diskriminierungen, wenn die damit vorgenommene Differenzierung zum faktisch gleichen Ergebnis führt.55 Nach 51 Vgl. EuGH, Urt. v. 28.01.1986, 270/83 (avoir fiscal), Slg. 1986, 273, Rz. 18; Urt. v. 29.04.1999, C-311/97 (Royal Bank of Scotland), Slg. 1999, I-2651, Rz. 23; Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 37; Urt. v. 17.01.2008, C105/07 (Lammers & Van Cleef), Slg. 2008, I-173, Rz. 19; Urt. v. 22.12.2008, C-282/07 (Truck Center), Slg. 2008, I-10767, Rz. 32; Urt. v. 18.06.2009, C-303/07 (Aberdeen Property Fininvest Alpha), Slg. 2009, I-5145, Rz. 38; Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 40. Vgl. eingehend Toifl, Personengesellschaften, 2003, S. 193 ff. 52 Siehe die Urteile in Fn. 51. In der Literatur und der Rechtsprechung des EuGH wird die offene Diskriminierung nach dem Sitz der Gesellschaft jedoch häufig als indirekte Diskriminierung bzw. Beschränkung angesehen, um eine Gleichstellung mit natürlichen Personen zu erzielen und eine Rechtfertigung durch ungeschriebene Rechtfertigungsgründe zu ermöglichen, vgl. etwa: Edwards, EC company law, 2003, S. 364, 369; Gundel, Jura 2001, 79 (85); Nachbaur, Niederlassungsfreiheit, 1999, S. 58; Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 58, dort Fn. 44 m.w.N.; Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, vor Art. 39-55 EG, Rz. 223 (Stand: 05.2001). Vgl. auch EuGH, Urt. v. 13.07.1993, C-330/91 (Commerzbank), Slg. 1993, I-4017, Rz. 15; Urt. v. 08.07.1999, C254/97 (Baxter), Slg. 1999, I-4809, Rz. 9 f., 13; Urt. v. 14.12.2006, C-170/05 (Denkavit), Slg. 2006, I-11949, Rz. 22, 29. Siehe zu dieser Problematik im Bereich der Rechtfertigungsprüfung C.I.1.c)bb). 53 Vgl. Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung, 2005, S. 60; Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 236; ähnlich: Schnitger, Grenzen, 2006, S. 179; Lang, Die Rechtsprechung des EuGH, 2007, S. 97. Zahlreiche nationale Gerichte haben bei dem ähnlich ausgestalteten Diskriminierungsverbot des Art. 24 Abs. 1 OECD-MA jedoch eine restriktivere Auslegung gewählt und belassen es bei einer offenen Diskriminierung. Vgl. Lang, Die Rechtsprechung des EuGH, 2007, S. 97. 54 Vgl. Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 184 ff., 193. 55 Vgl. EuGH, Urt. v. 12.02.1974, 152/73 (Sotgiu), Slg. 1974, 153, Rz. 11; Urt. v. 08.05.1990, C-175/88 (Biehl), Slg. 1990, I-1779, Rz. 13; Urt. v. 13.07.1993, C-330/91 (Commerzbank), Slg. 1993, I-4017, Rz. 14; Urt. v. 14.02.1995, C-279/93 (Schumacker),
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Verrechnungspreisvorschriften
Ansicht des EuGH betreffe die Differenzierung nach der Ansässigkeit natürlicher Personen typischerweise die Marktteilnehmer mit anderer Staatsangehörigkeit und könne faktisch in gleicher Weise diskriminieren.56 Die versteckte Diskriminierung stellt zwar eine im Ergebnis richtige Erweiterung des grundfreiheitlichen Schutzes dar. Durch das Abstellen auf das faktisch gleiche Ergebnis widerspricht diese Erweiterung jedoch der Systematik der Diskriminierung als ein rechtlich nach Vergleichsgruppen differenzierendes Rechtsinstitut.57 Dieser Systematik wird das Verbot der Diskriminierung des grenzüberschreitenden Sachverhalts gerecht.58 Es knüpft an die im Binnenmarktprinzip verankerte Grundstruktur der Grundfreiheiten als Schutzinstrument des grenzüberschreitenden Wirtschafsverkehrs an. Eine Diskriminierung liegt danach vor, wenn der grenzüberschreitende Sachverhalt gegenüber dem rein inländischen benachteiligt wird. Auf diese Weise können die oben genannten Schwachstellen des Verbots der offenen Diskriminierung beseitigt werden: Erstens erfasst das Verbot der Diskriminierung des grenzüberschreitenden Sachverhalts auch andere Differenzierungskriterien als die Staatsangehörigkeit: Neben dem primären Differenzierungskriterium des grenzüberschreitenden Charakters der wirtschaftlichen Aktivität59 werden auch alle sonstigen Kriterien erfasst, die sich nachteilig auf den grenzüberschreitenden Sachverhalt auswirken,60 insbe-
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Slg. 1995, I-225, Rz. 26; Urt. v. 27.06.1996, C-107/94 (Asscher), Slg. 1996, I-3089, Rz. 36; Urt. v. 04.03.2004, C-334/02 (Kommission/Frankreich), Slg. 2004, I-2229, Rz. 21; vgl. aus der jüngeren Zeit aber wieder: Urt. v. 18.03.2010, C-440/08 (Gielen), Slg. 2010, I-2323, Rz. 37; Urt. v. 20.01.2011, C-155/09 (Kommission/Griechenland), EuZW 2011, 182, Rz. 45; Urt. v. 15.09.2011, C-240/10 (Schulz-Delzers und Schulz), IStR 2011, 806, Rz. 34. Vgl. EuGH, Urt. v. 08.05.1990, C-175/88 (Biehl), Slg. 1990, I-1779, Rz. 14; seither ständige Rechtsprechung, vgl. etwa: Urt. v. 14.02.1995, C-279/93 (Schumacker), Slg. 1995, I-225, Rz. 27-29. Vgl. Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 239; Schnitger, Grenzen, 2006, S. 180 f. Siehe zudem C.I.1.b). Dies wird ebenfalls u.a. vertreten von: Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 825 ff., 976 f.; Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 236 ff.; ders., Wettbewerbsgleichheit, 2008, S. 302 ff.; Lang, Die Rechtsprechung des EuGH, 2007, S. 34 ff.; Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 69, 79 f.; Schön, GmbH-StB 2006, 9 (10); Schaumburg/Schaumburg, StuW 2005, 306 (308); Fischer, Gemeinschaftsrecht, 2001, S. 118; Kingreen, Grundfreiheiten, 1999, S. 120 ff. Ablehnend und nur auf offene Diskriminierungen abstellend: Mühl, Diskriminierung und Beschränkung, 2004, S. 89 f.; Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung, 2005, S. 60 ff.; Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 49 AEUV, Rz. 116 (Stand: 03.2011). Vgl. Fischer, Gemeinschaftsrecht, 2001, S. 118; Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 237 m.w.N.; Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 74; Keuthen, Die Vermeidung der juristischen Doppelbesteuerung im EG-Binnenmarkt, 2009, S. 120 m.w.N. Vgl. Jarass, EuR 1995, 202 (219); Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 237; Roth, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, E.I., Rz. 62 (Stand: 08.2006).
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
sondere die im Steuerrecht häufig anzutreffende Unterscheidung zwischen beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtigen.61 Denn ein beschränkt Steuerpflichtiger ist immer grenzüberschreitend tätig. Zweitens untersagt das Diskriminierungsverbot nach dieser Auslegung einem Mitgliedstaat auch, die eigenen Staatsangehörigen oder Gebietsansässigen schlechter zu behandeln, die grenzüberschreitend auf dem Binnenmarkt tätig werden wollen. Auch diese machen von den Grundfreiheiten Gebrauch. Das Diskriminierungsverbot erfasst nach diesem Verständnis somit zwei Seiten des grenzüberschreitenden Sachverhalts: Entsprechend dem Wortlaut der Grundfreiheiten verbietet es einerseits die Ungleichbehandlung grenzüberschreitend gegenüber rein innerstaatlich Tätigen durch den Tätigkeits- bzw. Aufnahmestaat (Inbound-Fall). Andererseits verbietet es auch Ungleichbehandlungen des grenzüberschreitend Tätigen durch den Ansässigkeits- bzw. Herkunftsstaat (Outbound-Fall).62 Dieser über den Wortlaut der Grundfreiheiten hinaus erweiterte Schutz ist notwendig, weil das Diskriminierungsverbot im Inbound-Fall sinnentleert wäre, wenn zuvor schon der Herkunftsstaat das Tätigwerden in einem anderen Mitgliedstaat verhindern könnte.63 Im Inbound-Fall nimmt der EuGH in der jüngeren Rechtsprechung ebenfalls eine Diskriminierung des grenzüberschreitenden Sachverhalts an, wenn eine streitige mitgliedstaatliche Vorschrift nach anderen Differenzierungskriterien als der Staatsangehörigkeit unterscheidet.64 Das verfehlte Konzept der versteckten Diskriminierung wurde vom EuGH zwar nie zurückgenommen, wird
61 Vgl. Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 237 f. 62 Vgl. EuGH, Urt. v. 27.09.1988, 81/87 (Daily Mail), Slg. 1988, 5483, Rz. 16; Urt. v. 16.07.1998, C-264/96 (ICI), Slg. 1998, I-4695, Rz. 22 f.; Urt. v. 18.11.1999, C-200/98 (X-AB, Y-AB), Slg. 1999, I-8261, Rz. 27 f.; Urt. v. 13.04.2000, C-251/98 (Baars), Slg. 2000, I-2787, Rz. 34-36; Urt. v. 06.06.2000, C-35/98 (Verkooijen), Slg. 2000, I-4071, Rz. 36; Urt. v. 21.11.2002, C-436/00 (X und Y), Slg. 2002, I-10829, Rz. 36 ff.; Urt. v. 11.03.2004, C-9/02 (de Lasteyrie), Slg. 2004, I-2409, Rz. 46 ff.; Urt. v. 21.02.2006, C152/03 (Ritter-Coulais), Slg. 2006, I-1711, Rz. 37; Urt. v. 07.09.2006, C-470/04 („N“), Slg. 2006, I-7409, Rz. 39; Urt. v. 04.12.2008, C-330/07 (Jobra), Slg. 2008, I-9099, Rz. 24 ff.; Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 39; Urt. v. 15.04.2010, C-96/08 (CIBA), Slg. 2010, I-2911, Rz. 18; Urt. v. 29.11.2011, C-371/10 (National Grid Indus), IStR 2012, 27, Rz. 35. Ebenfalls auf eine Unterscheidung zwischen Inbound- und Outbound-Fall abstellend: Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 827; ders., DStR 2004, 6 (13); ders., EC Tax Rev. 2007, 210; Zanotti, ET 2004, 493 (496); Terra/Wattel, European Tax Law, 4. Aufl. 2005, S. 55; Rödder, FS Wassermeyer, 2005, S. 163 (166); Schnitger, Grenzen, 2006, S. 170; Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 70 ff. m.w.N. in Fn. 119. 63 Vgl. EuGH, Urt. v. 27.09.1988, 81/87 (Daily Mail), Slg. 1988, 5483, Rz. 16. 64 Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 23.02.2006, C-471/04 (Keller Holding), Slg. 2006, I-2107, Rz. 16, 34; Urt. v. 21.02.2006, C-152/03 (Ritter-Coulais), Slg. 2006, I-1711, Rz. 37 f.; Urt. v. 06.07.2006, C-346/04 (Conijn), Slg. 2006, I-6137, Rz. 15 f.
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Verrechnungspreisvorschriften
im direkten Steuerrecht heute aber nur noch sporadisch angewandt.65 Im Outbound-Fall verwendet der EuGH hingegen – zumindest terminologisch – das Beschränkungsverbot.66 Diese Einteilung wird von Unterstützern dieser Vorgehensweise damit begründet, dass der Wortlaut der Grundfreiheiten nur den Inbound-Fall erfassen würde.67 Die Grundfreiheiten verabsolutieren sich jedoch nicht in einem Beschränkungsverbot.68 Wo eine mitgliedstaatliche Vorschrift einen grenzüberschreitenden Sachverhalt rechtlich ungünstiger behandelt, ist das Diskriminierungsverbot sachlich näher als das Beschränkungsverbot. Faktische Nachteile müssen insofern nicht herangezogen werden. So lässt sich nachweisen, dass der EuGH auch im Outbound-Fall eine Differenzierung zwischen grenzüberschreitenden und rein inländischen Sachverhalten vornimmt. Der EuGH stellte etwa in der Rs. de Lasteyrie hinsichtlich der französischen Wegzugsbesteuerung fest, dass der „Steuerpflichtige, der im Rahmen der Ausübung [der Niederlassungsfreiheit] seinen Wohnsitz ins Ausland verlegen möchte, […] gegenüber einer Person, die ihren Wohnsitz in Frankreich beibehält, benachteiligt“ wird.69 Ähnliche Vergleiche von grenzüberschreitenden und rein mitgliedstaatsinternen Sachverhalten lassen sich etwa auch in den Rs. X und Y70, Rewe Zentralfinanz71 oder Krankenheim Ruhe65 Das EuGH-Urt. v. 04.03.2004, C-334/02 (Kommission/Frankreich), Slg. 2004, I-2229, Rz. 21 schien lange Zeit das letzte Urteil im direkten Steuerrecht gewesen zu sein, in dem der EuGH das Konzept einer versteckten Diskriminierung angewendet hat, der EuGH hat das Konzept in den Urt. v. 18.03.2010, C-440/08 (Gielen), Slg. 2010, I-2323, Rz. 37, 48; Urt. v. 20.01.2011, C-155/09 (Kommission/Griechenland), EuZW 2011, 182, Rz. 45 und Urt. v. 15.09.2011, C-240/10 (Schulz-Delzers und Schulz), IStR 2011, 806, Rz. 34 jedoch nochmals aufgegriffen. Vgl. aus jüngerer Zeit außerhalb des Steuerrechts auch das Urt. v. 01.10.2009, C-103/08 (Gottwald), Slg. 2009, I-9117, Rz. 27 m.w.N. 66 Vgl. EuGH, Urt. v. 27.09.1988, 81/87 (Daily Mail), Slg. 1988, 5483, Rz. 16; Urt. v. 21.11.2002, C-436/00 (X und Y), Slg. 2002, I-10829, Rz. 35 f.; Urt. v. 11.03.2004, C9/02 (de Lasteyrie), Slg. 2004, I-2409, Rz. 45 f.; Urt. v. 07.09.2006, C-470/04 („N“), Slg. 2006, I-7409, Rz. 34 f. 67 Vgl. Schönfeld, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, 2006, Rz. 11.3; Schwenke, Internationale Einkünfteabgrenzung, 2006, S. 157; ders., DStZ 2007, 235 (241); Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 49 AEUV, Rz. 116 (Stand: 03.2011). Siehe auch Art. 49 Abs. 2, 57 Abs. 3 AEUV. 68 Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 975 f. Vgl. auch Kingreen, Grundfreiheiten, 1999, S. 115 f. 69 EuGH, Urt. v. 11.03.2004, C-9/02 (de Lasteyrie), Slg. 2004, I-2409, Rz. 46; ganz ähnlich zur niederländischen Wegzugsbesteuerung: Urt. v. 07.09.2006, C-470/04 („N“), Slg. 2006, I-7409, Rz. 35. Vgl. dazu auch den EuGH-Richter Lenaerts, EuR 2009, 728 (731 f.). 70 EuGH, Urt. v. 21.11.2002, C-436/00 (X und Y), Slg. 2002, I-10829, Rz. 36: „[D]ie fragliche nationale Bestimmung [bewirkt] eine Ungleichbehandlung, […] wenn die die Aktien erwerbende Gesellschaft […] in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist“ [Hervorhebung nur hier]. 71 EuGH, Urt. v. 29.03.2007, C-347/04 (Rewe Zentralfinanz), Slg. 2007, I-2647, Rz. 30: „Daher ist die steuerliche Situation einer in Deutschland ansässigen Muttergesellschaft,
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
sitz am Wannsee72 nachweisen. Das Verbot der Diskriminierung des grenzüberschreitenden Sachverhalts findet sich somit auch in der Rechtsprechung des EuGH zu Outbound-Fällen wieder. Die Rechtsprechung zeigt auch, dass dieses das Diskriminierungsverbot nach der Staatsangehörigkeit nicht verdrängt.73 Die Parallelität beider Verbote ist bereits in Art. 61 AEUV angelegt.74 Das Verbot der offenen Diskriminierung weist mit der begrenzten Betrachtung des Inbound-Falls sowie der Ungleichbehandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit aber den deutlich schmaleren Anwendungsbereich auf.75 bb)
Beschränkungsverbot
Trotz der weiten Auslegung des Diskriminierungsverbots bedarf es zur Umsetzung des Binnenmarktziels darüber hinaus eines Verständnisses der Grundfreiheiten als Beschränkungsverbot. Dieses hat dort seine Berechtigung, wo dieselbe mitgliedstaatliche Vorschrift gleichermaßen – und damit diskriminierungsfrei – auf unterschiedliche Sachverhalte angewandt wird und dadurch die Wirtschaftsströme des Binnenmarkts faktisch behindert werden.76 In der Rs. Futura Participations77 setzte eine luxemburgische Vorschrift zur Geltendmachung von Verlustvorträgen die Buchführung nach luxemburgischen Recht voraus. Diese galt für in- und ausländische Unternehmen gleichermaßen und war daher nicht rechtlich diskriminierend. Dennoch wurde die ausländische Gesellschaft faktisch in ihrer Niederlassungsfreiheit beschränkt, weil sie neben der Buchführung nach inländischem Recht zusätzlich eine nach luxemburgi-
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die wie Rewe eine Tochter- und eine Enkelgesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat hat, ungünstiger, als wenn die Tochter- und die Enkelgesellschaft in Deutschland niedergelassen wären.“ [Hervorhebung nur hier]. EuGH, Urt. v. 23.10.2008, C-157/07 (Krankenheim Ruhesitz am Wannsee), Slg. 2008, I8061, Rz. 38: „Unter diesen Umständen ist die steuerliche Situation einer Gesellschaft, die ihren satzungsmäßigen Sitz in Deutschland hat und eine Betriebsstätte in Österreich besitzt, weniger günstig als die, in der sie sich befände, wenn die Betriebsstätte in Deutschland belegen wäre.“ [Hervorhebung nur hier]. In der jüngeren Rechtsprechung verwendete der EuGH die offene Diskriminierung z.B. im Urt. v. 12.12.2006, C-374/04 (ACT), Slg. 2006, I-11673, Rz. 44-46; Urt. v. 22.12.2008, C-282/07 (Truck Center), Slg. 2008, I-10767, Rz. 32. Art. 61 AEUV: „Unterscheidung nach Staatsangehörigkeit oder Aufenthaltsort“ [Hervorhebung nur hier]. Vgl. auch Englisch, Wettbewerbsgleichheit, 2008, S. 306. Siehe oben. Von Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 246 und Kofler, DBA und EGRecht, 2007, S. 70 wird die offene Diskriminierung daher zutreffend als Untergruppe des Diskriminierungsverbots des grenzüberschreitenden Sachverhalts verstanden. Vgl. EuGH, Urt. v. 14.02.1995, C-279/93 (Schumacker), Slg. 1995, I-225, Rz. 30; Urt. v. 11.08.1995, C-80/94 (Wielockx), Slg. 1995, I-2493, Rz. 17. Vgl. auch Fischer, Gemeinschaftsrecht, 2001, S. 120; Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 115 ff., 843 ff.; Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 241; ders., Wettbewerbsgleichheit, 2008, S. 320. A.A. ist Stewen, Zuzug und Wegzug, 2007, S. 148, nach dem das Beschränkungsverbot durch ein Verständnis des Diskriminierungsverbots als Schutzinstrument des grenzüberschreitenden Sachverhalts „überflüssig“ werden würde. EuGH, Urt. v. 15.05.1997, C-250/95 (Futura Participations), Slg. 1997, I-2471, Rz. 8 ff.
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Verrechnungspreisvorschriften
schem Recht aufstellen musste, um Verluste vortragen zu können.78 Die Beschränkung des Steuerpflichtigen entsteht damit aufgrund des Zusammenwirkens der Vorschriften mehrerer Staaten. Eine Diskriminierung wird hingegen immer nur durch einen Staat verursacht.79 Nachteile, die sich aus der bloßen Unterschiedlichkeit der Rechtsordnungen zweier Staaten ergeben und für alle Personen gleich gelten, stellen jedoch keine Beschränkung dar.80 So war es in der Rs. Gilly81 nicht beschränkend, dass aufgrund des höheren Steuersatzes im Tätigkeitsstaat ein Anrechnungsüberhang im Wohnsitzstaat entstand. Die vergleichbaren Einnahmen wären in einem reinen Inlandssachverhalt vom Wohnsitzstaat zwar niedriger besteuert worden, die höhere Besteuerung resultierte aber aus der bloßen Unterschiedlichkeit der Steuersätze der beteiligten Staaten. Der Nachteil würde selbst dann eintreten, wenn Tätigkeits- und Wohnsitzstaat ein ansonsten identisches Steuersystem hätten.82
78 Vgl. EuGH, Urt. v. 15.05.1997, C-250/95 (Futura Participations), Slg. 1997, I-2471, Rz. 24-26. 79 Vgl. EuGH, Urt. v. 25.01.1983, 126/82 (Smit Transport), Slg. 1983, 73, Rz. 27; Kokott, in: Lehner, Grundfreiheiten im Steuerrecht der EU-Staaten, 2000, S. 1 (6); von Bogdandy, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 12 EG, Rz. 9 (Stand: 06.2005); Kingreen, Grundfreiheiten, 1999, S. 118; Schuch, in: Cordewener/Enchelmaier/Schindler, Meistbegünstigung, 2006, S. 151 (154 m.w.N.); Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 240; ders., Wettbewerbsgleichheit, 2008, S. 311; Schnitger, Grenzen, 2006, S. 178; Stewen, Zuzug und Wegzug, 2007, S. 149; Cordewener/Kofler/van Thiel, Fundamental Freedoms and Direct Taxation, draft 2008, S. 18 ff. u. 61; Baßler, Steuerliche Gewinnabgrenzung im Europäischen Binnenmarkt, 2011, S. 277. Der EuGH ist hiervon im Rahmen der Vergleichbarkeits- und Rechtsfertigungsprüfung aber teilweise abgewichen, vgl. insbesondere EuGH, Urt. v. 07.09.2004, C-319/02 (Manninen), Slg. 2004, I-7477, Rz. 34 f. bzw. 48 f.; Urt. v. 12.12.2002, C-385/00 (de Groot), Slg. 2002, I-11819, Rz. 100 f. Siehe dazu C.I.1.b)cc). 80 Vgl. EuGH, Urt. v. 14.07.1994, C-379/92 (Peralta), Slg. 1994, I-3453, Rz. 34; Urt. v. 12.07.2005, C-403/03 (Schempp), Slg. 2005, I-6421, Rz. 34 m.w.N.; Urt. v. 01.12.2011, C-250/08 (Kommission/Belgien), IStR 2012, 67, Rz. 47; Urt. v. 08.12.2011, C-157/10 (Banco Bilbao), IStR 2012, 152, Rz. 38; vgl. auch GA Maduro, SchlA v. 07.04.2005, C446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837, Rz. 23; GA Geelhoed, SchlA v. 23.02.2006, C-374/04 (ACT), Slg. 2006, I-11673, Rz. 46; Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 298 ff.; Weber, Intertax 2006, 585 (588 ff.); Cordewener/Kofler/van Thiel, Fundamental Freedoms and Direct Taxation, draft 2008, S. 13-17. 81 EuGH, Urt. v. 12.05.1998, C-336/96 (Gilly), Slg. 1998, I-2793, Rz. 34, siehe dazu ausführlich C.I.2.b)aa)(1)(ii)(d). Vgl. auch GA Colomer, SchlA v. 20.11.1997, C-336/96 (Gilly), Slg. 1998, I-2793, Rz. 43-47; Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 600 f., 885. 82 Vgl. zu diesem Test zur Erkennung bloßer Disparitäten allgemein: Kofler, DBA und EGRecht, 2007, S. 124 f.; Cordewener/Kofler/van Thiel, Fundamental Freedoms and Direct Taxation, draft 2008, S. 15; ferner: GA Geelhoed, SchlA v. 23.02.2006, C-374/04 (ACT), Slg. 2006, I-11673, Rz. 48. Dieser Test kann aber nur als ein erster Anhaltspunkt dienen. Zu beachten ist, dass auch bei Doppelregulierungsfällen wie der Rs. Futura Participations sowie bei einer Doppelbesteuerung der Nachteil fortbestünde, wenn beide Mitgliedstaaten identische Regelungen aufwiesen.
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Die Reichweite des Beschränkungsverbots wird entscheidend dadurch bestimmt, ob dieses nur ein Gleichheits- oder auch ein Freiheitsrecht beinhaltet. Freiheitsrechte sind absolute, gegenüber jedermann wirkende Schutzrechte. Gleichheitsrechte können nicht an sich mit einer Norm kollidieren, sondern nur die Gleichbehandlung mit einem Vergleichssachverhalt herstellen.83 Ihr Anwendungsbereich ist damit enger. Die grundfreiheitlichen Diskriminierungsverbote sind unstreitig Gleichheitsrechte. Die wohl überwiegende Literatur sieht in Beschränkungsverboten Freiheitsrechte84 und kann sich dabei teilweise auf die Rechtsprechung des EuGH außerhalb des Steuerrechts85 83 Vgl. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3, Rz. 1 f. (Stand: 05.1994); Lackhoff, Niederlassungsfreiheit, 2000, S. 245; Reimer, in: Lehner, Grundfreiheiten im Steuerrecht der EUStaaten, 2000, S. 39 (57); Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 249 ff.; Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 246. 84 Vgl. Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 181 f., 249 ff.; ders., DStR 2004, 6 (8); Lackhoff, Niederlassungsfreiheit, 2000, S. 358 ff.; Reimer, in: Lehner, Grundfreiheiten im Steuerrecht der EU-Staaten, 2000, S. 39 (57); Lehner, FS Offerhaus, 1999, S. 117 (119); Jarass, EuR 2000, 705 (712); Schnitger, Grenzen, 2006, S. 170 f.; Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 54, 89 ff.; Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl. 2008, § 2, Rz. 50; Cordewener/Kofler/van Thiel, Fundamental Freedoms and Direct Taxation, draft 2008, S. 19 f.; Weber-Grellet, DStR 2009, 1229 (1230); Douma/Engelen, FS Rödler, 2010, S. 193 ff.; Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 49 AEUV, Rz. 88 ff. (Stand: 03.2011). 85 Außerhalb des Steuerrechts hat der EuGH in einzelnen Fällen den Grundfreiheiten auch einen freiheitsrechtlichen Schutzgehalt zugewiesen. So nahm er etwa im Urt. v. 15.12.1995, C-415/93 (Bosman), Slg. 1995, I-4921, Leitsatz 14 eine Beschränkung der Grundfreiheiten bei von Sportverbänden aufgestellten Regeln an, nach denen ein ProfiFußballer seinen Verein nur nach der Zahlung eines Transfergeldes wechseln konnte. Ein gleichheitsrechtlicher Verstoß lag aber gerade nicht vor, weil diese Regelung gleichermaßen für grenzüberschreitende wie für innerstaatliche Transfers galt. Als weiteres Beispiel für eine freiheitsrechtliche Rechtsprechung können die sog. „single practice rules“ genannt werden, aufgrund derer Freiberuflern – unterschiedslos im grenzüberschreitenden wie im mitgliedstaatsinternen Fall – die Wirtschaftstätigkeit mit mehr als einer Niederlassung verboten ist. Der EuGH sieht darin einen Verstoß gegen die Grundfreiheiten, vgl. etwa EuGH, Urt. v. 12.07.1984, 107/83 (Klopp), Slg. 1984, 2971; Urt. v. 20.05.1992, C-106/91 (Ramrath), Slg. 1992, I-3351, Rz. 19 ff.; Urt. v. 21.04.2005, C140/03 (Kommission/Griechenland), Slg. 2005, I-3177, Rz. 34 ff. Eine Beschränkung nahm der EuGH auch in den sog. Golden Share-Entscheidungen an, wenn nationale Regelungen bestimmten Aktionären etwa Sperrminoritäten einräumen und auf diese Weise in- wie ausländische Investoren von einer Übernahme der betreffenden Unternehmen abgehalten werden, vgl. Urt. v. 04.06.2002, C-367/98 (Kommission/Portugal), Slg. 2002, I4781; Urt. v. 13.05.2003, C-463/00 (Kommission/Spanien), Slg. 2003, I-4581; Urt. v. 23.10.2007, C-112/05 (Kommission/Deutschland), Slg. 2009, I-2291. Wie die Beispiele zeigen, begrenzt der EuGH die Reichweite des von ihm außerhalb des Steuerrechts freiheitsrechtlich verstandenen Beschränkungsverbotes auf spezifische Beschränkungen des Marktzugangs, vgl. auch Urt. v. 10.05.1995, C-384/93 (Alpine Investments), Slg. 1995, I-1141, Rz. 38; Urt. v. 15.12.1995, C-415/93 (Bosman), Slg. 1995, I-4921, Rz. 103; Urt. v. 27.01.2000, C-190/98 (Graf), Slg. 2000, I-493, Rz. 23; vgl. hingegen weitergehend
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Verrechnungspreisvorschriften
stützen. Im Steuerrecht hat der EuGH bisher aber zu Recht auf eine Entfaltung des freiheitsrechtlichen Schutzes verzichtet.86 Die Schutzfunktion der Grundfreiheiten dient dem grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr im Binnenmarkt.87 Dem ist der Vergleich zwischen grenzüberschreitendem und innerstaatlichem Sachverhalt immanent. Die Gewährung eines freiheitsrechtlichen Schutzes würde dem Gedanken der Wettbewerbsgleichheit88 sogar zuwiderlaufen. Denn dieser käme nur den grenzüberschreitend agierenden Marktteilnehmern zu Gute, nicht aber dem rein inländisch Tätigen.89 Die Grundfreiheiten schützen zwar nicht vor einer Besserstellung des grenzüberschreitenden Sachverhalts,90 ihre Verankerung im Binnenmarktprinzip würde aber falsch verstanden werden, wenn diese selbst Wettbewerbsverzerrungen bewirken würden.91 Ohnehin besteht überhaupt keine Notwendigkeit eines freiheitsrechtlichen Schutzes durch die Grundfreiheiten, weil dieser bereits durch europäische und nationale Grundrechte garantiert ist. Häufig wird für das Steuerrecht die Rs. Futura Participations92 als Nachweis für Freiheitsrechte angeführt.93 Die Beschränkung lag hier jedoch darin, dass die Betriebsstätte, anders als ein inländisches Unternehmen, die Buchführung
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Urt. v. 05.10.2004, C-442/02 (CaixaBank France), Slg. 2004, I-8961, Rz. 11 ff. Die Gewährung eines freiheitsrechtlichen Schutzes durch den EuGH ist m.E. jedoch auch außerhalb des Steuerrechts aus den sogleich genannten Gründen abzulehnen. Die Kläger hätten sich in den genannten Fällen aber auf europäische und nationale Grundrechte berufen können. Vgl. zuletzt nur GA Kokott, SchlA v. 21.12.2011, C-498/10 („X“), n.n.v., Rz. 28; dies./Ost, EuZW 2011, 496 (498); Lang, EC Tax Rev. 2009, 98 (99); Englisch, Intertax 2010, 197 (202). Siehe insbesondere die sogleich erfolgende Bewertung des EuGH-Urt. v. 15.05.1997, C-250/95 (Futura Participations), Slg. 1997, I-2471. Vgl. Kingreen, Grundfreiheiten, 1999, S. 116; ders., in: Bogdandy/Bast, Europäisches Verfassungsrecht, 2. Aufl. 2009, S. 705 (729); Hohenwarter-Mayr, SWI 2010, 163 (171); vgl. auch GA Maduro, SchlA v. 30.03.2006, C-158/04 u.a. (Alfa Vita Vassilopoulos u.a.), Slg. 2006, I-8135, Rz. 41. Siehe dazu C.I.1.a) und C.I.1.b). Vgl. Englisch, Wettbewerbsgleichheit, 2008, S. 239 f. m.w.N.; Kingreen, in: Bogdandy/Bast, Europäisches Verfassungsrecht, 2. Aufl. 2009, S. 705 (729). Siehe bereits zur sog. Inländerdiskriminierung bzw. umgekehrten Diskriminierung C.I.1.b). Ähnlich: Kingreen, in: Bogdandy, Europäisches Verfassungsrecht, 2003, S. 631 (660); Englisch, Wettbewerbsgleichheit, 2008, S. 240. A.A. ist ausdrücklich Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 318 f., der das Problem der Wettbewerbsverzerrungen zwar sieht, diese aber in Kauf nehmen will. EuGH, Urt. v. 15.05.1997, C-250/95 (Futura Participations), Slg. 1997, I-2471. Zum Inhalt s.o. Vgl. Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 629, 977; Kellersmann/Treisch, Europäische Unternehmensbesteuerung, 2002, S. 148; Weber, Intertax 2006, 585 (589); Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 98 f.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
nach eigenem und zusätzlich nach luxemburgischem Recht führen musste.94 Insofern wurde der grenzüberschreitende Sachverhalt gegenüber dem inländischen in gleichheitswidriger Weise benachteiligt.95 Zwar kann hier weder eine rechtliche noch eine vollkommene faktische Gleichheit hergestellt werden, wenn die Betriebsstätte anders als ein inländisches Unternehmen ggf. eine modifizierte ausländische Buchführung einreicht. Dennoch wird versucht, zumindest annähernd eine faktische Gleichheit herzustellen. Damit weist auch die nichtdiskriminierende Beschränkung eine gleichheitsrechtliche Struktur auf.96 Insofern unterscheidet sich ihre Prüfung nicht wesentlich vom Diskriminierungsverbot: Bei beiden ist nach Vergleichsgruppen zu differenzieren.97 Die Vergleichskomponente verdeutlicht auch die vom EuGH98 stets verwendete Formulierung, dass „nationale Maßnahmen, die die Ausübung der durch den Vertrag [AEUV] garantierten grundlegenden Freiheiten behindern oder weniger attraktiv machen können“, beschränkend wirken. Seinen Anwendungsbereich hat das Beschränkungsverbot aufgrund seiner Subsidiarität gegenüber dem Diskriminierungsverbot99 vor allem bei verfahrensrechtlichen Doppelre-
94 Vgl. EuGH, Urt. v. 15.05.1997, C-250/95 (Futura Participations), Slg. 1997, I-2471, Rz. 25. 95 Vgl. Dautzenberg, FR 1997, 570 (571); Musil, IStR 2001, 482 (484); Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung, 2005, S. 72 f.; Lang, Die Rechtsprechung des EuGH, 2007, S. 36; Jiménez, BIT 2010, 271 (274). Bezüglich Doppelregulierungsfällen sehen selbst Autoren, die dem Beschränkungsverbot einen freiheitsrechtlichen Gehalt zuweisen, die Möglichkeit, diese Fälle durch das Diskriminierungsverbot zu erfassen, vgl. Reimer, in: Lehner, Grundfreiheiten, 2000, S. 38 (57 f.); Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 101. 96 Ebenso: Kingreen, Grundfreiheiten, 1999, S. 115 ff.; ders., in: Bogdandy/Bast, Europäisches Verfassungsrecht, 2. Aufl. 2009, S. 705 (727 ff.); Toifl, in: Gassner/Lang/Lechner, DBA und EU-Recht, 1996, S. 161 f.; Lang, DStJG 22 (1999), 255 (261 f.); ders., Die Rechtsprechung des EuGH, 2007, S. 34 ff.; Musil, IStR 2001, 482; ders., DB 2009, 1037 (1041); Englisch, StuW 2003, 88 (89 f.); ders., Dividendenbesteuerung, 2005, S. 247 f.; ders., Intertax 2010, 197 (202 f.); Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung, 2005, S. 66 ff., 80; Reimer, FR 2007, 217 (225). In einigen Urteilen lässt der EuGH hingegen die Vergleichbarkeitsprüfung irrigerweise aus, wenn er von einer Beschränkung spricht, siehe dazu noch C.I.1.b)cc); vgl. besonders deutlich EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 59-63; vgl. jüngst auch GA Kokott, SchlA v. 21.12.2011, C-498/10 („X“), n.n.v., Rz. 28 f. 97 Vgl. Lang, Die Rechtsprechung des EuGH, 2007, S. 35, 37; ders., StuW 2011, 209 (215); ähnlich: GA Geelhoed, SchlA v. 23.02.2006, C-374/04 (ACT), Slg. 2006, I11673, Rz. 36. 98 EuGH, Urt. v. 30.11.1995, C-55/94 (Gebhard), Slg. 1995, I-4165, Rz. 37 [Hervorhebungen nur hier]; seither ständige Rechtsprechung, vgl. etwa Urt. v. 07.09.2004, C-319/02 (Manninen), Slg. 2004, I-7477, Rz. 23; Urt. v. 18.06.2009, C-303/07 (Aberdeen Property Fininvest Alpha), Slg. 2009, I-5145, Rz. 41; Urt. v. 17.09.2009, C-182/08 (Glaxo Wellcome), Slg. 2009, I-8591, Rz. 57; Urt. v. 15.04.2010, C-96/08 (CIBA), Slg. 2010, I-2911, Rz. 19; Urt. v. 29.11.2011, C-371/10 (National Grid Indus), IStR 2012, 27, Rz. 36. 99 Vgl. nur Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 975.
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Verrechnungspreisvorschriften
gulierungen wie in der Rs. Futura Participations100 und in Fällen einer Doppelbesteuerung.101 In diesen Fällen stellt sich zusätzlich die Frage, welcher Mitgliedstaat die Verantwortung für die Beseitigung dieser Mehrfachbelastung trägt. Im Fall von Doppelregulierungen verpflichtet der EuGH den Tätigkeitsstaat, dessen Regulierung zu derjenigen des Herkunftsstaates hinzutritt, die Mehrfachbelastung auf eine Einfachbelastung zurückzuführen. Zumeist wird der Tätigkeitsstaat verpflichtet sein, unter Verzicht auf die eigene Regulierung auf die Administration des Herkunftsstaates zu vertrauen.102 In der Rs. Futura Participations103 musste Luxemburg als Tätigkeitsstaat beispielsweise die Buchführung nach den Regeln des Herkunftsstaates teilweise anerkennen. Auf die Verantwortungszuweisung im Fall der Doppelbesteuerung kann erst an späterer Stelle nach der Untersuchung eingegangen werden, ob diese überhaupt die Grundfreiheiten beschränkt.104 cc)
Vergleichbarkeitsprüfung
Eine verbotene Beeinträchtigung der Grundfreiheiten liegt nur vor, wenn „unterschiedliche Vorschriften auf vergleichbare Situationen angewandt werden oder [wenn] dieselbe Vorschrift auf unterschiedliche Situationen angewandt wird.“105 Im zuerst beschriebenen Fall einer Diskriminierung ist somit festzustellen, ob die Vergleichsgruppe, die innerhalb des Belastungsvergleichs 100 EuGH, Urt. v. 15.05.1997, C-250/95 (Futura Participations), Slg. 1997, I-2471. Zum Inhalt s.o. 101 Siehe dazu C.I.2.b)bb)(2)(i). Vgl. Schön, GS Knobbe-Keuk, 1997, S. 743 (758 f.); Reimer, in: Lehner, Grundfreiheiten im Steuerrecht der EU-Staaten, 2000, S. 39 (57); Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 980; Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 245 f.; Schnitger, Grenzen, 2006, S. 252 ff.; Lang, Die Rechtsprechung des EuGH, 2007, S. 39; Cordewener/Kofler/van Thiel, Fundamental Freedoms and Direct Taxation, draft 2008, S. 20 f. 102 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.12.1981, 279/80 (Webb), Slg. 1981, 3305, Rz. 20; Urt. v. 07.05.1991, C-340/89 (Vlassopoulou), Slg. 1991, I-2357, Rz. 23; Urt. v. 15.05.1997, C250/95 (Futura Participations), Slg. 1997, I-2471, Rz. 39. 103 EuGH, Urt. v. 15.05.1997, C-250/95 (Futura Participations), Slg. 1997, I-2471, Rz. 39. Siehe oben. 104 Siehe dazu C.I.2.b)bb)(2)(i). Vgl. zur Verantwortungszuweisung im Fall einer Doppelbesteuerung auch: Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 238 ff.; Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 879 ff.; Englisch, Dividendebesteuerung, 2005, S. 256 ff.; ders., Intertax 2005, 310 (324 f.); ders., Wettbewerbsgleichheit, 2008, S. 330 ff., 794 ff.; Dautzenberg, DB 1994, 1542 (1544 f.); Schön, EWS 2000, 281 (290); Schnitger, Grenzen, 2006, S. 265 ff.; Hey, FS Schaumburg, 2009, S. 767 (779 f.). 105 EuGH, Urt. v. 14.02.1995, C-279/93 (Schumacker), Slg. 1995, I-225, Rz. 30; Urt. v. 18.03.2010, C-440/08 (Gielen), Slg. 2010, I-2323, Rz. 38; Urt. v. 01.12.2011, C-253/09 (Kommission/Ungarn), n.n.v., Rz. 50; Urt. v. 08.12.2011, C-157/10 (Banco Bilbao), IStR 2012, 152, Rz. 41; siehe zuvor bereits: Urt. v. 23.02.1983, 8/82 (Wagner), Slg. 1983, 371; Urt. v. 13.11.1984, 283/83 (Racke), Slg. 1984, 3791, Rz. 7.
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aufgestellt wurde,106 auch objektiv vergleichbar ist. Nicht vergleichbare Sachverhalte dürfen vom Gesetzgeber auch unterschiedlich behandelt werden. Im Fall einer Beschränkung, die in der Gleichbehandlung unterschiedlicher Situationen besteht, ist umgekehrt die objektive Unvergleichbarkeit des Vergleichspaares nachzuweisen.107 Die Vergleichbarkeitsprüfung bildet einen Schwerpunkt der Grundfreiheitsprüfung in der Rechtsprechung des EuGH.108 Die Vergleichbarkeit wird anhand des Vergleichskriteriums geprüft, nach dem die streitige mitgliedstaatliche Maßnahme differenziert, z.B. die Staatsangehörigkeit oder der grenzüberschreitende Bezug. Die Frage der Vergleichbarkeit ist immer eine Einzelfallentscheidung109 im konkret vorliegenden Sachverhalt, die – obwohl grundsätzlich objektive Maßstäbe anzulegen sind – letztlich auf einer Wertentscheidung des EuGH beruht110. Dieser verwendet einen engen Vergleichsmaßstab, indem er einzelne, im konkreten Sachverhalt relevante steuerliche Aspekte herausgreift, anstatt auf die Gesamtsituation des Steuerpflichtigen abzustellen.111 Nach dem traditionellen Ansatz beurteilt der EuGH die Vergleichbarkeit grundsätzlich nach der rechtlichen und tatsächlichen Situation der Vergleichsgruppen.112 Häufig bedingen sich diese einander: So kann die rechtliche Be106 Siehe bereits C.I.1.b)aa). Verglichen wird immer ein grenzüberschreitend tätiger Steuerpflichtiger, der nach dem Differenzierungskriterium unter die belastende mitgliedstaatliche Maßnahme fällt, mit einem hypothetisch herangezogenen Steuerpflichtigem, der den wirtschaftlich gleichen Sachverhalt, aber nicht das einschlägige Differenzierungskriterium erfüllt. Ist letzterer rein national tätig, liegt ein vertikaler Vergleich vor, ist er ebenfalls grenzüberschreitend tätig, ein horizontaler Vergleich, siehe dazu sogleich. 107 Vgl. EuGH, Bschl. v. 12.09.2002, C-431/01 (Mertens), Slg. 2002, I-7073, Rz. 30 f.; Urt. v. 26.06.2008, C-284/06 (Burda), Slg. 2008, I-4571, Rz. 81 f.; Urt. v. 08.12.2011, C-157/10 (Banco Bilbao), IStR 2012, 152, Rz. 41 f.; ferner: Urt. v. 28.02.2008, C293/06 (Deutsche Shell), Slg. 2008, I-1129, Rz. 30 f., dazu: Lang, EC Tax Rev. 2009, 98 (99). 108 Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 14.02.1995, C-279/93 (Schumacker), Slg. 1995, I-225, Rz. 30 ff.; Urt. v. 05.07.2005, C-376/03 („D”), Slg. 2005, I-5821, Rz. 33 ff., 58 ff.; Urt. v. 12.12.2006, C-374/04 (ACT), Slg. 2006, I-11673, Rz. 46 ff., 83 ff. 109 Vgl. Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 458 m.w.N.; Lang, IStR 2006, 397 (400); Stewen, Zuzug und Wegzug, 2007, S. 147 m.w.N. Vgl. exemplarisch EuGH, Urt. v. 19.01.2006, C-265/04 (Bouanich), Slg. 2006, I-923, Rz. 40. 110 Vgl. Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, vor Art. 39-55 EG, Rz. 230 (Stand: 05.2001); Lang, IStR 2006, 397 (400); ders., Die Rechtsprechung des EuGH, 2007, S. 27; ders., SWI 2011, 154 (162); Cordewener/Kofler/van Thiel, Fundamental Freedoms and Direct Taxation, draft 2008, S. 39. 111 Vgl. GA Colomer, SchlA v. 26.10.2004, C-376/03 („D”), Slg. 2005, I-5821, Rz. 100; Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 61 m.w.N; Cordewener/Kofler/van Thiel, Fundamental Freedoms and Direct Taxation, draft 2008, S. 38. 112 Vgl. EuGH, Bschl. v. 12.09.2002, C-431/01 (Mertens), Slg. 2002, I-7073, Rz. 32 m.w.N.: „Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine Ungleichbehandlung vor, wenn
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handlung auf die tatsächlichen Verhältnisse durchschlagen; umgekehrt richtet sich die rechtliche Behandlung oft nach den tatsächlichen Verhältnissen. Im Einzelfall hat der EuGH ausschließlich die rechtliche113 bzw. tatsächliche114 Situation fokussiert – zumeist um sich die Argumentation zu erleichtern115. In einigen neueren Urteilen hat sich der EuGH lediglich darauf beschränkt, die Argumente der Regierungen gegen eine Vergleichbarkeit zu widerlegen und hat insofern auf die eigentliche Feststellung der Vergleichbarkeit verzichtet.116 Ohnehin müssen die rechtliche und tatsächliche Vergleichbarkeit nicht zwingend kumulativ vorliegen: Dies zeigt die Rs. Keller Holding117, in der zwar eine rechtlich unterschiedliche steuerliche Behandlung vorgenommen wurde,
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zwei Gruppen von Personen, deren rechtliche und tatsächliche Situation keine wesentlichen Unterschiede aufweist, unterschiedlich behandelt oder wenn nicht vergleichbare Sachverhalte gleichbehandelt werden“. Vgl. auch Urt. v. 23.02.2006, C-471/04 (Keller Holding), Slg. 2006, I-2107, Rz. 37 f.; Urt. v. 12.12.2006, C-374/04 (ACT), Slg. 2006, I-11673, Rz. 49 ff. Gl.A.: Lang, RIW 2005, 336 (344); ders., IStR 2006, 397 (400); ders., Die Rechtsprechung des EuGH, 2007, S. 27; Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 61 f. Hingegen nur auf die tatsächliche Situation abstellend: Reimer, in: Lehner, Grundfreiheiten im Steuerrecht der EU-Staaten, 2000, S. 39 (50); Englisch, Wettbewerbsgleichheit, 2008, S. 291 ff.; ders., H&I 2/2009, 48 (49). Nur auf die rechtliche Situation abstellend: Gutman, EC Tax Rev. 2003, 154 (155); zuletzt auch Lang, EC Tax Rev. 2009, 98 (101 ff., 106 u. 113); ders., SWI 2011, 154 (162). Vgl. EuGH, Urt. v. 28.01.1986, 270/83 (avoir fiscal), Slg. 1986, 273, Rz. 19; Urt. v. 29.04.1999, C-311/97 (Royal Bank of Scotland), Slg. 1999, I-2651, Rz. 28 f.; Urt. v. 21.09.1999, C-307/97 (Saint Gobain), Slg. 1999, I-6161, Rz. 48; Urt. v. 05.07.2005, C376/03 („D”), Slg. 2005, I-5821, Rz. 58 ff.; Urt. v. 29.11.2011, C-371/10 (National Grid Indus), IStR 2012, 27, Rz. 38. Vgl. EuGH, Urt. v. 14.02.1995, C-279/93 (Schumacker), Slg. 1995, I-225, Rz. 31 ff. und die Folgerechtsprechung; Urt. v. 23.02.2006, C-471/04 (Keller Holding), Slg. 2006, I-2107, Rz. 36 f. In den in Fn. 113 genannten Urteilen, in denen der EuGH jeweils die rechtliche Vergleichbarkeit heranzog, war zumeist auch von der tatsächlichen Vergleichbarkeit auszugehen. In der umstrittenen Schumacker-Rechtsprechung [siehe Fn. 114 sowie ausführlich unter C.I.1.b)cc)(1)(i)] hält der EuGH die tatsächlichen Unterschiede zwischen beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtigen unabhängig von den verschiedenen nationalen Rechtsordnungen hingegen für allein entscheidend. Vgl. EuGH, Urt. v. 13.12.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837, Rz. 40; Urt. v. 18.07.2007, C-231/05 (Oy AA), Slg. 2007, I-6373, Rz. 38; Urt. v. 16.06.2011, C-10/10 (Kommission/Österreich), IStR 2011, 558, Rz. 34-36; besonders deutlich: Urt. v. 18.06.2009, C-303/07 (Aberdeen Property Fininvest Alpha), Slg. 2009, I-5145, Rz. 55. EuGH, Urt. v. 23.02.2006, C-471/04 (Keller Holding), Slg. 2006, I-2107, Rz. 31-33 u. 36 f.: Rechtlich bestand der Unterschied, dass im grenzüberschreitenden Fall Dividenden nach dem Schachtelprivileg im DBA Österreich steuerfrei gestellt wurden, im vergleichbaren Inlandsfall hingegen nach § 8b Abs. 1 KStG a.F. Diese rechtlich unterschiedliche Behandlung führte jedoch tatsächlich zum gleichen Ergebnis, so dass es der EuGH letztlich als nicht gerechtfertigt ansah, dass nur im grenzüberschreitenden Fall nach § 3c EStG a.F. der Abzug von Beteiligungsaufwand versagt wurde.
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diese aber tatsächlich zum gleichen Ergebnis führte. Nach ständiger Rechtsprechung118 ist von der Vergleichbarkeit nämlich insbesondere dann auszugehen, wenn der Mitgliedstaat beide Vergleichsgruppen – abgesehen von der diskriminierenden Maßnahme – ansonsten steuerlich gleich behandelt.119 118 Vgl. EuGH, Urt. v. 28.01.1986, 270/83 (avoir fiscal), Slg. 1986, 273, Rz. 19 f.; Urt. v. 29.04.1999, C-311/97 (Royal Bank of Scotland), Slg. 1999, I-2651, Rz. 28 f.; Urt. v. 21.09.1999, C-307/97 (Saint Gobain), Slg. 1999, I-6161, Rz. 47 f.; Urt. v. 08.03.2001, C-397/98 u.a. (Metallgesellschaft u.a.), Slg. 2001, I-1727, Rz. 53; Urt. v. 23.02.2006, C-253/03 (CLT-Ufa), Slg. 2006, I-1831, Rz. 29; Urt. v. 23.02.2006, C-471/04 (Keller Holding), Slg. 2006, I-2107, Rz. 37 f.; Urt. v. 14.12.2006, C-170/05 (Denkavit), Slg. 2006, I-11949, Rz. 36; Urt. v. 20.05.2008, C-194/06 (Orange European Smallcap Fund), Slg. 2008, I-3747, Rz. 78 f.; Urt. v. 11.09.2008, C-43/07 (Arens-Sikken), Slg. 2008, I-6887, Rz. 57; Urt. v. 11.09.2008, C-11/07 (Eckelkamp), Slg. 2008, I-6845, Rz. 63; Urt. v. 22.01.2009, C-377/07 (STEKO), n.n.v., Rz. 34; Urt. v. 23.04.2009, C-544/07 (Rüffler), Slg. 2009, I-3389, Rz. 69; Urt. v. 22.04.2010, C-510/08 (Mattner), Slg. 2010, I-3553, Rz. 38; Urt. v. 01.07.2010, C-233/09 (Dijkman), Slg. 2010, I-6645, Rz. 45; Urt. v. 20.10.2011, C-284/09 (Kommission/Deutschland), IStR 2011, 840, Rz. 56 f.; Urt. v. 29.11.2011, C-371/10 (National Grid Indus), IStR 2012, 27, Rz. 38. 119 Gegen die ständige Rechtsprechung wendet Englisch, Intertax 2010, 197 (212) ein, dass sie den Mitgliedstaaten gerade weit reichende Diskriminierungen ermöglichen würde, indem diese das Steuerrecht für die Vergleichsgruppen grundlegend unterschiedlich ausgestalten, vgl. auch EuGH, Urt. v. 22.01.2009, C-377/07 (STEKO), n.n.v., Rz. 33 [dort allerdings in Widerspruch zu Rz. 34]. Englisch schlägt daher vor, die Vergleichbarkeit anhand des Wettbewerbsverhältnisses der Vergleichsgruppen zu bestimmen, was wesentlich von der Substituierbarkeit der Waren oder Dienstleistungen aus der Sicht des Nachfragers abhinge. Stehen der grenzüberschreitend und der rein innerstaatlich tätige Steuerpflichtige demnach in einem Wettbewerbsverhältnis, sei von der Vergleichbarkeit auszugehen, vgl. Englisch, Wettbewerbsgleichheit, 2008, S. 291 ff.; ders., H&I 2/2009, 48 (49); ders., Intertax 2010, 197 (203, 212 f.); in dieser Richtung zuletzt auch Cordewener/Kofler/van Thiel, Fundamental Freedoms and Direct Taxation, draft 2008, S. 32, 39. Dies überzeugt, weil es die Vergleichbarkeit entsprechend dem Leitgedanken des Binnenmarktprinzips, der Wettbewerbsgleichheit, bestimmt. Englisch kann sein Vergleichskonzept zudem auf die Rechtsprechung des EuGH zu produktbezogenen Regelungen stützen, in denen der EuGH die Vergleichbarkeit zweier Produkte anhand ihrer Substituierbarkeit beurteilt, vgl. etwa EuGH, Urt. v. 19.10.1977, 177/76 u.a. (Ruckdeschel u.a.), Slg. 1977, 1753, Rz. 8; Urt. v. 08.04.2008, C-167/05 (Kommission/Schweden), Slg. 2008, I-2127, Rz. 42 f. Ein derartiges Konzept hat in der Rechtsprechung des EuGH zum direkten Steuerrecht bisher jedoch noch keinen Niederschlag gefunden. Es würde dazu führen, dass im direkten Steuerrecht stets von der Vergleichbarkeit auszugehen wäre, weil sich der Vergleichsfall nur durch das Fehlen eines grenzüberschreitenden Elements unterscheidet, nach dem der Nachfrager aber quasi nie hinreichend differenziert, um für sich die Vergleichbarkeit beider Gruppen auszuschließen, vgl. auch Englisch, Intertax 2010, 197 (212). Dies erforderte eine Eingrenzung der zulässigen Vergleichspaare, um z.B. horizontale Vergleiche auszuschließen. Der EuGH verfolgt den entgegengesetzten Weg: Er zeigt sich großzügig hinsichtlich der Zulässigkeit von Vergleichspaaren, nimmt die erforderliche Korrektur aber in der Vergleichbarkeitsprüfung vor, vgl. insbesondere Urt. v. 05.07.2005, C-376/03 („D”), Slg. 2005, I5821, Rz. 53 ff., siehe ausführlich C.I.1.b)cc)(2) und (3).
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In der jüngeren Rechtsprechung prüft der EuGH die Vergleichbarkeit anstelle der rechtlichen und tatsächlichen Situation zunehmend anhand der vom Gesetzgeber mit der streitigen Norm verfolgten Ziele120 – jedoch ohne den traditionellen Ansatz dabei aufzugeben121. In der Rs. Manninen122 verfolgte der finnische Gesetzgeber mit dem Körperschaftsteueranrechnungssystem das Ziel, eine Doppelbesteuerung bei der Ausschüttung von Dividenden an natürliche Personen zu vermeiden. Nach Ansicht des EuGH war der grenzüberschreitende Sachverhalt mit dem inländischen vergleichbar, wenn in beiden Fällen die Gefahr einer Doppelbesteuerung besteht.123 Der EuGH ist bisher 120 Vgl. EuGH, Urt. v. 27.11.2008, C-418/07 (Papillon), Slg. 2008, I-8947, Rz. 27 m.w.N.: „Um festzustellen, ob eine Diskriminierung vorliegt, ist die Vergleichbarkeit eines Sachverhalts mit Gemeinschaftsbezug mit einem rein innerstaatlichen Sachverhalt unter Berücksichtigung des mit den fraglichen nationalen Bestimmungen verfolgten Ziels zu prüfen“. Vgl. auch Urt. v. 15.07.2004, C-315/02 (Lenz), Slg. 2004, I-7063, Rz. 30; Urt. v. 07.09.2004, C-319/02 (Manninen), Slg. 2004, I-7477, Rz. 33; Urt. v. 18.07.2007, C231/05 (Oy AA), Slg. 2007, I-6373, Rz. 35-38; Urt. v. 20.05.2008, C-194/06 (Orange European Smallcap Fund), Slg. 2008, I-3747, Rz. 60-63; Urt. v. 16.12.2008, C-524/06 (Huber), Slg. 2008, I-9705, Rz. 76; Urt. v. 17.11.2009, C-169/08 (Regione Sardegna), Slg. 2009, I-10821, Rz. 38; Urt. v. 25.02.2010, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I1215, Rz. 22-24; Urt. v. 16.06.2011, C-10/10 (Kommission/Österreich), IStR 2011, 558, Rz. 34 f.; Urt. v. 15.09.2011, C-240/10 (Schulz-Delzers und Schulz), IStR 2011, 806, Rz. 37; Urt. v. 20.10.2011, C-284/09 (Kommission/Deutschland), IStR 2011, 840, Rz. 53; Urt. v. 01.12.2011, C-253/09 (Kommission/Ungarn), n.n.v., Rz. 61; siehe auch EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 23.11.2004, E-1/04 (Fokus Bank), IStR 2005, 55, Rz. 30. 121 Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 22.04.2010, C-510/08 (Mattner), Slg. 2010, I-3553, Rz. 38; Urt. v. 01.07.2010, C-233/09 (Dijkman), Slg. 2010, I-6645, Rz. 45; Urt. v. 29.11.2011, C-371/10 (National Grid Indus), IStR 2012, 27, Rz. 38. 122 EuGH, Urt. v. 07.09.2004, C-319/02 (Manninen), Slg. 2004, I-7477, Rz. 33-37; zuvor bereits: Urt. v. 15.07.2004, C-315/02 (Lenz), Slg. 2004, I-7063, Rz. 30-33. Bestätigt mit Urt. v. 06.12.2006, C-446/04 (FII), Slg. 2006, I-11753, Rz. 62; Urt. v. 12.12.2006, C-374/04 (ACT), Slg. 2006, I-11673, Rz. 56; vgl. auch EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 23.11.2004, E-1/04 (Fokus Bank), IStR 2005, 55, Rz. 30. 123 Dies war in der Rs. Manninen im Einzelnen der Fall, wenn sowohl Dividenden, die von einer inländischen Gesellschaft ausgeschüttet werden, als auch Dividenden, die von einer ausländischen Gesellschaft ausgeschüttet werden, mit Körperschaftsteuer vorbelastet sind. Insofern konnte es zu einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung kommen, wenn der Dividendenbezug beim inländischen Anteilseigner erneut besteuert wird. Vgl. EuGH, Urt. v. 07.09.2004, C-319/02 (Manninen), Slg. 2004, I-7477, Rz. 34 f.; bestätigt im Urt. v. 06.12.2006, C-446/04 (FII), Slg. 2006, I-11753, Rz. 62; Urt. v. 12.12.2006, C-374/04 (ACT), Slg. 2006, I-11673, Rz. 56; Urt. v. 20.05.2008, C-194/06 (Orange European Smallcap Fund), Slg. 2008, I-3747, Rz. 40 u. 60-63. Vgl. auch Englisch, RIW 2005, 187 (191). Als ein weiteres Beispiel für die Vorgehensweise des EuGH im Rahmen der Vergleichbarkeitsprüfung anhand des legislativen Ziels der streitigen Norm kann das Urt. v. 20.05.2008, C-194/06 (Orange European Smallcap Fund), Slg. 2008, I3747, Rz. 60-63 herangezogen werden. Eine niederländische Norm verfolgte das Ziel direkte Investitionen steuerlich gleich zu behandeln wie indirekte Investitionen, die über eine niederländische Anlagegesellschaft getätigt werden. Nur bei einer Vergleichs-
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aber eine überzeugende Begründung schuldig geblieben, warum die Vergleichbarkeit gerade von den vom Gesetzgeber mit einer Norm verfolgten Zielen abhängen soll, die sich zudem nicht immer eindeutig ermitteln lassen124. Das Konzept stößt insbesondere dort an seine Grenzen, wo eine nationale Norm etwa darauf abzielt, die inländische Wirtschaft zu fördern oder eine Gewinnverlagerung ins Ausland zu verhindern. Denn hinsichtlich dieser Ziele wären grenzüberschreitende und mitgliedstaatsinterne Sachverhalte nie vergleichbar. Der EuGH versucht diese Problematik zwar dadurch zu umgehen, derartige Ziele als ungültig zu erklären, bleibt dabei aber die Begründung schuldig, wonach sich die Vergleichbarkeit in derartigen Fällen ansonsten richten soll.125 Die Prüfung der Vergleichbarkeit anhand der legislativen Ziele einer Norm ist aber vor allem abzulehnen, weil sie zu einer Vermengung der Diskriminierungs- und Rechtfertigungsprüfung führt: Gesetzgeberische Ziele können einen Rechtfertigungsgrund für einen Eingriff in den Schutzbereich einer Grundfreiheit begründen,126 lassen – wie Englisch127 zutreffend feststellt – „aber nicht schon den Diskriminierungstatbestand entfallen“.128 Entscheidend für die Vergleichbarkeit ist im Rahmen des Diskriminierungsverbots grundsätzlich, ob die Lage im jeweiligen Mitgliedstaat vergleichbar ist.129 In der neueren Rechtsprechung hat der EuGH aber auch teilweise eine
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gruppe, bei der überhaupt die Gefahr bestand, dass direkte und indirekte Investitionen unterschiedlich behandelt werden, waren beide Vergleichsgruppen bezüglich des mit der streitigen Norm verfolgten Ziels nicht vergleichbar. Vgl. Englisch, RIW 2005, 187 (191); ders., Intertax 2010, 197 (203). Vgl. EuGH, Urt. v. 16.06.2011, C-10/10 (Kommission/Österreich), IStR 2011, 558, Rz. 35; ferner: Urt. v. 11.09.2007, C-76/05 (Schwarz und Gootjes-Schwarz), Slg. 2007, I-6849, Rz. 72 f. Siehe hierzu C.I.1.c). Englisch, RIW 2005, 187 (191). Vgl. auch dens., Wettbewerbsgleichheit, 2008, S. 292; dens., H&I 2/2009, 48 (49); dens., Intertax 2010, 197 (202 f.); dens., IStR 2010, 215 (216) jeweils m.w.N. Nach Englisch, H&I 2/2009, 48 (49); ders., Intertax 2010, 197 (203) wäre diesem Ansatz allenfalls zuzustimmen, wenn der Vergleichbarkeitstest um eine Verhältnismäßigkeitsprüfung ergänzt werden würde. Siehe zu diesem Ansatz C.I.1.b)cc)(3) und vgl. GA Maduro, SchlA v. 03.04.2008, C-524/06 (Huber), Slg. 2008, I-9705, Rz. 7; GA Kokott, SchlA v. 18.09.2008, C-282/07 (Truck Center), Slg. 2008, I10767, Rz. 37; kritisch: De Broe/Bammens, EC Tax Rev. 2009, 131 (135). Kritisch auch De Broe/Bammens, EC Tax Rev. 2009, 131 (133); Kofler, DBA und EGRecht, 2007, S. 997 f.; zurückhaltender: Lang, EC Tax Rev. 2009, 98 (100); ausdrücklich a.A. Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 167; Baßler, Steuerliche Gewinnabgrenzung im Europäischen Binnenmarkt, 2011, S. 144. Vgl. zuletzt deutlich EuGH, Urt. v. 15.09.2011, C-240/10 (Schulz-Delzers und Schulz), IStR 2011, 806, Rz. 40: „die Vergleichbarkeit der Sachverhalte [kann] notwendigerweise nur im Rahmen ein und desselben Steuersystems beurteilt werden“; vgl. auch Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 828 ff. u. 913; Lang, IStR 2006, 397 (399 f.); Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 61 f.; ders., BIT 2011, 684; Cordewener/Kofler/
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staatenübergreifende Betrachtungsweise vorgenommen: In der Rs. Manninen130 hing die Vergleichbarkeit davon ab, ob der andere Staat bereits eine Quellensteuer auf grenzüberschreitend ausgeschüttete Dividenden erhob. In der Rs. de Groot131 musste der Ansässigkeitsstaat die persönliche Lage eines Steuerpflichtigen nur berücksichtigen, sofern dies nicht schon der Tätigkeitsstaat getan hatte.132 Mit dieser Sichtweise versucht der EuGH offensichtlich, die doppelte Inanspruchnahme steuerlicher Vorteile zu vermeiden133. Er weicht damit aber von seiner ständigen Rechtsprechung ab, wonach eine Diskriminierung nicht durch einen zufälligen Vorteil in einem anderen Staat kompensiert werden kann.134 Jeder Mitgliedstaat ist für sich verpflichtet, ein diskriminierungs- und beschränkungsfreies Steuersystem aufrecht zu erhalten.135 Daher darf die Vergleichbarkeit nicht von der Ausgestaltung des Steuerrechts eines anderen Staates abhängen. Dies würde ferner zu einer gewissen Rechtsunsicherheit führen, weil eine Vergleichsgruppe nur im Verhältnis zu bestimmten
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van Thiel, Fundamental Freedoms and Direct Taxation, draft 2008, S. 38 f.; a.A.: Kemmeren, FS Vanistendael, 2008, S. 555 (561 ff.). EuGH, Urt. v. 07.09.2004, C-319/02 (Manninen), Slg. 2004, I-7477, Rz. 33-35; zuvor bereits: Urt. v. 15.07.2004, C-315/02 (Lenz), Slg. 2004, I-7063, Rz. 30-33. EuGH, Urt. v. 12.12.2002, C-385/00 (de Groot), Slg. 2002, I-11819, Rz. 100 f. Als weiteres Beispiel kann das EuGH-Urt. v. 14.02.1995, C-279/93 (Schumacker), Slg. 1995, I-225 genannt werden, siehe hierzu C.I.1.b)cc)(1)(i) mit Fn. 155. Im Urt. v. 18.07.2007, C-231/05 (Oy AA), Slg. 2007, I-6373, Rz. 37 deutete der EuGH an, dass die Abzugsfähigkeit des finnischen Konzernbeitrags von der Behandlung im anderen Mitgliedstaat abhängig gemacht werden könne. Dies geht auf die staatenübergreifende Betrachtungsweise im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung im Urt. v. 13.12.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837, Rz. 55 f. zurück. Vgl. Englisch, Intertax 2005, 310 (321); ders., Dividendenbesteuerung, 2005, S. 270 f.; ders., IStR 2006, 22 (22 f.); ders., IFSt-Schrift Nr. 449, 2008, S. 115; Cordewener/Kofler/van Thiel, CMLRev. 2009, 1951 (1988); Kofler, BIT 2011, 684 (685). Vgl. EuGH, Urt. v. 28.01.1986, 270/83 (avoir fiscal), Slg. 1986, 273, Rz. 21; Urt. v. 13.07.1993, C-330/91 (Commerzbank), Slg. 1993, I-4017, Rz. 19; Urt. v. 21.09.1999, C-307/97 (Saint Gobain), Slg. 1999, I-6161, Rz. 54; Urt. v. 26.10.1999, C-294/97 (Eurowings), Slg. 1999, I-7447, Rz. 44; Urt. v. 26.06.2003, C-422/01 (Skandia und Ramstedt), Slg. 2003, I-6817, Rz. 52; Urt. v. 08.11.2007, C-379/05 (Amurta), Slg. 2007, I-9569, Rz. 75 u. 78; Urt. v. 11.09.2008, C-43/07 (Arens-Sikken), Slg. 2008, I6887, Rz. 66; Urt. v. 22.04.2010, C-510/08 (Mattner), Slg. 2010, I-3553, Rz. 43; vgl. auch EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 23.11.2004, E-1/04 (Fokus Bank), IStR 2005, 55, Rz. 37. Vgl. diesbezüglich auch die Rechtsprechung des EuGH, dass ein Mitgliedstaat nicht verpflichtet ist, sein Steuerrecht mit demjenigen eines anderen Staates abzustimmen, vgl. Urt. v. 06.12.2007, C-298/05 (Columbus Container Services), Slg. 2007, I-10451, Rz. 51. Vgl. auch Urt. v. 28.02.2008, C-293/06 (Deutsche Shell), Slg. 2008, I-1129, Rz. 42 f.; Urt. v. 23.10.2008, C-157/07 (Krankenheim Ruhesitz am Wannsee), Slg. 2008, I-8061, Rz. 49 f.; Urt. v. 12.02.2009, C-67/08 (Block), Slg. 2009, I-883, Rz. 30; Urt. v. 15.04.2010, C-96/08 (CIBA), Slg. 2010, I-2911, Rz. 28; Urt. v. 29.11.2011, C371/10 (National Grid Indus), IStR 2012, 27, Rz. 62; Urt. v. 01.12.2011, C-253/09 (Kommission/Ungarn), n.n.v., Rz. 83.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
Staaten als vergleichbar anzusehen wäre und der andere Staat sein Steuerrecht jederzeit ändern kann, so dass die Vergleichbarkeit danach ggf. anders zu beurteilen wäre.136 Die Grundsätze zur Vergleichbarkeitsprüfung hat der EuGH primär anhand von Diskriminierungsfällen entwickelt. In den früheren Urteilen zum Beschränkungsverbot hat der EuGH auf die Prüfung der Vergleichbarkeit gänzlich verzichtet.137 Der EuGH lässt auch in aktuellen Urteilen noch häufig die Vergleichbarkeitsprüfung aus, wenn er speziell im Outbound-Fall trotz einer tatbestandlich vorliegenden Ungleichbehandlung von einer Beschränkung spricht.138 Dies führte in der Literatur zum häufig vertretenen freiheitsrechtlichen Verständnis des Beschränkungsverbots, weil Freiheitsrechte keine Vergleichbarkeitselemente enthalten.139 Es konnte aber bereits nachgewiesen werden, dass auch das Beschränkungsverbot eine gleichheitsrechtliche Struktur aufweist.140 Damit ist auch beim Beschränkungsverbot eine Vergleichbarkeitsprüfung durchzuführen, jedoch mit dem Unterschied, dass hier die Un-
136 Vgl. mit ähnlicher Argumentation zur Rechtsunsicherheit von Kompensationsmaßnahmen EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 23.11.2004, E-1/04 (Fokus Bank), IStR 2005, 55, Rz. 37; Lang, in: Gassner/Lang/Lechner, DBA und EU-Recht, 1996, S. 25 (37); ders., EC Tax Rev. 2008, 67 (72); Kokott, in: Lehner, Grundfreiheiten, 2000, 1 (6); Englisch, RIW 2005, 187 (193); ders., Intertax 2005, 310 (321); ders., Intertax 2010, 197 (208); Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 566 m.w.N.; Keuthen, Die Vermeidung der juristischen Doppelbesteuerung im EG-Binnenmarkt, 2009, S. 125 f. m.w.N. Kritisch zu diesem Argument: Kemmeren, FS Vanistendael, 2008, S. 555 (563). Die Rechtsunsicherheit wird reduziert, wenn der andere Staat abkommensrechtlich zu einer Kompensation einer Benachteiligung verpflichtet wird. Unter der Voraussetzung, dass diese Kompensation in jedem mit dem anderen Mitgliedstaat in Betracht kommenden Fall gewährt wird, nimmt der EuGH eine verbleibende Rechtsunsicherheit aber in Kauf, vgl. Urt. v. 19.11.2009, C-540/07 (Kommission/Italien), Slg. 2009, I-10983, Rz. 39; Urt. v. 03.06.2010, C-487/08 (Kommission/Spanien), Slg. 2010, I-4843, Rz. 64. Siehe dazu C.I.2.b)aa)(1)(ii)(c). 137 Vgl. EuGH, Urt. v. 15.05.1997, C-250/95 (Futura Participations), Slg. 1997, I-2471, Rz. 26 f. 138 Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I7995, Rz. 46 f.; Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 55 f. Vgl. sehr deutlich in einem Inbound-Fall das Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 58 f., in dem der EuGH die Vergleichbarkeit erst anprüft, dann aber zur vermeintlich leichteren Begründung auf das Beschränkungsverbot ausweicht, in der irrigen Annahme, dabei auf eine Vergleichbarkeitsprüfung verzichten zu können. Siehe zu einem weiteren Erklärungmuster C.I.1.b)cc)(1)(ii), dort auch mit Gegenbeispielen aus der Rechtsprechung. 139 Siehe bereits C.I.1.b)bb). 140 Siehe C.I.1.b)bb).
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Verrechnungspreisvorschriften
vergleichbarkeit des Vergleichspaares nachzuweisen ist. Dies wurde vom EuGH spätestens mit der Rs. Burda141 entschieden. In der Vergleichbarkeitsprüfung von Diskriminierungs- und Beschränkungsverboten haben sich in der Rechtsprechung des EuGH unterschiedliche Fallgruppen entwickelt, die sich an den möglichen unterschiedlichen Vergleichspaaren orientieren. Entsprechend dem oben142 entwickelten Schutzbereich der Grundfreiheiten betreffen die meisten Urteile einen vertikalen Vergleich zwischen einem grenzüberschreitenden und einem mitgliedstaatsinternen Wirtschaftsvorgang. Darüber hinaus hat der EuGH in einigen Fällen aber auch einen horizontalen Vergleich zwischen zwei grenzüberschreitenden Wirtschaftsvorgängen geprüft. (1)
Vertikale Vergleichspaare
Innerhalb der vertikalen Vergleichspaare wird in der Rechtsprechung des EuGH weiterhin zwischen Inbound- und Outbound-Konstellationen unterschieden: Während im Inbound-Fall ein Gebietsfremder, der eine Tätigkeit im Inland aufnimmt, mit einem Gebietsansässigen verglichen wird, werden im Outbound-Fall zwei Gebietsansässige gegenüber gestellt, von denen einer grenzüberschreitend tätig wird. (i)
Vergleichbarkeit im Inbound-Fall
In der Rs. Schumacker hat der EuGH entschieden, dass sich im Hinblick auf die direkten Steuern „Gebietsansässige und Gebietsfremde in der Regel nicht in einer vergleichbaren Situation“ befinden.143 Er begründete dies damit, dass 141 Vgl. EuGH-Urt. v. 26.06.2008, C-284/06 (Burda), Slg. 2008, I-4571, Rz. 81-95; vgl. auch Urt. v. 08.12.2011, C-157/10 (Banco Bilbao), IStR 2012, 152, Rz. 41 f. Die Vergleichbarkeit im Rahmen des Beschränkungsverbots zuvor zumindest andeutungsweise prüfend: Urt. v. 14.11.2006, C-513/04 (Kerckhaert u. Morres), Slg. 2006, I-10967, Rz. 19; Urt. v. 06.12.2007, C-298/05 (Columbus Container Services), Slg. 2007, I10451, Rz. 42. Vgl. auch den Bschl. v. 12.09.2002, C-431/01 (Mertens), Slg. 2002, I7073, Rz. 30 ff., in dem der EuGH zunächst richtigerweise die Unvergleichbarkeit anhand der normalen Kriterien prüft, dann aber in Rz. 33 fälschlicherweise von einer „Ungleichbehandlung“ spricht. Die Verwirrung des EuGH ist wohl durch das Urt. v. 14.12.2000, C-141/99 (AMID), Slg. 2000, I-11619, Rz. 28-30 geschuldet, auf das der EuGH verweist. Hier hatte der EuGH trotz einer unterschiedslos anwendbaren mitgliedstaatlichen Regelung das Diskriminierungsverbot geprüft, vgl. Cordewener/Kofler/van Thiel, Fundamental Freedoms and Direct Taxation, draft 2008, S. 43. 142 Siehe C.I.1.b). 143 EuGH, Urt. v. 14.02.1995, C-279/93 (Schumacker), Slg. 1995, I-225, Rz. 31; bestätigt u.a. im: Urt. v. 11.08.1995, C-80/94 (Wielockx), Slg. 1995, I-2493, Rz. 18; Urt. v. 27.06.1996, C-107/94 (Asscher), Slg. 1996, I-3089, Rz. 41; Urt. v. 14.09.1999, C391/97 (Gschwind), Slg. 1999, I-5451, Rz. 22; Urt. v. 12.06.2003, C-234/01 (Gerritse), Slg. 2003, I-5933, Rz. 43; Urt. v. 06.07.2006, C-346/04 (Conijn), Slg. 2006, I-6137, Rz. 16; Urt. v. 25.01.2007, C-329/05 (Meindl), Slg. 2007, I-1107, Rz. 23; Urt. v. 22.03.2007, C-383/05 (Talotta), Slg. 2007, I-2555, Rz. 19; Urt. v. 16.10.2008, C-527/06
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das Einkommen, das ein Gebietsfremder im Tätigkeitsstaat bezieht, im Gegensatz zu einem Gebietsansässigen zumeist nur einen Teil seines Gesamteinkommens darstellen würde. Etwas anderes gelte nur, wenn der Gebietsfremde ausnahmsweise nahezu seine gesamten Einkünfte im Tätigkeitsstaat erwirtschaftet.144 Würden diese Aussagen des Schumacker-Urteils uneingeschränkt gelten, liefe das Verbot der Diskriminierung des grenzüberschreitenden Sachverhalts im Inbound-Fall aufgrund der generellen Unvergleichbarkeit Gebietsansässiger und Gebietsfremder meist ins Leere.145 Gegenstand des Schumacker-Urteils war die Frage, ob Deutschland die persönliche und familiäre Lage – in diesem Fall das Ehegattensplitting sowie der Abzug von Sonderausgaben – einer natürlichen, beschränkt steuerpflichtigen Person in gleichem Maße wie bei unbeschränkt Steuerpflichtigen zu berücksichtigen hat.146 Der EuGH begründete die Unvergleichbarkeit der beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtigen dann damit, dass die persönliche und familiäre Lage des Steuerpflichtigen am leichtesten im Wohnsitzstaat berücksichtigt werden könnte.147 Insofern war bereits hier zu erkennen, dass der Grundsatz der Unvergleichbarkeit nur bezüglich der Berücksichtigung des subjektiven Nettoprinzips gelten würde,148 etwa bezüglich des steuerlichen Grundfreibetrags149, des Ehegatten-Splittings150 oder der Abzugsfähigkeit von
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(Renneberg), Slg. 2008, I-7735, Rz. 59; Urt. v. 22.12.2008, C-282/07 (Truck Center), Slg. 2008, I-10767, Rz. 38; Urt. v. 06.10.2009, C-562/07 (Kommission/Spanien), Slg. 2009, I-9553, Rz. 46; Urt. v. 17.11.2009, C-169/08 (Regione Sardegna), Slg. 2009, I10821, Rz. 34; Urt. v. 18.03.2010, C-440/08 (Gielen), Slg. 2010, I-2323, Rz. 43; Urt. v. 31.03.2011, C-450/09 (Schröder), IStR 2011, 301, Rz. 37; Urt. v. 01.12.2011, C-250/08 (Kommission/Belgien), IStR 2012, 67, Rz. 55; Urt. v. 01.12.2011, C-253/09 (Kommission/Ungarn), n.n.v., Rz. 55. Vgl. EuGH, Urt. v. 14.02.1995, C-279/93 (Schumacker), Slg. 1995, I-225, Rz. 36; bestätigt u.a. im: Urt. v. 11.08.1995, C-80/94 (Wielockx), Slg. 1995, I-2493, Rz. 20; Urt. v. 01.07.2004, C-169/03 (Wallentin), Slg. 2004, I-6443, Rz. 17; Urt. v. 05.07.2005, C-376/03 („D”), Slg. 2005, I-5821, Rz. 29; Urt. v. 18.07.2007, C-182/06 (Lakebrink), Slg. 2007, I-6705, Rz. 30; Urt. v. 16.10.2008, C-527/06 (Renneberg), Slg. 2008, I-7735, Rz. 61. Vgl. Lang, Die Rechtsprechung des EuGH, 2007, S. 99; Schnitger, Grenzen, 2006, S. 187. Vgl. EuGH, Urt. v. 14.02.1995, C-279/93 (Schumacker), Slg. 1995, I-225, Rz. 12, 14, 19. Vgl. EuGH, Urt. v. 14.02.1995, C-279/93 (Schumacker), Slg. 1995, I-225, Rz. 32. Vgl. Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 890 ff.; ders., DStR 2004, 6 (8); Seer, IWB 2003, Fach 11 Gruppe 2, 573 (588); ders., in: Gassner u.a., Die beschränkte Steuerpflicht, 2004, S. 37 (58); Englisch, StuW 2003, 88 (92); ders., Dividendenbesteuerung, 2005, S. 265; Hey, StuW 2004, 193 (195); Schön, IStR 2004, 289 (292); Schnitger, Grenzen, 2006, S. 188; Lang, in: Wagner/Wedl, Bilanz und Perspektiven zum europäischen Recht, 2007, S. 113 (118); Beiser/Kühbacher, in: Roth/Hilpold, Der EuGH und die Souveränität der Mitgliedstaaten, 2008, S. 103 (186). Vgl. EuGH, Urt. v. 12.06.2003, C-234/01 (Gerritse), Slg. 2003, I-5933, Rz. 48.
Verrechnungspreisvorschriften
Unterhaltszahlungen151. Dies bestätigte sich in der späteren Rechtsprechung: Der EuGH hielt zwar an der generellen Unvergleichbarkeit fest, führte für Bereiche außerhalb des subjektiven Nettoprinzips jedoch umfangreiche Ausnahmen von diesem Grundsatz ein – etwa hinsichtlich Verfahrensrechten152, des Steuertarifs153 und der steuerlichen Bemessungsgrundlage154.155 Im Wider150 Vgl. EuGH, Urt. v. 14.02.1995, C-279/93 (Schumacker), Slg. 1995, I-225; Urt. v. 14.09.1999, C-391/97 (Gschwind), Slg. 1999, I-5451. 151 Vgl. EuGH, Urt. v. 12.12.2002, C-385/00 (de Groot), Slg. 2002, I-11819, Rz. 21 ff. 152 Vgl. EuGH, Urt. v. 08.05.1990, C-175/88 (Biehl), Slg. 1990, I-1779. 153 Vgl. EuGH, Urt. v. 27.06.1996, C-107/94 (Asscher), Slg. 1996, I-3089, Rz. 47 f.; Urt. v. 12.06.2003, C-234/01 (Gerritse), Slg. 2003, I-5933, Rz. 52 f. 154 Vgl. EuGH, Urt. v. 29.04.1999, C-311/97 (Royal Bank of Scotland), Slg. 1999, I-2651, Rz. 28 f.; Urt. v. 19.01.2006, C-265/04 (Bouanich), Slg. 2006, I-923, Rz. 39-41; Urt. v. 22.03.2007, C-383/05 (Talotta), Slg. 2007, I-2555, Rz. 18 ff.; vgl. auch: Schön, GS Knobbe-Keuk, 1997, S. 743 (761); ders., IStR 2004, 289 (292); Benecke/Schnitger, IStR 2003, 649 (654); Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 265; Cordewener/Kofler/van Thiel, Fundamental Freedoms and Direct Taxation, draft 2008, S. 34. 155 Vgl. zuletzt deutlich EuGH, Urt. v. 31.03.2011, C-450/09 (Schröder), IStR 2011, 301, Rz. 38, 40: „Versagt ein Mitgliedstaat Gebietsfremden bestimmte Steuervergünstigungen, die er Gebietsansässigen gewährt, ist dies in Anbetracht der objektiven Unterschiede zwischen der Situation der Gebietsansässigen und derjenigen der Gebietsfremden sowohl hinsichtlich der Einkunftsquelle als auch hinsichtlich der persönlichen Steuerkraft sowie der persönlichen Lage und des Familienstands im Allgemeinen nicht diskriminierend… [subjektives Nettoprinzip]. Der Gerichtshof hat jedoch die Auffassung vertreten, dass sich Gebietsansässige und Gebietsfremde in Bezug auf Aufwendungen, wie Betriebsausgaben, die unmittelbar mit der Tätigkeit zusammenhängen, aus der die in einem Mitgliedstaat zu versteuernden Einkünfte erzielt wurden, in einer vergleichbaren Lage befinden [objektives Nettoprinzip]“. Auch wenn der EuGH hinsichtlich der Berücksichtigung des subjektiven Nettoprinzips an der Schumacker-Doktrin festhält, ist diese insgesamt abzulehnen. Denn es entspricht nicht dem Binnenmarktprinzip, wenn die persönliche Lage eines unbeschränkt Steuerpflichtigen, der z.B. die Hälfte seiner Einkünfte im Wohnsitzstaat erzielt, in voller Höhe angerechnet wird, während die persönliche Lage eines beschränkt Steuerpflichtigen, der ebenfalls die Hälfte seiner Einkünfte in diesem Staat erwirtschaftet, überhaupt keine Berücksichtigung findet; vgl. auch Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 66. Das Schumacker-System führt zudem zu einer nur unzureichenden Berücksichtigung der persönlichen Lage eines Steuerpflichtigen, der in keinem Staat überwiegende Einkünfte erzielt, vgl. Lang, RIW 2005, 336 (337); Cordewener/Kofler/van Thiel, Fundamental Freedoms and Direct Taxation, draft 2008, S. 35. Zudem verstößt das Konzept des sog. virtual resident – die Befreiung des Wohnsitzstaates von seiner Pflicht, die persönliche Lage eines beschränkt Steuerpflichtigen zu berücksichtigen, der den überwiegenden Teil seiner Einkünfte im Tätigkeitsstaat erzielt – gegen den Grundsatz, dass sich das Diskriminierungsverbot immer nur gegen einen Mitgliedstaat richtet, siehe bereits C.I.1.b)cc). Der EuGH nimmt mit diesem Konzept eine insgesamt abzulehnende „Zusammenschau des Rechts zweier Mitgliedstaaten“ (so: Schön, IStR 1995, 119 [121]) vor. Vgl. zur Kritik an der Schumacker-Rechtsprechung auch Lang, in: Gassner/Lang/Lechner, DBA und EU-Recht, 1996, S. 25 (37); ders., RIW 2005, 336 ff.; ders., EC Tax Rev. 2009, 98 (101 ff.) m.w.N.; Schnitger, FR 2002, 478 ff.; Schuch, in: Cordewener/Enchelmaier/
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spruch dazu hat der EuGH zuletzt in den Rs. Lakebrink156 und Renneberg157 die Berücksichtigung ausländischer Verluste im Quellenstaat allerdings in die Schumacker-Rechtsprechung mit einbezogen.158 Bezüglich der Berücksichtigung der persönlichen und familiären Verhältnisse liegt es auf der Hand, dass die Schumacker-Doktrin nicht von natürlichen auf juristische Personen übertragen werden kann,159 weil letztere keine persönlichen und familiären Verhältnisse160 aufweisen.161 Vielmehr spricht für deren Vergleichbarkeit, dass die Mitgliedstaaten die Körperschaftsteuer gewöhnlich unterschiedslos für gebietsfremde und ansässige Gesellschaften ausgestalten.162 Wie der EuGH in der Rs. Royal Bank of Scotland163 zu Recht feststellte,
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Schindler, Meistbegünstigung, 2006, S. 151 (154 f.); Cordewener/Kofler/van Thiel, Fundamental Freedoms and Direct Taxation, draft 2008, S. 35 f. m.w.N. EuGH, Urt. v. 18.07.2007, C-182/06 (Lakebrink), Slg. 2007, I-6705, Rz. 32-35. EuGH, Urt. v. 16.10.2008, C-527/06 (Renneberg), Slg. 2008, I-7735, Rz. 59 ff. Zu Recht kritisch: Kemmeren, EC Tax Rev. 2009, 4 (14 f.); Vording, BTR 2009, 67 (71 ff.); Cordewener, IWB 2009, Fach 11 Gruppe 2, 983 (991 ff.); Lang, EC Tax Rev. 2009, 98 (103 f.); ferner: Englisch, IFSt-Schrift Nr. 449, 2008, S. 39 u. 42 ff. Beide Urteile betrafen den Fall eines Steuerpflichtigen, der seine gesamten Einkünfte im Quellenstaat bezog, aber Verluste aus Vermietungen im Ansässigkeitsstaat hatte. Während es in Lakebrink um die Verlustberücksichtigung im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts ging, strebte Herr Renneberg die Verlustberücksichtigung im Rahmen der steuerlichen Bemessungsgrundlage an. Wie die Schumacker-Doktrin (siehe dazu sogleich) kann auch die Rechtsprechung in den Rs. Lakebrink und Renneberg jedenfalls nicht auf juristische Personen übertragen werden. Denn dies stünde im deutlichen Widerspruch zum EuGH-Urt. v. 15.05.1997, C-250/95 (Futura Participations), Slg. 1997, I-2471, Rz. 20-22, in dem die Berücksichtigung ausländischer Verluste im Quellenstaat bei juristischen Personen unter Verweis auf das Territorialitätsprinzip gerade abgelehnt worden war, vgl. auch Kemmeren, EC Tax Rev. 2009, 4 (7, 10); Cordewener, IWB 2009, Fach 11 Gruppe 2, 983 (993); ferner: Englisch, IFSt-Schrift Nr. 449, 2008, S. 42 f. mit Fn. 131. Vgl. auch EuGH, Urt. v. 28.01.1986, 270/83 (avoir fiscal), Slg. 1986, 273, Rz. 19 f.; Urt. v. 29.04.1999, C-311/97 (Royal Bank of Scotland), Slg. 1999, I-2651, Rz. 29; Urt. v. 21.09.1999, C-307/97 (Saint Gobain), Slg. 1999, I-6161, Rz. 48; Urt. v. 26.06.2008, C-284/06 (Burda), Slg. 2008, I-4571, Rz. 95; Urt. v. 22.12.2008, C-282/07 (Truck Center), Slg. 2008, I-10767, Rz. 38, 40. Vgl. auch BFH, Urt. v. 04.12.1996, I R 54/95, BFHE 182, 123 (127); Urt. v. 22.08.2007, I R 32/06, BStBl. II 2007, 961 (936 f.). Vgl. GA Alber, SchlA v. 19.11.1998, C-311/97 (Royal Bank of Scotland), Slg. 1999, I2651, Rz. 44; GA Léger, SchlA v. 14.04.2005, C-253/03 (CLT-Ufa), Slg. 2006, I-1831, Rz. 67; Seer, IWB 2003, Fach 11 Gruppe 2, 573 (579 u. 588); ders., in: Gassner u.a., Die beschränkte Steuerpflicht, 2004, S. 37 (58); Benecke/Schnitger, IStR 2003, 649 (654); Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 263; Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 84. Vgl. EuGH, Urt. v. 29.04.1999, C-311/97 (Royal Bank of Scotland), Slg. 1999, I-2651, Rz. 28 f.; Urt. v. 28.01.1986, 270/83 (avoir fiscal), Slg. 1986, 273, Rz. 19 f.; Urt. v. 21.09.1999, C-307/97 (Saint Gobain), Slg. 1999, I-6161, Rz. 47 f.; Urt. v. 08.03.2001,
Verrechnungspreisvorschriften
ist bei Kapitalgesellschaften insofern eine Vergleichbarkeitsprüfung anhand der normalen Kriterien vorzunehmen.164 Der Nicht-Anwendbarkeit der Schumacker-Doktrin auf Kapitalgesellschaften steht auch nicht die Rs. Truck Center165 entgegen. In dieser entschied der EuGH, dass die Quellenbesteuerung von Zinsen, die eine Tochtergesellschaft an ihre gebietsfremde Muttergesellschaft zahlte, aufgrund der Unvergleichbarkeit gebietsfremder und -ansässiger Empfängergesellschaften als europarechtskonform anzusehen ist. In der Vergleichbarkeitsprüfung ging der EuGH zwar von der Schumacker-Doktrin aus166 und lehnte die Vergleichbarkeit aufgrund der unterschiedlichen Möglichkeiten der Steuererhebung ab167 – und damit aufgrund eines grundlegenden Unterschieds zwischen Gebietsfremden und Gebietsansässigen. Diese Begründung ist aber das Ergebnis einer normalen Vergleichbarkeitsprüfung, losgelöst von der unterschiedlichen territorialen Einkünfteverteilung von Gebietsfremden und Gebietsansässigen, von der der EuGH in der Rs. Schumacker168 ausging. Die Begründung ist gleichwohl abzulehnen, weil Hindernisse im Rahmen der Steuererhebung und steuerlichen Kontrolle nach ständiger Rechtsprechung169 erst im Rahmen der Rechtfertigungsprüfung zu berücksichtigen sind.170
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C-397/98 u.a. (Metallgesellschaft u.a.), Slg. 2001, I-1727, Rz. 53; Urt. v. 23.02.2006, C-253/03 (CLT-Ufa), Slg. 2006, I-1831, Rz. 29. EuGH, Urt. v. 29.04.1999, C-311/97 (Royal Bank of Scotland), Slg. 1999, I-2651, Rz. 28 f. unter Verweis auf das Urt. v. 27.06.1996, C-107/94 (Asscher), Slg. 1996, I3089, Rz. 42, das diese Schlussfolgerung auch für natürliche Personen nahe legt. Vgl. auch Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 675; Hey, FS Djanani, 2008, S. 109 (114). A.A. ist Geeb, Gesellschafter-Fremdfinanzierung, 2007, Download unter: http://d-nb.info/989683397/34, der aufgrund der fehlenden Übertragbarkeit der Schumacker-Doktrin auf juristische Personen fälschlicherweise von einer generellen Vergleichbarkeit beschränkt und unbeschränkt steuerpflichtiger juristischer Personen ausgeht; so wohl auch München, Zinsschranke, 2010, S. 96. EuGH, Urt. v. 22.12.2008, C-282/07 (Truck Center), Slg. 2008, I-10767. Vgl. EuGH, Urt. v. 22.12.2008, C-282/07 (Truck Center), Slg. 2008, I-10767, Rz. 38 f. Auf diese Weise stieg der EuGH auch in anderen Fällen, die juristische Personen betrafen, in die Vergleichbarkeitsprüfung ein, vgl. nur: Urt. v. 29.04.1999, C-311/97 (Royal Bank of Scotland), Slg. 1999, I-2651, Rz. 27; Urt. v. 21.09.1999, C-307/97 (Saint Gobain), Slg. 1999, I-6161, Rz. 45 f. EuGH, Urt. v. 22.12.2008, C-282/07 (Truck Center), Slg. 2008, I-10767, Rz. 41-48. EuGH, Urt. v. 14.02.1995, C-279/93 (Schumacker), Slg. 1995, I-225, Rz. 32 f. Vgl. EuGH, Urt. v. 20.02.1979, 120/78 (Cassis de Dijon), Slg. 1979, 649, Rz. 8; Urt. v. 15.05.1997, C-250/95 (Futura Participations), Slg. 1997, I-2471, Rz. 31; Urt. v. 08.07.1999, C-254/97 (Baxter), Slg. 1999, I-4809, Rz. 18; Urt. v. 10.03.2005, C-39/04 (Laboratoires Fournier), Slg. 2005, I-2057, Rz. 24; Urt. v. 29.03.2007, C-347/04 (Rewe Zentralfinanz), Slg. 2007, I-2647, Rz. 54 ff.; Urt. v. 27.01.2009, C-318/07 (Persche), Slg. 2009, I-359, Rz. 52. Vgl. insofern das EuGH-Urt. v. 03.10.2006, C-290/04 (Scorpio), Slg. 2006, I-9461, Rz. 33 ff., dazu: Englisch, H&I 2/2009, 48 (49); allgemein: Lang, EC Tax Rev. 2009,
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
(ii)
Vergleichbarkeit im Outbound-Fall
Werden in einem Outbound-Fall zwei Gebietsansässige verglichen, von denen einer grenzüberschreitend tätig wird, geht es in den meisten Fällen um die Vergleichbarkeit von inländischen und ausländischen Einkünften. Diese wird vom EuGH gewöhnlich stillschweigend angenommen, indem er von der Diskriminierungsprüfung unmittelbar zur Rechtfertigung übergeht.171 Denn die Mitgliedstaaten stellen durch die Besteuerung von unbeschränkt Steuerpflichtigen nach dem Welteinkommensprinzip die Vergleichbarkeit der inländischen und ausländischen Einkünfte selbst her.172 Eine mögliche Abweichung von dieser Auslegung hat der EuGH zwar in der Rs. Manninen173 angedeutet, in der späteren Rechtsprechung aber nicht mehr aufgegriffen.174 98 (100). Vgl. auch GA Kokott, SchlA v. 18.09.2008, C-282/07 (Truck Center), Slg. 2008, I-10767, Rz. 38 ff., die ebenfalls eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vornimmt, diese jedoch innerhalb der Vergleichbarkeitsprüfung verortet, siehe hierzu C.I.1.b)cc)(3) sowie Fn. 127. Ohnehin hätte der EuGH die Vergleichbarkeit gar nicht prüfen müssen, weil es im Truck-Center-Urteil bereits an einer Schlechterstellung des grenzüberschreitenden Sachverhalts aufgrund der Quellenbesteuerung fehlt, was der EuGH aber nur hilfsweise feststellt, vgl. Urt. v. 22.12.2008, C-282/07 (Truck Center), Slg. 2008, I-10767, Rz. 49. 171 Vgl. EuGH, Urt. v. 16.07.1998, C-264/96 (ICI), Slg. 1998, I-4695, Rz. 25 f.; Urt. v. 18.11.1999, C-200/98 (X-AB, Y-AB), Slg. 1999, I-8261, Rz. 28 f.; Urt. v. 13.04.2000, C-251/98 (Baars), Slg. 2000, I-2787, Rz. 31 f.; Urt. v. 06.06.2000, C-35/98 (Verkooijen), Slg. 2000, I-4071, Rz. 36 f.; Urt. v. 21.11.2002, C-436/00 (X und Y), Slg. 2002, I10829, Rz. 36 ff.; Urt. v. 11.03.2004, C-9/02 (de Lasteyrie), Slg. 2004, I-2409, Rz. 46 ff.; Urt. v. 21.02.2006, C-152/03 (Ritter-Coulais), Slg. 2006, I-1711, Rz. 37 f.; Urt. v. 07.09.2006, C-470/04 („N“), Slg. 2006, I-7409, Rz. 39 f.; Urt. v. 14.02.2008, C-414/06 (Lidl Belgium), Slg. 2008, I-3601, Rz. 26 f.; Urt. v. 02.10.2008, C-360/06 (Bauer Verlag), Slg. 2008, I-7333, Rz. 33 f.; Urt. v. 23.10.2008, C-157/07 (Krankenheim Ruhesitz am Wannsee), Slg. 2008, I-8061, Rz. 39 f.; Urt. v. 04.12.2008, C-330/07 (Jobra), Slg. 2008, I-9099, Rz. 25 f.; Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 44 f., 55 f. Auf diese Weise verfuhr der EuGH teilweise selbst dann, wenn die Mitgliedstaaten die Vergleichbarkeit in Frage gestellt hatten, vgl. EuGH, Urt. v. 16.07.1998, C264/96 (ICI), Slg. 1998, I-4695, Rz. 25; Urt. v. 04.12.2008, C-330/07 (Jobra), Slg. 2008, I-9099, Rz. 20. 172 Vgl. EuGH, Urt. v. 14.12.2000, C-141/99 (AMID), Slg. 2000, I-11619, Rz. 29; GA Geelhoed, SchlA v. 23.02.2006, C-374/04 (ACT), Slg. 2006, I-11673, Rz. 58; Cordewener, DStR 2004, 6 (8); Schön, IStR 2004, 289 (292); Kellersmann/Treisch, Europäische Unternehmensbesteuerung, 2002, S. 158; Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 268; Schnitger, Grenzen, 2006, S. 205. Vgl. ferner EuGH, Urt. v. 01.07.2010, C233/09 (Dijkman), Slg. 2010, I-6645, Rz. 45. 173 EuGH, Urt. v. 07.09.2004, C-319/02 (Manninen), Slg. 2004, I-7477, Rz. 34 f.: Die Vergleichbarkeit von Inlands- und Auslandsdividenden wäre danach insbesondere dann nicht gegeben, „wenn die Steuerregelung des Mitgliedstaats, in dem Kapital angelegt wird, bereits die Gefahr einer Doppelbesteuerung der in Form von Dividenden ausgeschütteten Gewinne von Gesellschaften dadurch verhindert, dass sie beispielsweise nur die vom betreffenden Unternehmen nicht ausgeschütteten Gewinne der Körperschafts-
152
Verrechnungspreisvorschriften
Im Outbound-Fall sind jedoch nicht alle Beeinträchtigungen auf eine Ungleichbehandlung von in- und ausländischen Einkünften zurückzuführen: Wird die Auslandstätigkeit eines Konzerns von einer gebietsfremden Tochtergesellschaft übernommen, werden die im In- und Ausland erzielten Einkünfte auf unterschiedliche juristische Personen verteilt. Diese erwirtschaften in ihren Ansässigkeitsstaaten jeweils inländische Einkünfte. Wird ein ansässiges Unternehmen bei einer Transaktion mit dem gebietsfremden verbundenen Unternehmen steuerlich benachteiligt, lässt sich diese Ungleichbehandlung daher nicht auf eine Unterscheidung zwischen in- und ausländischen Einkünften zurückführen. In diesen Fällen ist eine Vergleichbarkeitsprüfung anhand der normalen Kriterien vorzunehmen. Dies betrifft insbesondere die Fallgruppe grenzüberschreitender Lieferungs- und Leistungsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen. Daher kann es nicht überzeugen, dass der EuGH in der Rs. SGI175, die zu einer belgischen Verrechnungspreisvorschrift erging, auf die Vergleichbarkeitsprüfung verzichtete.176 teuer unterwirft. Dies ist jedoch im vorliegenden Fall nicht gegeben.“ Siehe dazu bereits C.I.1.b)cc) mit Fn. 123. Im zuvor entschiedenen Urt. v. 15.07.2004, C-315/02 (Lenz), Slg. 2004, I-7063, Rz. 30-33, dem ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde lag, hat der EuGH die Vergleichbarkeit zwar geprüft, aber die Möglichkeit der Unvergleichbarkeit nicht angesprochen. In beiden Urteilen wird die Vergleichbarkeit im jeweiligen Sachverhalt aber bejaht. 174 Dies gilt selbst für das Urt. v. 06.03.2007, C-292/04 (Meilicke u.a.), Slg. 2007, I-1835, Rz. 24 f., dem ein vergleichbarer Sachverhalt wie der Rs. Manninen zugrunde lag. Eine Vergleichbarkeitsprüfung nahm der EuGH jedoch in der Rs. Jäger vor, obwohl es dort um einen Vergleich von inländischem und ausländischem Vermögen im Rahmen der Vermögensteuer ging, vgl. Urt. v. 17.01.2008, C-256/06 (Jäger), Slg. 2008, I-123, Rz. 42 ff. Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass sich das Urteil im Aufbau stark an der Rs. Manninen orientiert, vgl. insbesondere die Rz. 25 ff. bei Manninen bzw. Rz. 36 ff. bei Jäger. In einer späteren Entscheidung zur deutschen Vermögensteuer, die mit der Rs. Jäger vergleichbar ist, hat der EuGH konsequenter Weise dann wieder auf die Prüfung der Vergleichbarkeit verzichtet, vgl. Urt. v. 02.10.2008, C-360/06 (Bauer Verlag), Slg. 2008, I-7333, Rz. 33 f. In der Rs. Dijkman prüfte der EuGH die Vergleichbarkeit nur, weil sie vom Kläger mit Verweis auf die Rs. Truck Center [siehe oben unter (i)] und unterschiedliche Steuererhebung bestritten wurde. Der EuGH nimmt die Vergleichbarkeit aber unproblematisch an, vgl. Urt. v. 01.07.2010, C-233/09 (Dijkman), Slg. 2010, I-6645, Rz. 45. 175 EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 44 f., 55 f. Dem Fall liegen zwei Lieferungs- und Leistungsbeziehungen zugrunde: Einerseits ein Inbound Fall, bei einer Verwaltungsratsvergütung der ansässigen Tochtergesellschaft (SGI SA) an die gebietsfremde Mutter (Cobelpin SA). Andererseits ein Outbound-Fall, eine Zinszahlung der gebietsfremden Enkelgesellschaft (Recydem SA) an die SGI SA. Der EuGH verzichtete sogar für beide Fälle auf eine Vergleichbarkeitsprüfung, wohl auch in der irrigen Annahme eines freiheitsrechtlichen Beschränkungsverbotes, siehe C.I.1.b)cc). 176 Die weiteren Urteile zu Lieferungs- und Leistungsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen betreffen allesamt Unterkapitalisierungsvorschriften. Der EuGH verglich
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
Eine andere Fallgruppe betrifft die grenzüberschreitende Gewinn- und Verlustverrechnung im Konzern: In den Rs. Marks & Spencer177, Oy AA178 und X Holding179 ging es um Verluste bzw. Gewinne der gebietsfremden Tochtergesellschaft, die nach den jeweiligen nationalen Regelungen nur im grenzüberschreitenden Sachverhalt nicht mit den Einkünften der ansässigen Muttergesellschaft verrechnet werden durften. In diesen Urteilen nahm der EuGH daher zutreffend eine Vergleichbarkeitsprüfung vor.180 Von diesen Fallgruppen sind jedoch Konzernsachverhalte zu unterscheiden, in denen eine ansässige Gesellschaft benachteiligt wird, weil sie selbst in einem anderen Mitgliedstaat über eine Betriebsstätte ausländische Einkünfte erzielt. In diesen Fällen verzichtet der EuGH stringenter Weise auf eine Prüfung der Vergleichbarkeit.181 Der EuGH hat die Vergleichbarkeit auch in Outbound-Fällen geprüft, in denen es um die Abzugsfähigkeit von inländischen Verlusten182 und von Beteiligungsaufwand183 ging, der bei einer ansässigen Gesellschaft für Beteiligungen an gebietsfremden Tochtergesellschaften anfällt. Die Benachteiligungen lassen sich hier ebenfalls nicht auf die Unterscheidung zwischen inländischen und
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hier jeweils in einem Inbound-Fall eine ansässige mit einer gebietsfremden Muttergesellschaft, die jeweils Tochtergesellschaften im Inland haben, vgl. Urt. v. 12.12.2002, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-11779, Rz. 27, 29; Urt. v. 13.03.2007, C524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 45; Urt. v. 17.01.2008, C-105/07 (Lammers & Van Cleef), Slg. 2008, I-173, Rz. 20-22. EuGH, Urt. v. 13.12.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837. EuGH, Urt. v. 18.07.2007, C-231/05 (Oy AA), Slg. 2007, I-6373. EuGH, Urt. v. 25.02.2010, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I-1215. Vgl. EuGH, Urt. v. 13.12.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837, Rz. 36 ff.; Urt. v. 18.07.2007, C-231/05 (Oy AA), Slg. 2007, I-6373, Rz. 38; Urt. v. 25.02.2010, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I-1215, Rz. 20 ff. Der EuGH geht insofern von der Diskriminierungsprüfung direkt zur Rechtfertigung über, vgl. EuGH, Urt. v. 14.02.2008, C-414/06 (Lidl Belgium), Slg. 2008, I-3601, Rz. 26 f.; Urt. v. 28.02.2008, C-293/06 (Deutsche Shell), Slg. 2008, I-1129, Rz. 32 f.; Urt. v. 23.10.2008, C-157/07 (Krankenheim Ruhesitz am Wannsee), Slg. 2008, I-8061, Rz. 39 f. Vgl. EuGH, Urt. v. 29.03.2007, C-347/04 (Rewe Zentralfinanz), Slg. 2007, I-2647, Rz. 34 und Urt. v. 22.01.2009, C-377/07 (STEKO), Slg. 2009, I-299, Rz. 34 [keine Abzugsfähigkeit inländischer Verluste aus Teilwertabschreibungen auf ausländische Beteiligungen]; Urt. v. 27.11.2008, C-418/07 (Papillon), Slg. 2008, I-8947, Rz. 23-30 [Versagung der Verlustverrechnung zwischen einer ansässigen Mutter- und einer ansässigen Enkelgesellschaft aufgrund der Ausschüttung über eine gebietsfremde Zwischengesellschaft]; vgl. auch EuGH, Urt. v. 14.12.2000, C-141/99 (AMID), Slg. 2000, I-11619; Bschl. v. 12.09.2002, C-431/01 (Mertens), Slg. 2002, I-7073 [Versagung des inländischen interperiodische Verlustausgleichs aufgrund eines mittelbaren grenzüberschreitenden Elements]. Vgl. EuGH, Urt. v. 18.09.2003, C-168/01 (Bosal), Slg. 2003, I-9409, Rz. 39; Urt. v. 23.02.2006, C-471/04 (Keller Holding), Slg. 2006, I-2107, Rz. 37.
Verrechnungspreisvorschriften
ausländischen (negativen) Einkünften zurückführen. Der EuGH hat in diesen Fällen daher auch die Vergleichbarkeit geprüft, aber stets bejaht. (2)
Horizontale Vergleichspaare
Neben vertikalen Vergleichen eines grenzüberschreitenden gegenüber einem rein mitgliedstaatsinternen Sachverhalt sind auch Benachteiligungen bestimmter grenzüberschreitender Sachverhalte gegenüber anderen grenzüberschreitenden Sachverhalten denkbar. In der Rechtsprechung und Literatur werden verschiedene Vergleichspaare kontrovers diskutiert. Auf die wichtigsten Fallgruppen wird im Folgenden näher eingegangen: (i)
Rechtsformwahlfreiheit
Die erste Fallgruppe betrifft die Frage, ob ein Mitgliedstaat grenzüberschreitende Niederlassungen in den Formen der Betriebsstätte und der Tochtergesellschaft steuerlich gleich behandeln muss. In der Rs. avoir fiscal184 nahm der EuGH zwar einen vertikalen Vergleich vor,185 führte aber in einem obiter dictum aus, dass „Artikel 52 [jetzt: Art. 49 AEUV] Absatz 1 Satz 2 den Wirtschaftsteilnehmern ausdrücklich die Möglichkeit lässt, die geeignete Rechtsform für die Ausübung ihrer Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat frei zu wählen“.186 Dies wurde im Schrifttum187 teilweise als ein an die Mitgliedstaaten gerichtetes Gebot verstanden, Betriebsstätten und Tochtergesellschaften gleich zu behandeln. Diesen Ansatz griff der EuGH erst mehr als 13 Jahre später in der Rs. Saint Gobain188 wieder auf. In dieser stellte er eine Benachteiligung der Betriebsstätte eines gebietsfremden Stammhauses sowohl gegenüber einer ansässigen Gesellschaft mit ansässiger Zweigniederlassung (vertikaler Vergleich), als auch gegenüber einer gebietsfremden Muttergesellschaft
184 EuGH, Urt. v. 28.01.1986, 270/83 (avoir fiscal), Slg. 1986, 273. 185 Vgl. EuGH, Urt. v. 28.01.1986, 270/83 (avoir fiscal), Slg. 1986, 273, Rz. 10 u. 16. 186 Vgl. EuGH, Urt. v. 28.01.1986, 270/83 (avoir fiscal), Slg. 1986, 273, Rz. 22. Gleichzeitig relativierte der EuGH seine Aussage, indem er vorab in Rz. 10 feststellte: „Die Klage bezieht sich […] nicht allgemein auf jede unterschiedliche Behandlung von Gesellschaften als unabhängigen juristischen Körperschaften einerseits und Zweigniederlassungen und Agenturen ohne eigene Rechtspersönlichkeit andererseits.“ Vgl. dazu auch Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 403. 187 Vgl. etwa Herzig, GS Knobbe-Keuk, 1997, S. 627 (633); Herzig/Dautzenberg, DB 1997, 8 (13); Dautzenberg, Unternehmensbesteuerung im EG-Binnenmarkt, 1997, S. 60 f., 90 u. 715. 188 EuGH, Urt. v. 21.09.1999, C-307/97 (Saint Gobain), Slg. 1999, I-6161, Rz. 42: „Wenn danach die im Ausgangsverfahren streitigen Steuervergünstigungen den in Deutschland gelegenen Betriebsstätten ausländischer Gesellschaften versagt werden, sind für letztere Schachtelbeteiligungen über deutsche Betriebsstätten weniger attraktiv, […] wodurch die freie Wahl der für die Ausübung einer Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat geeigneten Rechtsform, die Artikel 52 Absatz 1 Satz 2 EG-Vertrag [jetzt Art. 49 AEUV] den Wirtschaftsteilnehmern ausdrücklich einräumt, eingeschränkt wird.“
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
mit ansässiger Tochtergesellschaft (horizontaler Vergleich) fest.189 Damit ging der EuGH zwar über die Rs. avoir fiscal190 hinaus, in beiden Urteilen ging die potentielle horizontale Diskriminierung jedoch in der vertikalen mit auf.191 Weitere sieben Jahre später stützte der EuGH seine Forderung nach Rechtsformneutralität in der Rs. CLT-Ufa192 jedoch erstmals allein auf einen horizontalen Vergleich: Der höhere Steuersatz für Betriebsstätten gebietsfremder Unternehmen stellte eine Diskriminierung gegenüber dem Steuersatz für ansässige Tochtergesellschaften gebietsfremder Muttergesellschaften dar.193 Jedoch wäre auch dieser Fall anhand eines vertikalen Vergleichs zu lösen gewesen, weil der niedrigere Körperschaftsteuersatz auch für ansässige Muttergesellschaften mit ansässigen Zweigniederlassungen galt.194 Der horizontale Vergleich war insofern überflüssig. Dies ist charakteristisch für den InboundFall, den alle drei genannten Urteile betrafen:195 Hier hätte das Gebot der Rechtsformneutralität nur einen eigenständigen Anwendungsbereich, wenn eine Niederlassungsform eines Gebietsfremden, Betriebsstätte oder Tochtergesellschaft, besser behandelt wird, als die jeweils andere und besser als die vergleichbare Niederlassung eines Ansässigen. An der damit zugleich einhergehenden umgekehrten Diskriminierung hat ein Mitgliedstaat in aller Regel aber kein Interesse.196 Der EuGH hielt in der jüngeren Rechtsprechung zwar am Gebot der Rechtsformneutralität im Inbound-Fall fest, lehnte es im Outbound-Fall, wo ihm allein eine praktische Bedeutung zukommen könnte,197
189 Vgl. EuGH, Urt. v. 21.09.1999, C-307/97 (Saint Gobain), Slg. 1999, I-6161, Rz. 38. 190 EuGH, Urt. v. 28.01.1986, 270/83 (avoir fiscal), Slg. 1986, 273. Siehe oben. 191 Vgl. GA Maduro, SchlA v. 07.04.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I10837, Rz. 47; Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 672; ders., EC Tax Rev. 2007, 210; Cordewener/Kofler/van Thiel, Fundamental Freedoms and Direct Taxation, draft 2008, S. 45 f.; Lang, Die Rechtsprechung des EuGH, 2007, S. 33; ders., IStR 2006, 397 (398); Calderón/Báez, Intertax 2009, 212 (216); Hohenwarter-Mayr, SWI 2010, 163 (171 mit Fn. 55). 192 EuGH, Urt. v. 23.02.2006, C-253/03 (CLT-Ufa), Slg. 2006, I-1831, Rz. 14 ff.; bestätigt im Urt. v. 18.07.2007, C-231/05 (Oy AA), Slg. 2007, I-6373, Rz. 40. 193 Vgl. EuGH, Urt. v. 23.02.2006, C-253/03 (CLT-Ufa), Slg. 2006, I-1831, Rz. 16. 194 Vgl. auch Cordewener, ET 2007, 210 (211); Cordewener/Kofler/van Thiel, Fundamental Freedoms and Direct Taxation, draft 2008, S. 46; Calderón/Báez, Intertax 2009, 212 (216). 195 Vgl. auch Englisch, IStR 2010, 215 (217); zu weitgehend dem Gebot der Rechtsformneutralität jede eigenständige Bedeutung im Inbound-Fall absprechend: HohenwarterMayr, SWI 2010, 163 (170 f.). 196 Siehe für einen möglichen Beispielsfall aber noch C.I.2.b)aa)(2)(i). 197 Beispielhaft sei hier das EuGH-Urt. v. 25.02.2010, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I1215, Rz. 35 ff. genannt: Die Niederlande erlauben eine sofortige grenzüberschreitende Verrechnung der Verluste einer ausländischen Betriebsstätte mit den Gewinnen des ansässigen Stammhauses bei späterer Nachversteuerung, versagen dies aber für Verluste gebietsfremder Tochtergesellschaften.
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jedoch ab.198 Er begründete dies in der Rs. X Holding199 damit, dass nur die Gewinne gebietsfremder Betriebsstätten, nicht aber gebietsfremder Tochtergesellschaften, beim ansässigen Stammhaus steuerpflichtig blieben und somit beide Gruppen nicht vergleichbar seien. Ungeachtet dessen ist das Gebot der Rechtsformneutralität aber im Inboundwie im Outbound-Fall aus ganz grundlegenden Erwägungen abzulehnen: Erstens kann es dem Wortlaut des Art. 49 Abs. 1 Satz 2 AEUV nicht entnommen werden.200 Zweitens ist es mit dem vertikalen Schutzkonzept der Grundfreiheiten nicht vereinbar, die den grenzüberschreitenden gegenüber dem mitgliedstaatsinternen Sachverhalt schützen.201 Der Binnenmarkt wird nicht beeinträchtigt, wenn grenzüberschreitend tätigen Steuerpflichtigen mit der Wahl einer bestimmten Rechtsform die Gleichstellung mit rein innerstaatlich tätigen garantiert wird. Drittens würde ein Gebot der Rechtsformneutralität die Souveränität der Mitgliedstaaten in unangemessener Weise beschneiden:202 198 Vgl. mit dieser Unterscheidung deutlich EuGH, Bschl. v. 04.06.2009, C-439/07 u.a. (KBC Bank u.a.), Slg. 2009, I-4409, Rz. 77-82; Urt. v. 25.02.2010, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I-1215, Rz. 35-42; vgl. zuvor mit Ablehnung im Outbound-Fall Urt. v. 06.12.2007, C-298/05 (Columbus Container Services), Slg. 2007, I-10451, Rz. 52. Zuvor bereits zwischen In- und Outbound-Fall differenzierend: Arnio, EC Tax Rev. 2006, 18 ff.; Cordewener/Kofler/van Thiel, Fundamental Freedoms and Direct Taxation, draft 2008, S. 46; Calderón/Báez, Intertax 2009, 212 (216 u. 221 f.); ablehnend: Lang, IStR 2006, 397 (399); Confédération Fiscale Européenne ECJ Task Force, ET 2011, 150, Tz. 10. 199 EuGH, Urt. v. 25.02.2010, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I-1215, Rz. 38; GA Kokott, SchlA v. 19.11.2009, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I-1215, Rz. 51 ff.; zustimmend: Eisenbarth/Hufeld, IStR 2010, 309 (311 f.); ablehnend: Dautzenberg, Unternehmensbesteuerung im EG-Binnenmarkt, 1997, S. 369 f.; Englisch, IStR 2010, 215 (217); Confédération Fiscale Européenne ECJ Task Force, ET 2011, 150, Tz. 9, 11. 200 So selbst Lang, IStR 2006, 397 (402), der einem Gebot der Rechtsformneutralität ansonsten offen gegenübersteht. Vgl. weiter Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 833; Eckl, Wechsel von beschränkter und unbeschränkter Steuerpflicht bei Kapitalgesellschaften, 2006, S. 53; Hohenwarter-Mayr, SWI 2010, 163 (170); a.A.: Dautzenberg, Unternehmensbesteuerung im EG-Binnenmarkt, 1997, S. 60 f.; ders., EWS 2001, 270 (271 f.); Herzig, GS Knobbe-Keuk, 1997, S. 627 (633); Herzig/Dautzenberg, DB 1997, 8 (13); Schön, EWS 2000, 281 (283); ders., in: Lüdicke, Besteuerung von Unternehmen im Wandel, 2007, S. 71 (88 f.); Kirchhof, StuW 2002, 3 (11 f.). 201 Siehe dazu bereits C.I.1. Vgl. auch Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 832 f.; Englisch, StuW 2003, 88 (94 f.); ders., Dividendenbesteuerung, 2005, S. 273; ders., IFSt-Schrift Nr. 449, 2008, S. 60 f.; Hohenwarter-Mayr, SWI 2010, 163 (171); Eisenbarth/Hufeld, IStR 2010, 309 (311 f.). 202 Vgl. auch das Urt. v. 06.12.2007, C-298/05 (Columbus Container Services), Slg. 2007, I-10451, Rz. 52, in dem der EuGH feststellte, dass „die Steuerautonomie [der Mitgliedstaaten] auch bedeutet, dass die Mitgliedstaaten Bedingungen und Höhe der Besteuerung der verschiedenen Niederlassungsformen von im Ausland tätigen inländischen Gesellschaften festlegen können, soweit sie ihnen eine Behandlung gewähren, die gegenüber vergleichbaren inländischen Niederlassungen nicht diskriminierend ist.“
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
Denn diese wären gezwungen, entweder nur im grenzüberschreitenden Fall Rechtsformneutralität herzustellen und somit erhebliche Ungleichbehandlungen im Vergleich zum Inlandssachverhalt in Kauf zu nehmen, oder generell Rechtsformneutralität in beiden Fällen zu garantieren.203 (ii)
Finanzierungsneutralität
Vereinzelt wird im Schrifttum204 von den Befürwortern einer Rechtsformneutralität in der Kapitalverkehrsfreiheit ein Gebot der Finanzierungsneutralität gesehen, wonach ein Mitgliedstaat die grenzüberschreitende Investition mit Eigenkapital steuerlich gleich zu behandeln habe wie eine grenzüberschreitende Investition mit Fremdkapital. Danach würde die stärkere steuerliche Belastung bestimmter grenzüberschreitender Finanzierungsformen die Grundfreiheiten aushöhlen.205 Das Gebot der Finanzierungsneutralität ist aber aus denselben Gründen wie das Gebot der Rechtsformneutralität abzulehnen: Weder findet es eine Grundlage im AEUV,206 noch entspricht es dem vertikal orientierten Schutzkonzept der Grundfreiheiten und würde zudem die Souveränität der Mitgliedstaaten beschneiden, die Besteuerungsregeln für verschiedene Anlageformen festzulegen. Ohnehin hat das Gebot der Finanzierungsneutralität in der Rechtsprechung des EuGH nie eine Rolle gespielt. (iii)
Abkommensrechtliche Meistbegünstigung
Die dritte Fallgruppe betrifft die Frage, ob ein Mitgliedstaat A eine steuerlich günstige Behandlung, die er nach dem DBA mit einem anderen Mitgliedstaat B für grenzüberschreitenden Aktivitäten zwischen den beiden Staaten vorsieht, auch auf grenzüberschreitende Aktivitäten mit Bezug zu einem dritten Mitgliedstaat C ausweiten muss, bei dem das einschlägige DBA diesen Vorteil nicht vorsieht oder mit dem kein DBA besteht.207 Im Unterschied zu den bei203 So überzeugend: Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 832 f. 204 Vgl. Dautzenberg, Unternehmensbesteuerung im EG-Binnenmarkt, 1997, S. 65 u. 714 ff.; Herzig, GS Knobbe-Keuk, 1997, S. 627 (635). 205 Vgl. Dautzenberg, Unternehmensbesteuerung im EG-Binnenmarkt, 1997, S. 715. 206 Dautzenberg verweist zwar auf Art. 65 Abs. 1 lit. a AEUV, wonach „eine unterschiedliche Besteuerung nach dem Wohnsitz oder Kapitalanlageort, nicht aber nach der Kapitalanlageform“ [Hervorhebung nur hier] zulässig sei, vgl. Dautzenberg, Unternehmensbesteuerung im EG-Binnenmarkt, 1997, S. 715. Dieser Umkehrschluss ist jedoch keineswegs zwingend. Andererseits hat der EuGH in ständiger Rechtsprechung die generelle Zulässigkeit einer Differenzierung nach dem Wohnsitz oder Kapitalanlageort auf Grundlage des Art. 65 Abs. 1 lit. a AEUV gerade abgelehnt, vgl. EuGH, Urt. v. 06.06.2000, C-35/98 (Verkooijen), Slg. 2000, I-4071, Rz. 43 f.; Urt. v. 07.09.2004, C319/02 (Manninen), Slg. 2004, I-7477, Rz. 28 f.; Urt. v. 08.09.2005, C-512/03 (Blanckaert), Slg. 2005, I-7685, Rz. 42; zuletzt: Urt. v. 10.02.2011, C-436/08 u.a. (Haribo u.a.), IStR 2011, 299, Rz. 56-58. Siehe ausführlich C.I.1.c)aa). 207 Diese allgemeine Begriffsbeschreibung schließt eine Meistbegünstigung im Inboundwie im Outbound-Fall mit ein. In der Literatur wird vorwiegend die InboundMeistbegünstigung diskutiert, die Grundfreiheiten schützen jedoch auch vor Behinde-
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den vorherigen Fallgruppen tangiert dieses horizontale Vergleichspaar mehrere Steuerjurisdiktionen.208 Diese Fallgruppe wird daher im Englischen treffend als „most favoured nation treatment“ bezeichnet. Im Deutschen hat sich der Begriff der Meistbegünstigung etabliert. Beide Begriffe entstammen dem Völkerrecht: Vor allem im Welthandelsrecht209 und in DBA210 sind Klauseln vorgesehen, die eine günstige Behandlung im Verhältnis zu einem Staat auf das Verhältnis zu anderen Staaten ausweiten. Das Unionsrecht sieht nur in Randbereichen derartige Vorschriften vor,211 in der Literatur212 wird vielfach aber eine Meistbegünstigungsverpflichtung über die Grundfreiheiten213 gefordert: Wenn diese die steuerliche Gleichbehandlung einer grenzüberschreitenden Aktivität mit einer inländischen verlangten, müsse dieses Gleichbehandlungsgebot auch gegenüber anderen grenzüberschreitenden Aktivitäten gelten, um gleiche Wettbewerbsbedingungen auf dem Binnenmarkt zu garantieren.214
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rungen durch den Herkunftsstaat, siehe C.I.1.b)aa). Vgl. zu möglichen Konstellationen im Outbound-Fall: Cordewener, in: Cordewener/Enchelmaier/Schindler, Meistbegünstigung, 2006, S. 123 (140 ff.); Schön, JbFStR 2005/2006, 29 (90 u. 100 f.); Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 808 ff.; sowie EuGH, Urt. v. 20.05.2008, C-194/06 (Orange European Smallcap Fund), Slg. 2008, I-3747, bezogen auf die inhaltlich verwandte vierte Fallgruppe [siehe (iv)]. Hingegen nur auf den Inbound-Fall abstellend: Schuch, in: Gassner/Lang/Lechner, DBA und EU-Recht, 1996, S. 99 (112 ff.). Vgl. auch Englisch, in: Cordewener/Enchelmaier/Schindler, Meistbegünstigung, 2006, S. 163 (164); Schmidtmann, IWB 2008, Fach 11 Gruppe 2, 937 (941). Siehe exemplarisch Art. 1:1 GATT: „[A]ny advantage, favour, privilege or immunity granted by any contracting party to any product originating in or destined for any other country shall be accorded immediately and unconditionally to the like product originating in or destined for the territories of all other contracting parties.” Vgl. für eine Analyse von insgesamt mehreren hundert Meistbegünstigungsklauseln in den weltweit abgeschlossenen DBA: Hofbauer, Das Prinzip der Meistbegünstigung im grenzüberschreitenden Ertragsteuerrecht, 2005, S. 108 ff., 201 ff. So begründet Art. 61 AEUV einen Meistbegünstigungsanspruch, die Norm ist als Übergangsvorschrift mittlerweile aber eigentlich obsolet geworden, vgl. Enchelmaier, in: Cordewener/Enchelmaier/Schindler, Meistbegünstigung, 2006, S. 93 (103); Englisch, in: Cordewener/Enchelmaier/Schindler, Meistbegünstigung, 2006, S. 163. Darüber hinaus enthält die neue Amtshilferichtlinie 2011/16/EU in Art. 19 eine Meistbegünstigungsklausel: Gewährt ein Mitgliedstaat einem Drittstaat eine umfassendere Amtshilfe, hat er diese auch gegenüber anderen Mitgliedstaaten zu gewähren, siehe Richtlinie 2011/16/EU v. 15.02.2011, ABl. 2011 L, 64, 1. Vgl. für umfassende Literaturverweise: Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 502 mit Fn. 475; Kofler, HBTLJ 2005, 1 (10 f.); ders., DBA und EG-Recht, 2007, S. 86. Siehe auch Fn. 214. Zudem könnte speziell dem allgemeinen Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV eine Meistbegünstigungspflicht entnommen werden, vgl. Schön, JbFStR 2005/2006, 29 (94 f.); Englisch, in: Cordewener/Enchelmaier/Schindler, Meistbegünstigung, 2006, S. 163 (169 ff.). Vgl. GA Colomer, SchlA v. 26.10.2004, C-376/03 („D”), Slg. 2005, I-5821, Rz. 96; Eicker, Intertax 1999, 173 (174); Rädler, in: Cordewener/Enchelmaier/Schindler,
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Der EuGH hatte die Frage einer grundfreiheitlichen Meistbegünstigung in früheren Urteilen215 zunächst offen gelassen, lehnte sie dann aber in der Rs. „D“216 ab.217 Darin war es fraglich, ob ein in Deutschland ansässiger Steuerpflichtiger einen Anspruch auf einen Freibetrag auf die niederländische Vermögensteuer geltend machen kann, den ansonsten nur in den Niederlanden Ansässige sowie nach dem DBA Belgien-Niederlande in Belgien ansässige Personen erhalten. Der EuGH entschied, dass sich „aus dem Wesen bilateraler Abkommen“ ergibt, dass die „gegenseitigen Rechte und Pflichten nur für Personen gelten, die in einem der beiden vertragsschließenden Mitgliedstaaten wohnen […]. Daher befindet sich ein in Belgien ansässiger Steuerpflichtiger […] nicht in der gleichen Lage wie ein außerhalb Belgiens ansässiger Steuerpflichtiger“.218 Nach der mittlerweile mehrfach bestätigten Rechtsprechung,219 muss ein DBA-Vorteil damit nicht auf nicht-abkommensberechtigte Personen ausgeweitet werden. Der Anerkennung der Gegenseitigkeit der DBA durch den EuGH ist zuzustimmen.220 Eine Meistbegünstigungspflicht würde dazu führen, dass die
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Meistbegünstigung, 2006, S. 213 (215); Schuch, in: Cordewener/Enchelmaier/Schindler, Meistbegünstigung, 2006, S. 151 (160 f.); Gosch, IStR 2008, 413 (420); van den Hurk/Korving, BIT 2009, 95 (100); Cordewener/Kofler/van Thiel, CMLRev. 2009, 1951 (1984 ff.); Lang, SWI 2011, 154 (163). Bezüglich der ähnlich gelagerten vierten Fallgruppe [siehe unter (iv)]: GA Léger, SchlA v. 02.05.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 80; GA Mengozzi, SchlA v. 29.03.2007, C-298/05 (Columbus Container Services), Slg. 2007, I-10451, Rz. 117; Cordewener, ET 2007, 210 (211). Vgl. EuGH, Urt. v. 14.02.1995, C-279/93 (Schumacker), Slg. 1995, I-225; Urt. v. 08.03.2001, C-397/98 u.a. (Metallgesellschaft u.a.), Slg. 2001, I-1727. Vgl. zur Fragestellung: GA Léger, SchlA v. 22.11.1994, C-279/93 (Schumacker), Slg. 1995, I-225, Rz. 85 ff. EuGH, Urt. v. 05.07.2005, C-376/03 („D”), Slg. 2005, I-5821. Auch wenn das Urteil zu einem Inbound-Fall erging, ist damit auch eine Ablehnung der Meistbegünstigung im Outbound-Fall verbunden, vgl. Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 811 f.; Cordewener/Kofler/van Thiel, Fundamental Freedoms and Direct Taxation, draft 2008, S. 49 f. Ebenfalls die Meistbegünstigung ablehnend: BFH, Urt. v. 31.10.1990, II R 176/87, BStBl. II 1991, 161; Urt. v. 26.05.2004, I R 54/03, BStBl. II 2004, 767; Urt. v. 09.11.2005, I R 27/03, BStBl. II 2006, 564. EuGH, Urt. v. 05.07.2005, C-376/03 („D”), Slg. 2005, I-5821, Rz. 61. Explizit a.A. war hingegen GA Colomer, SchlA v. 26.10.2004, C-376/03 („D”), Slg. 2005, I-5821, Rz. 101. Vgl. EuGH, Urt. v. 12.12.2006, C-374/04 (ACT), Slg. 2006, I-11673, Rz. 87-91; Urt. v. 20.05.2008, C-194/06 (Orange European Smallcap Fund), Slg. 2008, I-3747, Rz. 50 f. Nicht völlig zu überzeugen vermag gleichwohl die vom EuGH daraus gefolgerte Unvergleichbarkeit des Vergleichspaares (s.o.). Denn der EuGH nimmt einen Zirkelschluss vor, wenn er die Vergleichbarkeit aufgrund der unterschiedlichen Regelungen verneint, obwohl diese gerade der Gegenstand des Diskriminierungsvorwurfes sind, vgl. Enchelmaier, in: Cordewener/Enchelmaier/Schindler, Meistbegünstigung, 2006, S. 93 (118); Gudmundsson, Intertax 2006, 58 (81); Kofler, DBA und EG-Recht, 2007,
Verrechnungspreisvorschriften
Regelungen eines bestimmten DBA (genauer: die nicht-allokativen DBANormen221) faktisch durch die günstigeren Regelungen anderer DBA des betroffenen Mitgliedstaates ersetzt werden würden. Letztlich entstünde ein multilaterales DBA als Summe der günstigsten Normen.222 Die Mitgliedstaaten wären nicht mehr in der Lage, ein DBA an die Besonderheiten der Steuerrechtsordnungen beider Vertragsstaaten anzupassen.223 Ihre Souveränität wäre in unangemessener Weise beschränkt. Die beziehungslose Anwendung der günstigsten DBA-Normen würde in vielen Fällen unweigerlich zur Steuerfrei-
S. 795; Cordewener/Kofler/van Thiel, Fundamental Freedoms and Direct Taxation, draft 2008, S. 49; ähnlich: Englisch, in: Cordewener/Enchelmaier/Schindler, Meistbegünstigung, 2006, S. 163 (171). Zu weit geht m.E. die Interpretation von Cordewener/Kofler/van Thiel, CMLRev. 2009, 1951 (1984-1987), dass der EuGH mit der Rs. „D“ DBA-Normen (und damit auch die nicht-allokativen DBA-Normen, siehe Fn. 221) als grundfreiheitlich sakrosankt einstufen würde. Der EuGH erkennt die Gegenseitigkeit der DBA im Urteil nur im Kontext der Meistbegünstigung und mehr als zwei beteiligter Steuerjurisdiktionen an [diese Möglichkeit sehen auch Cordewener/Kofler/van Thiel, CMLRev. 2009, 1951 (1999)]. Ansonsten könnte darin mit Cordewener/Kofler/van Thiel in der Tat ein Widerspruch zur weiterhin ständigen Rechtsprechung gesehen werden, dass das Europarecht den DBA vorgeht, siehe dazu C.I.2.b)aa)(1)(ii)(a) und vgl. etwa EuGH, Urt. v. 28.01.1986, 270/83 (avoir fiscal), Slg. 1986, 273, Rz. 26; Urt. v. 14.12.2006, C-170/05 (Denkavit), Slg. 2006, I-11949, Rz. 53; Urt. v. 18.06.2009, C-303/07 (Aberdeen Property Fininvest Alpha), Slg. 2009, I-5145, Rz. 69; Urt. v. 16.07.2009, C-128/08 (Damseaux), Slg. 2009, I-6823, Rz. 34. 221 Unter allokativen DBA-Normen sollen diejenigen Normen verstanden werden, die die Aufteilung der Steuerhoheit zwischen den beiden Vertragsstaaten regeln, siehe insbesondere Art. 6-8 und 10-22 OECD-MA. Der EuGH hatte im Urt. v. 12.05.1998, C336/96 (Gilly), Slg. 1998, I-2793, Rz. 30 entschieden, dass die Mitgliedstaaten mangels unionsrechtlicher Harmonisierungsmaßnahmen befugt bleiben, die Aufteilung der Besteuerungsrechte zwischen den Mitgliedstaaten (in DBA) zu regeln. Der einmal aufgeteilte Besteuerungsanspruch unterliegt jedoch der vollen grundfreiheitlichen Kontrolle, vgl. EuGH, Urt. v. 21.09.1999, C-307/97 (Saint Gobain), Slg. 1999, I-6161, Rz. 57. Als Folge der Rs. Gilly sind rein allokative DBA-Normen der Kontrolle der Grundfreiheiten entzogen, siehe dazu ausführlich C.I.2.b)aa)(1)(ii)(d). Sie können damit auch nicht im Rahmen einer grundfreiheitlichen Meistbegünstigung herangezogen werden. Vgl. Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 836 f.; van Thiel, Free Movement of Persons and Income Tax Law, 2002, S. 514 ff.; Kofler, HBTLJ 2005, 1 (68 ff.); ders., DBA und EGRecht, S. 773 f. m.w.N., S. 799; Schön, JbFStR 2005/2006, 29 (97 f.); Cordewener/Kofler/van Thiel, Fundamental Freedoms and Direct Taxation, draft 2008, S. 16 u. 48 f. 222 Vgl. Küper, Doppelbesteuerung und europarechtliche Meistbegünstigung bei Erbschaften und Schenkungen, 2004, S. 145; Englisch, in: Cordewener/Enchelmaier/Schindler, Meistbegünstigung, 2006, S. 163 (181) m.w.N. 223 Vgl. hierzu das Beispiel zur Sinnhaftigkeit erhöhter Quellensteuersätze von Rust, in: Cordewener/Enchelmaier/Schindler, Meistbegünstigung, 2006, S. 77 (83).
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heit grenzüberschreitend erzielter Einkünfte führen und die Steuergerechtigkeit in Frage stellen.224 (iv)
Unilaterale Meistbegünstigung
Die vierte Fallgruppe ist eng verwandt mit der vorherigen: Eine grundfreiheitliche Meistbegünstigungspflicht könnte sich nicht nur aus einer DBA-Norm ergeben, sondern auch aus einer unilateralen nationalstaatlichen Vorschrift.225 Trotz der Ähnlichkeit zur abkommensrechtlichen Meistbegünstigung ist eine selbstständige Fallgruppenbildung gerechtfertigt, weil die soeben diskutierten abkommensrechtlichen Argumente auf die Fälle einer unilateralen Meistbegünstigung nicht übertragen werden können.226 Insbesondere kann die Rechtsprechung in der Rs. „D“227 keine Anwendung finden,228 in der allein mit der Gegenseitigkeit der DBA argumentiert wurde. Eine unilaterale Meistbegünstigungspflicht deutete der EuGH erstmals in der Rs. Cadbury Schweppes229 an: Die Schlussanträge von GA Legér230 aufgreifend, stellte er fest, dass bei Anwendung der britischen Hinzurechnungsvor224 Vgl. Vogel, EC Tax Rev. 1995, 264; Wattel, CMLRev. 1996, 223 (252); Englisch, in: Cordewener/Enchelmaier/Schindler, Meistbegünstigung, 2006, S. 163 (163 f. und 192). Das Argument von Schuch, in: Cordewener/Enchelmaier/Schindler, Meistbegünstigung, 2006, S. 151 (161), dass das mit steuerlichen Gestaltungen erzielte „treaty shopping“ zu ähnlichen Ergebnissen führen könne, steht dem nicht entgegen. Denn das Unionsrecht muss diese aus Gründen der Steuergerechtigkeit abzulehnende Entwicklung deswegen noch lange nicht fördern. 225 Vgl. nur Cordewener, in: Cordewener/Enchelmaier/Schindler, Meistbegünstigung, 2006, S. 123 (125, 127 f., 140 f.); Lang, IStR 2006, 397 (399); Schön, JbFStR 2005/ 2006, 29 (90 u. 96); Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 761 f. u. 812 ff. 226 Diese Fallgruppe wird gleichwohl nicht immer als Meistbegünstigung bezeichnet. In der Literatur erfolgt die Diskussion häufig nur unter dem Oberbegriff der horizontalen Diskriminierung, vgl. etwa Cordewener, ET 2007, 210; Calderón/Báez, Intertax 2009, 212 (213 ff.); van den Hurk/Korving, BIT 2009, 95. Cordewener/Kofler/van Thiel, Fundamental Freedoms and Direct Taxation, draft 2008, S. 50 bezeichnen die Fallgruppe als „unilateral distortion of foreign investment“. 227 EuGH, Urt. v. 05.07.2005, C-376/03 („D”), Slg. 2005, I-5821; bestätigt durch: Urt. v. 12.12.2006, C-374/04 (ACT), Slg. 2006, I-11673, Rz. 87-91; Urt. v. 20.05.2008, C194/06 (Orange European Smallcap Fund), Slg. 2008, I-3747, Rz. 50 f. Siehe oben unter (iii). 228 Vgl. GA Mengozzi, SchlA v. 29.03.2007, C-298/05 (Columbus Container Services), Slg. 2007, I-10451, Rz. 117; GA Bot, SchlA v. 03.07.2007, C-194/06 (Orange European Smallcap Fund), Slg. 2008, I-3747, Rz. 102 ff., 106; EuGH, Urt. v. 20.05.2008, C194/06 (Orange European Smallcap Fund), Slg. 2008, I-3747, Rz. 47 ff.; Cordewener, ET 2007, 210 (211 f.); Cordewener/Kofler/van Thiel, Fundamental Freedoms and Direct Taxation, draft 2008, S. 51; Calderón/Báez, Intertax 2009, 212 (217); ferner: Lang, IStR 2006, 397 (399). 229 EuGH, Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 44 f. 230 GA Léger, SchlA v. 02.05.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 74 ff. Dieser befürwortete klar eine horizontale Vergleichspaarbildung.
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Verrechnungspreisvorschriften
schriften „die ansässige Gesellschaft für Gewinne einer anderen juristischen Person zur Steuer herangezogen wird. Dies geschieht jedoch nicht bei einer ansässigen Gesellschaft, die eine im Vereinigten Königreich besteuerte Tochtergesellschaft hat oder deren Tochtergesellschaft mit Sitz außerhalb dieses Mitgliedstaats keinem niedrigeren Besteuerungsniveau unterliegt.“231 Der EuGH stellte folglich sowohl eine vertikale als auch eine horizontale Diskriminierung fest.232 Gleiches gilt für die Rs. „A“233 und Haribo u.a.234 In der Rs. Columbus Container Services235 nahm der EuGH die horizontale Vergleichspaarbildung von GA Mengozzi236 jedoch nicht auf und stand dieser eher ablehnend gegenüber.237 Mit dem Urteil in der Rs. Orange European Smallcap Fund238 scheint der EuGH die unilaterale Meistbegünstigung nun aber endgültig anerkannt zu haben. Er verglich zwei ansässige niederländische Investmentgesellschaften miteinander, von denen die eine in Deutschland bzw. 231 EuGH, Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 45 [Hervorhebungen nur hier]. 232 Vgl. GA Mengozzi, SchlA v. 29.03.2007, C-298/05 (Columbus Container Services), Slg. 2007, I-10451, Rz. 114; Cordewener, ET 2007, 210 (211); Schmidtmann, IWB 2008, Fach 11 Gruppe 2, 937 (944); Cordewener/Kofler/van Thiel, Fundamental Freedoms and Direct Taxation, draft 2008, S. 50; Calderón/Báez, Intertax 2009, 212 (217); zurückhaltender: Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 812 f.; a.A.: Kemmeren, FS Vanistendael, 2008, S. 555 (576). 233 Vgl. EuGH, Urt. v. 18.12.2007, C-101/05 („A“), Slg. 2007, I-11531, Rz. 41. Dort wird die Dividendenausschüttung einer in einem Drittstaat ansässigen AG an einen ansässigen Steuerpflichtigen sowohl mit der Ausschüttung einer in Schweden, als auch in einem EWR-Staat ansässigen AG verglichen. 234 Vgl. EuGH, Urt. v. 10.02.2011, C-436/08 u.a. (Haribo u.a.), IStR 2011, 299, Rz. 52. Dort stellt der EuGH fest, dass eine „Investition in [in EWR-Staaten ansässige] Gesellschaften […] weniger attraktiv ist als eine Investition in eine in Österreich oder einem anderen Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft.“ [Hervorhebung nur hier]. 235 EuGH, Urt. v. 06.12.2007, C-298/05 (Columbus Container Services), Slg. 2007, I10451. Gegenstand des Urteils war § 20 Abs. 2, 3 AStG a.F., nach dem ein Wechsel von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode für ausländische Einkünfte vorgenommen wurde, die im Ausland mit einem Steuersatz unter 30% besteuert wurden. Durch den Wechsel zur Anrechnungsmethode kam es im vorliegenden Fall zu einer 53% höheren Besteuerung aufgrund eines Anrechnungsüberhangs. Weil durch die Anrechnungsmethode sich das deutsche Steuerniveau durchsetzte, war die Steuerbelastung nicht höher als im vergleichbaren Inlandsfall. In Betracht wäre also nur eine horizontale Diskriminierung im Vergleich zu einem Investment in einem dritten Staat gekommen, der nicht unter § 20 Abs. 2, 3 AStG a.F. fällt. 236 GA Mengozzi, SchlA v. 29.03.2007, C-298/05 (Columbus Container Services), Slg. 2007, I-10451, Rz. 109 ff. 237 Vgl. EuGH, Urt. v. 06.12.2007, C-298/05 (Columbus Container Services), Slg. 2007, I10451, Rz. 51; dazu: Calderón/Báez, Intertax 2009, 212 (213 ff.); Schmidtmann, IWB 2008, Fach 11 Gruppe 2, 937 (945); Cordewener/Kofler/van Thiel, Fundamental Freedoms and Direct Taxation, draft 2008, S. 51 f. 238 EuGH, Urt. v. 20.05.2008, C-194/06 (Orange European Smallcap Fund), Slg. 2008, I3747, Rz. 56 ff.
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Portugal investierte, die andere in einem sonstigen Mitgliedstaat.239 Nur letztere konnte aufgrund einer unilateralen Vorschrift240 eine volle Steuererstattung geltend machen. Zwar lehnte der EuGH die Vergleichbarkeit ab,241 die hier anhand des legislativen Ziels der streitigen Norm242 vorgenommene Vergleichbarkeitsprüfung hat jedoch – anders als in der Rs. „D“ – keine Auswirkungen über den entschiedenen Einzelfall hinaus.243 Dies bestätigte die Rs. Kommission/Niederlande244, in der der EuGH allein einen horizontalen Vergleich vornahm und die Vergleichbarkeit bejahte: Dort verglich er die Dividendenausschüttung einer niederländischen Gesellschaft in einen anderen Mitgliedstaat mit einer Ausschüttung in den EWR-Raum. Zuvor sprachen bereits die Rs. „D“245 und ACT246 grundsätzlich für eine horizontale Vergleichbarkeitsprü-
239 EuGH, Urt. v. 20.05.2008, C-194/06 (Orange European Smallcap Fund), Slg. 2008, I3747, Rz. 43, 56. 240 Der Sachverhalt war gleichwohl komplexer als hier dargestellt: In den Niederlanden können mehrere Personen zusammen eine Investmentgesellschaft gründen, über die sie gemeinsam Anteile an Unternehmen erwerben. Die Investmentgesellschaft ist zwar körperschaftsteuerpflichtig, die Niederlande wenden auf diese aber einen Steuersatz von 0% an und besteuern so nur die verpflichtende Ausschüttung der Investmentgesellschaft an ihre Anteilseigner. Hält die Investmentgesellschaft Anteile an ausländischen Gesellschaften, kann es bei einer Quellenbesteuerung in deren Sitzstaat zu einer Doppelbesteuerung kommen. Um diese zu vermeiden, gewähren die Niederlande eine Steuererstattung auf Ebene der Investmentgesellschaft, die, falls die Investmentgesellschaft auch gebietsfremde Anteilseigner hat, auf den Anteil beschränkt wird, den ein niederländischer Anteilseigner bei einer direkt gehaltenen Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft geltend machen könnte, z.B. nach einem niederländischen DBA. Im vorliegenden Fall war es u.a. problematisch, dass das DBA mit Deutschland keine Anrechnung vorsah und mit Portugal kein DBA bestand. DBA mit anderen Mitgliedstaaten ermöglichten dennoch eine volle Anrechnung. Somit wurden zwei verschiedene grenzüberschreitende Sachverhalte unterschiedlich behandelt. Entscheidend war jedoch nicht die unterschiedliche Regelung der DBA, sondern die unilaterale Regelung der Steuererstattung auf Ebene der Investmentgesellschaft, die erst an die DBA-Regelungen anknüpfte. Insofern grenzte der EuGH auch deutlich die abkommensrechtliche gegenüber der unilateralen Meistbegünstigung ab. Vgl. zum Ganzen: EuGH, Urt. v. 20.05.2008, C194/06 (Orange European Smallcap Fund), Slg. 2008, I-3747, Rz. 3-22, 52-54. 241 EuGH, Urt. v. 20.05.2008, C-194/06 (Orange European Smallcap Fund), Slg. 2008, I3747, Rz. 60-65. 242 Siehe zu diesem insgesamt abzulehnenden Ansatz bereits C.I.1.b)cc) sowie speziell zur Vergleichbarkeitsprüfung in diesem Fall Fn. 123. 243 Zurückhaltender: Cordewener/Kofler/van Thiel, Fundamental Freedoms and Direct Taxation, draft 2008, S. 52. 244 EuGH, Urt. v. 11.06.2009, C-521/07 (Kommission/Niederlande), Slg. 2009, I-4873, Rz. 36-38 u. 44-50. 245 EuGH, Urt. v. 05.07.2005, C-376/03 („D”), Slg. 2005, I-5821. Siehe bereits oben (iii). 246 EuGH, Urt. v. 12.12.2006, C-374/04 (ACT), Slg. 2006, I-11673, Rz. 87-91.
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fung,247 nur eben nicht für eine abkommensrechtliche Meistbegünstigungspflicht. Eine unilaterale Meistbegünstigungspflicht ist entgegen der Ansicht des EuGH dennoch abzulehnen: Sie ist in den allermeisten Fällen überflüssig, weil der grenzüberschreitend tätige Steuerpflichtige zumeist nur die Gleichbehandlung mit einem Inlandssachverhalt anstrebt. In den Rs. Cadbury Schweppes248, „A“249, Orange European Smallcap Fund250, Kommission/Niederlande251 und Haribo u.a.252 wurde das grenzüberschreitende Investment auch gegenüber einem inländischen schlechter gestellt. Gleiches gilt für die Rs. „D“253 und ACT254. Nur in den Fällen, in denen ein Mitgliedstaat einen bestimmten grenzüberschreitenden Sachverhalt besser behandelt als den vergleichbaren inländischen und den grenzüberschreitenden Sachverhalt im Verhältnis zu einem 247 Vgl. Lang, IStR 2006, 397 (399); ders., Die Rechtsprechung des EuGH, 2007, S. 34; ders., EC Tax Rev. 2009, 98 (104); ders., SWI 2011, 154 (155 f.); Gudmundson, Intertax 2006, 58 (81 f.); Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 805 f. 248 EuGH, Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 44 f. Siehe bereits oben zur doppelten Vergleichspaarbildung. 249 EuGH, Urt. v. 18.12.2007, C-101/05 („A“), Slg. 2007, I-11531, Rz. 41. Siehe bereits oben. 250 EuGH, Urt. v. 20.05.2008, C-194/06 (Orange European Smallcap Fund), Slg. 2008, I3747. Die Gefahr einer Doppelbesteuerung im Rahmen von Dividendenausschüttungen bestand gerade nicht im rein inländischen Fall (vgl. Rz. 5 f. des Urteils). Der EuGH verneinte eine vertikale Diskriminierung, weil die Niederlande die Investmentgesellschaft insofern gleich behandelten, als dass sie diese im grenzüberschreitenden und im reinen Inlandsfall nicht besteuerten. Jedoch kam es bei der Ausschüttung an die Anteilseigner zu einer Ungleichbehandlung der beiden Vergleichsfälle. In der Gesamtschau von Investmentgesellschaft und ihren Anteilseignern hätte man durchaus eine Diskriminierung mit Verweis auf das EuGH-Urt. v. 07.09.2004, C-319/02 (Manninen), Slg. 2004, I-7477 annehmen können. 251 EuGH, Urt. v. 11.06.2009, C-521/07 (Kommission/Niederlande), Slg. 2009, I-4873, Rz. 36-38. In diesem Fall bestand die horizontale Diskriminierung darin, dass die Dividendenausschüttungen niederländischer Gesellschaften an Gesellschaften, die im EWRRaum ansässig sind, erst von der Quellensteuer freigestellt wurden, wenn eine Beteiligung nach den DBA mit Island bzw. Norwegen von mehr als 10% bzw. 25% bestand. Bei einer Ausschüttung in einen anderen Mitgliedstaat hingegen bereits ab 5%. Jedoch wurde in diesem Fall auch im reinen Inlandsfall keine Quellensteuer erhoben, vgl. das Vorbringen der Kommission in diesem Urteil in Rz. 17 sowie zuvor bereits zur niederländischen Regelung das EuGH-Urt. v. 08.11.2007, C-379/05 (Amurta), Slg. 2007, I9569, Rz. 25-27. 252 Vgl. EuGH, Urt. v. 10.02.2011, C-436/08 u.a. (Haribo u.a.), IStR 2011, 299, Rz. 52. Siehe oben. 253 EuGH, Urt. v. 05.07.2005, C-376/03 („D”), Slg. 2005, I-5821. Der vermögensteuerliche Freibetrag wurde hier auch im Inlandsfall gewährt, siehe bereits (iii). Der EuGH nahm jedoch keine Diskriminierung an, weil er an seiner insgesamt verfehlten SchumackerDoktrin festhielt, vgl. Rz. 26-43 des Urteils. 254 EuGH, Urt. v. 12.12.2006, C-374/04 (ACT), Slg. 2006, I-11673, Rz. 31.
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anderen Mitgliedstaat, hätte eine unilaterale Meistbegünstigung überhaupt ihre Berechtigung.255 An einer strengen Privilegierung des grenzüberschreitend Tätigen dürfte ein Mitgliedstaat aber nur selten ein Interesse haben. Aber auch in diesen Fällen ist eine unilaterale Meistbegünstigungspflicht abzulehnen, weil sie die Souveränität der Mitgliedstaaten einschränkt, ohne gleichzeitig zu mehr Wettbewerbsgleichheit im Investitionsstaat beizutragen:256 Besteuert ein Mitgliedstaat z.B. Betriebsstätten gebietsfremder Unternehmen besonders niedrig, um ausländisches Kapital anzuziehen, erfolgt nur eine Verlagerung von Besteuerungsrechten zum Stammhausstaat, wenn dieser die ausländischen Einkünfte höher besteuert und die Anrechnungsmethode vorsieht.257 Die einseitige Begünstigung grenzüberschreitender Sachverhalte bewirkt zudem Wettbewerbsverzerrungen im Vergleich zu inländischen Sachverhalten. Zwar schützen die Grundfreiheiten nicht vor umgekehrten Diskriminierungen, ihre Verankerung im Binnenmarktprinzip würde aber falsch verstanden werden, wenn die Grundfreiheiten selbst Wettbewerbsverzerrungen bewirken würden. Eine durchgehende Privilegierung grenzüberschreitend tätiger Steuerpflichtiger ist mit dem Binnenmarktprinzip nicht vereinbar.258 (v)
Umgekehrte horizontale Diskriminierung
Eine letzte Fallgruppe betrifft die Fälle einer Inländerdiskriminierung durch den Herkunftsstaat. In der Rs. van Hilten259 war fraglich, ob die Niederlande das Erbe eines Erblassers mit niederländischer Staatsangehörigkeit auch nach dessen Wegzug in einen anderen Staat nach einer mit den §§ 2, 4 AStG vergleichbaren erweiterten beschränkten Erbschaftsteuerpflicht besteuern dürfen, wohingegen ein vergleichbarer Erblasser mit anderer Staatsangehörigkeit nach einem Wegzug nicht mehr in den Niederlanden erbschaftsteuerpflichtig ist. 255 Vgl. Kofler, HBTLJ 2005, 1 (85 ff.); ders., DBA und EG-Recht, 2007, S. 778; Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 839 f.; Englisch, in: Cordewener/Enchelmaier/ Schindler, Meistbegünstigung, 2006, S. 163 (169 ff.). Siehe ähnlich bereits zur Rechtsformwahlfreiheit im Inbound-Fall oben C.I.b)cc)(2)(i). Nach Lang, SWI 2011, 154 (161 ff.) gehen vertikale und horizontale Diskriminierung hingegen häufig Hand in Hand, wobei das horizontale Diskriminierungsverbot zum Schutz des Binnenmarktes erforderlich sei. 256 Vgl. Englisch, in: Cordewener/Enchelmaier/Schindler, Meistbegünstigung, 2006, S. 163 (177). 257 Vgl. zu dieser Systematik im Rahmen der abkommensrechtlichen Meistbegünstigung die Beispiele von Rust, in: Cordewener/Enchelmaier/Schindler, Meistbegünstigung, 2006, S. 77 (78 ff.). Vgl. ferner: Englisch, in: Cordewener/Enchelmaier/Schindler, Meistbegünstigung, 2006, S. 163 (178). 258 Siehe zu dieser Argumentation im Rahmen der Ablehnung eines freiheitsrechtlichen Verständnisses der Grundfreiheiten bereits C.I.1.b)bb). Vgl. Kingreen, in: Bogdandy, Europäisches Verfassungsrecht, 2003, S. 631 (660); Englisch, Wettbewerbsgleichheit, 2008, S. 240. Vgl. speziell zur Meistbegünstigung: Englisch, in: Cordewener/Enchelmaier/Schindler, Meistbegünstigung, 2006, S. 163 (178 f.). 259 EuGH, Urt. v. 23.02.2006, C-513/03 (van Hilten), Slg. 2006, I-1957.
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Auch wenn der EuGH die Grundfreiheitskonformität vorwiegend mit anderen Argumenten begründete,260 ist festzustellen, dass die umgekehrte Diskriminierung nach ständiger Rechtsprechung nicht durch die Grundfreiheiten geschützt ist.261 (3)
Zusammenfassende Stellungnahme zur Vergleichbarkeitsprüfung
In der Rechtsprechung des EuGH haben sich verschiedene Fallgruppen von Vergleichspaaren herauskristallisiert. Diese beschränken sich nicht nur auf vertikale Vergleiche; in der jüngeren Rechtsprechung scheint sich sukzessive auch die Akzeptanz horizontaler Vergleiche durchgesetzt zu haben. Jenseits der umstrittenen Schumacker-Rechtsprechung für natürliche Personen, der Vergleichbarkeit in- und ausländischer Einkünfte im vertikalen Outbound-Fall und der abkommensrechtlichen Meistbegünstigung, ist es dem EuGH bisher aber nicht gelungen, klare Kriterien für die Vergleichbarkeitsprüfung zu entwickeln.262 Diesbezüglich befindet sich der EuGH offensichtlich noch auf der Suche nach Prinzipien: Mal betont er die rechtliche, mal die tatsächliche Vergleichbarkeit. In der neueren Rechtsprechung stellt er zunehmend auf das legislative Ziel der streitigen Norm ab, jedoch ohne dabei den traditionellen Ansatz aufzugeben. Unklarheit scheint ferner darüber zu bestehen, ob und wann eine staatenübergreifende oder einzelstaatliche Betrachtungsweise angelegt werden soll.263 In einigen Urteilen behandelt der EuGH die Vergleichbarkeit gar im Rahmen der Rechtfertigungsprüfung,264 in anderen verzichtet er 260 Der EuGH verwies insbesondere darauf, dass die streitige Norm zur Aufteilung der Besteuerung zwischen den Mitgliedstaaten diene und somit grundfreiheitlich neutral sei, vgl. Urt. v. 23.02.2006, C-513/03 (van Hilten), Slg. 2006, I-1957, Rz. 47. Siehe zur Grundfreiheitsneutralität von allokativen DBA-Normen bereits oben unter (iii) mit Fn. 221 sowie ausführlich C.I.2.b)aa)(1)(ii)(d). 261 Siehe bereits C.I.1.b)aa). 262 Vgl. auch Kube, EuGH-Rechtsprechung zum direkten Steuerrecht, 2009, S. 6. 263 Siehe C.I.1.b)cc). 264 Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 15.07.2004, C-315/02 (Lenz), Slg. 2004, I-7063, Rz. 23, 28 ff.; Urt. v. 07.09.2004, C-319/02 (Manninen), Slg. 2004, I-7477, Rz. 25, 30 ff.; Urt. v. 08.09.2005, C-512/03 (Blanckaert), Slg. 2005, I-7685, Rz. 40, 43 ff.; Urt. v. 19.01.2006, C-265/04 (Bouanich), Slg. 2006, I-923, Rz. 36, 39 ff.; Urt. v. 17.01.2008, C-256/06 (Jäger), Slg. 2008, I-123, Rz. 36, 42 ff.; Urt. v. 17.09.2009, C-182/08 (Glaxo Wellcome), Slg. 2009, I-8591, Rz. 60, 68 ff.; Urt. v. 19.11.2009, C-540/07 (Kommission/Italien), Slg. 2009, I-10983, Rz. 46 ff.; Urt. v. 22.04.2010, C-510/08 (Mattner), Slg. 2010, I-3553, Rz. 29 ff.; Urt. v. 03.06.2010, C-487/08 (Kommission/Spanien), Slg. 2010, I-4843, Rz. 44 ff.; Urt. v. 10.02.2011, C-436/08 u.a. (Haribo u.a.), IStR 2011, 299, Rz. 58 f., 62, 84, 112 f. Dies liegt bei diesen Urteilen daran, dass der EuGH zunächst auf den geschriebenen Rechtfertigungsgrund des Art. 65 Abs. 1 lit. a AEUV im Rahmen der Kapitalverkehrsfreiheit eingeht [siehe dazu C.1.c)aa)]. Nach ständiger Rechtsprechung würde eine erlaubte Ungleichbehandlung nämlich nur vorliegen, wenn keine Vergleichbarkeit besteht oder die streitige Norm gerechtfertigt ist, vgl. Urt. v. 06.06.2000, C-35/98 (Verkooijen), Slg. 2000, I-4071, Rz. 43 und siehe C.I.1.c)aa) m.w.N. in Fn. 280. Dieser Aufbau ist gleichwohl abzulehnen. Der EuGH hat aber auch
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ganz auf deren Prüfung. All dies zeigt, dass die Vergleichbarkeitsprüfung auch nach über 150 Urteilen im direkten Steuerrecht265 eine Einzelfallentscheidung des EuGH geblieben ist.266 Diese Einzelfallentscheidung schien für den Steuerpflichtigen lange Zeit nur insoweit vorhersehbar, als das Ergebnis zu seinen Gunsten ausfiel. Der EuGH ist erst in der jüngeren – allgemein restriktiveren267 – Rechtsprechung dazu übergegangen, die Vergleichbarkeit im Rahmen des Diskriminierungsverbots auch einmal abzulehnen.268 Wenn er diese ablehnt, ist die Prüfung der Grundfreiheitskonformität zu Ende. Die Vergleichbarkeitsprüfung würde sich insofern besonders eignen, um ggf. politisch missliebige grundfreiheitliche An-
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im Rahmen der Niederlassungsfreiheit die Vergleichbarkeit innerhalb der Rechtfertigung geprüft, vgl. etwa Urt. v. 18.09.2003, C-168/01 (Bosal), Slg. 2003, I-9409, Rz. 29, 37 ff. Vgl. die regelmäßig aktualisierte Rechtsprechungsliste der Kommission, Download unter: http://ec.europa.eu/taxation_customs/resources/documents/common/infringements/case_law/court_cases_direct_taxation_en.pdf. Der EuGH orientiert sich häufig aber an Rechtsprechungslinien, die sich nach einzelnen Themengebieten unterteilen. So hat er z.B. für die Berücksichtigung der persönlichen Lebensverhältnisse [vgl. Urt. v. 14.02.1995, C-279/93 (Schumacker), Slg. 1995, I-225, Rz. 30 ff. und die Folgerechtsprechung], für die Dividendenbesteuerung [vgl. etwa Urt. v. 12.12.2006, C-374/04 (ACT), Slg. 2006, I-11673, Rz. 58-72; Urt. v. 14.12.2006, C170/05 (Denkavit), Slg. 2006, I-11949, Rz. 34-37; Urt. v. 18.06.2009, C-303/07 (Aberdeen Property Fininvest Alpha), Slg. 2009, I-5145, Rz. 42-44; Urt. v. 20.10.2011, C284/09 (Kommission/Deutschland), IStR 2011, 840, Rz. 55-57] und für die Erbschaftsteuer [vgl. etwa Urt. v. 11.09.2008, C-43/07 (Arens-Sikken), Slg. 2008, I-6887, Rz. 57; Urt. v. 11.09.2008, C-11/07 (Eckelkamp), Slg. 2008, I-6845, Rz. 63; Urt. v. 22.04.2010, C-510/08 (Mattner), Slg. 2010, I-3553, Rz. 38] bestimmte Grundsätze entwickelt. Dies verdeutlicht den case-law-Charakter der Rechtsprechung des EuGH. Der EuGH zeigt seit dem Urt. v. 13.12.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837 die Tendenz, die mitgliedstaatlichen Interessen höher zu gewichten, siehe dazu näher C.I.2.c)cc); vgl. auch Lang, Die Rechtsprechung des EuGH zu den direkten Steuern, 2007, S. 72; Kokott/Henze, BB 2007, 913 (918); Englisch, IFSt-Schrift Nr. 449, 2008, S. 8 f.; Cordewener, EC Tax Rev. 2009, 210; Schön, IStR 2009, 882 (883); Musil/Fähling, DStR 2010, 1501 ff. Dies äußert sich etwa darin, dass 65% der bis Ende 2007 zugunsten der Mitgliedstaaten entschiedenen Verfahren in den Zeitraum von 2005 bis 2007 fallen, vgl. Cordewener/Kofler/van Thiel, Fundamental Freedoms and Direct Taxation, draft 2008, S. 6. Vgl. zur vertikalen Vergleichbarkeitsprüfung: EuGH, Urt. v. 05.07.2005, C-376/03 („D”), Slg. 2005, I-5821, Rz. 36 ff., 43; Urt. v. 08.09.2005, C-512/03 (Blanckaert), Slg. 2005, I-7685, Rz. 47 f.; Urt. v. 12.12.2006, C-374/04 (ACT), Slg. 2006, I-11673, Rz. 57, 62; Urt. v. 22.12.2008, C-282/07 (Truck Center), Slg. 2008, I-10767, Rz. 41 ff., 46. Vgl. ferner: Urt. v. 14.09.1999, C-391/97 (Gschwind), Slg. 1999, I-5451, Rz. 30. Vgl. zum Beschränkungsverbot: Urt. v. 26.06.2008, C-284/06 (Burda), Slg. 2008, I4571, Rz. 93-95. Vgl. zur horizontalen Vergleichbarkeitsprüfung: Urt. v. 05.07.2005, C-376/03 („D”), Slg. 2005, I-5821, Rz. 61; Urt. v. 12.12.2006, C-374/04 (ACT), Slg. 2006, I-11673, Rz. 91; Urt. v. 20.05.2008, C-194/06 (Orange European Smallcap Fund), Slg. 2008, I-3747, Rz. 63-65.
Verrechnungspreisvorschriften
sprüche vollumfänglich abzuweisen.269 Wie Lang zutreffend feststellt, ist es jedoch „nicht einzusehen, dass der Gesetzgeber ungleiche Situationen in beliebiger Weise ungleich behandeln darf.“270 Der Alles-oder-Nichts-Test der Vergleichbarkeitsprüfung ist ein zu scharfes und endgültiges Schwert. Gerade vor dem Hintergrund, dass sich der EuGH hinsichtlich der Vergleichbarkeitsprüfung noch auf der Suche nach Prinzipien befindet, sollte er bei Ablehnung der Vergleichbarkeit eine Verhältnismäßigkeitsprüfung anschließen,271 die gegenüber der Vergleichbarkeitsprüfung den feineren Maßstab aufweist.272 Erste dahingehende Ansätze ließ der EuGH in der Rs. Gerritse273 erkennen.274 Für weitere Schritte haben zuletzt einige Generalanwälte den Weg geebnet. In der Rs. Huber stellte GA Maduro für den Fall der Ablehnung der Vergleichbarkeit zweier Vergleichsgruppen fest:275 „Der Unterschied in der Behandlung 269 Dies wurde gerade von Befürwortern einer abkommensrechtlichen Meistbegünstigung im Fall des EuGH-Urt. v. 05.07.2005, C-376/03 („D”), Slg. 2005, I-5821 vorgebracht, vgl. etwa Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 795 ff., 800 f. 270 Lang, Die Rechtsprechung des EuGH, 2007, S. 89; vgl. auch dens., EC Tax Rev. 2009, 98 (100). 271 Vgl. GA Maduro, SchlA v. 03.04.2008, C-524/06 (Huber), Slg. 2008, I-9705, Rz. 7; GA Kokott, SchlA v. 18.09.2008, C-282/07 (Truck Center), Slg. 2008, I-10767, Rz. 37; Lang, Die Rechtsprechung des EuGH, 2007, S. 88 f.; ders., EC Tax Rev. 2009, 98 (100). 272 Siehe hierzu sogleich C.I.1.c). 273 EuGH, Urt. v. 12.06.2003, C-234/01 (Gerritse), Slg. 2003, I-5933. In diesem Urteil ging es um einen niederländischen Schlagzeuger, dessen Honorar für einen Auftritt in Deutschland einer definitiven Bruttobesteuerung i.H.v. 25% unterlag. Herr Gerritse konnte insofern keine Werbungskosten abziehen. Weil er seine überwiegenden Einkünfte im Ansässigkeitsstaat erzielte, war er nach der Schumacker-Doktrin eigentlich nicht mit einem in Deutschland ansässigen Steuerpflichtigen vergleichbar. Der EuGH stellt in Rz. 47 jedoch „die Frage, ob der objektive Unterschied zwischen der Situation eines solchen Gebietsfremden und derjenigen eines Gebietsansässigen es erlaubt, eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche, […] als nicht diskriminierend anzusehen“, und prüfte im Folgenden die Vergleichbarkeit. Cordewener beobachtet gerade bezüglich der Urteile, die die Schumacker-Doktrin verwenden, eine Annäherung von Vergleichbarkeits- und Rechtfertigungsprüfung, vgl. Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 165 f. m.w.N. 274 In der Literatur wird auch die Auffassung vertreten, dass der EuGH generell Verhältnismäßigkeitselemente in der Vergleichbarkeitsprüfung vorsehe, vgl. Lyal, EC Tax Rev. 2003, 68; Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 61. Dies beruht wohl vorwiegend auf der Abwägung des EuGH, ob in strittigen Fällen eine Vergleichbarkeit vorliegt oder nicht. Diese ohnehin zwingende Abwägung reicht aber offensichtlich nicht aus. Andernfalls ist nicht erklärbar, warum etwa im Fall des bereits mehrfach kritisierten Urt. v. 05.07.2005, C-376/03 („D”), Slg. 2005, I-5821 (siehe die Fn. 220 und 253) Hindernisse für den Binnenmarkt bestehen bleiben. Die Aufnahme eines Verhältnismäßigkeitstests nach Ablehnung der Vergleichbarkeit könnte derartige Fehlentscheidungen des EuGH ggf. verhindern. 275 GA Maduro, SchlA v. 03.04.2008, C-524/06 (Huber), Slg. 2008, I-9705, Rz. 7; zustimmend: GA Kokott, SchlA v. 18.09.2008, C-282/07 (Truck Center), Slg. 2008, I-
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
muss sich […] auf den Unterschied ihrer jeweiligen Situation beziehen und in angemessenem Verhältnis zu diesem stehen.“ Dies überzeugt, denn andernfalls besteht die Gefahr, dass bei Ablehnung der Vergleichbarkeit steuerliche Hindernisse auf dem Binnenmarkt bestehen bleiben. c)
Rechtfertigung
Bewirkt eine mitgliedstaatliche Norm eine Diskriminierung bzw. Beschränkung einer Grundfreiheit, führt dies nicht zwangsläufig zu ihrer Europarechtswidrigkeit. Die Norm könnte gerechtfertigt sein. Die Rechtfertigung bildet den zweiten Schwerpunkt der Grundfreiheitsprüfung. Sie dient insbesondere dazu, die Interessen zu berücksichtigen, die die Mitgliedstaaten mit der streitigen Norm verfolgen. Dazu sieht der AEUV geschriebene Rechtfertigungsgründe vor; der EuGH hat darüber hinaus aber auch weitere mitgliedstaatliche Interessen als ungeschriebene Rechtfertigungsgründe anerkannt. aa)
Geschriebene Rechtfertigungsgründe
Der AEUV enthält in den Art. 45, 51, 52, 62 und 65 Vorbehalte zugunsten der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit. Diese werden vom EuGH jedoch stets restriktiv ausgelegt.276 So ist die öffentliche Ordnung etwa nur betroffen, wenn eine „tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt“277. Die Relevanz dieser Vorbehalte ist im Steuerrecht dementsprechend gering.278 Ähnlich restriktiv hat der EuGH den speziell zugunsten des Steuerrechts in Art. 65 Abs. 1 lit. a AEUV enthaltenen Vorbehalt ausgelegt,279 nach dem die Kapitalverkehrsfreiheit „nicht das Recht der Mitgliedstaaten [berührt], die einschlägigen Vor-
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10767, Rz. 37. A.A. in dieser Rechtssache war der EuGH, Urt. v. 22.12.2008, C-282/07 (Truck Center), Slg. 2008, I-10767, Rz. 41-48, der trotz eigentlich geringfügiger Unterschiede von einer fehlenden Vergleichbarkeit ausging. Kritisch: Lang, EC Tax Rev. 2009, 98 (100 f.). Vgl. auch EuGH, Urt. v. 04.12.1974, 41/74 (van Duyn), Slg. 1974, 1337, Rz. 18/19. EuGH, Urt. v. 27.10.1977, 30/77 (Bouchereau), Slg. 1977, 1999, Rz. 35; Urt. v. 18.05.1982, 115/81 u.a. (Cornuaille), Slg. 1982, 1665; zuvor bereits: Urt. v. 28.10.1975, 36/75 (Rutili), Slg. 1975, 1219, Rz. 26/28. Vgl. Cordewener, DStR 2004, 6 (8); Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 273; Hahn, DStZ 2005, 507; Schnitger, Grenzen, 2006, S. 309; Lang/Englisch, in: Amatucci, International Tax Law, 2006, S. 251 (288); Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 107; Lang, Die Rechtsprechung des EuGH, 2007, S. 47; van Thiel, ET 2008, 279; Cordewener/Kofler/van Thiel, CMLRev. 2009, 1951 (1953). Vgl. dazu ausführlich Cordewener/Kofler/Schindler, ET 2007, 114-117. Restriktiv legt der EuGH auch Art. 65 Abs. 1 lit. b AEUV aus, wonach die Kapitalverkehrsfreiheit nicht das Recht der Mitgliedstaaten berühre, die „unerläßlichen Maßnahmen zu treffen, um Zuwiderhandlungen gegen innerstaatliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften, insbesondere auf dem Gebiet des Steuerrechts und der Aufsicht über Finanzinstitute, zu verhindern“, vgl. EuGH, Urt. v. 26.09.2000, C-478/98 (Kommission/Belgien), Slg. 2000, I-7587, Rz. 37-41.
Verrechnungspreisvorschriften
schriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln“. Nach Ansicht des EuGH kommt diesem Vorbehalt, der erst im Rahmen des Vertrags von Maastricht eingeführt wurde, nur eine deklaratorische Wirkung zu. Die Vorschrift verweise bloß darauf, dass eine diskriminierende Maßnahme mit der Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar ist, wenn keine Vergleichbarkeit besteht oder der Eingriff gerechtfertigt werden kann.280 bb)
Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe – Die „rule of reason“
In Anbetracht der geringen Relevanz der geschriebenen Rechtfertigungsgründe im Bereich des direkten Steuerrechts ist es nicht überraschend, dass der EuGH auch eine Rechtfertigung durch ungeschriebene zwingende Gründe des Allgemeininteresses zulässt281 (sog. „rule of reason“282). Die wirtschaftliche Freiheit ist nicht das einzige Ziel, das der AEUV kennt. Dieser enthält zwar nicht mehr den Katalog an Zielen des Art. 2 EG, enthält aber weitere Ziele wie das des Umweltschutzes in Art. 11 AEUV, die als gleichrangig mit den wirtschaftlichen Zielen einzustufen sind.283 Der EuGH versucht diese teils divergierenden Ziele und Interessen im Rahmen der Rechtfertigungsprüfung in Ausgleich zu bringen. Nationale Maßnahmen müssen „in nichtdiskriminieren280 Vgl. EuGH, Urt. v. 06.06.2000, C-35/98 (Verkooijen), Slg. 2000, I-4071, Rz. 43; Urt. v. 15.07.2004, C-315/02 (Lenz), Slg. 2004, I-7063, Rz. 26 f.; Urt. v. 07.09.2004, C319/02 (Manninen), Slg. 2004, I-7477, Rz. 28 f.; Urt. v. 08.09.2005, C-512/03 (Blanckaert), Slg. 2005, I-7685, Rz. 42; Urt. v. 19.01.2006, C-265/04 (Bouanich), Slg. 2006, I-923, Rz. 38; Urt. v. 08.11.2007, C-379/05 (Amurta), Slg. 2007, I-9569, Rz. 31 f.; Urt. v. 17.01.2008, C-256/06 (Jäger), Slg. 2008, I-123, Rz. 37-41; Urt. v. 20.05.2008, C194/06 (Orange European Smallcap Fund), Slg. 2008, I-3747, Rz. 57-59; Urt. v. 17.09.2009, C-182/08 (Glaxo Wellcome), Slg. 2009, I-8591, Rz. 67 f.; Urt. v. 19.11.2009, C-540/07 (Kommission/Italien), Slg. 2009, I-10983, Rz. 48 f.; Urt. v. 22.04.2010, C-510/08 (Mattner), Slg. 2010, I-3553, Rz. 33 f.; Urt. v. 03.06.2010, C487/08 (Kommission/Spanien), Slg. 2010, I-4843, Rz. 46 ff.; Urt. v. 10.02.2011, C436/08 u.a. (Haribo u.a.), IStR 2011, 299, Rz. 56-58; Urt. v. 10.02.2011, C-25/10 (Missionswerk Werner Heukelbach), IStR 2011, 192, Rz. 28 f.; Urt. v. 16.06.2011, C-10/10 (Kommission/Österreich), IStR 2011, 558, Rz. 28 f. 281 Vgl. erstmals EuGH, Urt. v. 20.02.1979, 120/78 (Cassis de Dijon), Slg. 1979, 649, Rz. 8: „Hemmnisse für den Binnenhandel der Gemeinschaft, die sich aus den Unterschieden der nationalen Regelungen […] ergeben, müssen hingenommen werden, soweit diese Bestimmungen notwendig sind, um zwingenden Erfordernissen gerecht zu werden“. Diese Rechtsprechung betraf zunächst die Warenverkehrsfreiheit, wurde später aber im Sinne der Konvergenz auf die übrigen Grundfreiheiten erweitert, vgl. etwa EuGH, Urt. v. 30.11.1995, C-55/94 (Gebhard), Slg. 1995, I-4165, Rz. 37; vgl. dazu ausführlich: Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 60 ff. 282 Vgl. zur Begriffsbildung Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 61 m.w.N. 283 Vgl. noch zu Art. 2 EG: Englisch, StuW 2003, 88 (91); Lang/Englisch, in: Amatucci, International Tax Law, 2006, S. 251 (289); Cordewener/Kofler/van Thiel, CMLRev. 2009, 1951 (1954); dies., Fundamental Freedoms and Direct Taxation, draft 2008, S. 70 f.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
der Weise angewandt werden, sie müssen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sie müssen geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist“.284 Diese Formulierung deutet darauf hin, dass nur Beschränkungen, aber keine Diskriminierungen durch ungeschriebene Gründe gerechtfertigt werden können. Dies hat der EuGH vor allem in früheren Urteilen285 vertreten, hält vereinzelt aber noch heute daran fest286. Dies konnte im Fall der vom EuGH angenommenen versteckten Diskriminierung aufgrund deren inhaltlicher Nähe zum Beschränkungsverbot287 nie überzeugen: Hier hat der EuGH daher auch die Rechtfertigung geprüft.288 Aber selbst nach herrschender Literaturauffassung soll die offene Diskriminierung nur durch geschriebene Gründe zu rechtfertigen sein.289 Die offene Diskriminierung spielt im Steuerrecht praktisch nur bei Gesellschaften aufgrund Art. 54 AEUV eine Rolle.290 Die herrschende 284 EuGH, Urt. v. 30.11.1995, C-55/94 (Gebhard), Slg. 1995, I-4165, Rz. 37; seither ständige Rechtsprechung, vgl. etwa Urt. v. 15.05.1997, C-250/95 (Futura Participations), Slg. 1997, I-2471, Rz. 26; Urt. v. 11.03.2004, C-9/02 (de Lasteyrie), Slg. 2004, I2409, Rz. 49; Urt. v. 27.11.2008, C-418/07 (Papillon), Slg. 2008, I-8947, Rz. 33; Urt. v. 27.01.2009, C-318/07 (Persche), Slg. 2009, I-359, Rz. 52; Urt. v. 15.04.2010, C-96/08 (CIBA), Slg. 2010, I-2911, Rz. 45; Urt. v. 20.10.2011, C-284/09 (Kommission/Deutschland), IStR 2011, 840, Rz. 74. 285 Vgl. EuGH, Urt. v. 31.03.1993, C-19/92 (Kraus), Slg. 1993, I-1663, Rz. 32, 42; Urt. v. 29.04.1999, C-224/97 (Ciola), Slg. 1999, I-2517, Rz. 16; Urt. v. 29.04.1999, C-311/97 (Royal Bank of Scotland), Slg. 1999, I-2651, Rz. 30, 32. 286 Vgl. insbesondere EuGH, Urt. v. 06.10.2009, C-153/08 (Kommission/Spanien), Slg. 2009, I-9735, Rz. 36-38; weiterhin: Urt. v. 06.03.2007, C-338/04 u.a. (Placanica), Slg. 2007, I-1891, Rz. 49; Urt. v. 08.09.2009, C-42/07 (Liga Portuguesa de Futebol Profissional), Slg. 2009, I-7633, Rz. 60 jeweils m.w.N. 287 Siehe C.I.1.b)aa). 288 Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 28.01.1992, C-204/90 (Bachmann), Slg. 1992, I-249, Rz. 8 f., 14 ff.; Urt. v. 14.02.1995, C-279/93 (Schumacker), Slg. 1995, I-225, Rz. 26, 39 ff.; Urt. v. 11.08.1995, C-80/94 (Wielockx), Slg. 1995, I-2493, Rz. 22, 27; Urt. v. 20.01.2011, C-155/09 (Kommission/Griechenland), EuZW 2011, 182, Rz. 45 f., 51 ff. Jedoch die Anwendbarkeit der rule of reason bei allen Formen der Diskriminierung weiterhin negierend: Sedlaczek, in: Streinz, EUV/EGV, 2003, Art. 58 EG, Rz. 7; Terra/Wattel, European Tax Law, 4. Aufl. 2005, S. 55. 289 Vgl. Tiedje/Troberg, in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, 6. Aufl. 2003, Art. 43 EG, Rz. 114; Lackhoff, Niederlassungsfreiheit, 2000, S. 241 ff.; Edwards, EC company law, 2003, S. 363 f.; Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 1, 2. Aufl. 2012, Rz. 493 ff.; Mühl, Diskriminierung und Beschränkung, 2004, S. 240; Hinny, IFF Forum für Steuerrecht 2009, 77 (81); Jung, in: Schwarze, EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 48 EG, Rz. 25; Schneider/Wunderlich, in: Schwarze, EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 39 EG, Rz. 38; Helminen, EU Tax Law, 2009, S. 111; Forsthoff, in: Grabitz/ Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 45 AEUV, Rz. 373 (Stand: 09.2010); Kokott/Ost, EuZW 2011, 496 (497). 290 Siehe C.I.1.b)aa).
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Verrechnungspreisvorschriften
Ansicht führt in der Konsequenz dazu, dass eine Differenzierung nach der Ansässigkeit bei natürlichen Personen durch ungeschriebene Gründe ggf. rechtfertigbar ist, bei Gesellschaften hingegen nicht. Ist statt der Niederlassungsfreiheit etwa die Kapitalverkehrsfreiheit anzuwenden, wird Gesellschaften eine Rechtfertigung wiederum ermöglicht, weil Art. 54 AEUV hier nicht gilt.291 Derartige Diskrepanzen führen zu Wettbewerbsverzerrungen und widersprechen der Konvergenz der Grundfreiheiten. Eine Literaturauffassung will deswegen in Fällen des Art. 54 AEUV eine versteckte bzw. indirekte Diskriminierung annehmen.292 Dies ist mit dem Wortlaut des Art. 54 AEUV jedoch nicht zu vereinbaren. Überzeugender ist es, ungeschriebene Rechtfertigungsgründe auch für offene Diskriminierungen zuzulassen und somit einen einheitlichen Rechtfertigungsstandard anzuwenden.293 Wenn der EuGH eine Rechtfertigungsprüfung bei einer Gleichbehandlung unterschiedlicher Situationen vornimmt, sollte dies auch bei der Ungleichbehandlung vergleichbarer Situationen möglich sein.294 Den einheitlichen Rechtfertigungsstandard hat der EuGH mittlerweile mehrfach bestätigt.295 Auch in den Fällen offener Diskriminierungen sind widerstreitende Ziele und Interessen im Rahmen der Rechtfertigungsprüfung zu berücksichtigen.
291 Diese Diskrepanzen klar aufzeichnend: Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 124 ff. 292 Siehe bereits Fn. 52; vgl. Nachbaur, Niederlassungsfreiheit, 1999, S. 58; Gundel, Jura 2001, 79 (85); Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, vor Art. 39-55 EG, Rz. 223 (Stand: 05.2001); Edwards, EC company law, 2003, S. 364, 369; Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 58, dort Fn. 44 m.w.N. Diese stützen sich insbesondere auf einige Urteile, in denen der EuGH auf die versteckte Diskriminierung bzw. das Beschränkungsverbot ausweicht, um Rechtfertigungsgründe prüfen zu können, vgl. EuGH, Urt. v. 13.07.1993, C-330/91 (Commerzbank), Slg. 1993, I-4017, Rz. 15; Urt. v. 08.07.1999, C-254/97 (Baxter), Slg. 1999, I-4809, Rz. 9 f., 13; Urt. v. 14.12.2006, C170/05 (Denkavit), Slg. 2006, I-11949, Rz. 22, 29. 293 Vgl. GA Jacobs, SchlA v. 21.03.2002, C-136/00 (Danner), Slg. 2002, I-8147, Rz. 40; GA Maduro, SchlA v. 07.04.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837, Rz. 33; GA Legér, SchlA v. 02.05.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I7995, Rz. 64; GA Stix-Hackl, SchlA v. 01.06.2006, C-150/04 (Kommission/Dänemark), Slg. 2007, I-1163, Rz. Rz. 42-47; Cordewener, DStR 2004, 6 (9); ders., Grundfreiheiten, 2002, S. 150 ff.; Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 274 ff.; ders., Intertax 2010, 197 (206); Lang, Die Rechtsprechung des EuGH, 2007, S. 48; Jiménez, BIT 2010, 271 (273 f.). 294 Vgl. Lang, Die Rechtsprechung des EuGH, 2007, S. 47 f. 295 Vgl. EuGH, Urt. v. 28.01.1986, 270/83 (avoir fiscal), Slg. 1986, 273, Rz. 18, 21 ff.; Urt. v. 14.11.1995, C-484/93 (Svensson-Gustavsson), Slg. 1995, I-3955, Rz. 15 ff.; Urt. v. 16.07.1998, C-264/96 (ICI), Slg. 1998, I-4695, Rz. 23 f., 28; Urt. v. 13.03.2007, C524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 37, 66 ff.; Urt. v. 17.01.2008, C-105/07 (Lammers & Van Cleef), Slg. 2008, I-173, Rz. 19, 25 ff.; Urt. v. 05.06.2008, C-164/07 (Wood), Slg. 2008, I-4143, Rz. 13; Urt. v. 16.12.2008, C-524/06 (Huber), Slg. 2008, I9705, Rz. 75; Urt. v. 20.01.2011, C-155/09 (Kommission/Griechenland), EuZW 2011, 182, Rz. 68. Siehe aber auch die gegenteilige Auffassung in den Urteile in Fn. 286.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
Der EuGH hat sich gegenüber vielen Zielen, die von den Mitgliedstaaten vorgebracht wurden, offen gezeigt.296 Er stellt aber gewisse qualitative Anforderungen an die Ziele, die eine streitige mitgliedstaatliche Maßnahme verfolgt: Diese müssen zwingende Gründe des Allgemeininteresses sein.297 Kein zwingender Grund des Allgemeininteresses ist der Ausfall von Steuereinnahmen.298 Andernfalls wären die Grundfreiheiten im Steuerrecht auch sinnentleert.299 Dennoch stellt dieses Motiv häufig den wahren Hintergrund für das Vorbringen eines Rechtfertigungsgrundes durch einen Mitgliedstaat dar.300 In der Rechtsprechung hat sich aber eine Reihe von Rechtfertigungsgründen herauskristallisiert, die der EuGH als zwingende Gründe des Allgemeininteresses anerkennt. Auf diese soll im Einzelnen aber erst an späterer Stelle eingegangen werden.301 Die Mitgliedstaaten berufen sich gewöhnlich auf diese etablierten Gründe und müssen dann nachweisen, dass ihre Maßnahme, die Streitgegenstand des Verfahrens ist, diese Ziele auch verfolgt.
296 In einer jüngeren Entscheidung erkannte der EuGH in Erbschaftsteuerfällen etwa das Ziel der Weiterführung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe und der Aufrechterhaltung von Arbeitsplätzen zum ersten Mal an, vgl. EuGH, Urt. v. 17.01.2008, C-256/06 (Jäger), Slg. 2008, I-123, Rz. 50. 297 Vgl. EuGH, Urt. v. 30.11.1995, C-55/94 (Gebhard), Slg. 1995, I-4165, Rz. 37; siehe auch Fn. 284. 298 Vgl. EuGH, Urt. v. 28.04.1998, C-118/96 (Safir), Slg. 1998, I-1897, Rz. 34; Urt. v. 16.07.1998, C-264/96 (ICI), Slg. 1998, I-4695, Rz. 28; Urt. v. 06.06.2000, C-35/98 (Verkooijen), Slg. 2000, I-4071, Rz. 59; Urt. v. 08.03.2001, C-397/98 u.a. (Metallgesellschaft u.a.), Slg. 2001, I-1727, Rz. 59; Urt. v. 03.10.2002, C-136/00 (Danner), Slg. 2002, I-8147, Rz. 56; Urt. v. 21.11.2002, C-436/00 (X und Y), Slg. 2002, I-10829, Rz. 50; Urt. v. 12.12.2002, C-385/00 (de Groot), Slg. 2002, I-11819, Rz. 103; Urt. v. 18.09.2003, C-168/01 (Bosal), Slg. 2003, I-9409, Rz. 42; Urt. v. 13.12.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837, Rz. 44; Urt. v. 20.05.2008, C-194/06 (Orange European Smallcap Fund), Slg. 2008, I-3747, Rz. 84; Urt. v. 17.09.2009, C-182/08 (Glaxo Wellcome), Slg. 2009, I-8591, Rz. 82; Urt. v. 22.12.2010, C-287/10 (Tankreederei I), IStR 2011, 190, Rz. 27; Urt. v. 10.02.2011, C-436/08 u.a. (Haribo u.a.), IStR 2011, 299, Rz. 126; Urt. v. 16.06.2011, C-10/10 (Kommission/Österreich), IStR 2011, 558, Rz. 40; Urt. v. 20.10.2011, C-284/09 (Kommission/Deutschland), IStR 2011, 840, Rz. 83. Der EuGH ließ dabei etwa im Urt. v. 06.03.2007, C-292/04 (Meilicke u.a.), Slg. 2007, I-1835 auch erhebliche Aufkommenseinbußen der Mitgliedstaaten unberücksichtigt, die vom BMF auf 5 Mrd. € geschätzt wurden, vgl. GA Stix-Hackl, SchlA v. 05.10.2006, C-292/04 (Meilicke u.a.), Slg. 2007, I-1835, Rz. 61. 299 Vgl. Englisch, StuW 2003, 88 (95); Schnitger, Grenzen, 2006, S. 314; ebenso: Cordewener/Kofler/van Thiel, CMLRev. 2009, 1951 (1958), siehe dort auch mit weiteren Argumenten die S. 1961 ff. 300 Vgl. auch Cordewener/Kofler/van Thiel, CMLRev. 2009, 1951 (1959 f.). 301 Siehe C.I.2.c) und C.II.2.c). Die Darstellung beschränkt sich dort auf die für diese Arbeit relevanten Gründe.
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Verrechnungspreisvorschriften
Eine nationale Maßnahme ist aber nicht allein dadurch gerechtfertigt, dass sie ein legitimes Ziel verfolgt. Wie im Verfassungsrecht302 muss sie im Sinne einer Schranken-Schranke zudem verhältnismäßig und somit zur Zielerreichung geeignet, erforderlich und angemessen sein. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung dient vor allem der Abwägung zwischen dem Interesse der Marktteilnehmer an der Ausübung der Grundfreiheiten und dem zwingenden Grund des Allgemeininteresses.303 Sie zielt auf die Herstellung einer Einzelfallgerechtigkeit ab und entscheidet letztlich über die Durchsetzungskraft des Diskriminierungsund Beschränkungsverbots.304 Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist eine Maßnahme geeignet, wenn sie zur Zielerreichung zumindest nützlich305 ist. Insofern steht dem Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative zu, so dass nur offensichtlich ungeeignete Maßnahmen ausscheiden.306 In der jüngeren Rechtsprechung hat der EuGH den Gesetzgeber darüber hinaus teilweise zu einer „kohärenten und systematischen“ Zielverfolgung verpflichtet.307 Diese Rechtsprechung hat er zunächst im Glücksspielrecht bei Regelungen zur Bekämpfung der Spielsucht entwickelt,308 hat sie dann aber etwa auch 302 Siehe C.II.1.b)aa)(5). Vgl. Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 334; ders., DStR 2004, 6 (9); Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 283; Hahn, DStZ 2005, 433 (442); Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 1, 2. Aufl. 2012, Rz. 537 f. 303 Vgl. Fischer, Gemeinschaftsrecht, 2001, S. 124; Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 97 ff.; Hahn, DStZ 2005, 507 (508); Schnitger, Grenzen, 2006, S. 398; Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, 2007, Rz. 845; Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 1, 2. Aufl. 2012, Rz. 563. 304 Vgl. Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 978; Thömmes, FS Wassermeyer, 2005, S. 207 (220 f.). 305 Vgl. GA Van Gerven, SchlA v. 08.07.1992, C-306/88 (Anders), Slg. 1992, I-6457, Rz. 30; Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 87 m.w.N.; Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 285. 306 Vgl. EuGH, Urt. v. 11.07.1989, 265/87 (Schräder), Slg. 1989, 2237, Rz. 22; Urt. v. 13.11.1990, C-331/88 (Fedesa u.a.), Slg. 1990, I-4023, Rz. 14; Urt. v. 11.06.2009, C33/08 (Agrana Zucker), Slg. 2009, I-5035, Rz. 33; Urt. v. 20.05.2010, C-365/08 (Agrana Zucker II), Slg. 2010, I-4341, Rz. 30 f.; Urt. v. 12.10.2010, C-499/08 (Andersen), EuZW 2010, 904, Rz. 35; Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, vor Art. 39-55 EG, Rz. 172 (Stand: 05.2001); Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 87; Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 285. 307 Vgl. erstmals EuGH, Urt. v. 06.11.2003, C-243/01 (Gambelli u.a.), Slg. 2003, I-13031, Rz. 67. 308 Vgl. EuGH, Urt. v. 06.11.2003, C-243/01 (Gambelli u.a.), Slg. 2003, I-13031, Rz. 67; Urt. v. 06.03.2007, C-338/04 u.a. (Placanica u. a.), Slg. 2007, I-1891, Rz. 53; Urt. v. 08.09.2009, C-42/07 (Liga Portuguesa de Futebol Profissional u.a.), Slg. 2009, I-7633, Rz. 61; Urt. v. 06.10.2009, C-153/08 (Kommission/Spanien), Slg. 2009, I-9735, Rz. 38, 41; Urt. v. 03.06.2010, C-258/08 (Ladbrokes), n.n.v., Rz. 21; Urt. v. 08.09.2010, C409/06 (Winner Wetten), NZA 2010, 1219, Rz. 20; Urt. v. 08.09.2010, C-316/07 (Stoß u.a.), EWS 2010, 468, Rz. 88 ff.; Urt. v. 08.09.2010, C-46/08 (Carmen Media Group), EWS 2010, 477, Rz. 53 ff.; Urt. v. 15.09.2011, C-347/09 (Dickinger und Ömer), EuZW 2011, 841, Rz. 56 f.; Urt. v. 16.02.2012, C-72/10 u.a. (Costa u.a.), n.n.v., Rz. 63.
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auf Regelungen zum Gesundheitsschutz,309 zur Herstellung der Sicherheit im Straßenverkehr310 oder zur Beschäftigungsförderung311 übertragen.312 Im Steuerrecht hat er eine kohärente und systematische Zielverfolgung bisher nur in den Rs. Kommission/Spanien313 und Regione Sardegna314 hinsichtlich der Ziele der Bekämpfung der Spielsucht bzw. des Schutzes der Umwelt verlangt, hat im Rahmen der in den Urteilen im Übrigen geprüften Ziele wie der Bekämpfung der Steuerflucht oder der Wahrung der steuerlichen Kohärenz315 jedoch darauf verzichtet.316 Richtigerweise hat der EuGH damit bisher nur Lenkungsziele im Sinne einer Verhaltenslenkung auf ihre systematische und kohärente Zielverfolgung hin überprüft und hält im Übrigen317 am traditionellen Kriterium der bloßen Nützlichkeit zur Zielerreichung fest. Zielt der nationale Gesetzgeber mit einer steuerlichen Regelung nicht auf eine Verhaltenslenkung, sondern etwa auf eine am Territorialitätsprinzip orientierte zwischenstaatliche 309 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.07.2008, C-500/06 (Corporación Dermoestética), Slg. 2008, I5785, Rz. 39 f.; Urt. v. 10.03.2009, C-169/07 (Hartlauer), Slg. 2009, I-1721, Rz. 55; Urt. v. 19.05.2009, C-171/07 u.a. (Apothekenkammer des Saarlandes u.a.), Slg. 2009, I4171, Rz. 42; Urt. v. 19.05.2009, C-531/06 (Kommission/Italien), Slg. 2009, I-4103, Rz. 66; Urt. v. 12.01.2010, C-341/08 (Petersen), Slg. 2010, I-47, Rz. 53; Urt. v. 01.06.2010, C-570/07 u.a. (Blanco Pérez), Slg. 2010, I-4629, Rz. 94; Urt. v. 16.12.2010, C-89/09 (Kommission/Frankreich), NZG 2011, 265, Rz. 70. 310 Vgl. EuGH, Urt. v. 11.03.2010, C-384/08 (Attanasio Group), Slg. 2010, I-2055, Rz. 51. 311 Vgl. EuGH, Urt. v. 18.11.2010, C-250/09 u.a. (Georgiev u.a.), EuZW 2011, 116, Rz. 56. 312 Vgl. weiterhin zu Regelungen zur Bekämpfung des Drogentourismus EuGH, Urt. v. 16.12.2010, C-137/09 (Josemans), EuZW 2011, 219, Rz. 70 ff.; zur Sicherstellung einer ausgewogenen Altersstruktur der Beamtenschaft Urt. v. 21.07.2011, C-159/10 u.a. (Fuchs u.a.), NVwZ 2011, 1249, Rz. 85 ff. sowie zur Erhaltung der Kaufkraft von Pensionen Urt. v. 20.10.2011, C-123/10 (Brachner), n.n.v., Rz. 71 ff. 313 EuGH, Urt. v. 06.10.2009, C-153/08 (Kommission/Spanien), Slg. 2009, I-9735, Rz. 38, 41. 314 EuGH, Urt. v. 17.11.2009, C-169/08 (Regione Sardegna), Slg. 2009, I-10821, Rz. 40 ff., 42, 46 ff. 315 Kohärenz bedeutet im Sinne dieses Rechtfertigungsgrundes einen exakten Vorteilsausgleich zwischen unmittelbar im Zusammenhang stehenden steuerlichen Vor- und Nachteilen [siehe C.I.2.c)bb)] und ist damit nicht deckungsgleich mit dem Kriterium der kohärenten und systematischen Zielverfolgung, vgl. auch Kokott/Ost, EuZW 2011, 496 (502). 316 In der Rs. Haribo u.a. hat nur GA Kokott das Kriterium der kohärenten und systematischen Zielerreichung thematisiert (und kritisiert, siehe Fn. 318 f.). Der EuGH ist im Urteil nicht auf das Kriterium eingegangen, da hier nicht unmittelbar Lenkungsziele einschlägig waren, vgl. EuGH, Urt. v. 10.02.2011, C-436/08 u.a. (Haribo u.a.), IStR 2011, 299. 317 Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 11.06.2009, C-33/08 (Agrana Zucker), Slg. 2009, I-5035, Rz. 33; Urt. v. 20.05.2010, C-365/08 (Agrana Zucker II), Slg. 2010, I-4341, Rz. 30 f.; Urt. v. 08.07.2010, C-343/09 (Afton Chemical), Slg. 2010, I-7023, Rz. 46; Urt. v. 12.10.2010, C-499/08 (Andersen), EuZW 2010, 904, Rz. 35; Urt. v. 21.07.2011, C150/10 (Beneo-Orafti), n.n.v., Rz. 76 f.
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Gewinnaufteilung oder eine lastengleiche Besteuerung ab, würde das Kriterium der systematischen und kohärenten Zielverfolgung dessen Gestaltungsspielräume übermäßig einschränken, ohne dabei zugleich zu mehr Wettbewerbsgleichheit auf dem Binnenmarkt beizutragen.318 Ohnehin ist hinsichtlich der neuen Rechtsprechung festzustellen, dass sie zu einer Vorwegnahme von Elementen der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit i.e.S. führt.319 Eine nationale Maßnahme ist nach ständiger Rechtsprechung des EuGH erforderlich, wenn zur Zielerreichung keine gleich geeignete Alternative existiert, die die betroffene Grundfreiheit in geringerem Maße beeinträchtigt.320 Ein 318 Vgl. in dieser Richtung auch GA Kokott, SchlA v. 11.11.2010, C-436/08 u.a. (Haribo u.a.), n.n.v., Rz. 67: „Eine so umfassende Kohärenzprüfung würde jedoch den Gestaltungsspielraum des nationalen Gesetzgebers bei der Frage, welche Einkünfte er in welchem Umfang besteuern möchte, übermäßig einschränken.“ Hinsichtlich Lenkungszielen erscheint es nachvollziehbar, dass der EuGH auf eine kohärente und systematische Zielverfolgung abstellt. Errichtet Deutschland etwa ein staatliches Monopol für Glücksspiele, mit dem Ziel die Spielsucht einzugrenzen, erscheint diese Maßnahme in Hinblick auf das mit ihr verfolgte Ziel insgesamt nicht als verhältnismäßig i.w.S., wenn zugleich massiv für das Angebot des staatlichen Monopolanbieters geworben wird, vgl. etwa EuGH, Urt. v. 08.09.2010, C-316/07 (Stoß u.a.), EWS 2010, 468, Rz. 107. Wenn der EuGH aber eine kohärente und systematische Verfolgung z.B. auch des Ziels der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse verlangen würde, bedeutete dies einerseits, dass die jeweilige streitige Regelung selbst keine Lücken aufweisen dürfte, die eine am Territorialitätsprinzip orientierte Aufteilung durchbrechen, andererseits könnten in diese Betrachtung auch andere Regelungen einbezogen werden, die zu einer Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse führen. Dies würde den Gesetzgeber dazu zwingen Konsistenz ggf. auch mit nichtdiskriminierenden Regelungen herzustellen, die dem Binnenmarktprinzip aber nicht entgegenstehen und die für sich durch den EuGH – zumindest im Steuerrecht [siehe C.I.1.b)bb)] – eigentlich nicht angreifbar wären. Den Gesetzgeber außerhalb von Lenkungszielen an eine kohärente und systematische Zielverfolgung zu binden, würde zudem einen tiefen Einschnitt in die Souveränität der Mitgliedstaaten bedeuten und wäre auch vor dem Hintergrund der Gewaltenteilung kritisch zu sehen. Die mit dem Kriterium der kohärenten und systematischen Zielverfolgung außerhalb von Lenkungszielen einhergehende Forderung nach wertungskonsistenter Gesetzgebung ginge dabei weit über die Anforderungen hinaus, die das BVerfG dem deutschen Gesetzgeber im Rahmen des Folgerichtigkeitsgebots [siehe dazu C.II.1.b)aa)(2)] auferlegt. Die Anwendung des Kriteriums außerhalb von Lenkungszielen ist daher – zumindest für das Steuerrecht – aus ganz grundsätzlichen Erwägungen abzulehnen. 319 Vgl. zutreffend GA Kokott, SchlA v. 11.11.2010, C-436/08 u.a. (Haribo u.a.), n.n.v., Rz. 67. Auch der EuGH prüft das Kriterium teilweise im Rahmen der Erforderlichkeit, vgl. Urt. v. 12.01.2010, C-341/08 (Petersen), Slg. 2010, I-47, Rz. 53; Urt. v. 16.12.2010, C-137/09 (Josemans), EuZW 2011, 219, Rz. 70 ff., 79-82; vgl. dazu auch Englisch, FS Lang, 2010, S. 167 (219). 320 Vgl. EuGH, Urt. v. 12.03.1987, 178/84 (Kommission/Deutschland), Slg. 1987, 1227, Rz. 35 f.; Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 87 f.; Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 1, 2. Aufl. 2012, Rz. 593; Hahn, DStZ 2005, 507 (514); Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 285; Schnitger, Grenzen, 2006, S. 399.
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Mitgliedstaat kann nach dem sog. Anerkennungsgrundsatz auch durch sein eigenes Verhalten an anderer Stelle – etwa durch Normen oder Verwaltungshandeln321 – zeigen, dass ein solch milderes Mittel existiert.322 Im Rahmen der Erforderlichkeit ist ein rein objektiver Maßstab anzulegen.323 Die oben beschriebene Abwägung zwischen den Interessen der Steuerpflichtigen einerseits und den Mitgliedstaaten andererseits findet erst bei der Prüfung der Angemessenheit der Maßnahme statt.324 Hier ist festzustellen, ob die streitige Maßnahme – auch wenn sie geeignet und erforderlich ist – im Verhältnis zum verfolgten Ziel nicht zu einer übermäßigen Auswirkung auf den Normadressaten führt.325 Dies ist stets eine Einzelfallentscheidung im konkret vorliegenden Sachverhalt.326 Der EuGH verzichtet zumeist auf eine explizite Prüfung Verhältnismäßigkeit i.e.S.327 Wie GA Trstenjak zuletzt zutreffend feststellte, erlaubt dies aber „nicht die Schlussfolgerung, dass die Verhältnismäßigkeitsprüfung nach einem zweistufigen Prüfungsschema, ohne Berücksichtigung der 321 Vgl. Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 452 f., 827; Schnitger, Grenzen, 2006, S. 184, dort Fn. 98. 322 Vgl. EuGH, Urt. v. 28.01.1986, 270/83 (avoir fiscal), Slg. 1986, 273, Rz. 20; Urt. v. 29.04.1999, C-311/97 (Royal Bank of Scotland), Slg. 1999, I-2664, Rz. 31; Urt. v. 01.06.1999, C-302/97 (Konle), Slg. 1999, I-3099, Rz. 48; Urt. v. 21.09.1999, C-307/97 (Saint Gobain), Slg. 1999, I-6161, Rz. 60; Urt. v. 16.05.2000, C-87/99 (Zurstrassen), Slg. 2000, I-3337, Rz. 25; Urt. v. 29.03.2007, C-347/04 (Rewe Zentralfinanz), Slg. 2007, I-2647, Rz. 44, 49, 61. Den Anerkennungsgrundsatz richtig in die Verhältnismäßigkeitsprüfung einordnend: BR-Drs. 542/06(B), S. 2 f.; Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 340 m.w.N.; Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 726; Reimer, FR 2007, 217 (219). Den Grundsatz hingegen der Vergleichbarkeitsprüfung zurechnend: Schnitger, Grenzen, 2006, S. 183 f. 323 Vgl. Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 87. 324 Vgl. Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 87; Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 285; Schnitger, Grenzen, 2006, S. 399; Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 109; Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 1, 2. Aufl. 2012, Rz. 597. 325 Vgl. Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 286; Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 109; Cordewener/Kofler/van Thiel, Fundamental Freedoms and Direct Taxation, draft 2008, S. 71. 326 Vgl. Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 98; Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 109. 327 Vgl. aber EuGH, Urt. v. 13.11.1990, C-331/88 (Fedesa u.a.), Slg. 1990, I-4023, Rz. 13: „Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes gehört der Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts. Nach diesem Grundsatz hängt die Rechtmässigkeit des Verbots einer wirtschaftlichen Tätigkeit davon ab, daß die Verbotsmaßnahmen zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich sind. Dabei ist, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen; ferner müssen die verursachten Nachteile in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen“; vgl. auch Urt. v. 07.09.2006, C-310/04 (Spanien/Rat), Slg. 2006, I-7285, Rz. 97; Urt. v. 11.06.2009, C-33/08 (Agrana Zucker), Slg. 2009, I-5035, Rz. 31; Urt. v. 20.05.2010, C-365/08 (Agrana Zucker II), Slg. 2010, I-4341, Rz. 29.
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Verrechnungspreisvorschriften
Angemessenheit der betreffenden Maßnahme, zu erfolgen hat.“328 Vielmehr nimmt der EuGH zumeist implizit in der Erforderlichkeitsprüfung auch eine Interessenabwägung im Sinne einer Prüfung der Verhältnismäßigkeit i.e.S. vor.
2.
Unionsrechtliche Würdigung der Verrechnungspreisvorschriften
Nach Klärung des Gewährleistungsgehalts der Grundfreiheiten können im Folgenden die deutschen Verrechnungspreisvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit diesen Vorgaben hin untersucht werden. Grundfreiheitlich sind grundsätzlich diejenigen Fälle bedenklich, in denen in einem grenzüberschreitenden Sachverhalt eine höhere Steuerbelastung auftritt als im vergleichbaren innerstaatlichen Sachverhalt. Folglich steht insbesondere § 1 AStG in Verdacht, gegen die Grundfreiheiten zu verstoßen: Denn dieser ist ausschließlich im grenzüberschreitenden Fall anwendbar, wenn dessen Rechtsfolgen über diejenigen der verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage hinausgehen.329 Aber auch letztere Vorschriften sind grundfreiheitlich nicht unbedenklich, weil sie den grenzüberschreitenden Fall zusätzlich mit einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung belasten können. Damit ist zu untersuchen, ob es mit dem Unionsrecht zu vereinbaren ist, dass im grenzüberschreitenden Fall teilweise eine höhere Steuerbelastung durch die Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen entsteht als im vergleichbaren Inlandsfall. Schwerpunkte der Analyse sind die Fragestellungen, ob der grenzüberschreitende Sachverhalt überhaupt mit dem inländischen vergleichbar ist, in dem keine Gefahr der Verlagerung von Steuersubstrat ins Ausland besteht, und ob die mit der Norm verfolgten gesetzgeberischen Ziele eine Rechtfertigung begründen können. Dabei ist insbesondere fraglich, welche Rolle es spielt, dass Art. 9 OECD-MA und das EU-SchÜ sowohl Einkünftekorrekturen zwischen verbundenen Unternehmen als auch Maßnahmen zur Vermeidung einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung vorsehen.330 Besondere Relevanz für diese Fragestellungen hat die Rechtsprechung des EuGH zu Unterkapitalisierungsvorschriften in den Rs. Lankhorst-Hohorst331, Thin Cap332, Lasertec333 und Lammers & Van Cleef334. Zudem hat der EuGH am 21.01.2010 in der Rs. SGI335 erstmals 328 GA Trstenjak, SchlA v. 21.01.2010, C-365/08 (Agrana Zucker II), Slg. 2010, I-4341, Rz. 60 mit Fn. 18; vgl. auch die Angemessenheitsprüfung in ihren SchlA v. 14.04.2010, C-271/08 (Kommission/Deutschland), Slg. 2010, I-7087, Rz. 189 ff. und v. 08.03.2011, C-10/10 (Kommission/Österreich), n.n.v., Rz. 67 ff. 329 Siehe bereits B.I.2. Siehe zu den Bedenken deutscher Finanzgerichte und der Literatur oben Fn. 1 f. 330 Siehe bereits B.IV. 331 EuGH, Urt. v. 12.12.2002, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-11779. 332 EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107. 333 EuGH, Bschl. v. 10.05.2007, C-492/04 (Lasertec), Slg. 2007, I-3775. 334 EuGH, Urt. v. 17.01.2008, C-105/07 (Lammers & Van Cleef), Slg. 2008, I-173.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
über die Vereinbarkeit einer Verrechnungspreisvorschrift mit den Grundfreiheiten entschieden und dabei wesentlich auf seine Rechtsprechung zur Unterkapitalisierung Bezug genommen. Die in der Rs. streitige belgische Verrechnungspreisvorschrift des Art. 26 CIR336 weist insofern eine Ähnlichkeit zu § 1 AStG auf, als sie ebenfalls allein auf grenzüberschreitende Sachverhalte Anwendung findet. Gegenstand der Untersuchung sind die deutschen Verrechnungspreisvorschriften, wie sie von der Finanzverwaltung ohne Beachtung einer abkommensrechtlichen Schrankenwirkung in der Steuerveranlagung durchgesetzt werden.337 Im Folgenden werden gemäß dem vom EuGH verfolgten Prüfungsaufbau zunächst die im Fall der Verrechnungspreisvorschriften anwendbaren Grundfreiheiten bestimmt. Daraufhin wird untersucht, ob die Verrechnungspreisvorschriften eine Diskriminierung oder Beschränkung der Grundfreiheiten begründen und ob diese ggf. gerechtfertigt werden können. a)
Anwendungsbereich
Eine Transaktion zwischen verbundenen Unternehmen kann verschiedene Gegenstände zur Grundlage haben wie etwa Waren, Kapital oder sonstige Leistungen. Auf den ersten Blick könnten daher sowohl die Warenverkehrsfreiheit, die Kapitalverkehrsfreiheit, die Dienstleistungsfreiheit338 als auch – aufgrund des Handels zwischen den Gesellschaften eines Konzerns – die Niederlassungsfreiheit betroffen sein.339 In derartigen Fällen nimmt der EuGH vor der eigentlichen Prüfung der Anwendbarkeit der Grundfreiheiten eine Abgrenzung insbesondere zwischen der Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit vor.340 Diese ist von besonderer Bedeutung, weil die Kapitalverkehrs335 EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487. 336 Code des impôts sur les revenus i.d.F. von 1992. Vgl. zu Art. 26 CIR auch De Broe, International Tax Planning and Prevention of Abuse, 2008, S. 78 ff. 337 Siehe zur Schrankenwirkung B.IV.1 sowie B.IV.2.a)bb). 338 Hier sei angemerkt, dass die Dienstleistungsfreiheit nicht zwingend Dienstleistungen im Sinne des tertiären Sektors erfasst, sondern sämtliche unkörperlichen, selbstständigen Leistungen, die grenzüberschreitend, ohne dauerhafte physische Präsenz im anderen Mitgliedstaat, gegen Entgelt erbracht werden, siehe Art. 56 f. AEUV und vgl. etwa Tiedje/Troberg, in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, 6. Aufl. 2003, Art. 49 EG, Rz. 3 ff.; Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung, 2005, S. 52 ff. 339 Vgl. auch Dautzenberg/Goksch, BB 2000, 904 (908); Herlinghaus, FR 2001, 240 (242); Mann, Einkünftekorrekturnormen, 2008, S. 118 ff., 238; Schön, Transfer Pricing, the Arm’s Length Standard and European Union Law, 2011, S. 4, 13, Download unter: http://ssrn.com/abstract=1930237. 340 Vgl. EuGH, Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 31 ff.; Urt. v. 12.12.2006, C-374/04 (ACT), Slg. 2006, I-11673, Rz. 37 ff.; Urt. v. 06.12.2006, C-446/04 (FII), Slg. 2006, I-11753, Rz. 80 ff.; der Prüfungsaufbau wird besonders deutlich im: Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 26 ff.; Urt. v. 26.06.2008, C-284/06 (Burda), Slg. 2008, I-4571, Rz. 67 ff.; Urt. v. 22.12.2008, C-282/07 (Truck Center), Slg. 2008, I-10767, Rz. 24 ff.; Urt. v.
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Verrechnungspreisvorschriften
freiheit als einzige Grundfreiheit gemäß Art. 63 AEUV auch Sachverhalte „zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern“ erfasst.341 Wie bereits erläutert wurde, ist die Abgrenzung zwischen den übrigen Grundfreiheiten aufgrund der Konvergenz ihrer Schutzbereiche in aller Regel nicht entscheidend.342 aa)
Abgrenzung der Niederlassungs- von der Kapitalverkehrsfreiheit
Im Schrifttum343 und vom BFH344 wurde bis vor kurzem überwiegend die parallele Anwendbarkeit von Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit vertreten und vor allem mit den wechselseitigen Vorbehalten in Art. 49 Abs. 2 und 65 Abs. 2 AEUV begründet.345 Der EuGH hat das Konkurrenzverhältnis der beiden Grundfreiheiten auf Initiative einiger Generalanwälte346 in einer Reihe von Entscheidungen seit 2006 nun hin zu einer weitgehenden Vorrangigkeit der Niederlassungsfreiheit aufgelöst.347 Dabei macht er es sich zu
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18.06.2009, C-303/07 (Aberdeen Property Fininvest Alpha), Slg. 2009, I-5145, Rz. 29 ff. Vgl. nur GA Kokott, SchlA v. 10.09.2009, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 37 f. Im Verhältnis zur Schweiz ist allerdings das Freizügigkeitsabkommen zu beachten, vgl. dazu etwa Weigell, IStR 2006, 190 ff.; Cordewener, IStR 2008, 536 (539 f.); EuGH, Urt. v. 12.11.2009, C-351/08 (Grimme), Slg. 2009, I-10777; Urt. v. 11.02.2010, C541/08 (Fokus Invest), Slg. 2010, I-1025; Urt. v. 15.07.2010, C-70/09 (Hengartner und Gasser), Slg. 2010, I-7229. Siehe C.I.1.a) und vgl. GA Kokott, SchlA v. 10.09.2009, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I487, Rz. 36-38; Lang, Die Rechtsprechung des EuGH, 2007, S. 21; Schön, JbFStR 2008/2009, 29 (70); Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, vor Art. 3955 EG, Rz. 208 (Stand: 05.2001). Vgl. Schön, GS Knobbe-Keuk, 1997, S. 743 (749 f.); ders., FS Wassermeyer, 2005, S. 489 (498 f.); Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 328; Toifl, Personengesellschaften, 2003, S. 188 f.; Haferkamp, Die Kapitalverkehrsfreiheit im System der Grundfreiheiten des EG-Vertrages, 2003, S. 178; Sedlaczek, in: Streinz, EUV/EGV, 2003, Art. 56 EG, Rz. 13 f.; Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 222; Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 3. Aufl. 2007, Art. 56 EG, Rz. 23. Vgl. BFH, Urt. v. 09.08.2006, I R 95/05, BStBl. II 2007, 279; Urt. v. 22.08.2006, I R 116/04, BStBl. II 2006, 864. Vgl. etwa Schön, GS Knobbe-Keuk, 1997, S. 743 (749 ff.); Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 43 EG, Rz. 114 (Stand: 05.2001); Tiedje/Troberg, in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, 6. Aufl. 2003, Art. 43 EG, Rz. 20; Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 219 f.; ferner: Kofler, taxlex 2008, 326 (327); Cordewener, IWB 2009, Fach 11 Gruppe 2, 995 (998). Vgl. GA Alber, SchlA v. 14.10.1999, C-251/98 (Baars), Slg. 2000, I-2787, Rz. 26; GA Geelhoed, SchlA v. 23.02.2006, C-374/04 (ACT), Slg. 2006, I-11673, Rz. 27-30; GA Léger, SchlA v. 02.05.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 32 f.; GA Geelhoed, SchlA v. 29.06.2006, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 35 f.; vgl. auch GA Geelhoed, SchlA v. 20.11.2001, C-515/99 u.a. (Reisch u.a.), Slg. 2002, I-2157, Rz. 62 ff. Vgl. EuGH, Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 31-33 und die Folgerechtsprechung, vgl. die Nachweise in den Fn. 349 f. Vgl. zu-
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
Nutze, dass die Niederlassungsfreiheit im Unterschied zur Kapitalverkehrsfreiheit nur auf Beteiligungen anwendbar ist, die eine gewisse Kontrolle ermöglichen.348 Der EuGH sah die Niederlassungsfreiheit dementsprechend in einigen Urteilen dann als vorrangig an, wenn der Gegenstand der Norm auf eine derartige Kontrollbeteiligung abstellte,349 in anderen Urteilen, wenn im konkreten Sachverhalt eine derartige Beteiligung bestand350. Diese zunächst unklare Rechtsprechung351 hat der EuGH im Jahr 2008 mit der Rs. Burda352 und mehreren bestätigenden Urteilen353 zunächst zugunsten eines zweistufigen Tests aufgelöst:354 Danach ist auf der ersten Stufe auf den Gegenstand der
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letzt aber auch den Vorrang der Kapitalverkehrsfreiheit im Urt. v. 17.09.2009, C182/08 (Glaxo Wellcome), Slg. 2009, I-8591, Rz. 49-52. Vgl. zuvor bereits EuGH, Urt. v. 13.04.2000, C-251/98 (Baars), Slg. 2000, I-2787, Rz. 22; Urt. v. 05.11.2002, C-208/00 (Überseering), Slg. 2002, I-9919, Rz. 77; Urt. v. 21.11.2002, C-436/00 (X und Y), Slg. 2002, I-10829, Rz. 37. Vgl. insbesondere EuGH, Urt. v. 24.05.2007, C-157/05 (Holböck), Slg. 2007, I-4051, Rz. 22; ferner: Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 31; Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 28 f.; Bschl. v. 10.05.2007, C-492/04 (Lasertec), Slg. 2007, I-3775, Rz. 19 f.; Urt. v. 18.07.2007, C231/05 (Oy AA), Slg. 2007, I-6373, Rz. 23; Bschl. v. 05.11.2007, C-415/06 (Stahlwerk Ergste Westig), Slg. 2007, I-151, Rz. 13-15. Vgl. auch BFH, Urt. v. 09.08.2006, I R 95/05, BStBl. II 2007, 279; Urt. v. 26.11.2008, I R 7/08, IStR 2009, 244 f. Vgl. EuGH, Urt. v. 14.02.2008, C-414/06 (Lidl Belgium), Slg. 2008, I-3601, Rz. 15 f.; ferner: Urt. v. 12.12.2006, C-374/04 (ACT), Slg. 2006, I-11673, Rz. 40; Urt. v. 29.03.2007, C-347/04 (Rewe Zentralfinanz), Slg. 2007, I-2647, Rz. 23; vgl. auch: Bschl. v. 10.05.2007, C-492/04 (Lasertec), Slg. 2007, I-3775, Rz. 23; Bschl. v. 05.11.2007, C-415/06 (Stahlwerk Ergste Westig), Slg. 2007, I-151, Rz. 16. Vgl. auch GA Bot, SchlA v. 09.07.2009, C-182/08 (Glaxo Wellcome), Slg. 2009, I8591, Rz. 86 ff.; GA Kokott, SchlA v. 10.09.2009, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 36, Fn. 12; Zorn, FS Nolz, 2008, S. 211 (215 ff. m.w.N.); Tippelhofer/Lohmann, IStR 2008, 857 (861 f.); Kofler, taxlex 2008, 326 (329 f.); Brombach-Krüger, Ubg 2009, 335 (340); Sedemund, Ubg 2009, 560 (562); Cordewener, IWB 2009, Fach 11 Gruppe 2, 995 (998 f.); ders., EC Tax Rev. 2009, 260 ff. Die unklare Rechtsprechung führte auch bei den verschiedenen nationalen Gerichten zu unterschiedlichen Beurteilungen, vgl. Hemels u.a., EC Tax Rev. 2010, 19 (28 ff.); den Boer, ET 2010, 250 (256 f.). EuGH, Urt. v. 26.06.2008, C-284/06 (Burda), Slg. 2008, I-4571, Rz. 67-75. Vgl. EuGH, Urt. v. 22.12.2008, C-282/07 (Truck Center), Slg. 2008, I-10767, Rz. 2430; Urt. v. 26.03.2009, C-326/07 (Kommission/Italien), Slg. 2009, I- 2291, Rz. 32-39; Bschl. v. 04.06.2009, C-439/07 u.a. (KBC Bank u.a.), Slg. 2009, I-4409, Rz. 68-70; Urt. v. 18.06.2009, C-303/07 (Aberdeen Property Fininvest Alpha), Slg. 2009, I-5145, Rz. 29-36; Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 25-30, 33-37. Vgl. auch GA Kokott, SchlA v. 10.09.2009, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 2835; Zorn, FS Nolz, 2008, S. 211 (218); Kofler, taxlex 2008, 326 (330); Schön, JbFStR 2008/2009, 29 (76); Englisch, H&I 2/2009, 48; Cordewener, IWB 2009, Fach 11 Gruppe 2, 995 (998 f.); Benecke, IStR 2009, Länderbericht zu Heft 13, 1; Thömmes, IWB 2010, Fach 11a, 107 (108 f.); Moshammer, SWI 2010, 215 (216); De
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streitigen Norm abzustellen. Ist diese „nur auf Beteiligungen anwendbar, die es ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen“355, wird die Kapitalverkehrsfreiheit durch die Niederlassungsfreiheit verdrängt. Andernfalls ist auf der letztlich entscheidenden zweiten Stufe zu prüfen, ob im konkreten Sachverhalt eine derartige Kontrollbeteiligung besteht. Ist dies der Fall, ist allein die Niederlassungsfreiheit anwendbar, andernfalls allein die Kapitalverkehrsfreiheit. Die mit der Rs. Burda hergestellte klare Rechtslage hat der EuGH jedoch nur ein Jahr später mit der Rs. Glaxo Wellcome356 wieder in Frage gestellt.357 In dieser stellte er allein auf den Gegenstand der streitigen Norm ab und hielt trotz einer im konkreten Sachverhalt vorliegenden Beteiligung von 100% die Kapitalverkehrsfreiheit für einschlägig. Zwar griff der EuGH in der Rs. SGI358 hinsichtlich der belgischen Verrechnungspreisvorschrift des Art. 26 CIR wieder auf den zweistufigen Test zurück,359 die spätere Rs. Dijkman360 folgte aber – auch wenn es hier um die Abgrenzung der Kapitalverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit ging – erneut der Begründungslinie der Rs. Glaxo Wellcome. In den zuletzt entschiedenen Rs. Haribo u.a.361 und Accor362 maß der EuGH dem konkreten Sachverhalt wieder eine gewisse Bedeutung bei, ohne jedoch die Relevanz des Gegenstands der Norm und des konkreten Sachverhalts in ein klares Stufenverhältnis zu stellen. Insofern ist zurzeit wieder von einer unklaren Rechtslage auszugehen.363 Diese scheint für diese Arbeit nur insoweit
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Broe/Bammens, H&I 4/2010, 6; Rust, DStR 2009, 2568 (2569); Lausterer/Bindl, DB 2010, 1556 (1559); tendenziell a.A. Schönfeld, IStR 2011, 219 (222 f.). EuGH, Urt. v. 24.05.2007, C-157/05 (Holböck), Slg. 2007, I-4051, Rz. 23; ganz ähnlich: Urt. v. 26.06.2008, C-284/06 (Burda), Slg. 2008, I-4571, Rz. 69; Urt. v. 22.12.2008, C-282/07 (Truck Center), Slg. 2008, I-10767, Rz. 25; Urt. v. 26.03.2009, C-326/07 (Kommission/Italien), Slg. 2009, I- 2291, Rz. 34; Urt. v. 17.09.2009, C182/08 (Glaxo Wellcome), Slg. 2009, I-8591, Rz. 36. EuGH, Urt. v. 17.09.2009, C-182/08 (Glaxo Wellcome), Slg. 2009, I-8591, Rz. 35 ff., 47-52. Vgl. insofern die treffende Feststellung von Lang, FS Rödler, 2010, S. 521 (534): „Das Urteil Glaxo Wellcome lässt den Interpreten ratlos zurück.“ Ebenfalls nach dem Urteil von einer unklaren Rechtslage ausgehend: Englisch, Intertax 2010, 197 (200); Hindelang, IStR 2010, 443 (445); Lausterer/Bindl, DB 2010, 1556 (1559); Meussen, ET 2010, 245 (246); den Boer, ET 2010, 250 (258). EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 25-30, 33-37. In der Zwischenzeit konnte man daher mit guten Argumenten auch davon ausgehen, dass die Rs. Glaxo Wellcome nur eine einmalige Ausnahme darstellen würde, vgl. dahingehend Wunderlich, H&I 11/2009, 22; Englisch, IStR 2010, 139; Glahe, IStR 2010, 870 (871). EuGH, Urt. v. 01.07.2010, C-233/09 (Dijkman), Slg. 2010, I-6645, Rz. 33-35. EuGH, Urt. v. 10.02.2011, C-436/08 u.a. (Haribo u.a.), IStR 2011, 299, Rz. 34-38. EuGH, Urt. v. 15.09.2011, C-310/09 (Accor), IStR 2011, 768, Rz. 31-37, 64. Siehe auch die Nachweise in Fn. 357.
183
Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
berechenbar zu sein, als der EuGH sich für Einkünftekorrekturvorschriften in der Rs. SGI klar für den zweistufigen Test entschieden hat.364 Anhand dieses Tests soll im Folgenden daher die Abgrenzung der Niederlassungs- von der Kapitalverkehrsfreiheit erfolgen. (1)
Einkünftekorrektur nach § 1 AStG
Der zweistufige Test soll zunächst auf § 1 AStG angewendet werden. Auf der ersten Stufe ist zu prüfen, ob die Norm ausschließlich Beteiligungen erfasst, die einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft und die Bestimmung ihrer Tätigkeit ermöglichen. § 1 AStG setzt nach Abs. 2 Nr. 1 und 2 eine Beteiligung in Höhe von 25% oder alternativ einen bloß beherrschenden Einfluss voraus. Nr. 1 betrifft Transaktionen zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften, Nr. 2 zwischen Schwestergesellschaften. Nach Nr. 3 reicht ferner auch ein außerhalb der Geschäftsbeziehung begründeter Einfluss auf den Transaktionspartner bzw. ein Interesse an der Einkünfteerzielung des anderen aus.365 Fraglich ist zunächst, ob eine Beteiligung von 25% einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft und die Bestimmung ihrer Tätigkeit ermöglicht. Der EuGH hat bereits in der Rs. ICI366 keine absolute Mehrheit verlangt, sondern eine Beteiligung von 49% genügen lassen. In den Rs. Lasertec367 und Truck Center368 sah er dann eine Beteiligungsgrenze von 25% als ausreichend an.369 Die Rs. Lasertec, die zum mit § 1 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AStG 364 Dabei spricht die im Case-law-System verankerte Rechtsprechung des EuGH dafür, dass sich der EuGH bei neuen Urteilen zuerst an den früheren Urteilen auf einem Rechtsgebiet orientiert. Dabei hat er gezeigt, dass er auch an umstrittenen Entscheidungen festhält, vgl. EuGH, Urt. v. 27.09.1988, 81/87 (Daily Mail), Slg. 1988, 5483, bestätigt durch Urt. v. 16.12.2008, C-210/06 (Cartesio), Slg. 2008, I-9641. Daher erscheint es mittlerweile nicht unwahrscheinlich, dass der EuGH eine bereichsspezifische Abgrenzung der Grundfreiheiten vornehmen könnte. Hier wird aber der Rs. SGI nicht zuletzt deswegen gefolgt, um die Abgrenzung der Niederlassungs- von der Kapitalverkehrsfreiheit auch zu diesem Zeitpunkt überhaupt handhabbar zu machen. 365 Siehe B.I.2.a). 366 EuGH, Urt. v. 16.07.1998, C-264/96 (ICI), Slg. 1998, I-4695, Rz. 3, 20 ff. 367 EuGH, Bschl. v. 10.05.2007, C-492/04 (Lasertec), Slg. 2007, I-3775, Rz. 21 f. Aufgrund dieses Urteils ebenfalls von 25% ausgehend: Cordewener/Kofler/Schindler, ET 2007, 107 (114); Zorn, FS Nolz, 2008, 211 (212 f.); Mann, Einkünftekorrekturnormen, 2008, S. 120; Kofler, taxlex 2008, 326. 368 EuGH, Urt. v. 22.12.2008, C-282/07 (Truck Center), Slg. 2008, I-10767, Rz. 26-28. Dies trifft zumindest unter der Annahme zu, dass der EuGH bereits auf der ersten Stufe des zweistufigen Tests die Beteiligungshöhe von 25% genügen lässt und die tatsächliche Beteiligung in Höhe von 48% nur als Zusatzargument verwendet. Dafür spricht der Zusatz „Außerdem“ in Rz. 28 des Urteils. Im Ergebnis zustimmend: Naumann u.a., IStR 2009, 665 (666 mit Fn. 13); Becker/Sydow, IStR 2010, 195 (197). 369 Nicht ausreichend ist in aller Regel eine Beteiligung von unter 10%, vgl. EuGH, Urt. v. 06.12.2006, C-446/04 (FII), Slg. 2006, I-11753, Rz. 58; Urt. v. 22.01.2009, C-377/07
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Verrechnungspreisvorschriften
fast inhaltsgleichen § 8a Abs. 3 KStG a.F. erging, zeigt zudem, dass auch ein bloß beherrschender Einfluss genügt:370 „Dass einer [25%-]Beteiligung eine geringere Beteiligung, die jedoch einen beherrschenden Einfluss auf die Beteiligungsgesellschaft verschafft, gleichgestellt wird, zeigt, […] dass die fragliche nationale Maßnahme nach der Vorstellung des deutschen Gesetzgebers unabhängig von einer festen Schwelle für Beteiligungen gelten soll, die es […] ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Beteiligungsgesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen“.371
Vor diesem Hintergrund hat der BFH jüngst in einem Drittstaatenfall unter Verweis auf § 1 Abs. 2 AStG entschieden, dass sich die Norm nach ihrem Gegenstand nur auf Kontrollbeteiligungen bezieht.372 Diese Auffassung hatte zuvor bereits das FG Münster373 in einem anderen Verfahren vertreten. Beide Gerichte haben aber § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG außer Acht gelassen. Die Regelung führt dazu, dass § 1 AStG auch bei Beteiligungen anzuwenden ist, die keine Kontrolle verleihen.374 Auch wenn bei der 1. Alternative des § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG ein Einfluss von gewissem Gewicht zu verlangen ist, z.B. aufgrund
370
371 372
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374
(STEKO), Slg. 2009, I-299, Rz. 13, 24. Der EuGH sah in Amurta auch bei einer Beteiligung von 14% die Kapitalverkehrsfreiheit für einschlägig, vgl. Urt. v. 08.11.2007, C379/05 (Amurta), Slg. 2007, I-9569, Rz. 11, 28. Andererseits hat er bei einer börsennotierten Gesellschaft mit Streubesitz nicht ausgeschlossen, dass auch ein Aktionär mit einer 5%-igen Beteiligung einen bestimmenden Einfluss ausüben kann, vgl. Urt. v. 26.03.2009, C-326/07 (Kommission/Italien), Slg. 2009, I-2291, Rz. 38; vgl. dazu Lang, StuW 2011, 209 (214). Ebenfalls: FG Münster, Urt. v. 22.02.2008, 9 K 509/07 K,F, EFG 2008, 923 (925); Cordewener/Kofler/Schindler, ET 2007, 107 (114); dies., ET 2007, 371 (374); Zorn, FS Nolz, 2008, 211 (212 f.). EuGH, Bschl. v. 10.05.2007, C-492/04 (Lasertec), Slg. 2007, I-3775, Rz. 22. BFH, Urt. v. 23.06.2010, I R 37/09, BStBl. II 2010, 895 (896 f.). Im Streitfall hatte ein in Deutschland ansässiger, wesentlich beteiligter Gesellschafter einer ungarischen Kapitalgesellschaft ein unverzinsliches Darlehen gewährt. Im Streitjahr 1998 war Ungarn jedoch noch kein EU-Mitglied. Vgl. FG Münster, Urt. v. 22.02.2008, 9 K 509/07 K,F, EFG 2008, 923 (925): „Nach der neueren Rechtsprechung des EuGH […] ist vorliegend allein die Niederlassungsfreiheit anwendbar. Denn die Anwendung des § 1 AStG setzt einen beherrschenden Einfluss bzw. zumindest eine wesentliche Beteiligung voraus (§ 1 Abs. 2 AStG).“ Das FG sieht es entgegen der EuGH-Rechtsprechung damit als ausreichend an, dass die Norm überhaupt bzw. vorwiegend auf eine Kontrollbeteiligung abstellt. Vgl. ähnlich Mann, Einkünftekorrekturnormen, 2008, S. 119 f.; Naumann u.a., IStR 2009, 665 (666); Becker/Sydow, IStR 2010, 195 (197). Im Ergebnis auch Englisch, IStR 2010, 139; Bron, EWS 2010, 80 (82); Schönfeld, IStR 2011, 219 (223); Cortez/Vogel, Intertax 2011, 404 (406); Pohl, in: Blümich, EStG u.a., § 1 AStG, Rz. 7 (Stand: 11.2011).
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
eines Marktbindungsvertrages oder einer Vertriebsbindung,375 garantiert dieser nicht zwingend einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft. Die 2. Alternative ist gar völlig unabhängig von einer Beteiligungshöhe.376 Auch wenn die Fälle des § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG selten und in Konzernsachverhalten praktisch bedeutungslos sind, führt dies jedoch dazu, dass die Norm des § 1 AStG bei Anwendung der EuGH-Rechtsprechung nicht „nur auf Beteiligungen anwendbar [ist], die es ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen“377.378 Zwar hat der EuGH entschieden, dass „nationale Rechtsvorschriften, die nur die Beziehungen innerhalb einer Unternehmensgruppe regeln, vorwiegend die Niederlassungsfreiheit betreffen“379, § 1 AStG ist aber auch auf natürliche Personen anwendbar.380 Nach dem Gegenstand der Norm könnte folglich sowohl die Niederlassungs- als auch die Kapitalverkehrsfreiheit Anwendung finden.381 In diesem Fall ist auf der zweiten Stufe noch zu prüfen, ob tatsächlich eine Kontrollbeteiligung gehalten wird. Für verbundene Unternehmen i.S.v. § 15 AktG ist stets von einem sicheren Einfluss auf die Geschäftsführung auszugehen.382 Die Anwendung der Kapitalverkehrsfreiheit käme nur in den Fällen des 375 Vgl. Wassermeyer, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. 854 (Stand: 11.2000); Kraft, in: Kraft, AStG, 2009, § 1, Rz. 188 f.; Hofacker, in: Haase, AStG/DBA, 2009, § 1 AStG, Rz. 109 f. 376 A.A. ist Rehfeld, Die Vereinbarkeit des Außensteuergesetzes mit den Grundfreiheiten des EG-Vertrags, 2008, S. 78 f., nach dem § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG einen faktischen Einfluss voraussetze, der über ein anonymes Investment hinaus gehe. Dies führt jedoch nicht zwingend zu dem vom EuGH geforderten sicheren Einfluss. 377 EuGH, Urt. v. 24.05.2007, C-157/05 (Holböck), Slg. 2007, I-4051, Rz. 23; vgl. auch Urt. v. 26.06.2008, C-284/06 (Burda), Slg. 2008, I-4571, Rz. 69; Urt. v. 22.12.2008, C282/07 (Truck Center), Slg. 2008, I-10767, Rz. 25; Urt. v. 26.03.2009, C-326/07 (Kommission/Italien), Slg. 2009, I- 2291, Rz. 34. 378 Im Ergebnis auch Englisch, IStR 2010, 139; Bron, EWS 2010, 80 (82); Schönfeld, IStR 2011, 219 (223); vgl. zu dieser Argumentation auch GA Kokott, SchlA v. 10.09.2009, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 32 f. 379 EuGH, Urt. v. 26.06.2008, C-284/06 (Burda), Slg. 2008, I-4571, Rz. 68; zuvor bereits: Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 32; Urt. v. 06.12.2006, C-446/04 (FII), Slg. 2006, I-11753, Rz. 118; Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 33; Urt. v. 18.07.2007, C-231/05 (Oy AA), Slg. 2007, I-6373, Rz. 23. 380 Siehe B.I.2.a). 381 Vgl. EuGH, Urt. v. 06.12.2006, C-446/04 (FII), Slg. 2006, I-11753, Rz. 36; Urt. v. 12.12.2006, C-374/04 (ACT), Slg. 2006, I-11673, Rz. 37 f.; Urt. v. 24.05.2007, C157/05 (Holböck), Slg. 2007, I-4051, Rz. 23 f.; Urt. v. 26.06.2008, C-284/06 (Burda), Slg. 2008, I-4571, Rz. 71; Bschl. v. 04.06.2009, C-439/07 u.a. (KBC Bank u.a.), Slg. 2009, I-4409, Rz. 69; Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 30. 382 Siehe die §§ 15-19 und 291 f. AktG. Vgl. sinngemäß auch die Rechtsprechung in Fn. 379.
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Verrechnungspreisvorschriften
§ 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG in Betracht,383 verbundene Unternehmen fallen aber regelmäßig bereits unter die Nr. 1 und 2. Jedenfalls werden in dieser Arbeit nur im Konzernabschluss vollkonsolidierte Gesellschaften betrachtet, die zu mehr als 50% zu einem Konzern gehören.384 Eine derartige Beteiligung ermöglicht unproblematisch einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft und die Bestimmung ihrer Tätigkeit. Folglich ist ausschließlich die Niederlassungsfreiheit anzuwenden. Sollte § 1 AStG eine beschränkende Wirkung auf die Kapitalverkehrsfreiheit haben, wären derartige Auswirkungen nur „die unvermeidliche Konsequenz einer eventuellen Beschränkung der Niederlassungsfreiheit“.385 Dies gilt nach der Rechtsprechung des EuGH selbst in Drittstaatenfällen, in denen die Niederlassungsfreiheit gar nicht anwendbar ist.386 Dies ist insofern kritisch zu sehen, als dass ein außerhalb des Konzerns stehender Minderheitsgesellschafter sich aufgrund des fehlenden Einflusses auf die Entscheidungen der Gesellschaft auf die Kapitalverkehrsfreiheit berufen kann und dabei besser gestellt wird als die Muttergesellschaft als Mehrheitsgesellschafterin.387 Zudem wäre die völlige Verdrängung des Schutzes der
383 Vgl. Englisch, IStR 2010, 139. A.A. ist Bron, EWS 2010, 80 (82), der allein auf den Gegenstand der Norm abstellt und daher beide Grundfreiheiten parallel anwenden will. 384 Siehe in der Einleitung. 385 EuGH, Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 32; Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 33; Bschl. v. 10.05.2007, C-102/05 (A und B), Slg. 2007, I-3871, Rz. 27; Bschl. v. 10.05.2007, C492/04 (Lasertec), Slg. 2007, I-3775, Rz. 25; Urt. v. 18.07.2007, C-231/05 (Oy AA), Slg. 2007, I-6373, Rz. 23; Bschl. v. 23.04.2008, C-201/05 (CFC and Dividend), Slg. 2008, I-2875, Rz. 73; Urt. v. 26.06.2008, C-284/06 (Burda), Slg. 2008, I-4571, Rz. 74; Urt. v. 18.06.2009, C-303/07 (Aberdeen Property Fininvest Alpha), Slg. 2009, I-5145, Rz. 35. 386 Vgl. EuGH, Urt. v. 03.10.2006, C-452/04 (Fidium Finanz), Slg. 2006, I-9521, Rz. 49 f.; Bschl. v. 10.05.2007, C-102/05 (A und B), Slg. 2007, I-3871, Rz. 27-29; Bschl. v. 05.11.2007, C-415/06 (Stahlwerk Ergste Westig), Slg. 2007, I-151, Rz. 16-18; Bschl. v. 10.05.2007, C-492/04 (Lasertec), Slg. 2007, I-3775, Rz. 25-28; ferner: Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 33 f., 98-101. A.A., wenn wie hier eine Norm nicht auf die Beteiligungshöhe abstellt, aber tatsächlich eine Kontrollbeteiligung besteht: BFH, Urt. v. 09.08.2006, I R 95/05, BStBl. II 2007, 279; Urt. v. 26.11.2008, I R 7/08, IStR 2009, 244 f. Vgl. zu dieser Konstellation näher Rust, DStR 2009, 2568 (2570 f. m.w.N.); a.A.: Bron, EWS 2010, 80 (82). 387 Vgl. Schönfeld, DB 2007, 80 (81); ders., IStR 2007, 443; ders., in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 8 AStG, Rz. 429 (Stand: 03.2009); Cordewener/Kofler/Schindler, ET 2007, 371 (374); dies., ET 2007, 107 (114); Glahe, Die steuerliche Behandlung der Überführung von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens ins Ausland, 2008, S. 71, Download unter: http://opus.bibliothek.uni-augsburg.de/volltexte/2009/1382/; Terra/Wattel, European Tax Law, 5. Aufl. 2008, S. 61; Haslehner, IStR 2008, 565 (575); Kofler, taxlex 2008, 326 (328); Tippelhofer/Lohmann, IStR 2008, 857 (863); Schön, JbFStR 2008/2009, 29 (72 f.); Cordewener, IWB 2009, Fach 11 Gruppe 2, 995 (999); ders., EC Tax Rev. 2009, 260 (263); Bohn, Zinsschranke, 2009, S. 62; Rust, DStR 2009, 2568
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
Kapitalverkehrsfreiheit für verbundene Unternehmen nicht zwingend notwendig gewesen, weil u.a. die Art. 64-66 AEUV den Schutz in Drittstaatenfällen beschränken und eine weitere Korrektur innerhalb der Vergleichbarkeits-388 und Rechtfertigungsprüfung389 vorgenommen werden kann.390 (2)
Einkünftekorrektur nach der verdeckten Gewinnausschüttung oder verdeckten Einlage
Nach der Analyse zu § 1 AStG kann der zweistufige Test jetzt relativ leicht auf die verdeckte Gewinnausschüttung und verdeckte Einlage angewandt werden. Bezüglich der ersten Stufe ist der Gegenstand dieser Normen völlig unabhängig von einer Beteiligungshöhe391 und stellt damit nicht nur auf Kontrollbeteiligungen ab. Die Normen erfassen ebenfalls nicht bloß „die Beziehungen innerhalb einer Unternehmensgruppe“392, sondern vor allem auch natürliche Personen als Gesellschafter.393 Auf der zweiten Stufe kann für den Gegenstand dieser Arbeit wiederum davon ausgegangen werden, dass tatsächlich eine Beteiligung besteht, die einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft und die Bestimmung ihrer Tätigkeit ermöglicht. Daher wird auch bezüglich der verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage die Kapitalverkehrsfreiheit durch die Niederlassungsfreiheit verdrängt. bb)
Anwendbarkeit einer Grundfreiheit
Es bleibt zu prüfen, ob der Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit im Fall der Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen auch tatsächlich eröffnet ist. Art. 49 AEUV umfasst das Recht, sich ohne Beschränkungen
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(2571); Bron, EWS 2010, 80 (82); Hindelang, IStR 2010, 443 (445); den Boer, ET 2010, 250 (257). Vgl. Schön, FS Wassermeyer, 2005, S. 489 (511 ff.); Schnitger, Grenzen, 2006, S. 231 ff.; ferner: Lang, StuW 2011, 209 (215 ff.). Vgl. EuGH, Urt. v. 18.12.2007, C-101/05 („A“), Slg. 2007, I-11531, Rz. 58-60; Urt. v. 06.12.2006, C-446/04 (FII), Slg. 2006, I-11753, Rz. 171; Urt. v. 20.05.2008, C-194/06 (Orange European Smallcap Fund), Slg. 2008, I-3747, Rz. 89 f.; Bschl. v. 04.06.2009, C-439/07 u.a. (KBC Bank u.a.), Slg. 2009, I-4409, Rz. 73; Urt. v. 28.10.2010, C-72/09 (Établissements Rimbaud), IStR 2010, 842, Rz. 40 f.; Urt. v. 10.02.2011, C-436/08 u.a. (Haribo u.a.), IStR 2011, 299, Rz. 120; Urt. v. 05.05.2011, C-267/09 (Kommission/Portugal), DStRE 2011, 1482, Rz. 54. Vgl. auch Schön, FS Wassermeyer, 2005, S. 489 (513 ff.); Lang, StuW 2011, 209 (220 ff.). Vgl. auch Glahe, Die steuerliche Behandlung der Überführung von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens ins Ausland, 2008, S. 22, Download siehe Fn. 387; Terra/Wattel, European Tax Law, 5. Aufl. 2008, S. 61; Mann, Einkünftekorrekturnormen, 2008, S. 117 f.; Kofler, taxlex 2008, 326 (327); Schön, JbFStR 2008/2009, 29 (72 f.); Hindelang, IStR 2010, 443 (446). Siehe B.I.1.a)aa) und B.I.1.b)aa). EuGH, Urt. v. 26.06.2008, C-284/06 (Burda), Slg. 2008, I-4571, Rz. 68; siehe auch Fn. 379. Siehe B.I.1.a)aa) und B.I.1.b)aa). Vgl. auch Frase, BB 2008, 2713 (2716).
Verrechnungspreisvorschriften
in einem Mitgliedstaat niederzulassen, dort eine selbstständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen und auszuüben sowie Unternehmen zu leiten. Geschützt wird einerseits die primäre Niederlassungsfreiheit, d.h. die Gründung, die Verlegung und der fortlaufender Betrieb einer Hauptniederlassung. Den gleichen Schutz gewährt andererseits die sekundäre Niederlassungsfreiheit für die Gründung und den fortlaufenden Betrieb von Agenturen, Zweigniederlassungen und Tochtergesellschaften.394 Transaktionen zwischen verbundenen Unternehmen betreffen die sekundäre Niederlassungsfreiheit einer Muttergesellschaft hinsichtlich Tochtergesellschaften. Der sachliche Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit wird insbesondere durch den Begriff der Niederlassung bestimmt. Dabei handelt es sich um eine feste Einrichtung, die dauerhaft der Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit dient.395 Unter Erwerbstätigkeit wird jede Art der wirtschaftlichen, entgeltlichen Betätigung verstanden.396 Das Merkmal der Selbstständigkeit grenzt die Niederlassungsfreiheit von der Arbeitnehmerfreizügigkeit ab.397 Selbstständigkeit setzt gerade den sicheren Einfluss auf die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft und die Bestimmung ihrer Tätigkeit voraus.398 Es wurde soeben festgestellt,399 dass dies bei Transaktionen zwischen verbundenen Unternehmen der Fall ist. Das Merkmal der Dauerhaftigkeit grenzt die Niederlassungsfreiheit von der Dienstleistungsfreiheit ab. Letztere ist nach Art. 57 Abs. 3 AEUV anwendbar, wenn eine Leistung nur „vorübergehend“ in einem 394 Siehe Art. 49 Abs. 1 AEUV, vgl. auch Tiedje/Troberg, in: von der Groeben/Schwarze, 6. Aufl. 2003, Art. 43 EG, Rz. 32 f.; Schlag, in: Schwarze, EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 43 EG, Rz. 19 f.; Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 49 AEUV, Rz. 17 f.; Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 49 AEUV, Rz. 52 ff. (Stand: 03.2011). 395 Vgl. EuGH, Urt. v. 25.07.1991, C-221/89 (Factortame II), Slg. 1991, I-3905, Rz. 20; Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 54 m.w.N.; Urt. v. 11.12.2007, C-438/05 (International Transport Workers’ Federation), Slg. 2007, I-10779, Rz. 70; zuletzt noch weiter fassend: Urt. v. 17.09.2009, C-182/08 (Glaxo Wellcome), Slg. 2009, I-8591, Rz. 47 m.w.N. 396 Vgl. Schlag, in: Schwarze, EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 43 EG, Rz. 18; Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 49 AEUV, Rz. 10; Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 49 AEUV, Rz. 18 ff. (Stand: 03.2011); Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 1, 2. Aufl. 2012, Rz. 2201. 397 Vgl. Lackhoff, Niederlassungsfreiheit, 2000, S. 43 f.; Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 49 AEUV, Rz. 13; Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 49 AEUV, Rz. 51 (Stand: 03.2011); Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 1, 2. Aufl. 2012, Rz. 2220. 398 Siehe bereits C.I.2.a)aa) und vgl. EuGH, Urt. v. 24.05.2007, C-157/05 (Holböck), Slg. 2007, I-4051, Rz. 23; ganz ähnlich: Urt. v. 26.06.2008, C-284/06 (Burda), Slg. 2008, I4571, Rz. 69; Urt. v. 22.12.2008, C-282/07 (Truck Center), Slg. 2008, I-10767, Rz. 25; Urt. v. 26.03.2009, C-326/07 (Kommission/Italien), Slg. 2009, I- 2291, Rz. 34; Urt. v. 19.11.2009, C-314/08 (Filipiak), Slg. 2009, I-11049, Rz. 52. 399 Siehe C.I.2.a)aa).
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
anderen Mitgliedstaat erbracht oder in Anspruch genommen wird. Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit schließen sich damit in aller Regel gegenseitig aus.400 Bei der Gründung von Tochtergesellschaften ist von der Dauerhaftigkeit des Tätigwerdens im anderen Mitgliedstaat auszugehen,401 so dass die Dienstleistungsfreiheit im Fall der Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen ausscheidet.402 Dafür spricht auch die Rs. Gebhard403, in der der EuGH sogar die Subsidiarität der Dienstleistungs- gegenüber der Niederlassungsfreiheit annahm. In der neuren Judikatur hat er vereinzelt auch eine Verdrängung der Dienstleistungsfreiheit festgestellt.404 Der sachliche Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit ist jedenfalls eröffnet.405
400 Vgl. GA Léger, SchlA v. 20.06.1995, C-55/94 (Gebhard), Slg. 1995, I-4165, Rz. 19-21; GA Geelhoed, SchlA v. 29.06.2006, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 35; Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 327; Müller-Graff, in: Streinz, EUV/EGV, 2003, Art. 43 EG, Rz. 16 u. Art. 49, Rz. 27; Tiedje/Troberg, in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, 6. Aufl. 2003, Art. 43 EG, Rz. 8 ff.; Schnitger, Grenzen, 2006, S. 44 f.; Haslehner, IStR 2008, 565 (567); Schlag, in: Schwarze, EUKommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 43 EG, Rz. 16; Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 49 AEUV, Rz. 13; Kluth, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 56, 57 AEUV, Rz. 15. 401 Ebenso: Tiedje/Troberg, in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, 6. Aufl. 2003, Art. 43 EG, Rz. 10. 402 Die Dienstleistungsfreiheit gleichwohl im Fall des § 1 AStG annehmend: Thömmes, JbFStR 2001/2002, 27 (54); Schwenke, Internationale Einkünfteabgrenzung, 2006, S. 195; Mann, Einkünftekorrekturnormen, 2008, S. 121 f. u. 238; Rasch/Nakhai, DB 2005, 1984 (1986); Kaminski, StuW 2008, 337 (344) = FS Djanani, 2008, S. 129 (147); Goebel/Küntscher, Ubg 2009, 235. 403 EuGH, Urt. v. 30.11.1995, C-55/94 (Gebhard), Slg. 1995, I-4165, Rz. 22; vgl. auch Urt. v. 12.12.1996, C-3/95 (Broede), Slg. 1996, I-6511, Rz. 19; GA Léger, SchlA v. 02.05.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 34-36. 404 Vgl. EuGH, Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 32; Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 34, 101. 405 Vgl. zu § 1 AStG auch: BFH, Urt. v. 29.11.2000, I R 85/99, BStBl. II 2002, 720 (721 f.); Bschl. v. 21.06.2001, I B 141/00, BFHE 195, 398 (400); Urt. v. 23.06.2010, I R 37/09, BStBl. II 2010, 895 (896 f.); FG Münster, Bschl. v. 31.08.2000, 8 V 4639/00 E, EFG 2000, 1389 (1390); FG Düsseldorf, Urt. v. 19.02.2008, 17 K 894/05 E, IStR 2008, 449 (452); Dautzenberg/Goksch, BB 2000, 904 (908); Köplin/Sedemund, IStR 2000, 305 (307); Herlinghaus, FR 2001, 240 (242); Wassermeyer, IStR 2001, 633 (637); Schaumburg, DStJG 24 (2001), 225 (248); Thömmes, JbFStR 2001/2002, 27 (50); Scheurle, IStR 2002, 798 (800); Rasch/Nakhai, DB 2005, 1984 (1986); Schwenke, Internationale Einkünfteabgrenzung, 2006, S. 194; Kaminski, StuW 2008, 337 (344); Mann, Einkünftekorrekturnormen, 2008, S. 118 u. 238 f.; Ditz, IStR 2009, 115 (121); Goebel/Küntscher, Ubg 2009, 235; Schenke/Mohr, DStZ 2009, 439 (450); Naumann u.a., IStR 2009, 665 (666); Becker/Sydow, IStR 2010, 195 (197); Bron, EWS 2010, 80 (82); Andresen, IStR 2010, 289 (290); Scheipers/Linn, IStR 2010, 496 (471); Schönfeld, IStR 2011, 219 (221, 223); Baßler, Steuerliche Gewinnabgrenzung im Europäischen Binnenmarkt, 2011, S. 123, 189 f.; Schön, Transfer Pricing, the Arm’s Length Standard
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Verrechnungspreisvorschriften
Der räumliche Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit umfasst das Hoheitsgebiet aller Mitgliedstaaten.406 Ein inhaltsgleicher407 Schutz gilt im EWR-Raum gemäß Art. 31 des EWR-Abkommens408. Der persönliche Anwendungsbereich erfasst neben Einzelunternehmern als natürliche Personen gemäß Art. 49 Abs. 2, 54 AEUV auch Gesellschaften mit ihrem satzungsmäßigen Sitz, ihrer Hauptverwaltung oder ihrer Hauptniederlassung innerhalb der Union.409 Bei verbundenen Unternehmen ist es stets die Muttergesellschaft, die die Niederlassungsfreiheit aktiv ausübt. Anders als bei der Dienstleistungs-410 und Kapitalverkehrsfreiheit411 hat der EuGH bisher darauf verzichtet, auch die Tochtergesellschaft ausdrücklich als passive Marktteilnehmerin in den Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit mit aufzunehmen. Der erforderliche grenzüberschreitende Bezug412 ist gegeben, wenn beide Transaktionspartner in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässig sind. Anhand dieser Grundsätze kön-
406 407
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and European Union Law, 2011, S. 12 f., Download unter: http://ssrn.com/abstract=1930237. Siehe zu Einzelheiten Art. 349 AEUV. Vgl. EuGH, Urt. v. 23.09.2003, C-452/01 (Ospelt und Schlössle Weissenberg), Slg. 2003, I-9743, Rz. 32; EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 23.11.2004, E-1/04 (Fokus Bank), IStR 2005, 55, Rz. 23; EuGH, Urt. v. 23.10.2008, C-157/07 (Krankenheim Ruhesitz am Wannsee), Slg. 2008, I-8061, Rz. 24; Urt. v. 11.06.2009, C-521/07 (Kommission/Niederlande), Slg. 2009, I-4873, Rz. 33; Urt. v. 06.10.2009, C-562/07 (Kommission/Spanien), Slg. 2009, I-9553, Rz. 67; Urt. v. 19.11.2009, C-540/07 (Kommission/Italien), Slg. 2009, I-10983, Rz. 66; Urt. v. 28.10.2010, C-72/09 (Établissements Rimbaud), IStR 2010, 842, Rz. 20-22; Urt. v. 07.04.2011, C-20/09 (Kommission/Portugal), IStR 2011, 340, Rz. 68; Urt. v. 05.05.2011, C-267/09 (Kommission/Portugal), DStRE 2011, 1482, Rz. 35, 50 f.; Urt. v. 16.06.2011, C-10/10 (Kommission/Österreich), IStR 2011, 558, Rz. 42; Urt. v. 29.09.2011, C-387/10 (Kommission/Österreich), IStR 2011, 808, Rz. 32; Urt. v. 20.10.2011, C-284/09 (Kommission/Deutschland), IStR 2011, 840, Rz. 96; Urt. v. 01.12.2011, C-250/08 (Kommission/Belgien), IStR 2012, 67, Rz. 83; Urt. v. 01.12.2011, C-253/09 (Kommission/Ungarn), n.n.v., Rz. 91. Vgl. auch: Cordewener, FR 2005, 236 ff. Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, ABl. 1994 L 1, 3. Zum EWR zählen Norwegen, Island und Liechtenstein. Siehe bereits C.I.1.b)aa). Vgl. ferner EuGH, Urt. v. 28.01.1986, 270/83 (avoir fiscal), Slg. 1986, 273, Rz. 18; Urt. v. 13.07.1993, C-330/91 (Commerzbank), Slg. 1993, I4017, Rz. 13; Urt. v. 16.07.1998, C-264/96 (ICI), Slg. 1998, I-4695, Rz. 20. Vgl. EuGH, Urt. v. 31.01.1984, 286/82 u.a. (Luisi und Carbone), Slg. 1984, 377, Leitsatz 1; Urt. v. 28.04.1998, C-158/96 (Kohll), Slg. 1998, I-1931, Rz. 35; Urt. v. 26.10.1999, C-294/97 (Eurowings), Slg. 1999, I-7447, Rz. 34; Urt. v. 30.01.2007, C150/04 (Kommission/Dänemark), Slg. 2007, I-1163, Rz. 40. Siehe zudem C.I.1.b)aa). Vgl. EuGH, Urt. v. 06.06.2000, C-35/98 (Verkooijen), Slg. 2000, I-4071, Rz. 34 f.; Urt. v. 04.03.2004, C-334/02 (Kommission/Frankreich), Slg. 2004, I-2229, Rz. 24; Urt. v. 07.09.2004, C-319/02 (Manninen), Slg. 2004, I-7477, Rz. 20-23; Urt. v. 22.01.2009, C377/07 (STEKO), Slg. 2009, I-299, Rz. 27; Urt. v. 11.06.2009, C-521/07 (Kommission/Niederlande), Slg. 2009, I-4873, Rz. 39. Siehe auch C.I.1.b)aa) mit Fn. 36. Siehe C.I.1.b).
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
nen im Folgenden die Transaktionen identifiziert werden, die von der Niederlassungsfreiheit geschützt sind: Im Fall einer Leistungsbeziehung zwischen Tochter- und Muttergesellschaft ist der Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit eröffnet, wenn beide Gesellschaften im EU/EWR-Raum ansässig sind, eine davon in Deutschland, um die Tatbestände der deutschen Verrechnungspreisvorschriften zu erfüllen. Im Fall einer Leistungsbeziehung zwischen Schwestergesellschaften müssen beide in verschiedenen Staaten ansässig sein, um einen grenzüberschreitenden Bezug herzustellen.413 Nach Ansicht des EuGH muss die Muttergesellschaft dabei stets im EU/EWR-Raum ansässig sein: In der Rs. Thin Cap414 hat sich der EuGH im Fall einer in einem Drittstaat ansässigen Muttergesellschaft geweigert, den Schutzbereich auch auf die benachteiligte Schwestergesellschaft als passive Marktteilnehmerin auszudehnen. Da er im Urteil sowohl die Kapitalverkehrs- als auch die Dienstleistungsfreiheit durch die Niederlassungsfreiheit als verdrängt ansah, stand eine allein auf dem Binnenmarkt stattfindende Transaktion nicht unter dem Schutz der Grundfreiheiten.415 Dies ist abzulehnen:416 Zumindest in den Fällen, in denen keine andere Grundfreiheit einschlägig ist, sollte sich die benachteiligte Schwestergesellschaft als passive Marktteilnehmerin auf die Niederlassungsfreiheit berufen dürfen.417 Ohnehin hat der EuGH in der Vergangenheit nicht gezögert, Tochtergesellschaften, die durch nationale Maßnahmen benachteiligt wurden und eine gebietsfremden Muttergesellschaft hatten, als Kläger zu akzeptieren.418 Sofern 413 Zwar könnte auch ein mittelbarer grenzüberschreitender Bezug vorliegen, wenn allein die Muttergesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, in diesem Fall ist bei einer rein mitgliedstaatsinternen Transaktion aber keine Diskriminierung aufgrund der deutschen Vorschriften ersichtlich. 414 EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 98 f., vgl. auch GA Geelhoed, SchlA v. 29.06.2006, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 95 f. Dies steht im selben Urteil aber in einem gewissen Widerspruch zu den Ausführungen in Rz. 37 u. 40, in denen der EuGH feststellt, dass es die Tochtergesellschaft ist, die durch nationale Vorschriften ungleich behandelt wird. 415 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 98 f., 101. 416 Vgl. Cordewener/Kofler/van Thiel, CMLRev. 2009, 1951 (1996 mit Fn. 225); dies., Fundamental Freedoms and Direct Taxation, draft 2008, S. 87 mit Fn. 1010; wohl a.A.: Panayi, Intertax 2007, 298 (307 f.). 417 Allgemein für eine derartige Erweiterung: Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 241 ff., 806 mit Fn. 1513; ders., in: Lang, Direct Taxation: Recent ECJ Developments, 2003, S. 35 (43 f.); Schön, IStR 2009, 882 (883). Dafür spricht bereits das EuGH-Urt. v. 12.04.1994, C-1/93 (Halliburton), Slg. 1994, I-1137, Rz. 17-20, dazu Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 241 f. 418 Vgl. etwa Urt. v. 08.03.2001, C-397/98 u.a. (Metallgesellschaft u.a.), Slg. 2001, I-1727; Urt. v. 12.12.2002, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-11779 [vgl. hierzu auch De Broe, International Tax Planning and Prevention of Abuse, 2008, S. 936]; Urt. v. 18.07.2007, C-231/05 (Oy AA), Slg. 2007, I-6373. Andernfalls würde die Niederlassungsfreiheit bei Konzernsachverhalten auch ausgehölt werden. In den genannten
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Verrechnungspreisvorschriften
die Muttergesellschaft im EU/EWR-Raum ansässig ist, kann die gebietsfremde Schwestergesellschaft auch in einem Drittstaat ansässig sein.419 Denn dieser kommt nur eine mittelbare Bedeutung für die Einkünftekorrektur zu. Fraglich bleibt, ob neben der Niederlassungsfreiheit auch die Warenverkehrsfreiheit anzuwenden ist. Letztere ist normalerweise nur bei indirekten Steuern einschlägig,420 da die physische Warenbewegung über die Grenze in aller Regel ohne ertragsteuerliche Folgen bleibt.421 Dies dürfte auch auf den Fall der Einkünftekorrektur aufgrund unangemessener Verrechnungspreise zutreffen, weil diese nur mittelbar mit der Warenbewegung zusammenhängt.422 Ohnehin hat der EuGH in der Rs. Pfeiffer423 entschieden, dass die Warenverkehrsfreiheit bei Warenbewegungen im Rahmen eines Niederlassungsvorgangs nur mittelbar betroffen ist.424 Damit ist allein die Niederlassungsfreiheit anwendbar. b)
Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot
Im nächsten Schritt ist zu prüfen, ob die deutschen Verrechnungspreisvorschriften eine Diskriminierung bzw. Beschränkung der Niederlassungsfreiheit bewirken. Dahingehend soll zunächst § 1 AStG untersucht werden, der aufgrund der alleinigen Anwendbarkeit in grenzüberschreitenden Sachverhalten in besonderem Verdacht steht, gegen die Niederlassungsfreiheit zu verstoßen. In der Rs. SGI sah der EuGH in der insoweit vergleichbaren belgischen Verrechnungspreisvorschrift des Art. 26 CIR eine Diskriminierung.425
419 420
421 422 423 424
425
Rechtssachen ist zudem festzustellen, dass der EuGH stets eine Schlechterstellung der ansässigen Tochtergesellschaften feststellt, siehe C.II.2.b)aa)(3)(ii). Vgl. EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 95. Vgl. Schnitger, Grenzen, 2006, S. 25; Kellersmann/Treisch, Europäische Unternehmensbesteuerung, 2002, S. 135; Schwenke, Internationale Einkünfteabgrenzung, 2006, S. 82; Hahn, IFSt-Schrift Nr. 378, 1999, S. 85 f.; Sedemund/Laboranowitsch, DStZ 2008, 414 (415); Englisch, IFSt-Schrift Nr. 449, 2008, S. 6 mit Fn. 2; Haslehner, IStR 2008, 565 (566). Vgl. Hahn, IFSt-Schrift Nr. 378, 1999, S. 83 f.; Schnitger, Grenzen, 2006, S. 25; Haslehner, IStR 2008, 565 (566). Vgl. mit entsprechender Argumentation zur Warenbewegungen in eine gebietsfremde Betriebsstätte Hahn, IFSt-Schrift Nr. 378, 1999, S. 86. EuGH, Urt. v. 11.05.1999, C-255/97 (Pfeiffer), Slg. 1999, I-2835, Rz. 26-28. Vgl. auch Haslehner, IStR 2008, 565 (566); Becker, in: Schwarze, EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 28 EG, Rz. 23; a.A.: Müller-Graff, in: Streinz, EUV/EGV, 2003, Art. 43 EG, Rz. 98. Vgl. EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 42-45. In diesem Urteil spricht der EuGH zwar wiederum von einer „Beschränkung“ (Rz. 44 f.), nimmt inhaltlich aber eine Diskriminierungsprüfung vor, wenn er eine „weniger günstig[e]“ Behandlung (Rz. 43) feststellt, vgl. auch Jiménez, BIT 2010, 271 (272); siehe allgemein C.I.1.b)aa).
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
aa)
§ 1 AStG als spezifisch grenzüberschreitende Einkünfte betreffende Korrekturvorschrift
Eine verbotene Beeinträchtigung der Grundfreiheiten liegt vor, wenn „unterschiedliche Vorschriften auf vergleichbare Situationen angewandt werden [Diskriminierung] oder dieselbe Vorschrift auf unterschiedliche Situationen angewandt wird [Beschränkung].“426 § 1 AStG ist ausschließlich in grenzüberschreitenden Sachverhalten anwendbar. In einem Inlandsfall können nur die verdeckte Gewinnausschüttung und verdeckte Einlage eine Einkünftekorrektur begründen. Geht man von der Anwendbarkeit des § 1 AStG aus und nimmt einen vertikalen Vergleich vor, werden in grenzüberschreitenden und mitgliedstaatsinternen Sachverhalten folglich „unterschiedliche Vorschriften“ angewandt. § 1 AStG ist somit anhand des Diskriminierungsverbots zu prüfen. In Betracht kommen ferner horizontale Diskriminierungen zweier grenzüberschreitender Sachverhalte. Diese sollen im Anschluss an das Verbot vertikaler Diskriminierungen untersucht werden. (1)
Vertikale Diskriminierung
Entscheidend für die Feststellung einer vertikalen Diskriminierung ist die Bestimmung des Differenzierungskriteriums, anhand dessen die streitige Norm einen grenzüberschreitenden und mitgliedstaatsinternen Sachverhalt unterscheidet. § 1 AStG stellt nach Abs. 1 Satz 1 darauf ab, dass eine „Geschäftsbeziehung zum Ausland“ besteht. Das Differenzierungskriterium ist damit unmittelbar der grenzüberschreitende Charakter der wirtschaftlichen Aktivität, so dass eine Diskriminierung des grenzüberschreitenden Sachverhalts in Betracht kommt.427 Diese liegt vor, wenn der grenzüberschreitende Sachverhalt gegenüber dem vergleichbaren innerstaatlichen Sachverhalt benachteiligt wird.
426 EuGH, Urt. v. 14.02.1995, C-279/93 (Schumacker), Slg. 1995, I-225, Rz. 30; Urt. v. 18.03.2010, C-440/08 (Gielen), Slg. 2010, I-2323, Rz. 38; Urt. v. 01.12.2011, C-253/09 (Kommission/Ungarn), n.n.v., Rz. 50; Urt. v. 08.12.2011, C-157/10 (Banco Bilbao), IStR 2012, 152, Rz. 41; vgl. zuvor bereits: Urt. v. 23.02.1983, 8/82 (Wagner), Slg. 1983, 371; Urt. v. 13.11.1984, 283/83 (Racke), Slg. 1984, 3791, Rz. 7. 427 Siehe C.I.1.b)aa). Zwar wird in den meisten Fällen eine „Geschäftsbeziehung zum Ausland“ nur bestehen, wenn ein verbundenes Unternehmen im Ausland ansässig ist. Diese liegt aber auch vor, wenn ein ansässiges Unternehmen einer gebietsfremden Betriebsstätte eines ansässigen verbundenen Unternehmens Vorteile gewährt. Auch wenn dieser Fall nicht Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit ist (siehe die Einleitung) ist die potentielle Diskriminierung des grenzüberschreitenden Sachverhalts, die mit der Einkünftekorrektur des § 1 AStG bewirkt wird, im Fall von Transaktionen zwischen verbundenen Unternehmen damit nicht stets zugleich eine offene Diskriminierung nach dem Sitz der Gesellschaft, Art. 54 AEUV.
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Verrechnungspreisvorschriften
(i)
Vergleichspaarbildung
Im Fall der Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen ist § 1 AStG grundsätzlich anwendbar, wenn ein ansässiges Unternehmen einem gebietsfremden verbundenen Unternehmen einen Vorteil gewährt – sei es durch einen Erwerb über oder durch eine Veräußerung unter dem Marktpreis.428 Dieser grenzüberschreitende Sachverhalt ist mit einem hypothetischen rein innerstaatlichen Sachverhalt zu vergleichen, in dem das ansässige Unternehmen denselben Vorteil einem ansässigen verbundenen Unternehmen gewährt, das ansonsten die gleichen Merkmale aufweist. In diesem Inlandsfall ist § 1 AStG gerade nicht anwendbar. Dieses Vergleichspaar hat auch der EuGH in der Rs. SGI hinsichtlich der belgischen Verrechnungspreisvorschrift verwandt.429 Auf eine Unterscheidung zwischen Inbound- und Outbound-Fall, sowie zwischen Vorteilsgewährungen unter Tochter- und Muttergesellschaft einerseits und unter Schwestergesellschaften andererseits,430 soll erst im Rahmen der Vergleichbarkeitsprüfung431 eingegangen werden. (ii)
Schlechterstellung des grenzüberschreitenden Sachverhalts
§ 1 AStG wäre diskriminierend, wenn die Norm hinsichtlich des soeben aufgestellten Vergleichspaares eine Schlechterstellung des grenzüberschreitenden gegenüber dem inländischen Sachverhalt begründen würde. Folglich ist ein Vergleich der belastenden Wirkung vorzunehmen, die in diesen Sachverhalten auf die niederlassungsberechtigte Gesellschaft ausgeübt wird. Im grenzüberschreitenden Sachverhalt sieht § 1 AStG eine Einkünftekorrektur bei dem ansässigen Unternehmen vor, wenn dieses einem gebietsfremden verbundenen Unternehmen einen Vorteil gewährt. Die belastende Wirkung der Einkünftekorrektur besteht in der gestiegenen Körperschaftsteuerbelastung des ansässigen Unternehmens. Jedoch wird grundsätzlich auch im vergleichbaren Inlandsfall eine Einkünftekorrektur vorgenommen – hier aufgrund der Tatbestände der verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage. Damit wird der grenzüberschreitende Sachverhalt nur schlechter gestellt, wenn die Einkünftekorrektur nach § 1 AStG über diejenige der verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage hinausgeht und zu einer höheren Körperschaftsteuerbelastung führt. Insofern ist die Belastungswirkung von verschiedenen nationalen Vorschriften zu vergleichen. Einen derartigen Vergleich hat der EuGH bereits in mehreren Urteilen vorgenommen, etwa in der Rs. Royal
428 Siehe B.I.2.a) und c). 429 Vgl. EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 42; vgl. auch GA Kokott, SchlA v. 10.09.2009, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 42. 430 Siehe auch Abbildung 2 unter B.I.2.c); vgl. EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 44 f. 431 Siehe C.I.2.b)aa)(1)(ii)(a).
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
Bank of Scotland432 bezüglich unterschiedlicher Steuersätze für beschränkt und unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschaften.433 In der Rs. SGI434 spielte diese Besonderheit keine Rolle, weil nach dem belgischen Steuerrecht im Inlandsfall nur sehr begrenzt Einkünftekorrekturen vorgenommen werden.435 § 1 AStG ist nach Abs. 1 Satz 3 überhaupt nur anwendbar, wenn er zu einer weitergehenden Einkünftekorrektur führt als die verdeckte Gewinnausschüttung und verdeckte Einlage.436 Das heißt gleichzeitig, dass immer dann, wenn § 1 AStG Anwendung findet, im grenzüberschreitenden Fall auch eine weitergehende Einkünftekorrektur vorgenommen wird als im vergleichbaren Inlandsfall. Der im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008 eingeführte § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG erweist sich damit hinsichtlich der unionsrechtlichen Diskriminierungsverbote als fatale Entscheidung des Gesetzgebers.437 Zur Identifikation der Sachverhalte, in denen eine Schlechterstellung des grenzüberschreitenden gegenüber dem inländischen Fall vorliegt, kann bereits auf die Analyse zum verbleibenden Anwendungsbereich des § 1 AStG in Teil B.438 dieser Arbeit verwiesen werden. Nochmals zusammenfassend ist dies der Fall, wenn • die verdeckte Einlage mangels eines einlagefähigen Wirtschaftsguts nicht anwendbar ist,439
432 EuGH, Urt. v. 29.04.1999, C-311/97 (Royal Bank of Scotland), Slg. 1999, I-2651, Rz. 24. 433 Vgl. weiterhin EuGH, Urt. v. 23.02.2006, C-471/04 (Keller Holding), Slg. 2006, I2107, Rz. 31-34; Urt. v. 23.02.2006, C-253/03 (CLT-Ufa), Slg. 2006, I-1831, Rz. 16; Urt. v. 14.12.2006, C-170/05 (Denkavit), Slg. 2006, I-11949, Rz. 5 f., 27 f. 434 EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487. 435 In Belgien können nach Art. 79 und 207 CIR Gewinne, die durch fremdunübliche Transaktionen entstehen, auch in einem Inlandsfall zumindest nicht durch Verluste und sonstige Abzüge gemindert werden. Den entsprechenden Einwand der belgischen Regierung ließ der EuGH unberücksichtigt [vgl. EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 6 f., 48], weil die Art. 79, 207 CIR ob ihres begrenzten Anwendungsbereichs keine Gleichstellung sicherstellen können, vgl. dahingehend GA Kokott, SchlA v. 10.09.2009, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 43 f. 436 Siehe ausführlich B.I.2.b). 437 Vgl. auch Kaminski, RIW 2007, 594 (595); ders., StuW 2008, 337 (344); Rehfeld, Die Vereinbarkeit des Außensteuergesetzes mit den Grundfreiheiten des EG-Vertrags, 2008, S. 83 f.; Wassermeyer/Baumhoff/Greinert, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rz. V 14 (Stand: 05.2008). 438 Siehe B.I.2.c) sowie die Zusammenfassung unter B.I.3. 439 Vgl. auch FG Münster, Urt. v. 22.02.2008, 9 K 509/07 K, F, EFG 2008, 923 (925); Schaumburg, DStJG 24 (2001), 225 (247 f.); Spengel/Braunagel, StuW 2006, 34 (44); Schwenke, Internationale Einkünfteabgrenzung, 2006, S. 197; Mann, Einkünftekorrekturnormen, 2008, S. 131. Vgl. ferner: BFH, Urt. v. 29.11.2000, I R 85/99, BStBl. II 2002, 720 (721 f.); FG Düsseldorf, Urt. v. 19.02.2008, 17 K 894/05 E, IStR 2008, 449 (452); Thömmes, JbFStR 2001/2002, 27 (53 ff.); ders., JbFStR 2010/2011, 31 (81 f.);
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Verrechnungspreisvorschriften
• die Einkünftekorrektur nach § 1 AStG zum Fremdvergleichswert im Einzelfall zu einer umfangreicheren Einkünftekorrektur führt als bei einer zum Teilwert bewerteten verdeckten Einlage,440 • im Einzelfall die Fiktion der Informationstransparenz des § 1 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 AStG zu einer weitergehenden Korrektur führt,441 • im Einzelfall nach § 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 AStG die Verwendung einer anderen Verrechnungspreismethode vorgeschrieben ist und diese zu umfangreicheren Einkünftekorrekturen führt, • im Rahmen eines tatsächlichen Fremdvergleichs nach § 1 Abs. 3 Satz 4 AStG der Median der eingeschränkt oder uneingeschränkt vergleichbaren Werte anzusetzen ist,442
Borstell/Brüninghaus/Dworaczek, IStR 2001, 757 (760); Eigelshoven, IWB 2001, Fach 3 Gruppe 1, 1761 (1763); Pohl/Raupach, FS 50 Jahre Deutsches Anwaltsinstitut e.V., 2003, S. 489 (506); Schön, IStR 2004, 289 (299); ders., StbJb 2003/2004, 27 (54); Rasch/Nakhai, DB 2005, 1984 (1987); Dörr/Fehling, NWB 2007, Fach 2, 9375 (9388); Rehfeld, Die Vereinbarkeit des Außensteuergesetzes mit den Grundfreiheiten des EGVertrags, 2008, S. 84 ff.; Kaminski, StuW 2008, 337 (344); Ditz, IStR 2009, 115 (121); Goebel/Küntscher, Ubg 2009, 235 (238); Scheipers/Linn, IStR 2010, 469 (470 f.); Schönfeld, IStR 2011, 219 (221); ders., IStR 2012, 215 (218); Cortez/Vogel, Intertax 2011, 404 (406); Borstell/Wehnert, in: Vögele/Borstell/Engler, 3. Aufl. 2011, Q Rz. 694; Baßler, Steuerliche Gewinnabgrenzung im Europäischen Binnenmarkt, 2011, S. 192. A.A.: BT-Drs. 16/8027, S. 4; BR-Drs. 352/08, S. 9; Thiel, Diskussionsbeitrag in: Schön/Thömmes, JbFStR 2001/2002, 27 (58). 440 Gl.A. bezüglich der Bewertungsunterschiede: BFH-Bschl. v. 21.06.2001, I B 141/00, BFHE 195, 398 (400); Wassermeyer, IStR 2001, 633 (637); Thömmes, JbFStR 2001/2002, 27 (49 f.); ders., JbFStR 2010/2011, 31 (82); Schaumburg, DStJG 24 (2001), 225 (248); Borstell/Brüninghaus/Dworaczek, IStR 2001, 757 (759 f.); Eigelshoven, IWB 2001, Fach 3 Gruppe 1, 1761 (1763 f.); Rasch/Nakhai, DB 2005, 1984 (1987); Spengel/Braunagel, StuW 2006, 34 (44); Schwenke, Internationale Einkünfteabgrenzung, 2006, S. 197; Rehfeld, Die Vereinbarkeit des Außensteuergesetzes mit den Grundfreiheiten des EG-Vertrags, 2008, S. 95 ff.; Mann, Einkünftekorrekturnormen, 2008, S. 127 ff.; Ditz, IStR 2009, 115 (121); Goebel/Küntscher, Ubg 2009, 235 (238); Schönfeld, IStR 2011, 219 (223); Cortez/Vogel, Intertax 2011, 404 (406); Baßler, Steuerliche Gewinnabgrenzung im Europäischen Binnenmarkt, 2011, S. 192 f. A.A.: BT-Drs. 16/8027, S. 4; BR-Drs. 352/08, S. 9; Thiel, Diskussionsbeitrag in: Schön/ Thömmes, JbFStR 2001/2002, 27 (58). 441 Im Ergebnis auch Englisch, IStR 2010, 139 (141); Bron, EWS 2010, 80 (83). 442 Gl.A.: Mann, Einkünftekorrekturnormen, 2008, S. 240 ff.; Baßler, Steuerliche Gewinnabgrenzung im Europäischen Binnenmarkt, 2011, S. 193; wohl auch Schreiber, Ubg 2008, 433 (442); ders., in: Kroppen, Handbuch internationale Verrechnungspreise, FVerlV, Rz. 27 (Stand: 05.2009); Kroppen, FS Schaumburg, 2009, S. 857 (864 f.); Englisch, IStR 2010, 139 (142); Bron, EWS 2010, 80 (83); Schönfeld, IStR 2011, 219 (225); a.A.: BT-Drs. 16/8027, S. 4; BR-Drs. 352/08, S. 9. Dabei sei an dieser Stelle nur kurz erwähnt, dass die Diskriminierung nicht durch eine dahingehende europarechtskonforme Auslegung der verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage ab-
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
• im Rahmen des hypothetischen Fremdvergleichs gemäß § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG der wahrscheinlichste Wert oder der Mittelwert angesetzt wird,443 • § 1 Abs. 3 Sätze 11 und 12 AStG eine nachträgliche Preisanpassung bei der Übertragung wesentlicher immaterieller Wirtschaftsgüter vorsehen444 oder • im Einzelfall die Schätzung nach § 1 Abs. 4 AStG zu einer umfangreicheren Einkünftekorrektur führt445. In diesen Fällen führt die Einkünftekorrektur des § 1 AStG zu einer höheren Körperschaftsteuerbelastung des ansässigen verbundenen Unternehmens, das grenzüberschreitend handelt, gegenüber einem rein innerstaatlich kontrahierenden Konkurrenten. In den Fällen einer nachträglichen Preisanpassung nach § 1 Abs. 3 Satz 11 f. AStG sowie in den Fällen, in denen die verdeckte Einlage mangels einlagefähiger Wirtschaftsgüter nicht anwendbar ist, erfolgt im vergleichbaren Inlandsfall keine Korrektur. Dann besteht die Schlechterstellung darüber hinaus im zusätzlichen Aufwand446 der Einkünftekorrektur. Als weiterer Nachteil könnte im Rahmen des Diskriminierungsverbots zudem eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung zu berücksichtigen sein. Diese entsteht, wenn der Ansässigkeitsstaat des gebietsfremden verbundenen Unternehmens die Einkünftekorrektur nach § 1 AStG dem Grunde oder der Höhe nach nicht nachvollzieht. Dies ist in denjenigen Fällen sogar wahrscheinlich,
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gewendet werden kann, dass diese entsprechend den OECD-RL 2010 auch eine Korrektur auf den Median (oder Mittelwert) erlauben würden. Die europarechtskonforme Auslegung betrifft nur die ansonsten ggf. diskriminierende Norm, hier also § 1 AStG. Vgl. zuletzt auch BFH, Urt. v. 05.05.2010, I R 104/08, BFH/NV 2010, 1814 (1817). Wohl auch Schreiber, Ubg 2008, 433 (442); ders., in: Kroppen, Handbuch internationale Verrechnungspreise, FVerlV, Rz. 27 (Stand: 05.2009); Kroppen, FS Schaumburg, 2009, S. 857 (864 f.); Englisch, IStR 2010, 139 (142); Schönfeld, IStR 2011, 219 (225); a.A.: BT-Drs. 16/8027, S. 4; BR-Drs. 352/08, S. 9. Gl.A.: Mann, Einkünftekorrekturnormen, 2008, S. 243; Schreiber, Ubg 2008, 433 (442); Peter/Spohn/Hogg, IStR 2008, 864 (869); Goebel/Küntscher, Ubg 2009, 235 (243); Kahle, StuB 2009, 383 (389); Schaumburg, IStR 2009, 877 (881); Schönfeld, IStR 2011, 219 (226); a.A.: BT-Drs. 16/8027, S. 4 u. 8; BR-Drs. 352/08, S. 9. Vgl. im Ergebnis jetzt auch Andresen, IStR 2010, 289 (290 f.). Der Referentenentwurf eines Jahressteuergesetzes 2013 sieht jüngst jedoch die Abschaffung des § 1 Abs. 4 AStG ab dem Veranlagungszeitraum 2013 vor, siehe B.I.2.c)cc) mit Fn. 304. Vgl. zur diskriminierenden bzw. beschränkenden Wirkung zusätzlichen Verwaltungsaufwands etwa EuGH, Urt. v. 15.05.1997, C-250/95 (Futura Participations), Slg. 1997, I-2471, Rz. 25 f.; Urt. v. 07.09.2006, C-470/04 („N“), Slg. 2006, I-7409, Rz. 38; Urt. v. 03.10.2006, C-290/04 (Scorpio), Slg. 2006, I-9461, Rz. 56; Urt. v. 21.01.2010, C311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 54. Auch geringfügige Nachteile sind diskriminierend, siehe C.I.1.b)aa).
Verrechnungspreisvorschriften
in denen § 1 AStG über den Fremdvergleichsgrundsatz hinausgeht.447 Dabei soll hier vorerst davon ausgegangen werden, dass internationale Verständigungs- und Schiedsverfahren nicht in Anspruch genommen werden oder nicht zu einer Beseitigung der Doppelbesteuerung führen. Generalanwältin Kokott sieht in den Schlussanträgen zur Rs. SGI448 in der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung, die durch den allein im grenzüberschreitenden Fall anwendbaren Art. 26 CIR entsteht, eine Diskriminierung: „[Die wirtschaftliche Doppelbesteuerung] resultiert vielmehr aus einer unterschiedlichen steuerlichen Behandlung vergleichbarer Vorgänge durch ein und denselben Mitgliedstaat.“449 Auch bei § 1 AStG entsteht eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung aus einer unterschiedlichen Behandlung grenzüberschreitender und inländischer Sachverhalte. Das Diskriminierungsverbot fokussiert jedoch nur einen Steuerpflichtigen sowie die steuerlichen Vorschriften eines Staates.450 Eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung tritt hingegen definitionsgemäß immer bei mindestens zwei Steuerpflichtigen451 und im Fall des § 1 AStG durch die Besteuerung mindestens zweier Staaten auf.452 Diese wird durch das Diskriminierungsverbot hier daher nicht erfasst. Die Diskriminierung besteht bereits in der Gewinnerhöhung beim ansässigen verbundenen Unternehmen. Für deren Feststellung kommt es nicht mehr darauf an, ob in einer Gesamtschau mit dem gebietsfremden verbundenen Unternehmen eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung derselben Einkünfte entsteht. Nur Teilaspekte der Doppelbesteuerungsproblematik sind durch das Diskriminierungsverbot zu erfassen: Dies ist etwa der Fall bei Maßnahmen zur Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung, z.B. Normen zur Gegenberichtigung von Einkünftekorrekturen, die nur
447 Siehe B.IV.1.a), B.IV.2.a) sowie die Zusammenfassung unter B.IV.3. 448 GA Kokott, SchlA v. 10.09.2009, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 46-51. Im Urteil sieht der EuGH in der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung zwar ebenfalls eine Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit, ordnet diese aber nicht zwingend dem Diskriminierungsverbot zu, vgl. Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 53. Mit der Annahme einer Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit begibt sich der EuGH aber in Widerspruch zu seiner ständigen Rechtsprechung, dass eine Doppelbesteuerung keine beschränkende Wirkung hat, siehe näher C.I.2.b)bb)(2)(i)(a); vgl. auch Englisch, IStR 2010, 139 (140). 449 GA Kokott, SchlA v. 10.09.2009, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 50. Hier vor allem in Abgrenzung zur Rechtsprechung des EuGH zur juristischen Doppelbesteuerung, wonach diese „allein die Konsequenz der parallelen Ausübung der Steuerhoheit durch zwei Mitgliedstaaten“ und damit eine bloße Disparität zwischen den Steuerrechtsordnungen sei. Siehe zu dieser Rechtsprechung C.I.2.b)bb)(2)(i)(a). 450 Siehe C.I.1.b)aa) und cc). 451 Vgl. OECD-MK, Art. 23, Tz. 2: „Besteuerung derselben Einkünfte […] bei zwei verschiedenen Personen“. 452 Siehe auch B.IV.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
in einem Inlandsfall anwendbar sind.453 In diesem Fall könnte ein verbundenes Unternehmen die Ausweitung der Maßnahme zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf einen grenzüberschreitenden Sachverhalt aufgrund des Diskriminierungsverbots verlangen. Im Rahmen des Diskriminierungsverbots ist aber grundsätzlich die zusätzliche Belastung durch die Dokumentationspflichten des § 90 Abs. 3 AO i.V.m. der GAufzV454 zu beachten. Diese bestehen zwar auch im Rahmen der verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage, sind aber speziell für grenzüberschreitende Sachverhalte zu führen.455 Auf die Dokumentationspflichten soll im Folgenden jedoch nicht näher eingegangen werden, weil diese nicht Gegenstand dieser Arbeit sind456 und primär die Grundfreiheitskonformität des § 90 Abs. 3 AO berühren. Auch unabhängig von den Dokumentationspflichten bewirkt § 1 AStG eine Diskriminierung der Niederlassungsfreiheit. (a)
Übereinstimmung mit dem Fremdvergleichsgrundsatz
Nach Ansicht der Bundesregierung soll eine Diskriminierung durch § 1 AStG jedoch ausscheiden, weil die Norm bloß den international anerkannten Fremdvergleichsgrundsatz umsetze, der weltweit in mehr als 2.500 DBA enthalten und aufgrund des EU-SchÜ auch Teil des Europarechts sei.457 Ähnlich argumentierte die Finanzverwaltung vor dem FG Düsseldorf.458 Zum Fremdvergleichsgrundsatz wird zudem von Beiser vertreten: „(Simulierte) Fremdvergleichspreise zielen auf eine maximale Annäherung an die tatsächlichen 453 Vgl. Schön, IStR 2004, 289 (300); Schnitger, IStR 2004, 635 (637); ders., Grenzen, 2006, S. 269; Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 907 mit Fn. 172; De Broe, International Tax Planning and Prevention of Abuse, 2008, S. 952 f. 454 Gewinnaufzeichnungsverordnung (GAufzV) v. 13.11.2003, BGBl. I 2003, 2296, zuletzt geändert durch Gesetz v. 14.08.2007, BGBl. I 2007, 1912. Siehe zu den Dokumentationspflichten bereits B.I.1.d)ee). 455 Vgl. Hessisches FG, Urt. v. 23.03.2011, 4 K 419/10, juris, Rz. 46; Schnitger, IStR 2003, 73 (75 f.); Joecks/Kaminski, IStR 2004, 65 (67); Loukota/Jirousek, SWI 2008, 12 (17 f.); Goebel/Küntscher, Ubg 2009, 235 (240); allgemein: GA Kokott, SchlA v. 19.11.2009, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I-1215, Rz. 83; Casley, ITPJ 2004, 114 (118 f.); Calderón, Intertax 2005, 103 (113 f.); Hinnekens, FS Vanistendael, 2008, S. 511 (533); Terra/Wattel, 5. Aufl. 2008, S. 589. A.A.: Hahn/Suhrbier-Hahn, IStR 2003, 84 (86); Schwenke, Internationale Einkünfteabgrenzung, 2006, S. 208 ff.; ders., DStJG 33 (2010), 272 (285 ff.). Siehe zur diskriminierenden bzw. beschränkenden Wirkung zusätzlichen Verwaltungsaufwands oben Fn. 446. 456 Siehe bereits in der Einleitung. 457 Vgl. die Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage von Abgeordneten der Fraktion der FDP, BT-Drs. 16/8027, S. 4; vgl. auch BR-Drs. 352/08, S. 1 u. 9 f. 458 Vgl. FG Düsseldorf, Urt. v. 19.02.2008, 17 K 894/05 E, IStR 2008, 449 (452). Vgl. ferner Rehfeld, Die Vereinbarkeit des Außensteuergesetzes mit den Grundfreiheiten des EG-Vertrags, 2008, S. 118 f. u. 127, der ebenfalls die national und international verfestigte Anerkennung des Fremdvergleichsgrundsatzes betont, deswegen aber eine Rechtfertigung des § 1 AStG annimmt.
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Verrechnungspreisvorschriften
Marktverhältnisse. […] Der freie Wettbewerb im Gemeinsamen Markt wird nicht behindert, sondern ertragssteuerrechtlich nachvollzogen. Die Kohärenz der Besteuerung wird gewahrt“.459 Dieser Auffassung haben sich auch Kofler und Hohenwarter-Mayr angeschlossen.460 Zunächst ist festzustellen, dass § 1 AStG tatsächlich den international anerkannten Fremdvergleichsgrundsatz umsetzt und sich dazu am Wortlaut des Art. 9 OECD-MA orientiert.461 Die Anknüpfung an Art. 9 OECD-MA war auch eines der erklärten Ziele des Gesetzgebers bei der Einführung des § 1 AStG.462 Dieser Umstand ist allein jedoch nicht geeignet, die diskriminierende Wirkung des § 1 AStG zu beseitigen.463 Bereits mit der Rs. avoir fiscal464 hat der EuGH entschieden, dass das Unionsrecht den DBA vorgeht, zumal die DBA erst per Zustimmungsgesetz in nationales Recht umgesetzt werden müssen und so den Rang einfachgesetzlicher Vorschriften erhalten.465 Das Gleiche muss auch für den mit Art. 9 Abs. 1 OECD-MA wortgleichen Art. 4 Nr. 1 EUSchÜ gelten: Denn das EU-SchÜ nimmt nicht an der Höherrangigkeit des Unionsrechts Teil, sondern weist als multilaterales völkerrechtliches Übereinkommen denselben Rang wie die DBA auf.466 Die gegenteilige Auffassung des FG Münster im Bschl. v. 31.08.2000467 kann nicht überzeugen und wurde in 459 Beiser, ÖStZ 2004, 282 (286). Nahezu wortgleich: ders., StuW 2005, 295 (302); ders., FS Djanani, 2008, S. 3 (12); ders., SWI 2010, 301 (303); ähnlich: ders., FS Nolz, 2008, S. 3 (5 f.); ders., SWI 2008, 59 (62). 460 Vgl. Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 897 u. 912; Hohenwarter-Mayr, RdW 2010, 538 (540 f.). 461 Siehe bereits B.I.2.a). 462 Vgl. BT-Drs. VI/2883, S. 16 f. 463 Vgl. BFH, Bschl. v. 21.06.2001, I B 141/00, BFHE 195, 398 (401); FG Münster, Urt. v. 22.02.2008, 9 K 509/07 K, F, EFG 2008, 923 (925 f.); Rehm/Nagler, IStR 2008, 421 (424); Mann, Einkünftekorrekturnormen, 2008, S. 167; allgemein zu Verrechnungspreisvorschriften: Calderón, Intertax 2005, 103 (115); De Broe, International Tax Planning and Prevention of Abuse, 2008, S. 947 f. u. 972; Wathelet/De Broe, in: Lang u.a., ECJ: Recent Developments in Direct Taxation 2008, 2008, S. 21 (62). 464 EuGH, Urt. v. 28.01.1986, 270/83 (avoir fiscal), Slg. 1986, 273, Rz. 26. Vgl. auch GA Mischo, SchlA v. 26.11.2002, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-11779, Rz. 82; Urt. v. 14.12.2006, C-170/05 (Denkavit), Slg. 2006, I-11949, Rz. 53; Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 53; Urt. v. 08.11.2007, C379/05 (Amurta), Slg. 2007, I-9569, Rz. 55; Urt. v. 18.06.2009, C-303/07 (Aberdeen Property Fininvest Alpha), Slg. 2009, I-5145, Rz. 69; Urt. v. 16.07.2009, C-128/08 (Damseaux), Slg. 2009, I-6823, Rz. 34. 465 Siehe B.IV.1.c). Vgl. auch GA Mischo, SchlA v. 02.03.1999, C-307/97 (Saint Gobain), Slg. 1999, I-6161, Rz. 77; Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, vor Art. 39-55, Rz. 256 (Stand: 05.2001); Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 287 f.; Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 554 m.w.N. 466 Siehe B.IV.2.a)bb). 467 FG Münster, Bschl. v. 31.08.2000, 8 V 4639/00 E, EFG 2000, 1389 (1390): „Daß die EU-Regelungen nicht dem Art. 1 AStG entgegenstehen, ergibt sich auch daraus, daß
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
einem späteren Verfahren wieder aufgegeben468. Ohnehin müsste sich selbst Unionssekundärrecht anhand der primärrechtlichen Grundfreiheiten messen lassen.469 Zu Recht hat der EuGH in den Rs. Lankhorst-Hohorst470, Thin Cap471, Lammers & Van Cleef472 sowie SGI473 daher die etwaige Übereinstimmung der jeweiligen nationalen Einkünftekorrekturvorschriften mit dem in Art. 9 OECD-MA und Art. 4 Nr. 1 EU-SchÜ kodifizierten Fremdvergleichsgrundsatz nicht in der Diskriminierungsprüfung berücksichtigt. Fraglich bleibt, welche Auswirkungen es auf die Diskriminierungsprüfung hat, dass § 1 AStG – unabhängig von Art. 9 OECD-MA und Art. 4 Nr. 1 EU-SchÜ – dem Fremdvergleichsgrundsatz folgt. Beiser, Kofler und Hohenwarter-Mayr kann grundsätzlich darin zugestimmt werden, dass Fremdvergleichspreise auf eine maximale Annäherung an die tatsächlichen Marktverhältnisse abzielen und insofern den freien Wettbewerb ertragsteuerlich nachvollziehen.474 Auch die Kommission ist der Ansicht, dass der Fremdvergleichsgrundsatz einem „kohärenten und schlüssigen Konzept zur korrekten Zuordnung von Unternehmensgewinnen auf Länder“ entspricht.475 Der Fremdvergleichsgrundsatz ist an sich tatsächlich wettbewerbsneutral;476 er führt vielmehr das Wettbewerbsverhältnis, das zwischen unabhängigen Dritten besteht, in die Geschäftsbeziehung zwischen verbundenen Unternehmen ein. Für die grundfreiheitliche Diskriminierungsprüfung ist es jedoch entscheidend, dass § 1 AStG diesen Grundsatz nicht wettbewerbsneutral umsetzt, sondern ausschließlich in einem
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das Gewinnberichtigungsabkommen in Art. 4 Nr. 1 [EU-SchÜ] eine mit Art. 9 Abs. 1 OECD-Musterabkommen wörtlich übereinstimmende Vorschrift enthält“. Vgl. auch Mann, Einkünftekorrekturnormen, 2008, S. 166 f., der von einer „gemeinschaftsrechtlichen Anerkennung“ durch das EU-SchÜ spricht. Dahingehend wohl auch Naumann u.a., IStR 2009, 665 (668). Vgl. FG Münster, Urt. v. 22.02.2008, 9 K 509/07 K, F, EFG 2008, 923 (925 f.). Siehe C.I.1.a). EuGH, Urt. v. 12.12.2002, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-11779, Rz. 39. In diesem Verfahren geht der EuGH auf den entsprechenden Einwand der Regierung nicht einmal ein, vgl. aber GA Mischo, SchlA v. 26.11.2002, C-324/00 (LankhorstHohorst), Slg. 2002, I-11779, Rz. 79-82. EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 53. Die Argumentation bezieht sich hier vor allem auf die Gilly-Doktrin, siehe dazu sogleich unter (d). EuGH, Urt. v. 17.01.2008, C-105/07 (Lammers & Van Cleef), Slg. 2008, I-173. Hier verzichtete der EuGH nach der Rs. Thin Cap auf eine erneute Prüfung. EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487. Der EuGH prüfte dies nicht, weil es von den beteiligten Regierungen auch nicht vorgebracht wurde. Siehe oben das wörtliche Zitat sowie die Nachweise in den Fn. 459 f. Kommission v. 23.10.2001, SEK(2001) 1681, Tz. 5.1. Vgl. auch Hinnekens, BTR 1996, 272 (288); Naumann u.a., IStR 2009, 665 (668). Vgl. auch die insofern zutreffende Feststellung in der BR-Drs. 352/08, S. 9, dass der Fremdvergleichsgrundsatz an sich „europarechtlich nicht zu beanstanden“ ist.
Verrechnungspreisvorschriften
grenzüberschreitenden Sachverhalt anwendet.477 Dabei gehen die Rechtsfolgen stets über die auch im Inlandsfall anwendbare verdeckte Gewinnausschüttung und verdeckte Einlage hinaus.478 Dieser Umstand ist geeignet, den grenzüberschreitenden gegenüber dem mitgliedstaatsinternen Wirtschaftsverkehr weniger attraktiv zu machen.479 Folglich führt die Orientierung des § 1 AStG am Fremdvergleichsgrundsatz nicht zu einer Aufhebung der Diskriminierung, sie wird aber noch in der Rechtfertigungsprüfung Relevanz erlangen.480 (b)
Personenübergreifende Betrachtungsweise
In der Rs. SGI481 wendeten die belgische und die deutsche Regierung gegen die Annahme einer Diskriminierung ein, dass der im Inlandsfall zwischen zwei verbundenen Unternehmen gewährte Vorteil ohne Einkünftekorrektur zwar nicht bei dem vorteilsgewährenden Unternehmen, mit gleicher Wirkung aber beim vorteilsempfangenden verbundenen Unternehmen besteuert werde. Diese Argumentation ließe sich auch auf den im Vergleich zu § 1 AStG nach der verdeckten Gewinnausschüttung bzw. verdeckten Einlage im Inlandsfall nicht korrigierten Differenzbetrag übertragen. Sie ist jedoch mit Verweis auf die ständige Rechtsprechung des EuGH zurückzuweisen: Der EuGH vergleicht in der Diskriminierungsprüfung stets nur die Belastung eines Steuerpflichtigen und nimmt eine personenübergreifende Gesamtschau allenfalls erst im Rahmen des Rechtfertigungsgrunds der Kohärenz vor.482 In der Rs. SGI lehnte der EuGH den Einwand der Regierungen gleichwohl mit einer anderen Argumentation ab: Einerseits führt die personenübergreifende Gesamtschau bei nicht hundertprozentigen Beteiligung nicht zu identischen
477 Vgl. EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 38 ff.; Urt. v. 12.12.2002, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-11779, Rz. 27 ff.; Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 36 ff. Gl.A.: Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 896 f.; Rehm/Nagler, IStR 2008, 421 (424); Schön, FS Herzig, 2010, S. 301 (303). 478 Siehe bereits B.I.2.b) und c) sowie C.I.2.b)aa)(1)(ii). 479 Vgl. zur dementsprechenden Argumentation: EuGH, Urt. v. 12.12.2002, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-11779, Rz. 32; Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 57; Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 43. Diese Argumentation soll hier aber nicht im Sinne eines Beschränkungsverbotes verstanden werden. Sie wird vom EuGH auch im Rahmen des Diskriminierungsverbots angewandt, siehe C.I.1.b)bb). 480 Siehe C.I.2.c)cc). 481 EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 48 f.; GA Kokott, SchlA v. 10.09.2009, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 43; vgl. mit dieser Argumentation auch Naumann u.a., IStR 2009, 665 (667). 482 Vgl. zu § 1 AStG: BFH, Bschl. v. 21.06.2001, I B 141/00, BFHE 195, 398 (400); Englisch, IStR 2010, 139; siehe bereits C.I.1.b)aa) und cc). Siehe zur personenübergreifenden Kohärenz C.I.2.c)bb).
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
Ergebnissen.483 Andererseits bestünde auch bei hundertprozentigen Beteiligungen im grenzüberschreitenden Sachverhalt die Gefahr einer zusätzlichen Belastung durch eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung.484 Damit knüpfte der EuGH an die Schlussanträge der GA Kokott an.485 Im Rahmen des Diskriminierungsverbots kann der Verweis auf die wirtschaftliche Doppelbesteuerung jedoch nicht überzeugen.486 Aber auch hinsichtlich des Beschränkungsverbots begibt sich der EuGH damit in Widerspruch zu seiner ständigen Rechtsprechung, dass eine Doppelbesteuerung keine beschränkende Wirkung hat.487 (c)
Abkommensrechtlich zwingend vereinbarter Ausgleich
Gegen die Annahme der Diskriminierung könnte weiterhin eingewandt werden, dass der Nachteil der Einkünftekorrektur des § 1 AStG durch andere Vorteile ausgeglichen wird. Insbesondere besteht nach Art. 9 Abs. 2, Art. 25 OECD-MA bzw. nach Art. 4 Nr. 1 EU-SchÜ die Möglichkeit der korrespondierenden Gegenberichtigung durch den Staat des gebietsfremden verbundenen Unternehmens.488 Es wurde jedoch bereits herausgearbeitet, dass das Diskriminierungsverbot eine isolierte Betrachtung des belastenden Nachteils vornimmt und kompensatorische Vorteile außer Acht lässt.489 Diese sind erst auf der Rechtfertigungsebene im Rahmen der Kohärenz zu berücksichtigen. Der durch die Gegenberichtigung mögliche Ausgleich erfolgt zudem beim gebietsfremden verbundenen Unternehmen und damit erst in einer personenund staatenübergreifenden Zusammenschau, die dem Diskriminierungsverbot jedoch fremd ist.490
483 EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 53; deutlicher: GA Kokott, SchlA v. 10.09.2009, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 45; Schön, IStR 2009, 882 (884); Englisch, IStR 2010, 139. 484 EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 53. 485 GA Kokott, SchlA v. 10.09.2009, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 46 ff. 486 Siehe bereits oben unter (ii). 487 Vgl. zur juristischen Doppelbesteuerung etwa EuGH, Urt. v. 14.11.2006, C-513/04 (Kerckhaert u. Morres), Slg. 2006, I-10967, Rz. 19 ff.; Urt. v. 12.02.2009, C-67/08 (Block), Slg. 2009, I-883, Rz. 28 ff.; Urt. v. 16.07.2009, C-128/08 (Damseaux), Slg. 2009, I-6823, Rz. 27 ff.; Urt. v. 15.04.2010, C-96/08 (CIBA), Slg. 2010, I-2911, Rz. 25 ff. Vgl. zur wirtschaftlichen Doppelbesteuerung Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 88-91. Siehe ausführlich C.I.2.b)bb)(2)(i)(a). 488 Vgl. zu dieser Argumentation BFH, Bschl. v. 21.06.2001, I B 141/00, BFHE 195, 398 (400); vgl. ferner zu Unterkapitalisierungsvorschriften die Kommission im Urt. v. 12.12.2002, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-11779, Rz. 35 sowie die Regierungen im Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 48; Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 47. Siehe zur Gegenberichtigung bereits B.IV.2. Siehe zu einem weiteren Ausgleichsmechanismus C.I.2.c)bb)(1). 489 Siehe C.I.1.b)aa) mit Fn. 43 sowie C.I.1.b)cc). 490 Siehe C.I.1.b)cc) sowie soeben C.I.2.b)aa)(1)(ii)(b). Vgl. zu § 1 AStG auch BFH, Bschl. v. 21.06.2001, I B 141/00, BFHE 195, 398 (400); Englisch, IStR 2010, 139.
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Verrechnungspreisvorschriften
In der jüngeren Rechtsprechung ist der EuGH aber vom Grundsatz der Nichtberücksichtigung kompensatorischer Vorteile abgewichen, wenn der benachteiligende Mitgliedstaat den anderen Staat vertraglich zu einem Nachteilsausgleich verpflichtet.491 Eine derartige Verpflichtung kann sich aus bi- oder multilateralen Verträgen wie den DBA oder dem EU-SchÜ ergeben. In den Rs. Thin Cap492 und SGI493 hat der EuGH es zumindest nicht ausgeschlossen, dass der Nachteil der Einkünftekorrektur durch eine Gegenberichtigung des anderen Mitgliedstaates beim gebietsfremden verbundenen Unternehmen kompensiert werden kann. Der EuGH zeigt damit, die Rechtsprechung zum abkommensrechtlich zwingend vereinbarten Ausgleich auch personenübergreifend anwenden zu wollen. Zwar sind zwischenstaatliche Verträge als Teil des rechtlichen Rahmens in die Diskriminierungsprüfung mit einzubeziehen,494 ihre kompensatorischen Elemente sollten jedoch erst im Rahmen des Rechtfertigungsgrundes der Kohärenz berücksichtigt werden. Denn die Inbezugnahme in der Diskriminierungsprüfung widerspricht deren einzelfallbezogenem Charakter und führt, wie es der EFTA-Gerichtshof in der Rs. Fokus Bank495 feststellte, zu Rechtsunsicherheit. Zwar garantiert die abkommensrechtliche Vereinbarung gegenüber einem unilateral vereinbarten Ausgleich, den der EuGH noch in der Rs. „N“496 akzeptieren wollte, einen höheren Grad an Rechtssicherheit,497 die Annahme einer Diskriminierung kann aber weiterhin vom 491 Vgl. EuGH, Urt. v. 14.12.2006, C-170/05 (Denkavit), Slg. 2006, I-11949, Rz. 45-47; Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 54-56; Urt. v. 08.11.2007, C-379/05 (Amurta), Slg. 2007, I-9569, Rz. 79 f.; Urt. v. 19.11.2009, C540/07 (Kommission/Italien), Slg. 2009, I-10983, Rz. 36 f.; Urt. v. 03.06.2010, C487/08 (Kommission/Spanien), Slg. 2010, I-4843, Rz. 58, 66; Bschl. v. 22.11.2010, C199/10 (Secilpar), n.n.v., Rz. 40; Urt. v. 20.10.2011, C-284/09 (Kommission/Deutschland), IStR 2011, 840, Rz. 62 ff.; vgl. auch Urt. v. 12.12.2002, C-385/00 (de Groot), Slg. 2002, I-11819, Rz. 99; Urt. v. 07.09.2004, C-319/02 (Manninen), Slg. 2004, I-7477, Rz. 21; zuvor noch sogar einen unilateralen Ausgleich akzeptierend Urt. v. 07.09.2006, C-470/04 („N“), Slg. 2006, I-7409, Rz. 54. Einen grenzüberschreitenden Ausgleich hingegen generell ablehnend: EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 23.11.2004, E-1/04 (Fokus Bank), IStR 2005, 55, Rz. 37. 492 EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 54-56. 493 EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 54. 494 Vgl. EuGH, Urt. v. 19.01.2006, C-265/04 (Bouanich), Slg. 2006, I-923, Rz. 51; GA Geelhoed, SchlA v. 23.02.2006, C-374/04 (ACT), Slg. 2006, I-11673, Rz. 71; Urt. v. 14.12.2006, C-170/05 (Denkavit), Slg. 2006, I-11949, Rz. 45; Urt. v. 13.03.2007, C524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 54; Urt. v. 08.11.2007, C-379/05 (Amurta), Slg. 2007, I-9569, Rz. 80. Dies gilt erst Recht, wenn ein Staat wie Deutschland DBA erst per nationalem Zustimmungsgesetz Wirkung verleihen muss und diese dadurch den gleichen rechtlichen Rang wie einfaches nationales Gesetzesrecht erhalten, siehe B.IV.1.c). 495 EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 23.11.2004, E-1/04 (Fokus Bank), IStR 2005, 55, Rz. 37. 496 EuGH, Urt. v. 07.09.2006, C-470/04 („N“), Slg. 2006, I-7409, Rz. 54. 497 Vgl. GA Mengozzi, SchlA v. 07.06.2007, C-379/05 (Amurta), Slg. 2007, I-9569, Rz. 77 ff.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
anderen Mitgliedstaat abhängen. Dies verdeutlicht das Beispiel der Rs. Denkavit498: Darin ging es um die Frage, ob der Nachteil einer Quellenbesteuerung grenzüberschreitend gezahlter Dividenden durch die im DBA vorgesehene Anrechnung im anderen Staat ausgeglichen wird. Diese konnte die diskriminierende Quellenbesteuerung im Streitfall jedoch nicht neutralisieren, weil der andere Mitgliedstaat die Dividenden aufgrund des Schachtelprivilegs freistellte. Dies wäre nur möglich gewesen, wenn die Dividenden dort mit dem gleichen oder einem höheren Steuersatz besteuert worden wären.499 Folglich wäre die Annahme einer Diskriminierung nicht nur davon abhängig, dass mit dem jeweils anderen Mitgliedstaat ein abkommensrechtlicher Ausgleich vereinbart worden ist, sondern auch von der konkreten Ausgestaltung des nationalen Steuerrechts dieses Staates, das dieser jederzeit autonom ändern kann.500 Aus diesen Gründen ist die Berücksichtigung abkommensrechtlich zwingend vereinbarter Kompensationen besser im Rahmen des Rechtfertigungsgrundes der Kohärenz aufgehoben,501 der einen abstrakten Ausgleich aufgrund eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen dem steuerlichen Vor- und Nachteil verlangt502 und so die notwendige Rechtssicherheit garantiert. Sofern der EuGH in der Rs. Thin Cap503 und den jüngeren Urteilen zur Dividendenbesteuerung504 in der Diskriminierungsprüfung ebenfalls einen abstrakten Ausgleich „stets“ bzw. „in allen Fällen“ verlangt, kann die notwendige Rechtssicherheit auch im Rahmen der Diskriminierungsprüfung sichergestellt werden, 498 EuGH, Urt. v. 14.12.2006, C-170/05 (Denkavit), Slg. 2006, I-11949. 499 EuGH, Urt. v. 14.12.2006, C-170/05 (Denkavit), Slg. 2006, I-11949, Rz. 46-49; dazu: Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 601 f.; vgl. auch Urt. v. 19.11.2009, C-540/07 (Kommission/Italien), Slg. 2009, I-10983, Rz. 36-39; Urt. v. 03.06.2010, C-487/08 (Kommission/Spanien), Slg. 2010, I-4843, Rz. 61-64; Urt. v. 20.10.2011, C-284/09 (Kommission/Deutschland), IStR 2011, 840, Rz. 67-69. In diesem Fall ist die unterschiedliche Höhe der Steuersätze kein Fall bloßer Disparitäten [siehe dazu C.I.1.b)bb) sowie sogleich unter (d)], weil die Erhebung der Quellensteuer nur im grenzüberschreitenden Sachverhalt und damit auf diskriminierende Art und Weise erfolgt. 500 Vgl. Englisch, IStR 2008, 858 (859); vgl. auch Urt. v. 19.11.2009, C-540/07 (Kommission/Italien), Slg. 2009, I-10983, Rz. 39; Urt. v. 03.06.2010, C-487/08 (Kommission/Spanien), Slg. 2010, I-4843, Rz. 64; Urt. v. 20.10.2011, C-284/09 (Kommission/Deutschland), IStR 2011, 840, Rz. 69. 501 Vgl. Englisch, IStR 2007, 858 (859); a.A.: Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 564 ff.; ders., IStR 2011, 668 (671 f.); ders., BIT 2011, 684 (686 ff.); Schön, IStR 2009, 882 (884); jetzt wohl auch Englisch, IFSt-Schrift Nr. 449, 2008, S. 116 f.; ders., Intertax 2010, 197 (218). Allgemein für eine Berücksichtigung in der Rechtfertigung: Mason, A Theory of Tax Discrimination, Jean Monnet Working Paper 09/06, 2006, S. 40, Download unter: http://centers.law.nyu.edu/jean-monnet/papers/06/060901.pdf. 502 Siehe dazu später C.I.2.c)bb). 503 EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 55 f. 504 EuGH, Urt. v. 19.11.2009, C-540/07 (Kommission/Italien), Slg. 2009, I-10983, Rz. 39; Urt. v. 03.06.2010, C-487/08 (Kommission/Spanien), Slg. 2010, I-4843, Rz. 64; Urt. v. 20.10.2011, C-284/09 (Kommission/Deutschland), IStR 2011, 840, Rz. 70.
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Verrechnungspreisvorschriften
die Grenzen zur Kohärenz werden dann jedoch konturlos.505 Dem EuGH blieb in der Rs. Thin Cap dementsprechend nichts anderes übrig, als die Prüfung der Kompensation auf der Diskriminierungsebene nochmals im Rahmen der Kohärenz zu wiederholen.506 (d)
§ 1 AStG als Verteilungsnorm im Sinne der Rs. Gilly?
Der Annahme einer Diskriminierung der Niederlassungsfreiheit durch § 1 AStG könnte aber die Rechtsprechung des EuGH in der Rs. Gilly507 entgegen stehen.508 In dieser ging es um eine an einer deutschen Schule tätige Lehrerin, die sowohl die deutsche als auch die französische Staatsangehörigkeit besaß und mit ihrem Mann in Frankreich lebte. Nach Art. 14 Abs. 1 des DBA Frankreich stand Deutschland das Besteuerungsrecht an den Einkünften im deutschen öffentlichen Dienst tätiger Personen zu, die die deutsche Staatsangehörigkeit aufwiesen. Frankreich berücksichtigte die deutsche Besteuerung als Ansässigkeitsstaat durch die Methode der proportionalen Anrechnung509. Aufgrund des höheren deutschen Steuersatzes musste Frau Gilly dadurch jedoch mehr Steuern zahlen, als wenn sie die gleiche Tätigkeit in Frankreich ausgeübt hätte.510 Im Urteil erkannte der EuGH zunächst mangels unionsrechtlicher Harmonisierungsmaßnahmen die Souveränität der Mitgliedstaaten an, „die Kriterien für die Aufteilung ihrer Steuerhoheit untereinander festzulegen, um Doppelbesteuerungen zu beseitigen.“511 In der entsprechenden Norm zur 505 Daran kann m.E. auch der Hinweis von Englisch, Intertax 2010, 197 (218) nichts ändern, dass die Kohärenz einen personenbezogenen Ausgleich, die Kompensation in der Diskriminierungsprüfung aber einen zwischenstaatlichen Ausgleich im Sinne einer fairen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse betrifft. 506 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 54-56 u. Rz. 68 f. 507 EuGH, Urt. v. 12.05.1998, C-336/96 (Gilly), Slg. 1998, I-2793, Rz. 30-35. Siehe bereits C.I.1.b)bb). 508 Mit der Rs. Gilly verteidigte die Finanzverwaltung § 1 AStG in einem Verfahren vor dem FG Münster, vgl. FG Münster, Urt. v. 22.02.2008, 9 K 509/07 K,F, EFG 2008, 923 (926). 509 Danach entspricht der Anrechnungsbetrag dem Produkt aus den deutschen Einkünften und dem französischen Steuersatz, siehe Art. 20 Abs. 2 lit. a sublit. cc DBA Frankreich; vgl. dazu EuGH, Urt. v. 12.05.1998, C-336/96 (Gilly), Slg. 1998, I-2793, Rz. 8 f.; Vogel, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 23, Rz. 42; Kramer, in: D/W, DBA, Art. 20 Frankreich, Rz. 51 (Stand: 10.2002). 510 Vgl. EuGH, Urt. v. 12.05.1998, C-336/96 (Gilly), Slg. 1998, I-2793, Rz. 10. 511 Vgl. EuGH, Urt. v. 12.05.1998, C-336/96 (Gilly), Slg. 1998, I-2793, Rz. 30; seither ständige Rechtsprechung: Urt. v. 21.09.1999, C-307/97 (Saint Gobain), Slg. 1999, I6161, Rz. 56; Urt. v. 12.12.2002, C-385/00 (de Groot), Slg. 2002, I-11819, Rz. 93; Urt. v. 05.07.2005, C-376/03 („D”), Slg. 2005, I-5821, Rz. 49-52; Urt. v. 23.02.2006, C513/03 (van Hilten), Slg. 2006, I-1957, Rz. 47; Urt. v. 07.09.2006, C-470/04 („N“), Slg. 2006, I-7409, Rz. 44; Urt. v. 14.11.2006, C-513/04 (Kerckhaert u. Morres), Slg. 2006, I-10967, Rz. 22 f.; Urt. v. 12.12.2006, C-374/04 (ACT), Slg. 2006, I-11673, Rz. 52; Urt. v. 14.12.2006, C-170/05 (Denkavit), Slg. 2006, I-11949, Rz. 43; Urt. v.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
Aufteilung der Steuerhoheit sah er zutreffend keine Diskriminierung, obwohl Art. 14 Abs. 1 DBA Frankreich auf die Staatsangehörigkeit und damit auf ein im AEUV verbotenes Differenzierungskriterium abstellte.512 Denn der Nachteil der höheren Besteuerung ergab sich erst aus dem höheren deutschen Steuersatz und stellte somit bloß die Konsequenz der Unterschiedlichkeit der Steuersätze Deutschlands und Frankreichs dar.513 Wie der EuGH in der späteren Rechtsprechung bestätigte, sind DBA-Normen, die ausschließlich eine Verteilung der Steuerhoheit zwischen den beteiligten Staaten vornehmen, in ihren Auswirkungen als grundfreiheitlich neutral anzusehen; erst die Ausübung des einmal aufgeteilten Besteuerungsrechts steht unter der vollen unionsprimärrechtlichen Kontrolle.514 Fraglich ist damit, ob auch § 1 AStG eine grundfreiheitlich neutrale Verteilungsnorm im Sinne der Rs. Gilly darstellt, die lediglich der Zuordnung des vorhandenen Steuersubstrats auf die beteiligten Staaten dient. Dazu ist zunächst festzustellen, dass § 1 AStG in Umsetzung des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA tatsächlich eine Aufteilung der Einkünfte aus einer Transaktion zwischen zwei 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 49; Urt. v. 08.11.2007, C379/05 (Amurta), Slg. 2007, I-9569, Rz. 17; Urt. v. 06.12.2007, C-298/05 (Columbus Container Services), Slg. 2007, I-10451, Rz. 27; Urt. v. 20.05.2008, C-194/06 (Orange European Smallcap Fund), Slg. 2008, I-3747, Rz. 32; Urt. v. 23.10.2008, C-157/07 (Krankenheim Ruhesitz am Wannsee), Slg. 2008, I-8061, Rz. 48; Urt. v. 22.12.2008, C282/07 (Truck Center), Slg. 2008, I-10767, Rz. 22; Urt. v. 18.06.2009, C-303/07 (Aberdeen Property Fininvest Alpha), Slg. 2009, I-5145, Rz. 25; Urt. v. 16.07.2009, C128/08 (Damseaux), Slg. 2009, I-6823, Rz. 30; Urt. v. 19.11.2009, C-540/07 (Kommission/Italien), Slg. 2009, I-10983, Rz. 29; Urt. v. 03.06.2010, C-487/08 (Kommission/Spanien), Slg. 2010, I-4843, Rz. 38; Urt. v. 20.10.2011, C-284/09 (Kommission/Deutschland), IStR 2011, 840, Rz. 46; Urt. v. 29.11.2011, C-371/10 (National Grid Indus), IStR 2012, 27, Rz. 45; Urt. v. 08.12.2011, C-157/10 (Banco Bilbao), IStR 2012, 152, Rz. 31. 512 Vgl. EuGH, Urt. v. 12.05.1998, C-336/96 (Gilly), Slg. 1998, I-2793, Rz. 30 u. 34; deutlicher: GA Colomer, SchlA v. 20.11.1997, C-336/96 (Gilly), Slg. 1998, I-2793, Rz. 44 f. Vgl. auch EuGH, Urt. v. 05.07.2005, C-376/03 („D”), Slg. 2005, I-5821, Rz. 52. 513 Vgl. EuGH, Urt. v. 12.05.1998, C-336/96 (Gilly), Slg. 1998, I-2793, Rz. 34; ferner: Urt. v. 12.12.2002, C-385/00 (de Groot), Slg. 2002, I-11819, Rz. 86. Siehe bereits C.I.1.b)bb). 514 Vgl. EuGH, Urt. v. 12.05.1998, C-336/96 (Gilly), Slg. 1998, I-2793, Rz. 30, 34; deutlicher in: Urt. v. 21.09.1999, C-307/97 (Saint Gobain), Slg. 1999, I-6161, Rz. 56-58; Urt. v. 12.12.2002, C-385/00 (de Groot), Slg. 2002, I-11819, Rz. 93 f.; Urt. v. 12.12.2006, C-374/04 (ACT), Slg. 2006, I-11673, Rz. 79; Urt. v. 14.12.2006, C-170/05 (Denkavit), Slg. 2006, I-11949, Rz. 43 f.; vgl. auch EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 07.05.2008, E-7/07 (Seabrokers), IStR 2009, 315, Rz. 48. Vgl. ferner: Saß, DB 1998, 1482 (1483 f.); Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 597; Schnitger, Grenzen, 2006, S. 372 f.; Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 540 u. 548; Cordewener/Kofler/van Thiel, Fundamental Freedoms and Direct Taxation, draft 2008, S. 16 f.; zu weitgehend: Hahn, jurisPRSteuerR 17/2010 Anm. 5, unter C.II.1.c).
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Verrechnungspreisvorschriften
verbundenen Unternehmen auf die jeweiligen Ansässigkeitsstaaten vornimmt. Es ist jedoch bereits umstritten, ob Art. 9 OECD-MA selbst eine Verteilungsnorm ist. Art. 9 steht im OECD-MA zwar systematisch innerhalb der Verteilungsnormen der Art. 6-22, darunter nimmt die Norm aber eine Sonderstellung ein, weil sie das Verhältnis zweier Staaten und Steuerpflichtigen betrifft.515 Dies ändert jedoch nichts daran, dass Art. 9 OECD-MA in der Sache eine Verteilung der Besteuerungsrechte vorsieht.516 Gewichtiger ist der Unterschied, dass Art. 9 OECD-MA nicht unmittelbar anwendbar ist, sondern erst in nationales Recht umgesetzt werden muss.517 Anders als in der Rs. Gilly ist § 1 AStG damit zumindest keine DBA-Verteilungsnorm. In der Rs. Thin Cap518 hat sich der EuGH bereits damit befasst, ob die Rechtsprechung in der Rs. Gilly auf die britischen Unterkapitalisierungsvorschriften übertragen werden kann, die als Einkünftekorrekturnormen Art. 9 OECD-MA in nationales Recht umsetzen. Dabei stellte der EuGH zunächst fest, dass die Mitgliedstaaten die Aufteilung der Steuerhoheit sowohl bilateral in einem DBA als auch unilateral im nationalen Recht vornehmen dürfen.519 Nach seiner Ansicht gingen die nationalen Unterkapitalisierungsvorschriften jedoch über die bloße Umsetzung des Art. 9 OECD-MA und über eine bloße Aufteilung der Steuerhoheit hinaus, weil sich der britische Gesetzgeber einseitig dafür entschieden hatte, welche Zinszahlungen im Einzelfall in Dividenden umqualifiziert werden.520 Die britischen Vorschriften dienten damit primär der Sicherung des nationalen Steuersubstrats.521 Der EuGH führte weiter aus, dass selbst wenn die Unterkapitalisierungsvorschriften bloß Art. 9 OECD-MA in nationales Recht umgesetzt hätten, Großbritannien dennoch zur Beachtung des 515 Vgl. Eigelshoven, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 9, Rz. 6; ferner: Debatin, DStZ Ausgabe A 1971, 385 (388 f.). Aus diesem Grund nicht von einer Verteilungsnorm ausgehend: Lang, Einführung in das Recht der DBA, 2. Aufl. 2002, Rz. 508; Wittendorf, BIT 2009, 107 (110). 516 Vgl. Eigelshoven, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 9, Rz. 6; Schön, World Tax Journal 2010, 227 (232, dort Fn. 11). Ebenfalls vom Charakter einer Verteilungsnorm ausgehend: Vogel, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, vor Art. 6-22, Rz. 1; Cordewener/Kofler/van Thiel, Fundamental Freedoms and Direct Taxation, draft 2008, S. 16 mit Fn. 178. 517 Siehe B.IV.1.a). 518 EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 46-53. 519 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 49; vgl. auch Urt. v. 23.02.2006, C-513/03 (van Hilten), Slg. 2006, I-1957, Rz. 47; Urt. v. 07.09.2006, C-470/04 („N“), Slg. 2006, I-7409, Rz. 44; Urt. v. 12.12.2006, C-374/04 (ACT), Slg. 2006, I-11673, Rz. 52; Urt. v. 18.06.2009, C-303/07 (Aberdeen Property Fininvest Alpha), Slg. 2009, I-5145, Rz. 25; Urt. v. 16.07.2009, C-128/08 (Damseaux), Slg. 2009, I-6823, Rz. 30; vgl. andeutungsweise bereits: Urt. v. 21.09.1999, C-307/97 (Saint Gobain), Slg. 1999, I-6161, Rz. 56. 520 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 50 f. 521 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 52.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
Unionsrechts verpflichtet gewesen wäre.522 Diese Pflicht hatte Großbritannien aber verletzt, weil die britischen Unterkapitalisierungsvorschriften primär im grenzüberschreitenden Fall anwendbar und somit diskriminierend ausgestaltet waren. Folglich besteht der Unterschied zur Verteilungsnorm in der Rs. Gilly nicht darin, dass die britischen Vorschriften solche des nationalen Rechts waren, sondern dass diese diskriminierend wirkten. Der Nachteil der Einkünftekorrektur ist in der Rs. Thin Cap damit nicht die bloße Konsequenz der Unterschiedlichkeit der Steuersysteme der beteiligten Staaten. Die Rechtsprechung in der Rs. Gilly kann nicht dahingehend verstanden werden, dass sämtliche Normen, die (auch) eine Verteilung der Steuerhoheit vorsehen, grundfreiheitlich immun wären. Entscheidend ist allein, ob die Verteilungsnorm diskriminierungsfrei ausgestaltet und ein etwaiger Nachteil letztlich auf Disparitäten zwischen nicht harmonisierten Steuersystemen zurückzuführen ist.523 Die zentrale Aussage des Gilly-Urteils besteht somit darin, dass dies bei Normen, die ausschließlich eine Verteilung der Steuerhoheit zwischen zwei Staaten vornehmen und den Steuertatbestand inhaltlich unverändert lassen, der Fall ist.524 Die Frage, ob § 1 AStG eine grundfreiheitlich neutrale Verteilungsnorm im Sinne der Rs. Gilly darstellt, die lediglich der Zuordnung des vorhandenen Steuersubstrats auf die beteiligten Staaten dient, kann nun relativ leicht beantwortet werden: Denn es wurde bereits festgestellt, dass die Norm aufgrund der alleinigen Anwendbarkeit auf grenzüberschreitende Sachverhalte diskriminierend wirkt.525 Der mit § 1 AStG verbundene Nachteil kann daher nicht auf die bloße Unterschiedlichkeit der Steuerrechtsordnungen zweier Mitgliedstaaten zurückgeführt werden. § 1 AStG ist keine grundfreiheitlich neutrale Verteilungsnorm im Sinne der Rs. Gilly.526 (iii)
Vergleichbarkeitsprüfung
Bis hierin wurde herausgearbeitet, dass § 1 AStG zu einer Schlechterstellung des grenzüberschreitenden gegenüber dem innerstaatlichen Sachverhalt führt. 522 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 53. 523 Vgl. auch GA Colomer, SchlA v. 20.11.1997, C-336/96 (Gilly), Slg. 1998, I-2793, Rz. 43-47; Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 600 f.; Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 261; Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 542 ff.; Vanistendael, BIT 2008, 90 (97); Cordewener/Kofler/van Thiel, Fundamental Freedoms and Direct Taxation, draft 2008, S. 16 f. 524 Vgl. Vanistendael, BIT 2008, 90 (97); Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 542 u. 549 f. 525 Siehe C.I.2.b)aa)(1)(ii). 526 Im Ergebnis gl.A.: FG Münster, Urt. v. 22.02.2008, 9 K 509/07 K,F, EFG 2008, 923 (926); Kaminski, RIW 2007, 594 (595); ders., StuW 2008, 337 (345); Rehm/Nagler, IStR 2008, 421 (423 f.); Kahle, StuB 2009, 383 (389); Schön, IStR 2011, 777 (779); ders., Transfer Pricing, the Arm’s Length Standard and European Union Law, 2011, S. 18, Download unter: http://ssrn.com/abstract=1930237.
210
Verrechnungspreisvorschriften
Eine Diskriminierung liegt jedoch nur vor, wenn „unterschiedliche Vorschriften auf vergleichbare Situationen angewandt werden“.527 Damit ist zu prüfen, ob eine ansässige Gesellschaft, die einem gebietsfremden verbundenen Unternehmen einen Vorteil gewährt, sich in einer vergleichbaren Situation befindet wie eine ansässige Gesellschaft, die denselben Vorteil einem ansässigen verbundenen Unternehmen zukommen lässt. (a)
Ausdifferenzierung der Vergleichspaarbildung
Das Vergleichspaar kann weiterhin danach unterteilt werden, ob der Vorteil zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften oder zwischen Schwestergesellschaften gewährt wird. Zur Unterscheidung zwischen In- und OutboundFällen kommt es im Rahmen der Niederlassungsfreiheit jeweils darauf an, ob die aktiv niederlassungsberechtigte Muttergesellschaft im grenzüberschreitenden Fall im Ausland oder im Inland ansässig ist. Ist sie im Ausland ansässig, erfolgt ein Vergleich im Inbound-Fall eines Gebietsfremden, der Tätigkeiten im Inland aufnimmt, mit einem Ansässigen. Andernfalls liegt ein OutboundFall vor.528 Eine entsprechende Unterscheidung des Vergleichspaars nahm auch der EuGH in der Rs. SGI vor.529 Für Lieferungs- und Leistungsbeziehungen zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften können die folgenden Vergleichspaare unterschieden werden:
527 EuGH, Urt. v. 14.02.1995, C-279/93 (Schumacker), Slg. 1995, I-225, Rz. 30; Urt. v. 18.03.2010, C-440/08 (Gielen), Slg. 2010, I-2323, Rz. 38; zuvor bereits: Urt. v. 23.02.1983, 8/82 (Wagner), Slg. 1983, 371; Urt. v. 13.11.1984, 283/83 (Racke), Slg. 1984, 3791, Rz. 7. Siehe bereits C.I.1.b)cc). 528 Siehe C.I.1.b)aa). 529 Vgl. EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 44 f. Die Rs. SGI hat zwei Einkünftekorrekturen zum Gegenstand: Einerseits hinsichtlich einer Verwaltungsratsvergütung der ansässigen Tochtergesellschaft (SGI SA) an die gebietsfremde Mutter (Cobelpin SA). Andererseits bezüglich einer Zinszahlung der gebietsfremden Enkelgesellschaft (Recydem SA) an die SGI SA. Im zuerst genannten Fall liegt ein Inbound-Fall vor, im zweitgenannten ein Outbound-Fall. Der EuGH differenzierte jedoch nur innerhalb des Belastungsvergleichs danach, ob eine gebietsfremde Muttergesellschaft von der Gründung einer Tochter im Inland abgehalten wird, oder ob die Tochter an der Gründung der Enkelgesellschaft im Ausland gehindert wird. Er verzichtete im Urteil auf eine Vergleichbarkeitsprüfung, weil er fälschlicherweise wohl von einem freiheitsrechtlichen Beschränkungsverbot ausging, siehe allgemein C.I.1.b)cc).
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
Grenzüberschreitender Ausgangsfall
Inländischer Vergleichsfall
Inbound/ Outbound
Ansässige TG* liefert/leistet Ansässige TG liefert/leistet an Inbound an gebietsfremde MG* zu ansässige MG zu einem unaneinem unangemessen niedri- gemessen niedrigen Preis gen Preis Ansässige MG liefert/leistet an Ansässige MG liefert/leistet Outbound gebietsfremde TG zu einem an ansässige TG zu einem unangemessen niedrigen Preis unangemessen niedrigen Preis Gebietsfremde TG liefert/leis- Ansässige TG liefert/leistet an Outbound tet an ansässige MG zu einem ansässige MG zu einem unanunangemessen hohen Preis gemessen hohen Preis Gebietsfremde MG liefert/ Ansässige MG liefert/leistet Inbound leistet an ansässige TG zu an ansässige TG zu einem einem unangemessen hohen unangemessen hohen Preis Preis *TG = Tochtergesellschaft; MG = Muttergesellschaft Abbildung 3: Vergleichspaare bei Lieferungs- und Leistungsbeziehungen zwischen Tochter- und Muttergesellschaften
Im Fall von Lieferungs- und Leistungsbeziehungen zwischen Schwestergesellschaften liegt ein Inbound-Fall vor, wenn die gemeinsame Muttergesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist. Hat sie ihren Sitz hingegen in Deutschland, ist von einem Outbound-Fall auszugehen. Ist die Muttergesellschaft in einem Drittstaat ansässig, ist ausnahmsweise die ansässige Tochtergesellschaft als passive Marktteilnehmerin das zu schützende Subjekt im Rahmen der Niederlassungsfreiheit,530 so dass ein Outbound-Fall vorliegt. Die hier vorgenommene Differenzierung macht deutlich, dass eine Unterscheidung zwischen Inbound- und Outbound-Fällen, nach der der EuGH gewöhnlich die Vergleichbarkeitsprüfung ausrichtet, im Fall von Lieferungsund Leistungsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen im Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit nicht zielführend ist: Wirtschaftlich besteht bezüglich der Transaktion kein nennenswerter Unterschied, je nachdem ob die Muttergesellschaft im In- oder Ausland ansässig ist. Folgerichtig differenziert § 1 AStG auch rechtlich nicht danach. Bei Transaktionen zwischen Schwestergesellschaften erscheint die Unterscheidung zwischen Inbound- und Outbound-Fall nach dem Sitz der Muttergesellschaft geradezu 530 Siehe C.I.2.a)bb). A.A.: EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I2107, Rz. 98 f.; siehe dazu ausführlich bereits C.I.2.a)aa)(2).
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Verrechnungspreisvorschriften
willkürlich. Denn dieser hat weder wirtschaftlich noch rechtlich einen Einfluss auf die Transaktion zwischen den Schwestergesellschaften. Im Folgenden wird daher eine einheitliche Vergleichbarkeitsprüfung ohne die Unterscheidung nach Inbound- und Outbound-Fällen vorgenommen. Diese Vorgehensweise wird durch die bereits vorgenommene Analyse zur Vergleichbarkeitsprüfung531 unterstützt. Danach ist bei Lieferungs- und Leistungsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen sowohl im Inbound- als auch im Outbound-Fall eine normale Vergleichbarkeitsprüfung vorzunehmen: Denn einerseits findet die Schumacker-Doktrin im Inbound-Fall keine Anwendung auf Kapitalgesellschaften. Andererseits kann im Outbound-Fall keine Unterscheidung zwischen inländischen und ausländischen Einkünften getroffen werden, weil sich die Gewinne und Verluste aus der Transaktion auf die rechtlich selbstständigen, in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässigen verbundenen Unternehmen verteilen, die insofern beide inländische Einkünfte erzielen.532 (b)
Rechtliche und tatsächliche Vergleichbarkeit
Nach Schwenke533 und Naumann u.a.534 ist die Vergleichbarkeit des grenzüberschreitenden mit dem innerstaatlichen Sachverhalt hinsichtlich § 1 AStG abzulehnen, weil nur im grenzüberschreitenden Sachverhalt für verbundene Unternehmen die Möglichkeit besteht, Gewinne in das ggf. niedrig besteuernde Ausland zu verlagern.535 Mit dieser Argumentation versuchten auch die Regierungen in den Rs. Lankhorst-Hohorst536 und Thin Cap537 ihre Unterkapitalisierungsvorschriften zu verteidigen. Wäre der genannte Unterschied allein ausschlaggebend, liefe das grundfreiheitliche Diskriminierungsverbot bei Vorschriften zur Verhinderung einer Gewinnverlagerung jedoch praktisch ins Leere – Wettbewerbsverzerrungen auf dem Binnenmarkt blieben bestehen. Dieser Unterschied hat den EuGH daher zu Recht weder in den Urteilen zu den Unterkapitalisierungsvorschriften538 noch in der Rs. SGI539 noch in den 531 Siehe C.I.1.b)cc)(1). 532 Siehe C.I.1.b)cc)(1)(i) und (ii). 533 Schwenke, DStJG 33 (2010), 273 (286 f.); zuvor noch zurückhaltender: Schwenke, Internationale Einkünfteabgrenzung, 2006, S. 196 f. 534 Naumann/Sydow/Becker/Mitschke, IStR 2009, 665 (667); ferner: Becker/Sydow, IStR 2010, 195 (197); Mitschke, DStR 2010, 1368. 535 Vgl. ferner Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 90 AO, Rz. 57 (Stand: 01.2010). 536 Vgl. GA Mischo, SchlA v. 26.11.2002, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I11779, Rz. 61. 537 EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 58. 538 Vgl. EuGH, Urt. v. 12.12.2002, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-11779, Rz. 32 f. [keine Prüfung der Vergleichbarkeit]; Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 57 ff.; Urt. v. 17.01.2008, C-105/07 (Lammers & Van Cleef), Slg. 2008, I-173 [keine Prüfung der Vergleichbarkeit]. 539 EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 55 f. [keine Prüfung der Vergleichbarkeit].
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
Urteilen zur Wegzugs-540 oder Hinzurechnungsbesteuerung541 davon abgehalten, eine Diskriminierung anzunehmen. Damit ist aber noch nicht entschieden, ob das hier aufgestellte Vergleichspaar auch rechtlich und tatsächlich vergleichbar ist. Von der rechtlichen Vergleichbarkeit ist nach ständiger Rechtsprechung insbesondere auszugehen, wenn der betreffende Mitgliedstaat beide Vergleichsgruppen abgesehen von der streitigen mitgliedstaatlichen Maßnahme ansonsten steuerrechtlich gleich behandelt.542 Dabei kommt es auf die Situation des ansässigen verbundenen Unternehmens an, bei dem als Folge einer Vorteilsgewährung an ein gebietsfremdes verbundenes Unternehmen eine Einkünftekorrektur nach § 1 AStG vorgenommen wird. Deren Situation ist mit derjenigen einer ansässigen Gesellschaft zu vergleichen, die mit einem ansässigen verbundenen Unternehmen kontrahiert. Nach dem engen Vergleichsmaßstab des EuGH ist dabei nicht auf deren rechtliche Gesamtsituation, sondern auf einzelne, in diesem Fall steuerlich relevante Aspekte abzustellen.543 § 1 AStG fällt als Einkünftekorrekturvorschrift in den Bereich der Gewinnermittlung. Insofern liegt es nahe, die rechtliche Vergleichbarkeit danach zu beurteilen, ob die Gewinne dieser Gesellschaften ansonsten gleich ermittelt werden. Dieses Kriterium hat der EuGH auch in zahlreichen Urteilen herangezogen.544 Hier ist 540 Vgl. EuGH, Urt. v. 11.03.2004, C-9/02 (de Lasteyrie), Slg. 2004, I-2409, Rz. 48 f.; Urt. v. 07.09.2006, C-470/04 („N“), Slg. 2006, I-7409, Rz. 39 f. In beiden Urteilen verzichtete der EuGH auf eine Vergleichbarkeitsprüfung, obwohl auch hier nur bei einem grenzüberschreitenden Wegzug die Möglichkeit besteht, Veräußerungsgewinne ins Ausland zu verlagern. 541 Vgl. EuGH, Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 46 f.; Bschl. v. 23.04.2008, C-201/05 (CFC and Dividend), Slg. 2008, I-2875, Rz. 75 f. Auch in diesen Urteilen verzichtete der EuGH auf die Vergleichbarkeitsprüfung, trotz der Möglichkeit, Gewinne in eine ausländische Zwischengesellschaft zu verlagern. 542 Siehe C.I.1.b)cc) und vgl. nochmals etwa EuGH, Urt. v. 28.01.1986, 270/83 (avoir fiscal), Slg. 1986, 273, Rz. 19 f.; Urt. v. 29.04.1999, C-311/97 (Royal Bank of Scotland), Slg. 1999, I-2651, Rz. 28 f.; Urt. v. 21.09.1999, C-307/97 (Saint Gobain), Slg. 1999, I-6161, Rz. 47 f.; Urt. v. 11.09.2008, C-43/07 (Arens-Sikken), Slg. 2008, I-6887, Rz. 57; Urt. v. 11.09.2008, C-11/07 (Eckelkamp), Slg. 2008, I-6845, Rz. 63; Urt. v. 22.01.2009, C-377/07 (STEKO), Slg. 2009, I-299, Rz. 34; Urt. v. 23.04.2009, C-544/07 (Rüffler), Slg. 2009, I-3389, Rz. 69; Urt. v. 22.04.2010, C-510/08 (Mattner), Slg. 2010, I-3553, Rz. 38. 543 Siehe C.I.1.b)cc) mit den Nachweisen in Fn. 111. 544 Vgl. EuGH, Urt. v. 28.01.1986, 270/83 (avoir fiscal), Slg. 1986, 273, Rz. 19 f.; Urt. v. 29.04.1999, C-311/97 (Royal Bank of Scotland), Slg. 1999, I-2651, Rz. 28 f.; Urt. v. 08.03.2001, C-397/98 u.a. (Metallgesellschaft u.a.), Slg. 2001, I-1727, Rz. 53; Urt. v. 18.09.2003, C-168/01 (Bosal), Slg. 2003, I-9409, Rz. 39 [dies ergibt sich aus einem Verweis auf GA Alber, SchlA v. 24.09.2002, C-168/01 (Bosal), Slg. 2003, I-9409, Rz. 51, der wiederum auf die Rs. Metallgesellschaft u.a. verweist]; Urt. v. 23.02.2006, C-253/03 (CLT-Ufa), Slg. 2006, I-1831, Rz. 29; ferner zur gleichen Ermittlung der
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Verrechnungspreisvorschriften
festzustellen, dass unabhängig davon, ob die ansässige Gesellschaft Transaktionen mit ansässigen oder gebietsfremden verbundenen Unternehmen durchführt und unabhängig davon, ob diese Gesellschaft Mutter- oder Tochtergesellschaft innerhalb eines Konzerns ist, die Gewinne nach § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. den Vorschriften des EStG ansonsten in gleicher Weise ermittelt werden. Der rechtlichen Vergleichbarkeit der beiden Gesellschaften könnte jedoch entgegenstehen, dass nur diejenige Gesellschaft, die mit dem gebietsfremden verbundenen Unternehmen handelt, in den Anwendungsbereich sowohl eines DBA, das eine mit Art. 9 OECD-MA vergleichbare Vorschrift enthält, als auch in den Anwendungsbereich des EU-SchÜ fällt. In der Rs. „D“545 hat der EuGH bei der Prüfung einer abkommensrechtlichen Meistbegünstigung entschieden, dass abkommensberechtigte Personen nicht mit nicht-abkommensberechtigten vergleichbar sind. Im Fall des § 1 AStG geht es aber nicht unmittelbar um die Anwendbarkeit einer abkommensrechtlichen Vorschrift. Gleichwohl soll § 1 AStG nach der Gesetzesbegründung gerade Art. 9 OECD-MA in nationales Recht umsetzen.546 Entscheidend ist jedoch, dass § 1 AStG als unilaterale Regelung völlig unabhängig davon anwendbar ist, dass ein Sachverhalt in den Anwendungsbereich eines DBA oder des EU-SchÜ fällt. Folglich kann deren Anwendbarkeit keine Auswirkungen auf die rechtliche Lage der ansässigen Gesellschaft im Fall des § 1 AStG haben. Das Vergleichspaar bleibt damit rechtlich vergleichbar. Fraglich ist, ob dieses auch tatsächlich vergleichbar ist. In der Rs. Keller Holding547 hat der EuGH die tatsächliche Vergleichbarkeit danach beurteilt, ob ein Mitgliedstaat das Vergleichspaar auch tatsächlich gleich behandelt. Bezogen auf die sonstige Gewinnermittlung ist auch dies der Fall, weil nicht erkennbar ist, dass die tatsächliche Umsetzung von den rechtlichen Vorgaben abweichen würde. Generell ist festzustellen, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse der ansässigen Gesellschaft nicht allein dadurch ändern, dass diese die Transaktion anstatt mit einem ansässigen verbundenen Unternehmen mit einem gebietsfremden verbundenen Unternehmen durchführt.548 Sollten außer-
545
546 547 548
Bemessungsgrundlage im Rahmen der Erbschaftsteuer: Urt. v. 11.09.2008, C-43/07 (Arens-Sikken), Slg. 2008, I-6887, Rz. 57; Urt. v. 11.09.2008, C-11/07 (Eckelkamp), Slg. 2008, I-6845, Rz. 63; Urt. v. 22.04.2010, C-510/08 (Mattner), Slg. 2010, I-3553, Rz. 38. EuGH, Urt. v. 05.07.2005, C-376/03 („D”), Slg. 2005, I-5821, Rz. 61; bestätigt mit: Urt. v. 12.12.2006, C-374/04 (ACT), Slg. 2006, I-11673, Rz. 87-91; Urt. v. 20.05.2008, C-194/06 (Orange European Smallcap Fund), Slg. 2008, I-3747, Rz. 50 f. Siehe dazu bereits C.I.1.b)cc)(2)(iii). Vgl. BT-Drs. VI/2883, S. 16 f. EuGH, Urt. v. 23.02.2006, C-471/04 (Keller Holding), Slg. 2006, I-2107, Rz. 36 f. Siehe C.I.1.b)cc)(1). Vgl. allgemein zu dieser Argumentation etwa EuGH, Urt. v. 17.09.2009, C-182/08 (Glaxo Wellcome), Slg. 2009, I-8591, Rz. 73.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
steuerliche Gründe die grenzüberschreitende Transaktion erschweren und sich insofern ggf. auf die tatsächlichen Verhältnisse der ansässigen Gesellschaft auswirken549, dürften diese einerseits im europäischen Binnenmarkt allenfalls geringfügig sein und andererseits wohl außerhalb des engen Vergleichsmaßstabes des EuGH liegen. Unabhängig davon ist festzustellen, dass die beiden verglichenen Unternehmen in einem Wettbewerbsverhältnis zueinander stehen.550 Das Vergleichspaar ist damit rechtlich und tatsächlich vergleichbar. Aufgrund der bereits festgestellten Schlechterstellung des grenzüberschreitenden Sachverhalts bewirkt eine Einkünftekorrektur gemäß § 1 AStG damit eine vertikale Diskriminierung der Niederlassungsfreiheit. (2)
Horizontale Diskriminierung
§ 1 AStG könnte weiterhin eine horizontale Diskriminierung des grenzüberschreitenden gegenüber einem anderen vergleichbaren grenzüberschreitenden Sachverhalt begründen. In Betracht kommt eine Schlechterstellung gegenüber Zweigniederlassungen in Form einer Betriebsstätte (Gebot der Rechtsformwahlfreiheit) sowie eine abkommensrechtliche Meistbegünstigung. Eine unilaterale Ungleichbehandlung zweier grenzüberschreitender Sachverhalte ist nicht ersichtlich, da § 1 AStG keine Unterscheidung nach verschiedenen grenzüberschreitenden Sachverhalten vornimmt. (i)
Rechtsformwahlfreiheit
In der Literatur wird vereinzelt diskutiert, ob die internationale Einkünfteabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen im deutschen Steuerrecht schlechter behandelt wird als zwischen einer Kapitalgesellschaft und einer Betriebsstätte.551 Überführt z.B. eine ansässige Kapitalgesellschaft ein Wirtschaftsgut in eine gebietsfremde Betriebsstätte, wird gemäß § 12 Abs. 1 KStG
549 Siehe zum Durchschlagen der rechtlichen Behandlung auf die tatsächlichen Verhältnisse C.I.1.b)cc). 550 Vgl. zur tatsächlichen Vergleichbarkeit anhand des Wettbewerbsverhältnisses: Englisch, Wettbewerbsgleichheit, 2008, S. 291 ff.; ders., H&I 2/2009, 48 (49); ders., Intertax 2010, 197 (212 f.); siehe Fn. 119. Vgl. auch Cordewener/Kofler/van Thiel, Fundamental Freedoms and Direct Taxation, draft 2008, S. 32. 551 Vgl. Frotscher, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2009, Rz. 559. Umgekehrt wird teilweise auch versucht, die Einkünfteabgrenzung zwischen Betriebsstätten mit derjenige zwischen verbundenen Unternehmen zu verteidigen, vgl. BT-Drs. 16/2710, S. 27; siehe dazu: Glahe, Die steuerliche Behandlung der Überführung von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens ins Ausland, 2008, S. 50, Download unter: http://opus.bibliothek.uni-augsburg.de/volltexte/2009/1382/. Vgl. auch Hintsanen, ET 2003, 114; ders., in: Russo, Attribution of Profits, 2005, S. 459 (474); Schön, in: Lüdicke, Besteuerung von Unternehmen im Wandel, 2007, S. 71 (87 ff.). Siehe zu aktuellen Entwicklungen auch Fn. 555.
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Verrechnungspreisvorschriften
eine Veräußerung zum gemeinen Wert fingiert.552 Insoweit besteht in aller Regel kein Unterschied zu einer anhand des Fremdvergleichswerts durchgeführten Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen.553 Jedoch kann der fiktive Veräußerungserlös gemäß § 4g EStG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG auf Antrag durch den Ansatz eines passiven Ausgleichspostens zeitlich über fünf Jahre gestreckt werden.554 Dies ist bei der Einkünftekorrektur nach den Verrechnungspreisvorschriften nicht möglich, so dass diese grenzüberschreitenden Sachverhalte in vielen Fällen schlechter behandelt werden. Dies ist auch der Fall, wenn grenzüberschreitend Dienstleistungen zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrer Betriebsstätte erbracht werden, da nach dem aktuellen deutschen Steuerrecht hier keine Korrektur erfolgt.555 Folglich könnte das Gebot der Rechtsformwahlfreiheit verletzt sein, das der EuGH556 im Inbound-Fall vertritt. Als einer der seltenen Fälle557 hätte dieses hier neben dem vertikalen Diskriminierungsverbot einen eigenständigen Anwendungsbe552 Vgl. Glahe, Die steuerliche Behandlung der Überführung von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens ins Ausland, 2008, S. 10 ff., Download siehe Fn. 551; Kessens, Die Besteuerung der grenzüberschreitenden Überführung von Wirtschaftsgütern, 2009, S. 8 ff.; Busse, Die Besteuerung der stillen Reserven durch einen allgemeinen Steuerentstrickungstatbestand, 2009, S. 151 ff. 553 Denn der gemeine Wert und der Fremdvergleichswert entsprechen zumeist einander, vgl. zu möglichen Unterschieden Halaczinsky, in: Rössler/Troll, BewG, § 9, Rz. 3 f. (Stand: 10.2007); Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1481 (1485); Werra/Teiche, DB 2006, 1455 (1457). 554 § 4g EStG ist hingegen nicht anwendbar, wenn das Wirtschaftsgut der Betriebsstätte lediglich zeitlich begrenzt überlassen wird, vgl. Glahe, Die steuerliche Behandlung der Überführung von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens ins Ausland, 2008, S. 16, Download siehe Fn. 551. In diesem Fall dürften die beiden grenzüberschreitenden Sachverhalte damit gleich behandelt werden. 555 Dies könnte sich in der Zukunft ändern, da die OECD Mitte 2010 Art. 7 OECD-MA dahingehend geändert hat, dass die Gewinnabgrenzung zwischen Betriebsstätten entsprechend derjenigen zwischen verbundenen Unternehmen vorzunehmen ist, sog. „Functionally Separate Entity Approach“, vgl. dazu etwa Schön, in: Lüdicke, Besteuerung von Unternehmen im Wandel, 2007, S. 71 ff.; Kahle/Mödinger, IStR 2010, 757 ff.; Nouel, BIT 2011, 5 ff. Auf diesem Weg ließe sich aber auch keine völlige Rechtsformneutralität herstellen, da aufgrund der zivilrechtlichen Unselbstständigkeit der Betriebsstätte nur eine entsprechende Anwendung der Regelungen für verbundene Unternehmen möglich ist. 556 Vgl. EuGH, Urt. v. 23.02.2006, C-253/03 (CLT-Ufa), Slg. 2006, I-1831, Rz. 14 ff.; Urt. v. 18.07.2007, C-231/05 (Oy AA), Slg. 2007, I-6373, Rz. 40; Bschl. v. 04.06.2009, C439/07 u.a. (KBC Bank u.a.), Slg. 2009, I-4409, Rz. 77 f.; Urt. v. 25.02.2010, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I-1215, Rz. 39. Vgl. zur Ablehnung im Outbound-Fall: Urt. v. 06.12.2007, C-298/05 (Columbus Container Services), Slg. 2007, I-10451, Rz. 52; Bschl. v. 04.06.2009, C-439/07 u.a. (KBC Bank u.a.), Slg. 2009, I-4409, Rz. 80; Urt. v. 25.02.2010, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I-1215, Rz. 40 f. Siehe ausführlich C.I.1.b)cc)(2)(i). 557 Siehe allgemein C.I.1.b)cc)(2)(i) mit den Nachweisen in Fn. 195.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
reich, wenn die steuerliche Behandlung der Übertragung eines Wirtschaftsguts oder des Erbringens einer Dienstleistung einer inländischen Betriebsstätte an ein gebietsfremdes Stammhaus zugleich besser behandelt wird als die im Inlandsfall zum Fremdvergleich korrigierte verdeckte Gewinnausschüttung einer ansässigen Tochter- an die ansässige Muttergesellschaft.558 Wie bereits erläutert wurde, ist das Gebot der Rechtsformneutralität jedoch auch in einem derartigen Inbound-Fall abzulehnen, weil es gegen die Souveränität der Mitgliedstaaten verstößt, ohne dabei zu mehr Wettbewerbsgleichheit beizutragen.559 Dass der EuGH das Gebot der Rechtsformneutralität entsprechend seiner Rechtsprechung hier entfalten wird, erscheint zudem fraglich, weil Kapitalgesellschaften und Betriebsstätten in diesem Fall rechtlich nicht vergleichbar sein dürften: Denn Betriebsstätten unterliegen als juristisch unselbstständige Personen einem völlig anderen System. Sie können mit dem Stammhaus keine Verträge abschließen, so dass es grundsätzlich nicht möglich ist, für die Überführung eines Wirtschaftsguts einen fremdüblichen Preis zu zahlen.560 (ii)
Abkommensrechtliche Meistbegünstigung
Der BFH befasste sich im Urteil vom 09.11.2005561 mit der Frage, ob eine Verrechnungspreiskorrektur einer abkommensrechtlichen Schrankenwirkung unterliegt.562 Zwar sah das in diesem Fall noch anwendbare DBA Italien 1925 keine mit Art. 9 Abs. 1 OECD-MA vergleichbare Vorschrift vor, der Kläger machte aber einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit geltend, weil sein grenzüberschreitender Sachverhalt schlechter behandelt worden wäre als ein vergleichbarer grenzüberschreitender Sachverhalt, in dem ein DBA mit Art. 9 Abs. 1 OECD-MA entsprechender Regelung anwendbar ist (abkommensrechtliche Meistbegünstigung). Art. 4 Nr. 1 des EU-SchÜ war im Streitjahr des Urteils noch nicht anwendbar. Dieser führt heute dazu, dass sich die Steuerpflichtigen im Verhältnis zu allen Mitgliedstaaten auf mit Art. 9 Abs. 1 und 2
558 Hinsichtlich der Korrektur nach § 1 AStG könnte sich ein verbundenes Unternehmen dann auf die gegenüber der verdeckten Gewinnausschüttung noch günstigere Korrektur nach § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 4g EStG berufen. Das Gleiche gilt hinsichtlich der verdeckten Gewinnausschüttung, wenn diese aufgrund § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG im grenzüberschreitenden Fall anwendbar ist. 559 Siehe C.I.1.b)cc)(2)(i). 560 Vgl. auch Schön, in: Lüdicke, Besteuerung von Unternehmen im Wandel, 2007, S. 71 (88). 561 BFH, Urt. v. 09.11.2005, I R 27/03, BStBl. II 2006, 564. 562 Im Einzelnen ging es darum, ob der formale Maßstab im Rahmen der verdeckten Gewinnausschüttung der abkommensrechtlichen Schrankenwirkung unterliegt, siehe dazu B.I.1.a)aa)(2) und B.IV.1.a). Die Frage der Meistbegünstigung stellt sich aber in gleicher Weise bei § 1 AStG.
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Verrechnungspreisvorschriften
OECD-MA vergleichbare Regelungen berufen können.563 In DBA, die keinen Art. 9 Abs. 2 enthalten, ist ohnehin ein Verständigungsverfahren entsprechend Art. 25 OECD-MA möglich.564 Ein interessanter Meistbegünstigungsanspruch könnte heutzutage aber bezüglich der obligatorischen Schiedsklausel des DBA Österreich bestehen, die im Vergleich zum EU-SchÜ die Besonderheit aufweist, dass der EuGH als Schiedsgericht eingesetzt wird.565 Eine abkommensrechtliche Meistbegünstigung wird vom EuGH566 jedoch zu Recht abgelehnt.567 Dieser Auffassung hat sich im Urteil vom 09.11.2005 auch der BFH angeschlossen. Dem EuGH folgend, sah er die DBA als das Ergebnis bilateraler Verhandlungen an. Die DBA könnten daher nur für die abkommensberechtigten Personen gelten. Damit erkennt auch der BFH die „Ausgewogenheit und Reziprozität der abkommensrechtlichen Regelungen“ an.568 bb)
Verdeckte Gewinnausschüttung und verdeckte Einlage als unterschiedslos anwendbare Einkünftekorrekturvorschriften
Im Folgenden soll untersucht werden, ob neben § 1 AStG auch die verdeckte Gewinnausschüttung und die verdeckte Einlage eine Diskriminierung bzw. Beschränkung der Niederlassungsfreiheit begründen. Im Gegensatz zu § 1 AStG sind die verdeckte Gewinnausschüttung und verdeckte Einlage unterschiedslos in grenzüberschreitenden wie in rein mitgliedstaatsinternen Sachverhalten anwendbar. Sie stehen damit nicht unmittelbar in dem Verdacht, gegen die Niederlassungsfreiheit zu verstoßen. Gleichwohl sind auch diese Vorschriften entsprechenden Bedenken ausgesetzt. Die Prüfung hat hier jedoch nicht anhand des Diskriminierungs-, sondern anhand des Beschränkungsverbots zu erfolgen, weil nicht unterschiedliche Vorschriften, 563 Heute weisen alle deutschen DBA mit den Mitgliedstaaten der EU eine mit Art. 9 Abs. 1 OECD-MA vergleichbare Vorschrift auf, siehe B.IV.1.a) mit Fn. 486. Zuletzt wurde das DBA Bulgarien mit Inkrafttreten eines Revisionsabkommens (BGBl. II 2010, 286) am 01.01.2011 um einen Art. 9 ergänzt. 564 Siehe B.IV.2.a)aa). 565 Siehe Art. 25 Abs. 5 DBA Österreich, siehe bereits B.IV.2.a)aa). Darüber hinaus könnte berücksichtigt werden, dass die Niederlassungsfreiheit auch bei einer Transaktion zwischen Tochtergesellschaften anwendbar ist, von denen sich die gebietsfremde in einem Drittstaat befindet, sofern die gemeinsame Muttergesellschaft gleichzeitig in der EU ansässig ist, siehe C.I.2.a)bb). In der Folge könnte sich die Muttergesellschaft prinzipiell auf ein für sie günstigeres DBA zwischen Deutschland und einem Mitgliedstaat berufen. Die abkommensrechtliche Meistbegünstigung ist jedoch abzulehnen, siehe C.I.1.b)cc)(2)(iii). 566 Vgl. EuGH, Urt. v. 05.07.2005, C-376/03 („D”), Slg. 2005, I-5821, Rz. 59 ff.; Urt. v. 12.12.2006, C-374/04 (ACT), Slg. 2006, I-11673, Rz. 87-91; Urt. v. 20.05.2008, C194/06 (Orange European Smallcap Fund), Slg. 2008, I-3747, Rz. 50 f. 567 Siehe dazu ausführlich C.I.1.b)cc)(2)(iii). 568 Vgl. BFH, Urt. v. 09.11.2005, I R 27/03, BStBl. II 2006, 564 (566). Vgl. zuvor bereits: EuGH, Urt. v. 05.07.2005, C-376/03 („D”), Slg. 2005, I-5821, Rz. 61 f.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
sondern jeweils „dieselbe Vorschrift“569 auf grenzüberschreitende und mitgliedstaatsinterne Sachverhalte angewandt wird. Die Prüfung des Beschränkungsverbots unterscheidet sich aufgrund seiner gleichheitsrechtlichen Struktur nicht wesentlich von derjenigen des Diskriminierungsverbots:570 Es ist zu untersuchen, ob der grenzüberschreitend tätige Steuerpflichtige gegenüber einem rein inländisch tätigen benachteiligt wird, wobei die Beschränkung aus dem kumulativen Zusammenwirken der Vorschriften mehrerer Staaten entsteht und faktischer Natur ist. Im Unterschied zum Diskriminierungsverbot ist hier die Unvergleichbarkeit des Vergleichspaares nachzuweisen.571 (1)
Vergleichspaarbildung
Das Vergleichspaar ist bei der verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage grundsätzlich dasselbe wie bei § 1 AStG – beiden Normenkomplexen liegt derselbe Sachverhalt zugrunde, Deutschland wendet bloß in Abhängigkeit von den steuerlichen Auswirkungen ggf. unterschiedliche Normen an. Wie bei § 1 AStG ist folglich eine ansässige Gesellschaft, die einen Vorteil einem gebietsfremden verbundenen Unternehmen gewährt, mit einer ansässigen Gesellschaft zu vergleichen, die denselben Vorteil einem ebenfalls ansässigen verbundenen Unternehmen zukommen lässt.572 Die verdeckte Gewinnausschüttung und verdeckte Einlage erfassen darüber hinaus auch Vorteilsgewährungen eines gebietsfremden an ein ansässiges verbundenes Unternehmen, so dass ein entsprechendes Vergleichspaar in Betracht kommt. (2)
Schlechterstellung des grenzüberschreitenden Sachverhalts
Fraglich ist, ob mit einer Einkünftekorrektur nach der verdeckten Gewinnausschüttung oder verdeckten Einlage eine faktische Schlechterstellung des grenzüberschreitenden gegenüber dem innerstaatlichen Sachverhalt einhergeht. Dabei kommen zwei Fälle in Betracht: Einerseits eine spezifische Höherbelastung des grenzüberschreitenden Sachverhalts aufgrund einer wirt-
569 EuGH, Urt. v. 14.02.1995, C-279/93 (Schumacker), Slg. 1995, I-225, Rz. 30; Urt. v. 18.03.2010, C-440/08 (Gielen), Slg. 2010, I-2323, Rz. 38; zuvor: Urt. v. 23.02.1983, 8/82 (Wagner), Slg. 1983, 371, Rz. 18; Urt. v. 13.11.1984, 283/83 (Racke), Slg. 1984, 3791, Rz. 7. 570 Siehe C.I.1.b)bb). 571 Siehe C.I.1.b)cc) und vgl. für unterschiedslos anwendbare Regelungen: EuGH, Bschl. v. 12.09.2002, C-431/01 (Mertens), Slg. 2002, I-7073, Rz. 30 f.; Urt. v. 26.06.2008, C284/06 (Burda), Slg. 2008, I-4571, Rz. 81 f.; ferner: Urt. v. 28.02.2008, C-293/06 (Deutsche Shell), Slg. 2008, I-1129, Rz. 30 f. 572 Siehe bereits zu § 1 AStG C.I.2.b)aa)(1)(i). Vgl. auch EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 42; GA Kokott, SchlA v. 10.09.2009, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 42.
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Verrechnungspreisvorschriften
schaftlichen Doppelbesteuerung. Andererseits wird in der Literatur573 vertreten, dass das materielle Korrespondenzprinzip im grenzüberschreitenden Sachverhalt mit Nachteilen verbunden ist. (i)
Wirtschaftliche Doppelbesteuerung
Im grenzüberschreitenden Sachverhalt tritt eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung auf, wenn die beteiligten Staaten von unterschiedlichen Fremdvergleichspreisen ausgehen und in der Folge keine oder eine zu geringe Gegenberichtigung erfolgt.574 Dabei soll hier vorerst davon ausgegangen werden, dass internationale Verständigungs- und Schiedsverfahren575 nicht in Anspruch genommen werden oder nicht zu einer Beseitigung der Doppelbesteuerung führen. Im vergleichbaren Inlandsfall wird eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung hingegen in aller Regel vermieden576 – Uneinigkeit über den Fremdvergleichspreis kann hier nicht bestehen. Dementsprechend sehen die verdeckte Gewinnausschüttung und verdeckte Einlage jeweils korrespondierende Rechtsfolgen für vorteilsgewährende und vorteilsempfangende Gesellschaften vor.577 Im Fall der internationalen wirtschaftlichen Doppelbesteuerung wird der Gesamtgewinn aus der grenzüberschreitenden Transaktion in der Summe der Besteuerungszugriffe beider Staaten mehr als einmal erfasst. Kennzeichnend für die grundfreiheitliche Beschränkung ist die wirtschaftliche Doppelbesteuerung damit die Folge des kumulativen Besteuerungszugriffs zweier Staaten.578 Nach Ansicht der OECD ist die wirtschaftliche Doppelbesteuerung 573 Vgl. Pohl/Raupach, FR 2007, 210 (216); Dörfler/Heurung/Adrian, DStR 2007, 514 (517); Dörfler/Adrian, Ubg 2008, 373 (378 f.); Kohlhepp, DStR 2007, 1502 (1506); Becker/Kempf/Schwarz, DB 2008, 370 (372 f.); Frase, BB 2008, 2713 (2715 ff.); Binnewies, in: Streck, KStG, 7. Aufl. 2008, § 8b, Rz. 38; Gosch, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 8b, Rz. 145 f.; a.A.: Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 8 KStG, Rz. 86b, § 8b KStG, Rz. 29 f. (Stand: 05.2007); Roser, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 8, Rz. 124. 574 Siehe B.IV. und B.IV.2.a). 575 Siehe zu den Möglichkeiten der Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung B.IV.2.a). 576 Die wirtschaftliche Doppelbesteuerung, die im Fall der verdeckten Gewinnausschüttung in geringem Umfang durch § 8b Abs. 5 KStG auch im innerstaatlichen Sachverhalt entsteht, soll an dieser Stelle vereinfachend ausgeblendet werden. Erstens betrifft diese nur die verdeckte Gewinnausschüttung, nicht aber die verdeckte Einlage. Zweitens ist die internationale wirtschaftliche Doppelbesteuerung in aller Regel höher. Drittens ist Deutschland nicht der einzige Staat, der eine derartige Regelung vorsieht. Die Fälle, in denen eine internationale wirtschaftliche Doppelbesteuerung nicht höher ausfällt als die wirtschaftliche Doppelbesteuerung, die aufgrund § 8b Abs. 5 KStG zurückzuführen ist, sind damit sehr selten. § 8b Abs. 5 KStG stünde der Annahme einer Beschränkung damit nicht grundsätzlich entgegen. 577 Siehe B.I.1.a)bb) und B.I.1.b)bb). 578 Siehe C.I.1.b)bb) mit Fn. 79. Vgl. zur juristischen Doppelbesteuerung auch EuGH, Urt. v. 14.11.2006, C-513/04 (Kerckhaert u. Morres), Slg. 2006, I-10967, Rz. 20; Urt. v. 06.12.2007, C-298/05 (Columbus Container Services), Slg. 2007, I-10451, Rz. 43; Urt.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
„unerwünscht und sollte soweit wie möglich vermieden werden, da sie ein Hindernis für die Entwicklung der internationalen Handels- und Kapitalströme darstellt.“579 Der gleichen Auffassung ist die Kommission, die eine (wirtschaftliche) Doppelbesteuerung als „ernstes Hindernis für den Binnenmarkt“ betrachtet.580 Damit ist aber noch nicht die Frage beantwortet, ob die wirtschaftliche Doppelbesteuerung gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt. (a)
Die Rechtsprechung des EuGH
Der EuGH wurde in seiner Rechtsprechung schon früh mit Fällen konfrontiert, in denen eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung auftrat.581 Diese ließen sich v. 20.05.2008, C-194/06 (Orange European Smallcap Fund), Slg. 2008, I-3747, Rz. 37; Urt. v. 12.02.2009, C-67/08 (Block), Slg. 2009, I-883, Rz. 28; Urt. v. 16.07.2009, C128/08 (Damseaux), Slg. 2009, I-6823, Rz. 27; Urt. v. 15.04.2010, C-96/08 (CIBA), Slg. 2010, I-2911, Rz. 25; zuvor: GA Geelhoed, SchlA v. 23.02.2006, C-374/04 (ACT), Slg. 2006, I-11673, Rz. 48. 579 Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 4.2 [eigene Übersetzung]. Siehe bereits B.IV. mit Fn. 452. 580 Kommission v. 23.10.2001, SEK(2001) 1681, S. 303: „Doppelbesteuerung ist ein ernstes Hindernis für den Binnenmarkt. Durch (gesetzliche) Verrechnungspreisvorschriften verursachte Doppelbesteuerung sollte grundsätzlich vermieden werden.“ Siehe bereits B.IV. mit Fn. 452. Vgl. auch Kommission v. 17.01.1984, SEK(1984) 77, S. 4: „Die Kommission bekräftigt, dass diese Doppelbesteuerungen im Widerspruch zum Gemeinsamen Markt stehen, der allmählich Züge eines gemeinsamen Binnenmarktes annehmen soll.“; Kommission v. 19.12.2006, KOM(2006) 823 endg., S. 6: „Internationale Doppelbesteuerung ist ein wesentliches Hindernis für grenzübergreifende Tätigkeiten und Investitionen in der EU. Deshalb ist ihre Beseitigung ein grundlegendes Ziel und Prinzip jeder abgestimmten Lösung.“; Kommission v. 25.01.2011, KOM(2011) 16 endg., S. 2: „Der Fremdvergleichsgrundsatz wird jedoch sowohl auf der Ebene der Steuerverwaltungen als auch zwischen Steuerverwaltungen und Unternehmen unterschiedlich ausgelegt, was zu Rechtsunsicherheit, Kostensteigerungen und möglicher Doppelbesteuerung bis hin zu Nichtbesteuerung führen kann, die wiederum das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes beeinträchtigen.“ Vgl. auch GA Colomer, SchlA v. 26.10.2004, C-376/03 („D”), Slg. 2005, I-5821, Rz. 85: Die Doppelbesteuerung ist „ein überaus ernstes Hindernis für grenzüberschreitendes Handeln der Rechtsträger“. 581 Vgl. EuGH, Urt. v. 28.01.1986, 270/83 (avoir fiscal), Slg. 1986, 273 [nach französischem Recht wurde eine Steuergutschrift auf Dividenden (avoir fiscal) zur Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung nur unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschaften gewährt]; Urt. v. 28.04.1998, C-118/96 (Safir), Slg. 1998, I-1897 [nach schwedischem Recht wurde die Auszahlung einer Kapitallebensversicherung im Fall einer schwedischen Versicherungsgesellschaft bei dieser besteuert, im Fall einer gebietsfremden Gesellschaft jedoch (zusätzlich) beim Versicherungsnehmer, wodurch eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung entstand]; Urt. v. 12.12.2002, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-11779 [im grenzüberschreitenden Fall konnte bei einer Einkünftekorrektur nach § 8a KStG a.F. eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung entstehen]; vgl. auch zur wirtschaftlichen Doppelbesteuerung bei der grenzüberschreitenden Ausschüttung von Dividenden: Urt. v. 06.06.2000, C-35/98 (Verkooijen), Slg. 2000, I4071; Urt. v. 08.03.2001, C-397/98 u.a. (Metallgesellschaft u.a.), Slg. 2001, I-1727;
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Verrechnungspreisvorschriften
aber – wie hier im Fall des § 1 AStG582 – bereits durch das Diskriminierungsverbot lösen, so dass sich der EuGH nicht zur Problematik der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung äußern musste.583 Auch der nicht mehr in den AEUV übernommene Art. 293, 2. Spiegelstrich EG begründete kein Verbot der Doppelbesteuerung: Wie der EuGH in den Rs. Mutsch584 und Gilly585 feststellte, verlieh die Norm keine subjektiven Rechte, sondern steckte nur den Rahmen für Verhandlungen zwischen den Mitgliedstaaten ab.586 Der EuGH bekam jedoch in der Rs. Kerckhaert u. Morres587 die Gelegenheit, zunächst die Vereinbarkeit der juristischen Doppelbesteuerung mit den Grundfreiheiten zu klären. GA Geelhoed folgend,588 erkannte der EuGH in Anlehnung an die Rs. Gilly589 die mangels unionsrechtlicher Harmonisierungsmaßnahmen fortbestehende Souveränität der Mitgliedstaaten an, „in Bezug auf die Beseitigung der Doppelbesteuerung“ die Kriterien für die Verteilung der Besteuerungsrechte untereinander festzulegen.590 Wie es der EuGH in den späteren Rs. Block und CIBA formulierte, sind die Mitgliedstaaten in Anerkennung dieser Souveränität „nicht verpflichtet […], ihr eigenes Steuersystem den verschiedenen Steuersystemen der anderen Mitgliedstaaten anzupassen, um
582 583 584 585 586 587 588
589 590
Urt. v. 07.09.2004, C-319/02 (Manninen), Slg. 2004, I-7477. Siehe für weitere Beispiele: Schnitger, Grenzen, 2006, S. 267 f.; Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 180-193 mit Fn. 244. Siehe C.I.2.b)aa)(1)(ii). Vgl. Schnitger, Grenzen, 2006, S. 267; Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 180. EuGH, Urt. v. 11.07.1985, 137/84 (Mutsch), Slg. 1985, 2681, Rz. 11. EuGH, Urt. v. 12.05.1998, C-336/96 (Gilly), Slg. 1998, I-2793, Rz. 15-17. Vgl. zuletzt Hinnekens, Intertax 2009, 602 (602 ff., 605); Lang, in: Lehner, Reden zum Andenken an Klaus Vogel, 2010, S. 59 (71 ff.). EuGH, Urt. v. 14.11.2006, C-513/04 (Kerckhaert u. Morres), Slg. 2006, I-10967. GA Geelhoed, SchlA v. 06.04.2006, C-513/04 (Kerckhaert u. Morres), Slg. 2006, I10967, Rz. 31 ff.; vgl. zuvor: GA Geelhoed, SchlA v. 23.02.2006, C-374/04 (ACT), Slg. 2006, I-11673, Rz. 48 ff. EuGH, Urt. v. 12.05.1998, C-336/96 (Gilly), Slg. 1998, I-2793, Rz. 30. Siehe C.I.2.b)aa)(1)(ii)(d). EuGH, Urt. v. 14.11.2006, C-513/04 (Kerckhaert u. Morres), Slg. 2006, I-10967, Rz. 22 f.; bestätigt mit Urt. v. 06.12.2007, C-298/05 (Columbus Container Services), Slg. 2007, I-10451, Rz. 45-51; Urt. v. 12.02.2009, C-67/08 (Block), Slg. 2009, I-883, Rz. 30 f.; Urt. v. 16.07.2009, C-128/08 (Damseaux), Slg. 2009, I-6823, Rz. 28 f.; Urt. v. 15.04.2010, C-96/08 (CIBA), Slg. 2010, I-2911, Rz. 27 f.; Urt. v. 10.02.2011, C-436/08 u.a. (Haribo u.a.), IStR 2011, 299, Rz. 170 f.; Urt. v. 08.12.2011, C-157/10 (Banco Bilbao), IStR 2012, 152, Rz. 31; ferner: Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 91; EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 07.05.2008, E-7/07 (Seabrokers), IStR 2009, 315, Rz. 48. Ablehnend: Englisch, IStR 2007, 67 ff.; Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 167 ff.; ders./Metzler, ÖStZ 2009, 219 ff.; Cordewener/Kofler/van Thiel, Fundamental Freedoms and Direct Taxation, draft 2008, S. 60 ff.; a.A.: Billig, FR 2009, 298; Lenaerts, EuR 2009, 728 (737 ff.); Lang, in: Lehner, Reden zum Andenken an Klaus Vogel, 2010, S. 59 (75 ff.).
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
namentlich die sich aus der parallelen Ausübung ihrer Besteuerungsbefugnisse ergebende Doppelbesteuerung zu beseitigen“.591 Vielmehr bleibt es allein Sache der Mitgliedstaaten, über die Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zu entscheiden.592 Wenn schon die juristische Doppelbesteuerung eines Steuerpflichtigen nach der Auffassung des EuGH grundfreiheitskonform ist,593 spricht vieles dafür, dass der EuGH in der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung, die sich erst aus der Zusammenschau zweier Steuerpflichtiger ergibt, erst Recht keinen Verstoß gegen die Grundfreiheiten erblicken würde. Dies wurde für verbundene Unternehmen mit der Rs. Thin Cap594 bestätigt: Darin prüfte der EuGH primär die Verhältnismäßigkeit der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung,595 die durch die britischen Unterkapitalisierungsvorschriften entstand. Er entschied, dass Großbritannien zu Recht eine Einkünftekorrektur anhand des Fremdvergleichsgrundsatzes vornehmen durfte und grundsätzlich nicht dafür sorgen muss, dass der andere Staat die Korrektur nachvollzieht. Die wirtschaftliche Doppelbesteuerung wäre nur unverhältnismäßig, wenn diese in diskriminierender Weise vom selben Staat ausgehen würde.596 Über die Verhältnismäßigkeit hinaus stellte der EuGH „[i]m Übrigen“ fest, dass „die Mitgliedstaaten […] in Ermangelung gemeinschaftsrechtlicher Vereinheitlichungs- oder Harmonisierungsmaßnahmen befugt bleiben, insbesondere zur Beseitigung der Doppelbesteuerung die Kriterien für die Aufteilung ihrer Steuerhoheit vertrag591 EuGH, Urt. v. 12.02.2009, C-67/08 (Block), Slg. 2009, I-883, Rz. 30; Urt. v. 15.04.2010, C-96/08 (CIBA), Slg. 2010, I-2911, Rz. 28; vgl. zuvor: Urt. v. 06.12.2007, C-298/05 (Columbus Container Services), Slg. 2007, I-10451, Rz. 51. Vgl. auch Urt. v. 28.02.2008, C-293/06 (Deutsche Shell), Slg. 2008, I-1129, Rz. 42 f.; Urt. v. 23.10.2008, C-157/07 (Krankenheim Ruhesitz am Wannsee), Slg. 2008, I-8061, Rz. 49 f.; Urt. v. 29.11.2011, C-371/10 (National Grid Indus), IStR 2012, 27, Rz. 62; Urt. v. 08.12.2011, C-157/10 (Banco Bilbao), IStR 2012, 152, Rz. 39. 592 Vgl. EuGH, Urt. v. 14.11.2006, C-513/04 (Kerckhaert u. Morres), Slg. 2006, I-10967, Rz. 23; Urt. v. 16.07.2009, C-128/08 (Damseaux), Slg. 2009, I-6823, Rz. 30; EFTAGerichtshof, Urt. v. 07.05.2008, E-7/07 (Seabrokers), IStR 2009, 315, Rz. 48; ferner: EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 91. 593 Die Rechtsprechung des EuGH über die Einzelfälle hinaus hingegen für „nur eingeschränkt verallgemeinerbar“ haltend: Kühbacher, ÖStZ 2009, 496 (500). Wie hier: Kofler/Metzler, ÖStZ 2009, 219 ff. 594 EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 88-91; a.A. ist die Kommission, vgl. GA Mischo, SchlA v. 26.11.2002, C-324/00 (LankhorstHohorst), Slg. 2002, I-11779, Rz. 68 f.; GA Geelhoed, SchlA v. 29.06.2006, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 69. 595 Siehe dazu ausführlich C.I.2.c)cc)(3)(iii)(a). 596 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 90 mit Verweis auf Urt. v. 12.12.2006, C-374/04 (ACT), Slg. 2006, I-11673, Rz. 70 und Urt. v. 14.12.2006, C-170/05 (Denkavit), Slg. 2006, I-11949, Rz. 37. Vgl. auch Urt. v. 18.06.2009, C-303/07 (Aberdeen Property Fininvest Alpha), Slg. 2009, I-5145, Rz. 44; Urt. v. 20.10.2011, C-284/09 (Kommission/Deutschland), IStR 2011, 840, Rz. 57.
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Verrechnungspreisvorschriften
lich oder einseitig festzulegen.“597 Damit gibt er zu erkennen, die Rechtsprechung zur juristischen Doppelbesteuerung auch auf die wirtschaftliche Doppelbesteuerung anzuwenden598 und auch diesbezüglich eine Beschränkung der Grundfreiheiten abzulehnen. Dieses Ergebnis stellte der EuGH überraschenderweise in der Rs. SGI599 in Frage, indem er die Gefahr der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung, die durch eine Verrechnungspreiskorrektur entsteht, als zusätzliche Belastung im grenzüberschreitenden Sachverhalt ansah. Dies widerspricht zugleich der ständigen Rechtsprechung zur juristischen Doppelbesteuerung,600 die dann erst Recht die Grundfreiheiten beeinträchtigen müsste. Eine Rechtsprechungsänderung war hierdurch nicht zu erwarten – der EuGH hat seine Rechtsprechung zur juristischen Doppelbesteuerung in den späteren Rs. Haribo u.a. sowie Banco Bilbao vielmehr bestätigt.601 In der Rs. SGI hatte sich der EuGH letztlich wohl durch die Schlussanträge der GA Kokott fehlleiten lassen.602 Andererseits sollten die Ausführungen des EuGH auch nur den Einwand der Regierungen entkräften, dass der in einem Inlandsfall gewährte Vorteil ohne Einkünftekorrektur in gleicher Weise beim ansässigen verbundenen Unternehmen besteuert werde.603 Ein generelles grundfreiheitliches Verbot der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung lässt sich der Rs. SGI nicht entnehmen. (b)
Unionsrechtskonformität der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung
Die Ausführungen in der Rs. SGI zur wirtschaftlichen Doppelbesteuerung können auch inhaltlich nicht überzeugen. Im Ergebnis ist der Rs. Thin Cap604 zuzustimmen: Den Grundfreiheiten lässt sich kein Verbot der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung entnehmen. Auf die Frage der Unionsrechtskonformität der juristischen Doppelbesteuerung muss an dieser Stelle jedoch nicht einge-
597 EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 91. 598 Vgl. neben dem inhaltlichen Zusammenhang auch den mittelbaren Verweis im EuGHUrt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 91 über Rz. 49 auf das Urt. v. 14.11.2006, C-513/04 (Kerckhaert u. Morres), Slg. 2006, I-10967, Rz. 22 f. 599 EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 53; zurückgehend auf GA Kokott, SchlA v. 10.09.2009, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 46 ff. Siehe bereits C.I.2.b)aa)(1)(ii)(b). 600 Vgl. auch Englisch, IStR 2010, 139 (140); Baßler, Steuerliche Gewinnabgrenzung im Europäischen Binnenmarkt, 2011, S. 195. 601 EuGH, Urt. v. 10.02.2011, C-436/08 u.a. (Haribo u.a.), IStR 2011, 299, Rz. 170 f.; Urt. v. 08.12.2011, C-157/10 (Banco Bilbao), IStR 2012, 152, Rz. 31. 602 Vgl. GA Kokott, SchlA v. 10.09.2009, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 46 ff. Siehe bereits C.I.2.b)aa)(1)(ii) und (ii)(b). 603 Siehe bereits C.I.2.b)aa)(1)(ii)(b). Vgl. EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 48 f. 604 EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 88-91.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
gangen werden.605 Zwar wird der grenzüberschreitende Sachverhalt durch eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung aufgrund der mehrfachen steuerlichen Erfassung der Gewinne der zugehörigen Transaktion schlechter gestellt. Die Schlechterstellung entsteht jedoch erst in der Zusammenschau beider Transaktionspartner. Die grundfreiheitliche Prüfung ist hingegen stets auf die Situation eines Steuerpflichtigen begrenzt.606 Unabhängig davon ist die wirtschaftliche Doppelbesteuerung letztlich auf die bloße Unterschiedlichkeit der nationalen
605 Die juristische Doppelbesteuerung lässt sich anders als die wirtschaftliche nämlich nicht auf die bloße Unterschiedlichkeit der nationalen Steuersysteme zurückführen und kann auch bei identischen Steuersystemen auftreten. Die im Folgenden vorgebrachte Argumentation lässt sich daher nicht auf die juristische Doppelbesteuerung übertragen. Diese weist eine große Nähe zu den vom EuGH als Beschränkung eingestuften Doppelregulierungsfällen auf [siehe dazu C.I.1.b)bb)], was das jüngst entschiedene EuGH-Urt. v. 15.04.2010, C-96/08 (CIBA), Slg. 2010, I-2911, Rz. 22 ff., 30 ff. verdeutlicht. Dieses dürfte die im Schrifttum an der Rechtsprechung des EuGH geäußerte Kritik neu aufflammen lassen, vgl bisher etwa: Englisch, IStR 2007, 67 ff.; Kofler, DBA und EGRecht, 2007, S. 131 ff.; ders./Metzler, ÖStZ 2009, 219 ff.; Cordewener/Kofler/van Thiel, Fundamental Freedoms and Direct Taxation, draft 2008, S. 60 ff. 606 Siehe C.I.1.b)aa)–cc). Vgl. Weber, Intertax 2006, 585 (599 ff.); Kofler, DBA und EGRecht, 2007, S. 908 m.w.N.; Cordewener/Kofler/van Thiel, Fundamental Freedoms and Direct Taxation, draft 2008, S. 37 ff.; Englisch, Intertax 2010, 197 (208); im Ergebnis auch EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 51 ff. Von diesem Grundsatz ist der EuGH jedoch insbesondere im Rahmen des Rechtfertigungsgrunds der Wahrung der steuerlichen Kohärenz abgewichen, vgl. Urt. v. 07.09.2004, C319/02 (Manninen), Slg. 2004, I-7477, Rz. 40 ff., siehe dazu ausführlich C.I.2.c)bb). Die Kohärenz erweitert die auf den steuerlichen Nachteil fokussierte Betrachtungsweise des Diskriminierungs- und Beschränkungsverbots auf kompensierende Vorteile. Sie unterscheidet sich damit konzeptionell nicht wesentlich vom Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot. Die jüngere Rechtsprechung des EuGH könnte demnach auf eine personen- und staatenübergreifende Gesamtbetrachtung hindeuten. Diese hat der EuGH auch in Einzelfällen in der Diskriminierungsprüfung vorgenommen, vgl. EuGH, Urt. v. 07.09.2004, C-319/02 (Manninen), Slg. 2004, I-7477, Rz. 33-35 [siehe C.I.1.b)cc)]; Urt. v. 07.09.2006, C-470/04 („N“), Slg. 2006, I-7409, Rz. 37 [zumindest staatenübergreifende Betrachtung]; vgl. auch Urt. v. 14.12.2006, C-170/05 (Denkavit), Slg. 2006, I-11949, Rz. 46-49; Urt. v. 08.11.2007, C-379/05 (Amurta), Slg. 2007, I-9569, Rz. 79 ff. [siehe C.I.2.b)aa)(1)(ii)(b)]. Sie ist dennoch abzulehnen, weil jeder Mitgliedstaat für sich grundfreiheitlich verpflichtet ist, ein diskriminierungsfreies Steuerrecht zu erhalten und die Grundfreiheiten letztlich auf eine Einzelfallgerechtigkeit abzielen. Kritisch auch: Weber, Intertax 2006, 585 (599 ff.); Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 240 u. 268 ff.; Lang, EC Tax Rev. 2008, 67 (72); Cordewener/Kofler/van Thiel, Fundamental Freedoms and Direct Taxation, draft 2008, S. 37 ff.; a.A.: GA Geelhoed, SchlA v. 23.02.2006, C-374/04 (ACT), Slg. 2006, I-11673, Rz. 70 f.; Kemmeren, FS Vanistendael, 2008, S. 555 (561 ff.). Davon kann nur innerhalb der Kohärenz eine Ausnahme gemacht werden, wenn ein Mitgliedstaat per abkommensrechtlich zwingender Vereinbarung einen anderen Mitgliedstaat zur Kompensation eines Nachteils verpflichtet, siehe C.I.2.c)bb)(2)(i) und C.I.2.b)aa)(1)(ii)(b).
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Verrechnungspreisvorschriften
Steuersysteme zurückzuführen.607 Zutreffend stellt Schön fest, dass die wirtschaftliche Doppelbesteuerung „keine Frage der Grundfreiheiten mehr [ist]. Denn diese Konsequenz entspringt der jeweiligen Freiheit der Mitgliedstaaten, eigenständige Kategorien von Einkunftsquellen zu bilden und entsprechende Ermäßigungen vorzusehen“608. Dies wird gerade bei der Verrechnungspreiskorrektur offensichtlich: Denn dabei entsteht die wirtschaftliche Doppelbesteuerung primär dadurch, dass die beteiligten Mitgliedstaaten von unterschiedlichen Fremdvergleichspreisen ausgehen und den Fremdvergleichsgrundsatz insofern unterschiedlich auslegen.609 Jeder Staat bestimmt so unabhängig voneinander die Einkünfte des jeweils ansässigen verbundenen Unternehmens. Die wirtschaftliche Doppelbesteuerung wird umgekehrt nur bei einer einheitlichen Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes vermieden. Sie erweist sich damit als Konsequenz der bloßen Unterschiedlichkeit der nationalen Steuersysteme. Dies gilt auch für den Fall, dass ein anderer Mitgliedstaat überhaupt keine Gegenberichtigung vornimmt. Doch was wäre, wenn beide Mitgliedstaaten identische Verrechnungspreisvorschriften hätten, die wie § 1 AStG Korrekturen nur zu den eigenen Gunsten vorsehen würden? Dann könnte auch bei identischen Steuersystemen eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung auftreten.610 Zwar könnte die wirtschaftliche Doppelbesteuerung in diesem Fall nicht mehr als Konsequenz der bloßen Unterschiedlichkeit der nationalen Steuersysteme bezeichnet werden, sie wäre durch die Grundfreiheiten gleichwohl nicht angreifbar, weil sie der Freiheit der Mitgliedstaaten entspringt, „eigenständige Kategorien von Einkunftsquellen zu bilden“.611 Wäre eine einseitig zugunsten des Staates wirkende Verrechnungspreisvorschrift nichtdiskriminierend, könn607 Vgl. Schön, IStR 2004, 289 (299 f.); Spengel/Golücke, RIW 2003, 333 (345); Schnitger, IStR 2004, 635 (638); ders., Grenzen, 2006, S. 270; Heydt, in: Haarmann, Auslegung und Anwendung von DBA, 2004, S. 31 (53); Weber, Intertax 2006, 582 (590 f.); Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 908 f.; ders., IStR 2011, 668 f.; Hinnekens, FS Vanistendael, 2008, S. 511 (532 ff.); ders., Intertax 2009, 602 (609); Cordewener/Kofler/van Thiel, Fundamental Freedoms and Direct Taxation, draft 2008, S. 17. A.A.: Beiser, StuW 2005, 295 (302); ders., FS Nolz, 2008, S. 3 ff.; ders., IStR 2008, 587 ff.; ders., FS Djanani, 2008, S. 3 (27); ders., SWI 2010, 301 (305 f.); Obser, Gesellschafter-Fremdfinanzierung im europäischen Konzern, 2005, S. 62; ders., IStR 2005, 799 (800 f.); Körner, IStR 2004, 253 (260); Thömmes/Stricof/Nakhai, Intertax 2004, 126 (136); Herr, Gesellschafterfremdfinanzierung und Europarecht, 2008, S. 195; Kemmeren, FS Vanistendael, 2008, S. 555 (583 f.); Vanistendael, BIT 2008, 90 (97); Hey, FS Schaumburg, 2009, S. 767 (779). Siehe zu den bloßen Disparitäten allgemein C.I.1.b)bb). 608 Schön, IStR 2004, 289 (299 f.). 609 Siehe B.IV. sowie oben unter (i). 610 Insofern würde der (näherungsweise) Test zur Feststellung bloßer Disparitäten negativ ausfallen, siehe zu diesem Test C.I.1.b)bb) mit Fn. 82. 611 Schön, IStR 2004, 289 (299 f.). Siehe oben.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
te sie nur aufgrund eines Verstoßes gegen Verfassungs-612 oder Abkommensrecht613 angegriffen werden, nicht aber über die Grundfreiheiten. Aufgrund abkommensrechtlicher Verpflichtungen durch DBA und das EU-SchÜ ist eine derartige Konstellation ohnehin nur theoretisch. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die wirtschaftliche Doppelbesteuerung keine Beschränkung der Grundfreiheiten bewirkt. Sie kann im Bereich der Verrechnungspreise nur durch das Abkommensrecht, Maßnahmen zur internationalen Streitbeilegung oder durch Harmonisierung beseitigt werden.614 (ii)
Materielles Korrespondenzprinzip
Mit dem im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2007 in den §§ 8 Abs. 3 Sätze 46 und 8b Abs. 1 Sätze 2-4 KStG eingeführten materiellen Korrespondenzprinzip hat der Gesetzgeber die Besteuerung von Gesellschaft und Gesellschafter bezüglich der verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage verknüpft.615 Obwohl die Vorschriften unterschiedslos in grenzüberschreitenden und innerstaatlichen Sachverhalten anwendbar sind, werden in der Literatur vielfach unionsrechtliche Bedenken geäußert. Diese richten sich einerseits gegen die wirtschaftliche Doppelbesteuerung, die z.B. aufgrund der Erfassung verhinderter Vermögensmehrungen entsteht, wenn der andere Staat letztere erst bei der zeitlich späteren Veräußerung erfasst.616 Die wirtschaftliche Doppelbesteuerung ist aber auch hier die Folge der bloßen Unterschiedlichkeit der nationalen Steuersysteme. In der Literatur werden aber vor allem Bedenken gegen § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG geäußert.617 Dieser schließt die Steuerfreistel612 Hier wäre ein klarer Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip zu verzeichnen, der auch durch das Ziel der Verhinderung einer grenzüberschreitenden Gewinnverlagerung nicht rechtfertigbar wäre. 613 Eine derartige Regelung würde sowohl gegen Art. 9; 25 OECD-MA als auch gegen das EU-SchÜ verstoßen. 614 Siehe zum Abkommensrecht und Streitbeilegungsverfahren B.IV.2.a), siehe zu einer möglichen Harmo-nisierung C.II.5.b), vgl. auch Schön, IStR 2004, 289 (299 f.); Schnitger, Grenzen, 2006, S. 272; Heydt, in: Haarmann, Auslegung und Anwendung von DBA, 2004, S. 31 (53). 615 Siehe B.I.1.a)bb), B.I.1.b)bb) und B.I.1.c). 616 Vgl. Dörfler/Heurung/Adrian, DStR 2007, 514 (517); Becker/Kempf/Schwarz, DB 2008, 370 (373); Dörfler/Adrian, Ubg 2008, 373 (378 f.); Frase, BB 2008, 2713 (2715 f.); a.A.: Schnitger/Rometzki, BB 2008, 1648 (1651). 617 Vgl. Pohl/Raupach, FR 2007, 210 (216); Dörfler/Heurung/Adrian, DStR 2007, 514 (517); Dörfler/Adrian, Ubg 2008, 373 (378 f.); Kohlhepp, DStR 2007, 1502 (1506); Becker/Kempf/Schwarz, DB 2008, 370 (372 f.); Frase, BB 2008, 2713 (2715 ff.); Gosch, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 8b, Rz. 145 f.; a.A.: Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 8 KStG, Rz. 86b und § 8b KStG, Rz. 29 f. (Stand: 05.2007); Roser, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 8, Rz. 124; Kutsch, GesellschafterFremdfinanzierung beim internen Beteiligungserwerb, 2009, S. 179 f.; Bron, EWS 2010, 80 (82).
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Verrechnungspreisvorschriften
lung des § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG für den Vermögenszufluss bei der ansässigen Muttergesellschaft aus, wenn bei der Tochtergesellschaft der Vermögensabfluss nicht als verdeckte Gewinnausschüttung, sondern als Betriebsausgabe erfasst worden ist. Auf diese Weise wird die Besteuerung unter Anerkennung der Gewinnverlagerung bei der Muttergesellschaft nachgeholt.618 In der Literatur619 wird vertreten, dass die höhere Besteuerung der Muttergesellschaft im Inlandsfall nur auftrete, wenn die verdeckte Gewinnausschüttung bei der Tochtergesellschaft fälschlicherweise nicht erkannt werde, im grenzüberschreitenden Fall jedoch auch dann, wenn die ausländische Steuerrechtsordnung für diesen Fall keine Einkünftekorrektur vorsehe. Insofern läge faktisch eine Schlechterstellung des grenzüberschreitenden Sachverhalts vor, die zu einer Beschränkung der Grundfreiheiten führe. Diese Auffassung vermag nicht zu überzeugen. Zwar dürfte es zutreffen, dass § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG in der Mehrzahl der Fälle in grenzüberschreitenden Sachverhalten Anwendung findet. Eine Beschränkung der Grundfreiheiten kann jedoch nicht von bloßen Wahrscheinlichkeiten abhängen, die nur schwer messbar sind und sich jederzeit ändern können.620 Die speziell in der früheren Rechtsprechung des EuGH621 im Rahmen der versteckten Diskriminierung vorgenommene Argumentation mit Wahrscheinlichkeiten konnte nie überzeugen. So ist es denn auch unverständlich, dass der EuGH diese Argumentation in zwei jüngeren Urteilen622 wieder aufgegriffen hat. Unabhängig davon ist eine Beschränkung der Grundfreiheiten durch § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG abzulehnen, weil die mit der Norm einhergehenden Nachteile letztlich auf die bloße Unterschiedlichkeit der nationalen Steuersysteme zurückzuführen sind.623 Denn diese entstehen im grenzüberschreitenden Fall ganz offenkundig dadurch, dass der andere Staat eine von der verdeckten Gewinnausschüttung abweichende Einkünftekorrekturnorm anwendet. Beide Staaten bestimmen so unabhängig voneinander die Einkünfte ihres jeweils ansässigen verbundenen Unternehmens. Die Nachteile des § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG würde im grenzüberschreitenden Sachverhalt gerade nicht auftreten, wenn beide Staaten ein identisches Steuersystem hätten. Folglich erweist sich dieser letztlich als Musterfall der bloßen Unterschiedlichkeit der nationalen Steuersysteme. Prob618 Siehe B.I.1.a)bb). 619 Siehe die Nachweise in Fn. 617, vgl. auch Lüdicke, GS Walz, 2008, S. 401 (405). 620 Vgl. Cordewener, in: Lang, Direct Taxation: Recent ECJ Developments, 2003, S. 35 (47 f.). 621 Siehe C.I.1.b)aa). Vgl. zur Argumentation mit Wahrscheinlichkeiten etwa EuGH, Urt. v. 26.10.1999, C-294/97 (Eurowings), Slg. 1999, I-7447, Rz. 40; ferner: Urt. v. 08.05.1990, C-175/88 (Biehl), Slg. 1990, I-1779, Rz. 14; Urt. v. 14.02.1995, C-279/93 (Schumacker), Slg. 1995, I-225, Rz. 28. 622 Vgl. EuGH, Urt. v. 18.03.2010, C-440/08 (Gielen), Slg. 2010, I-2323, Rz. 42; Urt. v. 20.01.2011, C-155/09 (Kommission/Griechenland), EuZW 2011, 182, Rz. 47. 623 Jetzt auch Bron, EWS 2010, 80 (82); a.A.: Kohlhepp, DStR 2007, 1502 (1506).
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
lematisch ist bei § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG nur, dass durch die nachgeholte Besteuerung bei der Muttergesellschaft ggf. eine im Ausland erwirtschaftete Leistungsfähigkeit im Inland besteuert wird.624 Dies könnte aber allenfalls gegen die Grundsätze der internationalen Verteilungsgerechtigkeit und gegen DBA verstoßen, nicht aber gegen die Grundfreiheiten625. Denn diese kennen keine Kriterien zur Aufteilung der Steuerhoheit.626 Das materielle Korrespondenzprinzip begründet damit keine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit. cc)
Zwischenergebnis
Während für alle deutschen Verrechnungspreisvorschriften der Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit eröffnet ist, verstößt nur § 1 AStG gegen das der Grundfreiheit immanente Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot. § 1 AStG führt im grenzüberschreitenden Sachverhalt zu einer höheren Besteuerung des ansässigen verbundenen Unternehmens als in einem vergleichbaren mitgliedstaatsinternen Sachverhalt. Dieser vertikalen Diskriminierung steht weder die Übereinstimmung des § 1 AStG mit dem international anerkannten Fremdvergleichsgrundsatz noch die Rechtsprechung in der Rs. Gilly627 entgegen. Eine etwaige horizontale Diskriminierung ist abzulehnen. Die Einkünftekorrektur nach der verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage begründet hingegen keine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit: Etwaige Nachteile im grenzüberschreitenden Sachverhalt sind hier letztlich auf die bloße Unterschiedlichkeit der nationalen Steuersysteme zurückzuführen. c)
Rechtfertigung
Im nächsten Prüfungsschritt ist zu untersuchen, ob die mit der Einkünftekorrektur des § 1 AStG bewirkte Diskriminierung der Niederlassungsfreiheit gerechtfertigt werden kann. Dazu sind insbesondere die Interessen zu berücksichtigen, die der deutsche Gesetzgeber mit § 1 AStG verfolgt.628 Eine Rechtfertigung des § 1 AStG durch die in Art. 51 und 52 AEUV geschriebenen Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit ist nicht erkenn-
624 Siehe B.I.1.a)bb) mit den Nachweisen in Fn. 59. 625 A.A.: Dörfler/Adrian, Ubg 2008, 373 (378 f.); Binnewies, in: Streck, KStG, 7. Aufl. 2008, § 8b, Rz. 38. 626 Vgl. EuGH, Urt. v. 12.05.1998, C-336/96 (Gilly), Slg. 1998, I-2793, Rz. 30; seither ständige Rechtsprechung: Urt. v. 21.09.1999, C-307/97 (Saint Gobain), Slg. 1999, I6161, Rz. 56; Urt. v. 14.11.2006, C-513/04 (Kerckhaert u. Morres), Slg. 2006, I-10967, Rz. 22 f.; Urt. v. 16.07.2009, C-128/08 (Damseaux), Slg. 2009, I-6823, Rz. 30; Urt. v. 15.04.2010, C-96/08 (CIBA), Slg. 2010, I-2911, Rz. 27. Siehe C.I.2.b)aa)(1)(ii)(d) mit Fn. 511. 627 EuGH, Urt. v. 12.05.1998, C-336/96 (Gilly), Slg. 1998, I-2793, Rz. 30-35. Siehe C.I.2.b)aa)(1)(ii)(d). 628 Siehe zur Rechtfertigungsprüfung allgemein C.I.1.c).
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Verrechnungspreisvorschriften
bar. Diese spielen im Steuerrecht ohnehin eine nur untergeordnete Rolle.629 Somit kann § 1 AStG nur durch ungeschriebene Gründe gerechtfertigt werden. Die für § 1 AStG relevanten Gründe sollen im Folgenden näher untersucht werden. aa)
Abzulehnende Rechtfertigungsgründe
Im Beschluss vom 31.08.2000 entschied das FG Münster, dass die Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit durch § 1 AStG „aus Gründen der nationalen Funktionsfähigkeit der steuerlichen Systeme in den einzelnen Mitgliedstaaten der EU erforderlich [ist]. Solange nicht die direkten Steuern in der EU harmonisiert sind, bestünde für die Staaten in der EU, die höhere direkte Steuern als andere Staaten erheben, die Gefahr, daß [Gewinne ins Ausland verlagert werden].“630 Damit spricht das FG Münster zwei Gründe an, die vor dem EuGH wiederholt zur Rechtfertigung vorgebracht wurden: Der Ausfall von Steuereinnahmen631 und die fehlende Harmonisierung des direkten Steuerrechts. Der Gesetzgeber hat die Änderungen des § 1 AStG durch die Unternehmensteuerreform 2008, die im Wesentlichen zur Diskriminierung der Niederlassungsfreiheit führen, u.a. mit dem Ziel der Gegenfinanzierung der Senkung des Körperschaftsteuersatzes begründet.632 Die Einnahmeerzielung erkennt der EuGH in ständiger Rechtsprechung aber nicht als zwingenden Grund des Allgemeininteresses an.633 Er ließ in den Rs. Dansk Denkavit634 und Meilicke u.a.635 auch beträchtliche Aufkommenseinbußen unberücksichtigt. Dies ist konsequent, weil die Grundfreiheiten im Steuerrecht ansonsten sinnentleert würden.636 Die Einnahmeausfälle wären bei Nichtanwendbarkeit des § 1 AStG 629 Siehe C.I.1.c)aa). 630 FG Münster, Bschl. v. 31.08.2000, 8 V 4639/00 E, EFG 2000, 1390 (1390); zustimmend: Thiel, Diskussionsbeitrag in: Schön/Thömmes, JbFStR 2001/2002, 27 (58); Schwenke, Internationale Einkünfteabgrenzung, 2006, S. 201 f. 631 Aus dem Beschluss des FG Münster wird deutlich, dass das FG die „national[e] Funktionsfähigkeit der steuerlichen Systeme“ auf den Erhalt der Steuereinnahmen des Fiskus bezieht. Das FG zitiert den „BFH-Beschluß vom 17. Dezember 1997 I B 108/97, BFHE 185, 30, BStBl. II 1998, 558, wonach die Freizügigkeit gem. Art. 8 a EUV [jetzt Art. 21 AEUV] nur unter gleichzeitiger Wahrung der finanziellen Interessen des bisherigen Ansässigkeitsstaates garantiert ist“ [Hervorhebungen nur hier], siehe FG Münster, Bschl. v. 31.08.2000, 8 V 4639/00 E, EFG 2000, 1390 (1390). 632 Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 34. 633 Siehe C.I.1.c)bb) mit den Nachweisen in Fn. 298. A.A. bezüglich § 1 AStG: Scheuerle, IStR 2002, 798 (801); Schwenke, Internationale Einkünfteabgrenzung, 2006, S. 201 f. 634 EuGH, Urt. v. 31.03.1992, C-200/90 (Dansk Denkavit), Slg. 1992, I-2250, Rz. 20-23. In diesem Verfahren rechnete die dänische Regierung mit Ausfällen in Höhe von 4% der Staatseinnahmen. 635 EuGH, Urt. v. 06.03.2007, C-292/04 (Meilicke u.a.), Slg. 2007, I-1835. Die Einnahmeausfälle wurden vom BMF hier auf 5 Mrd. € geschätzt, vgl. GA Stix-Hackl, SchlA v. 05.10.2006, C-292/04 (Meilicke u.a.), Slg. 2007, I-1835, Rz. 61. 636 Vgl. Englisch, StuW 2003, 88 (95); Schnitger, Grenzen, 2006, S. 314.
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ohnehin begrenzt, da die verdeckte Gewinnausschüttung und verdeckte Einlage als Auffangvorschriften anwendbar wären. Ausfälle würden vor allem bei der Überlassung von Wirtschaftsgütern und der Erbringung von Dienstleistungen auftreten, die von der verdeckten Einlage nicht erfasst werden.637 Die Funktionsfähigkeit des deutschen Steuersystems wäre wohl nicht gefährdet. Zutreffend stellt das FG Münster hingegen fest, dass die Einkünfteabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen durch das EU-SchÜ aufgrund dessen Charakters als völkerrechtliches Abkommen nicht vollständig harmonisiert wurde. Der EuGH entschied jedoch bereits in der Rs. avoir fiscal638, dass die fehlende Harmonisierung des direkten Steuerrechts keinen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellt. Unabhängig vom Grad der Harmonisierung haben die Mitgliedstaaten ihre Befugnisse unter der Wahrung des Unionsrechts auszuüben.639 In der Beschwerde zum Beschluss des FG lehnte der BFH die Rechtfertigung des § 1 AStG aufgrund der fehlenden Harmonisierung zu Recht ab.640 Bereits in der Diskriminierungsprüfung wurde festgestellt, dass der bloße Umstand, dass § 1 AStG den Fremdvergleichsgrundsatz umsetzt und insoweit mit Art. 9 OECD-MA und Art. 4 Nr. 1 EU-SchÜ übereinstimmt, nicht zur Europarechtskonformität der Norm führt.641 Dieser Umstand ist damit auch nicht geeignet, eine Diskriminierung zu rechtfertigen. Die auch hier vom FG Münster642 vertretene gegenteilige Auffassung kann vor der ständigen Rechtsprechung des EuGH643 nicht überzeugen.644
637 Siehe B.I.1.b)aa) und B.I.2.c)aa)(1). 638 EuGH, Urt. v. 28.01.1986, 270/83 (avoir fiscal), Slg. 1986, 273, Rz. 24. 639 Vgl. wiederum EuGH, Urt. v. 28.01.1986, 270/83 (avoir fiscal), Slg. 1986, 273, Rz. 24; seitdem ständige Rechtsprechung, vgl. exemplarisch: Urt. v. 06.12.2007, C-298/05 (Columbus Container Services), Slg. 2007, I-10451, Rz. 28; Urt. v. 26.06.2008, C-284/06 (Burda), Slg. 2008, I-4571, Rz. 66. 640 BFH, Bschl. v. 21.06.2001, I B 141/00, BFHE 195, 398 (401); zustimmend: Thömmes, JbFStR 2001/2002, 27 (51); Scheuerle, IStR 2002, 798 (799 f.); Mann, Einkünftekorrekturnormen, 2008, S. 154 f.; Goebel/Küntscher, Ubg 2009, 235 (238). 641 Siehe C.I.2.b)aa)(1)(ii)(a). 642 FG Münster, Bschl. v. 31.08.2000, 8 V 4639/00 E, EFG 2000, 1389 (1390), wörtlich zitiert in Fn. 467; zuletzt a.A.: FG Münster, Urt. v. 22.02.2008, 9 K 509/07 K, F, EFG 2008, 923 (925 f.). 643 Vgl. EuGH, Urt. v. 28.01.1986, 270/83 (avoir fiscal), Slg. 1986, 273, Rz. 26; Urt. v. 14.12.2006, C-170/05 (Denkavit), Slg. 2006, I-11949, Rz. 53; Urt. v. 13.03.2007, C524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 53; Urt. v. 08.11.2007, C-379/05 (Amurta), Slg. 2007, I-9569, Rz. 55; Urt. v. 18.06.2009, C-303/07 (Aberdeen Property Fininvest Alpha), Slg. 2009, I-5145, Rz. 69; Urt. v. 16.07.2009, C-128/08 (Damseaux), Slg. 2009, I-6823, Rz. 34. 644 Siehe bereits C.I.2.b)aa)(1)(ii)(a).
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Verrechnungspreisvorschriften
bb)
Wahrung der steuerlichen Kohärenz
Mehr Aussicht auf Erfolg hätte eine Rechtfertigung von § 1 AStG mit dem Ziel der Wahrung der steuerlichen Kohärenz. Dieses wurde vom EuGH in ständiger Rechtsprechung als zwingender Grund des Allgemeininteresses anerkannt.645 Während das Diskriminierungsverbot eine isolierte Betrachtung des steuerlichen Nachteils vornimmt,646 erlaubt der Rechtfertigungsgrund der Wahrung der steuerlichen Kohärenz eine insofern korrigierende, breitere Betrachtung. Er bezieht neben dem steuerlichen Nachteil auch kompensierende Vorteile mit ein, die eine Schlechterstellung des grenzüberschreitenden Sachverhalts ggf. neutralisieren können.647 Dabei ist es nicht entscheidend, ob der steuerliche Nachteil in einem speziellen Nachteil des grenzüberschreitend tätigen Steuerpflichtigen648 oder in der Vorenthaltung eines steuerlichen Vorteils besteht, den ansonsten nur rein inländisch Tätige erhalten:649 Dies sind
645 Vgl. EuGH, Urt. v. 28.01.1992, C-204/90 (Bachmann), Slg. 1992, I-249, Rz. 21 f.; Urt. v. 28.01.1992, C-300/90 (Kommission/Belgien), Slg. 1992, I-305, Rz. 14 f.; Urt. v. 11.08.1995, C-80/94 (Wielockx), Slg. 1995, I-2493, Rz. 23 f.; Urt. v. 14.11.1995, C484/93 (Svensson-Gustavsson), Slg. 1995, I-3955, Rz. 18; Urt. v. 27.06.1996, C-107/94 (Asscher), Slg. 1996, I-3089, Rz. 56; Urt. v. 16.07.1998, C-264/96 (ICI), Slg. 1998, I4695, Rz. 29; Urt. v. 26.10.1999, C-294/97 (Eurowings), Slg. 1999, I-7447, Rz. 41 ff.; Urt. v. 13.04.2000, C-251/98 (Baars), Slg. 2000, I-2787, Rz. 40; Urt. v. 07.09.2004, C319/02 (Manninen), Slg. 2004, I-7477, Rz. 42; Urt. v. 28.02.2008, C-293/06 (Deutsche Shell), Slg. 2008, I-1129, Rz. 38 f.; Bschl. v. 23.04.2008, C-201/05 (CFC and Dividend), Slg. 2008, I-2875, Rz. 65 f.; Urt. v. 23.10.2008, C-157/07 (Krankenheim Ruhesitz am Wannsee), Slg. 2008, I-8061, Rz. 42 f.; Urt. v. 27.11.2008, C-418/07 (Papillon), Slg. 2008, I-8947, Rz. 43; Urt. v. 22.01.2009, C-377/07 (STEKO), Slg. 2009, I-299, Rz. 53 f.; Urt. v. 17.09.2009, C-182/08 (Glaxo Wellcome), Slg. 2009, I-8591, Rz. 77 f.; Urt. v. 06.10.2009, C-562/07 (Kommission/Spanien), Slg. 2009, I-9553, Rz. 60 f.; Urt. v. 17.11.2009, C-169/08 (Regione Sardegna), Slg. 2009, I-10821, Rz. 47; Urt. v. 15.04.2010, C-96/08 (CIBA), Slg. 2010, I-2911, Rz. 47; Urt. v. 22.04.2010, C-510/08 (Mattner), Slg. 2010, I-3553, Rz. 53; Urt. v. 01.07.2010, C-233/09 (Dijkman), Slg. 2010, I-6645, Rz. 54; Urt. v. 22.12.2010, C-287/10 (Tankreederei I), IStR 2011, 190, Rz. 23; Urt. v. 06.10.2011, C-493/09 (Kommission/Portugal), IStR 2011, 920, Rz. 35; Urt. v. 20.10.2011, C-284/09 (Kommission/Deutschland), IStR 2011, 840, Rz. 85; Urt. v. 01.12.2011, C-250/08 (Kommission/Belgien), IStR 2012, 67, Rz. 70; Urt. v. 01.12.2011, C-253/09 (Kommission/Ungarn), n.n.v., Rz. 71. 646 Siehe C.I.1.b)aa), C.I.1.b)cc) und C.I.2.b)aa)(1)(ii)(c). 647 Vgl. Reimer, in: Lehner, Grundfreiheiten im Steuerrecht der EU-Staaten, 2000, S. 39 (50 f.); Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 114; Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 964 u. 981; Englisch, IFSt-Schrift Nr. 449, 2008, S. 123 mit Fn. 382; Sedemund, Ubg 2009, 560 (564). 648 Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 69. 649 Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 28.01.1992, C-204/90 (Bachmann), Slg. 1992, I-249, Rz. 21 ff.; Urt. v. 28.01.1992, C-300/90 (Kommission/Belgien), Slg. 1992, I-305, Rz. 14 ff. Siehe dazu sogleich. Die Vorenthaltung eines isolierten Vorteils ist der „klassische Fall“ der Kohärenz.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
letztlich zwei Seiten derselben Medaille.650 Gleichen sich die steuerlichen Vorund Nachteile „auf der Ebene der Einzelperson“651 exakt652 aus, ist die nationale Regelung gerechtfertigt. Ist dies zu Lasten des grenzüberschreitend tätigen Steuerpflichtigen nicht der Fall, verbleibt zumindest ein geringfügiger Nachteil, so dass die Schlechterstellung des Steuerpflichtigen nicht beseitigt wäre.653 Dies verdeutlicht, dass sich die Prüfung der Kohärenz konzeptionell nicht wesentlich von der Diskriminierungsprüfung unterscheidet.654 Im Unterschied zum einzelfallbezogenen Charakter des Diskriminierungsverbots655 stellt die Kohärenz jedoch auf einen abstrakten Ausgleich von Vor- und Nachteilen ab.656 Dies äußert sich insbesondere darin, dass nach ständiger Rechtsprechung ein steuerlicher Nachteil nicht durch einen zufälligen Vorteil an anderer Stelle ausgeglichen werden kann,657 sondern dass im Rahmen der 650 Es hängt letztlich nur von der gesetzgeberischen Ausgestaltung ab, ob der Inlandsfall begünstigt oder der grenzüberschreitende Fall benachteiligt wird. A.A. ist hingegen Schön, IStR 2009, 882 (885), der nur auf die Vorenthaltung isolierter Vorteile gegenüber dem grenzüberschreitend Tätigen abstellt. Wie hier: Kube, EuGH-Rechtsprechung zum direkten Steuerrecht, 2009, S. 8. 651 EuGH, Urt. v. 11.08.1995, C-80/94 (Wielockx), Slg. 1995, I-2493, Rz. 24; Urt. v. 21.11.2002, C-436/00 (X und Y), Slg. 2002, I-10829, Rz. 53; vgl. auch Urt. v. 26.10.1999, C-294/97 (Eurowings), Slg. 1999, I-7447, Rz. 20. Vgl. zum Bezug auf die Einzelperson weiterhin: Englisch, IFSt-Schrift Nr. 449, 2008, S. 122 f.; Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 448 u. 459; Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 114; van Thiel, ET 2008, 279 (281). 652 An einem exakten Ausgleich fehlt es etwa, wenn aufgrund der später eintretenden Kompensationsmaßnahme Zins- und Liquiditätsnachteile verbleiben, vgl. EuGH, Urt. v. 26.06.2003, C-422/01 (Skandia und Ramstedt), Slg. 2003, I-6817, Rz. 34 f.; Urt. v. 29.03.2007, C-347/04 (Rewe Zentralfinanz), Slg. 2007, I-2647, Rz. 67; Urt. v. 22.01.2009, C-377/07 (STEKO), Slg. 2009, I-299, Rz. 54. Siehe dazu sogleich C.I.2.c)bb)(2)(iii). Nach Schön, IStR 2009, 882 (885) bedürfe es hingegen keines exakten Ausgleichs, weil dann bereits keine Diskriminierung bestünde, siehe jedoch C.I.2.b)aa)(1)(ii)(c). 653 Vgl. insofern zur diskriminierenden Wirkung geringfügiger Nachteile C.I.1.b)aa). 654 Vgl. GA Geelhoed, SchlA v. 29.06.2006, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 90; ferner: Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 114; Englisch, IFSt Schrift Nr. 449, 2008, S. 123 mit Fn. 382; Schön, FS Herzig, 2010, S. 301 (307). 655 Siehe bereits C.I.1.b)aa) und C.I.2.b)aa)(1)(ii)(c). 656 Vgl. insbesondere EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 69: „Selbst wenn [ein] gewährter steuerlicher Vorteil die steuerliche Belastung ausgleichen könnte, [wurde] jedenfalls nicht dargetan, dass […] jede Erhöhung der steuerpflichtigen Gewinne […] ausgeglichen wird“. Vgl. auch Urt. v. 20.10.2011, C-284/09 (Kommission/Deutschland), IStR 2011, 840, Rz. 90; Englisch, IStR 2008, 858 (859). Siehe bereits C.I.2.b)aa)(1)(ii)(c). 657 Vgl. EuGH, Urt. v. 28.01.1986, 270/83 (avoir fiscal), Slg. 1986, 273, Rz. 21; Urt. v. 13.07.1993, C-330/91 (Commerzbank), Slg. 1993, I-4017, Rz. 19; Urt. v. 21.09.1999, C-307/97 (Saint Gobain), Slg. 1999, I-6161, Rz. 54; Urt. v. 26.10.1999, C-294/97 (Eurowings), Slg. 1999, I-7447, Rz. 44; Urt. v. 26.06.2003, C-422/01 (Skandia und Ramstedt), Slg. 2003, I-6817, Rz. 52; Urt. v. 08.11.2007, C-379/05 (Amurta), Slg.
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Verrechnungspreisvorschriften
Kohärenz ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Vor- und Nachteilen bestehen muss.658 Dies schafft Rechtssicherheit, weil die Grundfreiheitskonformität einer nationalen Regelung allgemein festgestellt wird und nicht vom jeweiligen Einzelfall abhängt. Diese Rechtssicherheit könnte im Rahmen des einzelfallbezogenen Diskriminierungsverbots nicht garantiert werden.659 Der Rechtfertigungsgrund der Wahrung der steuerlichen Kohärenz wurde vom EuGH erstmals in den Rs. Bachmann660 und Kommission/Belgien661 angewandt. Diese hatten die gleiche belgische Regelung zum Gegenstand, nach der nur gebietsansässige Steuerpflichtige Lebensversicherungsbeiträge steuerlich absetzen durften. Der EuGH sah dies jedoch als gerechtfertigt an, weil dieser steuerliche Vorteil für Inländer im unmittelbaren Zusammenhang mit der Pflicht stand, die späteren Versicherungsleistungen zu besteuern.662 Für diese wurde der Vorteil des Abzugs damit durch die spätere Besteuerung wieder ausgeglichen. Zugleich wurden gebietsfremde Steuerpflichtige nicht dadurch schlechter behandelt, dass ihnen Belgien den Vorteil der Abzugsfähigkeit mit der Begründung versagte, dass die spätere Besteuerung nicht gesichert sei. Denn bei ihnen trat weder der Vorteil noch der Nachteil auf.663 Insofern war es gerechtfertigt, dass Belgien den steuerlichen Vorteil der Abzugsfähigkeit nicht isoliert auf gebietsfremde Steuerpflichtige ausdehnte – der free mover würde
658
659 660 661 662 663
2007, I-9569, Rz. 75 u. 78; Urt. v. 11.09.2008, C-43/07 (Arens-Sikken), Slg. 2008, I6887, Rz. 66; Urt. v. 22.04.2010, C-510/08 (Mattner), Slg. 2010, I-3553, Rz. 43; Urt. v. 03.06.2010, C-487/08 (Kommission/Spanien), Slg. 2010, I-4843, Rz. 66; Urt. v. 01.07.2010, C-233/09 (Dijkman), Slg. 2010, I-6645, Rz. 41; Urt. v. 20.10.2011, C284/09 (Kommission/Deutschland), IStR 2011, 840, Rz. 71; vgl. auch EFTAGerichtshof, Urt. v. 23.11.2004, E-1/04 (Fokus Bank), IStR 2005, 55, Rz. 37. Vgl. EuGH, Urt. v. 14.11.1995, C-484/93 (Svensson-Gustavsson), Slg. 1995, I-3955, Rz. 18; Urt. v. 27.06.1996, C-107/94 (Asscher), Slg. 1996, I-3089, Rz. 58; Urt. v. 16.07.1998, C-264/96 (ICI), Slg. 1998, I-4695, Rz. 29; Urt. v. 26.10.1999, C-294/97 (Eurowings), Slg. 1999, I-7447, Rz. 42; Urt. v. 13.04.2000, C-251/98 (Baars), Slg. 2000, I-2787, Rz. 40; Urt. v. 22.01.2009, C-377/07 (STEKO), Slg. 2009, I-299, Rz. 52; Urt. v. 06.10.2011, C-493/09 (Kommission/Portugal), IStR 2011, 920, Rz. 36. Vgl. auch Urt. v. 11.08.1995, C-80/94 (Wielockx), Slg. 1995, I-2493, Rz. 24: „strenge Wechselbeziehung“. Siehe bereits C.I.2.b)aa)(1)(ii)(c) und vgl. diesbezüglich nochmals EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 23.11.2004, E-1/04 (Fokus Bank), IStR 2005, 55, Rz. 37. EuGH, Urt. v. 28.01.1992, C-204/90 (Bachmann), Slg. 1992, I-249, Rz. 21 ff. EuGH, Urt. v. 28.01.1992, C-300/90 (Kommission/Belgien), Slg. 1992, I-305, Rz. 14 ff. Vgl. EuGH, Urt. v. 28.01.1992, C-204/90 (Bachmann), Slg. 1992, I-249, Rz. 21 f.; Urt. v. 28.01.1992, C-300/90 (Kommission/Belgien), Slg. 1992, I-305, Rz. 14. Vgl. EuGH, Urt. v. 28.01.1992, C-204/90 (Bachmann), Slg. 1992, I-249, Rz. 22; Urt. v. 28.01.1992, C-300/90 (Kommission/Belgien), Slg. 1992, I-305, Rz. 15. Vgl. auch Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 963 f. u. 980; Hey, StuW 2005, 317 (319); allgemein: GA Maduro, SchlA v. 07.04.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I10837, Rz. 67 f.
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ansonsten zum free rider664. Mit dem Rechtfertigungsgrund der Kohärenz wurde somit die Systemgerechtigkeit des belgischen Steuerrechts anerkannt.665 Der EuGH hatte in den Rs. Bachmann und Kommission/Belgien jedoch nicht berücksichtigt, dass der unmittelbare Zusammenhang zwischen dem steuerlichem Vor- und Nachteil aufgrund des einschlägigen DBA durchbrochen werden konnte. Denn dieses wies das Besteuerungsrecht an den Versicherungsleistungen dem Ansässigkeitsstaat zu. Folglich war der Nachteil der Besteuerung nicht mehr gesichert, wenn ein Steuerpflichtiger, der zuvor die Beitragszahlungen steuerlich abziehen konnte, in den anderen DBA-Staat verzog. Umgekehrt war bei einem Zuzug der Nachteil der Besteuerung ohne den vorherigen Vorteil der Abzugsfähigkeit möglich.666 In der Rs. Wielockx667, der ein mit den Rs. Bachmann und Kommission/Belgien vergleichbarer Sachverhalt zugrunde lag, entschied der EuGH, dass die Kohärenz aufgrund dieser Wechselbeziehung zwischen Gewinn und Verlust des Besteuerungsrechts nicht mehr auf nationaler Ebene hergestellt, sondern auf DBA-Ebene verlagert werden würde. Dabei kann es jedoch nicht darauf ankommen, ob diese sog. Makrokohärenz auf der Ebene des DBA besteht. Denn die Kohärenz ist personenbezogen. Entscheidend ist allein, ob der unmittelbare Zusammenhang zwischen dem steuerlichen Vor- und Nachteil durch ein DBA durchbrochen wird, so dass sich die Vor- und Nachteile beim Steuerpflichtigen nicht mehr mit Sicherheit ausgleichen.668 Ist dies der Fall, ist die personale Einzelfallgerechtigkeit durch die nationale Regelung nicht mehr garantiert. Diese scheint der EuGH zuletzt je 664 Vgl. Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 963 f. u. 980 f. m.w.N.; ferner: Hey, StuW 2005, 317 (319); Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 113; Sedemund, Europäisches Ertragsteuerrecht, 2008, Rz. 445; Englisch, Intertax 2010, 197 (207). Vgl. auch GA Maduro, SchlA v. 07.04.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837, Rz. 67. 665 Vgl. allgemein zur Systemgerechtigkeit und Kohärenz: GA Maduro, SchlA v. 07.04.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837, Rz. 66; Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 447 ff. u. 963 f.; Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 304; ders., Intertax 2010, 197 (207); Hey, StuW 2005, 317 (318 f.); Schön, DFGT 5 (2008), 37 (47); Weber-Grellet, DStR 2009, 1229 (1231); Cordewener/Kofler/van Thiel, CMLRev. 2009, 1951 (1970). 666 Vgl. Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 117 f. u. 714. 667 EuGH, Urt. v. 11.08.1995, C-80/94 (Wielockx), Slg. 1995, I-2493, Rz. 24; bestätigt durch: Urt. v. 03.10.2002, C-136/00 (Danner), Slg. 2002, I-8147, Rz. 41; Urt. v. 21.11.2002, C-436/00 (X und Y), Slg. 2002, I-10829, Rz. 53-55; Urt. v. 15.07.2004, C242/03 (Weidert u. Paulus), Slg. 2004, I-7379, Rz. 25; Urt. v. 10.09.2009, C-269/07 (Kommission/Deutschland), Slg. 2009, I-7811, Rz. 63. 668 Vgl. in dieser Richtung auch Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 535. Vgl. zur Kritik an der Makrokohärenz Englisch, IFSt-Schrift Nr. 449, 2008, S. 128; ders., Intertax 2010, 197 (210), der die Einwirkung der DBA auf die Kohärenz aber in Gänze ablehnt. Vgl. auch Englisch, IStR 2004, 684 (685); dens., GmbHR 2004, R421 (R422). A.A.: Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 712 ff.; Cordewener/Kofler/van Thiel, CMLRev. 2009, 1951 (1971).
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nach Ausgangsfall mit der nationalen Systemgerechtigkeit abzuwägen. Während er in der Rs. Manninen669 auf die Bezugnahme des DBA verzichtete und insofern der nationalen Systemgerechtigkeit den Vorzug gab, hat er jüngst in der Rs. Kommission/Deutschland670 die von ihm vertretene Makrokohärenz wieder aufleben lassen. In vielen anderen Urteilen konnte der EuGH auf die Prüfung der Auswirkungen eines DBA verzichten, weil es bereits an dem unmittelbaren Zusammenhang zwischen den steuerlichen Vor- und Nachteilen fehlte.671 Das entscheidende Kriterium der Kohärenz ist damit der unmittelbare Zusammenhang. Dieser wurde vom EuGH in der Folgerechtsprechung nach Bachmann und Kommission/Belgien in restriktiver Weise präzisiert: Ein unmittelbarer Zusammenhang konnte demnach nur bezüglich derselben Steuerart672 desselben Mitgliedstaats673 und bei demselben Steuerpflichtigen674 vorliegen. Ein derart formal verstandener unmittelbarer Zusammenhang würde einen Nachteilsausgleich bei Transaktionen zwischen verbundenen Unternehmen weitgehend ausschließen, weil dieser vor allem beim gebietsfremden verbundenen Unternehmen und damit personen- und staatenübergreifend in Betracht kommt.675 Von dieser streng formalen Sichtweise ist der EuGH in der
669 Vgl. EuGH, Urt. v. 07.09.2004, C-319/02 (Manninen), Slg. 2004, I-7477, Rz. 40 ff. Obwohl der EuGH in Rz. 45 einen unmittelbaren Zusammenhang annimmt, verzichtete er auf die Inbezugnahme des DBA, vgl. Englisch, IStR 2004, 684 (685); ders., GmbHR 2004, R421 (R422); Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 725 mit Fn. 150. 670 EuGH, Urt. v. 10.09.2009, C-269/07 (Kommission/Deutschland), Slg. 2009, I-7811, Rz. 63. 671 Vgl. exemplarisch EuGH, Urt. v. 26.06.2003, C-422/01 (Skandia und Ramstedt), Slg. 2003, I-6817, Rz. 34 f.; Urt. v. 11.03.2004, C-9/02 (de Lasteyrie), Slg. 2004, I-2409, Rz. 63 ff. 672 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.04.2000, C-251/98 (Baars), Slg. 2000, I-2787, Rz. 40; Urt. v. 06.06.2000, C-35/98 (Verkooijen), Slg. 2000, I-4071, Rz. 57. Ohnehin kann keine Kohärenz mit einem anderen Belastungssystem bestehen, vgl. Urt. v. 27.06.1996, C107/94 (Asscher), Slg. 1996, I-3089, Rz. 59 f. 673 Vgl. EuGH, Urt. v. 16.07.1998, C-264/96 (ICI), Slg. 1998, I-4695, Rz. 29; Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 968; Vanistendael, EC Tax Rev. 2005, 208 (217). 674 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.10.1999, C-294/97 (Eurowings), Slg. 1999, I-7447, Rz. 44; Urt. v. 14.11.1995, C-484/93 (Svensson-Gustavsson), Slg. 1995, I-3955, Rz. 18; Urt. v. 13.04.2000, C-251/98 (Baars), Slg. 2000, I-2787, Rz. 40; Urt. v. 06.06.2000, C-35/98 (Verkooijen), Slg. 2000, I-4071, Rz. 57; Urt. v. 18.09.2003, C-168/01 (Bosal), Slg. 2003, I-9409, Rz. 32; vgl. auch Urt. v. 16.07.1998, C-264/96 (ICI), Slg. 1998, I-4695, Rz. 29. 675 Siehe bereits C.I.2.b)aa)(1)(ii)(c). In der älteren Rechtsprechung bzw. Literatur wurde eine Kohärenz des § 1 AStG daher überwiegend ausgeschlossen, vgl. BFH-Bschl. v. 21.06.2001, I B 141/00, BFHE 195, 398 (400); Köplin/Sedemund, IStR 2000, 305 (307); Schaumburg, DStJG 24 (2001), 225 (249); Thömmes, JbFStR 2001/2002, 27 (52); Scheurle, IStR 2002, 798 (802); Pohl/Raupach, FS 50 Jahre Deutsches Anwaltsin-
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
Rs. Manninen676 abgerückt:677 Das Vorbringen der Kohärenz wurde darin an dem mit der Regelung verfolgten Ziel gemessen.678 Danach war ein Körperschaftsteueranrechnungssystem kohärent, bei dem der Nachteil der Besteuerung bei einer gebietsfremden Kapitalgesellschaft und der kompensierende Vorteil der Anrechnung bei einem ansässigen Steuerpflichtigen auftraten.679 Damit ließ der EuGH einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen zwei Steuersubjekten zu, die in zwei verschiedenen Staaten unterschiedlichen Steuerarten (Einkommen- und Körperschaftsteuer) unterliegen. Erforderlich war jedoch weiterhin ein sachlicher Zusammenhang zwischen den steuerlichen Vor- und Nachteilen.680 Im Folgenden kann nun untersucht werden, ob § 1 AStG aufgrund der Wahrung der steuerlichen Kohärenz gerechtfertigt werden kann. (1)
Spätere Veräußerung oder Liquidation einer Tochtergesellschaft
Geht man nach der traditionellen Rechtsprechung zunächst von einem formalen Verständnis des unmittelbaren Zusammenhangs aus, könnte der Nachteil
676
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stitut e.V., 2003, S. 489 (507). Vgl. aus der jüngeren Literatur noch Goebel/Küntscher, Ubg 2009, 235 (238); Cortez/Vogel, Intertax 2011, 404 (407). EuGH, Urt. v. 07.09.2004, C-319/02 (Manninen), Slg. 2004, I-7477, Rz. 40 ff.; bestätigt im Urt. v. 06.03.2007, C-292/04 (Meilicke u.a.), Slg. 2007, I-1835, Rz. 28 f. Siehe auch zuvor das Urt. v. 15.07.2004, C-315/02 (Lenz), Slg. 2004, I-7063, Rz. 34 ff. Vgl. Englisch, IStR 2004, 684 (685); Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 116. Vgl. EuGH, Urt. v. 07.09.2004, C-319/02 (Manninen), Slg. 2004, I-7477, Rz. 43 unter Bezug auf das Urt. v. 11.03.2004, C-9/02 (de Lasteyrie), Slg. 2004, I-2409, Rz. 67. Vgl. auch Urt. v. 15.07.2004, C-315/02 (Lenz), Slg. 2004, I-7063, Rz. 37; Urt. v. 06.03.2007, C-292/04 (Meilicke u.a.), Slg. 2007, I-1835, Rz. 29; Urt. v. 08.11.2007, C379/05 (Amurta), Slg. 2007, I-9569, Rz. 56; Urt. v. 28.02.2008, C-293/06 (Deutsche Shell), Slg. 2008, I-1129, Rz. 39; Urt. v. 23.10.2008, C-157/07 (Krankenheim Ruhesitz am Wannsee), Slg. 2008, I-8061, Rz. 44; Urt. v. 27.11.2008, C-418/07 (Papillon), Slg. 2008, I-8947, Rz. 44; Urt. v. 22.01.2009, C-377/07 (STEKO), Slg. 2009, I-299, Rz. 53; Urt. v. 17.11.2009, C-169/08 (Regione Sardegna), Slg. 2009, I-10821, Rz. 47; Urt. v. 15.04.2010, C-96/08 (CIBA), Slg. 2010, I-2911, Rz. 47; Urt. v. 01.07.2010, C-233/09 (Dijkman), Slg. 2010, I-6645, Rz. 55; Urt. v. 06.10.2011, C-493/09 (Kommission/Portugal), IStR 2011, 920, Rz. 36; Urt. v. 20.10.2011, C-284/09 (Kommission/Deutschland), IStR 2011, 840, Rz. 86. Mit diesem Ansatz sind m.E. aber keine materiellen Neuerungen verbunden. Vgl. EuGH, Urt. v. 07.09.2004, C-319/02 (Manninen), Slg. 2004, I-7477, Rz. 46, 48. In den Schlussanträgen betrachtete GA Kokott die materiale Betrachtungsweise gar als Ausnahme und verlangte, dass die Vor- und Nachteil bei demselben wirtschaftlichen Vorgang auch tatsächlich eintreten müssen, vgl. GA Kokott, SchlA v. 18.03.2004, C319/02 (Manninen), Slg. 2004, I-7477, Rz. 61; dies./Ost, EuZW 2011, 496 (501); zustimmend: Vanistendael, EC Tax Rev. 2005, 208 (219 u. 221 f.). GA Maduro spricht insofern von einer Flexibilisierung des Rechtfertigungsgrunds der Kohärenz, vgl. GA Maduro, SchlA v. 07.04.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837, Rz. 71. Das Manninen-Urteil ist im Schrifttum dennoch auf Kritik gestoßen, vgl. etwa Englisch, IStR 2004, 684 (685 f.); ders., GmbHR 2004, R421 (R422).
Verrechnungspreisvorschriften
der Einkünftekorrektur des § 1 AStG durch deren Rückgängigmachung im Fall einer späteren Veräußerung der Beteiligung an dem gebietsfremden verbundenen Unternehmen bzw. im Fall dessen Liquidation ausgeglichen werden. Gewährt eine ansässige Muttergesellschaft einer gebietsfremden Tochter einen Vorteil, wirkt sich dies mittelbar auf den Beteiligungsbuchwert in der Bilanz der Muttergesellschaft aus. Erfolgt nachträglich keine äquivalente Ausgleichszahlung, würde im Fall der Veräußerung der Beteiligung an der Tochtergesellschaft bzw. deren Liquidation eine Doppelbesteuerung eintreten. Um diese zu vermeiden, ermöglicht es die Finanzverwaltung aus Billigkeitsgründen, den nach § 1 AStG außerhalb der Steuerbilanz angesetzten Einkünftekorrekturbetrag vom Veräußerungs- oder Liquidationserlös wieder abzuziehen.681 Die steuerlichen Vor- und Nachteile würden insofern jeweils bei der ansässigen Muttergesellschaft eintreten. Dieser Ausgleich ist dennoch nicht kohärent. Denn weder die spätere Veräußerung bzw. Liquidation, noch der entsprechende Billigkeitserlass sind zwingend. Damit fehlt es an einem abstrakten Nachteilsausgleich.682 Der EuGH hat bereits in der Rs. Biehl683 entschieden, dass eine Diskriminierung nicht durch einen den steuerlichen Nachteil neutralisierenden Billigkeitserlass gerechtfertigt werden kann.684 (2)
Korrespondierende Gegenberichtigung im anderen Staat
Der Nachteil der Einkünftekorrektur könnte aber durch eine korrespondierende Gegenberichtigung im Ansässigkeitsstaat des gebietsfremden verbundenen Unternehmens kompensiert werden.685 Auf diese Weise kann die von § 1 AStG ausgehende Erhöhung der Gewinne beim ansässigen Unternehmen durch eine entsprechende Minderung der Gewinne beim gebietsfremden verbundenen 681 Vgl. BMF v. 12.04.2005, BStBl. I 2005, 570, Tz. 5.5.2; vgl. dazu Schaumburg, DStJG 24 (2001), 225 (249); ders., Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2011, Rz. 18.124; Mann, Einkünftekorrekturnormen, 2008, S. 148 ff. 682 Ohnehin würden die Zins- und Liquiditätsnachteile einen äquivalenten Nachteilsausgleich verhindern, wenn die Veräußerung oder Liquidation nicht im selben Veranlagungszeitraum wie die Einkünftekorrektur stattfindet. Vgl. zum Korrekturzeitpunkt BMF v. 12.04.2005, BStBl. I 2005, 570, Tz. 5.5.; siehe zu Zins- und Liquiditätsnachteilen im Rahmen der Kohärenz sogleich unter (2)(iii). 683 EuGH, Urt. v. 08.05.1990, C-175/88 (Biehl), Slg. 1990, I-1779, Rz. 17 f.; bestätigt im: Urt. v. 14.02.1995, C-279/93 (Schumacker), Slg. 1995, I-225, Rz. 54 ff. 684 Dabei ist es auch legitim in der bloßen Möglichkeit der Korrektur durch einen Billigkeitserlass eine Diskriminierung des grenzüberschreitenden Sachverhalts gegenüber dem vergleichbaren Inlandsfall zu sehen, vgl. Schaumburg, DStJG 24 (2001), 225 (249); Mann, Einkünftekorrekturnormen, 2008, S. 148 ff. Denn bei der verdeckten Einlage ist die Korrektur systemimmanent, weil die vorherige Einkünftekorrektur innerhalb der Steuerbilanz als Erhöhung des Beteiligungsbuchwerts erfolgt. 685 Vgl. zu dieser Argumentation BFH, Bschl. v. 21.06.2001, I B 141/00, BFHE 195, 398 (400); ferner zu Unterkapitalisierungsvorschriften die Kommission im Urt. v. 12.12.2002, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-11779, Rz. 35 sowie die Regierungen im Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 48.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
Unternehmen ausgeglichen werden, so dass in der Gesamtschau beider Unternehmen kein Nachteil mehr besteht.686 Nominell wird der im Inland aus der Gewinnerhöhung folgende Anstieg der Körperschaftsteuerlast zwar nicht vollständig kompensiert, wenn der andere Staat einen niedrigeren Steuersatz aufweist, diese Differenz würde jedoch aus der bloßen Unterschiedlichkeit der Steuersätze der beteiligten Staaten resultieren.687 Entscheidend ist allein, dass die Gewinne aus der Transaktion in der Summe der Besteuerungszugriffe beider Staaten nur einmal erfasst werden. Dies ist gewährleistet, wenn beide Staaten vom selben Fremdvergleichswert ausgehen.688 Der Ausgleichsmechanismus der Gegenberichtigung setzt eine personen- und staatenübergreifende Betrachtungsweise voraus, wie sie der EuGH in der Rs. Manninen689 im Fall der Dividendenausschüttung an natürliche Personen vertreten hat. Fraglich ist, ob diese Sichtweise auch bei Transaktionen zwischen verbundenen Unternehmen zulässig ist. (i)
Zulässigkeit einer personen- und staatenübergreifenden Betrachtungsweise
In der früheren Rechtsprechung hatte der EuGH eine personenübergreifende Betrachtung zweier verbundener Unternehmen noch stets abgelehnt.690 Generell ist auch nach Erlass der Rs. Manninen am Erfordernis der Personenidentität festzuhalten, weil die Kohärenz als individueller Ausgleich gerade die Gleichbelastung des einzelnen Steuerpflichtigen sicherstellen soll.691 Die personenübergreifende Gesamtschau war in der Rs. Manninen aber zulässig, weil die ausschüttende Gesellschaft und ihr Anteilseigner wirtschaftlich betrachtet als ein Steuerträger erscheinen.692 Sie ist auch bei verbundenen Unter-
686 Vgl. nur EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 54. 687 Siehe bereits C.I.1.b)bb) und C.I.2.b)aa)(1)(ii)(d). A.A. Schön, IStR 2009, 882 (884); ders., Transfer Pricing, the Arm’s Length Standard and European Union Law, 2011, S. 21, Download unter: http://ssrn.com/abstract=1930237; zuvor noch wie hier: Schön, DStJG 23 (2000), 191 (211 f.). 688 Siehe B.IV.2.a). 689 EuGH, Urt. v. 07.09.2004, C-319/02 (Manninen), Slg. 2004, I-7477, Rz. 40 ff.; siehe oben C.I.2.c)bb). 690 Vgl. EuGH, Urt. v. 18.09.2003, C-168/01 (Bosal), Slg. 2003, I-9409, Rz. 31 f.; Urt. v. 12.12.2002, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-11779, Rz. 42; vgl. zuvor bereits Urt. v. 16.07.1998, C-264/96 (ICI), Slg. 1998, I-4695, Rz. 29. 691 Vgl. Englisch, IFSt-Schrift Nr. 449, 2008, S. 123 f. Vgl. mit Verweis auf denselben Steuerpflichtigen auch EuGH, Urt. v. 01.12.2011, C-250/08 (Kommission/Belgien), IStR 2012, 67, Rz. 76; Urt. v. 01.12.2011, C-253/09 (Kommission/Ungarn), n.n.v., Rz. 76 f., ohne die Manninen-Rechtsprechung dabei in Frage zu stellen. 692 Vgl. Englisch, IFSt-Schrift Nr. 449, 2008, S. 124; ferner: Englisch, Intertax 2010, 197 (206 f.); Hey, AöR 2003, 226 (243); dies., StuW 2004, 193 (197); dies., FS Schaumburg, 2009, S. 767 (771 f.).
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Verrechnungspreisvorschriften
nehmen zu fordern:693 Diese sind zwar rechtlich unterschiedliche Steuersubjekte, agieren als Teil des Konzerns aber tatsächlich als eine wirtschaftliche Einheit694. In dieser saldieren sich die kompensierenden steuerlichen Vor- und Nachteile. Auch bei rechtlicher Betrachtung findet ein zumindest mittelbarer Ausgleich von Vor- und Nachteilen bei der Muttergesellschaft statt: Steuerliche Vor- bzw. Nachteile einer Tochtergesellschaft wirken sich nämlich mittelbar auf den Beteiligungsbuchwert in der Bilanz der Muttergesellschaft aus.695 Es ist daher nur sachgerecht, wenn ein Regelungskomplex zur Herstellung der Kohärenz beide verbundenen Unternehmen mit einbezieht.696 Folgerichtig hat der EuGH in den jüngeren Rs. Keller Holding697, FII698, Thin Cap699 und Papillon700 auch eine personenübergreifende Betrachtungsweise zweier verbundener Unternehmen zugelassen.701 Diesen Urteilen hat der EuGH gleichzeitig auch eine staatenübergreifende Sichtweise zugrunde gelegt. Dies steht auf den ersten Blick in einem gewissen
693 Ebenso Schön, StbJb 2003/2004, 27 (53); ders., IStR 2004, 289 (299); ders., DB 2001, 940 (944); ders., IStR 2009, 882 (885); Wattel, EC Tax Rev. 2003, 194 (200); Hey, StuW 2004, 193 (197, Fn. 55); dies., AöR 2003, 226 (242 ff.); Garcia-Herrera/Herrera, EC Tax Rev. 2004, 57 (63); Seer u.a., EWS 2005, 289 (300); GA Kokott, SchlA v. 04.09.2008, C-418/07 (Papillon), Slg. 2008, I-8947, Rz. 52. 694 Siehe bereits A. mit den Nachweisen in Fn. 7. GA Kokott hatte in den Schlussanträgen zur Rs. Papillon zwei verbundene Unternehmen daher sogar als „denselben Steuerpflichtigen“ im Sinne der tradierten Kohärenzrechtsprechung des EuGH betrachtet, vgl. GA Kokott, SchlA v. 04.09.2008, C-418/07 (Papillon), Slg. 2008, I-8947, Rz. 52: „[Es wäre] eine künstliche Aufteilung […], die Gesellschaften eines Konzerns – die gerade anstreben, als steuerliche Einheit behandelt zu werden – nicht als „denselben“ Steuerpflichtigen im Sinne dieser Rechtsprechung anzusehen.“ Vgl. auch Kokott/Ost, EuZW 2011, 496 (502); a.A.: Kosalla, Ubg 2011, 874 (877). 695 Vgl. Schön, StbJb 2003/2004, 27 (53); ders., IStR 2004, 289 (299). Siehe auch C.I.2.c)bb)(1). 696 Im Rahmen der bestehenden Steuersysteme ermöglicht dies überhaupt erst eine gerechte Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beider Transaktionspartner, indem eine Einkünfteabgrenzung anhand des Fremdvergleichs erfolgt. 697 EuGH, Urt. v. 23.02.2006, C-471/04 (Keller Holding), Slg. 2006, I-2107, Rz. 43. Zwar lehnt der EuGH die Kohärenz hier aufgrund des fehlenden unmittelbaren Zusammenhangs ab, hält einen Ausgleich von Vor- und Nachteilen zwischen einer Mutter- und der Tochtergesellschaft aber für möglich. 698 EuGH, Urt. v. 06.12.2006, C-446/04 (FII), Slg. 2006, I-11753, Rz. 93. 699 EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 69. 700 EuGH, Urt. v. 27.11.2008, C-418/07 (Papillon), Slg. 2008, I-8947, Rz. 47-51. 701 Dies hatte sich zuvor bereits im Urt. v. 08.03.2001, C-397/98 u.a. (Metallgesellschaft u.a.), Slg. 2001, I-1727, Rz. 69 ff. angedeutet, in denen der EuGH die Kohärenz bei einer Beziehung zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften nicht aus formalen, sondern aus sachlichen Gründen abgelehnt hatte, vgl. dazu Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 815 mit Fn. 1546.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung702, dass ein steuerlicher Nachteil nicht durch einen zufälligen Vorteil im anderen Mitgliedstaat ausgeglichen werden kann.703 Ein zufälliger Ausgleich ist aus Gründen der Rechtssicherheit in der Tat abzulehnen.704 Zu berücksichtigen ist jedoch ein abkommensrechtlich zwingend vereinbarter Ausgleich, wie ihn der EuGH705 bereits in der Diskriminierungsprüfung anerkennt. Denn die vertragliche Vereinbarung garantiert gleich einer unilateralen Kompensation diejenige Rechtssicherheit, die bei einem zufälligen Ausgleich fehlt. Dazu trägt im Rahmen der Kohärenz auch das Erfordernis des abstrakten Vorteilsausgleichs bei.706 Die Anerkennung des abkommensrechtlichen Ausgleichs achtet die mitgliedstaatliche Souveränität, selbst darüber zu entscheiden, ob eine Kompensation uni-, bioder multilateral erfolgen soll.707 Dagegen wird in der Literatur eingewandt, dass als Folge die Kohärenz ggf. nur im Verhältnis zu bestimmten Staaten besteht.708 In der Abwägung mit der mitgliedstaatlichen Souveränität dürfte 702 Vgl. EuGH, Urt. v. 28.01.1986, 270/83 (avoir fiscal), Slg. 1986, 273, Rz. 21; Urt. v. 13.07.1993, C-330/91 (Commerzbank), Slg. 1993, I-4017, Rz. 19; Urt. v. 21.09.1999, C-307/97 (Saint Gobain), Slg. 1999, I-6161, Rz. 54; Urt. v. 26.10.1999, C-294/97 (Eurowings), Slg. 1999, I-7447, Rz. 44; Urt. v. 08.11.2007, C-379/05 (Amurta), Slg. 2007, I-9569, Rz. 75 u. 78; Urt. v. 11.09.2008, C-43/07 (Arens-Sikken), Slg. 2008, I-6887, Rz. 66; Urt. v. 22.04.2010, C-510/08 (Mattner), Slg. 2010, I-3553, Rz. 43; vgl. auch EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 23.11.2004, E-1/04 (Fokus Bank), IStR 2005, 55, Rz. 37. 703 Vgl. Englisch, IStR 2004, 684 (685 f.); ders., GmbHR 2004, R421 (R422); ders., IFStSchrift Nr. 449, 2008, S. 130; Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 116. 704 Siehe bereits C.I.2.b)aa)(1)(ii)(b) und vgl. nur EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 23.11.2004, E-1/04 (Fokus Bank), IStR 2005, 55, Rz. 37. 705 Vgl. EuGH, Urt. v. 14.12.2006, C-170/05 (Denkavit), Slg. 2006, I-11949, Rz. 45-47; Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 54-56; Urt. v. 08.11.2007, C-379/05 (Amurta), Slg. 2007, I-9569, Rz. 79 f.; Urt. v. 19.11.2009, C540/07 (Kommission/Italien), Slg. 2009, I-10983, Rz. 36 ff.; Urt. v. 03.06.2010, C487/08 (Kommission/Spanien), Slg. 2010, I-4843, Rz. 58 ff. Diese Sichtweise ist gleichwohl abzulehnen, siehe C.I.2.b)aa)(1)(ii)(b). 706 Wie bereits unter C.I.2.b)aa)(1)(ii)(b) festgestellt wurde, verhindert der abstrakte Vorteilsausgleich der Kohärenz insofern, dass in Fällen wie der Rs. Denkavit der Ausgleich des Nachteils einer Quellensteuer durch die Anrechnung im Ansässigkeitsstaat nicht von sonstigen nationalen Regelungen wie der Höhe des Steuersatzes abhängt. Dies ist im Rahmen des einzelfallbezogenen Diskriminierungsverbots gerade nicht garantiert; vgl. aber EuGH, Urt. v. 19.11.2009, C-540/07 (Kommission/Italien), Slg. 2009, I-10983, Rz. 39; Urt. v. 03.06.2010, C-487/08 (Kommission/Spanien), Slg. 2010, I4843, Rz. 64. 707 Vgl. im Rahmen der Diskriminierungsprüfung GA Geelhoed, SchlA v. 23.02.2006, C374/04 (ACT), Slg. 2006, I-11673, Rz. 71; Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 602 f. 708 Vgl. Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 300; ferner: ders., Intertax 2010, 197 (208); Seiler/Axer, IStR 2008, 838 (842). Allgemein kritisch zur staatenübergreifenden Betrachtungsweise: De Broe, International Tax Planning and Prevention of Abuse, 2008, S. 948 ff.; Wathelet/De Broe, in: Lang u.a., ECJ: Recent Developments in Direct Taxation 2008, 2008, S. 21 (63); De Broe/Bammens, H&I 4/2010, 6.
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Verrechnungspreisvorschriften
diese „Gerechtigkeitslücke“ in den meisten Fällen jedoch hinzunehmen sein, zumal sich die DBA der Mitgliedstaaten in der Regel am OECD-MA orientieren und insofern vielfach inhaltsgleiche Regelungen umfassen. Neben einer abkommensrechtlichen Vereinbarung kann ein Ausgleich im anderen Staat m.E. auch im Rahmen der Kohärenz berücksichtigt werden, wenn er auf fundamentalen Grundsätzen des (internationalen) Steuerrechts beruht und sein Fortbestehen insofern in gleicher Weise wie bei einer abkommensrechtlichen Vereinbarung gesichert ist.709 Eine personen- und staatenübergreifende Betrachtungsweise ist bei Transaktionen zwischen verbundenen Unternehmen im Rahmen der Kohärenz somit zulässig und geboten. Damit ist im Folgenden kein streng formaler, sondern nur ein sachlicher unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Erst- und Gegenberichtigung nachzuweisen. (ii)
Unmittelbarer Zusammenhang
Das Zusammenspiel von Erst- und Gegenberichtigung ist in DBA, die mit Art. 9 bzw. Art. 25 OECD-MA vergleichbare Vorschriften enthalten, sowie im EU-SchÜ geregelt. In der Rs. SGI710 hat der EuGH eine mögliche Kompensation durch eine Gegenberichtigung lediglich auf der Diskriminierungsebene geprüft. Er hat sich aber in der Rs. Thin Cap711 bereits im Rahmen der britischen Unterkapitalisierungsvorschriften mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Abkommensvorschriften einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Erst- und Gegenberichtigung begründen: Der EuGH stellte fest, dass die britischen DBA in Verbindung mit dem EU-SchÜ zwar nicht grundsätzlich ungeeignet wären, den Nachteil der Einkünftekorrektur auszugleichen, dies
709 Der EuGH legt diesbezüglich wohl noch mildere Kriterien an. Ohne auf die einzelnen Urteile einzugehen, hat er jedenfalls auch ohne abkommensrechtlich vereinbarten Ausgleich in der Vergangenheit eine staatenübergreifende Kohärenz anerkannt, vgl. etwa EuGH, Urt. v. 07.09.2004, C-319/02 (Manninen), Slg. 2004, I-7477, Rz. 40 ff.; Urt. v. 06.03.2007, C-292/04 (Meilicke u.a.), Slg. 2007, I-1835, Rz. 28 f.; Urt. v. 23.02.2006, C-471/04 (Keller Holding), Slg. 2006, I-2107, Rz. 43. Dem steht m.E. auch nicht das Urt. v. 08.11.2007, C-379/05 (Amurta), Slg. 2007, I-9569, Rz. 78 entgegen, in dem der EuGH entschieden hat, dass ein Ausgleich auf Diskriminierungsebene nur dann zu berücksichtigen ist, wenn er in einem Abkommen vertraglich vereinbart wurde, siehe bereits C.I.2.b)aa)(1)(ii)(b). Mit diesem Erfordernis versucht der EuGH den Mangel an Rechtssicherheit auszugleichen, der im Rahmen der einzelfallbezogenen Diskriminierungsprüfung besteht. Diese Aussage der Rs. Amurta ist damit nicht zwingend auf den Nachteilsausgleich im Rahmen der Kohärenz zu übertragen. 710 EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 54, siehe bereits C.I.2.b)aa)(1)(ii)(c). 711 EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 69 i.V.m. Rz. 55 f.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
jedoch nicht in jedem Fall garantieren könnten.712 Der EuGH sieht damit den abstrakten Ausgleich im Rahmen der Kohärenz als nicht erfüllt an. Dem ist jedenfalls für DBA zuzustimmen, die keine obligatorischen Schiedsklauseln enthalten. Denn in diesen Fällen hängt die Gegenberichtigung mangels einer abkommensrechtlichen Verpflichtung vom guten Willen des anderen Vertragsstaates ab.713 Dies trifft auch auf die wenigen deutschen DBA zu, die eine mit Art. 9 Abs. 2 OECD-MA vergleichbare Vorschrift enthalten.714 Hingegen garantieren obligatorische Schiedsklauseln konzeptionell eine Gegenberichtigung, die die Erstberichtigung kompensiert.715 Ihr für die Vertragsstaaten zwingender Charakter stellt einen hinreichend engen unmittelbaren sachlichen Zusammenhang zwischen der Erst- und Gegenberichtigung sicher. Die tatsächlichen Schwierigkeiten dieser Verfahren wirken sich an dieser Stelle (noch) nicht aus.716 Obligatorische Schiedsklauseln enthalten die deutschen DBA mit Österreich, der Schweiz, den USA, Großbritannien und Liechtenstein sowie das EU-SchÜ.717 Letzteres wurde von allen 27 Mitgliedstaaten der EU unterzeichnet, so dass in nahezu allen Fällen, in denen die Niederlassungsfreiheit anwendbar ist, ein obligatorisches Schiedsverfahren offen steht. Eine Ausnahme hiervon besteht für Transaktionen zwischen zwei Tochtergesellschaften, von denen die gebietsfremde in einem Drittstaat ansässig ist.718 Sofern dieser Drittstaat nicht die USA oder die Schweiz sind, steht nach den deutschen DBA kein obligatorisches Schiedsverfahren zur Verfügung. Wie bereits zur Zulässigkeit der staatenübergreifenden Betrachtungsweise ausge-
712 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 69 i.V.m. Rz. 55 f. 713 Siehe B.IV.2.a)aa). Vgl. auch Obser, IStR 2005, 799 (801); Terra/Wattel, European Tax Law, 5. Aufl. 2008, S. 588; De Broe, International Tax Planning and Prevention of Abuse, 2008, S. 952; ferner: Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 913. A.A. ist ggf. die Kommission, vgl. GA Mischo, SchlA v. 26.11.2002, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-11779, Rz. 68 f. Nach ihrer Auffassung ist eine Norm wie § 8a KStG a.F., die eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung auslöst, nicht verhältnismäßig. Die Kommission hält jedoch Art. 9 Abs. 2 OECD-MA für einen möglichen „Lösungsansatz“ zur Wiederherstellung der Verhältnismäßigkeit. 714 Siehe B.IV.2.a)aa) mit den Nachweisen in Fn. 561. 715 Siehe B.IV.2.a)aa) und bb). Dabei kann es auch sein, dass als Ergebnis des Schiedsverfahrens die Erstberichtigung dem Grunde nach unzutreffend ist und aufgehoben wird. 716 Siehe zu den tatsächlichen Problemen im Rahmen des EU-SchÜ B.IV.2.a)bb). Diese führen m.E. erst dazu, dass kein äquivalenter Ausgleich besteht. Sie sind jedenfalls nicht hinreichend schwer, den Antrag auf ein Verständigungs- und Schiedsverfahren gänzlich unattraktiv erscheinen zu lassen. 717 Siehe B.IV.2.a)aa) und bb). 718 Siehe C.I.2.a)bb). Die Muttergesellschaft muss in diesem Fall in einem Mitgliedstaat ansässig sein.
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Verrechnungspreisvorschriften
führt wurde,719 stehen diese letztlich relativ seltenen Ausnahmefälle der Annahme eines unmittelbaren Zusammenhangs aber nicht entgegen.720 (iii)
Äquivalenter Ausgleich
§ 1 AStG kann jedoch auch nicht in Verbindung mit den obligatorischen Schiedsverfahren der DBA und des EU-SchÜ eine Kohärenz zwischen der Erst- und Gegenberichtigung sicherstellen. Denn wie der EuGH in der Rs. Thin Cap721 feststellte, werden die Nachteile der Erstberichtigung nicht in jedem Fall äquivalent durch die Gegenberichtigung ausgeglichen. Im Rahmen der Diskriminierungsprüfung verwies der EuGH in der Rs. SGI722 insofern präzisierend auf Zins- und Liquiditätsnachteile sowie auf zusätzlichen Verwaltungsaufwand, die aufgrund der langwierigen Verfahren entstehen.723 Tatsächlich vergehen nach erfolgter Erstberichtigung in der Regel mehrere Jahre bis nach den mehrstufigen internationalen Streitbeilegungsverfahren eine Gegenberichtigung erfolgt.724 Wird die Steuererhebung auf den Betrag der Erstberichtigung nicht bis dahin aufgeschoben, verbleibt ein Zins- und Liquiditätsnachteil.725 Zwar wird den Mitgliedstaaten für Streitbeilegungsverfahren nach dem EU-SchÜ im zugehörigen Verhaltenskodex ein derartiger Zahlungsaufschub „empfohlen“,726 der Verhaltenskodex ist jedoch nicht rechtlich bindend. In der Folge wird nicht in jedem Verständigungs- und Schiedsverfahren nach 719 Siehe oben unter (i). 720 Nach Ansicht des EuGH reicht ohnehin der abkommensrechtlich vereinbarte Ausgleich in einem einzigen DBA für die Annahme der Kohärenz aus, vgl. EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 69 i.V.m. Rz. 56; vgl. im Rahmen der Diskriminierungsprüfung etwa Urt. v. 08.11.2007, C-379/05 (Amurta), Slg. 2007, I-9569, Rz. 79 m.w.N. 721 EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 69 i.V.m. Rz. 55 f. Auch wenn der EuGH sich hier nur zum EU-SchÜ äußert, sind seine Ausführungen auf vergleichbare obligatorische Schiedsklauseln der DBA übertragbar. 722 EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 54. 723 EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 54. 724 Siehe B.IV.2.a)aa) und bb). 725 Vgl. EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 54; GA Kokott, SchlA v. 10.09.2009, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 48; Cordewener, in: Lang, Direct Taxation: Recent ECJ Developments, 2003, S. 35 (52); Obser, IStR 2005, 799 (801); Rasch/Nakhai, DB 2005, 1984 (1987); ferner: Körner, IStR 2004, 253 (260); Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 913 f.; De Broe, International Tax Planning and Prevention of Abuse, 2008, S. 952 u. 954 f. Vgl. zur diskriminierenden Wirkung von Zins- und Liquiditätsnachteilen EuGH, Urt. v. 08.03.2001, C-397/98 u.a. (Metallgesellschaft u.a.), Slg. 2001, I-1727, Rz. 87; Bschl. v. 08.06.2004, C-268/03 (De Baeck), Slg. 2004, I-5961, Rz. 24; Urt. v. 21.11.2002, C-436/00 (X und Y), Slg. 2002, I-10829, Rz. 36; Urt. v. 11.03.2004, C-9/02 (de Lasteyrie), Slg. 2004, I-2409, Rz. 45-47; Urt. v. 07.09.2006, C-470/04 („N“), Slg. 2006, I-7409, Rz. 35 f. 726 Siehe Überarbeiteter Verhaltenskodex zur wirksamen Durchführung des EU-SchÜ v. 30.12.2009, ABl. 2009 C 322, 1, Tz. 8. Siehe zur ersten Fassung des Kodex ABl. 2006 C 176, 8, Tz. 5.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
dem EU-SchÜ ein Aufschub gewährt. Dies wäre für den abstrakten Ausgleich im Rahmen der Kohärenz jedoch erforderlich.727 Nach der Rechtsprechung in den Rs. Skandia und Ramstedt728, Rewe Zentralfinanz729 und STEKO730 sind Zins- und Liquiditätsnachteile im Rahmen der Kohärenz zu berücksichtigen, weil ansonsten kein exakter Ausgleich des steuerlichen Nachteils erfolgt.731 Zwar hat der EuGH in einigen jüngeren Urteilen732 Zins- und Liquiditätsnachteile unberücksichtigt gelassen, die Rs. SGI733 und andere Urteile734 zeigen aber, dass er generell an deren diskriminierender Wirkung festhält.735 Der EuGH scheint insofern zu einer impliziten Abwägung der Zins- und Liquiditätsnachteile mit den Interessen der Mitgliedstaaten übergegangen zu sein.736 727 Siehe bereits C.I.2.c)bb) und vgl. nochmals EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 69 i.V.m. Rz. 55 f. 728 EuGH, Urt. v. 26.06.2003, C-422/01 (Skandia und Ramstedt), Slg. 2003, I-6817, Rz. 34 f.: „Nach dem schwedischen Steuersystem muss nämlich der Arbeitgeber […] warten, bis die Rente an seinen Arbeitnehmer ausgezahlt wird, damit ihm das Abzugsrecht zugute kommt. Der Nachteil […] wird nicht ausgeglichen.“ 729 EuGH, Urt. v. 29.03.2007, C-347/04 (Rewe Zentralfinanz), Slg. 2007, I-2647, Rz. 67. 730 EuGH, Urt. v. 22.01.2009, C-377/07 (STEKO), Slg. 2009, I-299, Rz. 54. 731 Siehe bereits C.I.2.c)bb) mit Fn. 652. Vgl. in der Literatur neben den Nachweisen in Fn. 725 ferner: Hey, StuW 2005, 317 (319); Stewen, Zuzug und Wegzug, 2007, S. 454; Englisch, IFSt-Schrift Nr. 449, 2008, S. 64 u. 134; Mann, Einkünftekorrekturnormen, 2008, S. 142. 732 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.12.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837; Urt. v. 14.02.2008, C-414/06 (Lidl Belgium), Slg. 2008, I-3601; Urt. v. 22.12.2008, C282/07 (Truck Center), n.n.v. Denn in den Rs. Marks & Spencer und Lidl Belgium können ggf. Jahre vergehen, bis die Verlustausgleichsmöglichkeiten im Ansässigkeitsstaat einer Tochtergesellschaft bzw. Betriebsstätte ausgeschöpft sind und der EuGH dementsprechend den Ansässigkeitsstaat der Muttergesellschaft verpflichtet, die Verluste als ultima ratio auszugleichen. In der Rs. Truck Center kann der Quellensteuerabzug ggf. auch früher erfolgen als die normale Körperschaftsteuerzahlung. 733 EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 54. 734 Vgl. EuGH, Urt. v. 06.12.2006, C-446/04 (FII), Slg. 2006, I-11753, Rz. 84 u. 153; Urt. v. 29.03.2007, C-347/04 (Rewe Zentralfinanz), Slg. 2007, I-2647, Rz. 67; Urt. v. 22.01.2009, C-377/07 (STEKO), Slg. 2009, I-299, Rz. 54; Urt. v. 15.10.2009, C-35/08 (Grundstücksgemeinschaft Busley u.a.), Slg. 2009, I-9807, Rz. 25; Urt. v. 29.11.2011, C-371/10 (National Grid Indus), IStR 2012, 27, Rz. 37. Vgl. selbst Urt. v. 13.12.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837, Rz. 32. Der EuGH hält ohnehin weiter daran fest, dass auch geringfügige Nachteile diskriminierend wirken, vgl. etwa Urt. v. 14.12.2006, C-170/05 (Denkavit), Slg. 2006, I-11949, Rz. 50; Urt. v. 01.07.2010, C233/09 (Dijkman), Slg. 2010, I-6645, Rz. 42. 735 Vgl. auch Lang, EC Tax Rev. 2009, 98 (112); Englisch, IFSt-Schrift Nr. 449, 2008, S. 118 u. 134. Siehe für die frühere Rechtsprechung zu Zins- und Liquiditätsnachteilen die Nachweise in Fn. 725. 736 Vgl. zu den in Fn. 732 genannten Rechtssachen GA Sharpston, SchlA v. 14.02.2008, C414/06 (Lidl Belgium), Slg. 2008, I-3601, Rz. 28 ff.; GA Kokott, SchlA v. 18.09.2008, C-282/07 (Truck Center), Slg. 2008, I-10767, Rz. 49; vgl. zur Rs. Marks & Spencer: Englisch, IStR 2006, 22 (23).
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Verrechnungspreisvorschriften
Richtigerweise muss diese Abwägung offen in der Verhältnismäßigkeitsprüfung737 erfolgen, anstatt die Zins- und Liquiditätsnachteile aufgrund ihrer relativ geringen Intensität ggf. bereits in der Diskriminierungsprüfung unberücksichtigt zu lassen738. Die Abwägung führt hier, ob der häufig mehrjährigen Verfahren, jedenfalls zur Erheblichkeit der Zins- und Liquiditätsnachteile, zumal der Steuerpflichtige zusätzlich einen nicht zu unterschätzenden Zeitund Kostenaufwand im Rahmen des Streitbeilegungsverfahrens trägt,739 z.B. für die Antragstellung, Beweiserbringung oder Rechtsberatung.740 Die Abwägung würde im Einzelfall anders ausfallen, wenn der Steuerpflichtige bereits ein APA abgeschlossen hat,741 da die Gegenberichtigung auf dessen Basis in der Regel zeitnah und unproblematisch erfolgt. Der für die Kohärenz erforderliche abstrakte Ausgleich kann dadurch jedoch nicht sichergestellt werden. Dieser wäre nur im Rahmen des EU-SchÜ denkbar. Die Abwägung könnte hier aber erst dann anders ausfallen, wenn die Vertragsstaaten den im Verhaltenskodex vorgesehenen Steueraufschub in das Abkommen mit aufnähmen sowie weitere Maßnahmen zur Reduzierung des Zeit- und Kostenaufwands der Steuerpflichtigen ergriffen.742 Nach heutigem Rechtsstand ist § 1 AStG i.V.m. den DBA und dem EU-SchÜ jedoch nicht geeignet, die Wahrung der steuerlichen Kohärenz sicherzustellen. (3)
Kohärenz des steuerlichen Gesamtsystems
In der Literatur wird ferner von Beiser743 und Kofler744 vertreten, dass Verrechnungspreisvorschriften, die einheitlich – sowohl zu Gunsten wie zu Lasten eines Mitgliedstaates – eine Korrektur anhand des Fremdvergleichs vorneh737 Vgl. z.B. GA Kokott, SchlA v. 18.09.2008, C-282/07 (Truck Center), Slg. 2008, I10767, Rz. 49. 738 So tendenziell EuGH, Urt. v. 14.02.2008, C-414/06 (Lidl Belgium), Slg. 2008, I-3601; Urt. v. 22.12.2008, C-282/07 (Truck Center), n.n.v.; vgl. aber auch Urt. v. 13.12.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837, Rz. 32. 739 Vgl. EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 54; GA Kokott, SchlA v. 10.09.2009, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 48; Cordewener, in: Lang, Direct Taxation: Recent ECJ Developments, 2003, S. 35 (52); Rasch/Nakhai, DB 2005, 1984 (1987); Mann, Einkünftekorrekturnormen, S. 194; ferner: Köplin/Sedemund, IStR 2000, 305 (306); Thömmes, JbFStR 2001/2002, 27 (57); De Broe, International Tax Planning and Prevention of Abuse, 2008, S. 952 u. 954 f. Siehe auch B.IV.2.a)bb) mit Fn. 592. Vgl. zur nachteiligen Wirkung zusätzlichen Verwaltungsaufwands C.I.2.b)aa)(1)(ii) mit Fn. 446. 740 Siehe bereits B.IV.2.a)bb). Die Kosten des Schiedsverfahrens werden aber von den beteiligten Staaten getragen, siehe Art. 11 Abs. 3 EU-SchÜ. 741 Vgl. Englisch, IStR 2010, 139 (140). Siehe zur Möglichkeit eines APA B.IV.2.a)cc). 742 Ob die bereits im Verhaltenskodex vorgesehenen oder vom JTPF [siehe B.IV.2.a)bb)] vorgeschlagenen Maßnahmen ausreichend wären, braucht an dieser Stelle nicht entschieden zu werden. 743 Beiser, ÖStZ 2004, 282 (286 f.); ders., StuW 2005, 295 (302). 744 Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 899.
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men, kohärent wären. Eine so verstandene Kohärenz des „steuerlichen Gesamtsystems eines Mitgliedstaates“745 könnte über alle Steuerpflichtigen hinweg zu einem Ausgleich von Vor- und Nachteilen von Verrechnungspreiskorrekturen führen. Eine derartige Sichtweise verträgt sich aber erkennbar nicht mit der auf Einzelfallgerechtigkeit zielenden Personenbezogenheit der Kohärenz.746 Denn die steuerlichen Nachteile würden nicht bei jedem Steuerpflichtigen zwingend ausgeglichen. Ohnehin wäre § 1 AStG auch bei einer derartigen Gesamtbetrachtung nicht zu rechtfertigen, weil die Norm nur zugunsten, aber nicht zu Lasten des deutschen Fiskus wirkt.747 cc)
Verhinderung der Steuerumgehung und Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse
Mit § 1 AStG verfolgt der Gesetzgeber insbesondere das Ziel die Umgehung der nationalen Besteuerung und eine damit einhergehende Verlagerung von Gewinnen ins Ausland zu verhindern.748 § 1 AStG könnte daher anhand der Ziele der Verhinderung der Steuerumgehung und der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse gerechtfertigt werden. (1)
Verhinderung der Steuerumgehung
(i)
Zwingender Grund des Allgemeininteresses
Dem Ziel der Verhinderung der Steuerumgehung stand der EuGH zunächst ablehnend gegenüber und sprach ihm in der Rs. avoir fiscal749 für das direkte Steuerrecht die Eignung ab, Beeinträchtigungen der Niederlassungsfreiheit rechtfertigen zu können. Dabei hatte er außerhalb des direkten Steuerrechts zuvor entschieden, dass eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Unionsrecht nicht erlaubt ist.750 Beginnend mit der Rs. ICI hat der EuGH dann aber die Verhinderung der Steuerumgehung in ständiger Rechtsprechung
745 Vgl. Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 899. 746 Siehe C.I.2.c)bb). Eine Kohärenz des steuerlichen Gesamtsystems könnte allenfalls Anlehnung an die Rechtsprechung zur Makrokohärenz nehmen, sofern man auf die zwischenstaatliche Gewinnabgrenzung einer derartigen Verrechnungspreisvorschrift abstellt, vgl. insofern Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 899 f. Die Makrokohärenz ist jedoch abzulehnen, siehe C.I.2.c)bb). 747 Siehe B.I.2.a) und c). 748 Vgl. BT-Drs. VI/2883, Tz. 15 f. 749 EuGH, Urt. v. 28.01.1986, 270/83 (avoir fiscal), Slg. 1986, 273, Rz. 25. 750 Vgl. EuGH, Urt. v. 03.12.1974, 33/74 (van Binsbergen), Slg. 1974, 1299, Rz. 13; Urt. v. 11.10.1977, 125/76 (Cremer), Slg. 1977, 1539, Rz. 21; Urt. v. 07.02.1979, 115/78 (Knoors), Slg. 1979, 399, Rz. 25; Urt. v. 10.01.1985, 229/83 (Leclerc u.a.), Slg. 1985, 1, Rz. 27; vgl. aus der späteren Rechtsprechung Urt. v. 21.02.2006, C-255/02 (Halifax), Slg. 2006, I-1609, Rz. 68; Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 35 jeweils m.w.N.
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Verrechnungspreisvorschriften
als zwingenden Grund des Allgemeininteresses anerkannt.751 Das Verbot des Rechtsmissbrauchs betrachtet er mittlerweile als einen „allgemeinen Grundsatz des [Unions-]rechts“752. Beim Rechtfertigungsgrund der Verhinderung der Steuerumgehung geht es jedoch nicht um die Umgehung von Unionsrecht, sondern von nationalem Steuerrecht. Die Mitgliedstaaten sehen häufig Vorschriften vor, die sich speziell gegen steuerliche Gestaltungen im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr richten, mit denen die Steuerpflichtigen versuchen, die nationale Steuer zu umgehen. Dann ist fraglich, ob diese nationalen Vorschriften trotz ihrer diskriminierenden Wirkung aufgrund des Ziels der Verhinderung von Steuerumgehungen gerechtfertigt werden können.753 Mit dem Rechtfertigungsgrund erkennt der EuGH das mitgliedstaatliche Interesse an, eine missbräuchliche Umgehung des nationalen Steuerrechts zu 751 EuGH, Urt. v. 16.07.1998, C-264/96 (ICI), Slg. 1998, I-4695, Rz. 26; seither ständige Rechtsprechung: Urt. v. 26.09.2000, C-478/98 (Kommission/Belgien), Slg. 2000, I7587, Rz. 45; Urt. v. 21.11.2002, C-436/00 (X und Y), Slg. 2002, I-10829, Rz. 61 f.; Urt. v. 12.12.2002, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-11779, Rz. 37; Urt. v. 11.03.2004, C-9/02 (de Lasteyrie), Slg. 2004, I-2409, Rz. 50 ff.; Urt. v. 13.12.2005, C446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837, Rz. 57; Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 50 ff.; Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 72; Urt. v. 29.03.2007, C-347/04 (Rewe Zentralfinanz), Slg. 2007, I-2647, Rz. 51 f.; Urt. v. 18.07.2007, C-231/05 (Oy AA), Slg. 2007, I-6373, Rz. 62 ff.; Urt. v. 11.10.2007, C-451/05 (ELISA), Slg. 2007, I-8251, Rz. 81, 91; Urt. v. 17.01.2008, C-105/07 (Lammers & Van Cleef), Slg. 2008, I-173, Rz. 26; Urt. v. 04.12.2008, C-330/07 (Jobra), Slg. 2008, I-9099, Rz. 35; Urt. v. 18.06.2009, C-303/07 (Aberdeen Property Fininvest Alpha), Slg. 2009, I-5145, Rz. 63; Urt. v. 17.09.2009, C182/08 (Glaxo Wellcome), Slg. 2009, I-8591, Rz. 89; Urt. v. 19.11.2009, C-540/07 (Kommission/Italien), Slg. 2009, I-10983, Rz. 55, 58; Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 65; Urt. v. 28.10.2010, C-72/09 (Établissements Rimbaud), IStR 2010, 842, Rz. 34; Urt. v. 22.12.2010, C-287/10 (Tankreederei I), IStR 2011, 190, Rz. 28; Urt. v. 10.02.2011, C-436/08 u.a. (Haribo u.a.), IStR 2011, 299, Rz. 165; Urt. v. 07.04.2011, C-20/09 (Kommission/Portugal), IStR 2011, 340, Rz. 60; Urt. v. 05.05.2011, C-267/09 (Kommission/Portugal), DStRE 2011, 1482, Rz. 42; Urt. v. 15.09.2011, C-132/10 (Halley), IStR 2011, 887, Rz. 30; Urt. v. 29.11.2011, C-371/10 (National Grid Indus), IStR 2012, 27, Rz. 83 f.; Urt. v. 29.03.2012, C-417/10 (3M Italia), n.n.v., Rz. 31. 752 EuGH, Urt. v. 05.07.2007, C-321/05 (Kofoed), Slg. 2007, I-5795, Rz. 38; Urt. v. 10.11.2011, C-126/10 (Foggia), IStR 2012, 34, Rz. 50; ferner: Urt. v. 21.02.2006, C255/02 (Halifax), Slg. 2006, I-1609, Rz. 68-70; Urt. v. 29.03.2012, C-417/10 (3M Italia), n.n.v., Rz. 30. Vgl. auch Vanistendael, EC Tax Rev. 2006, 192 ff.; Confédération Fiscale Européenne ECJ Task Force, ET 2008, 33, Tz. 3; Kiekebeld, EC Tax Rev. 2009, 144 f.; Bergmann, StuW 2010, 246 (250); kritisch: Englisch, StuW 2009, 3 ff. 753 Vgl. allgemein Drüen, StuW 2008, 154 (163); Schön, FS Wiedemann, 2002, S. 1271 (1293 f.); ders., FS Reiß, 2008, S. 571 (573); Edwards/Farmer, FS Vanistendael, 2008, S. 359 (359 u. 361); Böing, EWS 2007, 55 (62); Confédération Fiscale Européenne ECJ Task Force, ET 2008, 33, Tz. 34 ff.; Hey, StuW 2008, 167 (178); Englisch, StuW 2009, 3 (15 f.); Albert, IFSt-Schrift Nr. 455, 2009, S. 65.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
verhindern und auf diese Weise ein gerechtes, an der Leistungsfähigkeit des einzelnen Steuerpflichtigen orientiertes Steuersystem aufrecht zu erhalten.754 Dies entspricht auch insoweit dem Binnenmarktziel, als dadurch Wettbewerbsverzerrungen zwischen grenzüberschreitend und rein innerstaatlich tätigen Wirtschaftsteilnehmern vermieden werden.755 Aus diesem Grund gestattet das primäre und sekundäre Unionsrecht den Mitgliedstaaten teilweise explizit, Steuerumgehungen zu verhindern.756 Dabei darf es jedoch zu keiner Umgehung der grundfreiheitlichen Diskriminierungsverbote unter dem Einwand der Verhinderung missbräuchlicher Gestaltungen kommen.757 Es ist grundsätzlich zu billigen, dass die Steuerpflichtigen ihre Angelegenheiten in der für sie steuerlich vorteilhaftesten Weise regeln.758 So ist die Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat nicht per se missbräuchlich,759 sondern stellt vielmehr die Inanspruchnahme der Grundfreiheit dar.760 Aus diesen Gründen
754 Vgl. Englisch, StuW 2009, 3 (17). Siehe zu Gerechtigkeitsüberlegungen bei Einkünftekorrekturnormen bereits A.I.; siehe zu Missbrauchsvorschriften allgemein C.II.4.a)dd)(2) und vgl. Drüen, StuW 2008, 154 (155 f.); ders., in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 42 AO, Rz. 15 (Stand: 10.2007); Hey, FR 2008, 1033 (1036); dies., StuW 2008, 167 (174). 755 Vgl. auch Cordewener/Kofler/van Thiel, CMLRev. 2009, 1951 (1976). Siehe zu Wettbewerbsvorteilen durch Gewinnverlagerung bereits A., siehe zum Ziel der Wettbewerbsgleichheit der Grundfreiheiten C.I.1.a) und b). Ohnehin ist darauf hinzuweisen, dass das Gebot der wettbewerbsneutralen Besteuerung einerseits und das Gebot der gleichmäßigen Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sich in aller Regel decken, vgl. Englisch, Wettbewerbsgleichheit im grenzüberschreitenden Handel, 2008, S. 624 ff.; Hey, FS Herzig, 2010, S. 7 (11); siehe bereits unter B.I.1. Fn. 2. 756 Siehe Art. 65 Abs. 1 lit. b AEUV, Art. 1 Abs. 2 MTRL, Art. 15 Abs. 1 lit. a FRL 2009/133/EG (früher Art. 11 Abs. 1 lit. a Richtlinie 90/434/EWG), Art. 5 ZLRL; ferner: Art. 8 Abs. 1 EU-SchÜ. Vgl. auch Cordewener/Kofler/van Thiel, CMLRev. 2009, 1951 (1976). 757 Vgl. Schön, FS Reiß, 2008, S. 571 (577); Cordewener/Kofler/van Thiel, CMLRev. 2009, 1951 (1976 f.). Siehe zur Ermächtigung nach Art. 65 Abs. 1 lit. b AEUV insofern auch den dortigen Abs. 3, vgl. dazu EuGH, Urt. v. 26.09.2000, C-478/98 (Kommission/Belgien), Slg. 2000, I-7587, Rz. 37-41. 758 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.07.1997, C-28/95 (Leur-Bloem), Slg. 1997, I-4161, Rz. 42 u. 44; Urt. v. 16.07.1998, C-264/96 (ICI), Slg. 1998, I-4695, Rz. 26; Urt. v. 09.03.1999, C212/97 (Centros), Slg. 1999, I-1459, Rz. 27; Urt. v. 26.10.1999, C-294/97 (Eurowings), Slg. 1999, I-7447, Rz. 44 f.; Urt. v. 11.12.2003, C-364/01 (Barbier), Slg. 2003, I-15013, Rz. 71; Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 3638; Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 73; Urt. v. 04.12.2008, C-330/07 (Jobra), Slg. 2008, I-9099, Rz. 36 f. 759 Vgl. EuGH, Urt. v. 16.07.1998, C-264/96 (ICI), Slg. 1998, I-4695, Rz. 26; Urt. v. 12.12.2002, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-11779, Rz. 37; Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 50; Urt. v. 29.11.2011, C-371/10 (National Grid Indus), IStR 2012, 27, Rz. 84 m.w.N. 760 Vgl. GA Léger, SchlA v. 02.05.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I7995, Rz. 50 ff.; Schnitger, Grenzen, 2006, S. 390; Kokott/Henze, BB 2007, 913 (916);
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legt der EuGH strenge Kriterien an den Rechtfertigungsgrund an: Er betrachtet nur „rein künstliche Konstruktionen“ als missbräuchlich. Eine nationale Missbrauchsvorschrift kann nur gerechtfertigt werden, „wenn sie sich speziell auf rein künstliche Gestaltungen bezieht, die darauf ausgerichtet sind, der Anwendung der Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaates zu entgehen“.761 Der EuGH wendet damit einen zweistufigen Missbrauchstest an:762 Erstens ist anhand objektiver Kriterien zu prüfen, ob trotz formaler Einhaltung der unionsrechtlichen Bedingungen das Ziel einer Grundfreiheit763 verfehlt und insofern nur eine „rein künstliche Konstruktion“ verfolgt wird. Zweitens verlangt der EuGH als subjektives Kriterium auch die Absicht, sich durch eine künstliche Konstruktion einen Steuervorteil zu verschaffen.764 Die Absicht verwendet der EuGH765 in der jüngeren Rechtsprechung richtigerweise aber nur noch als Gegenbeweis, dass trotz objektiver Künstlichkeit eine echte wirtschaftliche Tätigkeit angestrebt wird.766 Dies vermeidet für die Finanzverwaltung kaum zu lösende Beweisschwierigkeiten.
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Englisch, IFSt-Schrift Nr. 449, 2008, S. 99 f.; van Thiel, ET 2008, 279 (283 f.); Cordewener/Kofler/van Thiel, CMLRev. 2009, 1951 (1977). EuGH, Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 51; siehe für weitere Nachweise oben Fn. 751. Vgl. mit der klareren abstrakten Formulierung auch EuGH, Urt. v. 14.12.2000, C110/99 (Emsland Stärke), Slg. 2000, I-11569, Rz. 52 f.; Urt. v. 29.04.2004, C-487/01 u.a. (Gemeente Leusden u.a.), Slg. 2004, I-5337, Rz. 78; Urt. v. 21.02.2006, C-255/02 (Halifax), Slg. 2006, I-1609, Rz. 74 f.; Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 64; Urt. v. 21.02.2008, C-425/06 (Part Service), Slg. 2008, I-897, Rz. 42 u. 58 ff.; Bschl. v. 23.04.2008, C-201/05 (CFC and Dividend), Slg. 2008, I-2875, Rz. 78; Kommission v. 10.12.2007, KOM(2007) 785 endg., S. 3. Geht es um die Vereinbarkeit mit anderen unionsrechtlichen Vorschriften, sind deren Ziele relevant: Vgl. zur Fusionsrichtlinie: EuGH, Urt. v. 17.07.1997, C-28/95 (LeurBloem), Slg. 1997, I-4161, Rz. 44 f.; Urt. v. 11.12.2008, C-285/07 (A.T.), Slg. 2008, I9329, Rz. 34; vgl. zur Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie: Urt. v. 29.04.2004, C-487/01 u.a. (Gemeente Leusden u.a.), Slg. 2004, I-5337, Rz. 78; Urt. v. 21.02.2006, C-255/02 (Halifax), Slg. 2006, I-1609, Rz. 74 f.; Urt. v. 21.02.2008, C-425/06 (Part Service), Slg. 2008, I-897, Rz. 42 u. 58 ff.; vgl. zur Verordnung 2730/79/EWG v. 29.11.1979, ABl. 1979 L 317, 1: Urt. v. 14.12.2000, C-110/99 (Emsland Stärke), Slg. 2000, I-11569, Rz. 52. Hingegen früher noch allein auf objektive Kriterien abstellend: EuGH, Urt. v. 12.07.1988, 138/86 u.a. (Direct Cosmetics u.a.), Slg. 1988, 3937, Rz. 21-23. Vgl. EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 82; Bschl. v. 23.04.2008, C-201/05 (CFC and Dividend), Slg. 2008, I-2875, Rz. 84; Urt. v. 04.12.2008, C-330/07 (Jobra), Slg. 2008, I-9099, Rz. 38; Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 71. Kritisch zur Absicht bei der früheren Nachweispflicht der Finanzverwaltung: Schön, FS Wiedemann, 2002, S. 1271 (1284 ff.); ders., FS Reiß, 2008, S. 571 (590); Englisch, StuW 2009, 3 (5, 7 u. 13); Hey, in: Lüdicke, Wo steht das deutsche Internationale Steuerrecht?, 2009, S. 137 (164 mit Fn. 107); Lang/Heidenbauer, FS Vanistendael, 2008, S. 597 (608, 610 f.); Piantavigna, Intertax 2009, 166 (173).
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
Was unter einer „rein künstlichen Konstruktion“ zu verstehen ist, wird nach dem zweistufigen Missbrauchstest anhand des Zieles einer Grundfreiheit bestimmt: Das Ziel der Niederlassungsfreiheit besteht nach der Rs. Cadbury Schweppes767 in der Eingliederung in den Aufnahmemitgliedstaat, was eine tatsächliche Ansiedlung und wirtschaftliche Tätigkeit voraussetze. In der Folge seien solche Gestaltungen künstlich, die „jeder wirtschaftlichen Realität“ entbehren,768 was anhand objektiver Kriterien festzustellen ist769. Nach dem Urteil werden bezüglich der britischen Hinzurechnungsbesteuerung jedenfalls solche ausländischen Zwischengesellschaften als künstlich angesehen, deren Ausstattung mit „Geschäftsräumen, Personal und Ausrüstungsgegenständen“ so gering ist, dass diese etwa als Briefkastengesellschaften anzusehen sind.770 Als rein künstliche Konstruktion ohne jede wirtschaftliche Realität betrachtet der EuGH auch sog. „u-turn“-Gestaltungen771, etwa den Export von Waren mit sofortigem Reimport, mit dem Ziel, in den Genuss vorteilhafter Regelungen für den grenzüberschreitenden Verkehr zu gelangen.772 Nach dieser engen 767 EuGH, Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 53 f. 768 EuGH, Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 55; bestätigt im: Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 74; Urt. v. 18.07.2007, C-231/05 (Oy AA), Slg. 2007, I-6373, Rz. 62; Urt. v. 17.01.2008, C105/07 (Lammers & Van Cleef), Slg. 2008, I-173, Rz. 28; Bschl. v. 23.04.2008, C201/05 (CFC and Dividend), Slg. 2008, I-2875, Rz. 77; Urt. v. 04.12.2008, C-330/07 (Jobra), Slg. 2008, I-9099, Rz. 35; Urt. v. 18.06.2009, C-303/07 (Aberdeen Property Fininvest Alpha), Slg. 2009, I-5145, Rz. 64; Urt. v. 17.09.2009, C-182/08 (Glaxo Wellcome), Slg. 2009, I-8591, Rz. 89; Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 65; Urt. v. 28.10.2010, C-72/09 (Établissements Rimbaud), IStR 2010, 842, Rz. 34; Urt. v. 22.12.2010, C-287/10 (Tankreederei I), IStR 2011, 190, Rz. 28. 769 Vgl. EuGH, Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 67; vgl. auch Urt. v. 14.12.2000, C-110/99 (Emsland Stärke), Slg. 2000, I-11569, Rz. 52; Urt. v. 21.02.2006, C-255/02 (Halifax), Slg. 2006, I-1609, Rz. 75; Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 81; Bschl. v. 23.04.2008, C201/05 (CFC and Dividend), Slg. 2008, I-2875, Rz. 78 f.; Urt. v. 04.12.2008, C-330/07 (Jobra), Slg. 2008, I-9099, Rz. 38; Urt. v. 17.09.2009, C-182/08 (Glaxo Wellcome), Slg. 2009, I-8591, Rz. 99; Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 71; Urt. v. 22.12.2010, C-287/10 (Tankreederei I), IStR 2011, 190, Rz. 29. 770 Vgl. EuGH, Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 67 f.; Bschl. v. 23.04.2008, C-201/05 (CFC and Dividend), Slg. 2008, I-2875, Rz. 79. Differenziertere Kriterien aufstellend: GA Léger, SchlA v. 02.05.2006, C196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 111-114. Vgl. auch Kommission v. 10.12.2007, KOM(2007) 785 endg., S. 3. 771 Vgl. GA Maduro, SchlA v. 16.05.2000, C-110/99 (Emsland Stärke), Slg. 2000, I11569, Rz. 66. 772 Vgl. EuGH, Urt. v. 03.03.1993, C-8/92 (General Milk), Slg. 1993, I-779; Urt. v. 14.12.2000, C-110/99 (Emsland Stärke), Slg. 2000, I-11569; Urt. v. 21.02.2006, C255/02 (Halifax), Slg. 2006, I-1609. Ein weiteres Beispiel ist das Urt. v. 11.03.2004, C9/02 (de Lasteyrie), Slg. 2004, I-2409, Rz. 54 zur französischen Wegzugsbesteuerung. Danach ist eine Gestaltung künstlich, bei der eine natürliche Person in einen anderen
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Sichtweise des EuGH sind damit nur solche Gestaltungen künstlich, die bereits nicht in den Anwendungsbereich einer Grundfreiheit fallen.773 Denn eine Briefkastengesellschaft erfüllt mangels Integration in den Aufnahmestaat nicht die Voraussetzungen einer Niederlassung im Sinne von Art. 49 AEUV. Bei „uturn“-Gestaltungen heben sich mehrere Transaktionen gegenseitig auf und können damit nicht dem Schutz einer Grundfreiheit unterliegen.774 Nach der Rechtsprechung des EuGH muss eine nationale Missbrauchsvorschrift dennoch verhältnismäßig sein. Sie muss geeignet sein, missbräuchliche Gestaltungen zu erfassen.775 Sie ist erforderlich, wenn es kein milderes, insbesondere kein zielgenaueres und gleichermaßen geeignetes Mittel zur Verhinderung der Steuerumgehung gibt. Dazu setzt der EuGH voraus, dass sich die Norm speziell gegen rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität entbehrende Gestaltungen richtet.776 Verlangte der EuGH früher hierbei noch eine strikte Einzelfallprüfung,777 gesteht er den Mitgliedstaaten seit der Rs. Cadbury Schweppes778 eine gewisse Typisierungsbefugnis zu: Künstliche Gestaltungen dürfen im Tatbestand einer nationalen Missbrauchsvorschrift anhand geeigneter objektiver Kriterien festgestellt werden, dem Steuerpflichtigen ist aber die Gelegenheit zu geben, diese Vermutung sowohl anhand objektiver als auch anhand subjektiver Elemente zu widerlegen.779 Hinsichtlich des subjekti-
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Staat verzieht, dort durch Veräußerung Wertsteigerungen seiner Wertpapiere realisiert und nach relativ kurzer Zeit wieder in den Herkunftsstaat zurückzieht. Vgl. Schön, FS Reiß, 2008, 571 (596); ders., FS Wiedemann, 2002, S. 1271 (1291 f.); De Broe, International Tax Planning and Prevention of Abuse, 2008, S. 809; Edwards/Farmer, FS Vanistendael, 2008, S. 359 (367 f.); Lang/Heidenbauer, FS Vanistendael, 2008, S. 597 (607); Englisch, StuW 2009, 3 (5 ff. u. 18); ders., SWI 2007, 398 (405); ders., IFSt-Schrift Nr. 449, 2008, S. 100; Hey, in: Lüdicke, Wo steht das deutsche Internationale Steuerrecht?, 2009, S. 137 (165 f.); ferner: Vanistendael, EC Tax Rev. 2006, 192 (194). Aufgrund einer rein künstlichen Konstruktion hatte der EuGH etwa im Urt. v. 21.06.1988, 39/86 (Lair), Slg. 1988, 3161, Rz. 43 die Anwendbarkeit der Arbeitnehmerfreizügigkeit abgelehnt. Vgl. Schön, FS Reiß, 2008, S. 571 (586); De Broe, International Tax Planning and Prevention of Abuse, 2008, S. 789 f. mit Fn. 112; ferner: Edwards/Farmer, FS Vanistendael, 2008, S. 359 (363); Englisch, StuW 2009, 3 (5 f.). Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 13.12.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837, Rz. 50; Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 76 f.; Urt. v. 17.09.2009, C-182/08 (Glaxo Wellcome), Slg. 2009, I-8591, Rz. 92. Siehe bereits oben mit den Nachweisen in den Fn. 761 sowie 751. Vgl. EuGH, Urt. v. 17.07.1997, C-28/95 (Leur-Bloem), Slg. 1997, I-4161, Rz. 41; Urt. v. 21.11.2002, C-436/00 (X und Y), Slg. 2002, I-10829, Rz. 42 f. Vgl. zur Fusionsrichtlinie jüngst noch Urt. v. 11.12.2008, C-285/07 (A.T.), Slg. 2008, I-9329, Rz. 31; Urt. v. 20.05.2010, C-352/08 (Zwijnenburg), Slg. 2010, I-4303, Rz. 44; Urt. v. 10.11.2011, C126/10 (Foggia), IStR 2012, 34, Rz. 37; siehe dazu aber C.II.1.a). EuGH, Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 70. Vgl. EuGH, Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 63 ff.; Bschl. v. 23.04.2008, C-201/05 (CFC and Dividend), Slg. 2008, I-2875,
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
ven Elements ist dem Steuerpflichtigen die Gelegenheit zu geben, tatsächliche wirtschaftliche und somit außersteuerliche780 Gründe für die von ihm gewählte Gestaltung nachzuweisen. Es mag zwar objektiv aufgrund eines zeitnahen Reimports von Waren eine „u-turn“-Gestaltung vorliegen, ist diese aber auf zwischenzeitlich geänderte Verhältnisse zurückzuführen, ist dies nicht missbräuchlich.781 Der Gegenbeweis darf durch Verwaltungsauflagen zudem nicht übermäßig erschwert werden.782 Hinsichtlich der vom Steuerpflichtigen vorgebrachten Nachweise haben die Finanzbehörden eine Einzelfallprüfung783
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Rz. 78 ff.; vgl. zum subjektiven Gegenbeweis auch Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 82; Bschl. v. 23.04.2008, C-201/05 (CFC and Dividend), Slg. 2008, I-2875, Rz. 84; Urt. v. 04.12.2008, C-330/07 (Jobra), Slg. 2008, I-9099, Rz. 38; Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 71. Vgl. zum Erfordernis beider Gegenbeweise GA Léger, SchlA v. 02.05.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 135 ff.; Wassermeyer/Schönfeld, GmbHR 2006, 1065 (1066 u. 1071); Hahn, IStR 2006, 667 (669); De Broe, International Tax Planning and Prevention of Abuse, 2008, S. 806 f.; ders., EC Tax Rev. 2008, 142 (145 f.); Isenbaert, EC Law and the Sovereignty of the Member States in Direct Taxation, 2010, S. 662; zweifelnd: Köhler/Eicker, DStR 2006, 1871 (1873). Siehe ausführlich C.II.5.a)aa)(1)(ii). Vgl. EuGH, Urt. v. 21.02.2006, C-255/02 (Halifax), Slg. 2006, I-1609, Rz. 75 [„wenn die fraglichen Umsätze eine andere Erklärung haben können als nur die Erlangung von Steuervorteilen“]; Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 82 [„künstliche Konstruktion zu ausschließlich steuerlichen Zwecken“]; ähnlich: Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 71. Vgl. auch GA Geelhoed, SchlA v. 29.06.2006, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 67, 1. Spiegelstrich; High Court of Justice (Chancery Division), Urt. v. 17.11.2009, [2009] EWHC 2908 (Ch) – Thin Cap, Rz. 75, 77; Sondervotum Justice Arden, in: Court of Appeal (Civil Division), Urt. v. 18.02.2011, [2011] EWCA Civ 127 – Thin Cap, Rz. 82 ff.; Schön, IStR 2009, 882 (888); Englisch, IStR 2010, 139 (141); Jiménez, BIT 2010, 271 (276); Scheipers/Linn, IStR 2010, 469 (473); Hey, StuW 2010, 301 (312); Thömmes, JbFStR 2010/2011, 79 (90). Vgl. Schön, FS Reiß, 2008, S. 571 (591); Englisch, StuW 2009, 3 (7 f.). Vgl. EuGH, Urt. v. 11.05.2006, C-384/04 (FTI u.a.), Slg. 2006, I-4191, Rz. 32; Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 82; Bschl. v. 23.04.2008, C201/05 (CFC and Dividend), Slg. 2008, I-2875, Rz. 84; Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 71; GA Léger, SchlA v. 02.05.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 135 ff.; Kommission v. 10.12.2007, KOM(2007) 785 endg., S. 5 f. Vgl. GA Geelhoed, SchlA v. 29.06.2006, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 67, 2. Spiegelstrich; Kommission v. 10.12.2007, KOM(2007) 785 endg., S. 6; ferner: EuGH, Urt. v. 17.09.2009, C-182/08 (Glaxo Wellcome), Slg. 2009, I-8591, Rz. 99. Zuvor ging der EuGH noch allgemein, das heißt nicht nur hinsichtlich des Gegenbeweises, vom Erfordernis einer Einzelfallprüfung zur Feststellung des Missbrauchs aus, vgl. EuGH, Urt. v. 17.07.1997, C-28/95 (Leur-Bloem), Slg. 1997, I-4161, Rz. 41; Urt. v. 21.11.2002, C-436/00 (X und Y), Slg. 2002, I-10829, Rz. 42 f. Vgl. dazu etwa Thömmes, FS Wassermeyer, 2005, S. 207 (216); Schnitger, Grenzen, 2006, S. 410 ff.; Drüen, StuW 2008, 154 (163); Hey, StuW 2008, 167 (179); van Thiel, ET 2008, 279 (287).
Verrechnungspreisvorschriften
vorzunehmen, die wiederum gerichtlich überprüfbar sein muss.784 Eine klare Grenzziehung zur Verhältnismäßigkeit i.e.S. ist hier nicht immer möglich. Diese ist jedenfalls gewahrt, wenn die nationale Missbrauchsvorschrift im Verhältnis zum Ziel der Verhinderung der Steuerumgehung nicht zu übermäßigen Auswirkungen auf den Steuerpflichtigen führt. (ii)
Verhinderung der Steuerumgehung bei Lieferungs- und Leistungsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen
Aus der vorherigen Darstellung des Rechtfertigungsgrunds der Verhinderung der Steuerumgehung kann eine erste Schlussfolgerung für die Verrechnungspreisvorschriften gezogen werden: Diese lassen sich allein mit dem Ziel der Verhinderung der Steuerumgehung nicht rechtfertigen, wenn der EuGH nach seinem strengen Verständnis des Rechtfertigungsgrunds nur solche Gestaltungen als missbräuchlich ansieht, die jeder wirtschaftlichen Realität entbehren.785 Denn in den Fällen einer Verrechnungspreiskorrektur steht hinter der Transaktion in aller Regel eine echte wirtschaftliche Realität.786 Werden Waren, Kapital oder Dienstleistungen zwischen verbundenen Unternehmen tatsächlich ausgetauscht und genutzt, liegen unabhängig von der Preisvereinbarung echte wirtschaftliche Lieferungs- und Leistungsbeziehungen vor, die in den Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit fallen. Nach der Rechtsprechung des EuGH in der Rs. Cadbury Schweppes787 könnte die wirtschaftliche Realität etwa nur „u-turn“-Transaktionen abgesprochen werden, bei denen Waren an ein gebietsfremdes verbundenes Unternehmen zu einem unangemessen niedrigen Preis verkauft und direkt wieder zu einem überhöhten Preis zurückerworben werden.788
784 Vgl. GA Geelhoed, SchlA v. 29.06.2006, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 67, 5. Spiegelstrich; Kommission v. 10.12.2007, KOM(2007) 785 endg., S. 6 u. 8; vgl. auch EuGH, Urt. v. 17.07.1997, C-28/95 (Leur-Bloem), Slg. 1997, I-4161, Rz. 41. 785 In der Literatur wird eine Rechtfertigung des § 1 AStG mit dem Ziel der Verhinderung der Steuerumgehung daher überwiegend abgelehnt, vgl. Körner, Techniken konzerninterner Gewinnverlagerung, 2004, S. 282; Rasch/Nakhai, DB 2005, 1984 (1988); Schwenke, Internationale Einkünfteabgrenzung, 2006, S. 198; Rehfeld, Die Vereinbarkeit des Außensteuergesetzes mit den Grundfreiheiten des EG-Vertrags, 2008, S. 116; Mann, Einkünftekorrekturnormen, 2008, S. 178 f.; Zech, Verrechnungspreise und Funktionsverlagerungen 2009, 2009, S. 158 f.; Goebel/Küntscher, Ubg 2009, 235 (238); Schenke/Mohr, DStZ 2009, 439 (450); Cortez/Vogel, Intertax 2011, 404 (407). 786 Vgl. auch De Broe, International Tax Planning and Prevention of Abuse, 2008, S. 790 u. 810 f.; Englisch, StuW 2009, 3 (16); ferner: Becker/Sydow, IStR 2010, 195 (197); Hahn, jurisPR-SteuerR 17/2010 Anm. 5, unter C.II.1.a)(2). 787 EuGH, Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 51 ff. 788 Transaktionen, die nur auf dem Papier, aber nicht real vorgenommen werden, wären sogar betrügerisch und illegal.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
Hinzu kommt, dass Verrechnungspreisvorschriften an sich nicht speziell gegen die Verhinderung missbräuchlicher Gestaltungen gerichtet sind, sondern ihre Legitimation vor allem durch die mit ihnen bewirkte zwischenstaatlich faire Gewinnaufteilung einerseits sowie durch die lastengerechte und wettbewerbsneutrale Besteuerung andererseits gewinnen.789 Zwar richten sie sich abstrakt auch gegen die Gefahr der Gewinnverlagerung in Niedrigsteuerstaaten, die in einem Steuersystem ohne Einkünftekorrekturnormen drohen würde. Bei der im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung gebotenen Einzelfallprüfung790 kann jedoch nicht jede Abweichung vom Fremdüblichen als missbräuchlich bezeichnet werden.791 Steuerpflichtigen, die redlich versuchen einen zutreffenden Fremdvergleichspreis zu ermitteln, aber etwa nicht über das nötige Knowhow oder die notwendigen Fremdvergleichsdaten verfügen, wird es bei einer Abweichung vom Fremdüblichen insbesondere an der vom EuGH792 weiterhin verlangten Absicht zur Steuerumgehung fehlen.793 Verrechnungspreisvorschriften können daher nicht allein anhand des Rechtfertigungsgrundes der Verhinderung der Steuerumgehung gerechtfertigt werden. Zur Sicherstellung einer zwischenstaatlich fairen Gewinnaufteilung sowie einer lastengerechten und wettbewerbsneutralen Besteuerung bedarf es bei Lieferungs- und Leistungsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen in den bestehenden Steuersystemen jedoch einer Einkünftekorrektur anhand des Fremdvergleichsgrundsatzes. Zwar könnten die Mitgliedstaaten der Unionsrechtswidrigkeit ihrer Einkünftekorrekturvorschriften auch durch deren Ausweitung auf Inlandssachverhalte verhindern. Dazu stellte GA Geelhoed in den Schlussanträgen zur Rs. Thin Cap jedoch prägnant fest:794 „Diese Ausdeh789 Siehe B.I.1.a), B.I.2.c) und B.III. Vgl. auch Hohenwarter-Mayr, RdW 2010, 538 (540 f.); Baßler, Steuerliche Gewinnabgrenzung im Europäischen Binnenmarkt, 2011, S. 208 ff.; Schön, IStR 2011, 777 (780). 790 Siehe C.I.1.c) und C.I.2.c)cc)(1)(i). 791 Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 1.2, 1.11. Siehe bereits B.III. 792 In der jüngeren Rechtsprechung verwendet der EuGH die Absicht als Gegenbeweis, dass der Steuerpflichtige mit der Gestaltung wirtschaftliche Gründe und nicht bloß eine Steuerumgehung bezweckt hat, siehe oben unter (1). Siehe zum Gegenbeweis noch näher C.I.2.c)cc)(3)(ii)(a). 793 Vgl. Baßler, Steuerliche Gewinnabgrenzung im Europäischen Binnenmarkt, 2011, S. 208. 794 GA Geelhoed, SchlA v. 29.06.2006, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 68. Vgl. auch Kommission v. 10.12.2007, KOM(2007) 785 endg., S. 6 f. u. 8 f.; Gosch, DStR 2007, 1553 (1559); Schön, DFGT 5 (2008), 37 (48 f.); ders., IStR 2009, 882 (883); Jiménez, BIT 2010, 271 (273); Witt, Ubg 2010, 737 (738). Keine Bedenken hatte hingegen wohl GA Mischo, siehe die vorige Fn. De la Feria/Fuest weisen zudem anhand eines Modells nach, dass das Urteil in der Rs. Lankhorst-Hohorst – insbesondere aufgrund unterschiedlicher Reaktionen der Gesetzgeber – zu Wettbewerbsverzerrungen auf dem Binnenmarkt geführt haben dürfte, vgl. de la Feria/Fuest, FS Lang, 2010, S. 1043 ff.
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Verrechnungspreisvorschriften
nung der Rechtsvorschriften auf Sachverhalte, die mit Sinn und Zweck der Vorschriften nichts zu tun haben, […] ist völlig sinnlos und für die wirtschaftliche Effizienz kontraproduktiv. Sie ist das Anathema für den Binnenmarkt.“ Aus diesen Gründen bedarf es anderer Kriterien als das der wirtschaftlichen Realität des Grundgeschäfts, um am Fremdvergleichsgrundsatz orientierte Einkünftekorrekturnormen zu rechtfertigen. Diese können sich nur an der Angemessenheit der Preisvereinbarung orientieren. Letztere ist grundfreiheitlich zudem weniger schutzwürdig, weil sie anders als eine Standortverlagerung nicht den Kernbereich der Niederlassungsfreiheit tangiert.795 (2)
Gesamtbetrachtung mit dem Ziel der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse
Den Schritt hin zu einer Angemessenheitsprüfung796 ist der EuGH zunächst für die Unterkapitalisierungsvorschriften in der Rs. Thin Cap797 gegangen und hat diesen in der Rs. SGI798 zuletzt auch für die Verrechnungspreisvorschriften nachvollzogen. Danach ist eine am Fremdvergleich orientierte Verrechnungspreiskorrektur auch bei realen Lieferungs- und Leistungsbeziehungen gerechtfertigt, wenn diese zugleich die Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten wahrt.799 Dieses Ergebnis geht maßgeblich auf die Entwicklung der Rechtsprechung zur grenzüberschreitenden Ergebnisverrechnung und zu Unterkapitalisierungsvorschriften zurück. Diese soll im Folgenden dargestellt und anschließend bewertet werden. (i)
Die Rechtsprechung zur grenzüberschreitenden Ergebnisverrechnung
Die Erweiterung seiner engen Sichtweise des Rechtfertigungsgrunds der Verhinderung der Steuerumgehung hat der EuGH erstmals in der im Jahr 2005 entschiedenen Rs. Marks & Spencer800 angedeutet.801 Die britische Marks & Spencer plc machte darin einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit 795 Vgl. Englisch, SWI 2007, 398 (406); ders., IFSt-Schrift Nr. 449, 2008, S. 106; ferner: Schön, JbFStR 2009/2010, 43 (77 f.); Baßler, Steuerliche Gewinnabgrenzung im Europäischen Binnenmarkt, 2011, S. 176. 796 Vgl. Hey, in: Lüdicke, Wo steht das deutsche Internationale Steuerrecht?, 2009, S. 137 (166); ferner: Lang/Heidenbauer, FS Vanistendael, 2008, S. 597 (605); Englisch, IStR 2010, 139 (141). 797 EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 72 ff. 798 EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 60 ff. 799 Vgl. EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 66. 800 EuGH, Urt. v. 13.12.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837, Rz. 49 ff. 801 Vgl. auch GA Léger, SchlA v. 02.05.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 93; Englisch, SWI 2007, 398 (406); De Broe, International Tax Planning and Prevention of Abuse, 2008, S. 816 ff.; Böing, EWS 2007, 55 (59); Zalasiński, Intertax 2008, 156 (163); Helminen, EU Tax Law, 2009, S. 117 f.; Albert, IFSt-Schrift Nr. 455, 2009, S. 71.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
geltend, weil sie gemäß dem britischen group relief die Verluste gebietsfremder Tochtergesellschaften – anders als bei ansässigen Töchtern – nicht mit eigenen Gewinnen verrechnen konnte. Dabei bestand kein Zweifel daran, dass die gebietsfremden Tochtergesellschaften tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeiten nachgegangen waren. Der EuGH hielt den Rechtfertigungsgrund der Verhinderung der Steuerumgehung gleichwohl für einschlägig, weil der diskriminierende Ausschluss der grenzüberschreitenden Verlustverrechnung zugleich die Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten wahrte.802 Denn andernfalls könnten internationale Konzerne selbst darüber bestimmen, wo sie ihre Einkünfte versteuern.803 Bei der grenzüberschreitenden Ergebnisverrechnung bestehen zudem zwei Besonderheiten: Erstens ist trotz wirtschaftlicher Realität die Missbrauchsgefahr groß, weil bereits durch reine Buchungsmaßnahmen Verluste verrechnet werden können.804 Zweitens berücksichtigt der EuGH, dass ein Mitgliedstaat aufgrund der Abschirmwirkung der gebietsfremden Kapitalgesellschaft nur einen territorial begrenzten Besteuerungsanspruch hat und symmetrisch weder deren Gewinne noch deren Verluste besteuert.805 Mit dem in Marks & Spencer erstmals eingeführten Rechtfertigungsgrund der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse erkennt der EuGH das Recht der Mitgliedstaaten an, entsprechend dem Territorialitätsprinzip die im eigenen Hoheitsgebiet erwirtschafteten Einkünfte zu besteuern.806 Damit geht 802 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.12.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837, Rz. 44-51. Zudem sah der EuGH auch den Rechtfertigungsgrund der Verhinderung der doppelten Verlustberücksichtigung als einschlägig und nahm letztlich eine Gesamtbetrachtung aller drei Gründe vor. 803 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.12.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837, Rz. 46; bestätigt in: Urt. v. 18.07.2007, C-231/05 (Oy AA), Slg. 2007, I-6373, Rz. 55 f.; Urt. v. 25.02.2010, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I-1215, Rz. 29, 31-33. 804 Vgl. GA Léger, SchlA v. 02.05.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I7995, Rz. 108; Kokott/Henze, BB 2007, 913 (913, 916); De Broe, International Tax Planning and Prevention of Abuse, 2008, S. 819 u. 822. 805 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.12.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837, Rz. 36, 45; bestätigt mit Urt. v. 25.02.2010, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I-1215, Rz. 28; deutlicher: GA Kokott, SchlA v. 19.11.2009, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I-1215, Rz. 40. Vgl. auch Englisch, IFSt-Schrift Nr. 449, 2008, S. 45 ff.; ders., SWI 2007, 398 (401 f.); ders., IStR 2006, 19; ders., IStR 2010, 215 (216); Cordewener/Dörr, CMLRev. 2006, 855 (874 f.). Siehe dazu noch ausführlich C.II.2.b)aa)(3) und C.II.2.c)cc)(2). 806 Vgl. jeweils mit Bezug zum territorialen Besteuerungsanspruch EuGH, Urt. v. 13.12.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837, Rz. 45; Urt. v. 07.09.2006, C-470/04 („N“), Slg. 2006, I-7409, Rz. 41 f., 46; Urt. v. 12.09.2006, C196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 56; Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 75; Urt. v. 29.03.2007, C-347/04 (Rewe Zentralfinanz), Slg. 2007, I-2647, Rz. 41 f.; Urt. v. 18.07.2007, C-231/05 (Oy AA), Slg. 2007, I6373, Rz. 54; Urt. v. 08.11.2007, C-379/05 (Amurta), Slg. 2007, I-9569, Rz. 58; Urt. v.
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Verrechnungspreisvorschriften
zugleich eine Anerkennung der staatlichen Souveränität einher.807 Der Mitgliedstaat, in dessen Territorium Einkünfte erzielt werden, erscheint zur Besteuerung als besonders berechtigt.808 Zur Bestimmung dieses Staates und der damit verbundenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse orientiert sich der EuGH an den DBA bzw. am OECD-MA.809 Mangels europarechtlicher Harmonisierungsmaßnahmen betont er in ständiger Rechtsprechung das Recht der Mitgliedstaaten, die Besteuerungsrechte untereinander aufzuteilen.810 Schließen die Mitgliedstaaten hierzu DBA ab, ist es für den EuGH nur sachgerecht, sich an dieser Aufteilung zu orientieren. Ein treaty override, mit dem ein Mitgliedstaat unilateral und in diskriminierender Weise versucht, sein Besteue-
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28.02.2008, C-293/06 (Deutsche Shell), Slg. 2008, I-1129, Rz. 41; Urt. v. 14.02.2008, C-414/06 (Lidl Belgium), Slg. 2008, I-3601, Rz. 31; Urt. v. 27.11.2008, C-418/07 (Papillon), Slg. 2008, I-8947, Rz. 35-37; Urt. v. 04.12.2008, C-330/07 (Jobra), Slg. 2008, I-9099, Rz. 32 f.; Urt. v. 18.06.2009, C-303/07 (Aberdeen Property Fininvest Alpha), Slg. 2009, I-5145, Rz. 66; Urt. v. 17.09.2009, C-182/08 (Glaxo Wellcome), Slg. 2009, I-8591, Rz. 82; Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 60; Urt. v. 25.02.2010, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I-1215, Rz. 28; Urt. v. 22.12.2010, C287/10 (Tankreederei I), IStR 2011, 190, Rz. 22; Urt. v. 10.02.2011, C-436/08 u.a. (Haribo u.a.), IStR 2011, 299, Rz. 123 f.; Urt. v. 20.10.2011, C-284/09 (Kommission/Deutschland), IStR 2011, 840, Rz. 77; Urt. v. 29.11.2011, C-371/10 (National Grid Indus), IStR 2012, 27, Rz. 43, 45. Den territorialen Bezug betonen auch Englisch, IFStSchrift Nr. 449, 2008, S. 45 f.; ders., IStR 2010, 139 (140); Hey, FS Djanani, 2008, S. 109 (116); Cordewener/Kofler/van Thiel, CMLRev. 2009, 1951 (1991); Baßler, Steuerliche Gewinnabgrenzung im Europäischen Binnenmarkt, 2011, S. 171 f.; ferner: Kube, EuGH-Rechtsprechung zum direkten Steuerrecht, 2009, S. 27 f. Vgl. GA Kokott, SchlA v. 10.09.2009, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 57; dies., SchlA v. 19.11.2009, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I-1215, Rz. 32. Hierzu kann auch auf äquivalenztheoretische Erwägungen verwiesen werden, nach denen der Staat, der den Unternehmen die Infrastruktur zur Verfügung stellt, zur Besteuerung berechtigt ist, vgl. Kube, EuGH-Rechtsprechung zum direkten Steuerrecht, 2009, S. 27 f. Vgl. auch Hey, FS Schaumburg, 2009, S. 767 (776 ff.), die in der Rechtsprechung des EuGH allgemein ein Vorrecht des Quellenstaates zur Besteuerung ausmacht. Vgl. insbesondere EuGH, Urt. v. 07.09.2006, C-470/04 („N“), Slg. 2006, I-7409, Rz. 41-46; Urt. v. 25.02.2010, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I-1215, Rz. 38. ferner: Urt. v. 12.05.1998, C-336/96 (Gilly), Slg. 1998, I-2793, Rz. 31; Urt. v. 23.02.2006, C513/03 (van Hilten), Slg. 2006, I-1957, Rz. 48; Urt. v. 14.02.2008, C-414/06 (Lidl Belgium), Slg. 2008, I-3601, Rz. 22. Vgl. auch Hey, StuW 2008, 167 (181); dies., FS Djanani, 2008, S. 109 (116); dies., FS Schaumburg, 2009, S. 767 (774); Englisch, StuW 2009, 3 (17); Kube, EuGH-Rechtsprechung zum direkten Steuerrecht, 2009, S. 18, 26 f. Vgl. EuGH, Urt. v. 12.05.1998, C-336/96 (Gilly), Slg. 1998, I-2793, Rz. 30; seither ständige Rechtsprechung: Urt. v. 21.09.1999, C-307/97 (Saint Gobain), Slg. 1999, I6161, Rz. 56; Urt. v. 05.07.2005, C-376/03 („D”), Slg. 2005, I-5821, Rz. 49-52; Urt. v. 14.11.2006, C-513/04 (Kerckhaert u. Morres), Slg. 2006, I-10967, Rz. 22 f.; Urt. v. 19.11.2009, C-540/07 (Kommission/Italien), Slg. 2009, I-10983, Rz. 29; Urt. v. 15.04.2010, C-96/08 (CIBA), Slg. 2010, I-2911, Rz. 27; siehe bereits C.I.2.b)aa)(1)(ii)(d) m.w.N. in Fn. 511.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
rungsrecht auszudehnen, kann umgekehrt in aller Regel nicht mit dem Ziel der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse gerechtfertigt werden.811 Die Rechtfertigungsgründe der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse und der Verhinderung der Steuerumgehung sind in besonderer Weise aufeinander bezogen: Sie rechtfertigen es, solche steuerlichen Gestaltungen zu verhindern, die der Umgehung des territorialen Besteuerungsanspruchs eines Staates dienen und auf diese Weise die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten gefährden.812 Der EuGH hat daher zumeist eine Gesamtbetrachtung beider Rechtfertigungsgründe vorgenommen,813 hält aber auch an deren Eigenständigkeit fest.814 Stellt eine natio811 Vgl. Hey, FS Schaumburg, 2009, S. 767 (780). An dieser Stelle hat ein treaty override grundfreiheitliche Auswirkungen. Erfolgt es in nicht diskriminierender bzw. beschränkender Weise, oder kann es mit anderen Zielen gerechtfertigt werden, ist es grundfreiheitlich aber zulässig, siehe B.IV.1.c) mit Fn. 542. 812 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.12.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837, Rz. 46, 49; Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 56, 59; Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 75; Urt. v. 18.07.2007, C-231/05 (Oy AA), Slg. 2007, I-6373, Rz. 51 ff., 60, 62; Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 60, 68. Vgl. ausführlich auch GA Kokott, SchlA v. 10.09.2009, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 56-63, die nach eingehender Analyse die Verhinderung der Steuerumgehung als Unterfall des Rechtfertigungsgrunds der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse betrachtet. Vgl. zur Verbindung der Rechtfertigungsgründe auch Englisch, SWI 2007, 398 (405 f.); ders., IFStSchrift Nr. 449, 2008, S. 96 ff.; ders., StuW 2009, 3 (17); ders., IStR 2010, 139 (141); Heidenbauer, SWI 2011, 67 (68 f.). 813 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.12.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837, Rz. 44 ff.; Urt. v. 29.03.2007, C-347/04 (Rewe Zentralfinanz), Slg. 2007, I-2647, Rz. 43 ff.; Urt. v. 18.07.2007, C-231/05 (Oy AA), Slg. 2007, I-6373, Rz. 53 ff.; Urt. v. 08.11.2007, C-379/05 (Amurta), Slg. 2007, I-9569, Rz. 56; Urt. v. 27.11.2008, C418/07 (Papillon), Slg. 2008, I-8947, Rz. 35; Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 68 f.; ferner: Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 56, 59; Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 75. 814 Vgl. die alleinige Prüfung des Rechtfertigungsgrunds der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse in EuGH, Urt. v. 07.09.2006, C-470/04 („N“), Slg. 2006, I-7409, Rz. 41 f.; Urt. v. 28.02.2008, C-293/06 (Deutsche Shell), Slg. 2008, I-1129, Rz. 33 ff.; Urt. v. 25.02.2010, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I-1215, Rz. 27 ff.; Urt. v. 20.10.2011, C284/09 (Kommission/Deutschland), IStR 2011, 840, Rz. 77 ff.; vgl. die von der Verhinderung der Steuerumgehung separate Prüfung in: Urt. v. 04.12.2008, C-330/07 (Jobra), Slg. 2008, I-9099, Rz. 32 f.; Urt. v. 18.06.2009, C-303/07 (Aberdeen Property Fininvest Alpha), Slg. 2009, I-5145, Rz. 66 ff.; Urt. v. 17.09.2009, C-182/08 (Glaxo Wellcome), Slg. 2009, I-8591, Rz. 82 ff.; Urt. v. 22.12.2010, C-287/10 (Tankreederei I), IStR 2011, 190, Rz. 21 f.; Urt. v. 29.11.2011, C-371/10 (National Grid Indus), IStR 2012, 27, Rz. 43 ff. Ebenfalls von der Eigenständigkeit des Rechtfertigungsgrunds ausgehend: GA Sharpston, SchlA v. 14.02.2008, C-414/06 (Lidl Belgium), Slg. 2008, I-3601, Rz. 18; GA Kokott, SchlA v. 10.09.2009, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 56; dies., SchlA v. 19.11.2009, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I-1215, Rz. 31; Kingston,
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Verrechnungspreisvorschriften
nale Missbrauchsvorschrift die Besteuerung wieder her, die einer am Territorialitätsprinzip orientierten Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse entspricht, betrachtet der EuGH das mit der Norm verfolgte Ziel der Verhinderung der Umgehung des nationalen Steueranspruchs als besonders schutzwürdig.815 Erst dann ist nach Ansicht des EuGH ein nationaler Eingriff auch in reale wirtschaftliche Vorgänge grundfreiheitlich rechtfertigbar. Hatte der EuGH dies in Marks & Spencer nur angedeutet, stellte er dies in der späteren Rs. Oy AA816 klar, die zur grenzüberschreitenden Gewinnverrechnung im Konzern erging: „Auch wenn die im Ausgangsverfahren streitige Regelung nicht speziell bezweckt, rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltungen […] von dem in dieser Regelung vorgesehenen Steuervorteil auszuschließen, steht sie gleichwohl in einem angemessenen Verhältnis zu den angestrebten Zielen [der Verhinderung der Steuerumgehung und der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse], in ihrer Gesamtheit betrachtet.“
In der zuletzt entschiedenen Rs. X Holding817, die wie Marks & Spencer wiederum zur grenzüberschreitenden Verlustverrechnung im Konzern erging, prüfte der EuGH zwar nur noch den Rechtfertigungsgrund der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse, dies zeigt aber nur, dass er diesen bereits alleine für geeignet hält, eine Verlustverrechnungsbeschränkung zu rechtfertigen.818 Die
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CMLRev. 2007, 1321 (1353); Kokott/Henze, BB 2007, 913 (914); Axer, IStR 2007, 162 (167); Englisch, IFSt-Schrift Nr. 449, 2008, S. 65; Kube, IStR 2008, 305 (307); De Broe, International Tax Planning and Prevention of Abuse, 2008, S. 946 f.; ders./Bammens, H&I 12/2009, 73; Cordewener/Kofler/van Thiel, CMLRev. 2009, 1951 (1991); Heidenbauer, SWI 2011, 67 (68); Baßler, Steuerliche Gewinnabgrenzung im Europäischen Binnenmarkt, 2011, S. 167 ff.; a.A.: GA Maduro, SchlA v. 31.05.2006, C-347/04 (Rewe Zentralfinanz), Slg. 2007, I-2647, Rz. 32-34; Führich, IStR 2007, 341 (344); Kraft/Bron, EWS 2007, 487 (490); Seitz, Intertax 2008, 44 (67 f.); van Thiel, ET 2008, 339 (345); Wilke/Süß, FR 2009, 796 (802); Bron, EWS 2010, 80 (82). Siehe zur (traditionellen) Eigenständigkeit des Rechtfertigungsgrunds der Verhinderung der Steuerumgehung bereits C.I.2.c)cc)(1)(i). Vgl. Englisch, StuW 2009, 3 (17); ders., SWI 2007, 398 (406); Albert, IFSt-Schrift Nr. 455, 2009, S. 79 f. EuGH, Urt. v. 18.07.2007, C-231/05 (Oy AA), Slg. 2007, I-6373, Rz. 63; vgl. auch Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 66. EuGH, Urt. v. 25.02.2010, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I-1215, Rz. 27 ff. Vgl. hinsichtlich Verrechnungspreisvorschriften auch De Broe, International Tax Planning and Prevention of Abuse, 2008, S. 946 f.; ders./Bammens, H&I 12/2009, 73; dies., in: Lang u.a., ECJ: Recent Developments in Direct Taxation 2009, 2010, S. 27 (40); Becker/Sydow, IStR 2010, 195 (197); Müller-Gatermann, Diskussionsbeitrag in: Schön/Thömmes, JbFStR 2010/2011, 31 (109); Schwaiger, SWI 2010, 525 (531); Hohenwarter-Mayr, RdW 2010, 538 (540 f.); Baßler, Steuerliche Gewinnabgrenzung im Europäischen Binnenmarkt, 2011, S. 208 ff.; dezidiert a.A.: Heidenbauer, SWI 2011, 67 (71 f.). Bei der grenzüberschreitenden Ergebnisverrechnung steht die Aufteilung der Besteuerungsbefugnis in den Rs. Marks & Spencer und Oy AA tendenziell auch im
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
Schlussanträge verdeutlichen, dass der Rechtfertigungsgrund der Verhinderung der Steuerumgehung inhaltlich stets hinzutritt.819 (ii)
Die Rechtsprechung zu Unterkapitalisierungsvorschriften
Das Problem der Umgehung des territorialen Besteuerungsanspruchs stellt sich in besonderer Weise auch bei der Unterkapitalisierung von Gesellschaften eines internationalen Konzerns.820 Wie bei Verrechnungspreisgestaltungen ist auch hier das Kriterium der wirtschaftlichen Realität nicht geeignet, die Künstlichkeit einer Transaktion aufzudecken. Denn die zugrunde liegende Darlehensvergabe ist in aller Regel real. Noch vor den Rs. Marks & Spencer821 und Cadbury Schweppes822 befasste sich der EuGH im Jahr 2002 in der Rs. Lankhorst-Hohorst823 mit § 8a KStG a.F. Im Urteil konnte er den Einwand der Regierungen einer Rechtfertigung mit dem Ziel der Verhinderung der Steuerumgehung noch leicht damit entkräften, dass die Norm nicht speziell bezweckte, rein künstliche Gestaltungen zu verhindern. Denn jedenfalls lag im Ausgangsfall kein Missbrauch vor, weil das zinsgünstige Gesellschafterdarlehen zur Rettung der insolvenzgefährdeten Tochtergesellschaft eingesetzt worden war, mit dem diese ein höher verzinstes Bankdarlehen ablöste.824 Aus Sicht des Steuerpflichtigen bestand insofern ein wirtschaftlicher Grund für die Gesellschafter-Fremdfinanzierung.825 Eine Gefährdung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse sah der EuGH in
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Vordergrund, vgl. GA Kokott, SchlA v. 12.09.2006, C-231/05 (Oy AA), Slg. 2007, I6373, Rz. 48; Hohenwarter-Mayr, SWI 2010, 163 (168 f.); Heidenbauer, SWI 2011, 67 (71). Vgl. GA Kokott, SchlA v. 19.11.2009, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I-1215, Rz. 37 ff., 64 ff. Vgl. zur Beurteilung weiterer möglicher Abweichungen des Urteils von der Rs. Marks & Spencer: Englisch, IStR 2010, 215 (216 f.); Hohenwarter-Mayr, SWI 2010, 163 (172 f.); Witt, Ubg 2010, 737 (739). Siehe ausführlich A.II. und B.II. EuGH, Urt. v. 13.12.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837. EuGH, Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995. Vgl. EuGH, Urt. v. 12.12.2002, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-11779, Rz. 34, 37 f. Siehe zum Urteil und dessen Folgen bereits B.II.1. Vgl. EuGH, Urt. v. 12.12.2002, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-11779, Rz. 9-15, 38. Aufgrund der hohen Verluste der Tochtergesellschaft bestand in Widerspruch zum Telos des § 8a KStG a.F. nicht einmal die Gefahr einer Gewinnverlagerung ins Ausland. Der deutsche Fiskus hätte vielmehr froh sein müssen, dass die niederländische Muttergesellschaft die deutschen Verluste finanzierte, vgl. Terra/Wattel, European Tax Law, 5. Aufl. 2008, S. 585. Vgl. allgemein zum Rettungscharakter des Darlehens GA Geelhoed, SchlA v. 29.06.2006, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 67 u. 71; Kofler, JOIT 2/2005, 34 (36 f.); ders., DBA und EG-Recht, 2007, S. 898 m.w.N.; ferner: High Court of Justice (Chancery Division), Urt. v. 17.11.2009, [2009] EWHC 2908 (Ch) – Thin Cap, Rz. 45. Siehe dazu noch ausführlich C.I.2.c)cc)(3)(ii)(a).
Verrechnungspreisvorschriften
Lankhorst-Hohorst aber noch nicht: Es würde vielmehr ausreichen, wenn das Einkommen jedenfalls in einem Staat besteuert wird.826 Nach der Entscheidung in der Rs. Marks & Spencer war es nicht überraschend, dass der EuGH (Große Kammer) in der Rs. Thin Cap827 die strikte Rechtsprechung der Rs. Lankhorst-Hohorst hinsichtlich der britischen Unterkapitalisierungsvorschriften nicht mehr aufrecht erhalten würde. Die Gesamtbetrachtung der Rechtfertigungsgründe der Verhinderung der Steuerumgehung und der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse stellt das mitgliedstaatliche Ziel, mit Unterkapitalisierungsvorschriften die Umgehung des territorialen Besteuerungsanspruchs zu verhindern, in ein anderes Licht.828 Folglich konnte der EuGH in der Rs. Thin Cap das Interesse Großbritanniens, fremdunüblich hohe Zinszahlungen auch bei wirtschaftlich realen Darlehensvergaben zu korrigieren, nicht mehr unbeachtet lassen. Gegenstand der Rs. Thin Cap waren die britischen Unterkapitalisierungsvorschriften verschiedener Jahre. Bis 1998 sah Großbritannien spezielle Gesellschafter-Fremdfinanzierungsvorschriften vor, nach denen Zinszahlungen an gebietsfremde verbundene Unternehmen in Dividenden umqualifiziert wurden, wenn sie dem Fremdvergleich nicht entsprachen. Ab 1998 wurde die Unterkapitalisierung durch die Verrechnungspreisvorschriften ebenfalls anhand des Fremdvergleichs reglementiert. Allen bis 2004 geltenden Vorschriften war gemeinsam, dass sie den grenzüberschreitenden Sachverhalt diskriminierten.829 Hinsichtlich des von der britischen Regierung vorgebrachten Rechtfertigungsgrunds der Verhinderung der Steuerumgehung830 hielt der EuGH 826 Vgl. EuGH, Urt. v. 12.12.2002, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-11779, Rz. 37; vgl. zuvor Urt. v. 16.07.1998, C-264/96 (ICI), Slg. 1998, I-4695, Rz. 26; kritisch: Kube, IStR 2003, 325 (330 f.); Baßler, Steuerliche Gewinnabgrenzung im Europäischen Binnenmarkt, 2011, S. 164 m.w.N. 827 EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 72 ff. 828 Ebenso Baßler, Steuerliche Gewinnabgrenzung im Europäischen Binnenmarkt, 2011, S. 199 f. 829 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 4-14 u. 38-45. Im Einzelnen bestanden die folgenden Ungleichbehandlungen: Nach den bis 1995 geltenden Vorschriften wurde zwar auch im Inlandsfall eine Umqualifikation der den Fremdvergleich übersteigenden Zinsen vorgenommen, im grenzüberschreitenden Nicht-DBA-Fall wurden aber unabhängig davon alle Zinsen als verdeckte Gewinnausschüttung behandelt. Nach einer Gesetzesänderung im Jahr 1995 wurde der Fremdvergleich auch im grenzüberschreitenden Nicht-DBA-Fall eingeführt, der vergleichbare Inlandsfall von der Regelung aber ausgenommen. Die ab 1998 geltende Regelung in den Verrechnungspreisvorschriften sah zwar für die Vorteilsgewährung an ein verbundenes Unternehmen eine Kontrolle anhand des Fremdvergleichsgrundsatzes sowohl im grenzüberschreitenden als auch im mitgliedstaatsinternen Sachverhalt vor, es wurde jedoch typisierend vermutet, dass im Inlandsfall kein Vorteil besteht. Diese Vermutungsregel wurde erst im Jahr 2004 als Reaktion auf die Rs. Lankhorst-Hohorst aufgehoben. 830 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 71.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
zwar zunächst an der Rs. Cadbury Schweppes831 fest und setzte voraus, dass eine nationale Missbrauchsvorschrift sich speziell gegen „rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Konstruktionen“ richten müsse.832 Er stellte dann aber eine Verbindung zur Rs. Marks & Spencer833 und zum Rechtfertigungsgrund der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse her: Wie bei der grenzüberschreitenden Verlustverrechnung würde auch eine missbräuchliche Gesellschafter-Fremdfinanzierung zugleich das Recht der Mitgliedstaaten gefährden, die in ihrem eigenen Hoheitsgebiet erzielten Einkünfte zu besteuern und so die am Territorialitätsprinzip orientierte Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zu wahren.834 Der EuGH stellte zwar anders als bei der grenzüberschreitenden Ergebnisverrechnung835 den Rechtfertigungsgrund der Verhinderung der Steuerumgehung in den Vordergrund, gab entgegen seiner Rechtsprechung in Lankhorst-Hohorst836 aber zu erkennen, diesen höher zu gewichten, wenn zugleich die Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse betroffen ist.837 In Anbetracht dessen entschied der EuGH, dass „Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats durch Gründe der Bekämpfung missbräuchlicher Praktiken gerechtfertigt sein [können], wenn sie vorsehen, dass die von einer gebietsansässigen Tochtergesellschaft an eine gebietsfremde Muttergesellschaft gezahlten Zinsen nur insoweit als ausgeschüttete Gewinne behandelt werden, als sie den Betrag übersteigen, den diese Gesellschaften unter Bedingungen des freien Wettbewerbs vereinbart hätten. … [Der Fremdvergleichsgrundsatz] ist nämlich für den Mitgliedstaat des Sitzes der Darlehensnehmerin ein objektives, für Dritte nachprüfbares Kriterium, um feststellen zu können, ob der fragliche geschäftliche Vorgang ganz oder teilweise eine rein künstliche Konstruktion darstellt, die im Wesentli-
831 EuGH, Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 55. 832 EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 74; nochmals bestätigt im Urt. v. 17.01.2008, C-105/07 (Lammers & Van Cleef), Slg. 2008, I-173, Rz. 28. 833 EuGH, Urt. v. 13.12.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837, Rz. 49. 834 EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 74 f. Vgl. dieselbe Vorgehensweise zuvor im Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 56. 835 Hier steht tendenziell der Rechtfertigungsgrund der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse im Vordergrund. Der EuGH hat diesen Rechtfertigungsgrund zuletzt sogar alleine für geeignet gehalten, den Ausschluss der grenzüberschreitenden Ergebnisverrechnung zu rechtfertigen, vgl. EuGH, Urt. v. 25.02.2010, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I1215, Rz. 27 ff. 836 EuGH, Urt. v. 12.12.2002, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-11779, Rz. 37, siehe Fn. 826. 837 Vgl. auch Englisch, StuW 2009, 3 (17); ders., SWI 2007, 398 (406); Albert, IFStSchrift Nr. 455, 2009, S. 79 f.
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Verrechnungspreisvorschriften
chen darauf ausgerichtet ist, der Anwendung des Steuerrechts dieses Mitgliedstaats zu entgehen.“838
Damit sieht der EuGH bezüglich der Gesellschafter-Fremdfinanzierung nicht nur Transaktionen als missbräuchlich an, denen jede wirtschaftliche Realität fehlt, sondern auch wirtschaftlich reale Transaktionen, die dem Fremdvergleich nicht entsprechen. Er vollzieht damit den Schritt vom Kriterium der wirtschaftlichen Realität hin zu einer Angemessenheitsprüfung.839 Der EuGH stellt den Fremdvergleichsgrundsatz bei den britischen Unterkapitalisierungsvorschriften als Kriterium zur Feststellung der Missbräuchlichkeit des Umfangs der Gesellschafter-Fremdfinanzierung in den Vordergrund. In diesem Zusammenhang dient er zugleich einer zutreffenden Gewinnabgrenzung zwischen den Transaktionspartnern und damit deren verursachungsgerechter Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit,840 die, insbesondere zur Wahrung einer wettbewerbsneutralen Besteuerung, auch grundfreiheitlich nicht unbeachtlich bleiben kann841. Der Fremdvergleichsgrundsatz kann darüber hinaus mit dem zweiten Rechtfertigungsgrund, der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse, begründet werden: Denn er stellt das sachgerechte Kriterium zur Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse dar.842 Den diesbezüglich international bestehenden Konsens843 verdeutlicht Art. 9 OECD-MA. Im Urteil verzichtet der EuGH wohl auf diese zweite Herleitung des Fremdvergleichs, um keine zu enge formale Bindung des Europarechts an das Internationale Steuerrecht herzustellen und bleibt so flexibel für künftige Rechtsentwicklungen sowohl des Internationalen Steuerrechts als auch des Europa-
838 EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 80 f.; bestätigt im Urt. v. 17.01.2008, C-105/07 (Lammers & Van Cleef), Slg. 2008, I-173, Rz. 29 f. 839 Vgl. Hey, in: Lüdicke, Wo steht das deutsche Internationale Steuerrecht?, 2009, S. 137 (166); ferner: Lang/Heidenbauer, FS Vanistendael, 2008, S. 597 (605); Englisch, IStR 2010, 139 (141). Nach Whitehead, International Tax Review 5/2007, 43 f. hätte der EuGH in der Rs. Thin Cap hingegen weiterhin allein auf jede wirtschaftliche Realität entbehrende Gestaltungen abgestellt. 840 Siehe zu dieser Funktion des Fremdvergleichs A.I. und B.I.1.a). Vgl. eingehend zuletzt Schoueri, FS Lang, 2010, S. 1117 (1122). 841 Vgl. allgemein van Thiel, EC Tax Rev. 2003, 4 (12 f.); Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 250, 264; Lang/Englisch, in: Amatucci, International Tax Law, S. 251 (255 ff.); Bardini, Intertax 2010, 2 ff.; ferner: Garcia-Herrera/Herrera, EC Tax Rev. 2004, 57 (62). Eine verursachungsgerechte und wettbewerbsneutrale Gewinnabgrenzung entsprechend der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist nach hier vertretener Auffassung gerade das grundfreiheitlich anzuerkennende Interesse der Mitgliedstaaten an der Verhinderung der Steuerumgehung, siehe C.I.2.c)cc)(1)(i). Siehe zum Leistungsfähigkeitsprinzip ausführlich C.II.1.b)aa)(1). 842 Vgl. auch Hey, FS Djanani, 2008, S. 109 (117); ferner: Hahn, jurisPR-SteuerR 17/2010 Anm. 5, unter C.II.1.c). 843 Vgl. OECD-RL 2010, Tz. 1.14 f.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
rechts.844 Ohnehin ist festzustellen, dass sich der EuGH zur Bestimmung der am Territorialitätsprinzip ausgerichteten Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse nur an den DBA orientiert.845 Deswegen wird er den Fremdvergleichsgrundsatz auch nicht unreflektiert nach Art. 9 OECD-MA und den OECD-RL auslegen können,846 sondern letztlich anhand der Gesichtspunkte des Missbrauchs und einer angemessenen territorialen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse847. Die Rs. Thin Cap lässt dies offen. Dem Urteil ist nur die Konkretisierung des Fremdvergleichs zu entnehmen, dass die Finanzierung zwischen verbundenen Unternehmen mit derjenigen eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers zu vergleichen ist.848 Dies entspricht auch der Ansicht des OECD Committee on Fiscal Affairs im Bericht von 1987 zur Unterkapitalisierung.849 Aus grundfreiheitlicher Betrachtung kann es jedoch nicht allein ausreichen, dass eine nationale Unterkapitalisierungsvorschrift am Fremdvergleich ausgerichtet ist. Diese muss darüber hinaus verhältnismäßig sein. Dazu stellte der EuGH in der Rs. Thin Cap zwei Voraussetzung auf:850 Erstens muss dem Steuerpflichtigen im Fall einer Transaktion, die nach der nationalen Unterkapitalisierungsvorschrift nicht dem Fremdvergleich entspricht, die Möglichkeit zum Nachweis wirtschaftlicher und damit außersteuerlicher851 Gründe für den 844 Eine formale Bindung wäre auch kaum möglich gewesen, weil der EuGH in der Verhältnismäßigkeitsprüfung durch die Anerkennung wirtschaftlicher Gründe von Art. 9 OECD-MA abweicht, siehe C.I.2.c)cc)(2)(iv) und C.I.2.c)cc)(3)(ii)(a). 845 Sieh bereits oben (i) mit den Nachweisen in Fn. 809. 846 Vgl. auch Schön, JbFStR 2009/2010, 43 (82); ders., FS Herzig, 2010, S. 301 (319). Hingegen sieht Kube, EuGH-Rechtsprechung zum direkten Steuerrecht, 2009, S. 29 bei einer Abweichung von den DBA die Gefahr überschießender Lösungen, die sich über die Differenzierungen des internationalen Steuerrechts hinwegsetzen. 847 Vgl. Englisch, IStR 2010, 139 (142); Glahe, IStR 2010, 870 (876). 848 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 81: „Dabei geht es um die Frage, ob das Darlehen ohne eine besondere Beziehung zwischen den betreffenden Gesellschaften nicht oder aber in anderer Höhe oder zu einem anderen Zinssatz gewährt worden wäre.“ Vgl. dazu auch Schön, IStR 2009, 882 (887). 849 OECD Committee on Fiscal Affairs, Thin Capitalisation, 1987, Tz. 76. Siehe B.IV.1.b) mit Fn. 497. 850 EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 82 f.; vgl. mit Nennung weiterer Voraussetzungen GA Geelhoed, SchlA v. 29.06.2006, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 67. 851 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 82: „künstliche Konstruktion zu ausschließlich steuerlichen Zwecken“; vgl. auch GA Geelhoed, SchlA v. 29.06.2006, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 67, 1. Spiegelstrich; High Court of Justice (Chancery Division), Urt. v. 17.11.2009, [2009] EWHC 2908 (Ch) – Thin Cap, Rz. 32 ff., 75; Sondervotum Justice Arden, Court of Appeal (Civil Division), Urt. v. 18.02.2011, [2011] EWCA Civ 127 – Thin Cap, Rz. 82 ff.; Justices Burton und Rimer, Court of Appeal (Civil Division), a.a.O., Rz. 55-57, 79 f. Siehe bereits oben (1)(i) m.w.N. in Fn. 780.
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Verrechnungspreisvorschriften
Abschluss dieses Geschäfts gegeben werden, ohne ihn dabei „übermäßigen Verwaltungszwängen zu unterwerfen“. Zweitens darf die Umqualifikation von Zinsen in Dividenden nicht über den Fremdvergleich hinausgehen. Die Prüfung dieser Voraussetzungen überließ der EuGH dem vorlegenden Gericht. Dieses entschied Ende 2009, dass die britischen Unterkapitalisierungsvorschriften in Abweichung von der ersten Voraussetzung keinen Nachweis wirtschaftlicher Gründe erlauben und damit unverhältnismäßig sind.852 Das Urteil wurde jedoch Anfang 2011 vom Court of Appeal aufgehoben.853 Nachdem in der Rs. Lasertec854 in einem Drittstaatenfall des erneut vorgelegten § 8a KStG a.F. bereits der Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit nicht eröffnet war, hatte der EuGH im Jahr 2008 in der Rs. Lammers & Van Cleef855 noch einmal die Gelegenheit, sich zu einer belgischen Unterkapitalisierungsvorschrift856 zu äußern. Darin wurde die Rechtsprechung in der Rs. Thin Cap bestätigt. Die belgische Vorschrift wurde dem zweiten Kriterium der Verhältnismäßigkeitsprüfung jedoch nicht gerecht, weil sie ein festes Eigenkapital-Fremdkapital-Verhältnis vorsah und damit nicht auszuschließen war, dass die „Umqualifizierung auch Zinsen für Darlehen erfasst, die unter Bedingungen des freien Wettbewerbs gewährt wurden.“857
852 High Court of Justice (Chancery Division), Urt. v. 17.11.2009, [2009] EWHC 2908 (Ch) – Thin Cap, Rz. 32 ff., 75, abrufbar unter: http://www.bailii.org/ew/cases/EWHC/ Ch/2009/2908.html. 853 Court of Appeal (Civil Division), Urt. v. 18.02.2011, [2011] EWCA Civ 127 – Thin Cap, abrufbar unter: http://www.bailii.org/ew/cases/EWCA/Civ/2011/127.html. Der Court of Appeal ging mit zwei gegen eine Stimme fälschlicherweise davon aus, dass der EuGH keine Möglichkeit zum Nachweis wirtschaftlicher Gründe verlangt hätte, siehe näher C.I.2.c)cc)(3)(ii)(a) mit Fn. 919. Die Revision gegen das Urteil wurde vom UK Supreme Court Mitte 2011 nicht zur Entscheidung angenommen. 854 EuGH, Bschl. v. 10.05.2007, C-492/04 (Lasertec), Slg. 2007, I-3775; siehe dazu auch C.I.2.a)aa)(1). 855 EuGH, Urt. v. 17.01.2008, C-105/07 (Lammers & Van Cleef), Slg. 2008, I-173, Rz. 26 ff. 856 Danach werden im Fall von Gesellschafter- oder Geschäftsführer-Fremdfinanzierungen Zinsen in Dividenden umqualifiziert, wenn diese dem Fremdvergleich nicht entsprechen oder das anteilige Fremdkapital das eingezahlte Eigenkapital übersteigt. Letzteres traf im Ausgangsfall zu. Eine Möglichkeit des Gegenbeweises bestand nicht. Die Norm war zugleich diskriminierend, weil sie im Inlandsfall nicht angewendet wurde. Vgl. zur belgischen Regelung auch De Broe, International Tax Planning and Prevention of Abuse, 2008, S. 114 ff., 940 ff.; Brosens, EC Tax Rev. 2004, 188 (198). 857 EuGH, Urt. v. 17.01.2008, C-105/07 (Lammers & Van Cleef), Slg. 2008, I-173, Rz. 33; vgl. zuvor bereits: GA Geelhoed, SchlA v. 29.06.2006, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 66.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
(iii)
Die Rechtsprechung zur belgischen Verrechnungspreisvorschrift in der Rs. SGI
Die Rechtsprechung in den Rs. Thin Cap und Lammers & Van Cleef hat der EuGH in der Rs. SGI858 später zu Recht auch auf die Verrechnungspreisvorschriften übertragen.859 Deren alleinige Anwendung in einem grenzüberschreitenden Fall kann folglich gerechtfertigt werden, wenn die Norm am Fremdvergleich ausgerichtet ist, der Steuerpflichtige eine verhältnismäßige Möglichkeit zum Nachweis wirtschaftlicher Gründe hat und die Einkünftekorrektur nicht über den Fremdvergleich hinausgeht.860 Für die Übertragung der Rechtsprechung zu den Unterkapitalisierungs- auf die Verrechnungspreisvorschriften sprechen vor allem die strukturellen Gemeinsamkeiten beider Normenkomplexe.861 Das Kriterium des Fremdvergleichs scheint erst Recht bei den Verrechnungspreisvorschriften geeignet, unangemessene Lieferungs- und Leistungsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen zu identifizieren, die zu einer Beeinträchtigung der am Territorialitätsprinzip ausgerichteten Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse führen. Dies wäre durch das Kriterium der wirtschaftlichen Realität sowohl bei Unterkapitalisierungs-, als auch bei 858 EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 60 ff. 859 Dafür sprachen sich zuvor bereits die Kommission, GA Kokott sowie einige Stimmen in der Literatur aus, vgl. Kommission v. 10.12.2007, KOM(2007) 785 endg., S. 9; GA Kokott, SchlA v. 10.09.2009, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 68 ff.; dies., SchlA v. 19.11.2009, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I-1215, Rz. 83; Morgan/Bridges, TPI Rev. 5/2007, 17 (18); Schönfeld, IStR 2007, 260; ders., in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 8 AStG, Rz. 573 (Stand: 03.2009); Englisch, SWI 2007, 398 (406); ders., IFSt-Schrift Nr. 449, 2008, S. 107; De Broe, International Tax Planning and Prevention of Abuse, 2008, S. 940 u. 971 ff.; Wathelet/De Broe, in: Lang u.a., ECJ: Recent Developments in Direct Taxation 2008, 2008, S. 21 (61); Kemmeren, FS Vanistendael, 2008, S. 555 (583); Hey, FS Schaumburg, 2009, S. 767 (778 f.); Schön, JbFStR 2009/2010, 43 (80 f.); ferner: Whitehead, International Tax Review 8/2006, 29 f.; Hinnekens, FS Vanistendael, 2008, S. 511 (533); Braunagel, Gemeinsame Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage in der EU, 2008, S. 121; a.A.: Thömmes, IWB 2009, Fach 11a, 1261 (1267). Vor der Rs. Thin Cap bereits auf den Fremdvergleichsgrundsatz abstellend: Calderón, Intertax 2005, 103 (115 f.); ders., TNI 2002, 633 (645); Sørensen, CMLRev. 2006, 423 (447); ferner: Englisch, IStR 2006, 22 (23). Die Bedeutung der Rs. Thin Cap für die Verrechnungspreiskorrektur wurde in der Literatur aber bis zuletzt überwiegend missachtet oder verkannt, vgl. nur Linn, Missbrauchsverhinderungsnormen und Standortwahl, 2007, S. 211, 224; Rehfeld, Die Vereinbarkeit des Außensteuergesetzes mit den Grundfreiheiten des EG-Vertrags, 2008, S. 116; Mann, Einkünftekorrekturnormen, 2008, S. 174 ff.; Zech, Verrechnungspreise und Funktionsverlagerungen 2009, 2009, S. 158 f.; Goebel/Küntscher, Ubg 2009, 235 (238); Schenke/Mohr, DStZ 2009, 439 (450); Ditz, IStR 2009, 115 (121); ders./Tcherveniachki, IStR 2009, 709 (714); Naumann u.a., IStR 2009, 665 (667 f.); vgl. aus der Rechtsprechung auch FG Düsseldorf, Urt. v. 19.02.2008, 17 K 894/05 E, IStR 2008, 449; FG Münster, Urt. v. 22.02.2008, 9 K 509/07 K,F, EFG 2008, 923. 860 Vgl. EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 71 f. 861 Siehe dazu ausführlich B.III.
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Verrechnungspreisvorschriften
Verrechnungspreisvorschriften nicht gewährleistet, weil diese in aller Regel wirtschaftlich reale Transaktionen betreffen. Die Übertragung der Rechtsprechung lag zudem besonders nahe, weil die Rs. Thin Cap862 bereits die britischen Verrechnungspreisvorschriften betraf, die sich über eine Sonderregelung seit 1998 auch gegen die Unterkapitalisierung wenden. Gegenstand der Rs. SGI war die belgische Verrechnungspreisvorschrift des Art. 26 CIR. Diese sieht wie § 1 AStG speziell bei Vorteilsgewährungen an gebietsfremde verbundene Unternehmen Einkünftekorrekturen anhand des Fremdvergleichs vor.863 Die Norm war damit diskriminierend. Obwohl Art. 26 CIR Einkünftekorrekturen auch bei realen wirtschaftlichen Transaktionen vorsieht, sah der EuGH die Vorschrift in der „Gesamtbetrachtung“ der Rechtfertigungsgründe der Verhinderung der Steuerumgehung und der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse als rechtfertigbar an,864 weil sie geeignet ist, „solche Praktiken zu verhindern, […] die nur der Umgehung der Steuer dienen, die normalerweise im Mitgliedstaat der [vorteilsgewährenden Gesellschaft] zu entrichten wäre“.865 Im Unterschied zur Rs. Thin Cap866 stellte der EuGH damit nicht mehr die Verhinderung der Steuerumgehung in den Vordergrund, sondern stellte den Aspekt der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zumindest gleichberechtigt daneben. Tatsächlich dürfte der Rechtfertigungsgrund der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse bei Verrechnungspreisvorschriften sogar im Vordergrund stehen,867 da diese nicht konkret 862 EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 13-15, 43-46 u. 71 ff. Die Verrechnungspreisvorschriften bedürfen zur Regelung der Unterkapitalisierung aber einer Erweiterung, um nicht nur eine Korrektur des Zinssatzes, sondern auch einer übermäßigen Fremdfinanzierung zu ermöglichen. Siehe allgemein A.II. und B.III. sowie zur britischen Regelung auch A.II. mit Fn. 45. 863 Nach dem Wortlaut des Art. 26 Abs. 1, 2 CIR werden den Gewinnen eines ansässigen Unternehmens die außergewöhnlichen oder unentgeltlichen Vorteile hinzugerechnet, die dieses einem gebietsfremden verbundenen Unternehmen gewährt. Nach der Rechtsprechung der belgischen Gerichte ist ein Vorteil außergewöhnlich, wenn er über das übliche Maß hinausgeht. Damit entspricht das Kriterium prinzipiell dem international anerkannten Fremdvergleichsgrundsatz, vgl. GA Kokott, SchlA v. 10.09.2009, C311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 9, 69; De Broe, International Tax Planning and Prevention of Abuse, 2008, S. 77; ders./Wathelet, in: Lang u.a., ECJ: Recent Developments in Direct Taxation 2008, 2008, S. 21 (57 f.). 864 Vgl. EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 66. 865 EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 68 f. 866 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 71 ff. Siehe oben unter (ii). 867 Vgl. im Ergebnis auch De Broe, International Tax Planning and Prevention of Abuse, 2008, S. 946 f.; ders./Bammens, H&I 12/2009, 73; dies., in: Lang u.a., ECJ: Recent Developments in Direct Taxation 2009, 2010, S. 27 (40); Jiménez, BIT 2010, 271 (272); Becker/Sydow, IStR 2010, 195 (197); Schwaiger, SWI 2010, 525 (531); HohenwarterMayr, RdW 2010, 538 (540 f.); Baßler, Steuerliche Gewinnabgrenzung im Europäischen Binnenmarkt, 2011, S. 208 ff. Hingegen ist die Aufteilung der Besteuerungsbe-
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gegen im Einzelfall missbräuchliche Abweichungen vom Fremdvergleich gerichtet sind, sondern allgemein auf eine verursachungsgerechte Gewinnabgrenzung abzielen.868 Unterkapitalisierungsvorschriften können hingegen auch als Missbrauchsvorschriften verstanden werden, da die Freiheit, eine Gesellschaft mit Eigen- oder Fremdkapital zu finanzieren, auch dort an ihre Grenzen stößt, wo der Anteil der Fremdfinanzierung missbräuchlich wird. Der Aspekt der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse hat bei den Unterkapitalisierungsvorschriften zudem eine geringere legitimierende Kraft, da aufgrund der Behandlung von Zinsen im internationalen Steuerrecht Gewinne auch bei fremdüblichen Zinssätzen und Verschuldungsgraden grenzüberschreitend verlagert werden.869 Ungeachtet dieser Akzentverschiebung im Rahmen der Rechtfertigungsprüfung legte der EuGH in der Verhältnismäßigkeitsprüfung in der Rs. SGI dieselben Voraussetzungen wie in der Rs. Thin Cap870 auch an die Verrechnungspreisvorschriften an.871 Deren Prüfung überließ er dabei erneut dem vorlegenden Gericht.872 (iv)
Stellungnahme
Die Rechtsprechung des EuGH in den Rs. Thin Cap, Lammers & Van Cleef und SGI ist zu begrüßen.873 Sie berücksichtigt das mitgliedstaatliche Interesse
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fugnisse nach Heidenbauer, SWI 2011, 67 (71 f.) ein „bloßer Reflex“ der Verhinderung der Steuerumgehung. Siehe B.III. und C.I.2.c)cc)(1)(ii). Siehe B.III. Vgl. EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 82 f. Vgl. EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 71 f. Die Anknüpfung an die Rs. Thin Cap geht sogar so weit, dass der EuGH bei der ersten Voraussetzung die Möglichkeit verlangt, „Beweise für etwaige wirtschaftliche Gründe für den Abschluss dieses Geschäfts beizubringen“, vgl. Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 71 [Hervorhebung nur hier], in Anlehnung an Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 82. Dies trifft auf Unterkapitalisierungen zu, bei denen der Gesellschafter nachweisen muss, warum er Fremd- statt Eigenkapital überlassen hat. Bei Verrechnungspreisgestaltungen ist aber nur die Höhe der Preisvereinbarung relevant. Siehe C.I.2.c)cc)(3)(ii)(a); vgl. auch Englisch, IStR 2010, 139 (141). Vgl. EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 75; dazu kritisch Meussen, ET 2010, 245 (248). Die Entscheidung des belgischen Gerichts steht – soweit ersichtlich – noch aus. In der Literatur wird aber vertreten, dass Art. 26 CIR den Anforderungen des EuGH gerecht werde, vgl. Boone u.a., ITPJ 2010, 183 (185 f.); Meussen, ET 2010, 245 (247). Nach Boone u.a., a.a.O. hätte der Steuerpflichtige bei Art. 26 CIR im Einspruchs- oder Gerichtsverfahren noch die Gelegenheit, außersteuerliche Gründe nachzuweisen. Sofern der EuGH nicht verlange, dass Art. 26 CIR im Tatbestand das Vorbringen außersteuerlicher Gründe vorsehe, sei die Norm verhältnismäßig. Ebenfalls: De Broe, International Tax Planning and Prevention of Abuse, 2008, S. 939 f.; Jiménez, BIT 2010, 271 (274); Hahn, jurisPR-SteuerR 17/2010 Anm. 5, unter
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an der Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen, um die Besteuerung der im eigenen Hoheitsgebiet erzielten Einkünfte sicherzustellen und eine zwischenstaatlich faire Gewinnaufteilung sowie eine lastengerechte und wettbewerbsneutrale Besteuerung zu erhalten.874 Die Mitgliedstaaten werden weder gezwungen, Gewinnverlagerungen und die damit verbundenen Wettbewerbsverzerrungen auf dem Binnenmarkt zu akzeptieren, noch alternativ ihre Einkünftekorrekturnormen auf den Inlandsfall auszuweiten – ein Umstand, den GA Geelhoed875 aufgrund der damit verbundenen ökonomischen Wohlfahrtsverluste876 als „Anathema für den Binnenmarkt“ bezeichnet hatte. Die Rechtfertigung der am Fremdvergleichsgrundsatz orientierten Einkünftekorrektur wird erst durch die Gesamtbetrachtung der Rechtfertigungsgründe der Verhinderung der Steuerumgehung und der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse ermöglicht, wie sie der EuGH erstmals in der Rs. Marks & Spencer877 vorgenommen hat. Mit dieser wird das Recht der Mitgliedstaaten herausgestellt, die im eigenen Hoheitsgebiet erzielten Einkünfte zu besteuern und die Umgehung der Durchsetzung dieses Rechts zu verhindern. Gegenüber der diesbezüglich restriktiven Rs. Lankhorst-Hohorst878 geht damit zugleich eine höhere Gewichtung der Souveränität und der Interessen der Mitgliedstaaten
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C.II.1.d); Hohenwarter-Mayr, SWI 2010, 163 (169); differenziert: Hey, StuW 2008, 167 (182); Schön, IStR 2009, 882 ff.; ders., Transfer Pricing, the Arm’s Length Standard and European Union Law, 2011, S. 34 ff.; ders., IStR 2011, 777 ff.; Baßler, Steuerliche Gewinnabgrenzung im Europäischen Binnenmarkt, 2011, S. 206 ff.; a.A.: Albert, IFSt-Schrift Nr. 455, 2009, S. 81. Siehe oben cc) mit den Nachweisen in Fn. 754. Schön begründet die Heranziehung des Fremdvergleichs mit dem Binnenmarktprinzip. Eine Transaktion, die nicht unter Wettbewerbsbedingungen stattfände, verstieße gegen das Effizienzkriterium des Binnenmarktes, vgl. Schön, FS Reiß, 2008, S. 571 (589 f.); ders., IStR 2009, 882 (886). GA Geelhoed, SchlA v. 29.06.2006, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 68. Siehe oben (ii). Zwar ermöglicht die Ausweitung von Verrechnungspreisvorschriften auf den Inlandsfall eine lastengerechte Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des einzelnen ansässigen verbundenen Unternehmens, die durch die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes erhöhten Verwaltungsaufwendungen dürften gesamtwirtschaftlich gesehen jedoch zu Wohlfahrtsverlusten führen. De la Feria/Fuest weisen zudem anhand eines Modells nach, dass das Urteil in der Rs. Lankhorst-Hohorst – insbesondere aufgrund unterschiedlicher Reaktionen der Gesetzgeber – zu Wettbewerbsverzerrungen auf dem Binnenmarkt geführt haben dürfte, vgl. de la Feria/Fuest, FS Lang, 2010, S. 1043 ff. EuGH, Urt. v. 13.12.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837, Rz. 45 ff. Siehe oben (i). EuGH, Urt. v. 12.12.2002, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-11779, Rz. 37. Siehe oben (ii).
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einher.879 Die Gesamtbetrachtung führt speziell zu einer Aufwertung des Rechtfertigungsgrunds der Verhinderung der Steuerumgehung, indem der EuGH vom Kriterium der wirtschaftlichen Realität hin zu einer Angemessenheitsprüfung übergeht. Diese verleiht dem Rechtfertigungsgrund der Verhinderung der Steuerumgehung überhaupt erst die Möglichkeit, Wirkung zu entfalten, weil in Fällen ohne wirtschaftliche Realität bereits der Anwendungsbereich einer Grundfreiheit nicht eröffnet ist880. Mit der Anknüpfung an den Fremdvergleichsgrundsatz und an die Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten881 erkennt der EuGH zugleich die bewährte Einkünfteabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen der Art. 9 OECD-MA und Art. 4 Nr. 1 EU-SchÜ auch unionsprimärrechtlich an. Dies ist vor allem eine praxisnahe Lösung. Der Fremdvergleichsgrundsatz ist international anerkannt und stellt unter den gegebenen Rahmenbedingungen die beste Lösung zur Einkünfteabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen dar.882 Nach Ansicht der Kommission entspricht er einem „kohärenten und schlüssigen Konzept zur korrekten Zuordnung von Unternehmensgewinnen auf Länder.“883 Dies hat der EuGH mit den Rs. Thin Cap, Lammers & Van Cleef und SGI implizit bekräftigt.884 Der EuGH bindet sich dabei aber nicht formal an die Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes nach Art. 9 OECD-MA und den OECD-RL. Entscheidend bleiben die grundfreiheitlichen Wertungen, hier speziell die Gesichtspunkte des Missbrauchs und einer angemessenen territorialen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse.885 Dies zeigt sich speziell dadurch, dass der EuGH in Abweichung von Art. 9 OECD-MA886 die Angemessenheit einer Transaktion nicht nur anhand 879 Vgl. Schön, IStR 2009, 882 (883 u. 886); Musil/Fähling, DStR 2010, 1501 (1503 f.). Vgl. auch GA Kokott, SchlA v. 10.09.2009, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 57; dies., SchlA v. 19.11.2009, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I-1215, Rz. 32. 880 Siehe bereits oben cc) mit Fn. 773. 881 Siehe oben (ii) mit Fn. 809 zur diesbezüglichen Orientierung des EuGH an den DBA. 882 Siehe bereits B.I.1.d)cc) und B.III. und vgl. OECD-RL 2010, Tz. 1.15 ff.; ferner: GA Geelhoed, SchlA v. 29.06.2006, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 66; Eigelshoven, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 9, Rz. 62. 883 Kommission v. 23.10.2001, SEK(2001) 1681, S. 284. Siehe bereits C.I.2.b)aa)(1)(ii)(a). 884 Vgl. auch High Court of Justice (Chancery Division), Urt. v. 17.11.2009, [2009] EWHC 2908 (Ch) – Thin Cap, Rz. 57: „No doubt the Court [ECJ in the Thin Cap judgment] also had in mind that the arm’s length principle is one which has wide international currency and is endorsed by the OECD”. 885 Siehe oben unter (ii). 886 Vgl. eingehend Jiménez, BIT 2010, 271 (276 ff.); ferner: De Broe, International Tax Planning and Prevention of Abuse, 2008, S. 971 f.; Wathelet/De Broe, in: Lang u.a., ECJ: Recent Developments in Direct Taxation 2008, 2008, S. 21 (63 f.); HohenwarterMayr, RdW 2010, 538 (540). Vgl. zu Art. 9 OECD-MA auch OECD-RL 2010, Tz. 1.2: “A tax adjustment under the arm's length principle […] may be appropriate even where there is no intent to minimize or avoid tax.”
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des objektiven Kriteriums des Fremdvergleichs beurteilt, sondern den Steuerpflichtigen die Möglichkeit gewährt, wirtschaftliche und damit außersteuerliche Gründe für eine vom Fremdvergleich abweichende Transaktion vorzubringen.887 Vom Umfang der anzuerkennenden Gründe hängt es letztlich ab, inwieweit der EuGH der Einkünftekorrektur anhand des Fremdvergleichsgrundsatzes zur zwischenstaatlich fairen Gewinnaufteilung einerseits und zur lastengerechten und wettbewerbsneutralen Besteuerung andererseits legitimierende Kraft zuspricht.888 Muss ein Mitgliedstaat aufgrund des Vorliegens wirtschaftlicher Gründe auf eine Einkünftekorrektur verzichten, verstößt dies jedenfalls nicht gegen Art. 9 OECD-MA, weil dieser nicht zu Einkünftekorrekturen verpflichtet, sondern nur über den Fremdvergleich hinausgehenden Korrekturen Schranken setzt.889 Unabhängig davon könnte die Rechtsprechung des EuGH entscheidend dazu beitragen, die Gewinnabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen anhand des Fremdvergleichsgrundsatzes in der EU zu verbessern. Denn indem der EuGH verlangt, dass eine nationale Einkünftekorrektur nicht über den Fremdvergleich hinausgeht, trägt er i.V.m. Art. 9 Abs. 2; 25 OECD-MA und dem EU-SchÜ dazu bei, die für die Entwicklung des Binnenmarkts nachteilige890 wirtschaftliche Doppelbesteuerung zu vermeiden. Zwar begrenzen auch Art. 9 Abs. 1 OECD-MA und Art. 4 Nr. 1 EU-SchÜ die Erstberichtigung anhand des Fremdvergleichs, begründet eine nationale Verrechnungspreisvorschrift aber einen wirksamen treaty override, fehlt den Steuerpflichtigen eine effektive Möglichkeit zur Durchsetzung des Abkommensrechts.891 Diese schafft der EuGH jetzt über den Umweg des primären Unionsrechts und trägt damit zur weiteren Vereinheitlichung des Fremdvergleichsmaßstabs in den Mitgliedstaaten bei. Zwar sieht das EU-SchÜ schon jetzt eine konzeptionell wirksame Möglichkeit zur Beseitigung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung vor,892 jedoch nur über ein langwieriges893 Verständigungs- und Schiedsverfahren. Die Rechtsprechung des EuGH setzt bereits einen Schritt vorher an und verlangt zur Rechtfertigung einer diskriminierenden Verrechnungspreis-
887 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 82; Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 71; siehe bereits C.I.2.c)cc)(2)(ii) und (iii). 888 Siehe dazu sogleich unter C.I.2.c)cc)(3)(ii)(a). 889 Siehe B.IV. mit den Nachweisen in Fn. 454 und 460. 890 Siehe bereits C.I.2.b)bb)(2)(i) mit den Nachweisen in Fn. 580. 891 Siehe B.IV.1.c) und B.IV.3. Nach Art. 60 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge besteht nur für den anderen Vertragsstaat das Recht zur Suspendierung oder Kündigung des DBA. 892 Siehe B.IV.2.a)bb). 893 Damit sind insbesondere Zins- und Liquiditätsnachteile sowie zusätzlicher Aufwand und Kosten verbunden, siehe im Rahmen des Rechtfertigungsgrunds der Kohärenz C.I.2.c)bb)(2)(iii).
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vorschrift die Begrenzung einer nationalen Einkünftekorrektur anhand des Fremdvergleichsgrundsatzes. Verständigungs- und Schiedsverfahren können so in vielen Fällen vermieden werden.894 Allerdings ist eine derartige Begrenzung grundfreiheitlich nicht zwingend: Die Mitgliedstaaten können alternativ die Einkünftekorrekturvorschriften auf den Inlandssachverhalt ausweiten, um bereits eine Diskriminierung auszuschließen. Insofern erweist es sich für die Unterkapitalisierungsvorschriften als fatal,895 dass der EuGH die Möglichkeit einer rein im grenzüberschreitenden Fall anwendbaren Einkünftekorrekturnorm, die am Fremdvergleich orientiert ist, nicht schon in der Rs. LankhorstHohorst aufgezeigt hat.896 Bis heute hat kein Mitgliedstaat den Spielraum der Rs. Thin Cap und Lammers & Van Cleef ausgenutzt und seine Unterkapitalisierungsvorschrift wieder auf den grenzüberschreitenden Sachverhalt beschränkt.897 Der Fremdvergleichsgrundsatz konnte aufgrund der diskriminierenden Anwendung durch § 1 AStG zwar nicht in der Diskriminierungsprüfung zugunsten der Norm verwendet werden,898 der EuGH sieht jetzt aber zumindest die damit zwingend verbundenen Nachteile als gerechtfertigt an. Als Nachteile für den grenzüberschreitend tätigen Steuerpflichtigen verbleiben insbesondere ein 894 Geht die Erstberichtigung nicht über den Fremdvergleich hinaus, kann aber noch eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung entstehen, wenn die Gegenberichtigung nicht in mindestens gleicher Höhe erfolgt. Derartige Diskrepanzen können nur im Verständigungs- und Schiedsverfahren ausgeräumt werden. 895 Vgl. zur nachteiligen Wirkung auf den Binnenmarkt nochmals GA Geelhoed, SchlA v. 29.06.2006, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 68, wörtlich zitiert oben unter (ii). Vgl. auch Morgan/Bridges, TPI Rev. 5/2007, 17 (18). 896 Vgl. auch GA Geelhoed, SchlA v. 29.06.2006, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 2: „Nach dem Urteil Lankhorst Hohorst waren jedoch die Grenzen einer zulässigen Beschränkung der Unterkapitalisierung nicht ganz eindeutig, was dazu führte, dass bestimmte Mitgliedstaaten […] ihre Rechtsvorschriften über die Unterkapitalisierung auf innerstaatliche Zahlungen, die innerhalb eines Konzerns erfolgen, ausgedehnt haben, obwohl bei rein innerstaatlichen Sachverhalten die Gefahr eines ‚Missbrauchs’ nicht entstehen kann.“ Dabei war es den besonderen Umständen des Falles geschuldet, dass der EuGH diese „Grenzen“ nicht genauer ziehen musste, siehe oben unter (ii). Der EuGH hätte aber wohl auch ohne diese Besonderheit nicht anders entschieden. Das Urteil erging noch im Jahr 2002 in einer vor der Rs. Marks & Spencer noch generell restriktiveren Rechtsprechung. Insbesondere gab der EuGH in der Rs. Lankhorst-Hohorst zu erkennen, die Gefährdung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse gerade nicht zu berücksichtigen, vgl. EuGH, Urt. v. 12.12.2002, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-11779, Rz. 37 letzter Satz, wörtlich zitiert in Fn. 836 unter (ii). Vgl. auch Schön, IStR 2009, 882 (883), der bezüglich der Rs. Thin Cap von einer „neuen Linie“ der Rechtsprechung spricht, sowie High Court of Justice (Chancery Division), Urt. v. 17.11.2009, [2009] EWHC 2908 (Ch) – Thin Cap, Rz. 45, 48. 897 Vgl. die Darstellung zu den einzelnen nationalen Regelungen bei Herzig/Bohn, IStR 2009, 253 (259 f.); Bauer, StuW 2009, 163 (166, 169 ff.). 898 Siehe C.I.2.b)aa)(1)(ii)(a).
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höherer Aufwand für die Verrechnungspreisermittlung und Dokumentation sowie ein Restrisiko der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung899. Die Rechtsprechung in den Rs. Thin Cap, Lammers & Van Cleef und SGI kann aber nicht dahingehend verstanden werden, dass diese Nachteile generell vom Steuerpflichtigen hinzunehmen wären. Der Umfang dieser Nachteile ist vielmehr in jedem Einzelfall in der Verhältnismäßigkeitsprüfung mit den mitgliedstaatlichen Interessen abzuwägen. Dies verdeutlicht der EuGH in den Rs. Thin Cap und SGI dadurch, dass dem Steuerpflichtigen keine „übermäßigen Verwaltungszwänge“ auferlegt werden dürfen.900 Solange in der EU aber noch 27 einzelne Steuerrechtsordnungen bestehen bleiben, kann nicht jeder Nachteil im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr beseitigt werden.901 (3)
Anwendung auf § 1 AStG
Im Folgenden soll nun geprüft werden, ob § 1 AStG mit einer Gesamtbetrachtung der Ziele der Verhinderung der Steuerumgehung und der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse gerechtfertigt werden kann. Dazu müsste § 1 AStG diese Ziele zunächst verfolgen sowie dazu geeignet, erforderlich und angemessen sein.902 (i)
Verfolgung der Ziele und Geeignetheit
Mit einer vom Fremdvergleich abweichenden Verrechnungspreisgestaltung versuchen verbundene Unternehmen die Besteuerung der im deutschen Hoheitsgebiet erzielten Einkünfte zu umgehen. Für Deutschland ist damit die Gefahr verbunden, auf das eigene territoriale Besteuerungsrecht zugunsten derjenigen Staaten verzichten zu müssen, die ein besonders niedriges Steuerniveau aufweisen.903 In der Folge ließe sich eine lastengerechte, wettbewerbsneutrale und zwischenstaatlich faire Besteuerung nicht mehr garantieren. Gegen diese Gefahren wendet sich § 1 AStG.904 Indem die Norm eine am Fremdvergleichsgrundsatz orientierte Einkünftekorrektur vornimmt, werden 899 Siehe zu deren Wahrscheinlichkeit oben Fn. 894. 900 EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 82; Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 71. Vgl. mit Bezug zu Dokumentationspflichten auch GA Kokott, SchlA v. 19.11.2009, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I-1215, Rz. 83: „Jedoch sind innerstaatliche Regelungen über Transferpreise, sofern sie eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellen, zur Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis gerechtfertigt, vorausgesetzt, sie tragen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung.“ Siehe zur Abwägung im Fall des § 1 AStG sogleich unter (3)(iii). 901 Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 07.09.2006, C-470/04 („N“), Slg. 2006, I-7409, Rz. 38 u. 49 zur diskriminierenden Wirkung, aber Verhältnismäßigkeit von zusätzlichem Verwaltungsaufwand. 902 Siehe C.I.1.c)bb). Vgl. EuGH, Urt. v. 30.11.1995, C-55/94 (Gebhard), Slg. 1995, I4165, Rz. 37. 903 Vgl. EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 63, 67. 904 Vgl. BT-Drs. VI/2883, Tz. 15 f.
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die Gewinne aus einer Transaktion verursachungsgerecht zwischen den verbundenen Unternehmen aufgeteilt und eine Umgehung des territorialen Besteuerungsanspruchs Deutschlands verhindert.905 § 1 AStG verfolgt damit die Ziele der Verhinderung der Steuerumgehung und der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse grundsätzlich in geeigneter Weise.906 (ii)
Erforderlichkeit
Im nächsten Schritt ist zu prüfen, ob die Einkünftekorrektur des § 1 AStG zur Verhinderung der Steuerumgehung und zur Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse auch erforderlich ist. Dies wäre der Fall, wenn es kein milderes, insbesondere kein zielgenaueres und gleichermaßen geeignetes Mittel zur Verhinderung der Umgehung des territorialen Besteuerungsanspruchs durch fremdunübliche Verrechnungspreisvereinbarungen zwischen verbundenen Unternehmen geben sollte. Dazu stellt der EuGH in den Rs. Thin Cap907 und SGI908 zwei Voraussetzungen auf: Erstens muss den Steuerpflichtigen im Fall einer Transaktion, die nach der nationalen Norm nicht dem Fremdvergleich entspricht, die Möglichkeit zum Nachweis tatsächlicher wirtschaftlicher Gründe gegeben werden, ohne diese dabei „übermäßigen Verwaltungszwängen zu unterwerfen“. Zweitens darf die Einkünftekorrektur nach der nationalen Vorschrift nicht über den Fremdvergleich hinausgehen. (a)
Möglichkeit zum Nachweis wirtschaftlicher Gründe
In den Rs. Thin Cap und SGI hat der EuGH nicht konkretisiert, was er unter dem Nachweis wirtschaftlicher Gründe versteht, sondern hat es den vorlegenden Gerichten überlassen, zu beurteilen, ob die in den Verfahren streitigen Einkünftekorrekturvorschriften einen derartigen Nachweis vorsehen.909 Die von zwei britischen Gerichten und in der Literatur geäußerten Interpretationen 905 Vgl. auch EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 64, 68. Siehe zudem A.I. und B.I.2.a). GA Kokott prüfte an dieser Stelle in den SchlA v. 10.09.2009, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 64 ff., ob die belgische Verrechnungspreisvorschrift des Art. 26 CIR den nach der Rs. Thin Cap geeigneten Maßstab des Fremdvergleichs verfolgt. Träfe dies zu, könnte Art. 26 CIR tatsächlich zur Verhinderung der Umgehung des territorialen Besteuerungsanspruchs als geeignet angesehen werden. Die GA vermengt jedoch die Prüfung der Geeignetheit mit der Erforderlichkeit. Eine nationale Vorschrift, die sich gegen missbräuchliche Verrechnungspreisgestaltungen richtet, kann auch geeignet sein, wenn sie nicht den Fremdvergleich verfolgt. Selbst ein vollständiges Verbot des Außenhandels wäre dazu geeignet. 906 Vgl. auch Rehfeld, Die Vereinbarkeit des Außensteuergesetzes mit den Grundfreiheiten des EG-Vertrags, 2008, S. 116; Mann, Einkünftekorrekturnormen, 2008, S. 177. 907 EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 82 f. Siehe C.I.2.c)cc)(2)(ii). 908 EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 71 f. Siehe C.I.2.c)cc)(2)(iii). 909 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 86 ff.; Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 75 f.
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des Nachweises wirtschaftlicher Gründe reichen von der bloßen Möglichkeit zum Nachweis der Fremdüblichkeit910 – und damit faktisch der Negation des ersten Kriteriums, das damit letztlich im zweiten Kriterium der Fremdüblichkeit mit aufginge911 – bis hin zu einer weiten Anerkennung außersteuerlicher Gründe912, die nach Einschätzung Schöns zur „Erosion des Fremdvergleichsgrundsatzes“913 führen könnte. Die Reduktion des Kriteriums des Nachweises wirtschaftlicher Gründe auf die bloße Möglichkeit zum Nachweis der Fremdüblichkeit ist zurückzuweisen. In der Rs. Thin Cap hat der EuGH klargestellt, dass künstliche Gestaltungen solche „zu ausschließlich steuerlichen Zwecken“ sind.914 Zudem verwies der EuGH915 an selber Stelle auf die Schlussanträge von GA Geelhoed, in denen dieser auf „echte wirtschaftliche Gründe“ abstellte, „die nicht in der Erlangung eines Steuervorteils“ liegen.916 Dem Steuerpflichtigen ist damit die Möglichkeit zu gewähren, außersteuerliche Gründe für die vom Fremdüblichen abwei910 Vgl. Court of Appeal (Civil Division), Urt. v. 18.02.2011, [2011] EWCA Civ 127 – Thin Cap, Rz. 15 ff., 57, 79 (anders das Sondervotum von Justice Arden, a.a.O., Rz. 87 ff., 104); Becker/Sydow, IStR 2010, 195 (198); Korn, GWR 2010, 72; Beiser, SWI 2010, 301 (303, 305); wohl auch Schwaiger, SWI 2010, 525 (528); Cortez/Vogel, Intertax 2011, 404 (407); Baßler, Steuerliche Gewinnabgrenzung im Europäischen Binnenmarkt, 2011, S. 219; ferner, jedoch in der Begründung fundierter: HohenwarterMayr, RdW 2010, 538 (540 f.). Vgl. auch GA Kokott, SchlA v. 10.09.2009, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 78: „[Der Steuerpflichtige] müsste dafür nachweisen, dass das beanstandete Geschäft tatsächlich einen realen wirtschaftlichen Hintergrund hat und auch im freien Wettbewerb unter unabhängigen Unternehmen zu denselben Bedingungen abgeschlossen worden wäre.“ [Hervorhebung nur hier]. 911 Hohenwarter-Mayr, RdW 2010, 538 (540) sieht in dem so verstandenen Kriterium zumindest noch eine Umkehr der primären Beweislast zur Finanzverwaltung. 912 Vgl. High Court of Justice (Chancery Division), Urt. v. 17.11.2009, [2009] EWHC 2908 (Ch) – Thin Cap, Rz. 32 ff., 75; Schön, IStR 2009, 882 (888); ders., IStR 2011, 777 ff.; ders., Transfer Pricing, the Arm’s Length Standard and European Union Law, 2011, S. 34 ff., Download unter: http://ssrn.com/abstract=1930237; Jiménez, BIT 2010, 271 (276); Scheipers/Linn, IStR 2010, 469 (473); Thömmes, JbFStR 2010/2011, 79 (90). 913 Schön, IStR 2011, 777 (778); ders., Transfer Pricing, the Arm’s Length Standard and European Union Law, 2011, S. 8, Download unter: http://ssrn.com/abstract=1930237; vgl. ferner auch Hohenwarter-Mayr, RdW 2010, 538 (541). 914 EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 82. Vgl. mit diesem Argument auch Englisch, IStR 2010, 139 (141); ferner: High Court of Justice (Chancery Division), Urt. v. 17.11.2009, [2009] EWHC 2908 (Ch) – Thin Cap, Rz. 65. 915 EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 82. 916 GA Geelhoed, SchlA v. 29.06.2006, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 67, 1. Spiegelstrich; vgl. mit diesem Argument auch High Court of Justice (Chancery Division), Urt. v. 17.11.2009, [2009] EWHC 2908 (Ch) – Thin Cap, Rz. 59 ff., 61; Scheipers/Linn, IStR 2010, 469 (473); Sondervotum Justice Arden, in: Court of Appeal (Civil Division), Urt. v. 18.02.2011, [2011] EWCA Civ 127 – Thin Cap, Rz. 99; vgl. selbst Justice Rimer, a.a.O., Rz. 76, der ansonsten aber a.A. ist, siehe Fn. 919 f.
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chende Transaktion vorzubringen.917 Dabei sprach bereits die Rs. LankhorstHohorst dafür, dass bei Vorliegen außersteuerlicher Gründe keine Einkünftekorrektur aufgrund einer Abweichung vom Fremdüblichen vorgenommen werden darf.918 Entgegen dem britischen Court of Appeal919 kann der Rs. SGI auch nicht entnommen werden, dass die Dritte Kammer des EuGH von der Entscheidung der Großen Kammer in der Rs. Thin Cap abweichen wollte. Der EuGH hielt in SGI vielmehr in Wortlaut und Inhalt an der Voraussetzung der Möglichkeit zum Nachweis wirtschaftlicher Gründe fest.920 Aus einer verrechnungspreisorientierten Betrachtung ist es tatsächlich überraschend, dass dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit gegeben wird, außersteuerliche Gründe für eine Abweichung vom Fremdüblichen nachzuweisen. Art. 9 OECD-MA und die OECD-RL stellen allein auf das objektive Kriterium des Fremdvergleichs ab.921 Die Möglichkeit zum Nachweis außersteuerlicher 917 Siehe die Nachweise in Fn. 912; vgl. zudem Englisch, IStR 2010, 139 (141); Thömmes, IWB 2010, Fach 11a, 107 (112); Sondervotum Justice Arden, in: Court of Appeal (Civil Division), Urt. v. 18.02.2011, [2011] EWCA Civ 127 – Thin Cap, Rz. 87 ff., 104. 918 EuGH, Urt. v. 12.12.2002, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-11779, Rz. 915, 38. Hier hatte der EuGH in der Rettung einer insolvenzgefährdeten Tochtergesellschaft mit einem zinsgünstigen Darlehen gerade keine Steuerumgehung gesehen hatte, siehe bereits C.I.2.c)cc)(2)(ii). Gl.A.: Vinther/Werlauff, EC Tax Rev. 2003, 97 (105); High Court of Justice (Chancery Division), Urt. v. 17.11.2009, [2009] EWHC 2908 (Ch) – Thin Cap, Rz. 47; Sondervotum Justice Arden, in: Court of Appeal (Civil Division), Urt. v. 18.02.2011, [2011] EWCA Civ 127 – Thin Cap, Rz. 89 ff., 94. 919 Court of Appeal (Civil Division), Urt. v. 18.02.2011, [2011] EWCA Civ 127 – Thin Cap, Rz. 55-57 und 78-80, entschieden mit zwei gegen eine Stimme. Die Justices Burnton und Rimer stützen sich dabei darauf, dass der EuGH in der Rs. SGI „vorbehaltlich einer vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Prüfung“ von der Verhältnismäßigkeit der belgischen Verrechnungspreisvorschriften auszugehen scheint (vgl. EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 75) und folgern daraus, dass der EuGH es für ausreichend erachtet hätte, dem Steuerpflichtigen lediglich die Möglichkeit zum Nachweis der Fremdüblichkeit zu gewähren. Die Richter verkennen aber, dass die Dritte Kammer in der Rs. SGI nur „unter [den] Umständen“ (Rz. 75 des Urteils), dass, wie von der belgischen Regierung vorgetragen, „dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eingeräumt [wird], Beweise für etwaige wirtschaftliche Gründe für den Abschluss des fraglichen Geschäfts beizubringen“ (Rz. 73), die belgische Verrechnungspreisvorschrift des Art. 26 CIR als verhältnismäßig einstuft (Rz. 75). Dabei ziehen die Justices Burnton und Rimer erst gar nicht in Betracht, dass die belgische Regelung tatsächlich den Nachweis wirtschaftlicher Gründe im Fall fremdunüblicher Verrechnungspreise erlauben könnte. Dies wird von belgischen Autoren aber bejaht, vgl. Boone u.a., ITPJ 2010, 183 (185 f.); ferner: Meussen, ET 2010, 245 (247). Im Übrigen ist auf das zutreffende Sondervotum von Justice Arden zu verweisen, vgl. Court of Appeal (Civil Division), Urt. v. 18.02.2011, [2011] EWCA Civ 127 – Thin Cap, Rz. 98 ff. 920 Vgl. EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 71, sogar unter Verweis auf Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 82. 921 Siehe C.I.2.c)cc)(2)(iv); vgl. auch OECD-RL 2010, Tz. 1.2: „A tax adjustment under the arm's length principle […] may be appropriate even where there is no intent to
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Verrechnungspreisvorschriften
Gründe entspricht aber der jüngeren Rechtsprechung des EuGH zum Rechtfertigungsgrund der Verhinderung der Steuerumgehung. Verlangte der EuGH früher noch eine strikte Einzelfallprüfung,922 erlaubt er den Mitgliedstaaten seit der Rs. Cadbury Schweppes923 künstliche Gestaltungen typisiert anhand objektiver Kriterien festzustellen, sofern der Steuerpflichtige die Möglichkeit hat, diese Vermutung anhand objektiver und subjektiver Elemente zu widerlegen.924 Der objektive Gegenbeweis wäre hier anhand eines individuellen Fremdvergleichs zu führen.925 Dieser spielte in den Rs. Thin Cap926 und SGI927 aber keine Rolle, weil die streitigen Einkünftekorrekturvorschriften bereits individuelle Fremdvergleiche vorsahen. Das gleiche gilt für § 1 AStG. In diesen Fällen ist allein der subjektive Gegenbeweis anhand wirtschaftlicher bzw. außersteuerlicher Gründe relevant. Weicht eine Transaktion vom Fremdüblichen ab, besteht nach dem objektiven Kriterium des Fremdvergleichs zwar ein begründeter Verdacht der Umgehung des nationalen Steuerrechts, bestehen hierfür aber beachtenswerte außersteuerliche Gründe, kann die Transaktion gleichwohl nicht als missbräuchlich bezeichnet werden.928 Zu beachten ist jedoch, dass diese Wertung nur für den Rechtfertigungsgrund der Verhinderung der Steuerumgehung, nicht aber für die Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse gilt. Bestehen für eine Abweichung vom Fremdvergleich
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minimize or avoid tax.” Vgl. zur Abweichung von Art. 9 OECD-MA auch Jiménez, BIT 2010, 271 (276 ff.); ferner: De Broe, International Tax Planning and Prevention of Abuse, 2008, S. 971 f.; Wathelet/De Broe, in: Lang u.a., ECJ: Recent Developments in Direct Taxation 2008, 2008, S. 21 (63 f.); Hohenwarter-Mayr, RdW 2010, 538 (540). Vgl. EuGH, Urt. v. 17.07.1997, C-28/95 (Leur-Bloem), Slg. 1997, I-4161, Rz. 41; Urt. v. 21.11.2002, C-436/00 (X und Y), Slg. 2002, I-10829, Rz. 42 f. Vgl. zur Fusionsrichtlinie jüngst noch Urt. v. 11.12.2008, C-285/07 (A.T.), Slg. 2008, I-9329, Rz. 31; Urt. v. 20.05.2010, C-352/08 (Zwijnenburg), Slg. 2010, I-4303, Rz. 44; Urt. v. 10.11.2011, C126/10 (Foggia), IStR 2012, 34, Rz. 37; siehe dazu aber C.II.1.a). EuGH, Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 70 f.; vgl. auch Bschl. v. 23.04.2008, C-201/05 (CFC and Dividend), Slg. 2008, I2875, Rz. 82, 84. Siehe bereits C.I.2.c)cc) sowie später ausführlich unter C.II.5.a)aa). Siehe dazu noch ausführlich C.II.5.a)aa). EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 4 ff., 82. Siehe C.I.2.c)cc)(2)(ii). EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 3, 71. Siehe C.I.2.c)cc)(2)(iii). Siehe zu dieser Argumentation bereits C.I.2.c)cc)(1)(i). Einkünftekorrekturvorschriften, die eine Möglichkeit zum Gegenbeweis außersteuerlicher Gründe vorsehen, sind zudem zielgenauer gegen missbräuchliche Gestaltungen gerichtet und stellen das mildere, gleich geeignete Mittel gegenüber unwiderleglich typisierenden Normen dar, vgl. EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 82; Bschl. v. 23.04.2008, C-201/05 (CFC and Dividend), Slg. 2008, I-2875, Rz. 84; Urt. v. 04.12.2008, C-330/07 (Jobra), Slg. 2008, I-9099, Rz. 38 f.; Urt. v. 21.01.2010, C311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 71.
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anerkannte außersteuerliche Gründe, ist die Transaktion zwar nicht missbräuchlich, gefährdet aufgrund der damit einhergehenden Gewinnverlagerung jedoch weiterhin die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse. Diese wird bei Lieferungs- und Leistungsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen entsprechend Art. 9 OECD-MA allein anhand des objektiven Kriteriums des Fremdvergleichs beurteilt929 – subjektive Kriterien spielen dabei keine Rolle. Der EuGH hat die gegensätzlichen Wertungen der beiden zusammen betrachteten Rechtfertigungsgründe in den Rs. Thin Cap und SGI nicht herausgestellt. Er hat sich letztlich aber dafür entschieden, dass bei Vorliegen anerkannter außersteuerlicher Gründe jedenfalls keine missbräuchliche Umgehung des territorialen Besteuerungsanspruchs besteht. Dies dürfte auch damit zusammenhängen, dass der EuGH in der Rs. Thin Cap bei Unterkapitalisierungsvorschriften noch deutlich den Rechtfertigungsgrund der Verhinderung der Steuerumgehung herausgestellt hatte.930 Bei diesem hätte der EuGH aber auch berücksichtigen müssen, dass mit einer Abweichung vom Fremdvergleich zugleich eine Abweichung von einer verursachungsgerechten Gewinnzuordnung zwischen den beteiligten verbundenen Unternehmen entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit einhergeht.931 Zwar steht bei den Verrechnungspreisvorschriften der Rechtfertigungsgrund der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse im Vordergrund, aus diesem Umstand kann aber nicht gefolgert werden, dass hier auf die Möglichkeit zum Nachweis wirtschaftlicher Gründe zu verzichten wäre.932 Hätte der EuGH in der Rs. SGI auf diese Möglichkeit verzichten wollen, hätte er wie in der Rs. X Holding933 allein den Rechtfertigungsgrund der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse heranziehen dürfen.934 Dies hat er aber nicht getan. Der Umstand, dass bei den Verrechnungspreisvorschriften eher die Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse und bei den Unterkapitalisierungsvorschriften eher die Verhinderung der 929 Siehe C.I.2.c)cc)(2)(i), (ii) und (iv). 930 EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 71 ff., siehe C.I.2.c)cc)(2)(ii). 931 Denn eine lastengerechte Besteuerung ist gerade das anzuerkennende mitgliedstaatliche Interesse an der Verhinderung der Steuerumgehung, siehe C.I.2.c)cc)(1)(i). 932 So aber Hohenwarter-Mayr, RdW 2010, 538 (540 f.). 933 EuGH, Urt. v. 25.02.2010, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I-1215, Rz. 27 ff. Siehe dazu C.I.2.c)cc)(2)(i). 934 Aber auch in diesem Fall wäre im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu prüfen, ob das Interesse der Steuerpflichtigen an der Ausübung der Niederlassungsfreiheit im Einzelfall nicht das Interesse der Mitgliedstaaten an der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse überwiegt. Bei den Verrechnungspreisvorschriften wäre ein derartiger Fall m.E. ebenfalls die Rettung eines insolvenzgefährdeten verbundenen Unternehmens mit zinslosen bzw. zinsgünstigen Darlehen [siehe dazu sogleich unter (aa)]. Insofern führte eine Rechtfertigung allein anhand des Allgemeininteresses an der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse nicht zwingend zu anderen Ergebnissen.
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Verrechnungspreisvorschriften
Steuerumgehung im Vordergrund steht, kann daher nur als ein erstes Indiz dafür herangezogen werden, dass der Umfang der grundfreiheitlich anzuerkennenden wirtschaftlichen Gründe bei Unterkapitalisierungsvorschriften größer sein könnte als bei Verrechnungspreisvorschriften. Die gegensätzlichen Wertungen der beiden zusammen geprüften Rechtfertigungsgründe der Verhinderung der Steuerumgehung und der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse hätte der EuGH in den Rs. Thin Cap und SGI richtigerweise offen in der Verhältnismäßigkeitsprüfung abwägen müssen. Dabei ist das Interesse der Mitgliedstaaten an der Besteuerung der in ihrem Hoheitsgebiet erzielten Einkünfte und dem Erhalt einer zwischenstaatlich fairen sowie wettbewerbsneutralen und lastengerechten Besteuerung mit dem Interesse der Steuerpflichtigen an der Ausübung der Niederlassungsfreiheit gegenüberzustellen, um zu bestimmen, welche außersteuerlichen Gründe für die Abweichung vom Fremdvergleich anzuerkennen sind. Dies ist letztlich eine Einzelfallentscheidung im konkret vorliegenden Sachverhalt. In Anerkennung der berechtigten mitgliedstaatlichen Interessen an der Einkünftekorrektur kann aber nicht irgendein außersteuerlicher Grund für eine Abweichung vom Fremdvergleich genügen.935 (aa)
Anzuerkennende außersteuerliche Gründe
Im Folgenden soll daher der Frage nachgegangen werden, welche außersteuerlichen Gründe für eine vom Fremdvergleich abweichende Verrechnungspreisvereinbarung anzuerkennen sind. Dazu ist zunächst festzustellen, dass unbewusste gutgläubige Abweichungen vom Fremdvergleich bereits unter Miss-
935 Vgl. jetzt auch Pohl, in: Blümich, EStG u.a., § 1 AStG, Rz. 7 (Stand: 11.2011) in Anschluss an Glahe, IStR 2010, 870 (875 f.). Insofern überzeugt es auch, dass der EuGH in den Rs. Thin Cap und Lammers & Van Cleef aus umgekehrter Betrachtung darauf abstellt, dass mit einer künstlichen Gestaltung nicht ausschließlich, sondern nur „im Wesentlichen“ ein Steuervorteil bezweckt wird, vgl. EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 81; Urt. v. 17.01.2008, C-105/07 (Lammers & Van Cleef), Slg. 2008, I-173, Rz. 30; vgl. auch Urt. v. 21.02.2006, C-255/02 (Halifax), Slg. 2006, I-1609, Rz. 75; a.A.: Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 59; Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 68; vgl. auch – und insofern widersprüchlich – Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 77, 82, 92 [kritisch zu diesem Widerspruch zuletzt auch Confédération Fiscale Européenne ECJ Task Force, Opinion Statement on SGI, 2012, Tz. 14 f., Download unter: http://www.cfe-eutax.org/node/2822]. Letzteres ist erkennbar zu eng, weil eine Gesellschafter-Fremdfinanzierung bereits dann nicht ausschließlich steuerlich motiviert ist, wenn das Darlehen beim Darlehensnehmer eine wirtschaftliche Verwendung findet, vgl. zutreffend Kube, IStR 2003, 325 (332). Vgl. auch die Bedenken der britischen Finanzverwaltung in High Court of Justice (Chancery Division), Urt. v. 17.11.2009, [2009] EWHC 2908 (Ch) – Thin Cap, Rz. 66: „every loan granted by a parent to its subsidiary will have at least some commercial justification”. Siehe zu möglichen außersteuerlichen Gründen bereits A.II.
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brauchsaspekten keine „wirtschaftlichen Gründe“936 im Sinne der Rs. Thin Cap und SGI darstellen dürften. Aber auch wenn einer unbewussten gutgläubigen Abweichung vom Fremdvergleich ohne Beweislastumkehr nicht der Vorwurf des Missbrauchs unterstellt werden kann, ist festzustellen, dass die Anerkennung derartiger Abweichungen die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes in den meisten Fällen ausschließen würde und internationale Konzerne – was der EuGH als besonders kritisch ansieht937 – letztlich selbst darüber bestimmen könnten, wo sie ihre Einkünfte besteuern. Denn die Steuerpflichtigen könnten praktisch bei jeder Abweichung vom Fremdüblichen behaupten, nicht bewusst abgewichen zu sein. In Anerkennung der mitgliedstaatlichen Interessen an der Einkünftekorrektur kann daher nur die bewusste Abweichung vom Fremdüblichen als anzuerkennender außersteuerlicher Grund in Betracht kommen.938 Als Beispiel für einen derartigen anzuerkennenden Grund nannte GA Geelhoed939 in seinen Schlussanträgen zur Rs. Thin Cap zutreffend die Rs. Lankhorst-Hohorst940, in der ein zinsgünstiges Gesellschafter-Darlehen zur Rettung der insolvenzgefährdeten Tochtergesellschaft eingesetzt worden war.941 In einem derartigen Fall dürfte das hier sogar existenzielle Interesse des Steuerpflichtigen an der Ausübung der Niederlassungsfreiheit tatsächlich höher zu bewerten sein, als das Interesse der Mitgliedstaaten an der Besteuerung der im eigenen Hoheitsgebiet erzielten Einkünfte und am Erhalt eines zwischenstaatlich fairen sowie wettbewerbsneutralen und lastengerechten Steuersystems. Bemerkenswert ist, dass GA Geelhoed zudem anmerkte, dass fremdunübliche, 936 EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 82; Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 71; vgl. auch Bschl. v. 23.04.2008, C-201/05 (CFC and Dividend), Slg. 2008, I-2875, Rz. 84; Urt. v. 04.12.2008, C-330/07 (Jobra), Slg. 2008, I-9099, Rz. 38 f. 937 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.12.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837, Rz. 46; Urt. v. 18.07.2007, C-231/05 (Oy AA), Slg. 2007, I-6373, Rz. 55 f.; Urt. v. 25.02.2010, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I-1215, Rz. 29, 31-33; Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 75; Urt. v. 21.01.2010, C311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 62. 938 A.A. wohl Jiménez, BIT 2010, 271 (278), der als wirtschaftlichen Grund auch unerwartete Verluste anerkennen will: „unexpected losses from what seemed to be profitable transactions“. 939 GA Geelhoed, SchlA v. 29.06.2006, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 67, 1. Spiegelstrich; vgl. auch High Court of Justice (Chancery Division), Urt. v. 17.11.2009, [2009] EWHC 2908 (Ch) – Thin Cap, Rz. 34. 940 EuGH, Urt. v. 12.12.2002, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-11779, Rz. 915, 38. Siehe C.I.2.c)cc)(2)(ii). 941 Vgl. auch Thömmes, IWB 2010, Fach 11a, 107 (111); ders., JbFStR 2010/2011, 31 (90); Scheipers/Linn, IStR 2010, 469 (473); Schönfeld, IStR 2011, 219 (222); ders., IStR 2012, 215 (219); Pohl, in: Blümich, EStG u.a., § 1 AStG, Rz. 7 (Stand: 11.2011); ferner: Stadler/Bindl, DB 2010, 862 (867); von Bar, Die Zinsschranke und ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht, 2010, S. 174.
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Verrechnungspreisvorschriften
aber gleichzeitig nicht missbräuchliche Transaktionen über den genannten Beispielsfall hinaus „relativ selten“ sind.942 Zwar erscheint dies hinsichtlich der Wahl zwischen Fremd- und Eigenkapital, für die beachtenswerte außersteuerliche Gründe wie die Schnelligkeit und Flexibilität der Fremdfinanzierung vorgebracht werden können,943 als zu eng.944 Bezüglich Zinssatz- und Verrechnungspreisvereinbarungen ist GA Geelhoed aber zuzustimmen: Denn mit der bewussten Abweichung vom Fremdvergleichspreis bezweckt der Steuerpflichtige in aller Regel eine Vermögensverschiebung,945 die den Interessen der Mitgliedstaaten jedoch diametral entgegensteht. Das Interesse des Steuerpflichtigen dürfte letztlich nur in dem ‚Extremfall’ der Rettung einer insolvenzgefährdeten oder Not leidenden Gesellschaft höher zu bewerten sein, solange diese Notlage besteht946. Darüber hinaus sind keine Fälle mit vergleichbarer Interessenlage ersichtlich. Als mögliche Gründe für eine bewusste Vermögensverschiebung wären zwar ein Liquiditätsmanagement oder eine grenzüberschreitende Ergebnisverrechnung über Konzernverrechnungspreise denkbar, hier überwiegen aber die mitgliedstaatlichen Interessen. Ließe man diese Gestaltungen zu, würde der
942 GA Geelhoed, SchlA v. 29.06.2006, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 67, 1. Spiegelstrich. 943 Siehe näher A.II. 944 Vgl. auch Schön, IStR 2009, 882 (888); High Court of Justice (Chancery Division), Urt. v. 17.11.2009, [2009] EWHC 2908 (Ch) – Thin Cap, Rz. 69, 100 ff.; Sondervotum Justice Arden, in: Court of Appeal (Civil Division), Urt. v. 18.02.2011, [2011] EWCA Civ 127 – Thin Cap, Rz. 109; a.A.: von Bar, Die Zinsschranke und ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht, 2010, S. 174. So wäre es jedenfalls nicht missbräuchlich, vorübergehende Kapitalbedarfsspitzen einer Tochtergesellschaft mit schnell verfügbarem und marktüblich verzinstem Fremdkapital zu befriedigen, auch wenn dabei ein fremdüblicher Verschuldungsgrad überschritten wird. Siehe dazu noch C.II.5.a)bb)(2). Die im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmende Interessenabwägung bestätigt damit das zuvor festgestellte Indiz, dass aufgrund des bei Unterkapitalisierungsvorschriften im Vordergrund stehenden Rechtfertigungsgrundes der Verhinderung der Steuerumgehung hier tendenziell mehr außersteuerliche Gründe anzuerkennen sind als bei Verrechnungspreisvorschriften, die ihre Legitimation primär aus der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse beziehen, siehe oben unter (a). 945 Dies ist bei der Wahl zwischen Fremd- und Eigenkapital, für die verschiedene außersteuerliche Gründe geltend gemacht werden können [siehe C.II.5.a)bb)(2)], sowie beim Ansatz betriebswirtschaftlicher Verrechnungspreise [siehe dazu sogleich] nicht unbedingt der Fall. 946 Entkommt die Gesellschaft ihrer Notlage und verfügt wieder über ausreichende Mittel, um angemessene Zinszahlungen für das Darlehen zu leisten, entfällt der wirtschaftliche Grund für eine Abweichung vom Fremdüblichen und das mitgliedstaatliche Interesse an einer zwischenstaatlich fairen, wettbewerbsneutralen und lastengerechten Gewinnaufteilung tritt wieder in den Vordergrund. Eine Einkünftekorrektur ist dann wieder gerechtfertigt. Insofern ist bei der Bewertung anzuerkennender wirtschaftlicher Gründe auch eine zeitliche Komponente zu beachten, siehe auch D.II.5.a)bb)(2).
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grenzüberschreitenden Gewinnverlagerung Tür und Tor geöffnet – es bestünde die Gefahr, dass der free mover zum viel beschworenen free rider würde947. In der Folge ließen sich weder das Besteuerungsrecht an den im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates erzielten Einkünfte, noch ein lastengerechtes, wettbewerbsneutrales und zwischenstaatlich faires Besteuerungssystem garantieren. Gleichzeitig könnte dem Interesse des Steuerpflichtigen hinsichtlich der grenzüberschreitenden Ergebnisverrechnung in gleicher Weise durch die buchmäßig offene Verrechnung genüge getan werden, die der EuGH in der Rs. Marks & Spencer948 zumindest hinsichtlich finaler Verluste anerkannt hat. Demgegenüber wären speziell Vermögensverschiebungen durch Warentransaktionen völlig intransparent.949 Den Steuerpflichtigen entstünden auch keine relevanten Nachteile dadurch, bei der Durchführung des Liquiditätsmanagements auf die offene Vergabe von Eigen- und Fremdkapital verwiesen zu werden.950 Ein anzuerkennender außersteuerlicher Grund kann entgegen Thömmes951 auch nicht darin gesehen werden, dass eine ansässige Gesellschaft einem gebietsfremden verbundenen Vertriebsunternehmen Waren verbilligt anbietet, um die Marktposition auf dem ausländischen Markt auszubauen. Dies entspricht noch insoweit dem Fremdvergleich, als auch ein unabhängiges Vertriebsunternehmen zur Stärkung der eigenen Marktposition verbilligt beliefert worden wäre.952 Darüber hinaus ist die Preisgestaltung allein durch die Verbundenheit im Konzern veranlasst und bezweckt einzig eine Vermögensverschiebung, die gegenüber den entgegenstehenden Interessen des Staates nicht gerechtfertigt werden kann. Zuletzt wies Schön darauf hin, dass sich zur optimalen Steuerung der einzelnen Konzerngesellschaften betriebswirtschaftlich eine große Bandbreite von 947 Siehe C.I.2.c)bb) mit den Nachweisen in Fn. 664. 948 EuGH, Urt. v. 13.12.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837, Rz. 55 f. Siehe ausführlich C.II.2.b)aa)(3). 949 Keine diesbezüglichen Bedenken haben Thömmes, JbFStR 2010/2011, 31 (93) und Scheipers/Linn, IStR 2010, 469 (474): Letztere wollen einerseits Vermögensverschiebungen durch Nutzungsüberlassungen bzw. Dienstleistungen zu Zwecken der Sanierung und andererseits zum Zweck der grenzüberschreitenden Verlustverrechnung zulassen. Beides kann aus den oben genannten Gründen nicht überzeugen. 950 Hinsichtlich der dabei zu treffenden Vereinbarung des Zinssatzes sollten die Steuerpflichtigen erst dann von der Bindung an den Fremdvergleichsgrundsatz befreit werden, wenn ein niedrig verzinsliches Darlehen zur Rettung eines insolvenzgefährdeten oder zumindest Not leidenden verbundenen Unternehmens eingesetzt wird, siehe oben. 951 Thömmes, JbFStR 2010/2011, 79 (93 f.); vgl. in dieser Richtung auch Schönfeld, IStR 2011, 219 (224). 952 Siehe B.I.1.d)cc); vgl. OECD-RL 2010, Tz. 1.70 ff., 3.75 ff.; BFH, Urt. v. 17.02.1993, I R 3/92, BStBl. II 1993, 457 (458); Urt. v. 17.10.2001, I R 103/00, BStBl. II 2004, 171 (177); Urt. v. 06.04.2005, BStBl. II 2007, 658 (661); so auch noch Thömmes, JbFStR 2010/2011, 79 (93); Schönfeld, IStR 2011, 219 (224).
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Verrechnungspreisvorschriften
Verrechnungspreisen legitimieren lässt.953 So hatte bereits Schmalenbach im Jahr 1908 herausgearbeitet, dass der Ansatz von Grenzkosten zur optimalen Nutzung der vorhandenen betrieblichen Kapazitäten führt.954 Entgegen Schön955 kann daraus aber nicht gefolgter werden, dass jeder betriebswirtschaftlich legitimierbare Verrechnungspreise als außersteuerlicher Grund für eine Abweichung vom Marktpreis anzuerkennen wäre. Auch wenn damit keine Vermögensverschiebung bezweckt wird, würde eine Anerkennung derartiger Verrechnungspreise das berechtigte mitgliedstaatliche Interesse an der Besteuerung der im eigenen Hoheitsgebiet erzielten Einkünfte sowie an einer lastengerechten, wettbewerbsneutralen und zwischenstaatlich fairen Besteuerung negieren.956 Konzerne, die die Anreiz- bzw. Steuerungswirkung betriebswirtschaftlicher Verrechnungspreise nutzen möchten, müssen sich vielmehr auf die Möglichkeit der Führung eines zweiten internen, rein betriebswirtschaftlich orientierten Verrechnungspreissystems verweisen lassen.957 Zu der von Schön befürchteten „Erosion des Fremdvergleichsgrundsatzes“958 kommt es damit nicht. (bb) Anwendung auf § 1 AStG § 1 AStG müsste nach hier vertretener Auffassung außersteuerliche Gründe somit nur bei der Rettung insolvenzgefährdeter oder zumindest Not leidender
953 Schön, World Tax Journal 2010, 227 (244 ff.); ders., Transfer Pricing, 2011, S. 1, Download unter: http://ssrn.com/abstract?1746063; ders., Transfer Pricing, the Arm’s Length Standard and European Union Law, 2011, S. 36 ff., Download unter: http://ssrn.com/abstract=1930237; ders., IStR 2011, 777 (780) jeweils m.w.N. 954 Schmalenbach, Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung 1908/1909, 165 ff. Siehe auch A.I. 955 Vgl. Schön, Transfer Pricing, the Arm’s Length Standard and European Union Law, 2011, S. 36 ff., Download siehe Fn. 953; ders., IStR 2011, 777 (778 ff.). 956 So stellt auch Schön fest, dass der Ansatz rein betriebswirtschaftlicher Verrechnungspreise eine verursachungsgerechte Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen Staaten erschwert. Schön schlägt daher vor, die interpersonale von der internationalen Gewinnaufteilung zu trennen und die bei einer gebietsfremden Konzerngesellschaft im Fall der Vergütung des ansässigen verbundenen Unternehmens zu Grenzkosten entstehende Synergierente im Wege einer erweiterten beschränkten Steuerpflicht abzuschöpfen, vgl. Schön, World Tax Journal 2010, 227 (241 ff.); ders., Transfer Pricing, 2011, S. 8 f., Download siehe Fn. 953; ders., Transfer Pricing, the Arm’s Length Standard and European Union Law, 2011, S. 40 ff., Download siehe Fn. 953; ders., IStR 2011, 777 (782). 957 Die Finanzverwaltungen sollten dann den betriebswirtschaftlichen Verrechnungspreis nicht zum Anlass für die Vermutung einer Abweichung vom Fremdvergleich des originären Verrechnungspreissystems nehmen, vgl. die Bedenken von Schön, Transfer Pricing, 2011, S. 7 f., Download siehe Fn. 953; ders., IStR 2011, 777 (780). 958 Schön, IStR 2011, 777 (778 ff.); vgl. auch dens., Transfer Pricing, the Arm’s Length Standard and European Union Law, 2011, S. 8, 34 ff., Download siehe Fn. 953.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
verbundener Unternehmen anerkennen.959 Ein Nachweis außersteuerlicher Gründe ist der Norm jedoch gänzlich fremd.960 Dieser kann auch nicht im Rahmen einer europarechtskonformen Auslegung961 in die Norm hineingelesen werden.962 Hinsichtlich der richtlinienkonformen Auslegung verlangt der EuGH zwar, dass eine nationale Norm so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks einer Richtlinie auszulegen ist, dies darf jedoch nicht zu einer Auslegung contra legem des nationalen Rechts führen.963 Letzteres muss auch für eine grundfreiheitskonforme Auslegung gelten. § 1 AStG stellt nach seinem Wortlaut allein darauf ab, ob fremde Dritte ein Geschäft zu gleichen oder vergleichbaren Vereinbarungen und Preisen getroffen hätten. Eine davon abweichende Anerkennung außersteuerlicher Gründe würde über den Wortlaut hinausgehen. Sie widerspräche zudem dem Ziel des § 1 AStG, Gewinnverlagerungen ins Ausland zu verhindern.964 § 1 AStG kann daher nicht europarechts-
959 Vgl. jetzt auch Pohl, in: Blümich, EStG u.a., § 1 AStG, Rz. 7 (Stand: 11.2011) in Anschluss an Glahe, IStR 2010, 870 (875 f.). 960 Vgl. auch Thömmes, IWB 2010, Fach 11a, 107 (112); ders., JbFStR 2010/2011, 31 (88); Bron, EWS 2010, 80 (82); Stadler/Bindl, DB 2010, 862 (867); Kaminski, in: Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, § 1 AStG, Rz. 67 (Stand: 10.2010); Schönfeld, IStR 2011, 219 (221); ders., IStR 2012, 215 (218); a.A. wohl Korn, GWR 2010, 72. 961 Vgl. dazu etwa Schön, DStJG 19 (1996), 167 (180 ff. m.w.N.); Auer, NJW 2007, 1106 ff.; Gosch, Ubg 2009, 73 (75); Lang, FS Lang, 2010, S. 1003 (1004); Hey, StuW 2010, 301 (306). 962 So aber wohl Englisch, IStR 2010, 139 (141); wie hier im Ergebnis Schönfeld, IStR 2011, 219 (221); ders., IStR 2012, 215 (218 f.). 963 Vgl. EuGH, Urt. v. 04.07.2006, C-212/04 (Adeneler u.a.), Slg. 2006, I-6057, Rz. 108 ff.; Urt. v. 15.04.2008, C-268/06 (Impact), Slg. 2008, I-2483, Rz. 99 f.; Urt. v. 23.04.2009, C-378/07 u.a. (Angelidaki u.a.), Slg. 2009, I-3071, Rz. 197 ff.; Urt. v. 16.07.2009, C-12/08 (Mono Car Styling), Slg. 2009, I-6653, Rz. 59 ff.; Urt. v. 22.12.2010, C-444/09 u.a. (Gavieiro u.a.), n.n.v., Rz. 95; vgl. zuvor auch Urt. v. 05.10.2004, C-397/01 u.a. (Pfeiffer u.a.), Slg. 2004, I-8835, Rz. 113 ff. 964 Vgl. zur Zielsetzung des § 1 AStG BT-Drs. VI/2883, S. 16 f., Tz. 12 u. 16 f. Auch der britische High Court of Justice hat im Anschlussurteil zur Rs. Thin Cap eine europarechtskonforme Auslegung der britischen Unterkapitalisierungsvorschriften abgelehnt, weil diese nach dem Wortlaut und Zweck der Regelung allein auf das objektive Kriterium des Fremdvergleichs abstellten und insofern nicht dahingehend ausgelegt werden konnten, dass sie die Möglichkeit vorsehen, wirtschaftliche Gründe vorzubringen, vgl. High Court of Justice (Chancery Division), Urt. v. 17.11.2009, [2009] EWHC 2908 (Ch) – Thin Cap, Rz. 82 ff. Dagegen hatte z.B. der Court of Appeal in einem anderen Verfahren die britischen Regelungen zur Hinzurechnungsbesteuerung (CFC-rules) dahingehend europarechtskonform ausgelegt, dass der von den Regelungen vorgesehene Motivtest nicht nur den subjektiven Gegenbeweis, sondern auch den vom EuGH im Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 63 ff. geforderten objektiven Gegenbeweis vorsehen, vgl. Court of Appeal (Civil Division), Urt. v. 22.05.2009, [2009] EWCA Civ 446 – Vodafone 2, Rz. 28 ff. Da die Regelungen generell nur gegen missbräuchliche Gestaltungen ausgerichtet waren, war es hier jedoch nur ein kleiner, mit dem Wortlaut der Normen noch vereinbarer Schritt, vgl. auch High
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Verrechnungspreisvorschriften
konform dahingehend ausgelegt werden, dass die Norm eine Möglichkeit zum Nachweis außersteuerlicher Gründe vorsieht. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob § 1 AStG im Fall eines Unionsrechtsverstoßes rechtsfolgenseitig ggf. geltungserhaltend reduziert werden kann.965 Darauf soll aber erst an späterer Stelle eingegangen werden.966 Hier ist festzuhalten, dass § 1 AStG dem ersten Kriterium nicht gerecht wird und damit über das zur Verhinderung der Umgehung des territorialen Besteuerungsanspruchs erforderliche hinausgeht. (b)
Fremdüblichkeit der Einkünftekorrektur des § 1 AStG
In den Rs. Thin Cap967 und SGI968 setzt der EuGH für die Erforderlichkeit von Einkünftekorrekturnormen zweitens voraus, dass deren Korrektur nicht über den Fremdvergleich hinausgeht. Denn derartige Korrekturen sind weder zur Verhinderung der Steuerumgehung noch zur Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse erforderlich. Die Fremdüblichkeit des § 1 AStG ist für diejenigen Fälle zu prüfen, in denen die Norm eine Diskriminierung der Niederlassungsfreiheit begründet.969 Dabei kann wesentlich auf die bereits in Teil B. dieser Arbeit vorgenommene Untersuchung der Schrankenwirkung des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA zurückgegriffen werden.970 Dort wurde die Vereinbarkeit des § 1 AStG mit dem Fremdvergleichsgrundsatz des Art. 9 OECDMA primär anhand dessen Auslegung durch die OECD-RL analysiert. Wie bereits erläutert wurde, ist der EuGH zur Bestimmung der Fremdüblichkeit aber nicht zwingend an Art. 9 OECD-MA und die OECD-RL gebunden. Zwar liegt es für ihn nahe, sich daran zu orientieren, der EuGH wird den Fremdvergleich letztlich aber unter den Gesichtspunkten des Missbrauchs und einer angemessenen territorialen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse auslegen.971
965
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Court of Justice (Chancery Division), Urt. v. 17.11.2009, [2009] EWHC 2908 (Ch) – Thin Cap, Rz. 85-90. Vgl. mit dieser Unterscheidung auch Gosch, Ubg 2009, 73 (74 und 77 f.). Nach der Rechtsprechung des BFH bleiben partiell europarechtswidrige steuerbegründende Normen anwendbar, werden aber auf das europarechtskonforme Maß geltungserhaltend reduziert, vgl. etwa BFH, Urt. v. 09.08.2006, I R 31/01 (CLT-Ufa), BStBl. II 2007, 838 (840); siehe ausführlich C.I.2.d) m.w.N. Siehe C.I.2.d). EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 83. Siehe C.I.2.c)cc)(2)(ii). EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 72. Siehe C.I.2.c)cc)(2)(iii). Siehe dazu C.I.2.b)aa)(1)(ii). Siehe für eine Überprüfung der übrigen Aspekte des § 1 AStG anhand des Fremdvergleichsgrundsatzes des Art. 9 OECD-MA B.IV.1.a)bb). Siehe B.IV.1.a)bb). Siehe bereits C.I.2.c)cc)(2)(ii). Vgl. auch Englisch, IStR 2010, 139 (142); Glahe, IStR 2010, 870 (876).
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
Nicht fremdüblich ist jedenfalls die in § 1 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 AStG vorgesehene Fiktion der Informationstransparenz.972 Fremden Dritten sind in der Realität nicht alle Umstände einer Transaktion bekannt. Eine derartige Fiktion sehen auch die OECD-RL nicht vor. Diffiziler ist die Frage, ob der Ansatz des Medians beim tatsächlichen Fremdvergleich (§ 1 Abs. 3 Satz 4 AStG) und der Ansatz des wahrscheinlichsten Werts bzw. des Mittelwerts beim hypothetischen Fremdvergleich (§ 1 Abs. 3 Satz 7 AStG) ein fremdübliches Maß übersteigen. Nach den OECD-RL 1995/2009 ist grundsätzlich jeder Wert innerhalb der Bandbreite als fremdüblich anzuerkennen. Erst wenn der vom Steuerpflichtigen angegebene Wert außerhalb der Bandbreite liegt, wird auch eine Korrektur auf den Wert zugelassen, der „am besten“ den Umständen des Einzelfalles entspricht.973 Der „beste“ Wert dürfte sich grundsätzlich mit dem wahrscheinlichsten Wert des § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG decken. Satz 7 geht dennoch über die OECD-RL 1995/2009 hinaus, weil der wahrscheinlichste Wert danach generell und nicht erst im Korrekturfall anzusetzen ist. Median und Mittelwert stimmen mit dem „besten“ Wert nur im Einzelfall überein und sind daher nach den OECD-RL 1995/2009 zumeist als fremdunüblich anzusehen. Die neuen OECD-RL 2010 erlauben jedoch auch eine Korrektur bis zum Median oder Mittelwert, wenn der vom Steuerpflichtigen angegebene Verrechnungspreis außerhalb der zutreffenden Bandbreite liegt und deren Werte aufgrund von Vergleichbarkeitsdefekten wenig verlässlich sind.974 Dann ließe sich in vielen Fällen der Ansatz des Medians nach § 1 Abs. 3 Satz 4 AStG rechtfertigen, der Ansatz des Mittelwerts nach Satz 7 wäre jedoch gleichfalls auf den Korrekturfall zu beschränken. Es ist jedoch mehr als fraglich, ob der EuGH im Korrekturfall den Ansatz von Median und wahrscheinlichstem Wert bzw. Mittelwert aus grundfreiheitlicher Betrachtung als fremdüblich einstufen würde. Bei wörtlicher Auslegung der Rechtsprechung975 würde zwar auch eine Korrektur auf den für den Steuerpflichtigen ungünstigsten Wert einer Bandbreite nicht über das fremdübliche Maß hinausgehen – denn auch dieser entspricht dem Fremdvergleich. Der Wortlaut des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA, an dem sich der EuGH noch vor den OECD-RL als Auslegungshilfe zu orientieren hätte, lässt eine derartige Korrektur auch fremdüblicher Verrechnungspreise aber eigentlich nicht zu.976 972 Siehe bereits B.IV.1.a) mit den Nachweisen in Fn. 470. 973 Siehe zu Tz. 1.48 der OECD-RL bereits B.IV.1.a). 974 OECD-RL 2010, Tz. 3.60-3.62. Allerdings ist fraglich, ob die Regelung vom Wortlaut des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA überhaupt gedeckt ist, siehe bereits B.IV.1.a)bb). 975 Vgl. EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 72: „[W]enn die Prüfung solcher Umstände zu dem Ergebnis führt, dass der in Rede stehende geschäftliche Vorgang über das hinausgeht, was die betreffenden Gesellschaften unter Bedingungen des freien Wettbewerbs vereinbart hätten…“. 976 Siehe B.IV.1.a)bb). Nach Art. 9 OECD-MA sind nur Korrekturen erlaubt, wenn verbundene Unternehmen Bedingungen vereinbaren, „die von denen abweichen, die unab-
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Verrechnungspreisvorschriften
Unabhängig davon ist eine solche Korrektur weder zur Verhinderung der Steuerumgehung noch zur Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse erforderlich. Das mildere, gleich geeignete Mittel zur Verhinderung der Umgehung des territorialen Besteuerungsanspruchs – im Verhältnis zu allen anderen Punkten der Bandbreite – ist der für den Steuerpflichtigen günstigste Wert einer Bandbreite. Dieser kann nicht als fremdunüblich bezeichnet werden.977 Er ist weder missbräuchlich, noch verletzt er die nach dem Territorialitätsprinzip als ausgewogen erachtete Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse.978 Eine Abweichung vom günstigsten Wert dürfte grundfreiheitlich nur anzuerkennen sein, wenn der Steuerpflichtige für ihn zumutbare Mitwirkungspflichten verletzt hat.979 In diesen Fällen hat der EuGH auch diskriminierende Mehrbelastungen des grenzüberschreitend tätigen Steuerpflichtigen zugelassen, um ein steuerliches Kontrolldefizit zu verhindern.980 Dies würde einerseits eine für den Steuerpflichtigen nachteilige Korrektur aufgrund der Anwendung der in § 1 Abs. 4 AStG vorgesehenen Globalmethoden981 rechtfertigen. Andererseits dürften selbst noch Unsicherheitszuschläge982 im Fall des § 1 Abs. 4 AStG i.V.m. § 162 Abs. 2 AO sowie eine fiskalische Ausschöpfung der Bandbreite bei § 162 Abs. 3 AO983 – vorbehaltlich unverhältnismäßiger Dokumentations-anforderungen des § 90 Abs. 3 AO984 – zulässig sein.985
977
978 979 980
981 982
983 984
hängige Unternehmen miteinander vereinbaren würden“. Unabhängige Unternehmen vereinbaren aber auch Preise, die dem Randbereich einer Bandbreite entsprechen. Vgl. auch Eigelshoven/Ebering, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, zu OECD-RL Tz. 1.48, Rz. 228 (Stand: 06.2010). Siehe B.I.1.d)dd), B.I.2.c)bb)(2) und B.IV.1.a) jeweils m.w.N. Vgl. nochmals BFH, Urt. v. 17.10.2001, I R 103/00, BStBl. II 2004, 171 (176 f.); Becker, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, zu OECD-RL Tz. 1.48, Rz. 1 ff. (Stand: 06.1997); Baumhoff, FS Wassermeyer, 2005, S. 347 (362); Wassermeyer, DB 2007, 535 (537); Kroppen, FS Schaumburg, 2009, S. 857 (872 f.); Thömmes, JbFStR 2010/2011, 31 (89); a.A.: BR-Drs. 352/08, S. 1 u. 9; Schreiber, Ubg 2008, 433 (440); Naumann u.a., IStR 2009, 665 (666). Vgl. Englisch, IStR 2010, 139 (142); im Ergebnis auch: Thömmes, JbFStR 2010/2011, 31 (89); Schönfeld, IStR 2011, 219 (224). Vgl. Englisch, IStR 2010, 139 (142); Thömmes, JbFStR 2010/2011, 31 (89). Vgl. EuGH, Urt. v. 28.01.1992, C-204/90 (Bachmann), Slg. 1992, I-249, Rz. 20; Urt. v. 03.10.2002, C-136/00 (Danner), Slg. 2002, I-8147, Rz. 50; Urt. v. 27.01.2009, C318/07 (Persche), Slg. 2009, I-359, Rz. 54; Urt. v. 10.02.2011, C-436/08 u.a. (Haribo u.a.), IStR 2011, 299, Rz. 95; Urt. v. 30.06.2011, C-262/09 (Meilicke u.a. II), IStR 2011, 551, Rz. 45; Urt. v. 15.09.2011, C-310/09 (Accor), n.n.v., Rz. 82. Siehe dazu B.I.2.c)cc) und B.IV.1.a). Vgl. Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 162 AO, Rz. 44 f. (Stand: 04.2008); Cöster, in: Pahlke/Koenig, AO, 2. Aufl. 2009, § 162, Rz. 66; Kraft, in: Kraft, AStG, 2009, § 1, Rz. 602. Siehe B.I.2.c)cc). Vgl. etwa Joecks/Kaminski, IStR 2004, 65 (67 ff.); Goebel/Küntscher, Ubg 2009, 235 (240 f.). Siehe dazu auch sogleich unter C.I.2.c)cc)(3)(iii)(b).
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
Nicht fremdüblich ist in aller Regel auch die nachträgliche Preisanpassung bei der Übertragung wesentlicher immaterieller Wirtschaftsgüter gemäß § 1 Abs. 3 Sätze 11 und 12 AStG. Entsprechend den OECD-RL986 ist auch grundfreiheitlich darauf abzustellen, ob fremde Dritte eine derartige Preisanpassung vereinbart hätten. § 1 Abs. 3 Sätze 11 und 12 AStG könnten daher nur in den Fällen gerechtfertigt werden, in denen fremde Dritte überhaupt eine Preisanpassung und wenn, zu den im Gesetz genannten oder strengeren Konditionen vereinbart hätten. Tatsächlich werden nachträgliche Preisanpassungen aber nur selten vereinbart und noch seltener mit einer Laufzeit von zehn oder mehr Jahren.987 Zwar lässt § 1 Abs. 3 Satz 11 AStG den Nachweis zu, dass fremde Dritte keine Preisanpassungsklausel vereinbart hätten, dieser dürfte jedoch kaum gelingen. Denn die gesetzliche Preisanpassung ist nur im Rahmen des hypothetischen Fremdvergleichs anwendbar, bei dem eine Vergleichstransaktion als möglicher Gegenbeweis gerade nicht existiert.988 Einen fremdüblichen Anwendungsbereich hat § 1 AStG vor allem noch in den Fällen, in denen die verdeckte Einlage aufgrund nicht einlagefähiger Wirtschaftsgüter nicht anwendbar ist oder nach dem Teilwertmaßstab hinter einer Korrektur nach dem Fremdvergleichswert zurückbleibt.989 In diesen Fällen ist die Einkünftekorrektur des § 1 AStG erforderlich, um die Umgehung des territorialen Besteuerungsanspruchs zu verhindern, sofern die Norm aus den genannten Gründen nicht selbst über den Fremdvergleich hinausgeht. Damit ist festzustellen, dass die Einkünftekorrektur des § 1 AStG nur bezüglich bestimmter Fallgruppen der zweiten Voraussetzung der Rs. Thin Cap und SGI entspricht. Hinsichtlich der übrigen Fallgruppen hat die Unternehmensteuerreform 2008 § 1 AStG – insbesondere aufgrund der „Konkretisierung“ des Fremdvergleichs in Abs. 3 – nicht nur auf einen Konfliktkurs zu den DBA990, sondern auch zur Niederlassungsfreiheit gelenkt. (c)
Anerkennungsgrundsatz
Auch wenn § 1 AStG beiden Voraussetzungen der Rs. Thin Cap und SGI nicht genügt, soll noch auf ein Argument eingegangen werden, mit dem in der Literatur991 vereinzelt die Erforderlichkeit der Einkünftekorrektur des § 1 AStG abgelehnt wird. Danach erkenne Deutschland mit der nach den Grundsätzen der verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage im Inlandsfall 985 986 987 988
Vgl. Englisch, IStR 2010, 139 (142). Siehe OECD-RL 1995/2009, Tz. 6.30-6.32; OECD-RL 2010, Tz. 6.30-6.32. Siehe B.I.2.c)bb)(3) mit den Nachweisen in Fn. 290 und 293 f. sowie B.IV.1.a). Siehe bereits B.I.2.c)bb)(3) und vgl. nochmals Scheffler, Internationale betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 3. Aufl. 2009, S. 465; a.A.: BT-Drs. 16/8027, S. 8. 989 Siehe B.IV.1.a) und C.I.2.b)aa)(1)(ii) sowie allgemein B.I.1.b)aa) und B.I.2.c)aa). 990 Siehe bereits B.IV.1.a). 991 Vgl. insbesondere Mann, Einkünftekorrekturnormen, 2008, S. 179 ff. u. 256; ferner: Rasch/Nakhai, DB 2005, 1984 (1988); Rehm/Nagler, IStR 2008, 421 (425).
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Verrechnungspreisvorschriften
ggf. geringeren oder ausbleibenden Korrektur an, dass die Einkünftekorrektur des § 1 AStG nicht erforderlich sei, um eine Gewinnverlagerung zu verhindern. Denn speziell mit Transaktionen nicht einlagefähiger Wirtschaftsgüter können verbundene Unternehmen im Inlandsfall das Gefälle der Gewerbesteuerhebesätze unterschiedlicher Gemeinden992 ausnutzen.993 Tatsächlich ist nach dem sog. Anerkennungsgrundsatz eine diskriminierende nationale Maßnahme nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH nicht erforderlich, wenn ein Mitgliedstaat durch eigenes Verhalten an anderer Stelle zeigt, dass er auch ohne die diskriminierende Maßnahme auskommt.994 Es ist jedoch mehr als fraglich, ob Deutschland durch die geringere bzw. ausbleibende Einkünftekorrektur im Inlandsfall die fehlende Erforderlichkeit des § 1 AStG zur Verhinderung der Umgehung des territorialen Besteuerungsanspruchs anerkennt. Denn einerseits ist der Gewerbesteuerhebesatz nach unten auf 200% begrenzt,995 andererseits findet ein Finanzausgleich zwischen den Gemeinden statt996. Im Inlandsfall besteht daher kein vergleichbar dringender Korrekturbedarf. Die Anwendung des Anerkennungsgrundsatzes ist aber vor allem abzulehnen, weil dies zu widersprüchlichen Ergebnissen führen würde: Denn Deutschland würde dadurch bestraft, dass es mit weitgehenden Einkünftekorrekturen im Inlandsfall die gröbsten Wettbewerbsverzerrungen beseitigt, während die nur im grenzüberschreitenden Sachverhalt anwendbaren und somit zu umfangreicheren Wettbewerbsverzerrungen führenden Einkünftekorrekturnormen anderer Staaten gerechtfertigt werden könnten. Der Anerkennungsgrundsatz kann hier daher nicht herangezogen werden, um die Erforderlichkeit abzulehnen. (iii)
Verhältnismäßigkeit i.e.S.
Obwohl § 1 AStG nach den Voraussetzungen der Rs. Thin Cap und SGI zur Verhinderung der Umgehung des territorialen Besteuerungsanspruchs nicht erforderlich ist, soll im Folgenden noch die Verhältnismäßigkeit i.e.S. geprüft werden. Diese wäre gewahrt, wenn die mit § 1 AStG verbundenen Nachteile 992 Siehe zum Hebesatzrecht der Gemeinden §§ 4, 16 GewStG. Tatsächlich weisen die Hebesätze verschiedener Gemeinden teils große Unterschiede auf. Diese reichen vom Mindesthebesatz von 200%, z.B. in der Gemeinde Norderfriedrichskoog, bis zu 490% in München. Die zugehörigen Gewerbesteuersätze betragen dementsprechend 7% bzw. 17,15%. 993 Vgl. mit empirischer Analyse zur Anreizwirkung Broer, StuW 2010, 110 ff. 994 Siehe C.I.1.c)bb) und vgl. EuGH, Urt. v. 28.01.1986, 270/83 (avoir fiscal), Slg. 1986, 273, Rz. 20; Urt. v. 29.04.1999, C-311/97 (Royal Bank of Scotland), Slg. 1999, I-2664, Rz. 31; Urt. v. 21.09.1999, C-307/97 (Saint Gobain), Slg. 1999, I-6161, Rz. 60; Urt. v. 16.05.2000, C-87/99 (Zurstrassen), Slg. 2000, I-3337, Rz. 25; Urt. v. 29.03.2007, C347/04 (Rewe Zentralfinanz), Slg. 2007, I-2647, Rz. 44, 49, 61. 995 Siehe § 16 Abs. 4 Satz 2 GewStG. 996 Vgl. Englisch, IStR 2010, 139 (141). Siehe zum kommunalen Finanzausgleich Art. 106 Abs. 7 GG; vgl. dazu etwa Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl. 2010, Art. 106, Rz. 142 ff.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
im Verhältnis zu den Zielen der Verhinderung der Steuerumgehung und der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse nicht zu übermäßigen Auswirkungen auf grenzüberschreitend verbundene Unternehmen führen würden. Diesbezüglich ist eine Interessenabwägung vorzunehmen.997 In den Rs. Thin Cap998 und SGI999 verzichtet der EuGH entsprechend seiner ständigen Rechtsprechung1000 auf eine explizite Verhältnismäßigkeitsprüfung i.e.S. Dies könnte dafür sprechen, dass er die mit den britischen und belgischen Vorschriften verbundenen Nachteile der Einkünftekorrektur implizit für gerechtfertigt hielt. Die endgültige Prüfung überließ der EuGH aber den vorlegenden Gerichten, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass die nationalen Vorschriften nicht zu „übermäßigen Verwaltungszwängen“ führen dürfen.1001 Als relevante Nachteile der Einkünftekorrektur des § 1 AStG sind das verbleibende Risiko einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung sowie der mit der Einkünftekorrektur verbundene Verwaltungsaufwand zu nennen. Diese sind im Folgenden auf ihre Verhältnismäßigkeit i.e.S. zu überprüfen. (a)
Wirtschaftliche Doppelbesteuerung
Die Frage der Verhältnismäßigkeit der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung stellte sich bereits in der Rs. Thin Cap: Die Kommission1002 und GA Geelhoed1003 vertraten die Auffassung, dass eine Einkünftekorrektur durch eine Unterkapitalisierungsvorschrift nur verhältnismäßig ist, wenn sie von einer Gegenberichtigung im anderen Staat, die die wirtschaftlichen Doppelbesteuerung vermeidet, abhängig gemacht wird.1004 Zwar ist bei Verrechnungspreissachverhalten anders als bei Unterkapitalisierungsvorschriften, die eine Umqualifikation von Zinsen in Dividenden vorsehen, keine Qualifikationsverkettung per DBA möglich, die Argumentation lässt sich aber auch auf die Gegen997 998 999 1000 1001
Siehe allgemein C.I.1.c)bb). EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 80 ff. EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 70 ff. Siehe bereits C.I.1.c)bb). EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 82, 86 ff.; Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 71, 75 f. 1002 Vgl. EuGH, Urt. v. 12.12.2002, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-11779, Rz. 35; GA Mischo, SchlA v. 26.11.2002, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-11779, Rz. 68 f.; EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 88; GA Geelhoed, SchlA v. 29.06.2006, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 69. 1003 GA Geelhoed, SchlA v. 29.06.2006, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 69, 71, 79. 1004 Vgl. auch Brosens, EC Tax Rev. 2004, 188 (211); Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 904 mit Fn. 159 f. und S. 910; Englisch, IFSt-Schrift Nr. 449, 2008, S. 109 f.; a.A.: Cordewener, in: Lang, Direct Taxation: Recent ECJ Developments, 2003, S. 35 (57 f.); De Broe, International Tax Planning and Prevention of Abuse, 2008, S. 949 u. 972; ders./Bammens, H&I 4/2010, 6.
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Verrechnungspreisvorschriften
berichtigung nach Art. 9 Abs. 2; 25 OECD-MA übertragen.1005 Auch wenn die wirtschaftliche Doppelbesteuerung keine Diskriminierung der Niederlassungsfreiheit begründet,1006 ist es zudem nicht ausgeschlossen, auch diese Nachteile in einer Gesamtabwägung innerhalb der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen.1007 Der EuGH ist der Argumentation der Kommission und des Generalanwalts in der Rs. Thin Cap jedoch nicht gefolgt.1008 Ein Mitgliedstaat dürfe zu Recht eine Einkünftekorrektur anhand des Fremdvergleichsgrundsatzes vornehmen und müsse grundsätzlich nicht dafür sorgen, dass der andere Staat diese Korrektur auch nachvollzieht. Eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung, die von zwei Staaten ausgeht, sei verhältnismäßig.1009 Dem ist zuzustimmen: Die Verhältnismäßigkeit des § 1 AStG kann nämlich nicht davon abhängen, dass der andere Staat eine ausreichend hohe Gegenberichtigung vornimmt. Ansonsten könnte dieser über die Grundfreiheitskonformität von § 1 AStG entscheiden, was die Souveränität Deutschlands untergraben würde.1010 Die wirtschaftliche Doppelbesteuerung ist letztlich die Konsequenz der „Freiheit der Mit-
1005 Vgl. GA Mischo, SchlA v. 26.11.2002, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I11779, Rz. 69. 1006 Siehe C.I.1.c)bb). 1007 Vgl. Kofler, DBA und EG-Recht, 2007, S. 910; De Broe/Bammens, H&I 4/2010, 6 sowie die Kommission und GA Geelhoed, die beide keine Diskriminierung aufgrund einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung annehmen, siehe Fn. 1002 f. GA Geelhoed hält dies selbst für möglich, obwohl er zuvor in anderen Rechtssachen die Beschränkung einer Grundfreiheit aufgrund einer juristischen Doppelbesteuerung abgelehnt hatte, vgl. SchlA v. 06.04.2006, C-513/04 (Kerckhaert u. Morres), Slg. 2006, I-10967, Rz. 31 ff.; SchlA v. 23.02.2006, C-374/04 (ACT), Slg. 2006, I-11673, Rz. 48 ff.; siehe bereits C.I.2.b)bb)(2)(i)(a). Kritisch zu diesem vermeintlichen Widerspruch: De Broe, International Tax Planning and Prevention of Abuse, 2008, S. 949 ff. 1008 EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 88-90 m.w.N., siehe bereits C.I.2.b)bb)(2)(i)(a). Vgl. auch GA Kokott, SchlA v. 10.09.2009, C311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 80, Fn. 35. 1009 Geht die wirtschaftliche Doppelbesteuerung umgekehrt vom selben Staat aus, ist dies hingegen diskriminierend und unverhältnismäßig, vgl. EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 90. Siehe dazu sogleich auch Fn. 1016. 1010 Vgl. Cordewener, in: Lang, Direct Taxation: Recent ECJ Developments, 2003, S. 35 (57 f.); Prinz/Cordewener, GmbHR 2003, 80 (82); Spengel/Golücke, RIW 2003, 333 (345). Eine derartige staatenübergreifende Betrachtungsweise hat der EuGH aber im Urt. v. 13.12.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837, Rz. 55 f. und Urt. v. 14.02.2008, C-414/06 (Lidl Belgium), Slg. 2008, I-3601, Rz. 46 f. vorgenommen. Darin verpflichtete er den Ansässigkeitsstaat einer Muttergesellschaft die Verluste einer gebietsfremden Tochter oder Betriebsstätte (erst dann) zu berücksichtigen, wenn deren Möglichkeiten zur Verlustberücksichtigung in ihren Ansässigkeitsstaaten ausgeschöpft worden sind. Die Grundfreiheiten verpflichten jedoch allein jeden Mitgliedstaat für sich, ein diskriminierungsfreies Steuerrecht aufrecht zu erhalten, siehe C.I.2.b)aa)(1)(ii)(c).
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
gliedstaaten, eigenständige Kategorien von Einkunftsquellen zu bilden“.1011 Sie muss damit aus den gleichen Gründen, aufgrund derer bereits eine Beschränkung der Grundfreiheiten durch eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung abgelehnt wurde,1012 auch nicht zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit i.e.S. vermieden werden. Beide Sachverhalte bedürfen letztlich einer einheitlichen Wertung, zumal kein Grund erkennbar ist, warum eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung, die durch eine diskriminierende Norm entsteht, gegen die Grundfreiheiten verstoßen sollte, während dies bei einer nichtdiskriminierenden Norm nicht der Fall ist. Ohnehin ließe sich über die Grundfreiheiten keine Lösung einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung herbeiführen, die wie hier durch die Besteuerung zweier Staaten entsteht. Denn das Diskriminierungsverbot richtet sich nur gegen einen Staat.1013 Damit bestehen bloß die Alternativen, Deutschland auf einen (teilweisen) Verzicht der Erstberichtigung nach § 1 AStG zu verpflichten, wenn keine oder keine ausreichend hohe Gegenberichtigung im anderen Staat erfolgt, oder umgekehrt die Erstberichtigung zuzulassen. Beide Alternativen sind letzten Endes unbefriedigend: Nach der ersten würde zwar die wirtschaftliche Doppelbesteuerung beseitigt, jedoch könnten weder die Umgehung des territorialen Besteuerungsanspruchs verhindert, noch Wettbewerbsgleichheit sowie eine gerechte Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit garantiert werden. Die zweite Alternative würde diese Nachteile zwar vermeiden,1014 ließe aber die wirtschaftliche Doppelbesteuerung bestehen.1015 Entsteht eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung wie hier durch die Besteuerung zweier Staaten bei zwei verschiedenen Steuerpflichtigen, kann diese auch nur durch koordinierte Maßnahmen beider Staaten bei beiden Steuerpflichtigen beseitigt
1011 Schön, IStR 2004, 289 (299 f.); vgl. auch Spengel/Golücke, RIW 2003, 333 (345); Heydt, in: Haarmann, Auslegung und Anwendung von DBA, 2004, S. 31 (53); Hinnekens, FS Vanistendael, 2008, S. 511 (532 ff.). 1012 Siehe C.I.2.b)bb)(2)(i)(b). 1013 Siehe C.I.1.b)aa) und cc). 1014 Die Erstberichtigung würde aber nur zu einer korrekten Besteuerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des ansässigen verbundenen Unternehmens führen; das gebietsfremde verbundene Unternehmen würde hingegen zu hoch besteuert. 1015 Dass sich der EuGH in der Rs. Thin Cap für letztere Alternative entschieden hat, mag letztlich auch damit zusammenhängen, dass die obligatorischen Schiedsverfahren der DBA und des EU-SchÜ die Nachteile der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung konsequent vermeiden und auf Zins- und Liquiditätsnachteile sowie zusätzlichen Verwaltungsaufwand reduzieren. Als Konsequenz dessen, führt die zweite Alternative wohl zu einem ausgewogeneren Interessenausgleich als die erste. GA Kokott stellt in den SchlA v. 10.09.2009, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 80, Fn. 35 aber zu Recht fest, dass diese tatsächlichen Rahmenbedingungen eigentlich unabhängig von den grundfreiheitsrechtlichen Wertungen sind und die Mitgliedstaaten mit dem EU-SchÜ über das grundfreiheitlich Erforderliche hinausgehen.
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Verrechnungspreisvorschriften
werden.1016 Eine Lösung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung des § 1 AStG kann daher nicht über die Grundfreiheiten erfolgen, sondern ist über DBA, Maßnahmen zur internationalen Streitbeilegung oder Harmonisierung zu suchen.1017 Mit dem EU-SchÜ haben die Mitgliedstaaten daher den richtigen Weg eingeschlagen, sollten diesen jedoch konsequent fortsetzen und die damit verbundenen Zins- und Liquiditätsnachteile ausschließen sowie den Verwaltungsaufwand der Unternehmen reduzieren. Grundfreiheitlich könnte Deutschland allenfalls dazu verpflichtet werden, eine Beseitigung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung in Verständigungs- und Schiedsverfahren zumindest anzustreben. Es wäre jedenfalls unverhältnismäßig, diese systematisch zu verzögern oder ganz zu verhindern. (b)
Zusätzliche Verwaltungsauflagen
Fraglich ist weiterhin, ob die mit der Einkünftekorrektur des § 1 AStG verbundenen zusätzlichen Verwaltungsauflagen verhältnismäßig sind. Dazu ist einerseits der Aufwand der Einkünftekorrektur und Verrechnungspreisermittlung zu zählen, andererseits die Dokumentationsanforderungen des § 90 Abs. 3 AO.1018 Der Aufwand der Einkünftekorrektur und Verrechnungspreisermittlung tritt grundsätzlich auch im Inlandsfall bei der verdeckten Gewinnausschüttung und der verdeckten Einlage auf. Dieser entsteht jedoch ausschließlich im grenzüberschreitenden Sachverhalt in den Fällen der nachträglichen Preisanpassung gemäß § 1 Abs. 3 Satz 11 f. AStG und der fehlenden Anwendbarkeit der verdeckten Einlage aufgrund nicht einlagefähiger Wirtschaftsgüter.1019 Der EuGH hat den zusätzlichen Aufwand der jeweiligen Einkünftekorrekturnormen in den Rs. Thin Cap1020 und SGI1021 implizit als verhältnismäßig eingestuft. Vorgaben zur Verrechnungspreisermittlung, die gegenüber anderen Methoden mit wesentlichem Zusatzaufwand verbunden sind, ohne dabei zu einer höheren Genauigkeit zu führen, dürften aber unverhältnismäßig sein. Dies ist bei § 1 AStG aber nicht der Fall: Die in § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG vorgesehenen Standardmethoden sowie die Funktionsanalyse zur Bestimmung der Vergleichbarkeit sind international anerkannt1022 und belasten die Steuerpflichtigen nicht 1016 Aus diesem Grund stellt der EuGH im Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 90 m.w.N. fest, dass nur eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung, die von einem Staat ausgeht, als unverhältnismäßig angesehen werden kann. 1017 Vgl. Schön, IStR 2004, 289 (299 f.); Schnitger, Grenzen, 2006, S. 272; Heydt, in: Haarmann, Auslegung und Anwendung von DBA, 2004, S. 31 (53). Siehe bereits C.I.2.b)bb)(2)(i)(b). 1018 Siehe bereits C.I.2.b)aa)(1)(ii). 1019 Siehe bereits C.I.2.b)aa)(1)(ii). Ein zusätzlicher Aufwand besteht weiterhin aufgrund der aufwändigen Transferpaketbewertung im Rahmen der Funktionsverlagerung, vgl. Schreiber, Ubg 2008, 433 (442); Kroppen, FS Schaumburg, 2009, S. 857 (865). 1020 EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 80 ff. 1021 EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 70 ff. 1022 Siehe B.I.2.c)bb)(1); ferner: B.I.1.d).
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übermäßig. Das gleiche gilt für die Ermittlung des Einigungsbereichs beim hypothetischen Fremdvergleich nach § 1 Abs. 3 Satz 5 f. AStG. Problematisch könnte hingegen sein, dass die Steuerpflichtigen nach § 1 Abs. 3 Satz 11 f. AStG über zehn Jahre lang die tatsächliche Gewinnentwicklung des wesentlichen immateriellen Wirtschaftsguts überwachen müssen.1023 Dazu sind sie im Rahmen der steuerlichen Gewinnermittlung aber ohnehin verpflichtet. Zur Bestimmung des angemessenen Anpassungsbetrags machen § 1 Abs. 3 Satz 12 i.V.m. §§ 9 ff. FVerlV primär mathematische Vorgaben, die für den Steuerpflichtigen mit relativ geringen und damit im Vergleich zum mitgliedstaatlichen Interesse verhältnismäßigem Aufwand verbunden sind.1024 Erkennt man das Recht der Mitgliedstaaten zur Verrechnungspreiskorrektur an, ist auch die zusätzliche Belastung für die Steuerpflichtigen durch Dokumentationsanforderungen bis zu einem gewissen Grad unvermeidlich, damit die Finanzbehörden die Fremdüblichkeit einer konzerninternen Transaktion überprüfen können. Der EuGH hat sich in der Vergangenheit relativ großzügig dahingehend gezeigt, dass die Mitgliedstaaten vom Steuerpflichtigen Belege verlangen dürfen.1025 Die Dokumentationspflicht darf aber nicht außer Verhältnis zum Ziel der Verhinderung der Umgehung des territorialen Besteuerungsanspruchs stehen.1026 Ob dies im Fall des § 90 Abs. 3 AO i.V.m. der GAufzV1027 und den Verwaltungserlassen der Fall ist, soll in dieser Arbeit jedoch nicht untersucht werden.1028 1023 Siehe B.I.2.c)bb)(3). 1024 Vgl. auch das EuGH-Urt. v. 10.02.2011, C-436/08 u.a. (Haribo u.a.), IStR 2011, 299, Rz. 99, in dem der EuGH keine unverhältnismäßige Belastung der Steuerpflichtigen darin sah, mittels einer Formel die Körperschaftsteuervorbelastung von Portfoliodividenden zu berechnen. 1025 Vgl. EuGH, Urt. v. 28.01.1992, C-204/90 (Bachmann), Slg. 1992, I-249, Rz. 20; Urt. v. 03.10.2002, C-136/00 (Danner), Slg. 2002, I-8147, Rz. 50; Urt. v. 27.01.2009, C318/07 (Persche), Slg. 2009, I-359, Rz. 54; Urt. v. 10.02.2011, C-436/08 u.a. (Haribo u.a.), IStR 2011, 299, Rz. 95; Urt. v. 30.06.2011, C-262/09 (Meilicke u.a. II), IStR 2011, 551, Rz. 45; Urt. v. 15.09.2011, C-310/09 (Accor), n.n.v., Rz. 82. 1026 Vgl. auch GA Kokott, SchlA v. 19.11.2009, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I-1215, Rz. 83: „Der mit der Dokumentation der Transferpreise verbundene zusätzliche Aufwand erschwert zwar die Geschäfte zwischen verbundenen Unternehmen mit Sitz in verschiedenen Mitgliedstaaten. Jedoch sind innerstaatliche Regelungen über Transferpreise, sofern sie eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellen, zur Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis gerechtfertigt, vorausgesetzt, sie tragen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung.“ 1027 Gewinnaufzeichnungsverordnung v. 13.11.2003, BGBl. I 2003, 2296, zuletzt geändert durch das Gesetz v. 14.08.2007, BGBl. I 2007, 1912. 1028 Die Dokumentationsanforderungen sind nicht Gegenstand dieser Arbeit, siehe in der Einleitung. Vgl. für entsprechende Analysen etwa Joecks/Kaminski, IStR 2004, 65 (67 ff.); Schwenke, Internationale Einkünfteabgrenzung, 2006, S. 204 ff.; ders., DStJG 33 (2010), 272 (285 ff.); Goebel/Küntscher, Ubg 2009, 235 (240 f.). Zu pauschal ist zuletzt jedoch das Hessische FG, Urt. v. 23.03.2011, 4 K 419/10, juris, Rz. 46 f. (Re-
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d)
Rechtsfolgen des Verstoßes gegen die Niederlassungsfreiheit
Es bleibt festzuhalten, dass § 1 AStG letztlich nicht vollumfänglich mit den Zielen der Verhinderung der Steuerumgehung und der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse gerechtfertigt werden kann und somit partiell gegen die Niederlassungsfreiheit des Art. 49 AEUV verstößt. Der Gesetzgeber ist daher nach dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit, Art. 4 Abs. 3 Satz 2 EUV, aufgerufen, den Grundfreiheitsverstoß mit einer Gesetzesänderung1029 zu beseitigen.1030 Mögliche Lösungswege werden sogleich unter 0. aufgezeigt und bewertet. Für die Übergangszeit bis zu einer Gesetzesänderung wäre es Sache eines nationalen Gerichts, über die Folgen eines Unionsrechtsverstoßes zu entscheiden,1031 wenn der EuGH den hier aufgezeigten Verstoß des § 1 AStG feststellen würde. Während der Gesetzgeber für die Zukunft den Unionsrechtsverstoß durch die Rücknahme der belastenden Regelung, deren Ausweitung auf den Inlandsfall oder eine neue Lösung beseitigen kann,1032 bleibt den Gerichten aufgrund des Rückwirkungsverbots nur die zuerst genannte Lösung. Aufgrund des Anwendungsvorrangs des Europarechts1033 haben sie belastende Normen wie § 1 AStG grundsätzlich unangewendet zu lassen.1034 Im Fall des § 1 AStG besteht die Besonderheit, dass die Norm grundsätzlich gerechtfertigt werden kann, aufgrund ihrer konkreten Ausgestaltung jedoch teilweise unverhältnismäßig ist. Insofern ist es fraglich, ob § 1 AStG in Gänze unangewendet bliebe
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1031 1032 1033 1034
vision anhängig beim BFH unter Az. I R 45/11) davon ausgegangen, dass § 90 Abs. 3 AO generell mit dem Ziel der Gewährleistung einer wirksamen Steueraufsicht gerechtfertigt werden könne, vgl. zu dem Urteil auch Glahe/Lüdicke, Transfer Pricing International Journal 12/2011, S. 41. Ein Billigkeitserlass reicht nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH nicht aus, vgl. EuGH, Urt. v. 15.10.1986, 168/85 (Kommission/Italien), Slg. 1986, 2945, Rz. 13; Urt. v. 08.05.1990, C-175/88 (Biehl), Slg. 1990, I-1779, Rz. 17 f.; Urt. v. 14.02.1995, C-279/93 (Schumacker), Slg. 1995, I-225, Rz. 54 ff.; Urt. v. 05.10.2010, C-512/08 (Kommission/Frankreich), EuZW 2010, 861, Rz. 67 m.w.N. Ein Änderungsgesetz dürfte für § 1 AStG aber eine einzelfallorientierte Billigkeitsentscheidung im Fall anzuerkennender wirtschaftlicher Gründe vorsehen. Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 16.12.1960, 6/60 (Humblet), Slg. 1960, 1165 (1185); Urt. v. 19.11.1991, C-6/90 u.a. (Francovich u. a.), Slg. 1991, I-5357, Rz. 36; Urt. v. 21.06.2007, C-231/06 u.a. (Jonkman u.a.), Slg. 2007, I-5149, Rz. 37. Vgl. EuGH, Urt. v. 15.09.2011, C-310/09 (Accor), IStR 2011, 768, Rz. 80. Vgl. Cordewener, DStR 2004, 6 (12); Rust, IStR 2009, 382 (383); Lang, FS Lang, 2010, S. 1003 (1004 f.); ferner: Hey, StuW 2010, 301 (315). Siehe C.I.1.a). Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 09.03.1978, 106/77 (Simmenthal II), Slg. 1978, 629, Rz. 24; Urt. v. 20.10.1993, C-92/92 u.a. (Collins), Slg. 1993, I-5145, Rz. 34; Urt. v. 10.04.2008, C-309/06 (Marks & Spencer), Slg. 2008, I-2283, Rz. 63; Urt. v. 19.11.2009, C-314/08 (Filipiak), Slg. 2009, I-11049, Rz. 81 f. m.w.N.; Urt. v. 12.01.2010, C-341/08 (Petersen), Slg. 2010, I-47, Rz. 80 f.
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oder mit den in dieser Arbeit aufgezeigten Einschränkungen anzuwenden wäre.1035 Im ersteren Fall kämen subsidiär die verdeckte Gewinnausschüttung und verdeckte Einlage zur Anwendung, wobei es zu Besteuerungslücken bei grenzüberschreitenden verdeckten Einlagen käme. Der Steuerpflichtige kann auf Grundlage der Grundfreiheiten aber nur die Einschränkung des § 1 AStG auf das unionsrechtlich zulässige Maß verlangen.1036 Der BFH sieht daher eine geltungserhaltende Reduktion einer partiell unionsrechtswidrigen, belastenden Norm auf das unionsrechtskonforme Maß vor. Die unionsrechtlichen Erfordernisse seien insofern „in die betroffenen Normen hineinzulesen“.1037 Für § 1 AStG würde dies bedeuten, dass erstens die Regelungen, die über den Fremdvergleich hinausgehen, geltungserhaltend auf ein 1035 Vgl. mit dieser Fragestellung auch Jochum, IStR 2006, 621; Ståhl, Intertax 2008, 548 (549); Hey, StuW 2010, 301 (313); Zorn, IStR 2012, 86 (87 f.); ferner: High Court of Justice (Chancery Division), Urt. v. 17.11.2009, [2009] EWHC 2908 (Ch) – Thin Cap, Rz. 91. 1036 Vgl. Ståhl, Intertax 2008, 548 (551); Lang, FS Lang, 2010, S. 1003 (1016 f.; 1029); Hey, StuW 2010, 301 (313 f.); Zorn, IStR 2012, 86 (88, 92); vgl. auch BFH, Urt. v. 29.04.2007, I R 39/04 (Scorpio), BStBl. II 2008, 95 (99): „Eine weiter gehende Rechtswirkung kommt dem prinzipiellen Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts vor nationalem Recht nicht zu”; High Court of Justice (Chancery Division), Urt. v. 17.11.2009, [2009] EWHC 2908 (Ch) – Thin Cap, Rz. 93: „To disapply the provisions in their entirety, even in cases where the transactions constituted the most blatant tax avoidance and had no commercial justification, would go far further than is necessary to protect the claimants’ Community rights”; Österreichischer Verwaltungsgerichtshof, Urt. v. 17.04.2008, 2008/15/0064: „Die Verdrängungswirkung des Gemeinschaftsrechts […] darf also bloß jenes Ausmaß umfassen, das gerade noch hinreicht, um einen gemeinschaftsrechtskonformen Zustand herbeizuführen.“ Vgl. dahingehend auch EuGH, Urt. v. 03.06.2010, C-2/09 (Kalinchev), Slg. 2010, I-4939, Rz. 54. 1037 Vgl. BFH, Urt. v. 09.08.2006, I R 31/01 (CLT-Ufa), BStBl. II 2007, 838 (840); Urt. v. 10.01.2007, I R 87/03 (Gerritse), BStBl. II 2008, 22 (25); Urt. v. 29.04.2007, I R 39/04 (Scorpio), BStBl. II 2008, 95 (98 f.); Urt. v. 22.07.2008, VIII R 101/02 (Jundt), BStBl. II 2010, 265 (267); Urt. v. 21.10.2009, I R 114/08 (Columbus Container Services), BStBl. II 2010, 774 (777); Urt. v. 03.02.2010, I R 21/06 (Glaxo Wellcome), BStBl. II 2010, 692 (696); ferner: Urt. v. 25.08.2009, I R 88/07 u.a., BFH/NV 2009, 2047 (2055); vgl. auch den Vorsitzenden des I. Senats des BFH Gosch, DStR 2007, 1553 (1554 f.); ders., Ubg 2009, 73 (77 f.) sowie FG Niedersachsen, Urt. v. 11.02.2010, 6 K 406/08, IStR 2010, 260 (261); FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 17.03.2010, 1 K 2406/07, DStRE 2010, 802 (806). In ganz ähnlicher Weise geht auch der österreichische Verwaltungsgerichtshof vor, vgl. Urt. v. 17.04.2008, 2008/15/ 0064: „Die Verdrängungswirkung des Gemeinschaftsrechts hat zur Folge, dass die nationale Regelung in jener Gestalt anwendbar bleibt, in der sie nicht mehr im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht steht. Nationales Recht bleibt insoweit unangewendet, als ein Verstoß gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht gegeben ist. Die Verdrängung darf also bloß jenes Ausmaß umfassen, das gerade noch hinreicht, um einen gemeinschaftsrechtskonformen Zustand herbeizuführen. Dabei sind die gemeinschaftsrechtlichen Erfordernisse in das nationale Gesetz ‚hineinzulesen’.“ Vgl. auch Urt. v. 25.10.2011, 2011/15/0070.
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Verrechnungspreisvorschriften
fremdvergleichskonformes Maß zu reduzieren wären und dass zweitens, die Möglichkeit, wirtschaftliche Gründe für eine vom Fremdvergleich abweichende Transaktion vorzubringen, in die Norm „hineingelesen“ werden würde. So hat der BFH bereits im Schlussurteil zur Rs. Columbus Container Services in die §§ 7 ff. AStG die Möglichkeit hineingelesen, wirtschaftliche Gründe für die Zwischenschaltung einer ausländischen Kapitalgesellschaft vorzubringen.1038 Eine geltungserhaltende Reduktion contra legem des § 1 AStG1039 ist jedoch nicht erforderlich. Sinnvoller wäre es § 1 AStG insoweit unangewendet zu lassen, als die Norm über das Erforderliche zur Verhinderung der Umgehung des territorialen Besteuerungsanspruchs hinausgeht. Vergleichbar mit der Schrankenwirkung des Abkommensrechts1040 wäre § 1 AStG dann insoweit unanwendbar, als die Norm über den Fremdvergleich hinausgeht. Läge im Einzelfall ein anzuerkennender wirtschaftlicher Grund vor, wäre § 1 AStG unanwendbar. Die Teilunanwendbarkeit ist auch die bevorzugte Lösung einiger ausländischer Gerichte, wenn eine geltungserhaltende Reduktion contra legem wäre.1041 So hat auch der britische High Court of Justice im Anschlussurteil zur Rs. Thin Cap die britischen Unterkapitalisierungsvorschriften in den Fällen unangewendet gelassen, in denen wirtschaftliche Gründe vorlagen.1042 1038 BFH, Urt. v. 21.10.2009, I R 114/08 (Columbus Container Services), BStBl. II 2010, 774 (777 f.); siehe jetzt auch § 8 Abs. 2 AStG; vgl. wie hier Schönfeld, IStR 2011, 219 (221); ders., IStR 2012, 215 (218 f.); vgl. allgemein auch Hey, DStJG 33 (2010), 139 (174). Der britische Court of Appeal (Civil Division), Urt. v. 22.05.2009, [2009] EWCA Civ 446 – Vodafone 2, Rz. 28 ff. konnte die britischen Hinzurechnungsvorschriften sogar europarechtskonform auslegen, weil diese bereits einen subjektiven Gegenbeweis vorsahen, der teleologisch um die Möglichkeit eines objektiven Gegenbeweises ergänzt wurde, siehe bereits C.I.2.c)cc)(3)(ii)(a) mit Fn. 964. 1039 Siehe bereits C.I.2.c)cc)(3)(ii)(a)(bb). 1040 Siehe B.IV.1. 1041 Vgl. für die britische Rechtsprechung etwa High Court of Justice (Chancery Division), Urt. v. 10.04.2006, [2006] EWHC 811 (Ch) – Marks & Spencer v. Halsey, Rz. 27 ff.; Court of Appeal (Civil Division), Urt. v. 22.05.2009, [2009] EWCA Civ 446 – Vodafone 2, Rz. 61 ff.; High Court of Justice (Chancery Division), Urt. v. 17.11.2009, [2009] EWHC 2908 (Ch) – Thin Cap, Rz. 93 f.; vgl. für die schwedische Rechtsprechung Ståhl, Intertax 2008, 548 ff. Vgl. hingegen – dem Konzept des BFH folgend – den österreichischen Verwaltungsgerichtshof im Urt. v. 17.04.2008, 2008/15/0064; Urt. v. 25.10.2011, 2011/15/0070, siehe oben Fn. 1037. 1042 High Court of Justice (Chancery Division), Urt. v. 17.11.2009, [2009] EWHC 2908 (Ch) – Thin Cap, Rz. 93 f. Nach Auffassung von Justice Henderson müsste zudem die Beweislast für den Nachweis wirtschaftlicher Gründe zurück auf die Finanzverwaltung fallen, weil es für den Steuerpflichtigen schwierig sei, Jahre später noch Nachweise für wirtschaftliche Gründe vorzubringen. Es ist in diesem Fall aber nicht erkennbar, warum es für den Steuerpflichtigen unverhältnismäßig schwer sein sollte, später noch diesen Beweis zu erbringen. Aufgrund der Beweisnähe des Steuerpflichtigen ist es gerechtfertigt, von ihm den subjektiven Nachweis zu verlangen, vgl. auch
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
Diese Lösung führt zwar zum gleichen Ergebnis wie die geltungserhaltende Reduktion,1043 sie zwingt die Gerichte aber nicht das Gesetz contra legem auszulegen,1044 sondern stellt lediglich die konsequente Anwendung des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts dar. Bei begünstigenden Regelungen ist eine teleologische Reduktion bzw. Erweiterung häufig aber unvermeidlich, damit diese auf den grenzüberschreitenden Sachverhalt erstreckt werden können.1045 Dabei sind die Gerichte ggf. auch gezwungen, neues Recht zu schaffen, wenn die begünstigende Regelung aus rein tatsächlichen Gründen nicht eins zu eins auf den grenzüberschreitenden Sachverhalt angewendet werden kann.1046 Aber auch der Teilunanwendbarkeit ist wie der geltungserhaltenden Reduktion mit Jochum1047 entgegenzuhalten, dass sie zu einer gewissen Rechtsunsicherheit führt, da § 1 AStG gegen seinen Wortlaut teilweise unangewendet bliebe. Es könnten nur die Steuerpflichtigen vom Unionsrecht profitieren, die wissen, dass § 1 AStG teilweise unanwendbar ist. Jochum will deswegen belastende Normen wie § 1 AStG generell unangewendet lassen.1048 Darüber hinaus setzt das Konzept der Teilunanwendbarkeit dem Gesetzgeber weniger Anreize, Normen von Anfang an unionsrechtskonform auszugestalten, weil es später zur Durchsetzung der unionsrechtlich gerade noch zulässigen Lösung führt.1049
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Court of Appeal (Civil Division), Urt. v. 18.02.2011, [2011] EWCA Civ 127 – Thin Cap, Rz. 63, 81, 110 [in dieser Sache einstimmig]. Vgl. Thömmes, JbFStR 2010/2011, 31 (91); Sondervotum Justice Arden, in: Court of Appeal (Civil Division), Urt. v. 18.02.2011, [2011] EWCA Civ 127 – Thin Cap, Rz. 110; zumindest von einer Ähnlichkeit ausgehend: High Court of Justice (Chancery Division), Urt. v. 17.11.2009, [2009] EWHC 2908 (Ch) – Thin Cap, Rz. 97. Kritisch: Hey, StuW 2010, 301 (314); vgl. mit „Selbstkritik“ auch den Vorsitzenden des I. Senats des BFH Gosch, DStR 2007, 1553 (1556): „Dass ein solches Vorgehen bis an die Belastbarkeitsgrenzen der Contra legem-Schranke geht und sich rechtsmethodischer Diskurse öffnet, ist freilich nicht zu verkennen“; ders., Ubg 2009, 73 (78): „So ganz wohl ist mir dabei nicht. Vor allem die methodischen Ansätze sind grenzwertig und entspringen eher einer Staatsräson.“ Siehe beispielhaft für die Zinsschranke später C.II.2.d). In einigen Fällen können begünstigende Regelungen auch durch die Nichtanwendung des Tatbestandsmerkmals „Inland“ auf den grenzüberschreitenden Fall erstreckt werden. Vgl. auch Hey, StuW 2010, 301 (314 f.). Dies ist etwa bei den Voraussetzungen für die Anrechnung der ausländischen Körperschaftsteuervorbelastung von Dividenden der Fall, vgl. dazu die Rs. Meilicke u.a. II: EuGH, Urt. v. 30.06.2011, C-262/09 (Meilicke u.a. II), IStR 2011, 551 Jochum, IStR 2006, 621 (623), hier zur möglichen geltungserhaltenden Reduktion der britischen Vorschriften zum group relief in der Rs. Marks & Spencer, siehe dazu C.I.2.c)cc)(2)(i). Vgl. Jochum, IStR 2006, 621 (623). So ist es etwa gängige Rechtsprechung des BGH im Zivilrecht, z.B. die AGBKlauseln eines Unternehmers, die über die Grenzen der §§ 307 ff. BGB hinausgehen, nicht auf das danach gerade noch zulässige Maß geltungserhaltend zu reduzieren, weil
Verrechnungspreisvorschriften
Dennoch ist die teilweise gegenüber der vollständigen Unanwendbarkeit bei partiell unionsrechtswidrigen Normen die vorzuziehende Lösung: Denn erstens kann der Steuerpflichtige unter Berufung auf die Grundfreiheiten nicht mehr als die teilweise Unanwendbarkeit verlangen.1050 Zweitens bestünde die Gefahr, dass der free mover aufgrund der bei vollständiger Unanwendbarkeit drohenden Nichtbesteuerung zum free rider wird. Problematisch sind insofern nicht die Mindereinnahmen des Staates,1051 sondern dass die Nichtbesteuerung des grenzüberschreitend Tätigen gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip verstößt und zu Wettbewerbsverzerrungen gegenüber rein inländisch tätigen Konkurrenten führt. Insofern sind bei der Wahl der richtigen Rechtsfolge auch verfassungsrechtliche Wertungen einzubeziehen.1052 Die Grundfreiheiten schützen zwar nicht vor einer Besserstellung des grenzüberschreitenden Sachverhalts,1053 ihre Verankerung im Binnenmarktprinzip würde aber falsch verstanden werden, wenn diese selbst Wettbewerbsverzerrungen bewirken würden.1054 e)
Zwischenergebnis
Die Prüfung der verschiedenen deutschen Verrechnungspreisvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten fällt unterschiedlich aus. Während noch für alle Vorschriften der Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit eröffnet ist und die übrigen Grundfreiheiten ausscheiden oder verdrängt werden, ist bereits im Rahmen der Diskriminierungs- und Beschränkungsprüfung
1050 1051
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der Unternehmer entgegen dem Schutzkonzept der § 307 ff. BGB ansonsten unbedenklich über deren Anforderungen hinausgehen könnte, vgl. etwa BGH, Urt. v. 10.01.1974, VII ZR 28/72, BGHZ 62, 83 (88 f.); Urt. v. 17.05.1982, VII ZR 316/81, BGHZ 84, 109 (115 f.); Urt. v. 03.05.2006, VIII ZR 243/05, NJW-RR 2006, 1236 (1238) jeweils m.w.N. Siehe bereits oben mit den Nachweisen in Fn. 1036. So aber wohl Gosch, Ubg 2009, 73, 77: „Gewissermaßen kniffliger werden die Probleme der Umsetzung einschlägiger EuGH-Judikate, wenn die unilaterale Rechtsgrundlage wegen des besagten prinzipiellen Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts an sich unanwendbar bleibt, wenn die Folgen einer derartigen Unanwendbarkeit im Ergebnis dann aus Sicht des betreffenden Mitgliedstaates aber doch fatal wären.“ Vgl. auch Lang, FS Lang, 2010, S. 1003 (1011 ff.); Hey, StuW 2010, 301 (307). Siehe bereits zur sog. Inländerdiskriminierung bzw. umgekehrten Diskriminierung C.I.1.b). Siehe zu dieser Argumentation bereits C.I.1.b)bb) und vgl. Kingreen, in: Bogdandy, Europäisches Verfassungsrecht, 2003, S. 631 (660); Englisch, Wettbewerbsgleichheit, 2008, S. 240. Zudem wurde bereits herausgearbeitet, dass insoweit auch vor dem Hintergrund der Grundfreiheiten das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht unbeachtet bleiben kann, siehe C.I.2.c)cc)(2)(ii) und vgl. allgemein van Thiel, EC Tax Rev. 2003, 4 (12 f.); Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 250, 264; Lang/Englisch, in: Amatucci, International Tax Law, S. 251 (255 ff.); Bardini, Intertax 2010, 2 ff. Vor diesem Hintergrund wird es gerade noch hinzunehmen sein, wenn die Gerichte bei der Auslegung des noch unionsrechtskonformen Maßes zur Bestimmung der Teilunanwendbarkeit der nationalen Norm im Zweifel die für den Steuerpflichtigen günstigere Lösung wählen, vgl. dahingehend Ståhl, Intertax 2008, 548 (551).
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
zu differenzieren: § 1 AStG begründet eine Diskriminierung der Niederlassungsfreiheit, da die Norm nur im grenzüberschreitenden Sachverhalt anwendbar ist und diesen mit steuerlichen Nachteilen beschwert. Die im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008 in § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG vorgenommene Regelung des Konkurrenzverhältnisses führt dazu, dass immer dann, wenn § 1 AStG anwendbar ist, die Rechtsfolgen der Norm auch über diejenigen der im vergleichbaren Inlandsfall anwendbaren verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage hinausgehen. Letztere begründen aber keine Diskriminierung, weil sie unterschiedslos im grenzüberschreitenden wie im mitgliedstaatsinternen Sachverhalt gelten. Sie bewirken auch keine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit: Die im grenzüberschreitenden Sachverhalt ggf. auftretende wirtschaftliche Doppelbesteuerung sowie die etwaigen Nachteile des materiellen Korrespondenzprinzips sind letztlich auf die bloße Unterschiedlichkeit der nationalen Steuersysteme zurückzuführen. In der Literatur1055 wurde auch vor dem Hintergrund der Rs. LankhorstHohorst1056 eine Rechtfertigung des § 1 AStG lange Zeit abgelehnt. Eine Rechtfertigung mit der Wahrung der steuerlichen Kohärenz schien ausgeschlossen, weil der EuGH einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen steuerlichen Vor- und Nachteilen bei ein und derselben Person verlangte. Ein Ausgleich der Einkünftekorrektur des § 1 AStG kann jedoch nur durch eine Gegenberichtigung beim gebietsfremden verbundenen Unternehmen erfolgen. Mit der personen- und staatenübergreifenden Betrachtungsweise der Rs. Manninen1057 hat der EuGH die Möglichkeit zur Rechtfertigung des § 1 AStG eröffnet, diese scheitert aber knapp daran, dass im Ausgleichssystem des EUSchÜ nicht sämtliche Zins- und Liquiditätsnachteile rechtssicher ausgeschlossen werden und die Streitbeilegungsverfahren zugleich für die Steuerpflichtigen mit zusätzlichem Verwaltungsaufwand verbunden sind. Auch eine Rechtfertigung des § 1 AStG mit dem Ziel der Verhinderung der Steuerumgehung schien lange Zeit aussichtslos zu sein, da der EuGH am Kriterium der wirtschaftlichen Realität sowie am strengen Typisierungsverbot von Missbrauchsvorschriften festhielt. Der EuGH ist in der jüngeren Rechtsprechung beginnend mit Marks & Spencer1058 aber dazu übergangen, den Rechtfertigungsgrund höher zu gewichten, wenn die Verhinderung der Steuerumgehung 1055 Vgl. exemplarisch Köplin/Sedemund, IStR 2000, 305 (307); Schaumburg, DStJG 24 (2001), 225 (249); Scheurle, IStR 2002, 798 (801 f.); Pohl/Raupach, FS 50 Jahre Deutsches Anwaltsinstitut e.V., 2003, S. 489 (507); Mann, Einkünftekorrekturnormen, 2008, S. 152 ff.; Zech, Verrechnungspreise und Funktionsverlagerungen 2009, 2009, S. 157 ff.; Schenke/Mohr, DStZ 2009, 439 (450). 1056 EuGH, Urt. v. 12.12.2002, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-11779. 1057 EuGH, Urt. v. 07.09.2004, C-319/02 (Manninen), Slg. 2004, I-7477, Rz. 40 ff. Siehe C.I.2.c)bb). 1058 EuGH, Urt. v. 13.12.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837, Rz. 49 ff.
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Verrechnungspreisvorschriften
zugleich das territoriale Besteuerungsrecht eines Mitgliedstaates und somit die Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Staaten wahrt. In Anbetracht dessen hat der EuGH in der Rs. Thin Cap1059 wirtschaftlich reale Lieferungs- und Leistungsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen erstmals auch auf ihre Angemessenheit hin überprüft. Dabei zieht er den Fremdvergleichsgrundsatz heran, um festzustellen, ob eine Lieferungs- und Leistungsbeziehung zur Umgehung des als legitim anerkannten territorialen Besteuerungsrechts führt. Nach der Rs. Thin Cap kann eine Unterkapitalisierungsvorschrift, die nur im grenzüberschreitenden Sachverhalt anwendbar ist, gerechtfertigt werden, wenn sie nicht über den Fremdvergleich hinausgeht und die Möglichkeit zum Nachweis außersteuerlicher Gründe lässt. In der Rs. SGI1060 hat der EuGH diese Rechtsprechung zuletzt auch auf die Verrechnungspreisvorschriften übertragen. Der EuGH berücksichtigt damit das mitgliedstaatliche Interesse an der Besteuerung der im eigenen Hoheitsgebiet erzielten Einkünfte sowie an einer lastengerechten, wettbewerbsneutralen und zwischenstaatlich fairen Besteuerung. Dennoch kann § 1 AStG nach den Grundsätzen dieser Rechtsprechung nicht gerechtfertigt werden: Denn erstens fehlt § 1 AStG jegliche Möglichkeit eines Nachweises außersteuerlicher Gründe. Und zweitens führen die Änderungen der Unternehmensteuerreform 2008 dazu, dass § 1 AStG in vielen Fällen über den Fremdvergleich hinausgehende Korrekturen vorsieht – etwa beim Ansatz des Medians, des wahrscheinlichsten Werts oder des Mittelwerts sowie bei nachträglichen Preisanpassungen. Als Rechtsfolge dieses Verstoßes gegen die Niederlassungsfreiheit wäre § 1 AStG insoweit unanwendbar. In der Fassung vor der Unternehmensteuerreform 2008 hätte § 1 AStG bereits vollumfänglich gerechtfertigt werden können, wenn eine angemessene Möglichkeit zum Nachweis außersteuerlicher Gründe geschaffen worden wäre. Die Bedeutung der noch vor Erlass der Unternehmensteuerreform 2008 entschiedenen Rs. Thin Cap für die Verrechnungspreiskorrektur hatte der Gesetzgeber offensichtlich nicht erkannt. Das Urteil in der Rs. SGI macht den Anpassungsbedarf des § 1 AStG jetzt offenkundig.
3.
Verrechnungspreiskorrektur de lege ferenda
Im Folgenden soll daher noch der Frage nachgegangen werden, wie der Gesetzgeber eine grundfreiheitskonforme Verrechnungspreiskorrektur ausgestalten könnte.
1059 EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 80-83; bestätigt im Urt. v. 17.01.2008, C-105/07 (Lammers & Van Cleef), Slg. 2008, I-173, Rz. 29 f. 1060 EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 71 ff.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
Nach der vorgehenden Analyse erscheint die Anpassung des § 1 AStG an die Vorgaben der Rs. Thin Cap1061 und SGI1062, um dementsprechend eine Rechtfertigung mit den Zielen der Verhinderung der Steuerumgehung und der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zu gewährleisten, als die naheliegendste Lösung. Diese würde es jedenfalls erlauben, unter Beibehaltung der bestehenden Strukturen, § 1 AStG in Einklang mit Unionsrecht zu bringen. Dazu müsste § 1 AStG erstens ohne übermäßige Verwaltungsauflagen eine Möglichkeit zum Nachweis außersteuerlicher Gründe für die Preisvereinbarung vorsehen.1063 Nach hier vertretener Auffassung würde es ausreichen, diese Möglichkeit auf die zinsgünstige Darlehensvergabe zur Rettung einer Not leidenden Konzerngesellschaft zu begrenzen.1064 Die Einschnitte in das Recht Deutschlands, die auf seinem Hoheitsgebiet erzielten Einkünfte zu besteuern, wären überschaubar. Zweitens dürfte die Einkünftekorrektur des § 1 AStG nicht mehr über den – hier grundfreiheitlich auszulegenden – Fremdvergleichsgrundsatz hinausgehen.1065 Eine Anerkennung der Schrankenwirkung der DBA wäre vor diesem Hintergrund nicht ausreichend.1066 Es würde aber genügen, die Änderungen des § 1 AStG durch die Unternehmensteuerreform 2008 zurückzunehmen.1067 Bei deren Beibehaltung wären ungeachtet der Bestimmungen über die Funktionsverlagerung1068 zumindest § 1 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 AStG (Fiktion der Informationstransparenz) sowie Abs. 3 Sätze 4, 7 und 8 (Ansatz des
1061 EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, siehe C.I.2.c)cc)(2)(ii). 1062 EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, siehe C.I.2.c)cc)(2)(iii). 1063 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 82; Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 71. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen müsste die Finanzverwaltung im Einzelfall prüfen und dürfte dem Steuerpflichtigen keine übermäßigen Informationspflichten auferlegen. Siehe dazu C.I.2.c)cc)(1)(i). 1064 Siehe C.I.2.c)cc)(3)(ii)(a). 1065 Siehe zur Auslegung des Fremdvergleichs anhand der Aspekte der Missbräuchlichkeit und der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse C.I.2.c)cc)(2)(ii) und C.I.2.c)cc)(3)(ii)(b). 1066 Würden sich die Fremdvergleichsmaßstäbe der Grundfreiheiten und der DBA entsprechen, wäre m.E. die Einwirkung der DBA auf das nationale Recht entsprechend der ständigen Rechtsprechung des EuGH zu berücksichtigen, vgl. EuGH, Urt. v. 19.01.2006, C-265/04 (Bouanich), Slg. 2006, I-923, Rz. 51; GA Geelhoed, SchlA v. 23.02.2006, C-374/04 (ACT), Slg. 2006, I-11673, Rz. 71; Urt. v. 13.03.2007, C524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 54; Urt. v. 08.11.2007, C-379/05 (Amurta), Slg. 2007, I-9569, Rz. 80. Siehe C.I.2.b)aa)(1)(ii)(b). 1067 Siehe C.I.2.e). 1068 Siehe § 1 Abs. 3 Sätze 9 und 10 AStG. Diese sind nicht Gegenstand dieser Arbeit, siehe in der Einleitung. Vgl. mit unionsprimärrechtlicher Wertung dieser Vorschriften etwa Hammerschmitt/Rehfeld, IWB 2008, Fach 3 Gruppe 1, 2293 ff.; Rolf, IStR 2009, 152 ff.; Schön, JbFStR 2009/2010, 43 (76 f.); ders., FS Herzig, 2010, S. 231 ff.; Glahe, IStR 2010, 870 (872 ff.).
304
Verrechnungspreisvorschriften
Medians, des wahrscheinlichsten Werts bzw. des Mittelwerts) ersatzlos zu streichen. Zudem wäre § 1 Abs. 3 Sätze 11 und 12 AStG sowie die FVerlV dahingehend abzuändern, dass nachträgliche Preisanpassungen nur vorgenommen werden, soweit fremde Dritte dies auch getan hätten.1069 Von den Änderungen der Unternehmensteuerreform 2008 verbliebe damit die in § 1 Abs. 3 AStG kodifizierte Konkretisierung des Fremdvergleichs, die aus Gründen der Rechtssicherheit durchaus zu begrüßen ist. Zur Vermeidung einer internationalen wirtschaftlichen Doppelbesteuerung wäre es zudem anzuraten, die Vorgaben zur Wahl der anzuwendenden Verrechnungspreismethode an die OECD-RL 2010 anzupassen.1070 Dem Gesetzgeber stehen neben einer Rechtfertigung mit den Zielen der Verhinderung der Steuerumgehung und der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse jedoch noch weitere Lösungsmöglichkeiten zur Verfügung: Eine Begrenzung des § 1 AStG auf Drittstaatenfälle oder die Ausweitung auf den Inlandsfall sind nach Erlass der Rs. Thin Cap und SGI nicht mehr erforderlich und erscheinen gegenüber einer entsprechenden Rechtfertigung als klar nachteilig. Die Begrenzung auf Drittstaatenfälle würde hinsichtlich der verdeckten Einlage nämlich zu Besteuerungslücken führen, die eine wettbewerbsneutrale und lastengleiche Besteuerung unterlaufen würden.1071 Die Ausweitung auf den Inlandsfall wäre vor diesem Hintergrund zwar nicht schlechthin das von GA Geelhoed beschriebene „Anathema für den Binnenmarkt“1072 und könnte im Inlandsfall auch gewerbesteuerlich motivierte Gewinnverlagerungen verhindern, dies würde aber zu einer Verkomplizierung des Steuerrechts führen.1073 Denn dann müssten auch im Inlandsfall Einlagen zum Fremdvergleich bewertet, inländische Funktionsverlagerungen zur Transferpaketbewertung1074 be1069 Vgl. insofern C.I.2.c)cc)(3)(ii)(b). 1070 Siehe auch B.I.1.d)cc) und B.I.2.c)bb)(1). Zwar kann aus grundfreiheitlichen Gründen die Bandbreitenbetrachtung der OECD-RL 2010, Tz. 3.55 ff. nach hier vertretener Auffassung nicht vollständig umgesetzt werden, siehe C.I.2.c)cc)(3)(ii)(b). Der andere Vertragsstaat wird in aller Regel aber auf eine höhere Gegenberichtigung verzichten, um eine teilweise doppelte Nichtbesteuerung zu vermeiden. 1071 § 1 AStG ist gerade in den Fällen erforderlich, in denen die verdeckte Einlage mangels eines einlagefähigen Wirtschaftsguts nicht anwendbar ist oder aufgrund des Teilwertmaßstabs den Korrekturspielraum des Fremdvergleichs nicht ausschöpft. Siehe bereits C.I.2.c)cc)(3)(ii)(b) und C.I.2.e). Vgl. Kaminski, StuW 2008, 337 (345 f.); ferner: Mann, Einkünftekorrekturnormen, 2008, S. 254. 1072 GA Geelhoed, SchlA v. 29.06.2006, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 68, siehe bereits C.I.2.c)cc)(1)(ii) und C.I.2.c)cc)(2)(iv). 1073 Vgl. Wassermeyer, IStR 2001, 113; ders., IStR 2001, 633 (637); Rasch/Nakhai, DB 2005, 1984 (1989); Naumann u.a., IStR 2009, 665 (668); Perdelwitz, ITPJ 2009, 41 (44); ferner: Rehm/Nagler, IStR 2008, 421 (425). Vgl. auch Thiel, DB 2004, 2603 (2607): „Steuerchaos“. 1074 Siehe § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG. Die Transferpaketbewertung dürfte durch die jüngst in Satz 10 Halbsatz 2 im Rahmen des Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher EU-
305
Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
steuert und Verrechnungspreise für immaterielle Wirtschaftsgüter nachträglich angepasst werden.1075 Zudem könnte der in vielen Fällen höhere Korrekturbetrag des § 1 AStG im Inlandsfall nicht äquivalent durch die verdeckte Gewinnausschüttung und verdeckte Einlage gegenberichtigt werden.1076 Eine durchaus in Erwägung zu ziehende Alternative wäre die Einführung einer einheitlichen Verrechnungspreisvorschrift in § 8 Abs. 3 KStG, die in grenzüberschreitenden und innerstaatlichen Sachverhalten zugunsten wie zulasten der Steuerpflichtigen Korrekturen anhand des Fremdvergleichs vorsieht.1077 Diese Lösung würde den Prinzipien der Wettbewerbsgleichheit und der gleichmäßigen Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit wohl am besten gerecht werden. Die bestehenden Strukturen könnten dabei weitgehend erhalten bleiben, wenn die verdeckte Einlage symmetrisch zur verdeckten Gewinnausschüttung ausgestaltet werden würde. Das grundfreiheitliche Diskriminierungsverbot wäre dabei auch beachtet, wenn der Gesetzgeber § 1 Abs. 3 AStG in § 8 Abs. 3 KStG überführen würde. Um eine internationale wirtschaftliche Doppelbesteuerung und die Schrankenwirkung des Art. 9 OECD-MA zu vermeiden, sollte die Regelung aber an Art. 9 und die OECDRL 2010 angepasst werden.1078 Der Gesetzgeber könnte über § 90 Abs. 3 AO weiterhin spezielle Dokumentationsvorschriften für den grenzüberschreitenden Fall vorsehen, diese müssten aber dem grundfreiheitlichen Verhältnismäßigkeitsgebot entsprechen. Ein letzter denkbarer Lösungsweg bestünde für den Gesetzgeber darin, § 1 AStG beizubehalten, aber eine Rechtfertigung mit dem Ziel der Wahrung der steuerlichen Kohärenz zu begründen. Diese scheitert bisher vor allem daran, dass Zins- und Liquiditätsnachteile im Rahmen des Verständigungs- und Schiedsverfahrens nach dem EU-SchÜ verbleiben.1079 Um diese zu beseitigen
1075 1076 1077 1078
1079
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Vorgaben (BGBl. I 2010, 386) eingeführte Ausnahme aber selten geworden sein, vgl. BR-Drs. 107/4/10, S. 2; Glahe, IStR 2010, 870 (873 m.w.N.). Zur Vermeidung einer Diskriminierung müssten zudem die Dokumentationsanforderungen des § 90 Abs. 3 AO auf den Inlandsfall ausgeweitet werden. Dies wäre speziell vor dem Hintergrund des Leistungsfähigkeitsprinzips kritisch zu beurteilen, vgl. Kaminski, StuW 2008, 337 (346) = FS Djanani, 2008, S. 129 (152). Vgl. auch Mann, Einkünftekorrekturnormen, 2008, S. 257 ff.; ferner: Borstell/Brüninghaus/Dworaczek, IStR 2001, 757 (760); Rasch/Nakhai, DB 2005, 1984 (1989). Dies würde insbesondere die Vorschriften zur Methodenwahl sowie zu Bandbreiten von Verrechnungspreisen betreffen. Aufgrund des nichtdiskriminierenden Charakters eines § 8 Abs. 3 KStG könnte auch die restriktive Bandbreitenbetrachtung der OECDRL 2010, Tz. 3.25 ff. übernommen werden, ohne Gefahr zu laufen, gegen die Grundfreiheiten zu verstoßen. Zu Bedenken wäre jedoch, dass diese Regelungen nach hier vertretener Auffassung vom Wortlaut des Art. 9 OECD-MA nicht gedeckt sind. Siehe näher B.IV.1.a)bb). Siehe C.I.2.c)bb)(2)(iii).
Zinsschranke
könnte der bisher nur im Verhaltenskodex1080 vorgesehene Steueraufschub rechtsverbindlich in das EU-SchÜ integriert werden. Es würde aber auch ausreichen, diesen unilateral zu kodifizieren.1081 Ob der EuGH dann aber den verbleibenden Zeit- und Kostenaufwand des Steuerpflichtigen in den Verständigungs- und Schiedsverfahren sowie den höheren Verwaltungs- und Dokumentationsaufwand1082 der Einkünftekorrektur in Abwägung mit den mitgliedstaatlichen Interessen als gerechtfertigt ansehen würde, erscheint mehr als fraglich. Rechtssicherheit könnte hier erst nach einer entsprechenden Entscheidung des EuGH bestehen.
II.
Zinsschranke
Mit der Zinsschranke der §§ 4h EStG, 8a KStG hat der deutsche Gesetzgeber ein komplett neues, international in dieser Form weitgehend unbekanntes Konzept zur Bekämpfung von Unterkapitalisierungen gewählt, das sich teilweise nur schwer in das bestehende Recht einfügt.1083 In der Literatur wird daher anders als bei den Verrechnungspreisvorschriften nicht nur die Vereinbarkeit der Zinsschranke mit primärem Unionsrecht in Frage gestellt1084, sondern auch mit sekundärem Unionsrecht1085 sowie mit deutschem Verfassungsrecht1086. Zur Klärung dieser Fragestellungen sind wiederum zunächst allge1080 Überarbeiteter Verhaltenskodex zur wirksamen Durchführung des EU-SchÜ v. 30.12.2009, ABl. 2009 C 322, 1, Tz. 8. 1081 Etwa im Gesetz oder einer Verordnung. Die Rechtsverbindlichkeit ist notwendig, um den abstrakten Vorteilsausgleich im Rahmen der Kohärenz zu garantieren, siehe C.I.2.c)bb)(2)(iii). 1082 Ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand besteht nur in den Fällen, in denen im vergleichbaren Inlandsfall die verdeckte Einlage mangels eines einlagefähigen Wirtschaftsguts keine Anwendung findet sowie in den Fällen der nachträglichen Preisanpassung, § 1 Abs. 3 Sätze 11 und 12 AStG. Der zusätzliche Dokumentationsaufwand besteht nach § 90 Abs. 3 AO immer. Siehe C.I.2.c)cc)(3)(iii)(b). 1083 Siehe B.II.2., B.III. und B.IV.1.b). 1084 Vgl. etwa Führich, IStR 2007, 341 ff.; Kraft/Bron, EWS 2007, 487 ff.; Homburg, FR 2007, 717 (723 ff.); Dörr/Fehling, NWB 2007, Fach 2, 9375 (9378 f.); Musil/Volmering, DB 2008, 12 (15 f.); Hey, FS Djanani, 2008, S. 109 (112 ff.); Shou, Die Zinsschranke im Unternehmensteuerreformgesetz 2008, 2010, S. 109 ff.; a.A.: Geeb, Gesellschafter-Fremdfinanzierung, 2007, S. 289 ff., Download unter: http://d-nb.info/ 989683397/34. 1085 Vgl. etwa Homburg, FR 2007, 717 (725); Kraft/Bron, EWS 2007, 487 (491 f.); Goebel/Jacobs, IStR 2009, 87 (92); Leitner, FS Schaumburg, 2009, S. 889 (900); Shou, Die Zinsschranke im Unternehmensteuerreformgesetz 2008, 2010, S. 140 ff.; a.A.: Mössner, in: Lüdicke, Unternehmensteuerreform 2008 im internationalen Umfeld, 2008, S. 1 (50 ff.); Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 8a KStG, Rz. 8 (Stand: 11.2008); Führich, Ubg 2009, 30 (38); Bohn, Zinsschranke, 2009, S. 90 ff.; Seiler, in: Kirchhof, EStG, 11. Aufl. 2012, Rz. 6 mit Fn. 1. 1086 Vgl. etwa Hey, BB 2007, 1303 (1304 f.); dies., FS Djanani, 2008, S. 109 (122); Hallerbach, StuB 2007, 481 (492); Seer, JbFStR 2007/2008, 9 (12); Musil/Volmering,
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Zinsschranke
könnte der bisher nur im Verhaltenskodex1080 vorgesehene Steueraufschub rechtsverbindlich in das EU-SchÜ integriert werden. Es würde aber auch ausreichen, diesen unilateral zu kodifizieren.1081 Ob der EuGH dann aber den verbleibenden Zeit- und Kostenaufwand des Steuerpflichtigen in den Verständigungs- und Schiedsverfahren sowie den höheren Verwaltungs- und Dokumentationsaufwand1082 der Einkünftekorrektur in Abwägung mit den mitgliedstaatlichen Interessen als gerechtfertigt ansehen würde, erscheint mehr als fraglich. Rechtssicherheit könnte hier erst nach einer entsprechenden Entscheidung des EuGH bestehen.
II.
Zinsschranke
Mit der Zinsschranke der §§ 4h EStG, 8a KStG hat der deutsche Gesetzgeber ein komplett neues, international in dieser Form weitgehend unbekanntes Konzept zur Bekämpfung von Unterkapitalisierungen gewählt, das sich teilweise nur schwer in das bestehende Recht einfügt.1083 In der Literatur wird daher anders als bei den Verrechnungspreisvorschriften nicht nur die Vereinbarkeit der Zinsschranke mit primärem Unionsrecht in Frage gestellt1084, sondern auch mit sekundärem Unionsrecht1085 sowie mit deutschem Verfassungsrecht1086. Zur Klärung dieser Fragestellungen sind wiederum zunächst allge1080 Überarbeiteter Verhaltenskodex zur wirksamen Durchführung des EU-SchÜ v. 30.12.2009, ABl. 2009 C 322, 1, Tz. 8. 1081 Etwa im Gesetz oder einer Verordnung. Die Rechtsverbindlichkeit ist notwendig, um den abstrakten Vorteilsausgleich im Rahmen der Kohärenz zu garantieren, siehe C.I.2.c)bb)(2)(iii). 1082 Ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand besteht nur in den Fällen, in denen im vergleichbaren Inlandsfall die verdeckte Einlage mangels eines einlagefähigen Wirtschaftsguts keine Anwendung findet sowie in den Fällen der nachträglichen Preisanpassung, § 1 Abs. 3 Sätze 11 und 12 AStG. Der zusätzliche Dokumentationsaufwand besteht nach § 90 Abs. 3 AO immer. Siehe C.I.2.c)cc)(3)(iii)(b). 1083 Siehe B.II.2., B.III. und B.IV.1.b). 1084 Vgl. etwa Führich, IStR 2007, 341 ff.; Kraft/Bron, EWS 2007, 487 ff.; Homburg, FR 2007, 717 (723 ff.); Dörr/Fehling, NWB 2007, Fach 2, 9375 (9378 f.); Musil/Volmering, DB 2008, 12 (15 f.); Hey, FS Djanani, 2008, S. 109 (112 ff.); Shou, Die Zinsschranke im Unternehmensteuerreformgesetz 2008, 2010, S. 109 ff.; a.A.: Geeb, Gesellschafter-Fremdfinanzierung, 2007, S. 289 ff., Download unter: http://d-nb.info/ 989683397/34. 1085 Vgl. etwa Homburg, FR 2007, 717 (725); Kraft/Bron, EWS 2007, 487 (491 f.); Goebel/Jacobs, IStR 2009, 87 (92); Leitner, FS Schaumburg, 2009, S. 889 (900); Shou, Die Zinsschranke im Unternehmensteuerreformgesetz 2008, 2010, S. 140 ff.; a.A.: Mössner, in: Lüdicke, Unternehmensteuerreform 2008 im internationalen Umfeld, 2008, S. 1 (50 ff.); Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 8a KStG, Rz. 8 (Stand: 11.2008); Führich, Ubg 2009, 30 (38); Bohn, Zinsschranke, 2009, S. 90 ff.; Seiler, in: Kirchhof, EStG, 11. Aufl. 2012, Rz. 6 mit Fn. 1. 1086 Vgl. etwa Hey, BB 2007, 1303 (1304 f.); dies., FS Djanani, 2008, S. 109 (122); Hallerbach, StuB 2007, 481 (492); Seer, JbFStR 2007/2008, 9 (12); Musil/Volmering,
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
mein die Vorgaben dieser höherrangigen Rechtsmaßstäbe herauszuarbeiten. Hinsichtlich des primären Unionsrechts kann bereits auf die obigen Ausführungen1087 verwiesen werden. Unionssekundärrechtlich ist nur die ZinsLizenzgebühr-Richtlinie (ZLRL)1088 relevant; ein Verstoß gegen die MutterTochter-Richtlinie (MTRL)1089 kommt bei der Zinsschranke mangels Umqualifikation in Dividenden nicht in Betracht.
1.
Vorgaben höherrangigen Rechts
a)
Sekundäres Unionsrecht: Die Zins-Lizenzgebühr-Richtlinie
Die ZLRL wurde nach zunächst zwei gescheiterten Richtlinien-Entwürfen1090 im Jahr 2003 verabschiedet.1091 Als Unionssekundärrecht genießt sie wie das Primärrecht Vorrang vor nationalem Recht.1092 Die Zinsschranke ist daher auch an den sekundärrechtlichen Vorgaben des Unionsrechts zu messen. Zwar richtet sich die ZLRL als Richtlinie mit einer Umsetzungsverpflichtung unmittelbar nur an die Mitgliedstaaten,1093 nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH kann sich jedoch auch der Steuerpflichtige auf die Bestimmungen einer Richtlinie berufen, wenn diese inhaltlich unbedingt und hinreichend genau und von einem Mitgliedstaat nicht fristgemäß oder unzulänglich umgesetzt worden
1087 1088 1089 1090 1091
1092 1093
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DB 2008, 12 (14); Lang, FS Reiß, 2008, S. 379 (389); Shou, Die Zinsschranke im Unternehmensteuerreformgesetz 2008, 2010, S. 47 ff.; a.A.: BT-Drs. 16/4835, S. 1; Amler, Direkte Steuern, EG-Grundfreiheiten und die deutsche Unternehmensteuerreform, 2009, S. 306; Nawrath, DStR 2009, 1 (3). Siehe für weitere Nachweise Fn. 1645. Siehe C.I.1. Richtlinie 2003/49/EG v. 03.07.2003, ABl. 2003 L 157, 49, zuletzt geändert durch Richtlinie 2006/98/EG v. 20.11.2006, ABl. 2006 L 363, 129. Richtlinie 2011/96/EU v. 30.11.2011, ABl. 2011 L 345, 8; ehemals Richtlinie 90/435/EWG v. 23.07.1990, ABl. 1990 L 225, 6 mit Änderungsrichtlinien. Vgl. Kommission v. 24.01.1991, KOM(1990) 571 endg.; v. 10.06.1993, KOM(1993) 196 endg. Die ZLRL wurde später noch durch drei Richtlinien zur Berücksichtigung der Beitritte neuer Mitgliedstaaten geändert, vgl. Richtlinie 2004/66/EG v. 26.04.2004, ABl. 2004 L 168, 35 u. 67; Richtlinie 2004/76/EG v. 29.04.2004, ABl. 2004 L 195, 33 u. 106 und Richtlinie 2006/98/EG v. 20.11.2006, ABl. 2006 L 363, 129. Die Kommission hat am 11.11.2011 einen Vorschlag für eine Neufassung der ZLRL vorgelegt, der eine Konsolidierung der Richtlinie 2003/49/EG und ihrer Änderungsrichtlinien sowie eine Erweiterung der Liste der unter die Richtlinie fallenden Gesellschaften, die Reduzierung von Beteiligungsanforderungen und die Einführung einer sog. „subject-to-tax-clause“ in Art. 1 Abs. 1 ZLRL vorsieht, siehe Kommission v. 11.11.2011, KOM(2011) 714 endg. Ein früherer Änderungsvorschlag der Kommission v. 30.12.2003, KOM(2003) 841 endg. war zuvor zurückgezogen worden. Vgl. zur Entstehungsgeschichte der ZLRL auch Kommission v. 04.03.1998, KOM(1998) 67 endg., S. 2 ff.; Terra/Wattel, European Tax Law, 5. Aufl. 2008, S. 610 ff. Siehe C.I.1.a) mit Fn. 24. Siehe Art. 11 ZLRL.
Zinsschranke
sind.1094 Die ZLRL ist inhaltlich unbedingt und hinreichend genau.1095 Sie wurde in Deutschland in den §§ 50g und 50h EStG umgesetzt,1096 jedoch müssen auch andere Normen, wie etwa die Zinsschranke, mit diesen Vorgaben in Einklang stehen. Nach Art. 11 OECD-MA werden Zinserträge grundsätzlich im Ansässigkeitsstaat des Empfängers der Zinszahlungen versteuert, der andere Staat hat aber das Recht, eine Quellensteuer in Höhe von bis zu 10% zu erheben. Viele DBA sehen auch eine niedrigere oder gar keine Quellensteuer vor.1097 Eine Quellensteuer ist zwar anzurechnen, das Anrechnungsverfahren kann aber nicht in allen Fällen eine Doppelbesteuerung vermeiden1098 und ist mit zusätzlichem Verwaltungsaufwand sowie oftmals mit Zins- und Liquiditätsnachteilen verbunden. Diese Nachteile sollen durch die ZLRL ausgeschlossen und eine Benachteiligung von grenzüberschreitenden gegenüber innerstaatlichen Zinsund Lizenzzahlungen beseitigt werden.1099 Dazu sieht Art. 1 Abs. 1 ZLRL vor, dass der Quellenstaat auf jegliche Steuererhebung verzichtet: „In einem Mitgliedstaat angefallene Einkünfte in Form von Zinsen oder Lizenzgebühren werden von allen in diesem Staat darauf erhebbaren Steuern – unabhängig davon, ob sie an der Quelle abgezogen oder durch Veranlagung erhoben werden – befreit, sofern der Nutzungsberechtigte der Zinsen oder Lizenzgebühren ein Unternehmen eines anderen Mitgliedstaats oder eine in einem anderen Mitgliedstaat belegene Betriebsstätte eines Unternehmens eines Mitgliedstaats ist.“
1094 Vgl. EuGH, Urt. v. 19.11.1991, C-6/90 u.a. (Francovich u. a.), Slg. 1991, I-5357, Rz. 11; Urt. v. 11.07.2002, C-62/00 (Marks & Spencer), Slg. 2002, I-6325, Rz. 25; Urt. v. 05.10.2004, C-397/01 u.a. (Pfeiffer u. a.), Slg. 2004, I-8835, Rz. 103; Urt. v. 12.02.2009, C-138/07 (Cobelfret), Slg. 2009, I-731, Rz. 58; Urt. v. 14.01.2010, C471/07 u.a. (AGIM u.a.), Slg. 2010, I-113, Rz. 26. 1095 Vgl. BFH, Bschl. v. 27.05.2009, I R 30/08, IStR 2009, 780 (782); BMF v. 26.04.2004, BStBl. I 2004, 479; vgl. implizit auch EuGH, Urt. v. 21.07.2011, C-397/09 (Scheuten Solar Technology), IStR 2011, 590, Rz. 20 ff.; vgl. aus der Literatur: Kessler/Eicker/Schindler, IStR 2004, 678; Kraft/Bron, EWS 2007, 487 (491); Goebel/Jacobs, IStR 2009, 87 (89 ff.); Helminen, EU Tax Law, 2009, S. 151; Englisch, in: Lang u.a., ECJ: Recent Developments in Direct Taxation 2009, 2010, S. 79 (104 f.); Hiller, Zinsschranke, S. 38 f.; a.A. wohl Oliver, Intertax 1999, 204 (206). 1096 Die Umsetzung erfolgte rückwirkend zum 31.12.2003 durch das EG-AmtshilfeAnpassungsgesetz v. 02.12.2004, BGBl. I 2004, 312. Vgl. zur Umsetzung etwa Dörr, IStR 2005, 109 ff.; IBFD, Survey on the Implementation of the EC Interest and Royalty Directive, 2005, S. 259 ff., Download unter: http://ec.europa.eu/taxation_customs/ resources/documents/common/publications/studies/IR_dir_de.pdf; Cordewener/Dörr, GRUR Int. 2006, 447, (448 f.). 1097 Siehe bereits A.II. mit den Nachweisen in Fn. 28. 1098 Zu nennen ist hier insbesondere der Fall eines Anrechnungsüberhangs. 1099 Siehe die Erwägungsgründe 1-4 der ZLRL; vgl. Kommission v. 04.03.1998, KOM(1998) 67 endg., S. 3.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
Die ZLRL nimmt damit eine vom OECD-MA abweichende Aufteilung der Steuerhoheit vor und weist dem Ansässigkeitsstaat des Zahlungsempfängers das alleinige Besteuerungsrecht zu.1100 Vom sachlichen Anwendungsbereich der ZLRL werden Zins- und Lizenzzahlungen erfasst, wobei Zinsen weit als „Einkünfte aus Forderungen jeder Art“ definiert werden.1101 Die ZLRL weist jedoch einen engen subjektiven Anwendungsbereich auf: Sie gilt nach Art. 1 Abs. 7 ZLRL nur für Zins- und Lizenzzahlungen zwischen verbundenen Unternehmen. Dabei werden nur Zahlungen zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften erfasst, zwischen denen eine unmittelbare Beteiligung von mindestens 25% besteht, sowie Zahlungen zwischen zwei Schwestergesellschaften, deren gemeinsame Muttergesellschaft an beiden eine derartige Beteiligung hält.1102 Zahlungen zwischen bloß mittelbar verbundenen Unternehmen, wie etwa zwischen Mutter- und Enkelgesellschaft, werden nicht begünstigt.1103 Dies könnte sich erst in Zukunft ändern, wenn der von der Kommission am 11.11.2011 vorgelegte Vorschlag für eine Neufassung der ZLRL umgesetzt wird, der neben der Erweiterung auf mittelbare Beteiligungen zudem eine Herabsetzung der Beteiligungsschwelle auf 10% vorsieht.1104 Auch nach der aktuellen ZLRL werden aber Zahlungen an die in einem Mitgliedstaat ansässige Betriebsstätte eines verbundenen Unternehmens erfasst.1105 Die verbundenen Unternehmen müssen ferner in einem Mitgliedstaat ansässig sein,1106 dort der Körperschaftsteuer unterliegen1107 und
1100 Vgl. dazu kritisch Hey, FS Schaumburg, 2009, S. 767 (776). 1101 Siehe Art. 2 lit. a ZLRL. Siehe zur ebenfalls weiten Definition von Lizenzgebühren Art. 2 lit. b ZLRL. 1102 Siehe Art. 3 lit. b ZLRL. 1103 Vgl. Distaso/Russo, ET 2004, 143 (145 f); Dautzenberg, BB 2004, 17 (18); Köhler, DStR 2005, 227 (230 f.); Terra/Wattel, European Tax Law, 5. Aufl. 2008, S. 617; Helminen, EU Tax Law, 2009, S. 169; kritisch: Kommission v. 17.04.2009, KOM(2009) 179 endg., S. 10 f. 1104 Siehe Kommission v. 11.11.2011, KOM(2011) 714 endg., S. 21. 1105 Siehe Art. 1 Abs. 1 und 8 ZLRL. Die Betriebsstätte wird aber nur als Zahler von Zinsen und Lizenzgebühren behandelt, sofern diese Zahlungen in ihrem Ansässigkeitsstaat als Betriebsausgabe abzugsfähig sind, siehe Art. 1 Abs. 3 ZLRL. Eine Betriebsstätte wird in Anlehnung an Art. 5 Abs. 1 OECD-MA in Art. 3 lit. c ZLRL definiert als „feste Geschäftseinrichtung in einem Mitgliedstaat, in der die Tätigkeit eines Unternehmens eines anderen Mitgliedstaats ganz oder teilweise ausgeführt wird.“ 1106 Im Fall der Zahlung zwischen Schwestergesellschaften setzt der Wortlaut der ZLRL jedoch nicht die Ansässigkeit der gemeinsamen Muttergesellschaft in der EU voraus, vgl. Terra/Wattel, European Tax Law, 5. Aufl. 2008, S. 618; Helminen, EU Tax Law, 2009, S. 169; a.A.: Distaso/Russo, ET 2004, 143 (146); Kommission v. 17.04.2009, KOM(2009) 179 endg., S. 8. In der Schweiz ansässige verbundene Unternehmen werden über das zur ZLRL fast inhaltsgleiche EU-Zinsabkommen mit der Schweiz v. 26.10.2004, ABl. 2004 L 385, 30 begünstigt, vgl. dazu Dörr, IStR 2005, 583 (584 ff.); Eicker/Obser, EC Tax Rev. 2006, 134 ff.
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Zinsschranke
eine im Anhang der ZLRL aufgeführte Rechtsform1108 aufweisen.1109 Unternehmen mit anderer Rechtsform können aber ggf. über die Grundfreiheiten eine Gleichbehandlung mit einer vergleichbaren ansässigen Kapitalgesellschaft verlangen, die keine Steuer gezahlt hätte.1110 Art. 1 Abs. 1 ZLRL setzt ferner voraus, dass der Zahlungsempfänger die Zahlungen als Nutzungsberechtigter zu eigenen Gunsten und nicht nur als Zwischenträger erhält.1111 Auf diese Weise soll verhindert werden, dass nicht von der ZLRL erfasste Personen durch eine missbräuchliche Zwischenschaltung von Gesellschaften die Vorteile der Richtlinie erhalten.1112 Die Mitgliedstaaten können den Anwendungsbereich der ZLRL durch optionale Regelungen weiter einschränken. So kann gemäß Art. 1 Abs. 10 ZLRL die Steuerfreiheit im Quellenstaat davon abhängig gemacht werden, dass die Beteiligung der Mutter- an der bzw. den Tochtergesellschaft(en) ununterbrochen seit mindestens zwei Jahren besteht. Quellenstaaten können ferner verlangen, dass die Unternehmen selbst nachweisen, dass die wesentlichen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung vorliegen.1113 Einige Mitgliedstaaten können für eine Übergangszeit sogar ganz von der Anwendung des Art. 1 ZLRL absehen und in begrenzter Höhe Quellensteuern erheben.1114 Weiterhin 1107 Art. 3 lit. a sublit. iii. ZLRL listet die für jeden Mitgliedstaat relevante Unternehmenssteuer auf, erfasst werden jedoch auch „weitestgehend ähnlich[e] Steuern“. 1108 Im Anhang werden für jeden Mitgliedstaat bestimmte Rechtsformen für Kapitalgesellschaften genannt, für Deutschland die AG, die KGaA und die GmbH. Weitere Rechtsformen, u.a. die SE, sollen im Rahmen einer von der Kommission vorgeschlagenen Neufassung der ZLRL eingeführt werden, siehe Kommission v. 11.11.2011, KOM(2011) 714 endg., S. 28 ff. Eine SE kann jedoch bereits heute aufgrund Art. 10 EG-Verordnung 2157/2001 v. 08.10.2001, ABl. 2001 L 294, 1 die Gleichbehandlung mit einer AG verlangen, vgl. Cordewener/Dörr, GRUR Int. 2006, 447 (449). 1109 Siehe Art. 3 lit. a ZLRL. 1110 Vgl. EuGH, Urt. v. 18.06.2009, C-303/07 (Aberdeen Property Fininvest Alpha), Slg. 2009, I-5145, Rz. 39 ff.; Urt. v. 01.10.2009, C-247/08 (Gaz de France), Slg. 2009, I9225, Rz. 59 f. zum vergleichbaren und nach diesen Urteilen abschließenden Anhang der Mutter-Tochter-Richtlinie. 1111 Siehe Art. 1 Abs. 4 ZLRL bezüglich Unternehmen. Abweichend davon ist eine Betriebsstätte nach Art. 1 Abs. 5 ZLRL nur Nutzungsberechtigter i.S.v. Art. 1 Abs. 1, sofern die zugrunde liegende Forderung mit der Betriebsstätte in Zusammenhang steht und die Zahlung im Ansässigkeitsstaat der Betriebsstätte der Steuer unterliegt. Der Vorschlag der Kommission zur Neufasssung der ZLRL sieht vor, eine derartige „subject-to-tax-clause“ in Art. 1 Abs. 1 ZLRL auch für Unternehmen einzuführen, siehe Kommission v. 11.11.2011, KOM(2011) 714 endg., S. 16. 1112 Vgl. Terra/Wattel, European Tax Law, 5. Aufl. 2008, S. 612 f.; Helminen, EU Tax Law, 2009, S. 169. 1113 Siehe Art. 1 Abs. 11 ZLRL, der auf die Voraussetzungen der Art. 1 und 3 ZLRL verweist. Siehe zu den möglichen Nachweisen Art. 1 Abs. 13 ZLRL. 1114 Siehe für Griechenland, Spanien und Portugal Art. 6 ZLRL mit Übergangsfristen bis Ende 2010 bzw. 2012. Siehe zu den Übergangsregelungen für die neuen Mitgliedstaa-
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sieht Art. 4 Abs. 1 ZLRL optionale Ausschlüsse bestimmter Zins- und Lizenzzahlungen vor: So kann ein Quellenstaat Steuern auf Zahlungen erheben, die nach nationalem Recht als Gewinnausschüttung behandelt werden.1115 In der Folge fallen Unterkapitalisierungsvorschriften, die eine Umqualifikation in Dividenden vorsehen, nicht in den Anwendungsbereich der ZLRL, aber ggf. in denjenigen der MTRL.1116 Weitere optionale Ausnahmen sieht Art. 4 Abs. 1 ZLRL etwa für gewinnabhängige Fremdkapitalvergütungen und Erträge aus anderen hybriden Beteiligungsformen vor. Eine verpflichtende1117 Regelung enthält Art. 4 Abs. 2 ZLRL für vom Fremdvergleich abweichende, überhöhte Zins- und Lizenzzahlungen: „Bestehen zwischen dem Zahler und dem Nutzungsberechtigten von Zinsen oder Lizenzgebühren oder zwischen einem von ihnen und einem Dritten besondere Beziehungen und übersteigt deshalb der Betrag der Zinsen oder Lizenzgebühren den Betrag, den der Zahler und der Nutzungsberechtigte ohne diese Beziehungen vereinbart hätten, so finden die Bestimmungen dieser Richtlinie nur auf letztgenannten Betrag Anwendung.”
Ein Quellenstaat darf1118 damit nur den unangemessenen Teil einer Zins- und Lizenzzahlung besteuern, nicht aber den angemessenen Teil. Fraglich ist dabei, ob im Fall überhöhter Zinszahlungen nach Art. 4 Abs. 2 ZLRL Einkünftekorrekturen nur aufgrund eines fremdunüblichen Zinssatzes oder auch aufgrund eines fremdunüblichen Verschuldungsgrades erlaubt sind. Vom Wortlaut der Vorschrift her, „Betrag der Zinsen“, könnte beides zutreffen. Für eine enge Auslegung könnte jedoch sprechen, dass Art. 4 Abs. 2 ZLRL Art. 11 Abs. 6 OECD-MA gleicht, der anerkanntermaßen nur die Korrektur eines fremdunüblichen Zinssatzes umfasst.1119 Der Wortlaut des Art. 11 Abs. 6 OECD-MA ist jedoch enger und erfasst nur überhöhte „Zinsen, gemessen an der zugrundeliegenden Forderung“, so dass überhöhte Zinsen aufgrund einer Unterkapitali-
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ten die Richtlinie 2004/76/EG v. 29.04.2004, ABl. 2004 L 195, 33 u. 106 sowie Terra/Wattel, European Tax Law, 5. Aufl. 2008, S. 616. Siehe Art. 4 Abs. 1 lit. a ZLRL. Vgl. Distaso/Russo, ET 2004, 143 (150); Brosens, EC Tax Rev. 2004, 188 (206 f.); Gusmeroli, ET 2005, 39 (44); Dörr/Fehling, NWB 2007, Fach 2, 9375 (9377); Kraft/Bron, EWS 2007, 487 (492); Obser, Gesellschafter-Fremdfinanzierung im europäischen Konzern, 2005, S. 91 f. m.w.N. Vgl. auch Distaso/Russo, ET 2004, 143 (150); Englisch, in: Lang u.a., ECJ: Recent Developments in Direct Taxation 2009, 2010, S. 79 (106 f.). Der Mitgliedstaat wird durch die ZLRL nicht zur Besteuerung verpflichtet und darf auch auf eine Besteuerung des unangemessenen Teils einer Zins- und Lizenzzahlung verzichten, vgl. auch Englisch, in: Lang u.a., ECJ: Recent Developments in Direct Taxation 2009, 2010, S. 79 (106). Siehe B.IV.1.b) und vgl. nur OECD-MK zu Art. 11, Tz. 35; OECD Committee on Fiscal Affairs, Thin Capitalisation, 1987, Tz. 40, 61. Siehe für weitere Nachweise B.IV.1.b) mit Fn. 528.
Zinsschranke
sierung gerade ausgeschlossen werden.1120 Für eine enge Auslegung des Art. 4 Abs. 2 ZLRL spricht jedoch vorrangig dessen Entstehungsgeschichte: Denn im Kommissionsentwurf der ZLRL war noch sowohl von einem fremdunüblichen „Betrag der entsprechenden Einkünfte und Zahlungen“ als auch vom fremdunüblichen „Betrag der Forderung, für die Zinsen gezahlt werden“, die Rede.1121 Letzteres bezog sich auch auf eine Unterkapitalisierung.1122 Der jetzige Wortlaut, „Betrag der Zinsen“, entspricht eher der ersten Alternative, was dafür spricht, dass eine Unterkapitalisierung von Art. 4 Abs. 2 ZLRL nicht mehr erfasst werden soll.1123 Dafür spricht auch die Rechtsprechung des EuGH, wonach Ausnahmebestimmungen in Richtlinien grundsätzlich eng auszulegen sind.1124 Folglich spricht mehr für als gegen die Auslegung, dass Art. 4 Abs. 2 ZLRL nur fremdunübliche Zinssätze erfasst.1125 Art. 4 Abs. 1 und 2 ZLRL sind auch als Regelungen zu verstehen, die sich speziell gegen bestimmte missbräuchliche Gestaltungen richten. Das Gleiche gilt etwa auch für die optionale Mindesthaltedauer des Art. 1 Abs. 10 ZLRL oder für das Konzept des Nutzungsberechtigten.1126 Daneben enthält die ZLRL in Art. 5 aber auch eine allgemeine Missbrauchsvorschrift: Art. 5 Abs. 1 ZLRL erlaubt den Mitgliedstaaten nationale Vorschriften zur Verhinderung von Betrug und Missbrauch vorzusehen. Art. 5 Abs. 2 ZLRL bestimmt, dass die 1120 Vgl. OECD-MK zu Art. 11, Tz. 35. 1121 Siehe Kommission v. 04.03.1998, KOM(1998) 67 endg., S. 16. 1122 Vgl. Helminen, The Dividend Concept in International Tax Law, 1999, S. 332; Weber, EC Tax Rev. 2000, 15 (26); siehe auch Kommission v. 17.04.2009, KOM(2009) 176 endg., S. 9. 1123 Vgl. de Wit/Tilanus, Intertax 2004, 187 (192); Obser, Gesellschafter-Fremdfinanzierung im europäischen Konzern, 2005, S. 93 f.; Gusmeroli, ET 2005, 39 (44); Herr, Gesellschafterfremdfinanzierung und Europarecht, 2008, S. 255 f.; Bohn, Zinsschranke, 2009, S. 87 f. 1124 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.10.1996, C-283/94 u.a. (Denkavit International u.a.), Slg. 1996, I-5063, Rz. 27; Urt. v. 25.09.2003, C-58/01 (Océ van der Grinten), Slg. 2003, I-9809, Rz. 86; Urt. v. 20.05.2010, C-352/08 (Zwijnenburg), Slg. 2010, I-4303, Rz. 46; Urt. v. 24.06.2010, C-338/08 u.a. (Ferrero u.a.), Slg. 2010, I-5741, Rz. 45; Urt. v. 28.10.2010, C-72/09 (Établissements Rimbaud), IStR 2010, 842, Rz. 48. Vgl. auch Obser, Gesellschafter-Fremdfinanzierung im europäischen Konzern, 2005, S. 94; Herr, Gesellschafterfremdfinanzierung und Europarecht, 2008, S. 256. 1125 Vgl. die Nachweise in Fn. 1123; wohl auch Kommission v. 17.04.2009, KOM(2009) 176 endg., S. 9; a.A. ohne nähere Begründung: Schwarz, BIFD 2003, 514 (516); Cerioni, ET 2004, 47 (51 f.); Körner, IStR 2004, 253 (264); IBFD, Survey on the Implementation of the EC Interest and Royalty Directive, 2005, S. 6, Download unter: http://ec.europa.eu/taxation_customs/resources/documents/common/publications/studies/survey_IR_dir.pdf; Englisch, in: Lang u.a., ECJ: Recent Developments in Direct Taxation 2009, 2010, S. 79 (106 f.); Bar, Die Zinsschranke und ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht, 2010, S. 145. 1126 Vgl. auch Distaso/Russo, ET 2004, 143 (151); Terra/Wattel, European Tax Law, 5. Aufl. 2008, S. 620 f.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
Mitgliedstaaten Transaktionen, bei denen einer der hauptsächlichen Beweggründe die Steuerhinterziehung oder -umgehung ist, die Vorteile der ZLRL entziehen können. Während Art. 5 Abs. 1 ZLRL im Wesentlichen dem Missbrauchsvorbehalt des Art. 1 Abs. 2 MTRL entspricht, ist Abs. 2 Art. 15 Abs. 1 lit. a der Fusionsrichtlinie1127 (FRL) nachempfunden. Die beiden Absätze des Art. 5 ZLRL sind nicht als separate Regelungen, sondern als einheitlicher Missbrauchsvorbehalt zu verstehen, wobei Abs. 2 im Wesentlichen Abs. 1 konkretisiert.1128 Daher dürfte die Rechtsprechung des EuGH1129 zu Art. 15 Abs. 1 lit. a FRL weitgehend auf Art. 5 ZLRL übertragbar sein.1130 Im Grundsatzurteil zu Art. 15 Abs. 1 lit. a FRL, der Rs. Leur-Bloem1131, hatte der EuGH 1997 erstmals im direkten Steuerrecht die Unverhältnismäßigkeit einer pauschalen Missbrauchsvorschrift festgestellt und stattdessen eine Einzelfallprüfung verlangt. Das Urteil hat der EuGH in der Rechtsprechung zu den Grundfreiheiten aufgegriffen1132 und dahingehend weiterentwickelt, dass sich eine nationale Missbrauchsvorschrift speziell gegen rein künstliche Gestaltun-
1127 Richtlinie 2009/133/EG v. 25.11.2009, ABL. 2009 L 310, 34; zuvor Art. 11 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 90/434/EWG v. 23.07.1990, ABl. 1990 L 225, 1. 1128 Vgl. Böing, Steuerlicher Gestaltungsmissbrauch in Europa, 2006, S. 248; Shou, Die Zinsschranke im Unternehmensteuerreformgesetz 2008, 2010, S. 147; a.A. wohl Hahn, IStR 2010, 638 (641 f.). Ob dem Unionsrecht insoweit ein außentheoretisches (vgl. dahingehend GA Kokott, SchlA. v.28.02.2007, C-321/05 (Kofoed), Slg. 2007, I5795, Rz. 67) oder innentheoretisches Missbrauchsverständnis (vgl. dahingehend GA Maduro, SchlA v. 07.04.2005, C-255/02 (Halifax), Slg. 2006, I-1609, Rz. 69, 74) zugrunde liegt, kann hier dahingestellt bleiben, vgl. dazu zuletzt Bergmann, StuW 2010, 246 (249 ff.) m.w.N. Bei einem innentheoretischen Verständnis käme es ohnehin auf etwaige Wortlautunterschiede nicht an. Die Richtlinie wäre allein anhand ihrer Zielsetzungen auszulegen. 1129 EuGH, Urt. v. 17.07.1997, C-28/95 (Leur-Bloem), Slg. 1997, I-4161, Rz. 35 ff.; Urt. v. 05.07.2007, C-321/05 (Kofoed), Slg. 2007, I-5795, Rz. 37 ff.; Urt. v. 11.12.2008, C-285/07 (A.T.), Slg. 2008, I-9329, Rz. 29 ff.; Urt. v. 20.05.2010, C-352/08 (Zwijnenburg), Slg. 2010, I-4303, Rz. 42 ff.; Urt. v. 10.11.2011, C-126/10 (Foggia), IStR 2012, 34, Rz. 31 ff. 1130 Gl.A.: Weber, EC Tax Rev. 2000, 15 (28); Distaso/Russo, ET 2004, 143 (152); Thömmes, FS Wassermeyer, 2005, S. 207 (231); Böing, Steuerlicher Gestaltungsmissbrauch in Europa, 2006, S. 248; Terra/Wattel, European Tax Law, 5. Aufl. 2008, S. 510 u. 621 f.; Helminen, EU Tax Law, 2009, S. 175; Shou, Die Zinsschranke im Unternehmensteuerreformgesetz 2008, 2010, S. 148 f.; Thiele, IStR 2011, 452; a.A.: Suchowerskyj, Der Begriff des Missbrauchs im europäischen Steuerrecht, 2007, S. 69. Dagegen spricht auch nicht der Wortlautunterschied, dass Art. 15 Abs. 1 lit. a FRL auf das Fehlen von „vernünftigen wirtschaftlichen Gründen“ abstellt. 1131 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.07.1997, C-28/95 (Leur-Bloem), Slg. 1997, I-4161, Rz. 41, 44. 1132 Vgl. vor allem EuGH, Urt. v. 26.09.2000, C-478/98 (Kommission/Belgien), Slg. 2000, I-7587, Rz. 45.
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gen richten muss, die jeder wirtschaftlichen Realität entbehren.1133 Seit der Rs. Cadbury Schweppes1134 lässt der EuGH auch eine Beweislastumkehr zu und verlangt erst hinsichtlich des Gegenbeweises eine Einzelfallprüfung. Insofern war es überraschend, dass der EuGH in den späteren Urteilen1135 zu Art. 15 Abs. 1 lit. a FRL formal an der Rs. Leur-Bloem und am Erfordernis der strikten Einzelfallprüfung festhielt. Dabei vertritt der EuGH ansonsten ein weitgehend einheitliches Missbrauchsverständnis im primären und sekundären Unionsrecht.1136 Abweichungen können sich zwar prinzipiell aufgrund unterschiedlicher Zielsetzungen der Richtlinien und der Grundfreiheiten ergeben,1137 Sekundär- und Primärrecht zielen letztlich aber beide auf die Beseitigung von Hindernissen für den grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr
1133 Vgl. insbesondere EuGH, Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 50 ff. Siehe zum Rechtfertigungsgrund der Verhinderung der Steuerumgehung ausführlich C.I.2.c)cc). 1134 EuGH, Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 70 f.; vgl. auch Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 82; Bschl. v. 23.04.2008, C-201/05 (CFC and Dividend), Slg. 2008, I-2875, Rz. 84; Urt. v. 04.12.2008, C-330/07 (Jobra), Slg. 2008, I-9099, Rz. 38; Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 71. Siehe bereits C.I.2.c)cc). 1135 EuGH, Urt. v. 11.12.2008, C-285/07 (A.T.), Slg. 2008, I-9329, Rz. 31; Urt. v. 20.05.2010, C-352/08 (Zwijnenburg), Slg. 2010, I-4303, Rz. 44; Urt. v. 10.11.2011, C-126/10 (Foggia), IStR 2012, 34, Rz. 37; ferner: Urt. v. 05.07.2007, C-321/05 (Kofoed), Slg. 2007, I-5795, Rz. 31. 1136 Vgl. insbesondere EuGH, Urt. v. 05.07.2007, C-321/05 (Kofoed), Slg. 2007, I-5795, Rz. 38; Urt. v. 10.11.2011, C-126/10 (Foggia), IStR 2012, 34, Rz. 50 jeweils m.w.N.: Rechtsmissbrauch als „allgemeine[r] Grundsatz des Unionsrechts“; vgl. auch die Anknüpfung des EuGH in den Urt. v. 26.09.2000, C-478/98 (Kommission/Belgien), Slg. 2000, I-7587, Rz. 45 und v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I7995, Rz. 64 an die Rechtsprechung zum Sekundärrecht. Vgl. auch Vanistendael, EC Tax Rev. 2006, 192 ff.; Böing, EWS 2007, 55 (62); Tumpel/Prechtl, in: Lang/ Schuch/Staringer, Die Grenzen der Gestaltungsmöglichkeiten im Internationalen Steuerrecht, 2009, S. 67 (90); Thiele, IStR 2011, 452 (457); hingegen Unterschiede ausmachend: Schön, FS Reiß, 2008, S. 571 (594 ff.); kritisch auch Englisch, StuW 2009, 3 ff. 1137 Der EuGH beurteilt den Missbrauch anhand der Zielsetzung der jeweiligen unionsrechtlichen Vorschrift, vgl. für die Fusionsrichtlinie: EuGH, Urt. v. 17.07.1997, C28/95 (Leur-Bloem), Slg. 1997, I-4161, Rz. 44 f.; Urt. v. 11.12.2008, C-285/07 (A.T.), Slg. 2008, I-9329, Rz. 34; vgl. zur Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie: Urt. v. 29.04.2004, C-487/01 u.a. (Gemeente Leusden u.a.), Slg. 2004, I-5337, Rz. 78; Urt. v. 21.02.2006, C-255/02 (Halifax), Slg. 2006, I-1609, Rz. 74 f.; Urt. v. 21.02.2008, C425/06 (Part Service), Slg. 2008, I-897, Rz. 42 u. 58 ff.; vgl. zur Verordnung 2730/79/EWG v. 29.11.1979, ABl. 1979 L 317, 1: Urt. v. 14.12.2000, C-110/99 (Emsland Stärke), Slg. 2000, I-11569, Rz. 52; vgl. zur Niederlassungsfreiheit: Urt. v. 09.03.1999, C-212/97 (Centros), Slg. 1999, I-1459, Rz. 25; Urt. v. 21.11.2002, C436/00 (X und Y), Slg. 2002, I-10829, Rz. 42; Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 52 ff., 64. Siehe allgemein bereits C.I.2.c)cc).
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
ab.1138 Eine abweichende Auslegung des Missbrauchs dürfte vor diesem Hintergrund der Ausnahmefall sein.1139 Dementsprechend lässt sich bei genauerer Analyse eine Beweislastumkehr auch mit der Rechtsprechung zu Art. 15 Abs. 1 lit. a FRL vereinbaren, wenn der EuGH feststellt, dass sich „nationalen Behörden nicht darauf beschränken [können], vorgegebene allgemeine Kriterien anzuwenden; sie müssen vielmehr eine umfassende Untersuchung jedes Einzelfalls vornehmen“.1140 Denn diese Anforderungen wären auch bei einer Einzelfallprüfung des Gegenbeweises gewahrt. b)
Verfassungsrecht
Jede Besteuerung greift in die Rechte der Steuerpflichtigen ein und hat daher auch die Vorgaben des Verfassungsrechts und insbesondere der Grundrechte zu beachten. Verglichen mit den Vorgaben der Grundfreiheiten, gehen die Vorgaben der Grundrechte strukturell deutlich weiter: Die Grundfreiheiten können nur die Gleichbehandlung eines grenzüberschreitenden mit einem mitgliedstaatsinternen Sachverhalt verlangen. Ihr Schutzbereich ist für die grenzüberschreitend tätigen Steuerpflichtigen zwar von höchster Bedeutung und hat das deutsche Steuerrecht in den letzten Jahren wohl stärker beeinflusst als das Verfassungsrecht, gegenüber den Grundrechten bleibt er dennoch eindimensional,1141 so dass von den Grundfreiheiten kein systembildender Einfluss auf das Steuerrecht ausgehen kann.1142 Im Unterschied zu den Grundfreiheiten enthalten die Grundrechte sowohl Gleichheits- als auch Freiheitsrechte.1143 Überragende Bedeutung für das Steuerrecht hat der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.1144 Dieser enthält einen umfassenden Vergleichsmaßstab und ist nicht auf den Vergleich 1138 Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 11.12.2008, C-285/07 (A.T.), Slg. 2008, I-9329, Rz. 28 m.w.N. einerseits und Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 53 andererseits. Bergmann, StuW 2010, 246 (257) spricht auch davon, dass die Richtlinien darauf abzielen, die Grundfreiheiten zu unterstützen. 1139 Für die Richtlinien ergibt sich aber die Besonderheit, dass deren spezielle Missbrauchsvorschriften, sofern unmittelbar betroffen, den allgemeinen vorgehen, vgl. EuGH, Urt. v. 17.10.1996, C-283/94 u.a. (Denkavit International u.a.), Slg. 1996, I5063, Rz. 31. 1140 EuGH, Urt. v. 20.05.2010, C-352/08 (Zwijnenburg), Slg. 2010, I-4303, Rz. 44; vgl. nahezu wortgleich Urt. v. 17.07.1997, C-28/95 (Leur-Bloem), Slg. 1997, I-4161, Rz. 41; Urt. v. 11.12.2008, C-285/07 (A.T.), Slg. 2008, I-9329, Rz. 31; Urt. v. 10.11.2011, C-126/10 (Foggia), IStR 2012, 34, Rz. 37. Im Ergebnis wie hier: Petrosovitch, ET 2010, 558 (564 f.). 1141 Vgl. Schön, DFGT 5 (2008), 37 (43). 1142 Vgl. Hey, StuW 2005, 317 (318 f.); Schön, DFGT 5 (2008), 37 (43); Birk, DStR 2009, 877. 1143 Siehe zum hier vertretenen gleichheitsrechtlichen Verständnis der Grundfreiheiten C.I.1.b)bb). 1144 Der allgemeine Gleichheitssatz wird daher auch als „magna charta“ des Steuerrechts bezeichnet, vgl. Herzog, VI. Deutscher Steuerzahlerkongreß 1991, S. 10 (11).
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Zinsschranke
grenzüberschreitender und mitgliedstaatsinterner Sachverhalte beschränkt. Darüber hinaus können auch die Freiheitsrechte dem Besteuerungszugriff des Gesetzgebers absolute Schranken setzen. Ihre Bedeutung für das Steuerrecht ist gleichwohl gering, weil gegenleistungslose Steuern ihre freiheitsrechtliche Rechtfertigung vor allem durch die gleichmäßige Verteilung der Steuerlast gewinnen.1145 Von Bedeutung für diese Arbeit ist insbesondere der Eigentumsschutz des Art. 14 GG. aa)
Allgemeiner Gleichheitssatz, Art. 3 Abs. 1 GG
Nach dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Entgegen dem Wortlaut schützt Art. 3 Abs. 1 GG nicht nur die Rechtsanwendungsgleichheit „vor dem Gesetz“, sondern auch die Rechtssetzungsgleichheit „durch das Gesetz“.1146 Der allgemeine Gleichheitssatz setzt den Vergleich von Personengruppen und Sachverhalten voraus. Er gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln.1147 Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen,1148 die jeweils durch eine rechtlich oder tatsächlich ungleiche Behandlung entstehen können1149. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bindet alle Träger öffentlicher Gewalt. Eine Ungleichbehandlung kommt dabei nur in Betracht, wenn diese vom selben Rechtsträger ausgeht.1150 Auf Art. 3 Abs. 1 GG können sich 1145 Vgl. BVerfG, Urt. v. 27.06.1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (268 f.); Bschl. v. 22.06.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (134). 1146 Vgl. BVerfG, Urt. v. 23.10.1951, 2 BvG 1/51, BVerfGE 1, 14 (52). 1147 Vgl. BVerfG, Urt. v. 23.10.1951, 2 BvG 1/51, BVerfGE 1, 14 (52); seither ständige Rechtsprechung: Bschl. v. 21.06.2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (180); Bschl. v. 15.01.2008, 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 (29); Urt. v. 09.12.2008, 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 (230); Bschl. v. 12.05.2009, 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 (119); Bschl. v. 12.10.2010, 1 BvL 12/07, DStR 2010, 2393 (2394). Der EuGH hat dies ganz ähnlich, nur umgekehrt aus der Perspektive eines Diskriminierungsverbots beschrieben: Danach besteht eine Beeinträchtigung der Grundfreiheiten, wenn „unterschiedliche Vorschriften auf vergleichbare Situationen angewandt werden oder [wenn] dieselbe Vorschrift auf unterschiedliche Situationen angewandt wird“, vgl. EuGH, Urt. v. 14.02.1995, C-279/93 (Schumacker), Slg. 1995, I-225, Rz. 30; siehe m.w.N. C.I.1.b)cc). 1148 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 11.10.1988, 1 BvR 777/85 u.a., BVerfGE 79, 1 (17); Bschl. v. 08.06.2004, 2 BvL 5/00, BVerfGE 110, 412 (431); Bschl. v. 21.06.2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (180); Urt. v. 09.12.2008, 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 (230); Bschl. v. 12.05.2009, 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 (119); Bschl. v. 17.11.2009, 1 BvR 2192/05, DStR 2010, 434 (435); Bschl. v. 12.10.2010, 1 BvL 12/07, DStR 2010, 2393 (2394). 1149 Vgl. nur BVerfG, Urt. v. 27.06.1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (Leitsatz 1). 1150 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 21.12.1966, 1 BvR 33/64, BVerfGE 21, 54 (68); Bschl. v. 12.05.1987, 2 BvR 1226/83 u.a., BVerfGE 76, 1 (73); Bschl. v. 23.11.1988, 2 BvR 1619/83 u.a., BVerfGE 79, 127 (158).
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
unmittelbar alle natürlichen Personen berufen, auch Gebietsfremde1151 und Personen ausländischer Staatsangehörigkeit1152. Gemäß Art. 19 Abs. 3 GG ist Art. 3 Abs. 1 GG auch auf inländische juristische Personen anwendbar. Ausländische juristische Personen sind danach grundsätzlich nicht grundrechtsberechtigt.1153 Für in der EU ansässige juristische Personen ist das Inlandskriterium aufgrund der unionsrechtlichen Diskriminierungsverbote jedoch unanwendbar.1154 Als ein relatives Recht ist der allgemeine Gleichheitssatz wertungsoffen.1155 Den Vergleichsmaßstab entnimmt das BVerfG dem jeweiligen Sachbereich und wendet den Gleichheitssatz damit bereichsspezifisch an.1156 Für das Steuerrecht fordert Art. 3 Abs. 1 GG Steuergerechtigkeit, wovon das Gebot steuerlicher Lastengleichheit abgeleitet wird.1157 Als Vergleichsmaßstab1158 im Steuerrecht dient damit das Leistungsfähigkeitsprinzip,1159 das auch als Fundamentalprinzip1160 des Steuerrechts eingeordnet wird.1161 1151 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 12.10.1976, 1 BvR 2328/73, BVerfGE 43, 1 (6). 1152 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 23.03.1971, 2 BvR 59/71, BVerfGE 30, 409 (412); Bschl. v. 20.03.1979, 1 BvR 111/74 u.a., BVerfGE 51, 1 (22). 1153 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 19.03.1968, 1 BvR 554/65, BVerfGE 23, 229 (236). 1154 Vgl. jüngst BVerfG, Bschl. v. 19.07.2011, 1 BvR 1916/09, NJW 2011, 3428 (3430 ff.); dies war zuvor umstritten, vgl. etwa Dreier, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Art. 19 III, Rz. 83; Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl. 2010, Art. 19, Rz. 309 f.; Englisch, in: Stern/Becker, Grundrechte-Kommentar, 2010, Art. 3, Rz. 110; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 11. Aufl. 2011, Art. 19, Rz. 23; a.A.: Kube, IStR 2003, 325 (329 f. m.w.N.). 1155 Vgl. Osterloh, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 3, Rz. 5; Lehner, in: Lehner, Verluste im nationalen und Internationalen Steuerrecht, 2004, S. 1 (4 f.); Schwarz, FS Isensee, 2007, S. 949; Drüen, StuW 2008, 3 (8); Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl. 2010, § 4, Rz. 76; Englisch, FS Lang, 2010, S. 167 (172). 1156 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 08.04.1987, 2 BvR 909/82 u.a., BVerfGE 75, 108 (157); Urt. v. 27.06.1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (268); Bschl. v. 22.06.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (136); Bschl. v. 05.02.2002, 2 BvR 305/93, BVerfGE 105, 17 (46); Bschl. v. 04.12.2002, 2 BvR 400/98 u.a., BVerfGE 107, 27 (46). 1157 Vgl. BVerfG, Urt. v. 10.12.1980, 2 BvF 3/77, BVerfGE 55, 274 (302 f.) m.w.N.; Bschl. v. 04.12.2002, 2 BvR 400/98 u.a., BVerfGE 107, 27 (46 f.); Bschl. v. 21.06.2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (180); Urt. v. 09.12.2008, 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 (231); Bschl. v. 12.05.2009, 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 (120); Bschl. v. 13.10.2009, 2 BvL 3/05, NJW 2010, 431 (432). 1158 Vgl. Tipke, JZ 2009, 533 (536); Friauf, StuW 1985, 308 (313); Hey, StbJb 2007/2008, 19 (35); Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 9 f.; dies., DFGT 2 (2005), 59 (67); Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat, 2000, S. 32. 1159 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 17.01.1957, 1 BvL 4/54, BVerfGE 6, 55 (67); Urt. v. 24.06.1958, 2 BvF 1/57, BVerfGE 8, 51 (68 f.); Bschl. v. 14.04.1959, 1 BvL 23/57 u.a., BVerfGE 9, 237 (243); Urt. v. 24.01.1962, 1 BvL 32/57, BVerfGE 13, 290 (297); Bschl. v. 02.10.1973, 1 BvR 345/73, BVerfGE 36, 66 (72); Urt. v. 10.12.1980, 2 BvF 3/77, BVerfGE 55, 274 (302); Bschl. v. 22.02.1984, 1 BvL 10/80, BVerfGE 66, 214
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Zinsschranke
(1)
Leistungsfähigkeitsprinzip
Nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip ist jeder Bürger nach seiner individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu besteuern. Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist weltweit als sachgerechtes Besteuerungsprinzip anerkannt.1162 Es war bereits in Art. 134 der Weimarer Reichsverfassung enthalten,1163 das BVerfG hat es aber primär aus dem allgemeinen Gleichheitssatz abgeleitet.1164 Es ist daneben auch durch andere Grundrechte, insbesondere Freiheitsrechte, fundiert.1165 Das Leistungsfähigkeitsprinzip wird teilweise für seine Unbe-
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(223); Bschl. v. 23.01.1990, 1 BvL 4/87, BVerfGE 81, 228 (236); Bschl. v. 21.06.2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (180); Urt. v. 09.12.2008, 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 (231); Bschl. v. 12.05.2009, 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 (120). Vgl. insbesondere Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, 2. Aufl. 2000, S. 479 ff.; ders., FS Raupach, 2006, S. 177 (178); ders., BB 2007, 1525 (1527); Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl. 2010, § 4, Rz. 81; Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat, 2000, S. 17: „Fundamentalmaxime“; kritisch: Kruse, FS Friauf, 1996, S. 793 (805). Als alternative Maßstäbe für die Steuergerechtigkeit kämen theoretisch das Kopfsteuerprinzip (jeder Bürger zahlt die gleiche Steuer) und das Äquivalenzprinzip (Steuer als Äquivalent für staatliche Leistungen) in Betracht, vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, 2. Aufl. 2000, S. 471 ff.; Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl. 2010, § 4, Rz. 86 ff. Das Kopfsteuerprinzip wäre aber grob ungerecht, weil es die individuellen Lebensverhältnisse der Steuerpflichtigen außer Acht lassen würde, vgl. Kirchhof, StuW 2000, 316 (317); ders., HStR V, 3. Aufl. 2007, § 118, Rz. 168. Das Äquivalenzprinzip eignet sich in der Regel nur für bestimmte Abgaben, bei denen die staatlichen Leistungen einzelnen Bürgern zugerechnet werden können, vgl. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl. 2010, § 4, Rz. 87 f. Vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, 2. Aufl. 2000, S. 485 f. m.w.N.; Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl. 2010, § 4, Rz. 83. Art. 134 WRV: „Alle Staatsbürger ohne Unterschied tragen im Verhältnis ihrer Mittel zu allen öffentlichen Lasten nach Maßgabe der Gesetze bei.“ Das Leistungsfähigkeitsprinzip war zuvor bereits in der französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 enthalten, vgl. mit Nennung weiterer Verfassungen BVerfG, Urt. v. 27.06.1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (269 f.); Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, 2. Aufl. 2000, S. 488. Vgl. etwa BVerfG, Bschl. v. 14.04.1959, 1 BvL 23/57 u.a., BVerfGE 9, 237 (243); Urt. v. 24.01.1962, 1 BvL 32/57, BVerfGE 13, 290 (297); Bschl. v. 02.10.1973, 1 BvR 345/73, BVerfGE 36, 66 (72); Bschl. v. 22.02.1984, 1 BvL 10/80, BVerfGE 66, 214 (223 ff.). Anlehnungen an Art. 134 WRV finden sich aber etwa im Urt. v. 24.06.1958, 2 BvF 1/57, BVerfGE 8, 51 (68 f.); Urt. v. 27.06.1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (270). Vgl. Kirchhof, StuW 1985, 319 (321 f.); ders., StuW 2000, 316 (318 f.); ders., HStR V, 3. Aufl. 2007, § 118, Rz. 173 u. 196 f.; Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 13 ff.; dies., DFGT 2 (2005), 59 (71); Lehner, in: Lehner, Verluste im nationalen und Internationalen Steuerrecht, 2004, S. 1 (5 ff.); Kube, DStR 2011, 1781 (1782). In diesem Kontext steht auch die ständige Rechtsprechung des BVerfG, wonach der Gleichheitssatz strikter ist, wenn
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
stimmtheit und Vieldeutigkeit kritisiert.1166 Dies zeigt, dass es zumindest konkretisierungsbedürftig ist:1167 Leistungsfähig ist ein Steuerpflichtiger nur mit seiner in Geldwert vorhandenen Ist-Leistungsfähigkeit und nicht mit einer bloß vermuteten oder möglichen Soll-Leistungsfähigkeit.1168 Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG fordert das Leistungsfähigkeitsprinzip Steuerpflichtige mit gleicher Leistungsfähigkeit gleich hoch (horizontale Steuergerechtigkeit) und Steuerpflichtige mit unterschiedlicher Leistungsfähigkeit unterschiedlich hoch zu besteuern (vertikale Steuergerechtigkeit).1169 Als Indikator der Leistungsfähigkeit kommen grundsätzlich das Einkommen, das Vermögen und der Konsum in Betracht.1170 An diese Indikatoren knüpft der Gesetzgeber mit verschiedenen Steuerarten in einem Vielsteuersystem an. Für diese Arbeit ist allein das Einkommen als Indikator der Leistungsfähigkeit relevant, das insbesondere mit der Einkommen-, der Körperschaft- und der Gewerbesteuer erfasst wird.
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zugleich die Ausübung von Freiheitsrechten erschwert wird, vgl. Bschl. v. 12.05.2009, 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 (120) m.w.N., siehe C.II.1.b)aa)(5). Vgl. Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht, 2000, S. 117 ff.; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl. 2010, Art. 3, Rz. 84; Kischel, in: Mellinghoff/Palm, Gleichheit im Verfassungsstaat, 2008, S. 175 (180 f.). Vgl. auch BVerfG, Bschl. v. 23.11.1976, 1 BvR 150/75, BVerfGE 43, 108 (120): „Das Prinzip einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit erweist sich allerdings, wenn daraus konkrete Schlüsse gezogen werden sollen, als vieldeutig“. Vgl. auch Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, 1983, S. 52 ff., ders., StuW 2000, 328 (329); Heun, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Art. 3, Rz. 29; Schlotter, FR 2007, 951 (952); Drüen, StuW 2008, 3 (6); Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl. 2010, § 4, Rz. 89. Vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, 2. Aufl. 2000, S. 497; Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, 1983, S. 167; ders., DStR 2009, 877 (880); Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat, 2000, S. 27; Wernsmann, in: H/H/Sp, AO/FGO, § 4 AO, Rz. 487 (Stand: 06.2009). Erstmals: BVerfG, Bschl. v. 29.05.1990, 1 BvL 20/84, BVerfGE 82, 60 (89 f.) im Anschluss an Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, 1983, S. 165, 170; seither ständige Rechtsprechung: Bschl. v. 10.11.1988, 2 BvR 1057/91 u.a., BVerfGE 99, 216 (233 f.); Bschl. v. 10.11.1998, 2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246 (260); Bschl. v. 04.12.2002, 2 BvR 400/98 u.a., BVerfGE 107, 27 (46 f.); Bschl. v. 21.06.2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (180); Urt. v. 09.12.2008, 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 (231); Bschl. v. 12.05.2009, 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 (120); Bschl. v. 13.10.2009, 2 BvL 3/05, NJW 2010, 431 (432); Bschl. v. 06.07.2010, 2 BvL 13/09, DStR 2010, 1563 (1565). Vgl. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl. 2010, § 4, Rz. 95; Wernsmann, in: H/H/Sp, AO/FGO, § 4 AO, Rz. 488, 495 (Stand: 06.2009); Kirchhof, HStR V, 3. Aufl. 2007, § 118, Rz. 185 ff.; vgl. auch Bschl. v. 22.06.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (134).
Zinsschranke
Das BVerfG hat das Leistungsfähigkeitsprinzip vornehmlich für das Einkommensteuerrecht entwickelt.1171 Nach der Rechtsprechung gilt es aber für alle direkten Steuern1172 und damit auch für die Körperschaftsteuer1173 und die Gewerbesteuer1174. In der Literatur ist es umstritten, ob auch die Körperschaft eine eigene Leistungsfähigkeit hat oder diese anteilig den Gesellschaftern zugerechnet wird.1175 Das BVerfG hat die eigene Leistungsfähigkeit der Körperschaft in jüngeren Entscheidungen aber bejaht.1176 Eine weitere Konkretisierung erfährt das Leistungsfähigkeitsprinzip durch das Nettoprinzip. Die individuelle wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zeigt sich nämlich erst, wenn vom Bruttoeinkommen die existenzsichernden Aufwendungen (subjektives Nettoprinzip) und die Erwerbsaufwendungen (objektives Nettoprinzip) abgezogen werden. Das Nettoprinzip wird daher auch als Subprinzip des Leistungsfähigkeitsprinzips verstanden.1177
1171 In der früheren Rechtsprechung hat das BVerfG häufig formuliert, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip „insbesondere im Einkommensteuerrecht“ gelte, vgl. Urt. v. 10.02.1987, 1 BvL 18/81, BVerfGE 74, 182 (200); Bschl. v. 29.05.1990, 1 BvL 20/84, BVerfGE 82, 60 (86). 1172 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 10.11.1998, 2 BvR 1057/91 u.a., BVerfGE 99, 216 (232); vgl. auch Kirchhof, StuW 1985, 319 (324). Das Leistungsfähigkeitsprinzip gilt aber auch für die indirekten Steuern, vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, 2. Aufl. 2000, S. 494; Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl. 2010, § 4, Rz. 85; a.A.: Kirchhof, StuW 1985, 319 (324); ders., Besteuerung im Verfassungsstaat, 2000, S. 25. Diese erfassen die Leistungsfähigkeit jedoch nicht individuell, sondern grob typisiert, vgl. Kirchhof, HStR V, 3. Aufl. 2007, § 118, Rz. 191; ders., Besteuerung im Verfassungsstaat, 2000, S. 25 f. 1173 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 17.11.2009, 1 BvR 2192/05, DStR 2010, 434 (435 m.w.N.). 1174 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 15.01.2008, 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 (44). 1175 Für eine eigene Leistungsfähigkeit der Körperschaft: Birk, StuW 2000, 328 (333); Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl. 2010, § 4, Rz. 90 f.; Desens, Das Halbeinkünfteverfahren, 2004, S. 352 ff. m.w.N.; Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 111 ff.; Heger, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 117 (118); a.A.: Bach, StuW 1991, 116 (127 f.); Hey, DStJG Sonderband Unternehmensteuerreform (2001), 5 (14); Baßler, Steuerliche Gewinnabgrenzung im Europäischen Binnenmarkt, 2011, S. 107 f.; differenziert: Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 16 ff. 1176 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 21.06.2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (199): „Diese Abschirmung [der Kapitalgesellschaft] bewirkt, dass in der abgeschirmten Vermögenssphäre eine eigenständige und objektive Leistungsfähigkeit entsteht, die von der individuellen und subjektiven Leistungsfähigkeit der hinter der Kapitalgesellschaft stehenden Personen getrennt und unabhängig von ihr besteuert werden darf.“ Bestätigt in: BVerfG, Bschl. v. 12.10.2010, 1 BvL 12/07, DStR 2010, 2393 (2396). 1177 Vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, 2. Aufl. 2003, S. 763; ders., FS Raupach, 2006, S. 177 (178); ders., BB 2007, 1525 (1527); Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, 2005, S. 315; Drüen, StuW 2008, 3 (4); Birk, DStR 2009, 877 (881).
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
(i)
Subjektives Nettoprinzip
Das subjektive Nettoprinzip gebietet den Abzug der für den Steuerpflichtigen existenzsichernden und damit indisponiblen Aufwendungen. Dazu zählen das Existenzminimum, z.B. Ausgaben für Nahrung, Kleidung und Wohnen, das der Gesetzgeber typisiert über den Grundfreibetrag berücksichtigt, sowie Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen, §§ 10 ff., 33 ff. EStG.1178 Die Leistungsfähigkeit einer natürlichen Person zeigt sich erst nach Abzug dieser für sie indisponiblen Aufwendungen.1179 Das BVerfG sieht das subjektive Nettoprinzip aber nicht nur in Art. 3 Abs. 1 GG verankert, sondern auch in Art. 1 Abs. 1 i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 1 GG, die die „Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein“ garantieren.1180 Das Familienexistenzminimum wird ferner über Art. 6 Abs. 1 GG geschützt.1181 Mangels Privatsphäre1182 ist das subjektive Nettoprinzip jedoch nicht auf Kapitalgesellschaften übertragbar.1183 Bei diesen gilt nur das objektive Nettoprinzip. (ii)
Objektives Nettoprinzip
Das objektive Nettoprinzip gebietet den Abzug betrieblicher und beruflicher Aufwendungen von der steuerlichen Bemessungsgrundlage. Es kommt in § 2 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 4 bzw. § 9 EStG zum Ausdruck, wonach das Einkommen eine Nettogröße ist, die dem Saldo aus Erwerbseinnahmen und den in deren Veranlassungszusammenhang stehenden Erwerbsaufwendungen entspricht. Dies gilt nach der allgemeinen Verweisungsnorm des § 8 Abs. 1 KStG auch für das Körperschaftsteuerrecht sowie nach § 7 GewStG für das Gewerbesteuerrecht. Mangels Privatsphäre ist bei Körperschaften nicht zwischen privater und beruflicher Veranlassung zu trennen.1184 Aufwendungen, die 1178 Vgl. etwa BVerfG, Bschl. v. 04.12.2002, 2 BvR 400/98 u.a., BVerfGE 107, 27 (47). 1179 Vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, 2. Aufl. 2003, S. 785; BVerfG, Bschl. v. 08.06.2004, 2 BvL 5/00, BVerfGE 110, 412 (433 f.). 1180 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 29.05.1990, 1 BvL 20/84, BVerfGE 82, 60 (85 f.); Bschl. v. 08.06.2004, 2 BvL 5/00, BVerfGE 110, 412 (433 f.); Bschl. v. 13.02.2008, 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125 (154); Bschl. v. 13.10.2009, 2 BvL 3/05, NJW 2010, 431 (432). Hingegen früher noch kritisch: Bschl. v. 23.11.1976, 1 BvR 150/75, BVerfGE 43, 108 (119 ff.). 1181 Siehe die Nachweise in der vorigen Fn. 1180. 1182 Vgl. auch BFH, Urt. v. 04.12.1996, I R 54/95, BFHE 182, 123 (127); Urt. v. 22.08.2007, I R 32/06, BStBl. II 2007, 961 (963 f.). 1183 Siehe bereits zur Schumacker-Rechtsprechung des EuGH C.I.1.b)cc)(1)(i). Vgl. zudem Lehner, DStR 2009, 185 (189); Drüen, Ubg 2009, 23 (25). 1184 Bei natürlichen Personen kann grundsätzlich zwischen rein beruflich, rein privat und gemischt veranlassten Aufwendungen unterschieden werden. Privat veranlasste Aufwendungen sind Ausdruck steuerlicher Leistungsfähigkeit und dürfen die Bemessungsgrundlage nicht mindern. Bei gemischt veranlassten Aufwendungen gewährt das BVerfG dem Gesetzgeber einen größeren Typisierungsspielraum, vgl. BVerfG, Urt. v.
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Zinsschranke
ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis haben, werden durch die Einkünftekorrekturnormen behandelt. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Steuerpflichtigen zeigt sich erst nach Abzug seiner Erwerbsaufwendungen.1185 Übersteigen die Erwerbsaufwendungen die Einnahmen, entstehen Verluste. Auch für diese gilt das objektive Nettoprinzip,1186 was der Gesetzgeber durch den horizontalen und vertikalen Verlustausgleich berücksichtigt. Das objektive Nettoprinzip ist national wie international anerkannt.1187 Der deutsche Juristentag zählte es 1988 zu den „identitätskonstituierenden Merkmalen der Einkommensteuer. Als solches steht es nicht zur Disposition des Gesetzgebers.“1188 Tipke bezeichnet das objektive Nettoprinzip als steuerpolitische „Klugheitsregel“, weil ein Abzugsverbot betrieblicher Aufwendungen mittel- bis langfristig negative Auswirkungen auf das Steueraufkommen des Staates hätte.1189 Das objektive Nettoprinzip ist insofern auch ökonomisch geboten und sichert die Produktionseffizienz.1190 In der früheren Rechtsprechung stand das BVerfG dem objektiven Nettoprinzip reserviert gegenüber. Es maß ihm keine verfassungsrechtliche Bedeutung bei und stellte die Geltung des objektiven Nettoprinzips aufgrund mehrerer Durchbrechungen im EStG auch für das Einkommensteuerrecht in Frage.1191
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07.12.1999, 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297 (310 ff.); Bschl. v. 04.12.2002, 2 BvR 400/98 u.a., BVerfGE 107, 27 (48 ff.); Urt. v. 09.12.2008, 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 (239 f.). Vgl. dazu etwa Lang, StuW 2007, 3 (9 ff.); Drenseck, GS Trzaskalik, 2005, S. 283 (284 ff.) = FR 2006, 1 (2 ff.); Söhn, in: Richter/Söhn, StuW 2008, 117 (123); Wernsmann, DStR 2008, Beihefter zu Heft 17, 37 (41 f.). Vgl. nur Söhn, DStJG 3 (1980), 13 (18). Siehe weitere Nachweise in Fn. 1196. Vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, 2. Aufl. 2003, S. 762 u. 780; ders., FS Raupach, 2006, S. 177 (178); Lehner, in: Lehner, Verluste im nationalen und Internationalen Steuerrecht, 2004, S. 1 (2); Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl. 2010, § 9, Rz. 62; Hey, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 109 (113); dies., DStJG 33 (2010), 139 (156); Schaumburg, FS Lang 2010, S. 1099 (1108 f.). Vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, 2. Aufl. 2003, S. 763 f., dort m.w.N. in Fn. 458, 461 ff. Beschluss des 57. deutschen Juristentages, Sitzungsbericht N, 1988, S. N214; zurückgehend auf Isensee, Verhandlungen des 57. deutschen Juristentages, 1988, S. N32 (N46). Vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, 2. Aufl. 2003, S. 764; ähnlich: Kirchhof, in: K/S/M, EStG, § 2, Rz. A 128 (Stand: 1986); vgl. auch Lang/Englisch, StuW 2005, 3 (5). Vgl. anschaulich Homburg, Allgemeine Steuerlehre, 6. Aufl. 2010, S. 166 f. Vgl. BVerfG, Bschl. v. 07.11.1972, 1 BvR 338/68, BVerfGE 34, 103 (115 ff.); ähnlich noch heute: Kischel, in: Mellinghoff/Palm, Gleichheit im Verfassungsstaat, 2008, S. 175 (184). Jedoch reichen die im Bschl. vom BVerfG genannten Durchbrechungen nicht aus, um das objektive Nettoprinzip grundsätzlich in Frage zu stellen, vgl. daher zu Recht kritisch: Söhn, DStJG 3 (1980), 13 (18 f.); Schön, StuW 1995, 366 (372); Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, 2. Aufl. 2003, S. 764. Zuvor hatte es das BVerfG noch offen gelassen, „ob dem geltenden Einkommensteuerrecht eine solche
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
In der neueren Rechtsprechung erkennt das BVerfG das objektive Nettoprinzip zwar als Prinzip des Einkommensteuerrechts an, lässt es jedoch offen, ob es als Ausfluss des Leistungsfähigkeitsprinzips verfassungsrechtlich geboten ist.1192 Das BVerfG bindet den Gesetzgeber an das objektive Nettoprinzip dennoch durch das Gebot der Folgerichtigkeit. Danach hat der Gesetzgeber eine einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umzusetzen.1193 Entscheidet sich der Gesetzgeber einmal für das objektive Nettoprinzip, muss er diese Grundentscheidung konsequent fortführen. Ausnahmen von der folgerichtigen Umsetzung des objektiven Nettoprinzips bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes.1194 Das BVerfG gesteht damit dem objektiven Nettoprinzip verfassungsrechtlich eine geringere Bedeutung zu als dem subjektiven Nettoprinzip. Anders als bei diesem zieht es keine weiteren Grundrechte heran, um die verfassungsrechtliche Verankerung des objektiven Nettoprinzips zu stützen. Hinsichtlich des verfassungsrechtlichen Schutzes besteht insofern eine gewisse Schieflage. Zwar erfährt das objektive Nettoprinzip durch das Folgerichtigkeitsgebot einen praktisch bedeutenden Schutz, das BVerfG überlässt dem Gesetzgeber bisher aber die Gestaltungsfreiheit, das objektive Nettoprinzip als Grundentscheidung aufzugeben und durch das System einer konsequenten Bruttobesteuerung zu ersetzen.1195 Dies kann nicht überzeugen: Nur die Nettoeinkünfte
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Sachgesetzlichkeit der Nettobesteuerung innewohnt. Auch wenn dies zuträfe, könnte der Gesetzgeber von diesem Prinzip abweichen, sofern er hierfür sachlich einleuchtende Gründe hätte“, vgl. Bschl. v. 02.10.1969, 1 BvL 12/68, BVerfGE 27, 58 (65). Vgl. BVerfG, Bschl. v. 23.01.1990, 1 BvL 4/87, BVerfGE 81, 228 (237); Bschl. v. 04.12.2002, 2 BvR 400/98 u.a., BVerfGE 107, 27 (47 f.); Urt. v. 09.12.2008, 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 (234); Bschl. v. 12.05.2009, 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 (121); Bschl. v. 06.07.2010, 2 BvL 13/09, DStR 2010, 1563 (1566); Bschl. v. 12.10.2010, 1 BvL 12/07, DStR 2010, 2393 (2395); vgl. auch Bschl. v. 11.11.1998, 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280 (290); Urt. v. 07.12.1999, 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297 (310). Siehe ausführlich sogleich unter (2) sowie die Nachweise in der vorigen Fn. 1192. Siehe die Nachweise in Fn. 1192. Zustimmend: BFH, Bschl. v. 20.07.2006, VI R 94/01, BStBl. II 2007, 121 (123 f.); Bschl. v. 10.01.2008, VI R 17/97, BStBl. II 2008, 234 (244); hingegen zuvor noch vom Verfassungsrang ausgehend: Bschl. v. 09.05.2001, XI B 151/00, BStBl. II 2001, 552 (553). Vgl. Söhn, DStJG 3 (1980), 13 (18 f., Fn. 28); Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, 2005, S. 317 f.; Drüen, StuW 2008, 3 (5). Vgl. zu den Anforderungen an einen Systemwechsel BVerfG, Urt. v. 09.12.2008, 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 (241 ff.); siehe dazu sogleich unter (2) sowie C.II.4.a)cc). Da ein Systemwechsel zu einer konsequenten Bruttobesteuerung nicht droht, konnte das BVerfG die Frage der verfassungsrechtlichen Verankerung des objektiven Nettoprinzips bisher offen lassen. Drüen, StuW 2008, 3 (5) begründet die diesbezügliche Zurückhaltung des BVerfG damit, dass das Gericht dem Gesetzgeber den Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit bei gemischt veranlassten Aufwendungen nicht zu eng stecken wolle. Drenseck vermutet, dass das BVerfG dem Gesetzgeber zudem die Möglichkeit
Zinsschranke
sind ein zuverlässiger Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit. Das objektive Nettoprinzip ist als Subprinzip des Leistungsfähigkeitsprinzips verfassungsrechtlich in Art. 3 Abs. 1 GG verankert.1196 Es ist kein anderes Prinzip denkbar, das zur Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips an die Stelle des objektiven Nettoprinzips treten könnte.1197 Bei natürlichen Personen kann die Nichtabzugsfähigkeit von Erwerbsaufwand zudem das durch die Art. 1 Abs. 1; 20 Abs. 1 GG geschützte Existenzminimum beeinträchtigen;1198 diese Argumentation lässt sich allerdings nicht auf Körperschaften übertragen. Der verfassungsrechtliche Schutz des objektiven Nettoprinzips ist aber auch freiheitsrechtlich fundiert. Die Berufs- und Eigentumsfreiheit der Art. 12 und 14 GG verbieten nach der Rechtsprechung des BVerfG zumindest eine existenzgefährdende Besteuerung der Substanz eines Unternehmens.1199 Dazu könnte es auch kommen, wenn Betriebsausgaben nicht zum Abzug zugelassen werden.1200 Bis zu einem gewissen Grad ist das objektive Nettoprinzip zudem
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offen lassen wolle, Erwerbsaufwendungen auf ihre Angemessenheit hin zu überprüfen, vgl. Drenseck, GS Trzaskalik, 2005, S. 283 (288) = FR 2006, 1 (4). Hingegen macht G. Kirchhof, FS Lang, 2010, S. 563 (582 ff.) unmittelbar verfassungsrechtliche Gründe geltend: Das objektive Nettoprinzip sei nicht exakt in der Verfassung vorgegeben, da es anders als das subjektive Nettoprinzip nicht aus dem menschenrechtlichen Status des Steuerpflichtigen in der Form des Schutzes des Existenzminimums folge. Das objektive Nettoprinzip könne daher nur als gesetzgeberische Systementscheidung im Rahmen des Gebots der Folgerichtigkeit geschützt werden. G. Kirchhof hält gleichwohl eine Bruttobesteuerung für verboten, lässt aber die Herleitung für diese Aussage offen. Vgl. Söhn, DStJG 3 (1980), 13 (18); Schön, FR 2001, 381 (382); Jachmann, DFGT 2 (2005), 59 (68 f.); Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, 2005, S. 318; Ismer, Bildungsaufwand im Steuerrecht, 2006, S. 343 f.; Tipke, BB 2007, 1525 (1527); Englisch, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 92 (93); Hey, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 109 (110); dies., FS Lang, 2010, S. 7 (13); Süß/Wilke, SteuerStud 2010, 561 (565); Hennrichs, FS Lang, 2010, S. 237 (246); vgl. auch BFH, Bschl. v. 09.05.2001, XI B 151/00, BStBl. II 2001, 552 (553); Sondervotum Simon zum Bschl. v. 11.10.1977, 1 BvR 343/73 u.a., BVerfGE 47, 1 (37); a.A.: Schneider, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 87 (88 ff.); Kruse, FS Ritter, 1997, S. 413 (417 f.); Nawrath, DStR 2009, 1 (3); wohl auch Lehner, in: Lehner, Verluste im nationalen und Internationalen Steuerrecht, 2004, S. 1 (4 f.). Vgl. Englisch, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 92 (96). Vgl. Tipke, BB 2007, 1525 (1527); Lehner, DStR 2009, 185 (187); Englisch, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 92 (99); Hey, StbJb 2007/2008, 19 (30 f.). Vgl. auch die Argumentation des BFH zur Mindestbesteuerung im Bschl. v. 06.09.2006, XI R 26/04, BStBl. II 2007, 167 (171). Vgl. insbesondere BVerfG, Bschl. v. 22.06.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (137); siehe ausführlich m.w.N. C.II.1.b)bb) und C.II.4.b). Siehe beispielhaft zum Substanzsteuereffekt der Zinsschranke B.II.2.a)aa). Vgl. allgemein Palm, DStR 2002, 152 (154); Jachmann, DFGT 2 (2005), 59 (73); Lang/ Englisch, StuW 2005, 3 (5 f. u. 8); Ismer, Bildungsaufwand im Steuerrecht, 2006, S. 346 ff.; Englisch, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 92 (94); Hey, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 109 (110); Hennrichs, FS Lang, 2010, S. 237 (247); vgl. auch Son-
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
finanzverfassungsrechtlich geschützt. Die in Art. 106 und 107 GG genannten Einkommen- und Körperschaftsteuern können durch den Gesetzgeber zwar weitgehend frei ausgestaltet werden, sind aber nicht so weit veränderbar, dass ihr prägender Typus aufgegeben wird.1201 Das objektive Nettoprinzip zählt gerade zu den „identitätskonstituierenden Merkmalen der Einkommensteuer.“1202 Einzelne Durchbrechungen des objektiven Nettoprinzips schließt die Finanzverfassung aber nicht aus. Eine durchgehende Bruttobesteuerung wäre jedoch unzulässig und finanzverfassungsrechtlich als Umsatzsteuer zu qualifizieren.1203 Das objektive Nettoprinzip ist damit ein verfassungsrechtlich fundiertes Subprinzip des Leistungsfähigkeitsprinzips. Je nach Fallgestaltung ist es darüber hinaus auch durch die Art. 12 und 14 GG, Art. 106 und 107 GG bzw. Art. 1 Abs. 1, 20 Abs. 1 GG geschützt. Einzelne Durchbrechungen können aber – wie auch beim Leistungsfähigkeitsprinzip – durch andere verfassungsrechtlich zu beachtende Ziele gerechtfertigt werden.1204 Ein Systemwechsel zu einer konsequenten Bruttobesteuerung ist jedoch ausgeschlossen. (2)
Gebot der Folgerichtigkeit
Das Gebot der Folgerichtigkeit entfaltet seine Wirkung in der Rechtsprechung des BVerfG nicht nur im Zusammenhang mit dem objektiven Nettoprinzip, sondern stellt insbesondere im Steuerrecht1205 eine weitere generelle Konkreti-
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dervotum Simon zum Bschl. v. 11.10.1977, 1 BvR 343/73 u.a., BVerfGE 47, 1 (37); noch weitergehend: Lehner, in: Lehner, Verluste im nationalen und Internationalen Steuerrecht, 2004, S. 1 (7); ders., DStR 2009, 185 (189 f.); Wendt, DStJG 28 (2005), 41 (51 f.); hingegen zurückhaltender: Breinersdorf, DStR 2010, 2492 (2493); ablehnend für Körperschaften: Shou, Die Zinsschranke im Unternehmensteuerreformgesetz 2008, 2010, S. 59 f. Vgl. mit ähnlicher Argumentation zum Substanzsteuereffekt bei der Mindestbesteuerung: BFH, Bschl. v. 06.09.2006, XI R 26/04, BStBl. II 2007, 167 (170 f.). Vgl. Schön, StuW 1995, 366 (368 f.); ders., FR 2001, 381 (382); Schulze-Osterloh, DStJG 23 (2000), 67 (69); Jachmann, DFGT 2 (2005), 59 (63 f.); Schlotter, Teilwertabschreibung und Wertaufholung zwischen Steuerbilanz und Verfassungsrecht, 2005, S. 222 f.; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, 2005, S. 318; Drüen, StuW 2008, 3 (7); Englisch, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 92. Beschluss des 57. deutschen Juristentages, Sitzungsbericht N, 1988, S. N214. Siehe bereits oben. Vgl. Englisch, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 92 (93); Jachmann, DFGT 2 (2005), 59 (64); Drüen, StuW 2008, 3 (7); a.A.: Kirchhof, StuW 1985, 319 (322); ders., Diskussionsbeitrag in: Paetsch, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 78 (80); Hennrichs, FS Lang, 2010, S. 237 (247); zurückhaltend: Ismer, Bildungsaufwand, 2006, S. 344 f. Siehe zur Rechtfertigung sogleich unter (5). Vgl. etwa BVerfG, Urt. v. 27.06.1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (271); Englisch, in: Stern/Becker, Grundrechte-Kommentar, 2010, Art. 3, Rz. 33; kritisch zum „Sonderweg“ des Steuerrechts: Kischel, in: Mellinghoff/Palm, Gleichheit im Verfassungsstaat, 2008, S. 175 (183 ff.). Das BVerfG hat aber in seiner Entscheidung zum
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sierung des allgemeinen Gleichheitssatzes dar, die in der Rechtsprechung des BVerfG eine zunehmende Bedeutung erlangt.1206 Steuergerechtigkeit wird weniger in der Wirklichkeit vorgefunden, sondern ergibt sich vielmehr aus den sachgerechten Entscheidungen des Steuergesetzgebers.1207 Diesem gesteht das BVerfG zwar einen weiten Entscheidungsspielraum bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes zu, bei „der Ausgestaltung dieses Ausgangstatbestandes hat er die einmal getroffene Belastungsentscheidung dann aber folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umzusetzen.“1208 Das Gebot der Folgerichtigkeit bindet den Gesetzgeber damit an eine einmal getroffene Grundentscheidung.1209 Es verlangt insofern eine Bindung des zweiten Schritts des Gesetzgebers an den ersten.1210 Entgegen der
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Raucherschutzgesetz zuletzt auch außerhalb des Steuerrechts eine strengere Bindung an das Gebot der Folgerichtigkeit verlangt, vgl. BVerfG, Urt. v. 30.07.2008, 1 BvR 3262/07 u.a., BVerfGE 121, 317 (362 f.); siehe dazu Fn. 1209. Vgl. erstmals BVerfG, Urt. v. 27.06.1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (271 ff.); jüngst Urt. v. 09.12.2008, 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 (235 ff. m.w.N.); vgl. auch die Einschätzung von Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat, 2000, S. 44; ders., AöR 2003, 1 (44); Birk, DStR 2009, 877 (881); Englisch, FS Lang, 2010, S. 167 (180). Vgl. zur Rechtsprechungsentwicklung Prokisch, FS Vogel, 2000, S. 293 ff.; Schwarz, FS Isensee, 2007, S. 949 (959 ff.). Zuletzt ist im Urteil des BVerfG zu den Jubiläumsrückstellungen aber wiederum eine restriktivere Tendenz zu erkennen, vgl. Bschl. v. 12.05.2009, 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 (121 ff.); dazu: Schlotter, BB 2009, 1411 f.; Hey, DStR 2009, 2561 (2565 ff.); Englisch, FS Lang, 2010, S. 167 (203 ff.). In dem Urteil entschied das BVerfG, dass es nicht die Aufgabe des BVerfG sei, „die ‚Richtigkeit’ von Lösungen komplexer dogmatischer Streitfragen […] zu kontrollieren“, vgl. BVerfGE 123, 111 (123). In derartigen Fällen will das BVerfG das Willkürverbot anwenden. Siehe dazu C.II.1.b)aa)(5)(i). Vgl. Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat, 2000, S. 44; ders., AöR 2003, 1 (44). BVerfG, Urt. v. 27.06.1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (271); seither ständige Rechtsprechung, vgl. Bschl. v. 22.06.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (136); Bschl. v. 11.11.1998, 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280 (290); Bschl. v. 04.12.2002, 2 BvR 400/98 u.a., BVerfGE 107, 27 (47); Bschl. v. 07.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 (30); Urt. v. 09.12.2008, 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 (231); Bschl. v. 12.05.2009, 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 (120 f.); Bschl. v. 12.10.2010, 1 BvL 12/07, DStR 2010, 2393 (2394). Außerhalb des Steuerrechts hat das BVerfG jüngst auch eine Konsistenz der gesetzgeberischen Wertungen verlangt: Hat der Gesetzgeber einmal die „betroffenen Interessen bewertet und ein Regelungskonzept gewählt, so muss er diese Entscheidung“ bei Sachverhalten mit vergleichbarer Interessenlage „folgerichtig weiterverfolgen“, vgl. BVerfG, Urt. v. 30.07.2008, 1 BvR 3262/07 u.a., BVerfGE 121, 317 (362); dazu Englisch, FS Lang, 2010, S. 167 (210 ff. m.w.N.); kritisch: Sondervotum Bryde, BVerfGE 121, 317 (380 f.). Dieses Gebot der Wertungskonsistenz spielt für diese Arbeit aber keine weitere Rolle. Vgl. Drüen, StuW 2008, 3 (9); vgl. zur Selbstbindung des Gesetzgebers auch Kirchhof, HStR V, 2. Aufl. 2000, § 124, Rz. 223; Di Fabio, JZ 2007, 749 (754).
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
Kritik im Schrifttum1211 muss damit aber keine unverhältnismäßige Beschneidung der demokratischen Kompromissbildung einhergehen; bei maßvoller Anwendung verbleiben dem Gesetzgeber ausreichende Spielräume, klaren Ungerechtigkeiten wie singulären Sonderrechten werden aber Grenzen gesetzt.1212 Im Sinne der Steuergerechtigkeit darf der Gesetzgeber nicht ständig neue Grundentscheidungen treffen und dadurch bestimmte Gruppen von Steuerpflichtigen unterschiedlich belasten. Erst die konsequente Verwirklichung einer einmal getroffenen Grundentscheidung sichert die durch Art. 3 Abs. 1 GG geforderte Belastungsgleichheit innerhalb der bestehenden Rechtsordnung.1213 Der gesetzliche Widerspruch lässt sich auch nicht mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbaren.1214 Das Gebot der Folgerichtigkeit bindet neben dem Gesetzgeber auch die Exekutive und Judikative.1215 Nicht folgerichtig ist aber nicht bereits die bloße Widersprüchlichkeit der Rechtsordnung, sondern erst der Widerspruch, der zu Rechtsfolgenunterschieden führt.1216 Abweichungen von einer folgerichtigen Umsetzung einer Grundentscheidung können gerechtfertigt werden und sind aufgrund entgegenstehender Ziele verfassungsrechtlich ggf. auch geboten. Das BVerfG verlangt zur Rechtfertigung diesbezüglich einen „besonderen sachlichen Grund“.1217 Folgerichtigkeit setzt zunächst eine sachgerechte Grundentscheidung voraus. Das BVerfG verlangt insofern ein „Mindestmaß [an] Prinzipien- oder System1211 Vgl. zuletzt Lepsius, JZ 2009, 260 (261 f.); Rossi, Antrittsvorlesung an der Universität Augsburg am 24.04.2009: „Demokratische Gesetzgebung ist inkonsequent“; ferner: Sondervotum Bryde, in BVerfG, Urt. v. 30.07.2008, 1 BvR 3262/07 u.a., BVerfGE 121, 317 (380 f.). 1212 Vgl. Englisch, FS Lang, 2010, S. 167 (174 f.); siehe auch die Nachweise in Fn. 1210. 1213 Vgl. insbesondere Kirchhof, HStR V, 2. Aufl. 2000, § 124, Rz. 222; ders., Besteuerung im Verfassungsstaat, 2000, S. 44. 1214 Vgl. Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat, 2000, S. 44; ders., HStR V, 3. Aufl. 2007, § 118, Rz. 178 f.; Prokisch, FS Vogel, 2000, S. 293 (310); Englisch, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 92 (96, 100). 1215 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 29.10.1999, 2 BvR 1264/90, BVerfGE 101, 132 (138); Bschl. v. 10.11.1999, 2 BvR 2861/93, BVerfGE 101, 151 (155). Kirchhof fordert hinsichtlich der Judikative zudem die Erheblichkeit des Eingriffs einer nicht folgerichtigen Rechtsprechung, weil das BVerfG ansonsten zur Superrevisionsinstanz würde, vgl. Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat, 2000, S. 49. 1216 Vgl. Kirchhof, HStR V, 2. Aufl. 2000, § 124, Rz. 232; Schwarz, FS Isensee, 2007, S. 949 (957). 1217 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 23.01.1990, 1 BvL 4/87, BVerfGE 81, 228 (237); Bschl. v. 30.09.1998, 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (95); Bschl. v. 11.11.1998, 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280 (290); Bschl. v. 04.12.2002, 2 BvR 400/98 u.a., BVerfGE 107, 27 (47 f.); Bschl. v. 21.06.2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (180); Bschl. v. 07.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 (31); Urt. v. 09.12.2008, 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 (234); Bschl. v. 12.05.2009, 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 (121); Bschl. v. 12.10.2010, 1 BvL 12/07, DStR 2010, 2393 (2394).
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orientierung“1218 bzw. an „Rationalität und Abgewogenheit.“1219 Ansonsten führt die Bindung an die Folgerichtigkeit „folgerichtig in die Irre“, wie es Tipke formuliert.1220 Als sachgerechte Grundentscheidung hat das BVerfG etwa das objektive Nettoprinzip oder den progressiven Einkommensteuertarif angesehen. Dann muss der Gesetzgeber auch folgerichtig Erwerbseinnahmen1221 besteuern und Erwerbsaufwand1222 zum Abzug von der steuerlichen Bemessungsgrundlage zulassen bzw. die Übergänge in einem progressiven Tarifverlauf folgerichtig ausgestalten1223. Folgerichtigkeit wird insofern jedenfalls innerhalb eines Subsystems des Steuerrechts als Teilrechtsordnung verlangt.1224 Folgerichtig sind ggf. auch zwei Subsysteme zueinander auszugestalten, was z.B. einen gewissen Grad an wechselseitiger Abstimmung von materiellem und formellem Steuerrecht erfordert.1225 Ob der Gesetzgeber auch zwei Teilrechtsordnungen folgerichtig zueinander ausgestalten muss, ist umstritten.1226 Richtigerweise ist dies nur bei Sachverhalten zu fordern, die aufgrund wechselseitiger Verbindung ein abgestimmtes Verhalten erfordern, z.B. eine einheitliche Bestimmung des sozial- und steuerrechtlichen Existenzminimums1227. Auch wenn der Gesetzgeber nur auf Zeit demokratisch legitimiert ist, entfaltet das Gebot der Folgerichtigkeit eine gewisse zeitliche Bindung.1228 Der Gesetzgeber bleibt aufgrund seiner Gestaltungsfreiheit aber befugt, Grundentschei1218 1219 1220 1221 1222 1223
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BVerfG, Urt. v. 09.12.2008, 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 (244). BVerfG, Bschl. v. 12.05.2009, 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 (123). Tipke, BB 2007, 1525 (1529). Vgl. BVerfG, Bschl. v. 11.11.1998, 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280 (290 ff., 294). Siehe bereits C.II.1.b)aa)(1)(ii) mit den Nachweisen in Fn. 1192. Vgl. BVerfG, Urt. v. 27.06.1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (271); Bschl. v. 25.09.1992, 2 BvL 5/91, BVerfGE 87, 153 (170); Bschl. v. 22.06.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (137). Vgl. Hennrichs, DStJG 24 (2001), 301 (310); Schlotter, FR 2007, 951 (953); Birk, DStR 2009, 877 (881); Hey, DStR 2009, 2561 (2565); vgl. auch Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat, 2000, S. 44. Vgl. Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat, 2000, S. 44; vgl. allgemein auch: Tipke, StuW 2007, 201 (207 ff.); Englisch, FS Lang, 2010, S. 167 (185 f.). Dafür: Kirchhof, HStR V, 2. Aufl. 2000, § 124, Rz. 225; ders., Besteuerung im Verfassungsstaat, 2000, S. 43 f.; Schwarz, FS Isensee, 2007, S. 949 (957); dagegen: Birk, DStR 2009, 877 (881); differenziert: Englisch, in: Stern/Becker, GrundrechteKommentar, 2010, Art. 3, Rz. 38; ders., FS Lang, 2010, S. 167 (194). Vgl. BVerfG, Bschl. v. 25.09.1992, 2 BvL 5/91, BVerfGE 87, 153 (170); Bschl. v. 10.11.1998, 2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246 (264 f.); Bschl. v. 08.06.2004, 2 BvL 5/00, BVerfGE 110, 412 (433 f.); Bschl. v. 13.02.2008, 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125 (154 f.). Vgl. Kirchhof, HStR V, 2. Aufl. 2000, § 124, Rz. 234; Hennrichs, DStJG 24 (2001), 301 (311); Schlotter, FR 2007, 951 (953); Drüen, StuW 2008, 3 (9); Tipke bezeichnet dies als „Dauerhaftigkeit“, vgl. Tipke, StuW 2007, 201 (211 f.); ders., BB 2007, 1525 (1532); ders., JZ 2009, 533 (535 f.).
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dungen zu ändern.1229 Das Steuerrecht muss mit der Zeit gehen können.1230 Gebunden ist der Gesetzgeber ohnehin nur an die Verwirklichung einer einmal getroffenen Grundentscheidung, nicht aber an die Grundentscheidung selbst.1231 Das BVerfG hat in seiner Entscheidung zur Entfernungspauschale ein Mindestmaß an Prinzipien- oder Systemorientierung der neuen Grundentscheidung verlangt.1232 Zulässig ist unter diesen Voraussetzungen auch ein gestufter Systemwechsel. Dieser erfordert aber eine besonders kritische Prüfung,1233 weil der Gesetzgeber ggf. versucht, punktuelle Änderungen als Systemwechsel zu begründen. So wurde die vom objektiven Nettoprinzip abweichende Entfernungspauschale des § 9 Abs. 2 Sätze 1 und 2 EStG a.F. mit der Einführung eines neuen Systems, dem Werkstorprinzip, begründet.1234 Der letztlich primär fiskalisch motivierten Regelung mangelte es aber an der erforderlichen neuen Prinzipien- oder Systemorientierung.1235 Ein Systemwechsel muss zudem die übrigen Verfassungswertungen beachten, insbesondere das Leistungsfähigkeitsprinzip.1236 (3)
Gebot der Gleichbehandlung der Einkunftsarten
Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG leitet das BVerfG auch das Gebot der Gleichbehandlung der Einkunftsarten ab.1237 Dieses ergibt 1229 Vgl. BVerfG, Urt. v. 09.12.2008, 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 (242); Bschl. v. 06.07.2010, 2 BvL 13/09, DStR 2010, 1563 (1566); zuvor bereits: Bschl. v. 19.12.1978, 1 BvR 335/76 u.a., BVerfGE 50, 57 (82); Bschl. v. 09.02.1982, 2 BvL 6/78 u.a., BVerfGE 60, 16 (43); vgl. auch Bschl. v. 17.11.2009, 1 BvR 2192/05, DStR 2010, 434 (436). Ist der Zweck einer Regelung erreicht, kann es auch gerade folgerichtig sein, die Regelung aufzuheben, vgl. Bschl. v. 05.02.2002, 2 BvR 305/93, BVerfGE 105, 17 (47 f.); Kirchhof, AöR 2003, 1 (46). 1230 Andernfalls droht die von Kritikern des Gebots der Folgerichtigkeit befürchtete Verkrustung des Steuerrechts, vgl. Kischel, in: Mellinghoff/Palm, Gleichheit im Verfassungsstaat, 2008, S. 175 (185 m.w.N.); dahingehend bereits Bschl. v. 09.02.1982, 2 BvL 6/78 u.a., BVerfGE 60, 16 (43). 1231 Vgl. Birk, DStR 2009, 877 (881); Englisch, FS Lang, 2010, S. 167 (192 m.w.N.). 1232 Vgl. BVerfG, Urt. v. 09.12.2008, 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 (242, 244); dazu: Drüen, Ubg 2009, 23 (27); Englisch, FS Lang, 2010, S. 167 (193 f.). Großzügiger: Leisner-Egensperger, BB 2007, 639 (643); Eckhoff, FR 2007, 989 (993 f.); jedenfalls bei gemischt veranlassten Aufwendungen: Wernsmann, DStR 2008, Beihefter zu Heft 17, 37 (40 f., 44). 1233 Vgl. BVerfG, Urt. v. 09.12.2008, 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 (242). 1234 Vgl. BT-Drs. 16/1969, S. 1 f.; BVerfG, Urt. v. 09.12.2008, 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 (223 f.). 1235 Siehe die Nachweise in Fn. 1232. So wurde das Werkstorprinzip zwar bei Arbeitswegen bis zu 21 km umgesetzt, darüber hinaus waren Wegekosten jedoch wiederum nach dem Veranlassungsprinzip abzugsfähig, vgl. BVerfG, Urt. v. 09.12.2008, 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 (235 f., 243 f.). 1236 Vgl. Drüen, Ubg 2009, 23 (27); Englisch, FS Lang, 2010, S. 167 (194). 1237 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 08.10.1991, 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348 (363 f.); Bschl. v. 10.04.1997, 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1 (6); Bschl. v. 30.09.1998, 2 BvR 1818/91,
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sich einerseits aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip,1238 weil zwei Steuerpflichtige nicht allein aufgrund der steuertechnischen Unterscheidung von Einkunftsarten unterschiedlich leistungsfähig sind. Das BVerfG hat es andererseits auch aus dem Gebot der Folgerichtigkeit abgeleitet, weil der Gesetzgeber die Einkunftsarten in den §§ 2, 13 ff. EStG – mittlerweile mit Ausnahme der Kapitaleinkünfte – ansonsten gleich behandelt.1239 Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG bedarf die Ungleichbehandlung von Einkunftsarten damit eines besonderen sachlichen Grundes. Allein die systematische Unterscheidung zwischen den verschiedenen Einkunftsarten genügt dafür nicht.1240 (4)
Rechtsformneutralität
Wenn das BVerfG aus Art. 3 Abs. 1 GG ein Gebot der Gleichbehandlung der Einkunftsarten ableitet, liegt es nahe, auch für die Besteuerung gleich leistungsfähiger Personen- und Kapitalgesellschaften verfassungsrechtlich eine gleiche, rechtsformneutrale Besteuerung zu fordern.1241 Dies hat das BVerfG für die Umsatzsteuer bejaht, weil die Rechtsform „kein hinreichender Differenzierungsgrund für eine Umsatzsteuerbefreiung“ sei.1242 In der Literatur wurde daraufhin, insbesondere1243 hinsichtlich einer gleichmäßigen Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, ein Gebot der Rechtsformneutralität für das Ertragssteuerrecht gefordert.1244 Dies hat das BVerfG in der
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BVerfGE 99, 88 (95); Urt. v. 06.03.2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (126); Bschl. v. 21.06.2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (181); früher noch a.A.: BVerfG, Urt. v. 09.07.1969, 2 BvL 20/65, BVerfGE 26, 302. Siehe die Nachweise in Fn. 1237; vgl. Kirchhof, StuW 2006, 3 (10); Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 109; Hey, StbJb 2007/2008, 19 (46). Vgl. BVerfG, Bschl. v. 30.09.1998, 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (95); vgl. auch Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 110. Siehe die Nachweise in Fn. 1237. In Betracht kommt dabei insbesondere eine Rechtfertigung durch Typisierung und Lenkungsziele. Das BVerfG ist diesbezüglich speziell in der jüngeren Rechtsprechung großzügiger geworden und hat etwa bei § 32c EStG wirtschaftspolitische Zielsetzungen akzeptiert, vgl. Bschl. v. 21.06.2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (182 ff.); dazu: Schön, DFGT 5 (2008), 37 (45 f. m.w.N.); Hey, StbJb 2007/2008, 19 (47). Auch die zusätzliche Belastung mit Gewerbesteuer, die ausschließlich die Gewinneinkunftsarten betrifft, hat das BVerfG nicht beanstandet, vgl. Bschl. v. 15.01.2008, 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 (24 ff.). Vgl. Hey, StbJb 2007/2008, 19 (51). BVerfG, Bschl. v. 10.11.1999, 2 BvR 2861/93, BVerfGE 101, 151 (156). Die Rechtsformneutralität wird im Schrifttum ferner teilweise auch auf Art. 12 und 14 GG (vgl. etwa Desens, Das Halbeinkünfteverfahren, 2004, S. 402 ff. m.w.N.) sowie auf die Vereinigungsfreiheit des Art. 9 Abs. 1 GG gestützt, vgl. insbesondere Kirchhof, StuW 2002, 3 (11); ders., AöR 2003, 1 (36); jeweils a.A. Weinelt, Rechtsformneutralität der Unternehmensbesteuerung, 2006, S. 101 ff., 111 ff., 123 ff. Vgl. Kirchhof, StuW 2002, 3 (11); Hey, DStJG 24 (2001), 155 ff.; dies., DStJG Sonderband Unternehmensteuerreform (2001), 5 (14); dies., in: Tipke/Lang, Steuerrecht,
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Entscheidung zu § 32c EStG jedoch abgelehnt.1245 Geht man wie hier aufgrund der Abschirmwirkung der Kapitalgesellschaft von deren eigener wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit aus,1246 besteht ein hinreichender Differenzierungsgrund für eine Ungleichbehandlung. Wie im Unionsrecht1247 ist der Gesetzgeber in Anerkennung seiner Gestaltungsfreiheit daher auch verfassungsrechtlich nicht gezwungen, stets eine Rechtsformneutralität der Besteuerung zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften herzustellen.1248 (5)
Rechtfertigung
Liegt eine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem oder eine Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem vor, führt dies nicht zwangsläufig zur Verfassungswidrigkeit. Wie bei den Grundfreiheiten1249 können Durchbrechungen des Art. 3 Abs. 1 GG durch andere verfassungsrechtlich anerkannte Ziele gerechtfertigt werden.1250 Anders als der EuGH sieht das BVerfG hierbei einen weiteren expliziten Prüfungsschritt vor,1251 um für den Einzelfall das Gewicht der rechtfertigenden Gründe im Verhältnis zur Schwere der Ungleichbehandlung zu bestimmen. Das BVerfG wendet insofern eine „abgestufte Kontrolldichte“1252 an, die von einer bloßen Willkürkontrolle bis zu einer
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20. Aufl. 2010, § 18, Rz. 533; Balmes, DStJG Sonderband Unternehmensteuerreform (2001), 25 (33 f.); Weinelt, Rechtsformneutralität der Unternehmensbesteuerung, 2006, S. 93 ff.; ablehnend: Birk, StuW 2000, 328 (333); Pelka, StuW 2000, 389 (393 ff.); Desens, Das Halbeinkünfteverfahren, 2004, S. 396 ff.; Stapperfend, FR 2005, 74 (76 f.). Vgl. BVerfG, Bschl. v. 21.06.2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (197 ff.); vgl. auch Bschl. v. 24.01.1962, 1 BvR 845/58, BVerfGE 13, 331 (339). Siehe oben unter (1) mit den Nachweisen in den Fn. 1175 f. Siehe C.I.1.b)cc)(2)(i). Die dortige Argumentation ist aber als spezifisch grundfreiheitlich zu betrachten. Vgl. BVerfG, Bschl. v. 21.06.2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (200); Birk, StuW 2000, 328 (333); Pelka, StuW 2000, 389 (395); Desens, Das Halbeinkünfteverfahren, 2004, S. 397 f. Siehe C.I.1.c). Vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, 2. Aufl. 2000, S. 329; Birk, StuW 2000, 328 (330); Drüen, StuW 2008, 3 (6); Englisch, in: Stern/Becker, GrundrechteKommentar, 2010, Art. 3, Rz. 133. Vgl. allgemein zur Prinzipientheorie: Alexy, Theorie der Grundrechte, 3. Aufl. 1996, S. 71 ff. Vgl. Breinersdorfer, StuW 2009, 211 (215). Auch wenn der EuGH diesen Prüfungsschritt nicht gesondert vorsieht, gewichtet er implizit ebenfalls die Rechtfertigungsgründe gegenüber der Schwere der Ungleichbehandlung, etwa in der jüngeren Rechtsprechung bei der Abwägung von Zins- und Liquiditätsnachteilen, siehe C.I.2.c)bb)(2)(iii). Zu weitgehend: Breinersdorfer, StuW 2009, 211 (215). Vgl. BVerfG, Bschl. v. 26.01.1993, 1 BvL 38/92 u.a., BVerfGE 88, 87 (96 f.); Bschl. v. 10.01.1995, 1 BvL 20/87 u.a., BVerfGE 91, 389 (401); Urt. v. 02.03.1999, 1 BvL 2/91, BVerfGE 99, 367 (389); ablehnend: Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl. 2010, Art. 3, Rz. 11.
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strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung reicht.1253 Damit ergibt sich ein Kontinuum von einer sehr großzügigen bis zu einer sehr strengen Prüfung des allgemeinen Gleichheitssatzes.1254 (i)
Vom bloßen Willkürverbot bis zur strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung
Über lange Zeit hat das BVerfG dem Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum zugestanden und hat Durchbrechungen des Art. 3 Abs. 1 GG nur anhand des Willkürverbots kontrolliert. Danach ist der allgemeine Gleichheitssatz erst verletzt, „wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden läßt, kurzum, wenn die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muß.“1255 Somit reicht bereits irgendein sachlicher Grund aus, um Durchbrechungen des Art. 3 Abs. 1 GG zu rechtfertigen.1256 Das BVerfG beschränkt sich insofern auf eine Evidenzkontrolle.1257 Ab den 80er Jahren ist das BVerfG dazu übergegangen, dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers auch engere Grenzen zu setzen,1258 indem es Durchbrechungen des Art. 3 Abs. 1 GG auf ihre Verhältnismäßigkeit hin über1253 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 26.01.1993, 1 BvL 38/92 u.a., BVerfGE 88, 87 (96); Urt. v. 20.04.2004, 1 BvR 905/00, BVerfGE 110, 274 (291); Bschl. v. 21.06.2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (180); Bschl. v. 07.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 (30); Urt. v. 09.12.2008, 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 (230); Bschl. v. 12.05.2009, 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 (119 f.); Bschl. v. 17.11.2009, 1 BvR 2192/05, DStR 2010, 434 (435); kritisch: Englisch, in: Stern/Becker, GrundrechteKommentar, 2010, Art. 3, Rz. 21, 144. 1254 Vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 11. Aufl. 2011, Art. 3, Rz. 17; Albers, JuS 2008, 945 (949). 1255 BVerfG, Urt. v. 23.10.1951, 2 BvG 1/51, BVerfGE 1, 14 (52); vgl. auch Urt. v. 07.12.1953, 1 BvR 147/52, BVerfGE 3, 58 (135 f.); Bschl. v. 26.03.1980, 1 BvR 121/76 u.a., BVerfGE 54, 11 (25 f.); Bschl. v. 17.05.1983, 2 BvL 8/82, BVerfGE 64, 158 (168 f.); Bschl. v. 05.10.1983, 1 BvL 34/81, BVerfGE 89, 132 (141 f.). Das Willkürverbot geht zurück auf Leibholz, Die Gleichheit vor dem Gesetz, 1. Aufl. 1925, S. 72 ff.; 2. Aufl. 1959, S. 72 ff., 88 ff. 1256 Vgl. Kirchhof, HStR V, 3. Aufl. 2007, § 118, Rz. 182; Schwarz, FS Isensee, 2007, S. 949 (950); Wernsmann, in: H/H/Sp, AO/FGO, § 4 AO, Rz. 439 (Stand: 06.2009); Hey, DStR 2009, 2561 (2563); Pieroth/Schlink, 27. Aufl. 2011, Rz. 471. 1257 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 09.05.1961, 2 BvR 49/60, BVerfGE 12, 326 (333); Bschl. v. 19.06.1962, 1 BvL 10/57, BVerfGE 14, 142 (150); Urt. v. 13.07.1965, 1 BvR 771/59 u.a., BVerfGE 19, 101 (115); Bschl. v. 16.10.1979, 1 BvL 51/79, BVerfGE 52, 277 (281). 1258 Vgl. Sondervotum Katzenstein zum Bschl. v. 18.11.1986, 1 BvL 29/83 u.a., BVerfGE 74, 9 (30); Heun, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Art. 3, Rz. 21; Schwarz, FS Isensee, 2007, S. 949 (951); Wernsmann, in: H/H/Sp, AO/FGO, § 4 AO, Rz. 440 f. (Stand: 06.2009).
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
prüft.1259 Nach der sog. neuen Formel wird der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, „wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten“.1260 Somit müssen die Ungleichbehandlung und das mit ihr verfolgte Ziel in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Wie bei der Rechtfertigungsprüfung des EuGH ist zu untersuchen, ob mit der Ungleichbehandlung ein anerkanntes Ziel verfolgt wird und ob die Differenzierung zur Erreichung dieses Ziels geeignet, erforderlich und angemessen ist.1261 Diese dreistufige Prüfung bringt das BVerfG aber nur selten explizit zum Ausdruck.1262 Es fordert allgemein nur einen angemessenen Ausgleich zwischen der Ungleichbehandlung und dem rechtfertigenden Grund.1263 Bei Verstößen gegen das Folgerichtigkeitsgebot
1259 Die Verhältnismäßigkeitsprüfung hatte das BVerfG bis dahin nur bei den Freiheitsrechten angewandt. In der Literatur wird teilweise kritisiert, dass die Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht auf Gleichheitsrechte übertragen werden könne, vgl. Heun, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Art. 3, Rz. 30; Schwarz, FS Isensee, 2007, S. 949 (954); Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl. 2010, Art. 3, Rz. 11. Diese kann aber unproblematisch dahingehend modifiziert werden, dass nach der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit zur Erreichung des Differenzierungsziels gefragt wird, vgl. Wendt, NVwZ 1988, 778 (784 ff.); Michael, JuS 2001, 148 (153 f.); Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, 2005, S. 236 f.; Albers, JuS 2008, 945 (947). Dies bestätigt auch die Anwendung der Verhältnismäßigkeitsprüfung des EuGH auf die gleichheitsrechtlichen Grundfreiheiten, siehe dazu C.I.1.c)bb). 1260 BVerfG, Bschl. v. 07.10.1980, 1 BvL 50/79 u.a., BVerfGE 55, 72 (88); seither ständige Rechtsprechung: Bschl. v. 22.10.1981, 1 BvR 1369/79, BVerfGE 58, 369 (373 f.); Bschl. v. 16.11.1982, 1 BvL 16/75 u.a., BVerfGE 62, 256 (274); Bschl. v. 08.04.1987, 2 BvR 909/82 u.a., BVerfGE 75, 108 (157); Bschl. v. 30.05.1990, 1 BvL 2/83, BVerfGE 82, 126 (146); Bschl. v. 02.02.1999, 1 BvL 8/97, BVerfGE 100, 195 (205); Urt. v. 28.04.1999, 1 BvL 22/95, BVerfGE 100, 59 (90). 1261 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 18.07.2005, 2 BvF 2/01, BVerfGE 113, 167 (231 ff.); vgl. auch Osterloh, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 3, Rz. 18 ff.; Wendt, NVwZ 1988, 778 (784 ff.); Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, 2005, S. 234 ff.; ders., in: H/H/Sp, AO/FGO, § 4 AO, Rz. 441 (Stand: 06.2009); Schwarz, FS Isensee, 2007, S. 949 (952 f.); Albers, JuS 2008, 945 (947); Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl. 2010, § 4, Rz. 209 ff. Siehe zur Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelnen bereits C.I.1.c)bb). 1262 Vgl. Hey, StbJb 2007/2008, 19 (38); Englisch, in: Stern/Becker, GrundrechteKommentar, 2010, Art. 3, Rz. 142. Vgl. aber BVerfG, Bschl. v. 18.07.2005, 2 BvF 2/01, BVerfGE 113, 167 (231 ff.). 1263 Vgl. etwa BVerfG, Bschl. v. 22.10.1981, 1 BvR 1369/79, BVerfGE 58, 369 (373 f.); Bschl. v. 30.05.1990, 1 BvL 2/83, BVerfGE 82, 126 (146 m.w.N.); Bschl. v. 08.02.1994, 1 BvR 1237/85, BVerfGE 89, 365 (377 f.).
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Zinsschranke
verlangt das BVerfG zur Rechtfertigung entsprechend einen besonderen sachlichen Grund.1264 Welcher Maßstab zwischen dem bloßen Willkürverbot und einer strengen Verhältnismäßigkeit zur Anwendung kommt, ist stets eine Einzelfallentscheidung,1265 die sich nach den jeweiligen Regelungsgegenständen und Differenzierungsmerkmalen richtet1266. Da der allgemeine Gleichheitssatz in erster Linie eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von Personen verhindern soll, unterliegt der Gesetzgeber bei der Ungleichbehandlung von Personengruppen einer strengeren Bindung.1267 Dabei reicht auch ein nur mittelbarer Personenbezug aus,1268 was insbesondere bei hinter der Kapitalgesellschaft stehenden Anteilseignern der Fall sein kann1269. Die Bindung ist zudem umso strenger, „je mehr sich die personenbezogenen Merkmale den in Art. 3 Abs. 3 GG genannten annähern“.1270 Eine großzügigere Prüfung erfolgt umgekehrt bei der Ungleichbehandlung von Sachverhalten, insbesondere wenn der Steuerpflichtige der Ungleichbehandlung durch eigenes Verhalten entgehen kann.1271 Die Abgrenzung zwischen einem Bezug zu Personen oder Sachverhalten ist allgemein mit Schwierigkeiten verbunden, erlaubt aber eine erste
1264 Siehe die Nachweise in Fn. 1217; vgl. auch Hey, DStR 2009, 2561 (2567); Englisch, in: Stern/Becker, Grundrechte-Kommentar, 2010, Art. 3, Rz. 142; ders., FS Lang, 2010, S. 167 (199 ff.); a.A. wohl Lehner, DStR 2009, 185 (191). 1265 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 18.07.2005, 2 BvF 2/01, BVerfGE 113, 167 (214); Bschl. v. 15.01.2008, 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 (30); Bschl. v. 13.02.2008, 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125 (144); Urt. v. 09.12.2008, 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 (230 m.w.N.); Bschl. v. 12.10.2010, 1 BvL 12/07, DStR 2010, 2393 (2394). 1266 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 26.01.1993, 1 BvL 38/92 u.a., BVerfGE 88, 87 (96 f.); Bschl. v. 08.04.1997, 1 BvR 48/94, BVerfGE 95, 267 (316); Bschl. v. 18.07.2005, 2 BvF 2/01, BVerfGE 113, 167 (214); Urt. v. 09.12.2008, 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 (230 m.w.N.). 1267 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 07.10.1980, 1 BvL 50/79, BVerfGE 55, 72 (88 ff.); Bschl. v. 26.01.1993, 1 BvL 38/92 u.a., BVerfGE 88, 87 (96); Bschl. v. 10.04.1997, 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1 (6); Urt. v. 07.12.1999, 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297 (309); Bschl. v. 04.12.2002, 2 BvR 400/98 u.a., BVerfGE 107, 27 (46); Bschl. v. 12.05.2009, 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 (120). 1268 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 26.01.1993, 1 BvL 38/92 u.a., BVerfGE 88, 87 (96); Bschl. v. 08.06.1993, 1 BvL 20/85, BVerfGE 89, 15 (22); Urt. v. 02.03.1999, 1 BvL 2/91, BVerfGE 99, 367 (388); Bschl. v. 13.02.2007, 1 BvR 910/05 u.a., BVerfGE 118, 1 (26). 1269 Vgl. BVerfG, Urt. v. 02.03.1999, 1 BvL 2/91, BVerfGE 99, 367 (389). 1270 BVerfG, Bschl. v. 26.01.1993, 1 BvL 38/92 u.a., BVerfGE 88, 87 (96); Bschl. v. 27.01.1998, 1 BvL 15/87, BVerfGE 97, 169 (181); Urt. v. 02.03.1999, 1 BvL 2/91, BVerfGE 99, 367 (388). 1271 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 07.10.1980, 1 BvL 50/79, BVerfGE 55, 72 (89); Bschl. v. 26.01.1993, 1 BvL 38/92 u.a., BVerfGE 88, 5 (12); Bschl. v. 26.01.1993, 1 BvL 38/92 u.a., BVerfGE 88, 87 (96); Bschl. v. 10.04.1997, 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1 (6); Urt. v. 07.12.1999, 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297 (309).
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
Abschätzung.1272 Der Gesetzgeber unterliegt insbesondere einer engeren Bindung an den Gleichheitssatz, je stärker die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten die Ausübung der Freiheitsrechte erschwert.1273 Speziell im Steuerrecht gewährt das BVerfG dem Gesetzgeber einen weiten Entscheidungsspielraum bei der Auswahl des Steuergegenstandes und der Bestimmung des Steuersatzes.1274 Bei der Ausgestaltung des Steuertatbestandes sind wiederum die übrigen Kriterien zu beachten. Das BVerfG bindet den Gesetzgeber diesbezüglich insbesondere an das Folgerichtigkeitsgebot.1275 Das BVerfG zeigt sich hinsichtlich des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums weiterhin großzügig bei komplexen Zusammenhängen, insbesondere wenn mit einer Materie noch Erfahrungen gesammelt werden sollen1276 oder wenn Übergangsvorschriften anlässlich der Umstrukturierung komplexer Regelungssysteme erlassen werden1277. Zu weitgehend hat das BVerfG jüngst jedoch im Beschluss zu den Jubiläumsrückstellungen die verfassungsrechtliche Kontrolle des Folgerichtigkeitsgebots auf das Willkürverbot zurückgenommen: Es sei „nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, die ‚Richtigkeit’ von Lösungen komplexer dogmatischer Streitfragen […] des Steuerbilanzrechts“ zu
1272 Vgl. Albers, JuS 2008, 945 (946); Englisch, in: Stern/Becker, GrundrechteKommentar, 2010, Art. 3, Rz. 16; kritisch: Schwarz, FS Isensee, 2007, S. 949 (952 m.w.N.). 1273 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 18.11.1986, 1 BvL 29/83 u.a., BVerfGE 74, 9 (24 m.w.N.); Bschl. v. 30.05.1990, 1 BvL 2/83, BVerfGE 82, 126 (146); Bschl. v. 26.01.1993, 1 BvL 38/92 u.a., BVerfGE 88, 87 (96); Urt. v. 02.03.1999, 1 BvL 2/91, BVerfGE 99, 367 (389); Bschl. v. 04.12.2002, 2 BvR 400/98 u.a., BVerfGE 107, 27 (46); Urt. v. 09.12.2008, 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 (230); Bschl. v. 12.05.2009, 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 (120); Bschl. v. 12.10.2010, 1 BvL 12/07, DStR 2010, 2393 (2394). Dies spiegelt zugleich die freiheitsrechtliche Fundierung des Art. 3 Abs. 1 GG wieder, siehe oben unter (1). Teilweise kritisch hingegen Englisch, in: Stern/Becker, Grundrechte-Kommentar, 2010, Art. 3, Rz. 18 f. 1274 Vgl. BVerfG, Urt. v. 27.06.1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (271); Bschl. v. 22.06.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (136); Bschl. v. 11.11.1998, 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280 (290); Bschl. v. 04.12.2002, 2 BvR 400/98 u.a., BVerfGE 107, 27 (47); Bschl. v. 07.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 (30); Urt. v. 09.12.2008, 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 (230); Bschl. v. 12.05.2009, 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 (120); Bschl. v. 17.11.2009, 1 BvR 2192/05, DStR 2010, 434 (435); Bschl. v. 12.10.2010, 1 BvL 12/07, DStR 2010, 2393 (2394); kritisch: Hennrichs, FS Lang, 2010, S. 241. Siehe bereits oben unter (2). 1275 Siehe die vorige Fn. 1274. 1276 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 14.05.1985, 1 BvR 449/82 u.a., BVerfGE 70, 1 (34); Bschl. v. 08.04.1987, 2 BvR 909/82 u.a., BVerfGE 75, 108 (162); Bschl. v. 08.06.1988, 2 BvL 9/85, BVerfGE 78, 249 (288). 1277 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 17.11.2009, 1 BvR 2192/05, DStR 2010, 434 (435 m.w.N.) zum Übergang vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren, zugleich aber mit der klaren Feststellung, dass damit der Gesetzgeber nicht von der Bindung an den Gleichheitssatz befreit wird, vgl. DStR 2010, 434 (437); dazu Drüen, DStR 2010, 513 (516).
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Zinsschranke
gewährleisten.1278 Allein die Komplexität einer Materie ist jedoch kein geeignetes Kriterium zur Abstufung der Kontrolldichte und würde die verfassungsrechtliche Kontrolle in vielen Fragen des Unternehmenssteuerrechts auf ein unzureichendes Maß zurückführen. Dies scheint mit der bisherigen Rechtsprechung auch nicht zu vereinbaren zu sein.1279 Die Grundrechte gelten auch im komplexen Unternehmenssteuerrecht.1280 Soweit das BVerfG im Beschluss zu den Jubiläumsrückstellungen die zurückgenommene Kontrolldichte mit dem niedrigen Rang des Vorsichtsprinzips in der Hierarchie von Fundamental- und Subprinzipien begründet,1281 kann auch dies nicht überzeugen. Einerseits ist dies mit kaum zu lösenden Abgrenzungsschwierigkeiten verbunden,1282 andererseits kann eine ggf. geringere Gewichtung besser in Verhältnis zu kollidierenden Zielen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung bestimmt werden1283. (ii)
Legitime Rechtfertigungsgründe
Durchbrechungen des Art. 3 Abs. 1 GG können durch andere verfassungsrechtlich anerkannte Ziele gerechtfertigt werden. Dabei kommt grundsätzlich jedes Ziel mit Verfassungsrang in Betracht. Das BVerfG zeigt sich im Steuerrecht insbesondere großzügig hinsichtlich Lenkungszielen1284 und Typisierungen bei der Ordnung von Massenerscheinungen1285. Auf die einzelnen, für
1278 BVerfG, Bschl. v. 12.05.2009, 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 (123). 1279 Vgl. daher die berechtigte Kritik von: Hey, DStR 2009, 2561 (2565 f.); Schlotter, BB 2009, 1411 f.; Englisch, in: Stern/Becker, Grundrechte-Kommentar, 2010, Art. 3, Rz. 20; Hennrichs, FS Lang, 2010, S. 237 (252 ff.); Schulze-Osterloh, FS Lang, 2010, S. 255 (257 ff.). 1280 Vgl. jüngst deutlich BVerfG, Bschl. v. 17.11.2009, 1 BvR 2192/05, DStR 2010, 434 (435 ff.); dazu Drüen, DStR 2010, 513 ff. Vgl. allgemein zur (zuvor häufig zurückhaltenden) verfassungsrechtlichen Kontrolle im Unternehmenssteuerrecht: SchulzeOsterloh, FS Raupach, 2006, S. 531 ff.; ders., FS Lang, 2010, S. 255 ff.; Hey, StbJb 2007/2008, 19 (50); dies., DStR 2009, 2561 ff.; dies., FS Lang, 2010, S. 7 (8 ff.); Drüen, Ubg 2009, 23 ff.; ders., DStR 2010, 513 ff.; Hennrichs, FS Lang, 2010, S. 237 (238). 1281 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 12.05.2009, 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 (122 f.); dazu: Hey, DStR 2009, 2561 (2567); Englisch, FS Lang, 2010, S. 167 (203 f.). 1282 Vgl. Englisch, FS Lang, 2010, S. 167 (203). 1283 Vgl. Hey, DStR 2009, 2561 (2567). 1284 Vgl. etwa BVerfG, Bschl. v. 22.06.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (147 f.); Bschl. v. 07.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 (31 ff.); Urt. v. 09.12.2008, 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 (231 f.); Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, 2005, S. 224 ff.; Fann, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Steuervergünstigung, 2009, S. 91 ff. 1285 Vgl. etwa BVerfG, Bschl. v. 11.11.1998, 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280 (290); Urt. v. 07.12.1999, 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297 (309); Bschl. v. 21.06.2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (182); Urt. v. 09.12.2008, 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 (232 f.) jeweils m.w.N. Siehe C.II.4.a)dd)(2).
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diese Arbeit relevanten Gründe soll aber erst später eingegangen werden.1286 Keinen anerkannten Rechtfertigungsgrund stellen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedenfalls fiskalische Zwecke dar:1287 „Auch wenn der Staat auf Einsparungsmaßnahmen angewiesen ist, muss er auf die gerechte Verteilung der Lasten achten“.1288 Dem Einnahmeerzielungszweck lassen sich weder Maß noch Grenzen für die Einschränkung des Art. 3 Abs. 1 GG entnehmen.1289 Er darf nur mit Erhöhungen des Steuertarifs verfolgt werden, nicht jedoch mit Durchbrechungen des Art. 3 Abs. 1 GG.1290 bb)
Die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG
Neben dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG entfalten auch die Freiheitsrechte, insbesondere die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG, Wirkung für die Steuern. Art. 3 Abs. 1 GG kann als relatives Recht nur die Gleichbehandlung mit einem vergleichbaren Sachverhalt garantieren. Solange alle Steuerpflichtigen nur gleich schlecht behandelt werden, kann Art. 3 Abs. 1 GG keinen Schutz gewähren. Art. 14 GG sichert als Freiheitsrecht hingegen einen absoluten Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich.1291 Sein Schutz betrifft alle vermögenswerten Rechte, sowohl dingliche als auch schuldrechtliche Rechte.1292 Eingangs wurde jedoch bereits festgestellt, dass gegenleistungslose Steuern ihre freiheitsrechtliche Rechtfertigung vor allem durch die gleichmäßige Verteilung der Steuerlast gewinnen.1293 Daher ist fraglich, inwieweit Art. 14 GG eine absolute Grenze für die Besteuerung 1286 Siehe C.II.4.a)dd). 1287 Vgl. insbesondere BVerfG, Bschl. v. 21.06.2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (182); Urt. v. 09.12.2008, 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 (233 u. 236 f.); Bschl. v. 06.07.2010, 2 BvL 13/09, DStR 2010, 1563 (1566); a.A.: Lepsius, JZ 2009, 260 (262); zuletzt ausdrücklich offen gelassen: Bschl. v. 12.05.2009, 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 (126). Früher noch die Relevanz fiskalischer Ziele bei Leistungsgesetzen bejahend: Urt. v. 08.04.1987, 1 BvL 8/84 u.a., BVerfGE 75, 40 (72 m.w.N.); Urt. v. 07.07.1992, 1 BvL 51/86 u.a., BVerfGE 87, 1 (45). 1288 BVerfG, Bschl. v. 21.06.2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (182); vgl. auch Bschl. v. 29.05.1990, 1 BvL 20/84, BVerfGE 82, 60 (89); Urt. v. 09.12.2008, 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 (233). 1289 Vgl. BVerfG, Urt. v. 09.12.2008, 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 (237); Bschl. v. 06.07.2010, 2 BvL 13/09, DStR 2010, 1563 (1566). 1290 Vgl. Tipke, BB 2007, 1525 (1528 u. 1532); Drüen, Ubg 2009, 23 (26); ders., StuW 2008, 3 (12). 1291 Vgl. BVerfG, Urt. v. 18.12.1968, 1 BvR 638/64 u.a., BVerfGE 24, 367 (389); Bschl. v. 22.05.2001, 1 BvR 1512/97 u.a., BVerfGE 104, 1 (8); Bschl. v. 18.01.2006, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97 (110). 1292 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 08.04.1997, 1 BvR 48/94, BVerfGE 95, 267 (300); Bschl. v. 18.01.2006, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97 (110 f.). Damit geht Art. 14 GG über den Schutz des zivilrechtlichen Eigentums hinaus. 1293 Siehe C.II.1.b), vgl. nochmals BVerfG, Urt. v. 27.06.1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (268 f.); Bschl. v. 22.06.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (134).
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Zinsschranke
entnommen werden kann. In der Literatur ist dies hoch umstritten.1294 Auch das BVerfG hat im Laufe der Zeit unterschiedliche Positionen vertreten: Das BVerfG hat zunächst einen Schutz des Art. 14 GG bei staatlich auferlegten Geldleistungspflichten abgelehnt.1295 Begründet wurde dies damit, dass Art. 14 GG nur einzelne Rechtspositionen schützt, Steuern aber aus dem Vermögen als Ganzes gezahlt würden.1296 In den folgenden Jahrzehnten hielt das BVerfG an der ablehnenden Haltung grundsätzlich fest, sah den Schutzbereich des Art. 14 GG aber dann als eröffnet an, wenn Steuern den Pflichtigen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen, was insbesondere bei einer erdrosselnden oder konfiskatorischen Besteuerung der Fall sei.1297 Eine Kehrtwende vollzog das BVerfG dann im Vermögensteuerbeschluss vom 22.06.1995:1298 Das Gericht ging wie selbstverständlich davon aus, dass die Vermögensteuer in den Schutzbereich des Art. 14 GG eingreift.1299 Unzulässig sei jedenfalls ein Eingriff in die Substanz des Vermögens, die Vermögensteuer dürfe aber an einen typisierten Sollertrag anknüpfen.1300 Darüber hinaus werde auch der Vermögensertrag durch Art. 14 GG geschützt. Nach dem Wortlaut des Art. 14 Abs. 2 GG dient der Eigentums-
1294 Vgl. nur die Gegenüberstellung sechs verschiedener Standpunkte bei Englisch, StuW 2003, 237 (238 ff.); ders., Dividendenbesteuerung, 2005, S. 144 ff. 1295 Vgl. BVerfG, Urt. v. 20.07.1954, 1 BvR 459/52 u.a., BVerfGE 4, 7 (17); Bschl. v. 12.11.1958, 2 BvL 4/56 u.a., BVerfGE 8, 274 (330); Urt. v. 29.07.1959, 1 BvR 394/58, BVerfGE 10, 89 (116); Bschl. v. 25.02.1960, 1 BvR 239/52, BVerfGE 10, 354 (371); Urt. v. 10.05.1960, 1 BvR 190/58 u.a., BVerfGE 11, 105 (126). 1296 Vgl. BVerfG, Urt. v. 20.07.1954, 1 BvR 459/52 u.a., BVerfGE 4, 7 (17); Bschl. v. 08.04.1997, 1 BvR 48/94, BVerfGE 95, 267 (300). 1297 Vgl. BVerfG, Urt. v. 24.07.1962, 2 BvL 15/61 u.a., BVerfGE 14, 221 (241); Bschl. v. 19.12.1978, 1 BvR 335/76 u.a., BVerfGE 50, 57 (104 ff.); Bschl. v. 08.03.1983, 2 BvL 27/81, BVerfGE 63, 312 (327); Bschl. v. 28.11.1984, 1 BvR 1157/82, BVerfGE 68, 287 (310); Bschl. v. 03.07.1985, 1 BvL 55/81, BVerfGE 70, 219 (230); Bschl. v. 31.05.1988, 1 BvR 520/83, BVerfGE 78, 214 (230); ferner: Bschl. v. 08.04.1997, 1 BvR 48/94, BVerfGE 95, 267 (300). Diese Rechtsprechung wurde in der Literatur als widersprüchlich kritisiert, vgl. Friauf, DÖV 1980, 480 (484 f.); Isensee, FS Klein, 1994, S. 611 (620 f.); Hey, StbJb 2007/2008, 19 (26); Becker, in: Stern/Becker, Grundrechte-Kommentar, 2010, Art. 14 GG, Rz. 84. 1298 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 22.06.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121. Die Entscheidung wurde wesentlich durch den Berichterstatter Kirchhof und seine Dogmatik des Art. 14 GG beeinflusst, vgl. etwa Kirchhof, VVDStRL 39 (1981), 213 ff.; ders., Besteuerung im Verfassungsstaat, 2000, S. 50 ff.; ders., HStR V, 3. Aufl. 2007, § 118, Rz. 126 ff. Vgl. vor der Entscheidung bereits auch den Bschl. v. 25.09.1992, 2 BvL 5/91, BVerfGE 87, 153 (159), in dem das BVerfG feststellte, „daß Steuergesetze in die allgemeine Handlungsfreiheit gerade in deren Ausprägung als persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen und im beruflichen Bereich (Art. 14 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG) eingreifen.“ 1299 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 22.06.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (137). 1300 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 22.06.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (137).
339
Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
gebrauch „zugleich“ dem privaten Nutzen und dem Allgemeinwohl. Daraus folgerte das BVerfG eine absolute Obergrenze für die Besteuerung, die sich „in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand“ bewegen müsse.1301 Dieser sog. „Halbteilungsgrundsatz“ stieß im Schrifttum und der Rechtsprechung überwiegend auf Kritik.1302 Eine Obergrenze der Besteuerung lässt sich jedenfalls nicht aus dem Wort „zugleich“ ableiten, zumal dies auch ein Besteuerungsgebot in selbiger Höhe bedeuten würde.1303 Im Beschluss vom 18.01.2006 hat das BVerfG den Halbteilungsgrundsatz – zumindest für andere Steuern als die Vermögensteuer – wieder aufgegeben.1304 Es hielt aber am weiten Schutzbereich des Art. 14 GG fest. Art. 14 sei betroffen, „wenn Steuerpflichten – wie im Einkommen- und Gewerbesteuerrecht – an den Hinzuerwerb von Eigentum anknüpfen.“1305 Das BVerfG betonte jedoch die Schranke des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes: Aus der Abwägung der Interessen des Einzelnen gegenüber dem Allgemeinwohl lasse sich dennoch keine feste Obergrenze für die Besteuerung entnehmen.1306 In der Verhältnismäßigkeitsprüfung seien dann aber die Interessen des Einzelnen gegenüber dem Allgemeinwohl abzuwägen. Nur wenn einerseits gegenüber der Steuerbelastung in anderen Ländern eine „bedrohliche Sonderentwicklung“ eintrete oder andererseits eine Besteuerung den wirtschaftlichen Erfolg grundlegend beeinträchtige, setze Art. 14 GG der Besteuerung Grenzen.1307 Letzteres sah das BVerfG im Streitfall auch bei einer Steuerbelastung mit Einkommenund Gewerbesteuer i.H.v. 60% nicht als einschlägig an. Das BVerfG geht 1301 BVerfG, Bschl. v. 22.06.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (138). 1302 Ablehnend: Sondervotum Böckenförde zum Bschl. v. 22.06.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (152 ff.); BFH, Urt. v. 11.08.1999, XI R 77/97, BStBl. II 1999, 771; Bschl. v. 30.06.1999, II B 110/98, BFH/NV 1999, 1653; Bschl. v. 25.02.2003, VIII B 253/02, BFH/NV 2003, 624 (625); Urt. v. 18.09.2003, X R 2/00, BStBl. II 2004, 17 (18); Birk, in: H/H/Sp, AO/FGO, § 4 AO, Rz. 626 (Stand: 11.1998); Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, 2. Aufl. 2000, S. 449 ff.; Englisch, StuW 2003, 237 (246 f.); ders., Dividendenbesteuerung, 2005, S. 154 ff.; Wernsmann, NJW 2006, 1169; hingegen befürwortend: Leisner, NJW 1995, 2591 (2594); Kirchhof, HStR V, 3. Aufl. 2007, § 118, Rz. 126 ff.; befürwortend mit anderer Begründung: Seer, FR 1999, 1280 ff.; ders., DStJG 23 (2000), 87 (107 ff.); Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl. 2010, § 4, Rz. 220 ff. 1303 Vgl. Englisch, StuW 2003, 237 (246). 1304 BVerfG, Bschl. v. 18.01.2006, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97 (108-110, 114). 1305 BVerfG, Bschl. v. 18.01.2006, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97 (111). Geschützt werde insoweit nicht der Erwerb, aber der Bestand des Hinzuerworbenen. Das BVerfG ließ dabei ausdrücklich offen, ob damit von der traditionellen Rechtsprechung, insbesondere des 1. Senats, abgewichen werde, vgl. BVerfGE 115, 97 (112 f.). 1306 Dahingehende Ansatzpunkte ließen sich allenfalls der Verhältnismäßigkeit i.e.S. entnehmen, nicht aber den Kriterien der Geeignetheit und Erforderlichkeit. Denn eine Steuer ist zur Einnahmeerzielung stets geeignet und erforderlich, vgl. BVerfG, Bschl. v. 18.01.2006, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97 (115 m.w.N.); siehe auch C.II.4.b). 1307 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 18.01.2006, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97 (116 f.).
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Zinsschranke
damit im Ergebnis nicht wesentlich über das traditionelle Verbot erdrosselnder bzw. konfiskatorischer Besteuerung hinaus. Art. 14 GG bleibt damit nur eine „äußerste Verteidigungslinie gegen übermäßige Steuerbelastungen“.1308
2.
Unionsprimärrechtliche Würdigung der Zinsschranke
Nach der Darstellung der Vorgaben höherrangigen Rechts, soll die Zinsschranke im Folgenden zunächst auf ihre Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten hin untersucht werden. Obwohl der Gesetzgeber mit der Zinsschranke vorwiegend das Ziel verfolgt, grenzüberschreitende Gewinnverlagerungen internationaler Konzerne zu verhindern,1309 hat er den Grundtatbestand der Zinsschranke nach den Erfahrungen mit der Rs. Lankhorst-Hohorst1310 unterschiedslos ausgestaltet. Neben möglichen Verstößen gegen die Beschränkungsverbote der Grundfreiheiten werden in der Literatur1311 gleichwohl auch vereinzelte Diskriminierungen diskutiert. Beide Aspekte sollen im Folgenden näher untersucht werden. Da der Gesetzgeber mit der Zinsschranke ein neues und international weitgehend unbekanntes Konzept einer Unterkapitalisierungsvorschrift verfolgt, dürfte die Rechtsprechung des EuGH zu den Gesellschafter-Fremdfinanzierungsvorschriften in den Rs. Lankhorst-Hohorst1312, Thin Cap1313, Lasertec1314 und Lammers & Van Cleef1315 nicht ohne Weiteres auf die Zinsschranke zu übertragen sein. Untersuchungsgegenstand sind die §§ 4h EStG, 8a KStG, wie sie von der Finanzverwaltung angewandt werden, d.h. ohne Beachtung einer etwaigen abkommensrechtlichen Schrankenwirkung.1316 Entsprechend dem vom EuGH verfolgten Prüfungsaufbau sollen zunächst die im Fall der Zinsschranke anwendbaren Grundfreiheiten bestimmt werden. Daraufhin ist zu untersuchen, ob die Zinsschranke eine Diskriminierung oder Beschränkung der Grundfreiheiten begründet und ob diese ggf. gerechtfertigt werden kann. 1308 Papier, DStR 2007, 973 (975); zustimmend: Hey, StbJb 2007/2008, 19 (30). 1309 Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 31; siehe bereits B.II.2., dort wörtlich zitiert in Fn. 339. 1310 EuGH, Urt. v. 12.12.2002, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-11779. Siehe B.II.1. 1311 Vgl. etwa Führich, IStR 2007, 341 ff.; Kraft/Bron, EWS 2007, 487 ff.; Homburg, FR 2007, 717 (723 ff.); Dörr/Fehling, NWB 2007, Fach 2, 9375 (9378 f.); Musil/Volmering, DB 2008, 12 (15 f.); Hey, FS Djanani, 2008, S. 109 (112 ff.); Mössner, in: Lüdicke, Unternehmensteuerreform 2008 im internationalen Umfeld, 2008, S. 1 (41 ff.); Shou, Die Zinsschranke im Unternehmensteuerreformgesetz 2008, 2010, S. 109 ff.; a.A.: Geeb, Gesellschafter-Fremdfinanzierung, 2007, S. 289 ff., Download unter: http://d-nb.info/989683397/34; vgl. mit Einschränkungen auch Seiler, in: Kirchhof, EStG, 11. Aufl. 2012, § 4h, Rz. 6 mit Fn. 1. 1312 EuGH, Urt. v. 12.12.2002, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-11779. 1313 EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107. 1314 EuGH, Bschl. v. 10.05.2007, C-492/04 (Lasertec), Slg. 2007, I-3775. 1315 EuGH, Urt. v. 17.01.2008, C-105/07 (Lammers & Van Cleef), Slg. 2008, I-173. 1316 Siehe zu § 1 AStG bereits C.I.2. Siehe zur Schrankenwirkung B.IV.1.b).
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
a)
Anwendungsbereich
Die von der Zinsschranke erfasste verzinsliche Fremdkapitalüberlassung könnte sowohl in den Anwendungsbereich der Niederlassungs- als auch der Kapitalverkehrsfreiheit fallen. In diesem Fall sind beide Grundfreiheiten bereits vor der eigentlichen Prüfung ihrer Anwendbarkeit voneinander abzugrenzen. aa)
Abgrenzung der Niederlassungs- von der Kapitalverkehrsfreiheit
Zur Abgrenzung der Grundfreiheiten wird auch bei der Zinsschranke der zweistufige Test der EuGH-Urteile Burda1317 und SGI1318 angewendet:1319 Ist eine Norm „nur auf Beteiligungen anwendbar, die es ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen“1320, wird die Kapitalverkehrsfreiheit durch die Niederlassungsfreiheit bereits auf der ersten Stufe verdrängt. Andernfalls ist auf der zweiten Stufe zu prüfen, ob im konkreten Sachverhalt eine derartige Kontrollbeteiligung besteht. Ist dies der Fall, ist allein die Niederlassungsfreiheit anwendbar, andernfalls allein die Kapitalverkehrsfreiheit. Auf der ersten Stufe ist hinsichtlich des Gegenstands der Zinsschranke festzustellen, dass der Grundtatbestand des § 4h Abs. 1 EStG unabhängig von der Beteiligungshöhe ausgestaltet ist. Aufgrund der Ausnahme des § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. b EStG ist die Zinsschranke jedoch nur auf konzernzugehörige Betriebe anzuwenden. Ein Betrieb ist nach § 4h Abs. 3 Satz 5 f. EStG konzernzugehörig, wenn er nach dem Rechnungslegungsstandard des Konzerns konsolidiert wird bzw. werden könnte, oder wenn die Finanz- und Geschäftspolitik des Betriebes zusammen mit anderen Betrieben einheitlich bestimmt werden kann. Der Konzernbegriff der Zinsschranke stellt somit auf Kontrollbeteiligungen ab. Damit wäre die Zinsschranke „nur auf Beteiligungen an1317 EuGH, Urt. v. 26.06.2008, C-284/06 (Burda), Slg. 2008, I-4571, Rz. 67-75. 1318 EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 25-30, 33-37. 1319 Siehe dazu C.I.2.a)aa). Zwar ist die Rechtslage aufgrund uneinheitlicher Rechtsprechung des EuGH zurzeit als unklar zu bezeichnen, für diese Arbeit soll aber dem Urteil in der Rs. SGI gefolgt werden, in der der EuGH für die belgische Verrechnungspreisvorschrift des Art. 26 CIR – und damit für eine Einkünftekorrekturvorschrift – den zweistufigen Test angewandt hat, vgl. EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 25-30, 33-37; vgl. vorhergehend: Urt. v. 26.06.2008, C-284/06 (Burda), Slg. 2008, I-4571, Rz. 67-75; Urt. v. 22.12.2008, C-282/07 (Truck Center), Slg. 2008, I-10767, Rz. 24-30; Urt. v. 26.03.2009, C-326/07 (Kommission/Italien), Slg. 2009, I- 2291, Rz. 32-39; Bschl. v. 04.06.2009, C-439/07 u.a. (KBC Bank u.a.), Slg. 2009, I-4409, Rz. 68-70; Urt. v. 18.06.2009, C-303/07 (Aberdeen Property Fininvest Alpha), Slg. 2009, I-5145, Rz. 29-36. 1320 EuGH, Urt. v. 24.05.2007, C-157/05 (Holböck), Slg. 2007, I-4051, Rz. 23; ähnlich: Urt. v. 26.06.2008, C-284/06 (Burda), Slg. 2008, I-4571, Rz. 69; Urt. v. 22.12.2008, C-282/07 (Truck Center), Slg. 2008, I-10767, Rz. 25; Urt. v. 26.03.2009, C-326/07 (Kommission/Italien), Slg. 2009, I- 2291, Rz. 34.
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Zinsschranke
wendbar, die es ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen“1321. Dem könnte jedoch die Rückausnahme des § 8a Abs. 2 KStG entgegenstehen. Danach ist die Zinsschranke auch auf nicht konzernzugehörige Betriebe anzuwenden, die eine als schädlich qualifizierte Gesellschafter-Fremdfinanzierung erhalten. Diese Rückausnahme greift jedoch nur ein, wenn der Gesellschafter zu mehr als 25% unmittelbar oder mittelbar am Grund- oder Stammkapital beteiligt ist. Nach den Rs. Lasertec1322 und Truck Center1323 reichen 25% für eine Kontrollbeteiligung aus.1324 Die §§ 4h EStG, 8a KStG stellen damit nur auf Kontrollbeteiligungen ab, so dass die Kapitalverkehrsfreiheit bereits auf der ersten Stufe durch die Niederlassungsfreiheit verdrängt wird.1325 bb)
Anwendbarkeit einer Grundfreiheit
Es bleibt zu prüfen, ob der Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit auch tatsächlich eröffnet ist. Bereits hinsichtlich der Verrechnungspreisvorschriften wurde nachgewiesen, dass dies bei der grenzüberschreitenden Fremdkapitalüberlassung zwischen verbundenen Unternehmen der Fall ist.1326 Im Unterschied zu den Verrechnungspreisvorschriften erfasst die Zinsschranke darüber hinaus auch ansässige verbundene Unternehmen, die ein Darlehen von unabhängigen Dritten, z.B. einer Bank, erhalten. Aber auch in diesem Fall ist der sachliche Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit eröffnet: Im Fall eines verbundenen Unternehmens liegt unstreitig eine Niederlassung i.S.v. Art. 49 AEUV vor; die Fremdkapitalaufnahme dient dabei dem fortlaufenden 1321 EuGH, Urt. v. 24.05.2007, C-157/05 (Holböck), Slg. 2007, I-4051, Rz. 23. Siehe m.w.N. Fn. 1320. Vgl. auch von Bar, Die Zinsschranke und ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht, 2010, S. 82. 1322 EuGH, Bschl. v. 10.05.2007, C-492/04 (Lasertec), Slg. 2007, I-3775, Rz. 21. 1323 EuGH, Urt. v. 22.12.2008, C-282/07 (Truck Center), Slg. 2008, I-10767, Rz. 26-28. 1324 Siehe bereits C.I.2.a)aa)(1) mit den weiteren Nachweisen in den Fn. 367 f. Vgl. auch von Bar, Die Zinsschranke und ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht, 2010, S. 82. 1325 Im Ergebnis auch: Führich, IStR 2007, 341 (342 f.); ders., Der Einfluss der EuGHRechtsprechung auf die deutsche Unternehmensbesteuerung, 2009, S. 136; Heuermann, in: Blümich, EStG u.a., § 4h EStG, Rz. 24 (Stand: 12.2007); Musil/Volmering, DB 2008, 12 (15); Wilke/Süß, FR 2009, 796 (797); München, Zinsschranke, 2010, S. 101; von Bar, Die Zinsschranke und ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht, 2010, S. 82 f.; ferner: Kraft/Bron, EWS 2007, 487 (489); Mössner, in: Lüdicke, Unternehmensteuerreform 2008 im internationalen Umfeld, 2008, S. 1 (49); von Brocke/Garcia Perez, ITPJ 2009, 29 (34); a.A.: Homburg, FR 2007, 717 (724); Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch u.a., KStG/UmwStG, § 8a KStG, Rz. 31 (Stand: 03.2009); Shou, Die Zinsschranke im Unternehmensteuerreformgesetz 2008, 2010, S. 123; Goebel/Eilinghoff, DStZ 2010, 550 (558, Fn. 75); Loschelder, in: Schmidt, EStG, 31. Aufl. 2012, § 4h, Rz. 3. 1326 Siehe C.I.2.a)bb).
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
Betrieb der Niederlassung. Damit scheidet zugleich die Anwendung der Dienstleistungsfreiheit aus.1327 Die Warenverkehrsfreiheit ist bei der grenzüberschreitenden Darlehensvergabe offenkundig nicht betroffen. Der erforderliche grenzüberschreitende Bezug ist gegeben, wenn Darlehensgeber und Darlehensnehmer in unterschiedlichen Staaten ansässig sind. Zudem kann ein mittelbar grenzüberschreitender Bezug vorliegen, wenn allein die Muttergesellschaft der darlehensnehmenden Tochter im Ausland ansässig ist und die Benachteiligung darauf zurückzuführen ist.1328 Nimmt die ansässige Tochtergesellschaft das Fremdkapital von einem Dritten auf, sind der persönliche und räumliche Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit unstreitig eröffnet, wenn die Muttergesellschaft in einem EU- oder EWR-Mitgliedstaat ansässig ist.1329 Andernfalls kann sich jedoch auch die ansässige Tochtergesellschaft als passive Marktteilnehmerin auf die Niederlassungsfreiheit berufen.1330 Nimmt die Muttergesellschaft Fremdkapital von einem Dritten auf, ist diese ohnehin im Inland ansässig, um den Tatbestand des § 4h EStG zu erfüllen. Der Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit ist dann unproblematisch eröffnet.1331
1327 Siehe bereits C.I.2.a)bb). Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit schließen sich in aller Regel gegenseitig aus: Während die Niederlassungsfreiheit eine dauerhafte Tätigkeit im anderen Mitgliedstaat voraussetzt, betrifft die Dienstleistungsfreiheit nur die vorübergehende Tätigkeit. 1328 Siehe zum mittelbar grenzüberschreitenden Bezug C.I.1.b). Dies kommt etwa bei der Diskriminierung von in EWR-Staaten ansässigen Konzernen in Frage, siehe dazu sogleich C.II.2.b)aa)(1). 1329 Siehe C.I.2.a)bb) sowie Art. 49 i.V.m. Art. 54 AEUV bzw. Art. 31 i.V.m. Art. 34 des EWR-Abkommens. 1330 Siehe bereits C.I.2.a)bb); vgl. auch Schön, IStR 2009, 882 (883). A.A. zumindest hinsichtlich der Darlehensvergabe zwischen verbundenen Unternehmen: EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 98 f. 1331 Ebenfalls von der Anwendbarkeit der Niederlassungsfreiheit ausgehend: Homburg, FR 2007, 717 (724); Führich, IStR 2007, 341 (342 f.); ders., Der Einfluss der EuGHRechtsprechung auf die deutsche Unternehmensbesteuerung, 2009, S. 136; Kraft/Bron, EWS 2007, 487 (489); Hallberbach, StuB 2007, 487 (493); Mössner, in: Lüdicke, Unternehmensteuerreform 2008 im internationalen Umfeld, 2008, S. 1 (42 ff.); Musil/Volmering, DB 2008, 12 (15); Mewes, Die Finanzierung von Kapitalgesellschaften im steuerrechtlichen Kontext, 2008, S. 393; Amler, Direkte Steuern, EGGrundfreiheiten und die deutsche Unternehmensteuerreform, 2009, S. 306; Hick, in: H/H/R, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 6 (Stand: 03.2009); Wilke/Süß, FR 2009, 796 (797); von Brocke/Garcia Perez, ITPJ 2009, 29 (34); Knopf/Bron, BB 2009, 1222 (1223); Bohn, Zinsschranke, 2009, S. 56; Shou, Die Zinsschranke im Unternehmensteuerreformgesetz 2008, 2010, S. 100; München, Zinsschranke, 2010, S. 89 ff.; von Bar, Die Zinsschranke und ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht, 2010, S. 83 ff.; Hiller, Zinsschranke, 2011, S. 82; Loschelder, in: Schmidt, EStG, 31. Aufl. 2012, § 4h, Rz. 3.
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Zinsschranke
b)
Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot
Im nächsten Schritt ist zu prüfen, ob die Zinsschranke eine Diskriminierung bzw. Beschränkung der Niederlassungsfreiheit begründet. Eine Diskriminierung liegt vor, wenn der grenzüberschreitende gegenüber dem vergleichbaren innerstaatlichen Sachverhalt aufgrund einer rechtlichen Ungleichbehandlung benachteiligt wird. Zwar verfolgt der Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung1332 mit der Zinsschranke insbesondere das Ziel, grenzüberschreitende Gewinnverlagerungen internationaler Konzerne zu verhindern, der Grundtatbestand der Zinsschranke wurde dennoch diskriminierungsfrei ausgestaltet: § 4h Abs. 1 EStG ist unabhängig davon anwendbar, ob Fremdkapital von einem ansässigen oder gebietsfremden verbundenen Unternehmen bzw. Dritten überlassen wird. Nach den Erfahrungen mit § 8a KStG a.F. und der Rs. Lankhorst-Hohorst1333 war der Gesetzgeber erkennbar darauf bedacht, grenzüberschreitende und innerstaatliche Sachverhalte rechtlich gleich zu behandeln.1334 Der Grundtatbestand der Zinsschranke kann daher nur anhand des Beschränkungsverbots auf die Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit überprüft werden. § 4h Abs. 2 und 3 EStG sowie die Verknüpfung mit den DBA und der Organschaft der §§ 14 ff. KStG könnten jedoch sowohl vertikale als auch horizontale Diskriminierungen begründen. aa)
Vertikale Diskriminierung
Vertikale Diskriminierungen kommen im Fall der Escape-Klausel des § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. c EStG, des Zinsbegriffs des § 4h Abs. 3 EStG sowie aufgrund der Möglichkeit, die Zinsschranke mit Hilfe der Organschaft zu umgehen, in Betracht. Diese Sachverhalte sollen im Folgenden aufgrund unterschiedlicher Vergleichspaare separat voneinander untersucht werden. (1)
Escape-Klausel und in EWR-Staaten ansässige Konzerne
Nach der Escape-Klausel des § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. c EStG ist die Zinsschranke nicht anzuwenden, wenn die Eigenkapitalquote der ansässigen Konzerngesellschaft diejenige des Konzerns nicht um mehr als zwei Prozentpunkte unterschreitet. Der „Eigenkapitalvergleich“ ist nach einem einheitlichen Rechnungslegungsstandard vorzunehmen – und zwar grundsätzlich nach IFRS. Subsidiär können auch Abschlüsse nach den Rechnungslegungsstandards eines Mitgliedstaates der EU bzw. nach US-GAAP eingereicht werden, sofern diese den Anforderungen an die handelsrechtliche Konzernrechnungslegung genü-
1332 Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 31: „Die sog. Zinsschranke […] soll insbesondere verhindern, dass Konzerne mittels grenzüberschreitender konzerninterner Fremdkapitalfinanzierung in Deutschland erwirtschaftete Erträge ins Ausland transferieren.“ Siehe zu dieser Zielsetzung bereits B.II.2. 1333 EuGH, Urt. v. 12.12.2002, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-11779. 1334 Siehe bereits B.II.2. und C.I.2.c)cc)(2)(iv).
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
gen oder befreiende Wirkung nach §§ 291 f. HGB haben.1335 Konzerne aus EWR- und Drittstaaten, die nach nationalem Recht bilanzieren, müssten damit extra einen IFRS-Abschluss erstellen, um die Escape-Klausel nutzen zu können. Im Fall von Konzernen aus EWR-Staaten1336 könnte dies gegen die Niederlassungsfreiheit des Art. 31 EWR-Abkommen1337 verstoßen, der einen mit Art. 49 AEUV inhaltsgleichen Schutz gewährt.1338 Zwar haben alle EWRStaaten die IFRS-Verordnung1339 der EU übernommen,1340 nicht kapitalmarktorientierte Konzerne bilanzieren danach jedoch weiterhin nach den nationalen Rechnungslegungsstandards.1341 Damit wird eine ansässige Konzerngesellschaft, die zu einem in einem EWR-Staat ansässigen, nicht kapitalmarktorientierten Konzern gehört, gegenüber einer ansässigen Konzerngesellschaft benachteiligt, die Teil eines ansässigen, nicht kapitalmarktorientierten Konzerns ist. Denn die zuerst genannte muss entweder zur Nutzung der Escape-Klausel extra den Einzel- und den Konzernabschluss nach IFRS aufstellen oder die Zinsabzugsbeschränkung des § 4h EStG in Kauf nehmen. Folglich entsteht im EWR-Sachverhalt zumindest ein höherer Verwaltungsaufwand1342. Auf die zugleich bestehende Ungleichbehandlung gegenüber grenzüberschreitenden Sachverhalten mit EU-Mitgliedstaaten1343 soll erst im Rahmen der horizontalen Diskriminierung eingegangen werden.1344 Das vertikale Vergleichspaar ist auch vergleichbar. Denn es ist nicht erkennbar, warum die nationalen Rechnungslegungsstandards der EWR-Staaten für den Eigenkapitalvergleich ungeeignet sein sollten, während der deutsche 1335 Siehe § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. c Sätze 8-10 EStG. Dies ist danach auch nur möglich, wenn kein Konzernabschluss nach den IFRS zu erstellen und offen zu legen ist und für keines der letzten fünf Wirtschaftsjahre ein Konzernabschluss nach den IFRS erstellt wurde. Siehe auch B.II.2.a)bb). 1336 Im Drittstaatenfall ist aufgrund der Verdrängung der Kapitalverkehrs- durch die Niederlassungsfreiheit keine Grundfreiheit anwendbar, siehe C.II.2.a)aa). In Betracht käme daher allenfalls ein Verstoß gegen die Diskriminierungsverbote der DBA. 1337 Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, ABl. 1994 L 1, 3. 1338 Siehe C.I.2.a)bb) mit den Nachweisen in Fn. 407. 1339 Verordnung 1606/2002 v. 19.07.2002, ABl. 2002 L 243, 1, geändert durch Verordnung 297/2008 v. 09.04.2008, ABl. L 97, 62. 1340 Vgl. Deloitte, http://www.iasplus.com/europe/0802ias-use-of-options.pdf; vgl. für Norwegen: Norsk RegnskapsStiftelse, http://www.regnskapsstiftelsen.no/a9084301/ English (Abruf jeweils 10.12.2009). 1341 Siehe Art. 4 f. Verordnung 1606/2002 (siehe Fn. 1339), siehe auch § 315a HGB. 1342 Vgl. zu dessen diskriminierender Wirkung: EuGH, Urt. v. 15.05.1997, C-250/95 (Futura Participations), Slg. 1997, I-2471, Rz. 25 f.; Urt. v. 07.09.2006, C-470/04 („N“), Slg. 2006, I-7409, Rz. 38; Urt. v. 03.10.2006, C-290/04 (Scorpio), Slg. 2006, I9461, Rz. 56; Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 54. 1343 Gemäß § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. c Satz 9 EStG kann auch ein Konzernabschluss nach dem nationalen Rechnungslegungsstandard eines EU-Mitgliedstaates eingereicht werden. 1344 Siehe C.II.2.b)bb).
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Zinsschranke
Gesetzgeber mit IFRS, HGB und US-GAAP sowie ferner mit den Standards der 26 anderen EU-Mitgliedstaaten eine Vielzahl anderer Rechnungslegungsstandards anerkennt. Im Übrigen werden ansässige Konzerngesellschaften für die Zwecke der Zinsschranke ohnehin nicht unterschiedlich danach behandelt, ob sie Teil eines Konzerns sind, dessen Konzernmuttergesellschaft in Deutschland oder in einem EWR-Staat ansässig ist.1345 Folglich begründet § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. c Satz 9 EStG gemäß Art. 31 i.V.m. Art. 34 EWR-Abkommen eine offene Diskriminierung nach dem Sitz der Konzernmuttergesellschaft.1346 (2)
Abkommensrechtlich freigestellte Zinserträge
In der Literatur1347 wird vertreten, dass auch die Freigrenze des § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. a EStG diskriminierend ausgestaltet sei, weil nach der Gesetzesbegründung darin nur „Zinsaufwendungen, die Teil einer inländischen Gewinnermittlung sind“1348, einzubeziehen seien. Damit blieben insbesondere per DBA freigestellte Zinserträge und -aufwendungen ausländischer Betriebsstätten unberücksichtigt. Folglich würden ansässige Konzerngesellschaften mit ausländischen Betriebstätten gegenüber ansässigen Konzerngesellschaften mit inländischen Zweigniederlassungen diskriminiert, weil nur letztere die Zinserträge der inländischen Zweigniederlassungen für die Freigrenze des § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. a EStG nutzen könnten. Dem ist zuzustimmen. Der EuGH hat bereits in den Rs. Lidl Belgium1349 und Krankenheim Ruhesitz am Wannsee1350 in der deutschen Nichtberücksichtigung von Verlusten per DBA freigestellter ausländischer Betriebsstätten eine 1345 Siehe zu diesem Argument der ständigen Rechtsprechung des EuGH C.I.1.b)cc) mit Fn. 118. 1346 Allgemein eine Beeinträchtigung des Art. 31 EWR-Abkommen annehmend: Dörr/Fehling, NWB 2007, Fach 2, 9375 (9378 f.); Bundesverband Deutscher Banken, http://www.bankenverband.de/pic/artikelpic/022009/0709_st_BMFZinsschranke-Vermerk.pdf, S. 3; ders., http://www.bankenverband.de/pic/artikelpic/022009/0901_st_ BM-Zinsschranke.pdf, S. 6 (Abruf jeweils: 18.12.2009); München, Zinsschranke, 2010, S. 125 f. 1347 Vgl. Heuermann, in: Blümich, EStG u.a., § 4h EStG, Rz. 47 (Stand: 12.2007); Mewes, Die Finanzierung von Kapitalgesellschaften im steuerrechtlichen Kontext, 2009, S. 394; Wilke/Süß, FR 2009, 796 (797); zumindest Bedenken äußernd: Köhler, DStR 2007, 597 (598 f.); Hoffmann, in: Littmann/Bitz/Putz, EStG, § 4h, Rz. 24 (Stand: 02.2008); a.A.: Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 6 (Stand: 05.2009). 1348 BT-Drs. 16/4841, S. 48. 1349 EuGH, Urt. v. 14.02.2008, C-414/06 (Lidl Belgium), Slg. 2008, I-3601, Rz. 23-26. 1350 EuGH, Urt. v. 23.10.2008, C-157/07 (Krankenheim Ruhesitz am Wannsee), Slg. 2008, I-8061, Rz. 32. Im Streitjahr galt hier jedoch noch die Nachversteuerungsregelung des § 2a Abs. 3 EStG, wonach die Verluste ausländischer Betriebsstätten zunächst berücksichtigt, bei späteren Gewinnen der Betriebsstätte aber nachversteuert wurden. Obwohl hierbei eigentlich keine Schlechterstellung gegenüber dem vergleichbaren Inlandsfall bestand, nahm der EuGH gleichwohl eine Diskriminierung an (Rz. 33-39), kritisch: Thömmes, IWB 2008, Fach 11a, 1209 (1210); Englisch, H&I 1/2009, 41.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
Diskriminierung gesehen, wohingegen die Verluste inländischer Zweigniederlassungen den Gewinn des Stammhauses mindern. Im Fall der Zinsschranke kann für die vorteilhafte Berücksichtigung von Zinserträgen nichts anderes gelten. Entgegen der Literatur betrifft die Diskriminierung jedoch nicht nur die Freigrenze des § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. a EStG, sondern allgemein die Ermittlung des Nettozinsaufwands nach § 4h Abs. 1 EStG. Denn die Nichtberücksichtigung per DBA freigestellter Zinserträge ist grundsätzlicher Natur, weil nach § 4h Abs. 3 Satz 2 f. EStG symmetrisch nur Zinserträge und -aufwendungen erfasst werden, die das maßgebliche Einkommen gemindert haben1351. Weist die Betriebsstätte einen Nettozinsertrag aus, kann die Zinsabzugsbeschränkung ggf. nur im reinen Inlandsfall vermieden werden. Demgegenüber entsteht im grenzüberschreitenden Sachverhalt aufgrund des Zinsvortrags ein Zins- und Liquiditätsnachteil.1352 Dieser kann – und soll – durch den EBITDA-Vortrag konzeptionell auch nicht verhindert werden. Insbesondere neu gegründete Unternehmen, die Anfangsverluste ausweisen, sowie Unternehmen mit längeren Krisenzeiten können vom EBITDA-Vortrag nicht profitieren.1353 Der Zinsund Liquiditätsnachteil ist zumeist auch erheblich, weil der Zinsvortrag in den Folgejahren den Zinsaufwand erhöht und so oft erst mehrere Jahre nach seiner Entstehung geltend gemacht werden kann. Die Zinsabzugsbeschränkung wird sogar endgültig, wenn der Zinsvortrag untergeht.1354 Kann die Zinsschranke noch über die Escape-Klausel des § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. c EStG vermieden werden, entsteht zumindest ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand.1355 Kein relevanter Nachteil entsteht, wenn lediglich der EBITDA-Vortrag aufgelöst wird.1356 Insofern fehlt es an einer nachteiligen Rechtsfolge.
1351 Siehe bereits B.II.2.a)aa), vgl. nochmals Heuermann, in: Blümich, EStG u.a., § 4h EStG, Rz. 47 (Stand: 12.2007); Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 8a KStG, Rz. 39a (Stand: 11.2008); Förster, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 4h EStG Exkurs, Rz. 136; Mössner, in: Lüdicke, Unternehmensteuerreform 2008 im internationalen Umfeld, 2008, S. 1 (20); Köhler/Hahne, DStR 2008, 1505 (1511); Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch u.a., KStG/UmwStG, § 8a KStG, Rz. 49 u. 220 (Stand: 03.2009). 1352 Vgl. zur diskriminierenden Wirkung von Zins- und Liquiditätsnachteilen etwa EuGH, Urt. v. 08.03.2001, C-397/98 u.a. (Metallgesellschaft u.a.), Slg. 2001, I-1727, Rz. 87; Bschl. v. 08.06.2004, C-268/03 (De Baeck), Slg. 2004, I-5961, Rz. 24; Urt. v. 21.11.2002, C-436/00 (X und Y), Slg. 2002, I-10829, Rz. 36; Urt. v. 11.03.2004, C9/02 (de Lasteyrie), Slg. 2004, I-2409, Rz. 45-47; Urt. v. 07.09.2006, C-470/04 („N“), Slg. 2006, I-7409, Rz. 35 f.; Urt. v. 15.10.2009, C-35/08 (Grundstücksgemeinschaft Busley u.a.), Slg. 2009, I-9807, Rz. 25; Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 54; Urt. v. 29.11.2011, C-371/10 (National Grid Indus), IStR 2012, 27, Rz. 37. Siehe ausführlich bereits C.I.2.c)bb)(2)(iii). 1353 Siehe B.II.2.b). 1354 Siehe B.II.2.b). 1355 Siehe oben unter (1) mit den Nachweisen in Fn. 1342. 1356 Siehe zum EBITDA-Vortrag des § 4h Abs. 1 Satz 4 EStG B.II.2.b).
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Zinsschranke
Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH1357 sind ansässige Konzerngesellschaften, die eine ausländische Betriebsstätte unterhalten, auch mit ansässigen Konzerngesellschaften vergleichbar, die eine ansässige Zweigniederlassung führen. Denn Deutschland behandelt diese hinsichtlich der Zinsschranke und der allgemeinen Gewinnermittlung ansonsten gleich. Die SchumackerDoktrin ist auf Kapitalgesellschaften ohnehin nicht anwendbar.1358 Folglich wird durch die Nichtberücksichtigung per DBA freigestellter Zinserträge der grenzüberschreitende Sachverhalt diskriminiert. (3)
Vermeidung der Zinsschranke mit Hilfe der Organschaft
In der Literatur wird von zahlreichen Autoren1359 vertreten, dass die Zinsschranke gegen die Niederlassungsfreiheit verstoßen würde, weil die Zinsab1357 Vgl. EuGH, Urt. v. 28.01.1986, 270/83 (avoir fiscal), Slg. 1986, 273, Rz. 19 f.; Urt. v. 29.04.1999, C-311/97 (Royal Bank of Scotland), Slg. 1999, I-2651, Rz. 27 ff.; Urt. v. 21.09.1999, C-307/97 (Saint Gobain), Slg. 1999, I-6161, Rz. 46 ff. Der EuGH ging auch in den Urt. v. 14.02.2008, C-414/06 (Lidl Belgium), Slg. 2008, I-3601, Rz. 26 f. und v. 23.10.2008, C-157/07 (Krankenheim Ruhesitz am Wannsee), Slg. 2008, I-8061, Rz. 39 f. stillschweigend von der Vergleichbarkeit aus, indem er von der Diskriminierungsprüfung direkt zur Rechtfertigung überging. 1358 Siehe C.I.1.b)cc)(1)(i). 1359 Vgl. Köhler, DStR 2007, 597 (604); Führich, IStR 2007, 341 (343); ders., Ubg 2009, 30 (39 f.); ders., Der Einfluss der EuGH Rechtsprechung auf die deutsche Unternehmensbesteuerung, 2009, S. 137 f.; Kraft/Bron, EWS 2007, 487 (488 f.); Homburg, FR 2007, 717 (725); ders., IStR 2010, 246 (252); Eilers, FR 2007, 733 (735); Schreiber/Overesch, DB 2007, 813 (817 f.); Hallberbach, StuB 2007, 487 (493); Dörr/Fehling, NWB 2007, Fach 2, 9375 (9378); Kaminski, Ausgewählte Internationale Aspekte der Unternehmensteuerreform 2008, 2007, S. 32 ff.; Kessler/Eicke, TNI 2007, 263 (266); Musil/Volmering, DB 2008, 12 (15); Loukota, SWI 2008, 105 (107 ff.); Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl. 2010, § 11, Rz. 56; dies., Hey, BB 2007, 1303 (1305 mit Fn. 37); dies., FS Djanani, 2008, S. 109 (113); Mössner, in: Lüdicke, Unternehmensteuerreform 2008 im internationalen Umfeld, 2008, S. 1 (45); Hoffmann, in: Littmann/Bitz/Putz, EStG, § 4h EStG, Rz. 25 (Stand: 02.2008); Bauer, SWI 2008, 358 (359 f.); Braunagel, Gemeinsame Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage in der EU, 2008, S. 120; Mewes, Die Finanzierung von Kapitalgesellschaften im steuerrechtlichen Kontext, 2009, S. 393 f.; Amler, Direkte Steuern, EGGrundfreiheiten und die deutsche Unternehmensteuerreform, 2009, S. 306; von Brocke/Garcia Perez, ITPJ 2009, 29 (34 f.); Hick, in: H/H/R, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 6 (Stand: 03.2009); Musil, DB 2009, 1037 (1039); Knopf/Bron, BB 2009, 1222 (1223); Wilke/Süß, FR 2009, 796 (798); Kessler/Dietrich, DB 2010, 240 (243); Shou, Die Zinsschranke im Unternehmensteuerreformgesetz 2008, 2010, S. 109 ff.; Englisch, IStR 2010, 215 (216); Goebel/Eilinghoff, DStZ 2010, 550 (558 ff.); Meilicke, FS Herzig, 2010, S. 231 (237); München, Zinsschranke, 2010, S. 88 ff.; von Bar, Die Zinsschranke und ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht, 2010, S. 91 ff.; Hiller, Zinsschranke, 2011, S. 89 ff.; Körner, Ubg 2011, 610 (615 ff.); Heurung/Engel/Thiedemann, FR 2011, 212 (217 f.); Kosalla, Ubg 2011, 874 (880 f.); Loschelder, in: Schmidt, EStG, 31. Aufl. 2012, § 4h, Rz. 3; zumindest Bedenken äußernd: Haarmann, Finanzausschuss des Bundestages – Wortprotokoll v. 25.04.2007,
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
zugsbeschränkung in vielen Fällen mit der Begründung einer Organschaft verhindert oder zumindest in der Höhe reduziert werden kann. Eine Organschaft könne nämlich grundsätzlich nur zwischen ansässigen Gesellschaften vereinbart werden. Mit dem Rechtsinstitut der Organschaft wird es Konzernen unter Durchbrechung der Abschirmwirkung der einzelnen Gesellschaften ermöglicht, Gewinne und Verluste innerhalb des Konzerns zu verrechnen. Dazu wird der Gewinn zunächst weiterhin gesondert bei jeder einzelnen Konzerntochtergesellschaft (Organgesellschaft) ermittelt, in einem zweiten Schritt dann aber einer Konzernmuttergesellschaft (Organträger) zugerechnet. Allein bei dieser erfolgt dann die Besteuerung des aggregierten Gewinns.1360 Die Voraussetzungen zur Begründung einer Organschaft sind in § 14 Abs. 1 KStG geregelt: Danach muss sich eine Organgesellschaft verpflichten, für mindestens fünf Jahre einen Gewinnabführungsvertrag i.S.d. § 291 Abs. 1 AktG abzuschließen und ihren gesamten Gewinn bzw. Verlust an den Organträger abzuführen. Nach § 302 AktG haftet der Organträger damit auch für die Verluste der Organgesellschaft. Weiterhin muss der Organträger während des gesamten Wirtschaftsjahres ununterbrochen die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft halten (sog. finanzielle Eingliederung).1361 Die Organgesellschaft muss eine Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung und Sitz im Inland sein.1362 Für den
Protokoll Nr. 16/56, S. 48 f.; Prinz, DB 2008, 368 (370); Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz, Die Unternehmensteuerreform 2008, 2007, S. 107 (122); Lüdicke/Brink/Braunagel, in: Lüdicke/Kempf/Brink, Verluste im Steuerrecht, 2010, S. 311. Im Zusammenhang mit der Zinsschranke einen Verstoß der Organschaftsregelungen annehmend: Wagner, IStR 2007, 650 (653 f.); Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch u.a., KStG/UmwStG, § 8a KStG, Rz. 31 (Stand: 03.2009); ferner: Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 8a KStG, Rz. 7 (Stand: 11.2008); ders., in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 6 (Stand: 05.2009). Einen Verstoß hingegen zumindest teilweise ablehnend: Geeb, Gesellschafter-Fremdfinanzierung, 2007, S. 289 ff., Download unter: http://d-nb.info/989683397/34; wohl auch: Herr, Gesellschafterfremdfinanzierung und Europarecht, 2008, S. 272; Seiler, in: Kirchhof, EStG, 11. Aufl. 2012, § 4h, Rz. 6 mit Fn. 1. 1360 Insofern stellt die Organschaft eine Ausnahme vom Grundsatz der Besteuerung jedes einzelnen Steuersubjekts dar, vgl. FG Niedersachsen, Urt. v. 11.02.2010, 6 K 406/08, IStR 2010, 260 (261); Neumann, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 14, Rz. 2; Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 14 KStG, Rz. 8 (Stand: 11.2009); Montag, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl. 2010, § 18, Rz. 400. 1361 Siehe § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG. Mittelbare Beteiligungen werden berücksichtigt, wenn die Mehrheit der Stimmrechte an jeder mittelbaren Gesellschaft gehalten wird. 1362 Als Reaktion auf das Vertragsverletzungsverfahren 2008/4909 der Kommission (Pressemitteilung v. 30.09.2010, IP/10/1253) lässt die Finanzverwaltung seit dem 28.03.2011 aber auch Tochtergesellschaften mit statuarischem Sitz im Ausland und Geschäftsleitung im Inland als Organgesellschaften zu, vgl. BMF v. 28.03.2011, BStBl. I 2011, 300; siehe dazu sogleich.
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Zinsschranke
Organträger reicht eine inländische Geschäftsleitung aus.1363 Für Konzernmuttergesellschaften mit Sitz im Ausland setzt § 18 KStG dann aber weiter voraus, dass diese eine inländische Zweigniederlassung unterhalten, diese im Handelsregister eingetragen ist, der Gewinnabführungsvertrag unter der Firma der Zweigniederlassung abgeschlossen wird und die für die finanzielle Eingliederung erforderlichen Beteiligungen in deren Betriebsvermögen gehalten werden. Mit diesen Voraussetzungen wird sichergestellt, dass der Gewinn weiterhin im Inland versteuert wird. Aufgrund des doppelten Inlandsbezugs der Organschaft – d.h. Geschäftsleitung bzw. Sitz im Inland, sowohl beim Organträger als auch bei der Organgesellschaft – steht deren Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten selbst in Frage. Nach den Rs. Marks & Spencer1364, Oy AA1365 und X Holding1366 ist ein Gruppenbesteuerungssystem, das eine Verlust- bzw. Gewinnverrechnung nur zwischen ansässigen Konzerngesellschaften erlaubt, zwar diskriminierend, kann jedoch mit den Zielen der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse und der Verhinderung der Steuerumgehung gerechtfertigt werden.1367 Denn andernfalls könnten internationale Konzerne letztlich selbst darüber bestimmen, wo sie ihre Einkünfte versteuern.1368 Der EuGH erkennt dabei insbesondere an, dass der Ansässigkeitsstaat einer Konzernmuttergesellschaft aufgrund der Abschirmwirkung der Kapitalgesellschaft nur einen territorial reduzierten Besteuerungsanspruch hinsichtlich der Einkünfte der gebietsfremden Tochtergesellschaft hat und symmetrisch weder deren Gewinne noch deren Verluste
1363 Organträger können ferner unbeschränkt steuerpflichtige Personen sowie nicht steuerbefreite Personengesellschaften sein, siehe § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG. Ist eine GmbH Organträger, sind die weiteren Voraussetzungen des § 17 KStG zu beachten. 1364 EuGH, Urt. v. 13.12.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837, zur Verlustverrechnung. 1365 EuGH, Urt. v. 18.07.2007, C-231/05 (Oy AA), Slg. 2007, I-6373, zur Gewinnverrechnung. 1366 EuGH, Urt. v. 25.02.2010, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I-1215, wiederum zur Verlustverrechnung. 1367 Siehe bereits C.I.2.c)cc)(2)(i). Im Urteil Marks & Spencer war zugleich der Rechtfertigungsgrund der Verhinderung der doppelten Verlustberücksichtigung einschlägig, vgl. Urt. v. 13.12.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837, Rz. 47 f. In der Rs. X Holding prüfte der EuGH hingegen ausschließlich den Rechtfertigungsgrund der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse und hielt diesen auch allein für geeignet, eine Rechtfertigung zu begründen. Die Schlussanträge zeigen jedoch, dass die beiden anderen Rechtfertigungsgründe inhaltlich stets hinzutreten, vgl. GA Kokott, SchlA v. 19.11.2009, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I-1215, Rz. 64 ff., 71 ff. Siehe bereits C.I.2.c)cc)(2)(i). 1368 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.12.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837, Rz. 46; Urt. v. 18.07.2007, C-231/05 (Oy AA), Slg. 2007, I-6373, Rz. 55 f.; Urt. v. 25.02.2010, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I-1215, Rz. 29, 31-33.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
besteuert.1369 Er hat die Mitgliedstaaten in der Rs. Marks & Spencer1370 gleichwohl aus Verhältnismäßigkeitserwägungen dazu verpflichtet, die Verluste gebietsfremder Tochtergesellschaften als ultima ratio zu berücksichtigen, wenn alle bestehenden und zukünftigen Möglichkeiten der Verlustnutzung im Ansässigkeitsstaat der Tochtergesellschaft aufgebraucht sind und insofern finale Verluste1371 vorliegen.1372 Aus der Rechtsprechung des EuGH ist zu folgern, dass der doppelte Inlandsbezug der Organschaft grundfreiheitlich weitgehend gerechtfertigt ist. Deutschland wird aber einerseits Tochtergesellschaften mit statuarischem Sitz im Ausland und Geschäftsleitung im Inland als Organgesellschaften anerkennen müssen, weil diese in Deutschland uneingeschränkt steuerpflichtig sind1373 1369 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.12.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837, Rz. 36, 45; Urt. v. 18.07.2007, C-231/05 (Oy AA), Slg. 2007, I-6373, Rz. 47; Urt. v. 25.02.2010, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I-1215, Rz. 28; deutlicher: GA Kokott, SchlA v. 19.11.2009, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I-1215, Rz. 40. Vgl. auch Englisch, IStR 2006, 19; ders., SWI 2007, 398 (401 f.); ders., IFSt-Schrift Nr. 449, 2008, S. 45 ff.; ders., IStR 2010, 215 (216); Cordewener/Dörr, CMLRev. 2006, 855 (874 f.); Hohenwarter-Mayr, SWI 2010, 163 (164). Siehe für Näheres C.II.2.c)cc)(2). 1370 EuGH, Urt. v. 13.12.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837, Rz. 55 f. 1371 Nach der Rechtsprechung des EuGH sind Verluste erst dann final, wenn auch die Möglichkeit der Übertragung der Verluste auf Dritte sowie die Möglichkeiten eines Verlustvor- und -rücktrags ausgeschöpft sind, vgl. EuGH, Urt. v. 13.12.2005, C446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837, Rz. 55; ferner: Urt. v. 14.02.2008, C414/06 (Lidl Belgium), Slg. 2008, I-3601, Rz. 47. Der BFH hat diese Rechtsprechung zuletzt dahingehend konkretisiert, dass es auf die tatsächliche und nicht auf die rechtliche Möglichkeit der Verlustnutzung ankomme. Verluste seien damit final, wenn diese durch Umwandlung, Übertragung oder Betriebsaufgabe untergingen, nicht aber wenn Verluste aufgrund der zeitlichen Begrenzung des Verlustvortrags ungenutzt bleiben. Die tatsächlich finalen Verluste sind dabei nicht im Entstehungs-, sondern erst im Finalitätsjahr zu berücksichtigen, vgl. BFH, Urt. v. 09.06.2010, I R 100/09, IStR 2010, 670; Urt. v. 09.06.2010, I R 107/09, IStR 2010, 663; Bschl. v. 09.11.2010, I R 16/10, IStR 2011, 110. 1372 Von der Pflicht zur Berücksichtigung finaler Verluste ist auch nach dem EuGH-Urt. v. 25.02.2010, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I-1215 weiterhin auszugehen. Zwar äußert sich der EuGH hier nicht zur ultima-ratio-Verrechnung von Verlusten, im Unterschied zur Rs. Marks & Spencer stellte sich die Frage hier aber auch gar nicht, vgl. Hohenwarter-Mayr, SWI 2010, 163 (172 f.); Pache/Englert, IStR 2010, 448 (449, 451 f.); Witt, Ubg 2010, 737 (739); Graw, DB 2010, 2469 (2470); Heurung/Engel/Thiedemann, FR 2011, 212 (214 f.); im Ergebnis auch: Englisch, IStR 2010, 215 (216 f.); Thömmes, JbFStR 2010/2011, 31 (55); a.A.: Mitschke, DStR 2010, 1368 (1369 f.); ders., IStR 2011, 185 (188); ferner: Schulz-Trieglaff, IStR 2011, 244 (248). 1373 Nach § 1 Abs. 1 KStG sind Körperschaften im Inland unbeschränkt steuerpflichtig, wenn sie entweder ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland haben. Ist die Geschäftsleitung in Deutschland, aber der statuarische Sitz im Ausland, weisen die DBA das Besteuerungsrecht Deutschland zu, siehe Art. 4 Abs. 3 OECD-MA.
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Zinsschranke
und insofern inländische Einkünfte beziehen.1374 Das BMF hat auf das diesbezügliche Vertragsverletzungsverfahren der Kommission1375 bereits mit Schreiben vom 28.03.2011 reagiert und legt § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG künftig teleologisch erweiternd aus.1376 Andererseits dürfte auch der Ausschluss inländischer Betriebsstätten gebietsfremder Tochtergesellschaften grundfreiheitlich nicht zu rechtfertigen sein, weil es sich auch hier um inländische Einkünfte handelt.1377 Hinsichtlich originär ausländischer Gewinne und Verluste muss sich die Organschaft jedoch nur für finale Verluste grenzüberschreitend öffnen.1378 Einer Gewinnzurechnung an eine gebietsfremden Muttergesellschaft 1374 Vgl. dazu das Vertragsverletzungsverfahren 2008/4909 der Kommission, Pressemitteilung v. 30.09.2010, IP/10/1253; v. 22.03.2012, IP/12/283; Kußmaul/Niehren, FS Djanani, 2008, S. 177 (186 f.); Witt, Ubg 2010, 737 (740 f.); Pache/Englert, IStR 2010, 448 (450); Graw, DB 2010, 2469 (2470); Heurung/Engel/Thiedemann, FR 2011, 212 (218); a.A.: Mitschke, DStR 2010, 1368 (1370). 1375 Vgl. Vertragsverletzungsverfahren 2008/4909, Pressemitteilung v. 30.09.2010, IP/10/1253; v. 22.03.2012, IP/12/283; vgl. dazu bereits Meilicke, DB 2009, 653. 1376 BMF v. 28.03.2011, BStBl. I 2011, 300. Dabei ist nach der Rechtsprechung des EuGH weiterhin eine Gesetzesänderung erforderlich, weil ein bloßer Verwaltungserlass die im Gesetz angelegte Diskriminierung nicht beseitigen kann, vgl. EuGH, Urt. v. 15.10.1986, 168/85 (Kommission/Italien), Slg. 1986, 2945, Rz. 13; Urt. v. 08.05.1990, C-175/88 (Biehl), Slg. 1990, I-1779, Rz. 17 f.; Urt. v. 14.02.1995, C-279/93 (Schumacker), Slg. 1995, I-225, Rz. 54 ff.; Urt. v. 05.10.2010, C-512/08 (Kommission/Frankreich), EuZW 2010, 861, Rz. 67 m.w.N. Die Kommission hat daher am 22.03.2012 angekündigt, Deutschland vor dem EuGH zu verklagen, vgl. Pressemitteilung v. 22.03.2012, IP/12/283. 1377 Vgl. Kußmaul/Niehren, FS Djanani, 2008, S. 177 (188 f.); Englisch, IStR 2010, 215 (217); Hey u.a., IFSt-Schrift Nr. 471, 2011, S. 36; vgl. zur österreichischen Gruppenbesteuerung Leitner/Stetsko, Ubg 2010, 746 (754 m.w.N.); vgl. zum britischen grouprelief: First-tier Tribunal (Tax), Urt. v. 18.08.2009, [2009] UKFTT 226 (TC) – Philips Electronics, abrufbar unter: http://www.bailii.org/uk/cases/UKFTT/TC/2009/ TC00176.html; jetzt nach Vorlage des Upper Tribunal (Tax and Chancery Chamber) anhängig beim EuGH als Rs. C-18/11 (Philips Electronics). Der EuGH hat dabei bereits in der Rs. Papillon klargestellt, dass ein Mitgliedstaat die Verrechnung von Verlusten einer ansässigen Enkelgesellschaft mit den Gewinnen einer ebenfalls ansässigen Muttergesellschaft, die die Beteiligung über eine gebietsfremde Tochtergesellschaft hält, nicht verweigern kann. Denn bei der Verrechnung inländischer Verluste ist weder die Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten gefährdet, noch besteht eine Gefahr der Steuerumgehung, vgl. EuGH, Urt. v. 27.11.2008, C418/07 (Papillon), Slg. 2008, I-8947, Rz. 36-40. 1378 Vgl. FG Niedersachsen, Urt. v. 11.02.2010, 6 K 406/08, IStR 2010, 260 (261); Herzig/Wagner, DStR 2006, 1 (9); Meister, NZG 2006, 212 (215); Englisch, IStR 2006, 22 (23); ders., IStR 2010, 215 (217); Hey, GmbHR 2006, 113 (118 f.); Scheunemann, IStR 2006, 145 (146); Wagner, IStR 2007, 650 (653); Klarmann, IFSt-Schrift Nr. 440, 2006, S. 100; Kußmaul/Niehren, IStR 2008, 81 (86 f.); dies., FS Djanani, 2008, S. 177 (181 f., 185 u. 199); Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 14 KStG, Rz. 15a u. 82 (Stand: 11.2009); Cordewener, IWB 2009, Fach 11 Gruppe 2, 983 (987); Homburg, IStR 2010, 246 (247 f.); von Brocke, DStR 2010, 964 (966); Witt,
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
stehen die Rechtfertigungsgründe der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse und der Verhinderung der Steuerumgehung entgegen.1379 Jenseits der Berücksichtigung finaler Verluste1380 entsteht die hier grundfreiheitlich relevante Problematik vor allem erst in Zusammenhang der Organschaft mit der Zinsschranke. Diesen Zusammenhang stellt § 15 Satz 1 Nr. 3 KStG her. Danach wird die Organschaft als ein Betrieb i.S.d. § 4h Abs. 1 EStG behandelt. Die Zinsschranke ist damit nur noch auf den Organträger, aber nicht mehr auf die Organgesellschaften anzuwenden. Letztere können der Zinsabzugsbeschränkung mit Hilfe der Organschaft somit entgehen. Die Zinserträge und -aufwendungen
Ubg 2010, 737 (740); Graw, DB 2010, 2469 (2470); Heurung/Engel/Thiedemann, FR 2011, 212 (216 f.); Kahle/Vogel/Schulz, Ubg 2011, 761 (768); Kosalla, Ubg 2011, 874 (877); a.A.: FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 17.03.2010, 1 K 2406/07, DStRE 2010, 802 (805 f.); Thiel, DB 2004, 2603 (2605); Neumann, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 14, Rz. 16 m.w.N.; Mitschke, DStR 2010, 1368 ff.; ders., IStR 2011, 185 (188). Dieser Pflicht kann das Fehlen eines Gewinnabführungsvertrags für zukünftige Wirtschaftsjahre nur in den Fällen entgegen gehalten werden, in denen die Durchführung eines grenzüberschreitenden Gewinnabführungsvertrages auch rechtswirksam möglich ist, siehe näher C.II.2.d). 1379 Hinsichtlich des abkommensrechtlichen Diskriminierungsverbotes des Art. XX Abs. 4 und 5 DBA-Großbritannien 1964/1970 (entspricht weitestgehend 24 Abs. 5 OECDMA) hat der BFH mit Urt. v. 09.02.2011, I R 54/10 u.a., DStR 2011, 762 vertreten, dass es aufgrund der Gewinnzurechnung zur gebietsfremden Muttergesellschaft zu einer Keinmalbesteuerung kommen kann, wenn der ausländische Staat die ihm – nach Ansicht des BFH – abkommensrechtlich gemäß Art. 7 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 7 OECD-MA zuzurechnenden Einkünfte nicht besteuert. Im Unterschied zum grundfreiheitlichen Diskriminierungsverbot wirkt das abkommensrechtliche Diskriminierungsverbot absolut, so dass keine Rechtfertigungsgründe geprüft werden. Die Rechtsfolge der Keinmalbesteuerung kann daher auf das grundfreiheitliche Diskriminierungsverbot nicht übertragen werden [anders wohl Thömmes, IWB 2011, Fach 11a, 627 (631)]. Sie ist im Hinblick auf eine lastengerechte Besteuerung aber auch abkommensrechtlich zurückzuweisen, weil eine Keinmalbesteuerung nicht Zweck und Rechtsfolge eines abkommensrechtlichen Diskriminierungsverbotes sein kann, so dass dessen Rechtsfolgen entsprechend zu reduzieren sind, vgl. Rust, IStR 2003, 658 (660 f.); ders., in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 24, Rz. 166; Lüdicke, ITLR 2011, 839 (844, 847); Glahe, IStR 2012, 128 (134 mit Fn. 70); so tendenziell auch BFH, Urt. v. 29.01.2003, I R 6/99, BStBl. II 2004, 1043 (1045): „insoweit […] unangewendet zu lassen“. Vgl. zur Kritik im Schrifttum auch Mössner, IStR 2011, 349; Rödder/Schönfeld, DStR 2011, 886 (888); Stöber, BB 2011, 1943 (1946); Lendewig, NWB 2011, 2539 (2542 f.); Frotscher, IStR 2011, 697 (699 ff.); Lüdicke, IStR 2011, 740 ff. Die Finanzverwaltung hat das Urteil zuletzt mit einem Nichtanwendungserlass belegt, vgl. BMF v. 27.12.2011, DStR 2012, 36. 1380 Vgl. zur Trennung der Frage der Ergebnisverrechnung einerseits und der sonstigen Vorteile der Organschaft andererseits zuletzt deutlich Meilicke, FS Herzig, 2010, S. 231 ff.; ferner: Thömmes, IWB 2011, Fach 11a, 419 (421); Kosalla, Ubg 2011, 874 (880).
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Zinsschranke
der Organgesellschaften werden dem Organträger zugerechnet.1381 Bei diesem saldieren sich in der Folge die innerhalb des Organkreises gewährten Darlehen, so dass für die Zinsschranke nur noch die Darlehen von Personen relevant sind, die außerhalb des Organkreises stehen.1382 Organträger, die Fremdkapital von Organgesellschaften aufgenommen haben, können die Zinsabzugsbeschränkung damit reduzieren oder ganz verhindern. Positiv kann beim Organträger z.B. auch die Zurechnung von positiven EBITDA und Nettozinserträgen anderer Organgesellschaften wirken.1383 Die Anwendung der Zinsschranke auf den Organträger wird aufgrund der Konzern-Klausel des § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. b EStG gänzlich ausgeschlossen, wenn die Organschaft deckungsgleich mit dem Konzern ist und keine schädliche Gesellschafter-Fremdfinanzierung gemäß § 8a Abs. 2 KStG vorliegt.1384 Im Folgenden ist zu untersuchen, ob die Zinsschranke im Zusammenhang mit der Organschaftsregelung aufgrund des doppelten Inlandsbezugs der Organschaft und der mit ihr verbundenen Vorteile eine Diskriminierung der Niederlassungsfreiheit begründet. (i)
Vergleichspaarbildung und rechtliche Ungleichbehandlung
Eine zutreffende Vergleichspaarbildung hat sich am streitigen Differenzierungskriterium einer nationalen Norm zu orientieren.1385 Differenzierungskriterium des § 14 Abs. 1 KStG ist der Sitz bzw. die Geschäftsleitung, so dass eine offene Diskriminierung gemäß Art. 49 i.V.m. Art. 54 AEUV in Betracht kommt.1386 Dementsprechend sind die folgenden Vergleichspaare zu bilden: Erstens ein Vergleich zweier ansässiger Tochtergesellschaften, von denen die eine mit einer ansässigen, die andere mit einer gebietsfremden Muttergesellschaft verbunden ist. Dieses Vergleichspaar kann hinsichtlich § 18 KStG 1381 Siehe § 15 Satz 1 Nr. 3 Satz 3 KStG. Zugerechnet werden ferner die weiteren Elemente zur Berechnung des EBITDA, vgl. Herzig/Liekenbrock, DB 2007, 2387 (2391 f. u. 2395); Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch u.a., KStG/UmwStG, § 8a KStG, Rz. 54 (Stand: 03.2009); Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 15 KStG, Rz. 49 (Stand: 01.2008). 1382 Vgl. Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 8a KStG, Rz. 61 (Stand: 11.2008) und § 15, Rz. 49 (Stand: 01.2008); Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch u.a., KStG/UmwStG, § 8a KStG, Rz. 54 (Stand: 03.2009); Neumann, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 15 KStG, Rz. 36. Nach BT-Drs. 16/4841, S. 77 haben „[Finanzierungsgestaltungen] innerhalb eines Organkreises […] keine Bedeutung“. 1383 Vgl. Herzig/Liekenbrock, DB 2007, 2387 (2391); Meilicke, FS Herzig, 2010, S. 231 (237); Hiller, Zinsschranke, 2011, S. 131 f. Siehe für weitere Vorteile der Organschaft hinsichtlich der Zinsschranke C.II.2.b)aa)(3)(ii). 1384 Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 77. 1385 Siehe C.I.1.b)aa) und cc). 1386 A.A. München, Zinsschranke, 2010, S. 89; von Bar, Die Zinsschranke und ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht, 2010, S. 97, jeweils in Verkennung des Art. 54 AEUV.
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weiterhin danach unterschieden werden, ob die Muttergesellschaft bei statuarischem Sitz im Ausland ihre Geschäftsleitung im In- oder Ausland hat. Zweitens können zwei ansässige Muttergesellschaften verglichen werden, von denen die eine mit einer ansässigen, die andere mit einer gebietsfremden Tochtergesellschaft verbunden ist.1387 Eine Darlehensvergabe innerhalb der Vergleichsgruppen ist nicht erforderlich, da die Rechtsfolgen der Zinsschranke unabhängig davon eintreten und unabhängig davon mit der Organschaft vermieden werden können. Zudem erübrigt sich auch ein Vergleich von Schwestergesellschaften, weil die Organschaft aufgrund der finanziellen Eingliederung stets ein Mutter-Tochter-Verhältnis voraussetzt. Abweichend von den beschriebenen Vergleichspaaren hat der BFH in zwei jüngeren Urteilen vom 13.10.20101388 und vom 07.12.20111389 auch die Organ1387 Vgl. Meilicke, FS Herzig, 2010, S. 231 f.; Hiller, Zinsschranke, 2011, S. 96, 99 f.; vgl. allein zum zweiten Vergleichspaar Kußmaul/Niehren, FS Djanani, 2008, S. 177 (180, 184); Rublack, FR 2010, 791 (792 f.); Witt, Ubg 2010, 737 (740); Graw, DB 2010, 2469 (2471). Zur Zinsschranke wird im Schrifttum überwiegend ein allgemeinerer Vergleich von grenzüberschreitenden und innerstaatlichen Konzernen vorgenommen, vgl. Führich, IStR 2007, 341 (343); ders., Der Einfluss der EuGH-Rechtsprechung auf die deutsche Unternehmensbesteuerung, 2009, S. 137; Musil/Volmering, DB 2008, 12 (15); Knopf/Bron, BB 2009, 1222 (1223); von Brocke/Garcia Perez, ITPJ 2009, 29 (35); München, Zinsschranke, 2010, S. 96; von Bar, Die Zinsschranke und ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht, 2010, S. 98 f.; Körner, Ubg 2011, 610 (616). Auf die Variante des zweiten Vergleichspaares, einer Tochtergesellschaft mit statuarischem Sitz im Ausland und Geschäftsleitung im Inland, wird hier verzichtet, da derartige Tochtergesellschaften nur unter Berufung auf das BMF-Schreiben v. 28.03.2011, BStBl. I 2011, 300 als Organgesellschaften anerkannt werden. Ein bloßer Verwaltungserlass kann einen Verstoß gegen die Grundfreiheiten nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH aber nicht beseitigen, siehe die Nachweise in Fn. 1376. 1388 BFH, Urt. v. 13.10.2010, I R 79/09, BFHE 231, 529, Rz. 36: „Es ist – zum ersten und vor allem – nichts dafür ersichtlich, dass die Beteiligten ein Organschaftsverhältnis hätten begründen wollen und dass sie die dafür gesetzten Regelungserfordernisse der §§ 14 ff. KStG 2002 – unbeschadet des Abschlusses eines Ergebnisabführungsvertrages – überhaupt hätten erfüllen können. Insofern ist der Abgleich mit einem Steuerpflichtigen, der seiner Beteiligungsgesellschaft organschaftlich verbunden wäre, ein rein virtueller, der für die Gegebenheiten des Streitfalls von vornherein nicht zur Annahme einer möglichen Unionsrechtswidrigkeit veranlasst.“ Vgl. dazu auch Glahe, IStR 2012, 128 ff. In dem hier relevanten Streitkomplex des BFH-Urteils ging es darum, ob der Abzugsausschluss für Gewinnminderungen nach § 8b Abs. 3 KStG 2002 (jetzt § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG) gegen Verfassungs- bzw. Unionsrecht verstößt. Auch wenn § 8b Abs. 3 KStG 2002 unterschiedslos und damit diskriminierungsfrei ausgestaltet war, argumentierte die Klägerin, dass jedenfalls in Organschaftsfällen eine Verlustberücksichtigung über den Abschluss eines Gewinnabführungsvertrages möglich gewesen wäre. 1389 BFH, Urt. v. 07.12.2011, I R 30/08 (Scheuten Solar Technology), DStR 2012, 509, Rz. 25: „Vor diesem Hintergrund erscheint es für den Senat ausgeschlossen, dass Unternehmen eines grenzüberschreitenden Verbunds unter Berufung auf die unionsrecht-
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schaft bzw. den Gewinnabführungsvertrag mit in die Vergleichspaarbildung einbezogen und vertreten, dass der grenzüberschreitende Sachverhalt mit dem innerstaatlichen nur vergleichbar sei, wenn der grenzüberschreitend tätige Steuerpflichtige einen grenzüberschreitenden Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen oder dies zumindest vergeblich versucht hat. Der BFH kann sich dabei auch auf Teile der Literatur stützen.1390 Ohne grenzüberschreitenden Gewinnabführungsvertrag ist nach Ansicht des BFH „der Abgleich mit einem Steuerpflichtigen, der seiner Beteiligungsgesellschaft organschaftlich verbunden wäre, ein rein virtueller, der für die Gegebenheiten des Streitfalls von vornherein nicht zur Annahme einer möglichen Unionsrechtswidrigkeit veranlasst.“1391 Die Inbezugnahme der Organschaft bzw. des Gewinnabführungsvertrages in das Vergleichspaar ist jedoch abzulehnen, weil erstens das auf seine Grundfreiheitskonformität zu prüfende Rechtsinstitut nie selbst mit in das Verlichen Grundfreiheiten nachträglich einzelne für sie vorteilhafte Elemente der Organschaftsbesteuerung für sich in Anspruch nehmen können, ohne dass sie im relevanten Zeitraum zumindest den Willen bekundet haben, eine Organschaft bilden zu wollen, und ohne dass sie zumindest versucht haben, die für die steuerliche Anerkennung der Organschaft im Inlandsfall erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen […]. Die Klägerin wird letztlich nicht anders besteuert als eine abhängige Kapitalgesellschaft mit im Inland ansässiger Muttergesellschaft, mit der eine Ergebnisabführung nicht vereinbart worden ist, weshalb es an einer Ungleichbehandlung fehlt.“ In dem Verfahren zur Rs. Scheuten Solar Technology ging es um die Vereinbarkeit der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Zinsen gemäß § 8 Nr. 1 GewStG 2002 mit der ZLRL und der Niederlassungsfreiheit. Der BFH hatte dem EuGH aber lediglich die Frage der Vereinbarkeit der Regelung mit der ZLRL vorgelegt (siehe dazu noch C.II.3.) und die Frage der Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit trotz Entscheidungserheblichkeit und trotz unterschiedlicher Auffassungen in der Literatur (siehe Fn. 1580) – und damit letztlich unter Verstoß gegen Art. 267 Abs. 3 AEUV, vgl. EuGH, Urt. v. 06.10.1982, 283/81 (CILFIT u.a.), Slg. 1982, 3415, Rz. 11, 16 – selbst entschieden. Die Nichtvorlage hatte der Vorsitzende Richter des Senats bereits vorab mit der obigen Argumentation begründet, vgl. Gosch, Diskussionsbeitrag in: Schön/Thömmes, JbFStR 2010/2011, 31 (58); ferner: ders., BFH/PR 2011, 11 (12); vgl. dazu kritisch Glahe, IStR 2012, 128 (129 f.). 1390 Vgl. Thiel, DB 2004, 2603 (2605); Raupach/Pohl, NZG 2005, 489 (492); Seer u.a., EWS 2005, 289 (301); Englisch, IStR 2006, 22 (23); Geeb, GesellschafterFremdfinanzierung, 2007, S. 95 ff., 106 f., Download unter: http://d-nb.info/ 989683397/34; Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 14 KStG, Rz. 15c (Stand: 11.2009); Mitschke, DStR 2010, 1368; Schulz-Trieglaff, IStR 2011, 244 (246); vgl. auch FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 17.03.2010, 1 K 2406/07, DStRE 2010, 802 (805). A.A.: Witt, Ubg 2010, 737 (740); Graw, DB 2010, 2469 (2471); ferner: Scheunemann, IStR 2006, 145 (147); Homburg, IStR 2010, 246 (248 f.). Hiller bezieht den Gewinnabführungsvertrag ebenfalls in das Vergleichspaar mit ein, sieht aber im Ergebnis dennoch die Vergleichbarkeit als gegeben an, vgl. Hiller, Zinsschranke, 2011, S. 114 ff. 1391 BFH, Urt. v. 13.10.2010, I R 79/09, BFHE 231, 529, Rz. 36.
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gleichspaar einbezogen werden darf.1392 Ansonsten liefe das grundfreiheitliche Diskriminierungsverbot stets ins Leere. Zweitens würde die Inbezugnahme der Organschaft bzw. des Gewinnabführungsvertrages neben dem streitigen Differenzierungskriterium ein weiteres Kriterium einführen, dass das Vergleichspaar verfälschen und seine Vergleichbarkeit in unzulässiger Weise beeinflussen würde.1393 Drittens kehrt der BFH entgegen der Schutzrichtung der Grundfreiheiten die bewährte Vorgehensweise des EuGH bei der Vergleichspaarbildung um, indem er nicht vom grenzüberschreitenden Sachverhalt ausgeht und diesen mit einem hypothetisch herangezogenen innerstaatlichen Sachverhalt vergleicht, der sich nur durch das streitige Differenzierungskriterium, hier die Ansässigkeit, unterscheidet, sondern vom gestalteten innerstaatlichen Sachverhalt ausgeht und diesem den konkreten grenzüberschreitenden Fall gegenüberstellt.1394 Folgerichtig hat auch der EuGH in seinen bisherigen Urteilen zu Gruppenbesteuerungsregeln diese nicht selbst mit in die Vergleichbarkeitsprüfung einbezogen, sondern sich auf die oben beschriebenen Vergleichspaare im In- und Outbound-Fall beschränkt.1395 Für die Annahme einer rechtlichen Ungleichbe1392 Vgl. in dieser Richtung auch Graw, DB 2010, 2469 (2471). 1393 Vgl. i.w.S. EuGH, Urt. v. 22.01.2009, C-377/07 (STEKO), Slg. 2009, I-299, Rz. 33: „Die Anwendung unterschiedlicher Steuerregelungen auf eine inländische Gesellschaft je nachdem, ob sie Beteiligungen an inländischen oder an ausländischen Gesellschaften hält, kann kein zulässiges Kriterium für die Beurteilung der objektiven Vergleichbarkeit von Situationen […] sein. Die Anwendung unterschiedlicher Steuerregelungen ist nämlich gerade der Grund für die unterschiedliche Behandlung, deren Rechtfertigung zu prüfen ist.“ 1394 Siehe zur richtigen Vorgehensweise bei der Vergleichspaarbildung oben sowie C.I.1.b)cc). Ein – wie es der BFH bezeichnet – „virtuelles“ Vergleichspaar hat der EuGH jüngst jedoch im Urt. v. 15.09.2011, C-240/10 (Schulz-Delzers und Schulz), IStR 2011, 806, Rz. 36 ff. geprüft. Dort hatte eine in Deutschland ansässige Lehrerin, die als französische Beamtin an einer deutsch-französischen Schule in Deutschland arbeitete und vom französischen Staat Gehalt plus Zulagen erhielt, die Steuerfreiheit von Auslandszulagen nach § 3 Nr. 64 EStG unter Berufung auf die Grundfreiheiten angestrebt. Der EuGH stellte zunächst fest, dass gegenüber dem vergleichbaren innerstaatlichen Sachverhalt (Gehaltsbezug vom deutschen Staat) jedoch keine Diskriminierung besteht, weil dieser von § 3 Nr. 64 EStG nicht erfasst wird (siehe Rz. 35 des Urteils). Dass der EuGH daraufhin den virtuellen Vergleich mit einem Steuerpflichtigen, der unter § 3 Nr. 64 EStG fällt (Auslandszulage vom deutschen Staat), anprüfte, aber die Vergleichbarkeit ablehnte (siehe Rz. 36 ff.), überzeugt nicht, bestätigt aber auch nicht die Vorgehensweise des BFH im Urteil v. 13.10.2010. Denn anders als in der Rs. Schulz-Delzers und Schulz liegt bereits im – auch vom EuGH in SchulzDelzers und Schulz primär geprüften – nicht virtuellen Vergleich in vielen Fällen der §§ 4h EStG i.V.m. §§ 14 ff. KStG eine Diskriminierung vor, siehe dazu sogleich unter C.II.2.b)aa)(3)(ii) und (iii). 1395 Vgl. zum Outbound-Fall EuGH, Urt. v. 13.12.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837, Rz. 33 f.; Urt. v. 25.02.2010, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I3129, Rz. 19; vgl. zum Inbound-Fall Urt. v. 18.07.2007, C-231/05 (Oy AA), Slg.
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handlung des Vergleichspaares reicht es entsprechend der Rechtsprechung des EuGH nämlich aus, dass nur im innerstaatlichen Vergleichsfall die Möglichkeit besteht, eine Organschaft zu begründen. So stellte der EuGH etwa in der Rs. X Holding fest, dass die „durch das niederländische Recht gebietsansässigen Muttergesellschaften und ihren gebietsansässigen Tochtergesellschaften eröffnete Möglichkeit, so besteuert zu werden, als ob sie eine steuerliche Einheit bildeten“, einen in der Diskriminierungsprüfung zu berücksichtigenden Vorteil gegenüber dem grenzüberschreitenden Sachverhalt darstellt.1396 Als weiteres Beispiel kann die Rs. Metallgesellschaft u.a. angeführt werden: Hier konnte nur im innerstaatlichen Fall durch das Optieren für die Besteuerung des Gruppeneinkommens (sog. „group income election“) die KörperschaftsteuerVorauszahlung („advance corporate tax“, kurz: ACT) auf die vierteljährlichen Dividendenausschüttungen vermieden werden. Darin sah der EuGH zutreffend eine Diskriminierung, weil nur im reinen Inlandsfall die „Möglichkeit [bestand], für die Besteuerung des Gruppeneinkommens zu optieren“ und so die Zins- und Liquiditätsnachteile der ACT zu vermeiden.1397 Dementsprechend ist bereits in der Möglichkeit, die Zinsabzugsbeschränkung im Inlandsfall mit der Begründung einer Organschaft abzuwenden oder zu reduzieren, eine grundfreiheitlich relevante Ungleichbehandlung zu sehen.1398 Diese wird in der Literatur auch hinsichtlich anderer Normen vertreten: So
2007, I-6373, Rz. 31 f. Verallgemeinernd ist zudem festzustellen, dass der EuGH in seiner Rechtsprechung nie gezögert hat, auch begünstigende steuerliche Gestaltungen bzw. Optionen, die nur in mitgliedstaatsinternen, aber nicht in grenzüberschreitenden Sachverhalten anwendbar sind, als Diskriminierung einzustufen, vgl. EuGH, Urt. v. 16.05.2000, C-87/99 (Zurstrassen), Slg. 2000, I-3337, Rz. 7, 18 ff. [nur jeweils ansässige Ehegatten können auf Antrag zusammen veranlagt werden]; Urt. v. 08.03.2001, C-397/98 u.a. (Metallgesellschaft u.a.), Slg. 2001, I-1727 [siehe dazu sogleich]; Urt. v. 04.03.2004, C-334/02 (Kommission/Frankreich), Slg. 2004, I-2229, Rz. 2, 22 ff. [natürliche Personen können einen Steuerabzug für bestimmte Kapitalerträge beantragen, sofern der Schuldner in Frankreich ansässig ist]; Bschl. v. 23.04.2008, C-201/05 (CFC and Dividend), Slg. 2008, I-2875, Rz. 6 ff., 10, 44 ff. [für Lebensversicherungsgesellschaften besteht die Option zum steuerfreien Bezug von Dividenden nur, wenn sie diese im Rahmen von Pensionsgeschäften von ansässigen Gesellschaften erhalten haben]. Vgl. ferner das Urt. v. 26.10.1999, C-294/97 (Eurowings), Slg. 1999, I-7447, Rz. 29 f., 38 f., wonach bereits die Möglichkeit gesetzgeberisch nicht vorgesehener Gestaltungen eine günstigere steuerliche Behandlung im vergleichbaren Inlandsfall begründet. 1396 EuGH, Urt. v. 25.02.2010, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I-3129, Rz. 18 [Hervorhebungen nur hier]. 1397 EuGH, Urt. v. 08.03.2001, C-397/98 u.a. (Metallgesellschaft u.a.), Slg. 2001, I-1727, Rz. 43 [Hervorhebungen nur hier]. 1398 So im Ergebnis auch die überwiegende Auffassung in der Literatur, siehe die Nachweise in Fn. 1359 oben unter (3).
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lässt sich etwa das pauschale 5%-Abzugsverbot des § 8b Abs. 5 KStG1399 sowie die gewerbesteuerliche Hinzurechnung des § 8 Nr. 1 GewStG1400 mit Begründung der Organschaft vermeiden. Zuvor war es bereits bei § 8a KStG a.F. möglich, mit der Organschaft die Umqualifikation in eine verdeckte Gewinnausschüttung zu verhindern.1401 Eine vergleichbare Problematik besteht auch bei den niederländischen Unterkapitalisierungsvorschriften1402 aufgrund der steuerlichen Neutralität gruppeninterner Transaktionen in der niederländi-
1399 Vgl. Körner, BB 2003, 2436 (2439 f.); ders., IStR 2006, 376 (378); Bullinger, IStR 2004, 406 (411); Kußmaul/Tcherveniachki, StuB 2005, 626 (631); Bergemann/Schönherr/Stäblein, BB 2005, 1706 (1711); Nagler/Kleinert, DB 2005, 855 (855 f.); Herzig/Wagner, DStR 2006, 1 (9); Hey, GmbHR 2006, 113 (119); Meister, NZG 2006, 212 (215); Klarmann, IFSt-Schrift Nr. 440, 2006, S. 98 f.; Kußmaul/Niehren, FS Djanani, 2008, S. 177 (184); Führich, Der Einfluss der EuGHRechtsprechung auf die deutsche Unternehmensbesteuerung, 2009, S. 144 f.; Meilicke, FS Herzig, 2010, S. 231 (235 f.); Heurung/Engel/Thiedemann, FR 2011, 212 (217); Kosalla, Ubg 2011, 874 (881 f.); Glahe, IStR 2012, 128 (132). 1400 Vgl. Meilicke, IStR 2006, 130; ders., FS Herzig, 2010, S. 231 (233 f.); Dörr/Fehling, NWB 2007, Fach 2, 9375 (9384 f.); Führich, Ubg 2009, 30 (41); Obser, IStR 2009, 783; Thömmes, IWB 2009, Fach 3a Gruppe 1, 1145 (1149 f.); Englisch, in: Lang u.a., ECJ: Recent Developments in Direct Taxation 2009, 2010, S. 79 (99); Heurung/Engel/Thiedemann, FR 2011, 212 (218); Kosalla, Ubg 2011, 874 (882 f.); Glahe, IStR 2012, 128 (132). Vgl. auch BFH, Urt. v. 07.12.2011, I R 30/08 (Scheuten Solar Technology), DStR 2012, 509, Rz. 18 f.; FG Münster, Urt. v. 22.02.2008, 9 K 5143/06 G, IStR 2008, 372 (375), die die Ungleichbehandlung grundfreiheitlich aber für gerechtfertigt halten, siehe dazu noch C.II.2.c)cc)(2) mit Fn. 1517 f.; gl.A. SchulzTrieglaff, IStR 2010, 317 (319). Andererseits hatte der BFH zuvor in der Möglichkeit, mit Begründung einer Organschaft die gewerbesteuerliche Hinzurechnung des § 8 Nr. 1 GewStG 1999 zu verhindern, einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. XX Abs. 4 und 5 DBA Großbritannien 1964/1970 gesehen, vgl. BFH, Urt. v. 09.02.2011, I R 54/10 u.a., DStR 2011, 762 (765), siehe bereits Fn. 1379; a.A.: Hessisches FG, Urt. v. 18.05.2010, 8 K 1160/10, IStR 2010, 776 (778). Hinsichtlich des abkommensrechtlichen Diskriminierungsverbots besteht jedoch der Unterschied, dass dieses nach h.M. absolut wirkt und somit keiner Rechtfertigung zugänglich ist, vgl. etwa BFH, Urt. v. 29.01.2003, I R 6/99, BStBl. II 2004, 1043 (1045). Zudem betraf das Urt. v. 09.02.2011, a.a.O., einen Veranlagungszeitraum, in dem für die Begründung einer gewerbesteuerlichen Organschaft noch nicht die Voraussetzung eines Gewinnabführungsvertrags bestand. 1401 Vgl. Körner, IStR 2004, 253 (260); Nagler/Kleinert, DB 2005, 855 (855 f.); Prinz, in: Prinz/Schaum-burg, Internationale Unternehmensfinanzierung, 2006, S. 21 (68); Geeb, Gesellschafter-Fremdfinanzierung, 2007, S. 95, Download unter: http://dnb.info/989683397/3495. 1402 Vgl. de Wit/Tilanus, Intertax 2004, 187 (191); Obser, Gesellschafter-Fremdfinanzierung im europäischen Konzern, 2005, S. 155 m.w.N. Vgl. zu den weiteren Vorteilen der niederländischen fiskalen Einheit GA Kokott, SchlA v. 19.11.2009, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I-1215, Rz. 23, 4. Spiegelstrich. Auch in Spanien besteht die Problematik, dass für Unternehmensgruppen die Dokumentationsanforderungen für Verrechnungspreise reduziert werden, vgl. Jiménez, BIT 2010, 271 (275).
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schen fiskalen Einheit – auf den entsprechenden Einwand ist der EuGH in der Rs. X Holding1403 letztlich aber nicht eingegangen.1404 Im Folgenden ist zu untersuchen, ob mit der unterschiedlichen rechtlichen Behandlung der beiden Vergleichspaare auch eine Schlechterstellung des grenzüberschreitenden gegenüber dem innerstaatlichen Sachverhalt einhergeht. (ii)
Schlechterstellung des grenzüberschreitenden Sachverhalts
Hinsichtlich des ersten Vergleichspaares ist die Belastungswirkung zweier ansässiger Tochtergesellschaften zu vergleichen, von denen die eine mit einer ansässigen, die andere mit einer gebietsfremden Muttergesellschaft verbunden ist.1405 Im Inlandsfall besteht für die ansässigen Tochter- und Muttergesellschaften die Möglichkeit der Organschaft, so dass die Zinsschranke in der Folge unabhängig vom Verhältnis des EBITDA zum Nettozinsaufwand nach § 15 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG nicht auf die Tochtergesellschaft (Organgesellschaft) anzuwenden. Im grenzüberschreitenden Fall kann hingegen keine Organschaft gebildet werden, wenn die gebietsfremde Muttergesellschaft ihre Geschäftsleitung im Ausland hat.1406 Mit der dann eintretenden Zinsabzugsbeschränkung des § 4h EStG entsteht der Tochtergesellschaft gegenüber dem Inlandsfall aufgrund des Zinsvortrags zumindest ein Zins- und Liquiditätsnachteil.1407 Die Zinsabzugsbeschränkung wird sogar endgültig, wenn dauerhaft Verluste erwirtschaftet werden oder der Zinsvortrag untergeht.1408 Kann 1403 EuGH, Urt. v. 25.02.2010, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I-1215, Rz. 18 ff. Zwar sah der EuGH in der steuerlichen Neutralität gruppeninterner Transaktionen eine Diskriminierung, in der Rechtfertigungsprüfung ging er aber nur auf die Frage der grenzüberschreitenden Ergebnisverrechnung ein, vgl. dazu kritisch Weber, H&I 1/2010, 66 (72 f.); van Thiel/Vascega, ET 2010, 334 (336 f.); Confédération Fiscale Européenne ECJ Task Force, ET 2011, 150, Tz. 4 f., 10. Vgl. zum Vorbringen des Klägers auch GA Kokott, SchlA v. 19.11.2009, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I-1215, Rz. 23, 4. Spiegelstrich, Rz. 82. 1404 Zuletzt haben jedoch die Rechtbank Haarlem, Urt. v. 22.10.2010, AWB 09/611 sowie GA Wattel, SchlA v. 09.09.2011, 10/05268 (abrufbar jeweils unter: http://www.rechtspraak.nl/) in der beim Hoge Raad anhängigen Revision einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit primär mit dem zweifelhaften Argument abgelehnt, dass der EuGH in X Holding die niederländischen Vorschriften generell als unionsrechtskonform eingestuft hätte; siehe dazu auch noch C.II.2.c)cc)(2). 1405 Siehe oben unter (i). 1406 Siehe § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG. Siehe bereits C.II.2.b)aa)(3). 1407 Siehe bereits C.II.2.b)aa)(2) mit Nachweisen aus der Rechtsprechung in Fn. 1352. Vgl. auch Führich, IStR 2007, 341 (343); ders., Der Einfluss der EuGHRechtsprechung auf die deutsche Unternehmensbesteuerung, 2009, S. 138; Loukota, SWI 2008, 105 (109); Mewes, Die Finanzierung von Kapitalgesellschaften im steuerrechtlichen Kontext, 2009, S. 394; Wilke/Süß, FR 2009, 796 (798); Goebel/Eilinghoff, DStZ 2010, 550 (559). 1408 Siehe B.II.2.b) und C.II.2.b)aa)(2).
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
die Zinsschranke noch über die Escape-Klausel des § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. c EStG vermieden werden, entsteht zumindest zusätzlicher Verwaltungsaufwand.1409 Fraglich ist, ob im Inlandsfall innerhalb des Belastungsvergleichs zu berücksichtigen ist, dass das EBITDA und der Nettozinsaufwand der Tochtergesellschaft der ansässigen Muttergesellschaft als Organträger zugerechnet werden, bei der dann ggf. die Zinsschranke eingreift. Eine derartige personenübergreifende Gesamtschau ist der Diskriminierungsprüfung jedoch fremd. Sie ist allenfalls im Rahmen des Rechtfertigungsgrunds der Kohärenz zulässig.1410 Auch der EuGH hat bei demselben Vergleichspaar in den Rs. Metallgesellschaft u.a., Lankhorst-Hohorst, Oy AA, Thin Cap und SGI1411 nur die Belastungswirkung der Tochtergesellschaft verglichen. Diese rechnet er dann mittelbar der aktiv niederlassungsberechtigten Muttergesellschaft zu, weil für diese die Niederlassung im Ansässigkeitsstaat der Tochtergesellschaft weniger attraktiv wird.1412 Eine Saldierung mit anderen Vorteilen nimmt der EuGH auf 1409 Siehe bereits C.II.2.b)aa)(1) m.w.N. aus der Rechtsprechung in Fn. 1342 sowie C.II.2.b)aa)(2). Nach von Bar, Die Zinsschranke und ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht, 2010, S. 101 ff. stelle die Escape-Klausel hingegen selbst eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar, weil der Nachweis, dass nach § 8a Abs. 3 KStG keine Gesellschafter-Fremdfinanzierung vorliegt, bei „großen grenzüberschreitenden Konzernen” kaum durchführbar sei [siehe dazu B.II.2.a)bb)]. Dieser Argumentation liegt damit die Annahme zugrunde, dass internationale Konzerne häufig größer als inländische Konzerne seien und der Nachweis daher faktisch schwieriger zu erbringen wäre. Dies ist abzulehnen, weil die Beschränkung der Grundfreiheiten nicht von bloßen Wahrscheinlichkeiten abhängen kann, die nur schwer messbar sind und sich jederzeit ändern können, siehe bereits C.I.2.b)bb)(2)(ii); vgl. auch C.II.2.b)cc)(1). 1410 Siehe C.I.2.b)aa)(1)(ii)(b) und C.I.2.c)bb)(2)(i). Siehe zur Prüfung der Kohärenz C.II.2.c)cc)(1). 1411 Vgl. EuGH, Urt. v. 08.03.2001, C-397/98 u.a. (Metallgesellschaft u.a.), Slg. 2001, I1727, Rz. 43: „Die in den Ausgangsverfahren streitigen Rechtsvorschriften führen […] zu einer unterschiedlichen Behandlung von solchen im Vereinigten Königreich ansässigen Tochtergesellschaften, deren Muttergesellschaften ihren Sitz im Vereinigten Königreich haben, und solchen, deren Muttergesellschaften dort nicht ihren Sitz haben.“ [Hervorhebungen nur hier]. Ganz ähnlich: Urt. v. 12.12.2002, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-11779, Rz. 27; Urt. v. 18.07.2007, C-231/05 (Oy AA), Slg. 2007, I-6373, Rz. 31; Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I2107, Rz. 45 [hier spricht der EuGH von „verbundenen Gesellschaften“, was die Tochtergesellschaft mit einbezieht]; Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I487, Rz. 42 f. [„ansässige Gesellschaften“]. 1412 Vgl. deutlich EuGH, Urt. v. 18.07.2007, C-231/05 (Oy AA), Slg. 2007, I-6373, Rz. 39: „Eine unterschiedliche Behandlung gebietsansässiger Tochtergesellschaften je nach dem Ort des Sitzes ihrer Muttergesellschaft stellt eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar, da sie die Ausübung dieser Freiheit für in anderen Mitgliedstaaten ansässige [Mutter-]Gesellschaften weniger attraktiv macht“; vgl. auch Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 45; hingegen doppeldeutig: Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 45, 61; zumindest sprachlich
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der Ebene der Muttergesellschaft dabei aber nicht vor.1413 Im Endeffekt ist damit allein die Belastungswirkung des passiven Marktteilnehmers entscheidend.1414 Aber selbst wenn man eine personenübergreifende Gesamtschau vornehmen würde, bestünde im Inlandsfall der Vorteil, die relevanten Größen zur Berechnung der Zinsschranke über die verschiedenen Gesellschaften hinweg verrechnen zu können.1415 In der Variante des ersten Vergleichspaares hat die gebietsfremde Muttergesellschaft im grenzüberschreitenden Fall ihren Sitz im Ausland, aber die Geschäftsleitung im Inland. Dann kann auch im grenzüberschreitenden Fall gemäß § 18 KStG eine Organschaft gebildet werden, wenn eine inländische Zweigniederlassung der Muttergesellschaft als Organträger fungiert.1416 Die Zinsschranke ist dann nach § 15 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG nicht auf die ansässige Tochtergesellschaft anzuwenden. Diese wird damit gegenüber dem Inlandsfall gleich behandelt. Eine Schlechterstellung tritt hier nur auf Ebene der Muttergesellschaft ein: Im Fall des § 18 KStG besteht der Organkreis aus der inländischen Zweigniederlassung und der ansässigen Tochtergesellschaft. Diese begründen zusammen einen Betrieb i.S.d. § 4h Abs. 1 EStG. Die gebietsfremde Muttergesellschaft stellt dann einen zweiten Betrieb dar.1417 In der Folge besteht der Nachteil, dass etwaige positive EBITDA und Nettozinserträge, die dem Betrieb der gebietsfremden Muttergesellschaft zuzurechnen sind, nicht in die Berechnung der Zinsschranke einbezogen werden können. So kann die Zinsabzugsbeschränkung ggf. nur im Inlandsfall vermieden oder reduziert werden. Aufgrund der zwei Betriebe scheidet im grenzüberschreitenden Fall zudem die Berufung auf die Konzern-Klausel des § 4h Abs. 2 Satz 1
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allein auf die Belastung der Tochtergesellschaft abstellend: Urt. v. 08.03.2001, C397/98 u.a. (Metallgesellschaft u.a.), Slg. 2001, I-1727, Rz. 43 f.; Urt. v. 12.12.2002, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-11779, Rz. 27. Eine Saldierung berücksichtigt der EuGH in der Diskriminierungsprüfung ausnahmsweise nur bei einem abkommensrechtlich zwingend vereinbartem Ausgleich, siehe C.I.2.b)aa)(1)(ii)(c). Die Weigerung des EuGH, auch die passiv niederlassungsberechtigte Tochtergesellschaft in den Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit aufzunehmen, erscheint auch vor diesem Hintergrund nicht überzeugend. Siehe auch C.I.2.a)bb) sowie C.II.2.a)bb). Siehe dazu sogleich beim zweiten Vergleichspaar. Siehe zudem bereits oben unter (3). Siehe oben unter (3). Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 77; Hick, in: H/H/R, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 25 f. (Stand: 03.2009); Herlinghaus, in: H/H/R, EStG/KStG, § 15 KStG, Rz. 70 (Stand: 07.2009); Dörr/Geibel/Fehling, NWB 2007, Fach 4, 5199 (5202); kritisch: Blumenberg/Lechner, in Blumenberg/Benz, Die Unternehmensteuerreform 2008, 2007, S. 107 (122 f.). Auch wenn sich diese Auslegung nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergibt, ist sie gleichwohl zwingend, zumal Betriebsstätten stets einen vom Stammhaus losgelösten eigenen Betrieb i.S.d. § 4h Abs. 1 KStG verkörpern, vgl. nur Hick, in: H/H/R, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 26 (Stand: 03.2009); Shou, Die Zinsschranke im Unternehmensteuerreformgesetz 2008, 2010, S. 110.
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lit. b EStG aus.1418 Schließlich besteht im Fall des § 18 KStG der Nachteil, dass nur die gebietsfremde Muttergesellschaft zusätzlich eine inländische Zweigniederlassung gründen, diese in das Handelsregister eintragen und die Beteiligungen deren Betriebsvermögen zuordnen muss.1419 Folglich wird hier die aktiv niederlassungsberechtigte Muttergesellschaft schlechter gestellt. Hinsichtlich des zweiten Vergleichspaares ist die Belastungswirkung zweier ansässiger Muttergesellschaften zu vergleichen, von denen die eine mit einer ansässigen, die andere mit einer gebietsfremden Tochtergesellschaft verbunden ist. Hier besteht nur im Inlandsfall die Möglichkeit, mit der ansässigen Tochtergesellschaft eine Organschaft zu begründen. Anders als eine Organgesellschaft kann die ansässige Muttergesellschaft als Organträger der Zinsschranke nicht generell entgehen. Dies ist nur gemäß der Konzern-Klausel des § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. b EStG möglich, wenn Konzern und Organschaft deckungsgleich sind. Ist dies nicht der Fall, kann im Inlandsfall die Zinsabzugsbeschränkung beim Organträger aber ggf. durch die Zurechnung von EBITDA und Nettozinserträgen der Organgesellschaft verhindert oder reduziert werden.1420 Zudem werden beim Organträger nicht mehr die Zinszahlungen an die Organgesellschaft für die Berechnung der Zinsschranke berücksichtigt.1421 Hinsichtlich der Escape-Klausel des § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. c EStG besteht ggf. der Vorteil der Zurechnung einer hohen Eigenkapitalquote der Organgesellschaft; zudem läuft die ansonsten nachteilige Buchwertkürzung für Beteiligungen an der Organgesellschaft ins Leere.1422 Auch wenn im Inlandsfall die Muttergesellschaft als Organträger – anders als die Organgesellschaft im ersten Vergleichspaar – nicht generell der Zinsabzugsbeschränkung entgehen kann, ist die Begründung einer Organschaft in vielen Fällen doch mit Vorteilen verbunden, die im Rahmen des Diskriminierungsverbots der Niederlassungsfreiheit nicht unberücksichtigt bleiben können.
1418 Siehe dazu oben unter (3). Vgl. Shou, Die Zinsschranke im Unternehmensteuerreformgesetz 2008, 2010, S. 109 f.; München, Zinsschranke, 2010, S. 94; von Bar, Die Zinsschranke und ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht, 2010, S. 95 f.; vgl. allgemein: BT-Drs. 16/4841, S. 77. 1419 Vgl. Mewes, Die Finanzierung von Kapitalgesellschaften im steuerrechtlichen Kontext, 2009, S. 394; ferner Hiller, Zinsschranke, 2011, S. 101 f.; vgl. ähnlich zur österreichischen Gruppenbesteuerung Leitner/Stetsko, Ubg 2010, 746 (753 m.w.N.). 1420 Siehe oben. Vgl. auch Herzig/Liekenbrock, DB 2007, 2387 (2391); Hiller, Zinsschranke, 2011, S. 97, 129 ff. 1421 Siehe bereits oben unter (3). Vgl. auch München, Zinsschranke, 2010, S. 94; von Bar, Die Zinsschranke und ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht, 2010, S. 95; Hiller, Zinsschranke, 2011, S. 97; ferner: Goebel/Eilinghoff, DStZ 2010, 550 (559). 1422 Vgl. Köhler, DStR 2007, 597 (601 mit Fn. 19); Herzig/Liekenbrock, DB 2007, 2387 (2389); dies., Ubg 2009, 750 (757). Siehe zur Beteiligungsbuchwertkürzung B.II.2.a)bb).
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Englert/Pache1423 weisen jedoch darauf hin, dass mit der Begründung einer Organschaft auch Nachteile einhergehen, insbesondere die Haftung für Verluste der Organgesellschaft. Speziell im Zusammenhang mit der Zinsschranke besteht auch der Nachteil, dass die Freigrenze des § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. a EStG auf die Organschaft als Betrieb anzuwenden ist und somit mit einer größeren Wahrscheinlichkeit überschritten wird.1424 Um die Escape-Klausel des § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. c EStG nutzen zu können, muss für die Organschaft zudem ggf. ein Teilkonzernabschluss erstellt werden.1425 Potentiell kompensierende Nachteile sind aber allenfalls im Rahmen des Rechtfertigungsgrundes der Kohärenz zu berücksichtigen.1426 Das Diskriminierungsverbot fokussiert isoliert den einzelnen steuerlichen Nachteil.1427 Folglich bleibt festzuhalten, dass bei beiden Vergleichspaaren der grenzüberschreitende Sachverhalt gegenüber dem innerstaatlichen schlechter gestellt wird. (iii)
Vergleichbarkeitsprüfung
Eine Diskriminierung der Niederlassungsfreiheit liegt jedoch nur vor, wenn „unterschiedliche Vorschriften auf vergleichbare Situationen angewandt werden“.1428 Damit ist zu prüfen, ob die oben aufgestellten Vergleichspaare auch objektiv vergleichbar sind. Einer Unterscheidung der Vergleichspaare1429 nach In- und Outbound-Fällen bedarf es auch hier nicht. Denn einerseits findet die Schumacker-Doktrin im Inbound-Fall keine Anwendung auf Kapitalgesellschaften, andererseits kann im Outbound-Fall bei Leistungsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen keine Unterscheidung zwischen in- und ausländischen Einkünften getroffen werden.1430
1423 Vgl. Englert/Pache, IStR 2007, 47 (49) zu § 8b Abs. 5 KStG; wohl auch Kußmaul/Niehren, FS Djanani, 2008, S. 177 (185). Dieses Argument wäre nicht nur auf § 8b Abs. 5 KStG beschränkt, sondern könnte auch auf das Zusammenspiel der Zinsschranke mit der Organschaft übertragen werden. 1424 Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 77. 1425 Vgl. Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 2007, S. 447 (481 f.); Herzig/Liekenbrock, DB 2007, 2387 (2389); dies., Ubg 2009, 750 (752 ff.). 1426 Siehe C.II.2.c)cc)(1). Ein abstrakter äquivalenter Ausgleich scheidet hier aber offenkundig aus. 1427 Siehe bereits C.I.2.b)aa)(1)(ii)(c). 1428 EuGH, Urt. v. 14.02.1995, C-279/93 (Schumacker), Slg. 1995, I-225, Rz. 30; Urt. v. 18.03.2010, C-440/08 (Gielen), Slg. 2010, I-2323, Rz. 38; Urt. v. 01.12.2011, C253/09 (Kommission/Ungarn), n.n.v., Rz. 50; Urt. v. 08.12.2011, C-157/10 (Banco Bilbao), IStR 2012, 152, Rz. 41; zuvor bereits: Urt. v. 23.02.1983, 8/82 (Wagner), Slg. 1983, 371, Rz. 18; Urt. v. 13.11.1984, 283/83 (Racke), Slg. 1984, 3791, Rz. 7. 1429 Nach der Dogmatik des EuGH läge beim ersten Vergleichspaar, dem Vergleich zweier ansässiger Tochtergesellschaften, ein Inbound-Fall vor, beim zweiten Vergleichspaar, dem Vergleich zweier ansässiger Muttergesellschaften, ein Outbound-Fall. 1430 Siehe C.I.1.b)cc)(1)(i) und (ii) sowie hinsichtlich § 1 AStG C.I.2.b)aa)(1)(iii)(a).
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Der Grund für die Begrenzung der Organschaft auf den Inlandsfall ist, dass Deutschland im Fall einer Gewinnzurechnung an einen gebietsfremden Organträger entsprechend dem Territorialitätsprinzip das Besteuerungsrecht für diese Gewinne verlieren würde. In der Folge könnte Deutschland gegen die Vergleichbarkeit beider Vergleichspaare einwenden, dass im Rahmen der Zinsschranke bei einer ansässigen Muttergesellschaft (Organträger) entsprechend dem Territorialitätsprinzip nur EBITDA und Zinsen ansässiger Tochtergesellschaften (Organgesellschaften) zugerechnet werden müssen.1431 Der EuGH hat jedoch in der Rs. Marks & Spencer1432 entschieden, dass das Territorialitätsprinzip und der Umstand der gebietsfremden Ansässigkeit eines verbundenen Unternehmens im grenzüberschreitenden Vergleichsfall keine hinreichenden Unterschiede begründen, die gegen die Vergleichbarkeit sprechen könnten.1433 Andernfalls wäre das Diskriminierungsverbot der Grundfreiheiten auch ausgehöhlt, weil in der vertikalen Vergleichbarkeitsprüfung stets grenzüberschreitende mit mitgliedstaatsinternen Sachverhalten verglichen werden.1434 Das Territorialitätsprinzip ist besser in der Rechtfertigungsprüfung zu berücksichtigen.1435 Im den Urteilen vom 13.10.2010 und vom 07.12.2011 hatte der BFH erkennen lassen, dass er grenzüberschreitende und innerstaatliche Sachverhalt nur als vergleichbar ansehen würde, wenn im grenzüberschreitenden Fall ebenfalls ein Gewinnabführungsvertrag besteht.1436 Diese Ansicht wird auch von zwei Finanzgerichten1437 und Teilen der Literatur1438 vertreten. Es wurde jedoch 1431 Vgl. allgemein zur Organschaft BMF v. 08.12.2004, BStBl. I 2004, 1181, Tz. 2b, c; Mitschke, DStR 2010, 1368; vgl. auch die entsprechende Argumentation der Regierungen in EuGH, Urt. v. 13.12.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I10837, Rz. 36; Urt. v. 18.07.2007, C-231/05 (Oy AA), Slg. 2007, I-6373, Rz. 33 f.; Urt. v. 25.02.2010, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I-1215, Rz. 21; vgl. ferner zu § 8 Nr. 1 GewStG Glaser, FR 2011, 981 (984 f.). 1432 EuGH, Urt. v. 13.12.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837. Siehe oben unter (3). 1433 Vgl. auch GA Kokott, SchlA v. 12.09.2006, C-231/05 (Oy AA), Slg. 2007, I-6373, Rz. 27 f. Der EuGH argumentierte im Urt. v. 18.07.2007, C-231/05 (Oy AA), Slg. 2007, I-6373, Rz. 35-38 hingegen mit dem Ziel der streitigen Norm, siehe kritisch zu diesem Ansatz C.I.1.b)cc). 1434 Vgl. dahingehend GA Kokott, SchlA v. 12.09.2006, C-231/05 (Oy AA), Slg. 2007, I6373, Rz. 27. 1435 Siehe C.II.2.c)bb) und C.II.2.c)cc)(2). 1436 BFH, Urt. v. 13.10.2010, I R 79/09, BFHE 231, 529, Rz. 36; Urt. v. 07.12.2011, I R 30/08 (Scheuten Solar Technology), DStR 2012, 509, Rz. 25; siehe dazu C.II.2.b)aa)(3)(i). 1437 Vgl. FG Niedersachsen, Urt. v. 11.02.2010, 6 K 406/08, IStR 2010, 260 (263); ferner: FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 17.03.2010, 1 K 2406/07, DStRE 2010, 802 (805). 1438 Vgl. Thiel, DB 2004, 2603 (2605); Raupach/Pohl, NZG 2005, 489 (492); Seer u.a., EWS 2005, 289 (301); Englisch, IStR 2006, 22 (23); Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 14 KStG, Rz. 15c (Stand: 11.2009); Mitschke, DStR 2010, 1368;
366
Zinsschranke
bereits erläutert, dass das Bestehen oder Nichtbestehen eines Gewinnabführungsvertrages nicht in die Vergleichspaarbildung einzubeziehen ist.1439 Das Fehlen eines grenzüberschreitenden Gewinnabführungsvertrages kann der Vergleichbarkeit daher auch nicht entgegenstehen.1440 Hintergrund der in Rechtsprechung und Literatur geäußerten Zweifel an der Vergleichbarkeit ist, dass der rein innerstaatlich tätige Steuerpflichtige, um in den Vorteil der Ergebnisverrechnung innerhalb des Organkreis zu gelangen, mit dem Abschluss des Gewinnabführungsvertrages Rechte und Pflichten eingeht, denen der grenzüberschreitend tätige Steuerpflichtige, der keinen Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen hat, aber eine Ergebnisverrechnung über die Grundfreiheiten anstrebt, nicht unterliegt.1441 Diese potentielle Schieflage ist aber nicht im Rahmen der Vergleichbarkeitsprüfung, sondern im Rahmen der Rechtsfolgen eines etwaigen Grundfreiheitsverstoßes zu behandeln. Erst dort ist der Frage nachzugehen, ob der grenzüberschreitend tätige Steuerpflichtige das Tatbestandsmerkmal des Gewinnabführungsvertrages vollumfänglich oder – als Folge einer teleologischen Reduktion bzw. (Teil-)Unanwendbarkeit – teilweise bzw. gar nicht erfüllen muss, um die Vorteile der Organschaft nutzen zu können.1442 Im Sinne der ständigen Rechtsprechung des EuGH spricht für die Vergleichbarkeit der beiden hier gegenüber gestellten Vergleichspaare vielmehr, dass sowohl hinsichtlich der ansässigen Tochtergesellschaften beim ersten Vergleichspaar, als auch hinsichtlich der ansässigen Muttergesellschaften beim zweiten Vergleichspaar die Besteuerung im Rahmen der Zinsschranke sowie die allgemeine Gewinnermittlung der Gesellschaften ansonsten rechtlich und tatsächlich jeweils in gleicher Weise erfolgt.1443 Beide Gruppen stehen zudem
1439 1440
1441
1442 1443
wohl auch: Meilicke, FS Herzig, 2010, S. 231 (237 f., 239); a.A.: Scheunemann, IStR 2006, 145 (147); Homburg, IStR 2010, 246 (248 f.); Graw, DB 2010, 2469 (2471); ferner: Hey u.a., IFSt-Schrift Nr. 471, 2011, S. 37. Hiller, Zinsschranke, 2011, S. 114 ff. bezieht den Gewinnabführungsvertrag in das Vergleichspaar mit ein, sieht aber im Ergebnis dennoch die Vergleichbarkeit als gegeben an. In der Literatur wird auch von weiteren Autoren vertreten, dass der grenzüberschreitend tätige Steuerpflichtige einen Verlustübernahmevertrag abschließen müsse, ohne dies aber auf die Vergleichbarkeit zu beziehen, siehe C.II.2.d)bb) mit Fn. 1580. Siehe C.II.2.b)aa)(3)(i). Vgl. im Ergebnis auch Homburg, IStR 2010, 246 (248 f.); Graw, DB 2010, 2469 (2471); ferner: Scheunemann, IStR 2006, 145 (147); siehe für die gegenteilige Auffassung die Nachweise in Fn. 1438. Vgl. mit den entsprechenden Bedenken FG Niedersachsen, Urt. v. 11.02.2010, 6 K 406/08, IStR 2010, 260 (262 f.); FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 17.03.2010, 1 K 2406/07, DStRE 2010, 802 (807 f.); Mitschke, DStR 2010, 1368; ders., IStR 2011, 185 (186). Siehe dazu noch C.II.2.d). Vgl. hinsichtlich des ersten Vergleichspaares: EuGH, Urt. v. 08.03.2001, C-397/98 u.a. (Metallgesellschaft u.a.), Slg. 2001, I-1727, Rz. 53; vgl. hinsichtlich des zweiten Vergleichspaares: Urt. v. 18.09.2003, C-168/01 (Bosal), Slg. 2003, I-9409, Rz. 37-39;
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
in einem Wettbewerbsverhältnis zueinander.1444 Aufgrund der bereits festgestellten Schlechterstellung des grenzüberschreitenden Sachverhalts bewirkt die Zinsschranke in Verbindung mit der Organschaft damit eine vertikale Diskriminierung der Niederlassungsfreiheit.1445 bb)
Horizontale Diskriminierung
Die Zinsschranke könnte weiterhin eine horizontale Diskriminierung1446 des grenzüberschreitenden gegenüber einem anderen vergleichbaren grenzüberschreitenden Sachverhalt begründen. Die unterschiedslose Anwendung des Grundtatbestands des § 4h Abs. 1 EStG auf grenzüberschreitende und innerstaatliche Sachverhalte wäre dabei ohne Bedeutung. In der Literatur wird vereinzelt ein Gebot der Finanzierungsneutralität vertreten.1447 Sofern man dieses auch auf die Niederlassungsfreiheit anwenden wollte,1448 würde die Zinsschranke aufgrund der Ungleichbehandlung von Eigen- und Fremdkapital offenkundig dagegen verstoßen. Es wurde jedoch bereits erläutert, dass ein Gebot der Finanzierungsneutralität abzulehnen ist, zumal es keine Grundlage im AEUV findet.1449 In der Rechtsprechung des EuGH hat es dementsprechend auch nie eine Rolle gespielt. Hinsichtlich der Escape-Klausel des § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. c EStG wurde bereits eine vertikale Diskriminierung festgestellt, weil ansässige Konzerngesellschaften mit einer in einem EWR-Staat ansässigen Konzernmuttergesellschaft den Eigenkapitalvergleich entgegen dem Inlandsfall nicht nach dem
1444 1445 1446 1447 1448
1449
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Urt. v. 23.02.2006, C-471/04 (Keller Holding), Slg. 2006, I-2107, Rz. 37; vgl. allgemein hinsichtlich anderer Vergleichspaare die Nachweise in Fn. 118 unter C.I.1.b)cc). Siehe auch die Argumentation zu § 1 AStG unter C.I.2.b)aa)(1)(iii)(b). In der Variante des ersten Vergleichspaares, in der die Muttergesellschaft den Sitz im Ausland, die Geschäftsleitung aber im Inland hat, ist erst Recht von der Vergleichbarkeit auszugehen. Siehe zur tatsächlichen Vergleichbarkeit anhand des Wettbewerbsverhältnisses bereits C.I.1.b)cc) mit Fn. 119 sowie C.I.2.b)aa)(1)(iii)(b). Siehe im Ergebnis auch die Schrifttumsnachweise in Fn. 1359. Siehe dazu ausführlich C.I.1.b)cc)(2), ferner zu § 1 AStG C.I.2.b)aa)(2). Siehe C.I.1.b)cc)(2)(ii). Vgl. Dautzenberg, Unternehmensbesteuerung im EG-Binnenmarkt, 1997, S. 65 u. 714 ff.; Herzig, GS Knobbe-Keuk, 1997, S. 627 (635). Die Vertreter dieser Auffassung verankern das Gebot der Finanzierungsneutralität zwar in der Kapitalverkehrsfreiheit, der Grundsatz ist an sich aber verallgemeinerungsfähig, zumal er sich ohnehin nicht aus den Art. 63 ff. AEUV ableiten lässt, siehe C.I.1.b)cc)(2)(ii) mit Fn. 206. Für eine Verallgemeinerung spräche insbesondere die neuere Rechtsprechung des EuGH, die die Niederlassungs- gegenüber der Kapitalverkehrsfreiheit weitgehend als vorrangig ansieht, siehe C.I.2.a)aa) und C.II.2.a)aa). Siehe C.I.1.b)cc)(2)(ii). Ein Gebot der Finanzierungsneutralität würde insbesondere die Souveränität der Mitgliedstaaten beschneiden, die Besteuerungsregeln für verschiedene Anlageformen festzulegen.
Zinsschranke
nationalen Rechnungslegungsstandard des Konzerns durchführen dürfen.1450 Zugleich besteht auch eine horizontale Diskriminierung gegenüber ansässigen Konzerngesellschaften, die zu Konzernmuttergesellschaften anderer Mitgliedstaaten gehören, weil nach § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. c Satz 9 EStG auch die nationalen Rechnungslegungsstandards anderer EU-Mitgliedstaaten anerkannt werden (unilaterale Meistbegünstigung1451). Dies ist charakteristisch für Fälle, in denen spezifisch der EWR-Sachverhalt benachteiligt wird. Der EuGH hat bereits mit den Rs. Kommission/Niederlande1452 und Haribo u.a.1453 zwei derartige Fälle entschieden: Während er in Kommission/Niederlande allein auf die horizontale Diskriminierung abstellte, nahm er in Haribo u.a. sowohl eine vertikale als auch eine horizontale Diskriminierung an.1454 Richtigerweise hätte der EuGH jeweils allein auf die vertikale Diskriminierung abstellen müssen: Wo bereits vertikal eine Diskriminierung besteht, sind horizontale Vergleiche schlicht überflüssig.1455 Eine unilaterale Meistbegünstigungspflicht ist nach hier vertretener Auffassung ohnehin abzulehnen, weil sie die Souveränität der Mitgliedstaaten einschränkt, ohne gleichzeitig zu mehr Wettbewerbsgleichheit im Investitionsstaat beizutragen.1456 In Betracht käme weiterhin ein abkommensrechtlicher Meistbegünstigungsanspruch aufgrund des obligatorischen Schiedsverfahrens des DBA Österreich, das anders als das EU-SchÜ den EuGH als Schiedsgericht vorsieht. Hierzu wurde bereits in Zusammenhang mit § 1 AStG Stellung genommen.1457 Ein 1450 Siehe C.II.2.b)aa)(1) sowie § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. c Satz 9 EStG. 1451 Siehe ausführlich C.I.1.b)cc)(2)(iv). 1452 EuGH, Urt. v. 11.06.2009, C-521/07 (Kommission/Niederlande), Slg. 2009, I-4873, Rz. 36-38. Hier bestand die horizontale Diskriminierung darin, dass Dividendenausschüttungen niederländischer Gesellschaften an Gesellschaften, die im EWR-Raum ansässig sind, erst von der Quellensteuer freigestellt werden, wenn gemäß dem DBA mit Island bzw. Norwegen eine Beteiligung von mehr als 10% bzw. 25% besteht, bei einer Ausschüttung in einen anderen Mitgliedstaat hingegen bereits ab 5%. Jedoch wurde hier auch im reinen Inlandsfall keine Quellensteuer erhoben, vgl. die Kommission in Rz. 17 des Urteils sowie zuvor das Urt. v. 08.11.2007, C-379/05 (Amurta), Slg. 2007, I-9569, Rz. 25-27. 1453 EuGH, Urt. v. 10.02.2011, C-436/08 u.a. (Haribo u.a.), IStR 2011, 299, Rz. 52. Nach österreichischem Steuerrecht wurde im EWR-Fall eine Steuerbefreiung auf Portfoliodividenden nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des Bestehens eines Amtshilfeabkommens gewährt. Portfoliodividenden, die von ansässigen bzw. in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaften bezogen wurden, waren hingegen ohne diese zusätzliche Voraussetzung steuerfrei gestellt. 1454 Siehe die Nachweise in den Fn. 1452 f. Siehe auch C.I.1.b)cc)(2)(iv). 1455 Siehe C.I.1.b)cc)(2)(iv) und (i). Vgl. auch Kofler, HBTLJ 2005, 1 (85 ff.); ders., DBA und EG-Recht, 2007, S. 778; Cordewener, Grundfreiheiten, 2002, S. 839 f.; Englisch, in: Cordewener/Enchelmaier/Schindler, Meistbegünstigung, 2006, S. 163 (169 ff.). 1456 Siehe ausführlich C.I.1.b)cc)(2)(iv) und vgl. Englisch, in: Cordewener/Enchelmaier/ Schindler, Meistbegünstigung, 2006, S. 163 (177). 1457 Siehe C.I.2.b)aa)(2)(ii).
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
derartiger Anspruch ist jedenfalls unter Verweis auf die Rechtsprechung in der Rs. „D“1458 abzulehnen. cc)
Beschränkung
Im Folgenden ist zu untersuchen, ob die Zinsschranke neben den einzelnen vertikal diskriminierenden Elementen auch gegen das Beschränkungsverbot der Niederlassungsfreiheit verstößt. Hierbei kann auch der diskriminierungsfreie Grundtatbestand des § 4h Abs. 1 EStG überprüft werden.1459 Denn eine Beschränkung liegt vor, wenn der grenzüberschreitende Sachverhalt durch faktische Nachteile behindert wird, die aus der Gleichbehandlung zweier nicht vergleichbarer Gruppen resultieren.1460 (1)
Überwiegende Erfassung grenzüberschreitender Sachverhalte
Nach der Gesetzesbegründung sollen mit der Zinsschranke vor allem Gewinnverlagerungen innerhalb internationaler Konzerne verhindert werden.1461 Tatsächlich ist es aufgrund der Ausnahmen von der Zinsschranke wahrscheinlich, dass überwiegend oder zumindest überproportional häufig grenzüberschreitende Sachverhalte erfasst werden:1462 Von der Freigrenze des § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. a EStG dürften vor allem kleine inländische Unternehmen profitieren. Die Konzern-Klausel des § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. b EStG kann praktisch nur in einem Inlandsfall eingreifen. Inlandskonzerne können der Zinsschranke zudem gerade mit Hilfe der Organschaft entgehen.1463 Letztlich dürften mit der Zinsschranke tatsächlich überproportional häufig internationale Konzerne erfasst werden.
1458 EuGH, Urt. v. 05.07.2005, C-376/03 („D”), Slg. 2005, I-5821, Rz. 59 ff.; bestätigt mit Urt. v. 12.12.2006, C-374/04 (ACT), Slg. 2006, I-11673, Rz. 87-91; Urt. v. 20.05.2008, C-194/06 (Orange European Smallcap Fund), Slg. 2008, I-3747, Rz. 50 f. Siehe dazu C.I.1.b)cc)(2)(iii). 1459 Siehe C.II.2.b). 1460 Siehe C.I.1.b) und C.I.1.b)bb). Siehe ferner zu den Verrechnungspreisvorschriften C.I.2.b)bb). 1461 Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 31, siehe bereits B.II.2. 1462 Vgl. Homburg, FR 2007, 717 (725); Schön, DFGT 5 (2008), 37 (48); ders., IStR 2009, 882; Shou, Die Zinsschranke im Unternehmensteuerreformgesetz 2008, 2010, S. 76; ferner: Führich, IStR 2007, 341 (343); ders., Der Einfluss der EuGH-Rechtsprechung auf die deutsche Unternehmensbesteuerung, 2009, S. 137 f.; a.A.: Hey, FS Djanani, 2008, S. 109 (113); München, Zinsschranke, 2010, S. 89. 1463 Siehe C.II.2.b)aa)(3).
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Zinsschranke
Vor diesem Hintergrund wird teilweise in der Literatur1464 vertreten, dass die faktisch überwiegende Erfassung grenzüberschreitender Sachverhalte gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt. Es wurde jedoch bereits hinsichtlich des materiellen Korrespondenzprinzips der verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage nachgewiesen, dass eine Beschränkung der Grundfreiheiten nicht von bloßen Wahrscheinlichkeiten abhängen kann, die nur schwer messbar sind und sich jederzeit ändern können.1465 Auch wenn die letztlich beabsichtigte, faktisch überproportional häufige Erfassung grenzüberschreitender Sachverhalte durch die Zinsschranke rechtspolitisch kritisch zu sehen ist, begründet sie jedoch aus rechtlicher Betrachtung keine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit. (2)
Wirtschaftliche Doppelbesteuerung
Bezüglich der verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage wurde bereits festgestellt, dass die dabei auftretende wirtschaftliche Doppelbesteuerung aus der bloßen Unterschiedlichkeit der Steuersysteme verschiedener Staaten entsteht und somit grundfreiheitlich nicht zu beanstanden ist.1466 Diese Auffassung vertritt auch der EuGH in der Rs. Thin Cap1467 hinsichtlich der britischen Unterkapitalisierungsvorschriften. Gegenüber diesen Regelungen bestehen im Fall der Zinsschranke jedoch einige Unterschiede: Erstens ist die wirtschaftliche Doppelbesteuerung der Zinsschranke aufgrund des Zinsvortrags nur temporär. Zweitens entsteht diese nicht durch eine unterschiedliche Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes, da die Zinsschranke nicht mehr auf einen Fremdvergleich abstellt. Und drittens tritt die zumindest temporäre wirtschaftliche Doppelbesteuerung bei der Zinsschranke auch in einem reinen Inlandsfall auf.1468 Der zuerst genannte Unterschied, der bloß temporäre Charakter der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung, hat keine Auswirkungen auf die Beschränkungs1464 Vgl. Homburg, FR 2007, 717 (724 f.); ferner: Führich, IStR 2007, 341 (342 f.); ders., Ubg 2009, 30 (39); ders., Der Einfluss der EuGH-Rechtsprechung auf die deutsche Unternehmensbesteuerung, 2009, S. 137 f.; Bauer, SWI 2008, 358 (360); Mewes, Die Finanzierung von Kapitalgesellschaften im steuerrechtlichen Kontext, 2009, S. 393 f.; ferner: Goebel/Eilinghoff, DStZ 2010, 550 (559); Körner, Ubg 2011, 610; vgl. allgemein auch München, Zinsschranke, 2010, S. 89. Diese Autoren bezeichnen diese vermeintliche Ungleichbehandlung als „versteckte Diskriminierung“. Faktische Nachteile sind richtigerweise aber dem Beschränkungsverbot zuzuordnen, siehe C.I.1.b)aa). 1465 Siehe C.I.2.b)bb)(2)(ii), vgl. Cordewener, in: Lang, Direct Taxation: Recent ECJ Developments, 2003, S. 35 (47 f.). 1466 Siehe C.I.2.b)bb)(2)(i). 1467 EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 88-91, siehe C.I.2.b)bb)(2)(i)(a). A.A. ist die Kommission, vgl. GA Geelhoed, SchlA v. 29.06.2006, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 69 sowie GA Mischo, SchlA v. 26.11.2002, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-11779, Rz. 68 f. 1468 Siehe bereits B.II.2.b) und B.IV.1.b).
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
prüfung. Denn auch Zins- und Liquiditätsnachteile wirken beschränkend.1469 Diese treten ohnehin auch bei den Verrechnungspreisvorschriften auf, wenn die wirtschaftliche Doppelbesteuerung erst in einem späteren Jahr gegenberichtigt und die Erhebung der Steuer bis dahin nicht aufgeschoben wird.1470 Entsteht eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung durch die unterschiedliche Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes, zeigt dies gerade, dass die Doppelbesteuerung aus der bloßen Unterschiedlichkeit der Steuersysteme entsteht.1471 Da die Zinsschranke entsprechend dem zweiten Unterschied keinen Fremdvergleich mehr vorsieht, ist diese Argumentation nicht auf die Norm übertragbar. Vor der Einführung der Zinsschranke vertrat Schnitger1472 die Auffassung, dass ein Mitgliedstaat, der eine Norm derart ungewöhnlich ausgestaltet, dass ein harmonisches Zusammenwirken mit den steuerlichen Normen anderer Staaten nahezu ausgeschlossen ist, in grundfreiheitswidriger Weise eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung „provoziert“. Dies könnte gerade auf die Zinsschranke zutreffen, die sich weit von den international üblichen Gesellschafter-Fremdfinanzierungsregelungen entfernt hat und kaum mit dem Konzept des Art. 9 OECD-MA harmoniert.1473 Die Auffassung Schnitgers ist jedoch abzulehnen, weil es den Mitgliedstaaten kraft ihrer Souveränität frei steht, die Ausgestaltung ihres Steuersystems zu bestimmen.1474
1469 Siehe zur Zinsschranke bereits C.II.2.b)aa)(2) und C.II.2.b)aa)(3)(ii). Vgl. auch EuGH, Urt. v. 08.03.2001, C-397/98 u.a. (Metallgesellschaft u.a.), Slg. 2001, I-1727, Rz. 87; Urt. v. 07.09.2006, C-470/04 („N“), Slg. 2006, I-7409, Rz. 35 f.; Urt. v. 15.10.2009, C-35/08 (Grundstücksgemeinschaft Busley u.a.), Slg. 2009, I-9807, Rz. 25. Siehe m.w.N. C.II.2.b)aa)(2) mit Fn. 1352. 1470 Einen derartigen Steueraufschub sieht der überarbeitete Verhaltenskodex zur wirksamen Durchführung des EU-SchÜ v. 30.12.2009, ABl. 2009 C 322, 1, Tz. 8 vor, siehe C.I.2.c)bb)(2)(iii). 1471 Siehe C.I.2.b)bb)(2)(i)(b). 1472 Schnitger, Grenzen, 2006, S. 270 f.; vgl. auch Braunagel, Gemeinsame Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage in der EU, 2008, S. 120; ferner: Hiller, Zinsschranke, 2011, S. 139, wobei letzterer die Beschränkung nur deswegen ablehnt, weil auch die Unterkapitalisierungsvorschriften vieler anderer Mitgliedstaaten als Rechtsfolge ein Zinsabzugsverbot vorsehen. Darauf kann es hier aber nicht ankommen. Deutschland „provoziert“ eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung, weil die Zinsschranke entgegen dem in Art. 9 OECD-MA ausgedrückten internationalen Konsens auch fremdübliche Gesellschafter-Fremdfinanzierungen sowie Fremdfinanzierungen Dritter sanktioniert. 1473 Vgl. dahingehend Braunagel, Gemeinsame Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage in der EU, 2008, S. 120. Siehe zum internationalen Vergleich A.II. und B.II.2. sowie zu den DBA B.IV.1.b), B.IV.2.b). 1474 Vgl. in dieser Hinsicht auch EuGH, Urt. v. 06.12.2007, C-298/05 (Columbus Container Services), Slg. 2007, I-10451, Rz. 51; ferner: Urt. v. 28.02.2008, C-293/06 (Deutsche Shell), Slg. 2008, I-1129, Rz. 42 f.; Urt. v. 23.10.2008, C-157/07 (Krankenheim Ruhesitz am Wannsee), Slg. 2008, I-8061, Rz. 49 f.; Urt. v. 12.02.2009, C-67/08 (Block), Slg. 2009, I-883, Rz. 30; Urt. v. 15.04.2010, C-96/08 (CIBA), Slg. 2010, I-
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Zinsschranke
Das primäre Unionsrecht macht hierzu gerade keine Vorgaben, sondern verlangt nur eine diskriminierungs- und beschränkungsfreie Ausgestaltung. Der Mitgliedstaat ist auch nicht verpflichtet, sein Steuerrecht auf dasjenige eines anderen Mitgliedstaates abzustimmen.1475 Ein Rechtsverstoß ist vielmehr im Abkommensrecht zu suchen.1476 Aufgrund des dritten Unterschieds kommt es aber nicht mehr darauf an, ob die die wirtschaftliche Doppelbesteuerung der Zinsschranke die Konsequenz der bloßen Unterschiedlichkeit der Steuersysteme ist: Denn die wirtschaftliche Doppelbesteuerung entsteht bei der Zinsschranke auch im innerstaatlichen Vergleichsfall, so dass es diesbezüglich an einer Schlechterstellung des grenzüberschreitenden Sachverhalts fehlt.1477 Denn die Zinserträge werden sowohl im In- als auch im Ausland in voller Höhe in die steuerliche Bemessungsgrundlage des Darlehensgebers einbezogen. dd)
Zwischenergebnis
Obwohl der Grundtatbestand des § 4h Abs. 1 EStG unterschiedslos auf grenzüberschreitende und innerstaatliche Sachverhalte anzuwenden ist, enthält die Zinsschranke einzelne vertikal diskriminierende Elemente. So können im Gegensatz zum Inlandsfall Tochtergesellschaften nicht kapitalmarktorientierter Konzerne aus EWR-Staaten nicht den nationalen Rechnungslegungsabschluss für die Escape-Klausel nutzen. Zudem können Unternehmen nach § 4h Abs. 3 Satz 2 f. EStG nur die Zinserträge ansässiger Zweigniederlassungen in das verrechenbare EBITDA einbeziehen. Vor allem ist es aber nur Inlandskonzernen möglich, mit Begründung einer Organschaft die Zinsabzugsbeschränkung des § 4h EStG zu verhindern oder zumindest zu reduzieren. Eine horizontale Diskriminierung ist abzulehnen. Auch eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit scheidet aus, weil die wirtschaftliche Doppelbesteuerung bei der Zinsschranke auch im reinen Inlandsfall auftritt. c)
Rechtfertigung
Im nächsten Prüfungsschritt soll getrennt nach den einzelnen vertikalen Diskriminierungen untersucht werden, ob diese durch ungeschriebene Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden können. Eine Rechtfertigung durch die in Art. 51 und 52 AEUV kodifizierten Gründe der öffentlichen Ordnung, 2911, Rz. 28; Urt. v. 29.11.2011, C-371/10 (National Grid Indus), IStR 2012, 27, Rz. 62; Urt. v. 01.12.2011, C-253/09 (Kommission/Ungarn), n.n.v., Rz. 83. 1475 Siehe die Nachweise in der vorigen Fn. 1474. 1476 Siehe dazu bereits B.IV.1.b) und B.IV.2.b). Ohnehin wäre ohne abkommensrechtliche Regelungen keine klare Grenzziehung möglich, welcher Staat ab welchem Zeitpunkt von vermeintlich international üblichen Steuerregelungen abweicht. 1477 Ebenso: Herr, Gesellschafterfremdfinanzierung und Europarecht, 2008, S. 272; vgl. ferner: Schnitger, Grenzen, 2006, S. 268 f.; wohl a.A.: Brosens, EC Tax Rev. 2004, 188 (207); Kessler/Eicke, TNI 2007, 263 (266).
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
Sicherheit und Gesundheit ist für alle Diskriminierungen jedenfalls nicht erkennbar. aa)
Escape-Klausel und in EWR-Staaten ansässige Konzerne
Im Rahmen der Escape-Klausel ist der Eigenkapitalvergleich gemäß § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. c Sätze 8-10 EStG einheitlich nach IFRS-Abschlüssen durchzuführen. Subsidiär werden auch die US-GAAP sowie die Rechnungslegungsstandards der EU-Mitgliedstaaten anerkannt, sofern diese den Anforderungen an die handelsrechtliche Konzernrechnungslegung genügen oder befreiende Wirkung nach §§ 291 f. HGB hätten.1478 Nach der Gesetzesbegründung sind „[a]ndere Rechnungslegungsstandards […] aus Gründen der Praktikabilität und der Administrierbarkeit durch die Finanzverwaltung nicht zugelassen.“1479 Eine wirksame Administration und steuerliche Kontrolle wird vom EuGH in ständiger Rechtsprechung als zwingender Grund des Allgemeininteresses anerkannt.1480 Der Ausschluss von Einzel- und Konzernabschlüssen nach dem Rechnungslegungsstandard eines EWR-Staates ist zur Verfolgung dieser Ziele grundsätzlich geeignet, weil er mögliche Interpretations- und Überprüfungsschwierigkeiten dieser Abschlüsse von vornherein vermeidet. Er ist jedoch nicht erforderlich: In § 291 HGB werden sowohl Voraussetzungen für die Abschlüsse von Konzernen aus EU- als auch aus EWR-Staaten aufgestellt. Damit hat der Gesetzgeber anerkannt,1481 dass die nationalen Rechnungslegungsstandards der EU- und der EWR-Mitgliedstaaten grundsätzlich eine befreiende Wirkung i.S.v. § 291 HGB haben können. Sofern der Rechnungslegungsstandard eines EWR-Staates die Voraussetzungen des § 291 HGB erfüllt, auf die § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. c Satz 10 EStG als Voraussetzung für die Verwendung anderer Abschlüsse als die der IFRS verweist, kann sich der deutsche 1478 Siehe § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. c Sätze 8-10 EStG, dazu B.II.2.a)bb) und C.II.2.b)aa)(1). 1479 Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 49. 1480 Vgl. EuGH, Urt. v. 20.02.1979, 120/78 (Cassis de Dijon), Slg. 1979, 649, Rz. 8; Urt. v. 15.05.1997, C-250/95 (Futura Participations), Slg. 1997, I-2471, Rz. 31; Urt. v. 08.07.1999, C-254/97 (Baxter), Slg. 1999, I-4809, Rz. 18; Urt. v. 28.10.1999, C-55/98 (Vestergaard), Slg. 1999, I-7641, Rz. 25; Urt. v. 03.10.2002, C-136/00 (Danner), Slg. 2002, I-8147, Rz. 50; Urt. v. 04.03.2004, C-334/02 (Kommission/Frankreich), Slg. 2004, I-2229, Rz. 27; Urt. v. 15.07.2004, C-315/02 (Lenz), Slg. 2004, I-7063, Rz. 45; Urt. v. 10.03.2005, C-39/04 (Laboratoires Fournier), Slg. 2005, I-2057, Rz. 24; Urt. v. 03.10.2006, C-290/04 (Scorpio), Slg. 2006, I-9461, Rz. 35; Urt. v. 29.03.2007, C347/04 (Rewe Zentralfinanz), Slg. 2007, I-2647, Rz. 55; Urt. v. 20.05.2008, C-194/06 (Orange European Smallcap Fund), Slg. 2008, I-3747, Rz. 89; Urt. v. 22.01.2009, C377/07 (STEKO), Slg. 2009, I-299, Rz. 55; Urt. v. 27.01.2009, C-318/07 (Persche), Slg. 2009, I-359, Rz. 54; Urt. v. 01.07.2010, C-233/09 (Dijkman), Slg. 2010, I-6645, Rz. 58; Urt. v. 10.02.2011, C-436/08 u.a. (Haribo u.a.), IStR 2011, 299, Rz. 69; Urt. v. 05.05.2011, C-267/09 (Kommission/Portugal), DStRE 2011, 1482, Rz. 38; Urt. v. 15.09.2011, C-132/10 (Halley), IStR 2011, 887, Rz. 30; Urt. v. 06.10.2011, C-493/09 (Kommission/Portugal), IStR 2011, 920, Rz. 42. 1481 Siehe zum Anerkennungsgrundsatz C.I.1.c)bb) und C.I.2.c)cc)(3)(ii)(c).
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Zinsschranke
Gesetzgeber nicht mehr darauf berufen, dass diese Rechnungslegungsstandards nicht in gleicher Weise geeignet und aus Gründen der Administrierbarkeit nicht zulässig seien.1482 § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. c Satz 9 EStG verstößt damit gegen die Niederlassungsfreiheit des Art. 31 i.V.m. Art. 34 EWRAbkommen. bb)
Abkommensrechtlich freigestellte Zinserträge
Eine weitere Diskriminierung der Zinsschranke betrifft die gemäß § 4h Abs. 3 Satz 2 f. EStG fehlende Inbezugnahme allein von per DBA freigestellten Zinserträgen gebietsfremder Betriebsstätten.1483 Fraglich ist, ob diese gerechtfertigt werden kann. In der Rs. Lidl Belgium1484 sah der EuGH die Nichtberücksichtigung per DBA freigestellter Verluste gebietsfremder Betriebsstätten durch das Ziel der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse als gerechtfertigt an. Deutschland hatte nämlich umgekehrt aufgrund der Freistellung durch das DBA auch kein Besteuerungsrecht an den Gewinnen der gebietsfremden Betriebsstätten, so dass die nationale Regelung „die Symmetrie zwischen dem Recht zur Besteuerung der Gewinne und der Möglichkeit, Verluste in Abzug 1482 Auf den ansonsten vom EuGH – insbesondere in der früheren Rechtsprechung – häufig pauschal vorgebrachten Einwand, dass der Mitgliedstaat eine Auskunft über das Mittel der Amtshilferichtlinie 77/779/EWG v. 19.12.1977, ABl. 1977 L 336, 15 [zukünftig Richtlinie 2011/16/EU v. 15.02.2011, ABl. 2011 L, 64, 1] einholen könne, kommt es hier nicht mehr an. Denn mit dem Einzel- und Konzernabschluss nach dem Rechnungslegungsstandard eines EWR-Staates liegen den deutschen Behörden bereits alle Informationen vor. Ohnehin wäre die Amtshilferichtlinie im EWR-Fall gar nicht anwendbar, Deutschland müsste sich aber auf die Amtshilfeabkommen mit den jeweiligen Staaten bzw. auf die Auskunftsklauseln der jeweiligen DBA verweisen lassen, vgl. EuGH, Urt. v. 18.12.2007, C-101/05 („A“), Slg. 2007, I-11531, Rz. 59-63; Urt. v. 19.11.2009, C-540/07 (Kommission/Italien), Slg. 2009, I-10983, Rz. 69-72; Urt. v. 28.10.2010, C-72/09 (Établissements Rimbaud), IStR 2010, 842, Rz. 40, 44; Urt. v. 10.02.2011, C-436/08 u.a. (Haribo u.a.), IStR 2011, 299, Rz. 65 ff.; Urt. v. 05.05.2011, C-384/09 (Prunus), EWS 2011, 242, Rz. 23. Vgl. zum pauschalen Verweis des EuGH auf die Amtshilferichtlinie etwa EuGH, Urt. v. 28.01.1992, C-204/90 (Bachmann), Slg. 1992, I-249, Rz. 18; Urt. v. 12.04.1994, C-1/93 (Halliburton), Slg. 1994, I-1137, Rz. 22; Urt. v. 07.09.2006, C-470/04 („N“), Slg. 2006, I-7409, Rz. 52. Kritisch: Schön, StbJb 2003/2004, 27 (34 u. 66); Fischer, FR 2004, 630 (633 f.); ders., FR 2005, 457 (465 u. 467); ders., FR 2007, 361 (366 f.); Englisch, IFSt-Schrift Nr. 449, 2008, S. 84 m.w.N.; Glahe, Die steuerliche Behandlung der Überführung von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens ins Ausland, 2008, S. 62 ff. m.w.N. und Gegenbeispielen, Download unter: http://opus.bibliothek.uni-augsburg.de/volltexte/ 2009/1382/; Musil/Fähling, DStR 2010, 1501 (1503). 1483 Siehe C.II.2.b)aa)(2). 1484 EuGH, Urt. v. 14.02.2008, C-414/06 (Lidl Belgium), Slg. 2008, I-3601, Rz. 31 ff., 33. Der EuGH nahm im Urteil zugleich eine Rechtfertigung aufgrund der Verhinderung einer doppelten Verlustberücksichtigung an. Den Rechtfertigungsgrund der Verhinderung der Steuerumgehung prüfte er hingegen nicht.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
zu bringen, wahrt.“1485 Bestand die Symmetrie in der Rs. Marks & Spencer1486 in der Abschirmwirkung der gebietsfremden Kapitalgesellschaft, ist sie in der Rs. Lidl Belgium primär Ausdruck des abkommensrechtlich territorial begrenzten Besteuerungsanspruchs. Das Territorialitätsprinzip kann damit nicht nur wie in der Rs. Futura Participations1487 die fehlende Berücksichtigung ausländischer Verluste bei beschränkt Steuerpflichtigen im Quellenstaat rechtfertigen, sondern im Einzelfall auch diejenige unbeschränkt Steuerpflichtiger im Ansässigkeitsstaat, soweit deren nach dem Welteinkommensprinzip territorial eigentlich unbegrenzter Besteuerungsanspruch durch die Freistellungsmethode eines DBA begrenzt wird.1488 Analog kann auch im Rahmen der Zinsschranke die symmetrische Nichtberücksichtigung von abkommensrechtlich freigestellten Zinserträgen und -aufwendungen gerechtfertigt werden. Eine Berücksichtigung von Zinserträgen ist auch nicht aus Verhältnismäßigkeitserwägungen zuzulassen,1489 weil diese das Interesse Deutschlands an einer Einschränkung der grenzüberschreitenden Gewinnverlagerung unterlaufe würde. Im Unterschied zur Rs. Lidl Belgium berücksichtigte der EuGH die Symmetrie in der Rs. Krankenheim Ruhesitz am Wannsee1490 im Rahmen des Rechtfertigungsgrundes der Wahrung der steuerlichen Kohärenz. Dies vermag jedoch nicht zu überzeugen, weil sich die Vor- und Nachteile der Nichtberücksichtigung von Gewinnen und Verlusten – bzw. bei der Zinsschranke von Zinsaufwendungen und -erträgen – nicht zwingend bei jedem Steuerpflichtigen ausgleichen.1491 Während die Kohärenz einen personenbezogenen Ausgleich 1485 EuGH, Urt. v. 14.02.2008, C-414/06 (Lidl Belgium), Slg. 2008, I-3601, Rz. 33. 1486 Siehe C.II.2.c)cc) und vgl. EuGH, Urt. v. 13.12.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837, Rz. 36, 45; dazu: Englisch, IFSt-Schrift Nr. 449, 2008, S. 45 ff.; ders., IStR 2006, 19. 1487 Vgl. EuGH, Urt. v. 15.05.1997, C-250/95 (Futura Participations), Slg. 1997, I-2471, Rz. 22; Urt. v. 18.09.2003, C-168/01 (Bosal), Slg. 2003, I-9409, Rz. 37; Urt. v. 07.09.2004, C-319/02 (Manninen), Slg. 2004, I-7477, Rz. 38; Urt. v. 29.03.2007, C347/04 (Rewe Zentralfinanz), Slg. 2007, I-2647, Rz. 68 f. 1488 Vgl. Englisch, IFSt-Schrift Nr. 449, 2008, S. 34 ff., 45 ff.; ders., SWI 2007, 398 (401 f.); ders., IStR 2008, 404; ferner: Lenaerts, Verhandlungen des 66. deutschen Juristentages, 2006, S. Q9 (Q62 f.) = ders., Die direkte Besteuerung in der EU, 2007, S. 68. Siehe dazu auch C.II.2.c)cc)(2). 1489 Im Urt. v. 14.02.2008, C-414/06 (Lidl Belgium), Slg. 2008, I-3601, Rz. 46 ff. hat der EuGH aus Verhältnismäßigkeitserwägungen eine grenzüberschreitende Verlustverrechnung als ultima ratio zugelassen, wenn sämtliche Möglichkeiten der Verlustverrechnung im Quellenstaat ausgeschöpft sind, vgl. zuvor Urt. v. 13.12.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837, Rz. 55, siehe C.II.2.b)aa)(3). 1490 EuGH, Urt. v. 23.10.2008, C-157/07 (Krankenheim Ruhesitz am Wannsee), Slg. 2008, I-8061, Rz. 32. Gegenstand des Verfahrens war die gegenüber dem Streitjahr der Rs. Lidl Belgium frühere Nachversteuerungsregelung des § 2a Abs. 3 EStG, wonach die Verluste ausländischer Betriebsstätten zunächst berücksichtigt, bei späteren Gewinnen der Betriebsstätte aber nachversteuert wurden. 1491 Siehe zu den Voraussetzungen des Rechtfertigungsgrundes der Kohärenz C.I.2.c)bb).
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Zinsschranke
betrifft, geht es beim Territorialitätsprinzip um zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit. Insofern ist die zuletzt vom EuGH in der Rs. National Grid Indus1492 getroffene Aussage, dass sich die „Anliegen“ der Kohärenz und der am Territorialitätsprinzip orientierten ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis decken würden, zurückzuweisen.1493 cc)
Vermeidung der Zinsschranke mit Hilfe der Organschaft
Im Folgenden ist zu untersuchen, ob auch die nur in einem Inlandsfall bestehende Möglichkeit, die Zinsabzugsbeschränkung mit Hilfe der Organschaft zu verhindern oder zu reduzieren, grundfreiheitlich gerechtfertigt werden kann. (1)
Wahrung der steuerlichen Kohärenz
In Betracht kommt zunächst eine Rechtfertigung mit dem vom EuGH anerkannten Allgemeininteresse an der Wahrung der steuerlichen Kohärenz.1494 Dazu müsste ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen steuerlichen Vorund Nachteilen bestehen, die sich auf Ebene der Einzelperson abstrakt und äquivalent ausgleichen.1495 Wie bei § 1 AStG könnte der Nachteil der Einkünftekorrektur im grenzüberschreitenden Fall ggf. durch eine Gegenberichtigung i.S.v. Art. 9 Abs. 2 OECD-MA durch den Staat des gebietsfremden verbundenen Unternehmens ausgeglichen werden.1496 Dazu wurde jedoch bereits erläutert, dass aufgrund der oftmals langwierigen Verständigungs- und Schiedsverfahren nicht sämtliche Zins- und Liquiditätsnachteile rechtssicher ausgeschlossen werden können.1497 Im Fall der Zinsschranke wird zudem in aller Regel keine Gegenberichtigung erfolgen:1498 Nach Art. 9 OECD-MA und Art. 4 Nr. 1 EU-SchÜ wäre der andere Staat allenfalls dazu verpflichtet, die Zinsabzugsbeschränkung insoweit zu korrigieren, als sie auf das Darlehen eines gebietsfremden verbundenen Unternehmens zurückzuführen ist. Aber auch in diesem Fall ist die Gegenberichtigung dem anderen Staat kaum zuzumuten, weil diese ggf. jähr1492 EuGH, Urt. v. 29.11.2011, C-371/10 (National Grid Indus), IStR 2012, 27, Rz. 80; GA Kokott, SchlA v. 08.09.2011, C-371/10 (National Grid Indus), n.n.v., Rz. 99; zuvor bereits GA Kokott, SchlA v. 30.03.2006, C-470/04 („N“), Slg. 2006, I-7409, Rz. 106. 1493 Vgl. eingehend zur Abgrenzung der Kohärenz vom Territorialitätsprinzip Englisch, IFSt-Schrift Nr. 449, 2008, S. 122 ff.; a.A.: Terra/Wattel, European Tax Law, 5. Aufl. 2008, S. 756; Weber-Grellet, DStR 2009, 1229 (1231); wohl auch Cordewener/Kofler/ van Thiel, CMLRev. 2009, 1951 (1973). 1494 Vgl. EuGH, Urt. v. 28.01.1992, C-204/90 (Bachmann), Slg. 1992, I-249, Rz. 21 f.; Urt. v. 28.01.1992, C-300/90 (Kommission/Belgien), Slg. 1992, I-305, Rz. 14 f.; Urt. v. 07.09.2004, C-319/02 (Manninen), Slg. 2004, I-7477, Rz. 42. Siehe für weitere Nachweise Fn. 645 unter C.I.2.c)bb). 1495 Siehe C.I.2.c)bb). 1496 Siehe zu § 1 AStG C.I.2.c)bb)(2). Siehe zur Gegenberichtigung allgemein B.IV.2. 1497 Siehe zu § 1 AStG C.I.2.c)bb)(2)(iii). 1498 Siehe B.IV.2.b) und B.IV.3.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
lich korrespondierend zur Bildung und zum Abbau des Zinsvortrages des ansässigen verbundenen Unternehmens erfolgen müsste. Im Fall des ersten Vergleichspaares, dem Vergleich zweier ansässiger Tochtergesellschaften, findet die Zinsschranke im Inlandsfall auf die Tochtergesellschaft keine Anwendung, wenn diese eine Organgesellschaft ist. Ihr EBITDA und Nettozinsaufwand wird dem ansässigen Organträger zugerechnet und unterliegt bei diesem ggf. der Zinsabzugsbeschränkung des § 4h EStG. Insofern könnte der Vorteil der Nichtanwendbarkeit der Zinsschranke bei der Organgesellschaft durch die Anwendung der Norm auf das zugerechnete EBITDA und den zugerechneten Nettozinsaufwand beim Organträger wieder ausgeglichen werden.1499 Dies setzt eine personenübergreifende Betrachtungsweise entsprechend der Rs. Manninen1500 voraus, die, wie die Ausführungen zu § 1 AStG zeigen, bei verbundenen Unternehmen auch grundsätzlich zulässig ist.1501 Ein äquivalenter Ausgleich von Vor- und Nachteilen ist jedoch nur möglich, wenn das Verhältnis von EBITDA und Nettozinsaufwand bei der Organgesellschaft und dem Organträger identisch ist. Nur dann führen zugerechnetes EBITDA und Nettozinsaufwand beim Organträger zur gleich hohen Zinsabzugsbeschränkung wie bei der Anwendung der Zinsschranke auf die Tochtergesellschaft im vergleichbaren grenzüberschreitenden Fall. Andernfalls besteht im Inlandsfall weiterhin der Vorteil, die Größen zur Berechnung der Zinsschranke innerhalb des Organkreises verrechnen zu können.1502 Im Fall der Darlehensvergabe innerhalb des Organkreises neutralisieren sich auf diese Weise die zugehörigen Zinserträge und -aufwendungen von Darlehensgeber und Darlehensnehmer. Die steuerlichen Vor- und Nachteile gleichen sich damit nicht zwingend äquivalent aus.1503 Ferner tritt der steuerliche Nachteil beim Organträger aufgrund § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. b EStG erst gar nicht ein, wenn die Organschaft und der Konzern deckungsgleich sind. Zwar kann der Nachteil der Zinsabzugsbeschränkung nominell durch die spätere Geltendmachung des Zinsvortrags ausgeglichen werden.1504 Dieser Ausgleich ist jedoch weder äquivalent, noch rechtssicher. Denn einerseits entstehen ggf. erhebliche1505 Zins- und Liquiditätsnachteile, wenn der Zinsvor1499 Siehe bereits C.II.2.b)aa)(3)(ii). 1500 EuGH, Urt. v. 07.09.2004, C-319/02 (Manninen), Slg. 2004, I-7477, Rz. 40 ff. Siehe C.I.2.c)bb). 1501 Siehe ausführlich C.I.2.c)bb)(2)(i). 1502 Siehe zu diesem Vorteil im Inlandsfall C.II.2.b)aa)(3)(ii). 1503 Siehe zum Erfordernis des abstrakten Ausgleichs im Rahmen der Kohärenz C.I.2.c)bb). 1504 Dieser Ausgleich würde sogar in derselben Steuerart desselben Mitgliedstaats und bei demselben Steuerpflichtigen eintreten. 1505 Diese sind in der vom EuGH mit den mitgliedstaatlichen Interessen an der Einkünftekorrektur vorgenommenen Abwägung daher auch beachtlich, vgl. entsprechend zu § 1 AStG C.I.2.c)bb)(2)(iii).
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Zinsschranke
trag erst Jahre später geltend gemacht werden kann, andererseits besteht die Gefahr, dass der Zinsvortrag zuvor untergeht.1506 Der Vorteil, im Inlandsfall mit Hilfe der Organschaft die Zinsschranke zu vermeiden, wird auch nicht durch die übrigen Nachteile der Organschaft, wie etwa die unbegrenzte Haftung, kompensiert.1507 Insofern fehlt es jedenfalls an einem äquivalenten Ausgleich. Folglich lässt sich die allein im Inlandsfall bestehende Möglichkeit zur Vermeidung der Zinsabzugsbeschränkung des § 4h EStG mit Begründung einer Organschaft nicht mit dem Ziel der Wahrung der steuerlichen Kohärenz rechtfertigen.1508 (2)
Territorialitätsprinzip
Mehr Aussicht auf Erfolg könnte eine Rechtfertigung mit dem Grundsatz der Territorialität haben. Der doppelte Inlandsbezug der Organschaft und die damit einhergehende Begrenzung der Ergebnisverrechnung auf den Inlandsfall ist zwar diskriminierend, kann – wie bereits erläutert wurde1509 – entsprechend der Rechtsprechung des EuGH1510 jedoch gerechtfertigt werden, weil Deutschland symmetrisch weder die Gewinne noch die Verluste einer gebietsfremden Tochtergesellschaft besteuert. Die Symmetrie ist Ausdruck des territorial reduzierten Besteuerungsanspruchs, dem Deutschland durch die Anerkennung der Abschirmwirkung der gebietsfremden Tochtergesellschaft unterliegt.1511 In den Rs. Marks & Spencer, Oy AA und X Holding,1512 die allesamt einen Outbound-Fall betrafen, hat der EuGH die Symmetrie im Rahmen des Rechtferti1506 Siehe bereits B.II.2.b). Vgl. auch Hiller, Zinsschranke, 2011, S. 168 f. 1507 Siehe zu dieser Überlegung bereits C.II.2.b)aa)(3)(ii). 1508 Vgl. mit dem gleichen Ergebnis, aber ohne nähere bzw. überzeugende Begründung: Führich, IStR 2007, 341 (343 f.); ders., Ubg 2009, 30 (39); ders., Der Einfluss der EuGH-Rechtsprechung auf die deutsche Unternehmensbesteuerung, 2009, S. 138; Kraft/Bron, EWS 2007, 487 (489 f.); Hallerbach, StuB 2007, 487 (493); Mössner, in: Lüdicke, Unternehmensteuerreform 2008 im internationalen Umfeld, 2008, S. 1 (46 ff.); Musil/Volmering, DB 2008, 12 (16); Wilke/Süß, FR 2009, 796 (801); Mewes, Die Finanzierung von Kapitalgesellschaften im steuerrechtlichen Kontext, 2009, S. 395; Shou, Die Zinsschranke im Unternehmensteuerreformgesetz 2008, 2010, S. 111 f.; Kosalla, Ubg 2011, 874 (881). Nach München und von Bar sei kein korrespondierender Vorteil zur nachteiligen Zinsabzugsbeschränkung ersichtlich, vgl. München, Zinsschranke, 2010, S. 105 f.; von Bar, Die Zinsschranke und ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht, 2010, S. 108 f. 1509 Siehe C.II.2.b)aa)(3). 1510 EuGH, Urt. v. 13.12.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837, Rz. 36, 45; Urt. v. 18.07.2007, C-231/05 (Oy AA), Slg. 2007, I-6373, Rz. 47; Urt. v. 25.02.2010, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I-1215, Rz. 28; deutlicher: GA Kokott, SchlA v. 19.11.2009, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I-1215, Rz. 40. 1511 Siehe C.II.2.b)aa)(3). Vgl. auch Englisch, IFSt-Schrift Nr. 449, 2008, S. 45 ff.; ders., SWI 2007, 398 (401 f.); ders., IStR 2006, 19; ders., IStR 2010, 215 (216); Cordewener/Dörr, CMLRev. 2006, 855 (874 f.); Hohenwarter-Mayr, SWI 2010, 163 (164). 1512 Siehe die Nachweise in Fn. 1510.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
gungsgrunds der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse berücksichtigt. Sie ist aber primär Ausdruck des Territorialitätsprinzips,1513 das der EuGH bereits in der Rs. Futura Participations1514 in einem Inbound-Fall heranzog, um die fehlende Berücksichtigung ausländischer Verluste einer inländischen Betriebsstätte im Quellenstaat zu rechtfertigen.1515 Hierzu besteht im Outbound-Fall nur der Unterschied, dass das Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates durch die Abschirmwirkung der gebietsfremden Kapitalgesellschaft bloß punktuell territorial begrenzt wird.1516 Fraglich ist, ob auch die Diskriminierung, die aufgrund der Möglichkeit entsteht, mit Begründung einer Organschaft die Zinsabzugsbeschränkung des § 4h EStG zu vermeiden oder zu reduzieren, mit dem Territorialitätsprinzip gerechtfertigt werden kann. Eine Rechtfertigung kann jedoch nicht allein aus dem Grund angenommen werden, dass die Vorteile, die durch Begründung einer Organschaft in Hinblick auf die Zinsschranke entstehen, die denklogische Konsequenz der Anwendung der mit dem Territorialitätsprinzip weitgehend gerechtfertigten Organschaft seien.1517 Dies lässt sich entgegen dem BFH1518 auch nicht aus der Rs. X Holding1519 folgern. Es ist nicht ausgeschlos-
1513 Vgl. Englisch, IFSt-Schrift Nr. 449, 2008, S. 45 f. 1514 EuGH, Urt. v. 15.05.1997, C-250/95 (Futura Participations), Slg. 1997, I-2471, Rz. 20-22. 1515 Nach Ansicht des EuGH ist die zentrale Ausprägung des Territorialitätsprinzips, dass beschränkt Steuerpflichtige nur mit den inländischen, unbeschränkt Steuerpflichtige hingegen mit den weltweiten Einnahmen und Ausgaben besteuert werden, vgl. Urt. v. 15.05.1997, C-250/95 (Futura Participations), Slg. 1997, I-2471, Rz. 20 f.; deutlicher: GA Kokott, SchlA v. 30.03.2006, C-470/04 („N“), Slg. 2006, I-7409, Rz. 93. Insofern erschien es dem EuGH in der Rs. Marks & Spencer wohl als unangemessen, die Symmetrie mit dem Territorialitätsprinzip zu begründen, weil dieses danach gerade die Besteuerung auch ausländischer Einkünfte vorgesehen hätte, vgl. Englisch, IFSt-Schrift Nr. 449, 2008, S. 45 f. Zudem hatte der EuGH noch in der Rs. Manninen vertreten, dass das Territorialitätsprinzip nicht gegenüber unbeschränkt Steuerpflichtigen geltend gemacht werden kann, vgl. EuGH, Urt. v. 07.09.2004, C-319/02 (Manninen), Slg. 2004, I-7477, Rz. 38; deutlicher: GA Kokott, SchlA v. 18.03.2004, C-319/02 (Manninen), Slg. 2004, I-7477, Rz. 42. In Marks & Spencer ist der Besteuerungsanspruch des Ansässigkeitsstaates aber ebenfalls territorial begrenzt, im Unterschied zum Anspruch des Quellenstaates aber nur punktuell aufgrund der Abschirmwirkung der gebietsfremden Kapitalgesellschaft. Siehe dazu sogleich. 1516 Vgl. Englisch, IFSt-Schrift Nr. 449, 2008, S. 34 ff., 46; ders., SWI 2007, 398 (401 f.); ders., IStR 2008, 404; ferner: Lenaerts, Verhandlungen des 66. deutschen Juristentages, 2006, S. Q9 (Q62 f.) = ders., Die direkte Besteuerung in der EU, 2007, S. 68. 1517 So aber zu § 8 Nr. 1 GewStG: BFH, Urt. v. 07.12.2011, I R 30/08 (Scheuten Solar Technology), DStR 2012, 509, Rz. 19; FG Münster, Urt. v. 22.02.2008, 9 K 5143/06 G, IStR 2008, 372 (375); ferner zu § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG: BFH, Urt. v. 13.10.2010, I R 79/09, BFHE 231, 529, Rz. 36. 1518 Siehe die Nachweise in Fn. 1517; vgl. ähnlich zur niederländischen fiskalen Einheit: Rechtbank Haarlem, Urt. v. 22.10.2010, AWB 09/611; GA Wattel, SchlA v.
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Zinsschranke
sen, dass auch Einzelaspekte der Organschaft aufgrund ihrer wettbewerbsverzerrenden Wirkung gegen die Grundfreiheiten verstoßen.1520 Dies gilt erst Recht für § 4h EStG, da die Verknüpfung der Zinsschranke mit der Organschaft nicht zwingend ist, sondern erst durch § 15 Satz 1 Nr. 3 KStG begründet wird, der eine Erweiterung des Konsolidierungskreises der Zinsschranke vornimmt.1521 Unabhängig davon folgt die Verknüpfung der beiden Regelungen jedoch dem Prinzip, im Inlandsfall EBITDA sowie Zinserträge und -aufwendungen innerhalb der Organschaft zu verrechnen, im grenzüberschreitenden Fall aber symmetrisch weder positive noch negative EBITDA sowie weder Zinserträge noch Zinsaufwendungen gebietsfremder Tochtergesellschaften beim Organträger in die Bemessungsgrundlage der Zinsschranke einzubeziehen. Dies entspricht dem Territorialitätsprinzip, sofern es sich nicht ausnahmsweise um inländische Zinsen und EBITDA einer in Deutschland uneingeschränkt steuerpflichtigen Tochtergesellschaft mit statuarischem Sitz im Ausland und Geschäftsleitung im Inland1522 oder einer inländischen Betriebsstätte einer gebietsfremden Tochtergesellschaft handelt. Insofern ist der doppelte Inlandsbezug der Organschaft allgemein nicht gerechtfertigt.1523 Im Übrigen kann der Vorteil, mit
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09.09.2011, 10/05268; ferner: Hoge Raad, Urt. v. 24.06.2011, 09/05115, abrufbar jeweils unter: http://www.rechtspraak.nl/. EuGH, Urt. v. 25.02.2010, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I-1215. In X Holding ging es um die Vereinbarkeit der mit der deutschen Organschaft nicht unähnlichen niederländischen fiskalen Einheit. Zwar stellte der EuGH in dem Urteil fest, dass sowohl der Ausschluss der Ergebnisverrechnung, als auch die steuerliche Neutralität von Transaktionen innerhalb der Gruppe eine Diskriminierung begründen (Rz. 18 f., 24). In der Rechtfertigungsprüfung ging der EuGH jedoch allein auf die Ergebnisverrechnung ein, so dass aus dem Urteil letztlich keine Schlüsse für die sonstigen mit einer fiskalen Einheit verbundenen Vorteile gezogen werden können. Das Urteil in der Rs. X Holding ist im Schrifttum allgemein auf massive Kritik gestoßen, vgl. etwa Weber, H&I 1/2010, 66 ff.; Englisch, IStR 2010, 215 ff.; van Thiel/Vascega, ET 2010, 334 ff.; Confédération Fiscale Européenne ECJ Task Force, ET 2011, 150 ff. Vgl. Englisch, IStR 2010, 215 (217); Meilicke, FS Herzig, 2010, S. 231 (232 ff.); Kosalla, Ubg 2011, 874 (880 ff.); siehe zur Zinsschranke ferner die Nachweise in Fn. 1359; vgl. auch GA Kokott, SchlA v. 19.11.2009, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I1215, Rz. 73 ff. Vgl. Kraft/Bron, EWS 2007, 487 (490); Knopf/Bron, BB 2009, 1222 (1223); Ubg 2011, 610 (616); ferner: Thömmes, JbFStR 2010/2011, 31 (56 f.); Kessler/Dietrich, DB 2010, 240 (243). Siehe bereits C.II.2.b)aa)(3)(iii). Denn eine derart doppelt ansässige Gesellschaft ist nach § 1 Abs. 1 KStG unbeschränkt steuerpflichtig. Das Besteuerungsrecht weist Art. 4 Abs. 3 OECD-MA Deutschland zu, siehe C.II.2.b)aa)(3). Siehe bereits C.II.2.b)aa)(3). Das BMF hat auf das Vertragsverletzungsverfahren 2008/4909 der Kom-mission bezüglich Tochtergesellschaften, die ihren statuarischem Sitz im Ausland und die Geschäftslei-tung im Inland haben, bereits reagiert und legt § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG teleologisch erweiternd aus, sie-he BMF v. 28.03.2011,
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
Begründung einer Organschaft die für die Berechnung der Zinsschranke relevanten Größen verrechnen zu können, aber mit dem Territorialitätsprinzip gerechtfertigt werden.1524 In ganz ähnlicher Weise ließ sich oben bereits die symmetrische Nichtberücksichtigung per DBA freigestellter Zinserträge und -aufwendungen gebietsfremder Betriebsstätten rechtfertigen.1525 Im Unterschied dazu, ergibt sich die hier beschriebene Symmetrie aber wie in den Rs. Marks & Spencer, Oy AA und X Holding1526 aus der Abschirmwirkung der gebietsfremden Tochtergesellschaft. Der nach dem Welteinkommensprinzip eigentlich unbegrenzte Besteuerungsanspruch der ansässigen Muttergesellschaft wird so zumindest punktuell territorial begrenzt. Aufgrund dessen kommt dem Territorialitätsprinzip jedoch ein geringeres Gewicht in der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu.1527 Während der EuGH den territorial begrenzten Besteuerungsanspruch
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BStBl. I 2011, 300. Die Kommission hat am 22.03.2012 dennoch angekündigt, Deutschland vor dem EuGH zu verklagen, da ein bloßer Verwaltungserlass die im Gesetz angelegte Dis-kriminierung nicht beseitigen kann, vgl. Kommission, Pressemitteilung v. 22.03.2012, IP/12/283; siehe bereits C.II.2.b)aa)(3) mit Fn. 1376. Vgl. in dieser Richtung zuletzt auch Hiller, Zinsschranke, 2011, S. 159; vgl. zu § 8 Nr. 1 GewStG FG Münster, Urt. v. 22.02.2008, 9 K 5143/06 G, IStR 2008, 372 (375), wobei sich die Symmetrie entgegen dem FG nicht aus der vermeintlichen Europarechtskonformität des Ausschlusses der grenzüberschreitenden Ergebnisverrechnung ableitet, sondern unmittelbar aus der Nichtberücksichtigung von Zinserträgen und aufwendungen gebietsfremder Konzerngesellschaften. Im Schrifttum wird eine (partielle) Rechtfertigung der Zinsschranke hingegen überwiegend abgelehnt, vgl. etwa Shou, Die Zinsschranke im Unternehmensteuerreformgesetz 2008, 2010, S. 111 ff.; München, Zinsschranke, 2010, S. 102 ff.; Meilicke, FS Herzig, 2010, S. 231 (232 ff.); Kosalla, Ubg 2011, 874 (881) jeweils m.w.N. Siehe C.II.2.c)bb). Siehe Fn. 1509. Dabei hatte der EuGH im Urt. v. 13.12.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837, Rz. 44 ff. neben dem Territorialitätsprinzip (hier: Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse) auch auf die Rechtfertigung der Verhinderung der doppelten Verlustberücksichtigung sowie der Verhinderung der Steuerumgehung abgestellt. In diesem Zusammenhang weist Thömmes, JbFStR 2010/2011, 31 (57) darauf hin, dass im Fall der Zinsschranke jedoch keine Gefahr der „doppelten EBITDABerücksichtigung“ besteht, wenn der andere Staat keine auf EBITDA-Basis beruhende Zinsschrankenregelung kennt. Dies ist zutreffend, hat aber keine Auswirkung für die hier vertretene partielle Rechtfertigung mit dem Territorialitätsprinzip. Dabei handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung um einen eigenständigen Rechtfertigungsgrund. Wie die EuGH-Urt. v. 18.07.2007, C-231/05 (Oy AA), Slg. 2007, I-6373, Rz. 47 und v. 25.02.2010, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I-1215, Rz. 28 zeigen, ist der Rechtfertigungsgrund der Verhinderung der doppelten Verlustberücksichtigung auch nicht zwingend notwendig, um den Ausschluss einer grenzüberschreitenden Ergebnisverrechnung zu rechtfertigen. Vgl. Englisch, IFSt-Schrift Nr. 449, 2008, S. 52 ff.; ders., SWI 2007, 398 (401 f.); ders., IStR 2008, 404.
Zinsschranke
des Quellenstaates in der Rs. Futura Participations1528 uneingeschränkt anerkannte, hat er in den Rs. Marks & Spencer1529 und Lidl Belgium1530 den Ansässigkeitsstaat verpflichtet, die Verluste gebietsfremder Tochtergesellschaften bzw. Betriebsstätten ausnahmsweise als ultima ratio zu berücksichtigen, sofern die Verluste nicht mehr im Quellenstaat geltend gemacht werden können.1531 Die damit erforderliche Abwägung führt hier jedoch nicht dazu, dass im Einzelfall EBITDA und Nettozinserträge der gebietsfremden Tochtergesellschaften in der Berechnung der Zinsschranke bei der ansässigen Muttergesellschaft zu berücksichtigen sind. Wäre eine derartige grenzüberschreitende Verrechnung von EBITDA sowie Zinserträgen und -aufwendungen zulässig, würde der grenzüberschreitenden Gewinnverlagerung im Konzern Tür und Tor geöffnet. Denn so würde sich im Fall konzerninterner Darlehensvergabe die Verrechnung von Zinserträgen und -aufwendungen von Darlehensnehmern und -gebern stets neutralisieren, so dass die Zinsschranke ins Leere liefe. Damit ist zugleich auch der zweite Vorteil der Organschaft, die Neutralisation innerhalb des Organkreises gewährter Darlehen,1532 gerechtfertigt. Nicht rechtfertigbar ist aber, dass die Zinsschranke nach § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. b EStG i.V.m. § 15 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG nicht auf reine Inlandskonzerne Anwendung findet.1533 Dies stellt letztlich eine Bereichsausnahme für den Inlandsfall dar, die nichts mit Symmetrie zu tun hat. Hier sind weitere Rechtfertigungsgründe zu prüfen. (3)
Verhinderung der Steuerumgehung und Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse
Fraglich ist damit, ob die Bereichsausnahme für reine Inlandskonzerne des § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. b EStG i.V.m. § 15 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG mit den anerkannten Zielen der Verhinderung der Steuerumgehung und der Wahrung
1528 EuGH, Urt. v. 15.05.1997, C-250/95 (Futura Participations), Slg. 1997, I-2471, Rz. 22. 1529 EuGH, Urt. v. 13.12.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837, Rz. 55. 1530 EuGH, Urt. v. 14.02.2008, C-414/06 (Lidl Belgium), Slg. 2008, I-3601, Rz. 46 ff. 1531 Von dieser Pflicht ist auch nach dem EuGH-Urt. v. 25.02.2010, C-337/08 (X Holding), Slg. 2010, I-1215 weiterhin auszugehen. Zwar äußert sich der EuGH hier nicht zur ultima-ratio-Verrechnung von Verlusten, die Frage stellte sich hier aber auch gar nicht, vgl. Hohenwarter-Mayr, SWI 2010, 163 (172 f.); Pache/Englert, IStR 2010, 448 (449, 451 f.); Witt, Ubg 2010, 737 (739); Graw, DB 2010, 2469 (2470); Heurung/Engel/Thiedemann, FR 2011, 212 (214 f.); Hey u.a., IFSt-Schrift Nr. 471, 2011, S. 35 f.; im Ergebnis auch: Englisch, IStR 2010, 215 (216 f.); Thömmes, JbFStR 2010/2011, 31 (55); a.A.: Mitschke, DStR 2010, 1368 (1369 f.); ders., IStR 2011, 185 (188 f.); ferner: Schulze-Trieglaff, IStR 2011, 244 (248). 1532 Siehe C.II.2.b)aa)(3)(ii). 1533 Siehe C.II.2.b)aa)(3)(ii).
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse gerechtfertigt werden kann.1534 Dazu müsste die Zinsschranke beide Ziele verfolgen und zur Zielerreichung geeignet, erforderlich und angemessen sein. (i)
Verfolgung der Ziele und Geeignetheit
Mit einer übermäßigen Fremdfinanzierung versuchen internationale Konzerne die Besteuerung der im deutschen Hoheitsgebiet erzielten Einkünfte zu umgehen. Für Deutschland ist damit die Gefahr verbunden, auf das eigene territoriale Besteuerungsrecht zugunsten derjenigen Staaten verzichten zu müssen, die ein besonders niedriges Steuerniveau aufweisen.1535 Dagegen wenden sich die §§ 4h EStG, 8a KStG.1536 Indem die Zinsschranke eine Abzugsbeschränkung für Nettozinsaufwendungen vorsieht, die 30% des steuerlichen EBITDA übersteigen, trägt sie zumindest dazu bei, die Umgehung des territorialen Besteuerungsanspruchs einzudämmen. Im Sinne der ständigen Rechtsprechung des EuGH1537 ist sie damit als geeignet anzusehen, Steuerumgehungen zu verhindern und die Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zu wahren.1538 1534 Siehe zu diesen Rechtfertigungsgründen bereits ausführlich C.I.2.c)cc). Im Schreiben v. 08.12.2004, BStBl. I 2004, 1181, Tz. 2c. berief sich das BMF zur Rechtfertigung der Organschaft bereits auf die Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse. 1535 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 75; ferner: Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 63, 67. Siehe zur Gefahr der Gewinnverlagerung auch A.II. 1536 Vgl. dahingehend auch BT-Drs. 16/4841, S. 31: „Die sog. Zinsschranke […] soll verhindern, dass allein aus Gründen der Steueroptimierung eine hohe Fremdkapitalquote angestrebt wird. Sie soll insbesondere verhindern, dass Konzerne mittels grenzüberschreitender konzerninterner Fremdkapitalfinanzierung in Deutschland erwirtschaftete Erträge ins Ausland transferieren.“ A.A. ist Schön, IStR 2009, 882 (886) hinsichtlich des Zieles der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse. Nach Schön hätte ein Betriebsausgabenabzugsverbot „im Kern nichts mit der territorialen oder personalen Zuordnung von Besteuerungsrechten zu tun“, sondern mit der „Art und Weise der Ausübung der bestehenden Steuerhoheit über die inländische Tochtergesellschaft“. Aber auch die einseitige Einkünftekorrektur bei der ansässigen Tochtergesellschaft betrifft die Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse. Dies hat der EuGH im Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 75 festgestellt. Dort sah er die Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zumindest bei der Umqualifikation von Zinsen in Dividenden betroffen, der nicht zwingend eine Einkünftekorrektur beim gebietsfremden Darlehensgeber gegenübersteht, siehe C.I.2.c)bb)(2)(ii). Insoweit unterscheidet sich ein Betriebsausgabenabzugsverbot nicht von der Umqualifikation. Somit nehmen beide eine Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse vor. 1537 Vgl. EuGH, Urt. v. 11.07.1989, 265/87 (Schräder), Slg. 1989, 2237, Rz. 22; Urt. v. 13.11.1990, C-331/88 (Fedesa u.a.), Slg. 1990, I-4023, Rz. 14; Urt. v. 11.06.2009, C33/08 (Agrana Zucker), Slg. 2009, I-5035, Rz. 33; Urt. v. 12.10.2010, C-499/08 (Andersen), EuZW 2010, 904, Rz. 35; siehe dazu C.I.1.c)bb). 1538 Ebenso: Musil/Volmering, DB 2008, 12 (16); Wilke/Süß, FR 2009, 796 (803); Goebel/Eilinghoff, DStZ 2010, 550 (560); von Bar, Die Zinsschranke und ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht, 2010, S. 123; ferner: Führich, IStR 2007, 341 (344);
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Zinsschranke
Sofern man entsprechend der jüngeren Rechtsprechung des EuGH1539 jedoch eine kohärente und systematische Zielverfolgung verlangen würde, wäre die Geeignetheit wohl abzulehnen, weil die Zinsschranke schon selbst1540 zahlreiche missbräuchliche Unterkapitalisierungsgestaltungen nicht erfasst.1541 Richtigerweise hat der EuGH eine kohärente und systematische Zielverfolgung aber nur hinsichtlich Lenkungszielen verlangt. Bei den hier gegenständlichen Rechtfertigungsgründen der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse und Verhinderung der Steuerumgehung würde das Erfordernis der kohärenten und systematischen Zielverfolgung den Gestaltungsspielraum des nationalen Gesetzgebers jedoch übermäßig einschränken, ohne dabei zugleich zu mehr Wettbewerbsgleichheit im Binnenmarkt beizutragen.1542 Der EuGH hält daher im Übrigen daran fest, dass eine Maßnahme bereits dann geeignet ist, wenn sie nicht offensichtlich ungeeignet ist.1543 (ii)
Erforderlichkeit
Im nächsten Schritt ist zu prüfen, ob die Zinsschranke zur Verhinderung der Steuerumgehung und zur Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse auch erforderlich ist. Dies wäre der Fall, wenn es kein milderes, insbesondere kein zielgenaueres und gleichermaßen geeignetes Mittel zur Verhinderung der Umgehung des territorialen Besteuerungsanspruchs aufgrund übermäßiger Fremdfinanzierungen zwischen verbundenen Unternehmen geben sollte.
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ders., Der Einfluss der EuGH-Rechtsprechung auf die deutsche Unternehmensbesteuerung, 2009, S. 140; Heuermann, in: Blümich, EStG u.a., § 4h EStG, Rz. 26 (Stand: 12.2007); München, Zinsschranke, 2010, S. 111; a.A. Drüen, StuW 2008, 3 (13); ders., StuW 2008, 154 (165); Mewes, Die Finanzierung von Kapitalgesellschaften im steuerrechtlichen Kontext, 2009, S. 396; Hiller, Zinsschranke, 2011, S. 148 ff. Dabei vermischen Mewes und Hiller aber Elemente der Geeignetheit mit denen der Erforderlichkeit. Ähnlich: Führich, a.a.O., der aber letztlich von der Geeignetheit ausgeht. Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 06.11.2003, C-243/01 (Gambelli u.a.), Slg. 2003, I-13031, Rz. 67; Urt. v. 10.03.2009, C-169/07 (Hartlauer), Slg. 2009, I-1721, Rz. 55; Urt. v. 17.11.2009, C-169/08 (Regione Sardegna), Slg. 2009, I-10821, Rz. 42; Urt. v. 16.12.2010, C-89/09 (Kommission/Frankreich), NZG 2011, 265, Rz. 70; siehe für weitere Nachweise die Fn. 308-312 C.I.1.c)bb). Das Kriterium einer kohärenten und systematischen Zielverfolgung bezieht ggf. auch andere, nahe liegende Regelung in die Wertung mit ein. GA Kokott spricht insofern vom „weiteren Regelungsrahmen“, vgl. SchlA v. 11.11.2010, C-436/08 u.a. (Haribo u.a.), n.n.v., Rz. 67. So unterliegen etwa auch extensiv fremdfinanzierte Konzerngesellschaften nicht der Zinsschranke, wenn diese renditestark sind oder eine höhere Eigenkapitalquote als der Konzern aufweisen, siehe bereits B.II.2.a)aa) bzw. bb). Siehe näher C.I.1.c)bb) mit Fn. 318. Siehe C.I.1.c)bb) mit den Nachweisen in Fn. 317.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
In den Rs. Thin Cap1544 und Lammers & Van Cleef1545 hat der EuGH Unterkapitalisierungsvorschriften dann als erforderlich angesehen, wenn diese Einkünftekorrekturen anhand des Fremdvergleichs vornehmen, dabei ein fremdübliches Maß nicht übersteigen und den Steuerpflichtigen zugleich eine Möglichkeit zum Nachweis außersteuerlicher Gründe für den Abschluss des jeweiligen Geschäfts einräumen. Die Zinsschranke sieht jedoch keinen Fremdvergleich vor und kann daher nicht anhand dieser Rechtsprechung gerechtfertigt werden.1546 Ein festes Verhältnis des EBITDA zum Nettozinsaufwand, das keinen Gegenbeweis zulässt, kann nicht als fremdüblich angesehen werden.1547 Der EuGH hat in der Rs. Lammers & Van Cleef1548 entschieden, dass ein derart starres Kriterium nicht erforderlich ist. Ein Fremdvergleich ist bei der Zinsschranke konzeptionell ohnehin völlig ausgeschlossen, weil die Norm auch Zinsaufwendungen gegenüber fremden Dritten erfasst.1549 Der Gesetzgeber hat hinsichtlich der Zinsschranke damit die Chance verpasst, das durch die Rs. Thin Cap und Lammers & Van Cleef erweiterte Rechtfertigungspotential auszunutzen, das sich aus der Gesamtbetrachtung der Ziele der Verhinderung der Steuerumgehung und der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse ergibt.1550 Die Zinsschranke kann auch nicht allein mit dem Ziel der Verhinderung der Steuerumgehung gerechtfertigt werden. Dazu müsste sie nämlich gegen rein 1544 EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 80-83. 1545 EuGH, Urt. v. 17.01.2008, C-105/07 (Lammers & Van Cleef), Slg. 2008, I-173, Rz. 29 f., 33. 1546 Vgl. auch Köhler, DStR 2007, 597 (604); Kraft/Bron, EWS 2007, 487 (490); Musil/Volmering, DB 2008, 12 (16); Hey, FS Djanani, 2008, S. 109 (117); Hiller, Gesellschafter-Fremdfinanzierung und Diskriminierungsverbote, 2008, S. 177 u. 180 f.; Führich, Der Einfluss der EuGH-Rechtsprechung auf die deutsche Unternehmensbesteuerung, 2009, S. 140; ders., Ubg 2009, 30 (40); Wilke/Süß, FR 2009, 796 (801); München, Zinsschranke, 2010, S. 109 f.; von Bar, Die Zinsschranke und ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht, 2010, S. 126; Hiller, Zinsschranke, 2011, S. 162; ferner: Kaminski, Ausgewählte Internationale Aspekte der Unternehmensteuerreform 2008, 2007, S. 34 f. 1547 Vgl. sinngemäß zum Verschuldungsgrad OECD Committee on Fiscal Affairs, Thin Capitalisation, 1987, Tz. 79. 1548 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.01.2008, C-105/07 (Lammers & Van Cleef), Slg. 2008, I-173, Rz. 33; zuvor bereits: GA Geelhoed, SchlA v. 29.06.2006, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 66. 1549 Siehe B.III. sowie B.II.2. Ein Fremdvergleich enthalten auch nicht § 8a Abs. 2 und 3 KStG. 1550 Siehe C.I.2.c)cc)(2)(ii) und (iv). Der Gesetzgeber ist vielmehr davon ausgegangen mit der unterschiedslosen Anwendbarkeit des Grundtatbestands des § 4h Abs. 1 EStG sämtlichen europarechtlichen Konflikten aus dem Weg zu gehen. Dass es sinnvoller gewesen wäre, den Rechtfertigungsspielraum des noch vor Erlass der Unternehmensteuerreform 2008 veröffentlichten EuGH-Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107 auszunutzen, wird unter C.II.5.a) erläutert.
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Zinsschranke
künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität entbehrende Gestaltungen ausgerichtet sein1551 – die Zinsschranke erfasst aber sämtliche Zinsaufwendungen, unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Realität1552. In Betracht kommt aber unabhängig vom Kriterium des Fremdvergleichs eine Rechtfertigung mit den beiden Zielen der Verhinderung der Steuerumgehung und der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse. Das mitgliedstaatliche Anliegen, die Umgehung des territorialen Besteuerungsanspruchs zu verhindern, erhält dabei ein höheres Gewicht als bei der Prüfung nur eines Rechtfertigungsgrundes.1553 Dabei ist aber weiterhin erforderlich, dass kein milderes, gleich geeignetes und insbesondere zielgenaueres Mittel zur Verhinderung der Umgehung dieses territorialen Besteuerungsanspruchs besteht. Dies ist hier jedoch nicht der Fall: Überschreitet der Nettozinsaufwand eines verbundenen Unternehmens 30% des steuerlichen EBITDA, wird nicht zwingend die anerkannte Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse umgangen.1554 Auch die Ausnahmen des § 4h Abs. 2 EStG richten die Zinsschranke nicht zielgenau auf die Verhinderung der Umgehung dieser Aufteilung aus. So ist es etwa nicht erklärbar, warum bei der Escape-Klausel des § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. c EStG der Verdacht der Umgehung des territorialen Besteuerungsanspruchs bestehen sollte, wenn die Eigenkapitalquote einer Konzerngesellschaft diejenige des Konzerns um mehr als 2%Punkte unterschreitet.1555 Die Höhe der Eigenkapitalquote hängt von zahlrei-
1551 Siehe C.I.2.c)cc) und vgl. insbesondere EuGH, Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 51 ff., 55. Um eine derartige Ausrichtung zu erzielen, müsste der Anwendungsbereich der Zinsschranke etwa auf die Einkünftekorrektur von Zinszahlungen an Briefkastengesellschaften oder im Rahmen von u-turnGestaltungen beschränkt werden, siehe entsprechend zu § 1 AStG C.I.2.c)cc)(1)(ii). Derartige Gestaltungen wären ohnehin bereits nicht vom Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit erfasst, siehe C.I.2.c)cc) mit den Nachweisen in Fn. 773. 1552 Vgl. auch München, Zinsschranke, 2010, S. 109 f. 1553 Siehe dazu C.I.2.c)cc)(2) mit den Nachweisen in Fn. 961. 1554 Vgl. zur fehlenden Missbräuchlichkeit auch Führich, IStR 2007, 341 (344); ders., Der Einfluss der EuGH-Rechtsprechung auf die deutsche Unternehmensbesteuerung, 2009, S. 140; Hey, BB 2007, 1303 (1306); dies., FS Djanani, 2008, S. 109 (112); dies., DStJG 33 (2010), 139 (170); Musil/Volmering, DB 2008, 12 (15); Geeb, Gesellschafter-Fremdfinanzierung, 2007, S. 192, Download unter: http://d-nb.info/989683397/34; Mewes, Die Finanzierung von Kapitalgesellschaften im steuerrechtlichen Kontext, 2009, S. 396; Herzig/Bohn/Fritz, DStR 2009, Beihefter zu Heft 29, 61 (64 f.); Lenz/Dörfler, DB 2010, 18 (19); Goebel/Eilinghoff, DStZ 2010, 550 (560); München, Zinsschranke, 2010, S. 110 f.; von Bar, Die Zinsschranke und ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht, 2010, S. 128; Hiller, Zinsschranke, 2011, S. 151. 1555 Vgl. auch Hey, BB 2007, 1303 (1306); dies., FS Djanani, 2008, S. 109 (112); Heuermann, in: Blümich, EStG u.a., § 4h EStG, Rz. 26 (Stand: 12.2007); Hick, in: H/H/R, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 6 (Stand: 03.2009); Musil/Volmering, DB 2008, 12 (15); Lenz/Dörfler, DB 2010, 18 (19); Goebel/Eilinghoff, DStZ 2010, 550 (557); München, Zinsschranke, 2010, S. 71; Süß/Wilke, SteuerStud 2010, 561 (568).
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
chen außersteuerlichen Faktoren ab und variiert dementsprechend.1556 Nicht nachzuvollziehen ist ferner, warum gerade die Zahlung von mehr als 10% der Nettozinsaufwendungen an wesentlich beteiligte Gesellschafter nach § 8a Abs. 2 und 3 KStG eine Umgehung des territorial fundierten Besteuerungsanspruchs darstellen sollte.1557 Grundtatbestand und Ausnahmebestimmungen der Zinsschranke können auch nicht qua europarechtskonformer Auslegung1558 auf die Verhinderung der Umgehung des territorialen Besteuerungsanspruchs beschränkt werden – eine derartige Auslegung wäre eindeutig contra legem.1559 Als milderes, gleich geeignetes und zielgenaueres Mittel zur Verhinderung der Umgehung des territorialen Besteuerungsanspruchs aufgrund einer übermäßigen Fremdfinanzierung zwischen verbundenen Unternehmen kommt anstatt der Zinsschranke vielmehr eine Gesellschafter-Fremdfinanzierungsvorschrift in Betracht, die am Fremdvergleichsgrundsatz ausgerichtet ist.1560 Nach den Rs. Thin Cap1561 und Lammers & Van Cleef1562 ist nämlich gerade der Fremdvergleich das geeignete Kriterium, um missbräuchliche Umgehungen des territorialen Besteuerungsanspruchs festzustellen. Diese Argumentation kann aber nicht auf die Zinsabzugsbeschränkung übertragen werden, die auf Darlehen Dritter zurückzuführen ist. Ein Fremdvergleich ist hierbei nicht möglich. Eine Abzugsbeschränkung von Zinszahlungen an Dritte ist zur Verhinderung der Umgehung des territorialen Besteuerungsanspruchs jedoch ebenfalls nicht erforderlich. Denn einerseits sind Zinsaufwendungen gegenüber unabhängigen Dritten nie missbräuchlich, weil mangels Interessenidentität keine Gefahr der Steuerumgehung besteht.1563 Andererseits unterliegt eine ansässige Konzerngesellschaft, die mindestens ein gebietsfrem1556 Die Quote ist etwa abhängig von der jeweiligen Branche, der erwarteten Gesamtkapitalrendite oder den individuellen Fremd- und Eigenkapitalkosten. Siehe bereits A.II. 1557 Vgl. Hey, BB 2007, 1303 (1306); Musil/Volmering, DB 2008, 12 (15); Goebel/Eilinghoff, DStZ 2010, 550 (557, 560). 1558 Siehe dazu C.I.2.c)cc)(3)(ii)(a). 1559 Vgl. auch von Bar, Die Zinsschranke und ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht, 2010, S. 130 f.; Körner, Ubg 2011, 610 (616 f.). 1560 Ebenso: Führich, Ubg 2009, 30 (40). 1561 EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 81. 1562 EuGH, Urt. v. 17.01.2008, C-105/07 (Lammers & Van Cleef), Slg. 2008, I-173, Rz. 30. 1563 Vgl. Geeb, Gesellschafter-Fremdfinanzierung, 2007, S. 192, Download siehe Fn. 1554; Führich, Der Einfluss der EuGH-Rechtsprechung auf die deutsche Unternehmensbesteuerung, 2009, S. 139 f.; ders., Ubg 2009, 30 (40); Mewes, Die Finanzierung von Kapitalgesellschaften im steuerrechtlichen Kontext, 2009, S. 397 f.; Herzig/Bohn/ Fritz, DStR 2009, Beihefter zu Heft 29, 61 (64); München, Zinsschranke, 2010, S. 110; von Bar, Die Zinsschranke und ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht, 2010, S. 169; Hiller, Zinsschranke, 2011, S. 153, 163. Missbräuchlich wären aber die sog. „back-to-back“-Finanzierungen, siehe B.II.2.
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Zinsschranke
des verbundenes Unternehmen hat,1564 anders als der reine Inlandskonzern auch dann der Zinsabzugsbeschränkung, wenn sie ausschließlich Darlehen ansässiger Dritter aufgenommen hat. In diesem Fall ist die Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse aber offensichtlich nicht gefährdet.1565 Dies verdeutlicht, dass § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. b EStG i.V.m. § 15 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG eine Bereichsausnahme für reine Inlandskonzerne begründet. Diese kann grundfreiheitlich auch nicht mit einer Gesamtbetrachtung der Ziele der Verhinderung der Steuerumgehung und der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse gerechtfertigt werden und verstößt damit gegen die Niederlassungsfreiheit des Art. 49 AEUV. d)
Rechtsfolgen der Verstöße gegen die Niederlassungsfreiheit
Aus dem Anwendungsvorrang des Europarechts folgt, dass belastende nationale Normen, die mit den Grundfreiheiten nicht in Einklang stehen, nicht angewendet werden dürfen.1566 Im Fall begünstigender Normen hat der Gesetzgeber zwar für die Zukunft die Wahl, den Gleichheitsverstoß durch die Ausweitung der Begünstigung, durch deren Abschaffung oder durch eine neue Lösung zu beseitigen,1567 für die Vergangenheit besteht aufgrund des Rückwirkungsverbots in aller Regel aber nur die erste Möglichkeit.1568 aa)
Zu den Rechtsfolgen im Einzelnen
Die hier festgestellten einzelnen Verstöße der Zinsschranke gegen die Niederlassungsfreiheit führen nicht zur generellen Unanwendbarkeit der Norm, sondern diese ist nur insoweit unanwendbar, wie ein Verstoß tatsächlich besteht. Mehr kann der Steuerpflichtige aufgrund der Niederlassungsfreiheit nicht verlangen.1569 Würde der EuGH die hier aufgezeigten Verstöße gegen die 1564 Bereits dann kann ein Konzern nicht mehr alle Gesellschaften in die Organschaft einbeziehen und fällt demzufolge nicht mehr unter die Ausnahme des § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. b EStG. 1565 Vgl. auch Führich, Ubg 2009, 30 (39). Nicht überzeugen kann jedoch dessen Argumentation, dass eine Rechtfertigung mit dem Ziel der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse allein ausscheide, weil nicht alle drei Rechtfertigungsgründe des Urt. v. 13.12.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837 einschlägig seien. 1566 Siehe zu § 1 AStG bereits C.I.2.d). Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 09.03.1978, 106/77 (Simmenthal II), Slg. 1978, 629, Rz. 24; Urt. v. 20.10.1993, C-92/92 u.a. (Collins), Slg. 1993, I-5145, Rz. 34; Urt. v. 10.04.2008, C-309/06 (Marks & Spencer), Slg. 2008, I-2283, Rz. 63; Urt. v. 19.11.2009, C-314/08 (Filipiak), Slg. 2009, I-11049, Rz. 81 f. m.w.N.; Urt. v. 12.01.2010, C-341/08 (Petersen), Slg. 2010, I-47, Rz. 80 f. 1567 Vgl. Cordewener, DStR 2004, 6 (12); Rust, IStR 2009, 382 (383); Lang, FS Lang, 2010, S. 1003 (1004 f.); ferner: Hey, StuW 2010, 301 (315). 1568 Vgl. EuGH, Urt. v. 28.09.1994, C-408/92 (Avdel Systems), Slg. 1994, I-4435, Rz. 16 f.; Urt. v. 21.06.2007, C-231/06 u.a. (Jonkman u.a.), Slg. 2007, I-5149, Rz. 39; Urt. v. 10.04.2008, C-309/06 (Marks & Spencer), Slg. 2008, I-2283, Rz. 63; vgl. näher Rust, IStR 2009, 382 (384 f. m.w.N.). 1569 Siehe ausführlich C.I.2.d) m.w.N.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
Grundfreiheiten feststellen, könnten sich ansässige Tochtergesellschaften eines in einem EWR-Staat ansässigen, nicht kapitalmarktorientierten Konzerns auf die für den Inlandsfall begünstigende Regelung des § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. c Satz 9 EStG berufen und auch Abschlüsse nach dem Rechnungslegungsstandard eines EWR-Staates einreichen. § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. c Satz 9 EStG wäre dementsprechend teleologisch zu erweitern. Eine Teilunanwendbarkeit1570 ist hier nicht möglich, da das Ausblenden des Tatbestandsmerkmals „Abschlüsse nach dem Handelsrecht eines Mitgliedstaats der Europäischen Union“ nicht zum Ziel führen würde. Eine ansässige Konzerngesellschaft, die zu einem allein im EU-/EWR-Raum ansässigen Konzern gehört, könnte sich zudem auf die Ausnahme des § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. b EStG i.V.m. § 15 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG berufen1571 und für diese Zwecke eine Organschaft mit allen im EU-/EWR-Raum ansässigen Konzerngesellschaften bilden.1572 Die Zinsschranke wäre dann unanwendbar, sofern im Einzelfall keine schädliche Gesellschafter-Fremdfinanzierung nach § 8a Abs. 2 KStG besteht. Sobald jedoch auch nur eine Konzerngesellschaft in einem Drittstaat ansässig ist, würde die Ausnahme des § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. b EStG i.V.m. § 15 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG ausscheiden. Aufgrund der Verdrängung der Kapitalverkehrs- durch die Niederlassungsfreiheit ist dies grundfreiheitlich nicht zu beanstanden, weil auch ein Inlandskonzern, dessen einzige gebietsfremde Konzerngesellschaft in einem Drittstaat ansässig ist, sich nicht auf diese Ausnahme berufen kann. Für die Zwecke der Berechnung der Zins1570 Siehe dazu C.I.2.d). 1571 In der Literatur wird überwiegend ein breiterer Verstoß der Zinsschranke gegen die Grundfreiheiten angenommen und keine Rechtfertigung mit dem Territorialitätsprinzip gesehen. In der Folge werden unterschiedliche Ansichten vertreten, ob der Verstoß die Zinsschranke selbst [vgl. etwa Führich, IStR 2007, 341 (345); Mössner, in: Lüdicke, Unternehmensteuerreform 2008 im internationalen Umfeld, 2008, S. 1 (45)], § 15 Satz 1 Nr. 3 KStG [vgl. etwa Kraft/Bron, EWS 2007, 487 (491); Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 8a KStG, Rz. 7 (Stand: 11.2008); Hiller, Zinsschranke, 2011, S. 174] oder – wenig überzeugend – die Organschaft [vgl. Wagner, IStR 2007, 650 (653 f.); Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch u.a., KStG/UmwStG, § 8a KStG, Rz. 31 (Stand: 03.2009)] betrifft. 1572 Dazu würde allein für die Zwecke der Ausnahme des § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. b EStG i.V.m. § 15 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG das Tatbestandsmerkmal „im Inland“ des § 14 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG hinsichtlich der Organgesellschaft bzw. des Organträgers unangewendet bleiben. Mit einer derartigen Teilunanwendbarkeit ginge aber weder eine Verrechnung von EBITDA sowie Zinserträgen und Zinsaufwendungen, noch eine uneingeschränkte grenzüberschreitende Ergebnisverrechnung einher. Siehe zur Teilunanwendbarkeit bereits C.I.2.d). In dieser Arbeit wurde aber auch aufgezeigt, dass sich die Organschaft hinsichtlich der Berücksichtigung finaler ausländischer Verluste öffnen muss. Ferner sind Gesellschaften mit statuarischem Sitz im Ausland und Geschäftsleitung im Inland sowie inländische Betriebsstätten ausländischer Konzerngesellschaften mit in den Organkreis aufzunehmen, da es sich insoweit um inländische Einkünfte handelt, siehe C.II.2.b)aa)(3).
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schranke kann im EU-/EWR-Raum nicht generell eine grenzüberschreitende Organschaft gebildet werden, weil Deutschland entsprechend dem Territorialitätsprinzip weder EBITDA noch Zinsen gebietsfremder Konzerngesellschaften berücksichtigen muss.1573 Ein Steuerpflichtiger darf aber sowohl Tochtergesellschaften mit statuarischem Sitz im Ausland und Geschäftsleitung im Inland1574 als auch inländische Betriebsstätten ausländischer Tochtergesellschaften mit in den Organkreis einbeziehen, da es sich insoweit um inländische EBITDA und Zinsen handelt.1575 Für die erste Fallgruppe hat das BMF dies mit Schreiben vom 28.03.2011 bereits erlaubt.1576 Ein Verwaltungserlass kann jedoch nur als Übergangslösung bis zu einer weiterhin erforderlichen Gesetzesänderung1577 dienen. Da diese vorerst ausgeblieben ist, hat die Kommission am 22.03.2012 angekündigt, vor dem EuGH Klage gegen Deutschland zu erheben.1578 bb)
Zur Erfüllung der übrigen Voraussetzungen der Organschaft, insbesondere zum Gewinnabführungsvertrag
In beiden Fällen inländischer EBITDA und Zinsen sowie im Fall der Berufung von reinen EU-/EWR-Konzernen auf § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. b EStG i.V.m. § 15 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG müssen aber auch die übrigen, nichtdiskriminierenden Voraussetzungen der Organschaft erfüllt werden. So sind insbesondere die für die finanzielle Eingliederung erforderlichen Stimmrechte nachzuweisen.1579 In Rechtsprechung und Schrifttum ist es jedoch umstritten, ob die 1573 Siehe C.II.2.c)cc)(2). Aufgrund der punktuell begrenzten Rechtswirkung der Grundfreiheiten kommt es erst Recht nicht zu grenzüberschreitenden Gewinn- und Verlustverrechnungen wie es der BFH im Urt. v. 09.02.2011, I R 54/10 u.a., DStR 2011, 762 hinsichtlich § 8 Nr. 1 GewStG und Art. XX Abs. 4 und 5 DBA-Großbritannien 1964/1970 vertreten hatte, vgl. Lüdicke, ITLR 2011, 839 (844, 847); Glahe, IStR 2012, 128 (133 f.). Dabei wäre dies wohl auch abkommensrechtlich zu fordern, siehe C.II.2.b)aa)(3) mit Fn. 1379; vgl. auch BFH, Urt. v. 29.01.2003, I R 6/99, BStBl. II 2004, 1043 (1045): „insoweit […] unangewendet zu lassen“. 1574 Denn eine derart doppelt ansässige Gesellschaft ist nach § 1 Abs. 1 KStG unbeschränkt steuerpflichtig. Das Besteuerungsrecht weist Art. 4 Abs. 3 OECD-MA Deutschland zu. 1575 Siehe C.II.2.c)cc)(2) sowie C.II.2.b)aa)(3). Um Tochtergesellschaften mit statuarischem Sitz im Ausland und Geschäftsleitung im Inland einzubeziehen sind vom Tatbestandsmerkmal „Geschäftsleitung und Sitz im Inland“ des § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG insofern die Wörter „und Sitz“ unangewendet zu lassen. Hinsichtlich inländischer Betriebsstätten gebietsfremder Tochtergesellschaften ist § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG teleologisch zu erweitern. Vgl. dahingehend auch BMF v. 28.03.2011, BStBl. I 2011, 300. 1576 BMF v. 28.03.2011, BStBl. I 2011, 300. 1577 Vgl. EuGH, Urt. v. 15.10.1986, 168/85 (Kommission/Italien), Slg. 1986, 2945, Rz. 13; Urt. v. 08.05.1990, C-175/88 (Biehl), Slg. 1990, I-1779, Rz. 17 f.; Urt. v. 14.02.1995, C-279/93 (Schumacker), Slg. 1995, I-225, Rz. 54 ff.; Urt. v. 05.10.2010, C-512/08 (Kommission/Frankreich), EuZW 2010, 861, Rz. 67 m.w.N. 1578 Siehe Kommission, Pressemitteilung v. 22.03.2012, IP/12/283. 1579 Vgl. auch FG Niedersachsen, Urt. v. 11.02.2010, 6 K 406/08, IStR 2010, 260 (263).
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
Konzerngesellschaften entsprechend § 14 Satz 1 Nr. 3 KStG auch von Anfang an einen Gewinnabführungsvertrag für mindestens fünf Jahre abschließen müssen.1580 Zur Beantwortung dieser Frage ist zunächst zu klären, ob ein grenzüberschreitender Gewinnabführungsvertrag zivilrechtlich überhaupt zulässig und auch für das Steuerrecht anzuerkennen ist. (1)
Zivilrechtliche Zulässigkeit des grenzüberschreitenden Gewinnabführungsvertrags
Nach h.M. ist auf einen grenzüberschreitenden Gewinnabführungsvertrag das Gesellschaftsstatut der untergeordneten Tochtergesellschaft anzuwenden.1581 1580 Dabei reichen die in der Literatur vertretenen Auffassungen vom unveränderten Erfordernis eines Gewinnabführungsvertrages [vgl. Mitschke, DStR 2010, 1368 (1369); ders., IStR 2011, 185 (186)] bis zu dessem völligen Verzicht [vgl. Wissenschaftlicher Beirat Ernst & Young, BB 2005, 754 (755); Herzig/Wagner, DStR 2006, 1 (9); Scheunemann, IStR 2006, 145 (147); Homburg, IStR 2010, 246 (251 f.); ders., IStR 2011, 111 f.; Rublack, FR 2010, 791 (794 f.); Kosalla, Ubg 2011, 874 (878); ferner Pache/Englert, IStR 2010, 448 (451) hinsichtlich Beteiligungen von 100%]. Der übrige Teil des Schrifttums und die Rechtsprechung nehmen eine vermittelnde Position ein: Das FG Niedersachsen, Urt. v. 11.02.2010, 6 K 406/08, IStR 2010, 260 (263) und hilfsweise das FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 17.03.2010, 1 K 2406/07, DStRE 2010, 802 (807 f.) verlangen den Abschluss eines Verlustübernahmevertrages für mindestens fünf Jahre [vgl. auch Raupach/Pohl, NZG 2005, 489 (492); Thömmes, IWB 2005, Fach 11a, 938 (940); Englisch, IStR 2006, 22 (23); Wernsmann/Nippert, FR 2006, 153 (161); Dörfler/Ribbrock, BB 2008, 304 (307); Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 14 KStG, Rz. 15c (Stand: 11.2009); Witt, Ubg 2010, 737 (741 f.); hilfsweise: Mitschke, IStR 2011, 185 (186 f.); ferner Pache/Englert, IStR 2010, 448 (451 f.) hinsichtlich Beteiligungen zwischen 50% und 100%]. Eine weitere Gruppe stellt auf eine tatsächliche Verrechnung von Gewinnen und Verlusten ab, vgl. Nagler/Kleinert, DB 2005, 855 (856); Kleinert/Nagler/Rehm, DB 2005, 1869 ff.; Hey, GmbHR 2006, 113 (119); von Brocke, DStR 2010, 964 (966 f.); Graw, DB 2010, 2469 (2472); Heurung/Engel/Thiedemann, FR 2011, 212 (218 f.). Behrens, Ubg 2011, 665 (670) verlangt sowohl den Abschluss eines Verlustübernahmevertrages, als auch die tatsächliche Verrechnung von Gewinnen und Verlusten. Die Finanzverwaltung scheint den Gewinnabführungsvertrag hingegen als letzte Barriere gegen europarechtliche Ansprüche zu sehen, vgl. Facharbeitsgruppe Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung, Bericht Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung, 2011, S. 126, abrufbar unter: http://www.bundesfinanzministerium.de/; vgl. auch Gosch, BFH/PR 2011, 266 (268). Andererseits sieht ein Eckpunktepapier der Koalitionsfraktionen jüngst die Abschaffung des Gewinnabführungsvertrages bis 2016 im Rahmen des Projekts der Konvergenz der deutschen und französischen Körperschaftbesteuerung vor, abrufbar unter http://www.iww.de/quellenmaterial/dokumente/120611.pdf (Abruf 29.02.2012). 1581 Vgl. BFH, Urt. v. 07.12.2011, I R 30/08 (Scheuten Solar Technology), DStR 2012, 509, Rz. 21; Bärwaldt/Schabacker, AG 1998, 182 (186); Bauschatz, Der Konzern 2003, 805; Scheunemann, Grenzüberschreitende konsolidierte Konzernbesteuerung, 2005, S. 101 ff.; ders., IStR 2006, 145 (146); Heckschen, in: Süß/Wachter, Handbuch des internationalen GmbH-Rechts, 2006, § 7, Rz. 25; Herzig/Wagner, DStR 2006, 1 (9); Kindler, in: Säcker/Rixecker, Münchener Kommentar BGB, 5. Aufl. 2010, Band
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Insofern ist zwischen dem Inbound-Fall einer ansässigen und dem OutboundFall einer gebietsfremden Tochtergesellschaft zu unterscheiden: Während im Inbound-Fall deutsches Recht anzuwenden ist, ist im Outbound-Fall das ausländische Recht einschlägig1582. Im Inbound-Fall erscheint der Abschluss eines grenzüberschreitenden Gewinnabführungsvertrages aufgrund der Anwendung deutschen Rechts zunächst weitgehend unproblematisch. Aus der Sicht des deutschen Gesellschaftsrechts wird er als zulässig angesehen.1583 Davon geht auch § 18 KStG implizit aus. Jedoch können gesellschaftsrechtliche Grundwertungen oder Gläubigerschutzvorschriften im Ansässigkeitsstaat der Muttergesellschaft seiner wirksamen Durchführung entgegenstehen,1584 weil die Muttergesellschaft durch den Gewinnabführungsvertrag auch zur Verlustübernahme verpflichtet wird. Hinsichtlich des Outbound-Falls, auf den das ausländische Recht anzuwenden ist, wird im Schrifttum überwiegend vertreten, dass ein Gewinnabführungsvertrag von den EU-Mitgliedstaaten nur mit Österreich, Portugal und Slowenien möglich sei, da nur deren Rechtsordnungen einen Gewinnabführungsvertrag kennen.1585 Entsprechend dem Grundsatz der Privatautonomie dürfte aber zunächst von der zivilrechtlichen Zulässigkeit eines Gewinnabführungsvertrag auszugehen sein.1586 Fraglich ist hier aber, ob gesellschaftsrechtliche Grund-
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11, IntGesR, Rz. 756; Altmeppen, in: Goette/Habersack, Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. 2010, Einl. §§ 291 ff., Rz. 36 jeweils m.w.N. Eine freie Rechtswahl ist nicht möglich, da es sich beim Gewinnabführungsvertrag nicht um einen schuldrechtlichen Vertrag, sondern um einen gesellschaftsrechtlichen Organisationsvertrag handelt, vgl. BGH, Bschl. v. 24.10.1988, II ZB 7/88, NJW 1989, 295 (296); Bschl. v. 30.01.1992, II ZB 15/91, NJW 1992, 1452 (1454) jeweils m.w.N. Im Outbound-Fall treten dann noch die auf die ansässige Muttergesellschaft anwendbaren Vorschriften des deutschen Konzernrechts hinzu, vgl. etwa Bärwaldt/Schabacker, AG 1998, 182 (189); Kindler, in: Säcker/Rixecker, Münchener Kommentar BGB, 5. Aufl. 2010, Band 11, IntGesR, Rz. 756 m.w.N. Zwar werden in der Literatur teilweise mitbestimmungs- und gesellschaftsrechtliche Vorbehalte geäußert, § 305 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AktG geht aber implizit von der Zulässigkeit grenzüberschreitender Unternehmensverträge aus, vgl. Bärwaldt/Schabacker, AG 1998, 182 (184 ff.); Kindler, in: Säcker/Rixecker, Münchener Kommentar BGB, 5. Aufl. 2010, Band 11, IntGesR, Rz. 776 ff. m.w.N. Vgl. zum Outbound-Fall entsprechend Winter/Marx, DStR 2011, 1101 (1104). Vgl. Scheunemann, Grenzüberschreitende konsolidierte Konzernbesteuerung, 2005, S. 125 ff.; ders., IStR 2006, 145 (146); Kußmauß/Tcherveniachki, StuB 2005 626 (631 f.); Pache/Englert, IStR 2007, 47 (49); dies., IStR 2010, 448 (451); Mayr, BB 2008, 1312 (1315); ders., IStR 2010, 633 (634); Förster, IStR 2010, 246 (247); Hiller, Zinsschranke, 2011, S. 98 f.; Rublack, FR 2011, 791 (794); a.A.: Heckschen, in: Süß/Wachter, Handbuch des internationalen GmbH-Rechts, 2006, § 7, Rz. 50; Winter/Marx, DStR 2011, 1101 (1104); Stöber, BB 2011, 1943 (1945); Behrens, Ubg 2011, 665 (669 f.). Vgl. Kolbe, StuB 2011, 495 (496); Winter/Marx, DStR 2011, 1101 (1104); Kahle/Vogel/Schulz, Ubg 2011, 761 (765); ferner: Heckschen, in: Süß/Wachter, Handbuch
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
wertungen oder Gläubigerschutzvorschriften der Gewinnabführung an die Obergesellschaft entgegenstehen. Insofern wird eine Einzelfallbetrachtung für jeden Mitgliedstaat geboten sein.1587 Sofern im Outbound-Fall ein rechtswirksamer grenzüberschreitender Gewinnabführungsvertrag besteht, ist dieser für das Steuerrecht nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG auch als Gewinnabführungsvertrag i.S.d. § 291 Abs. 1 AktG anzuerkennen. Denn einerseits erlaubt § 17 KStG auch einen Gewinnabführungsvertrag mit einer GmbH, auf die die Vorschriften des AktG nicht unmittelbar anwendbar sind.1588 Andererseits ist dies das Ergebnis einer europarechtskonformen Auslegung des § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG, da die Vorschrift ansonsten unstreitig diskriminierend wäre. (2)
Schlussfolgerungen
Als Folge der vorigen Analyse kann der Abschluss eines grenzüberschreitenden Gewinnabführungsvertrages für die Zukunft nur in den Fällen gefordert werden, in denen das Recht des anderen Mitgliedstaates dessen rechtswirksame Durchführung erlaubt.1589 In den übrigen Fällen ist die Voraussetzung des Gewinnabführungsvertrages selbst rechtlich diskriminierend.1590 Für die Zu-
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des internationalen GmbH-Rechts, 2006, § 7, Rz. 50; vgl. implizit auch BMF v. 28.03.2011, BStBl. I 2011, 300. Andererseits ging eine Facharbeitsgruppe von Bund und Ländern zuletzt davon aus, dass ein Gewinnabführungsvertrag grenzüberschreitend nur ausnahmsweise abgeschlossen werden könne, vgl. Facharbeitsgruppe Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung, Bericht Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung, 2011, S. 124, abrufbar unter: http://www.bundesfinanzministerium.de/. Vgl. Winter/Marx, DStR 2011, 1101 (1104). Vgl. zutreffend Winter/Marx, DStR 2011, 1101 (1103). So auch Scheunemann, IStR 2006, 145 (147); Rublack, FR 2010, 791 (796); ferner: Wissenschaftlicher Beirat Ernst & Young, BB 2005, 754 (755). Für die Vergangenheit wird man aufgrund des Rechtsstaatsprinzips und des Effektivitätsgrundsatzes des Unionsrechts (siehe dazu sogleich) auch hier – trotz der rechtlichen Möglichkeit – in der Regel nicht den Abschluss eines grenzüberschreitenden Gewinnabführungsvertrages verlangen können, da dieser für den Steuerpflichtigen zumeist erst mit der steuerlichen Organschaft attraktiv wird, eine grenzüberschreitende Organschaft tatbestandlich jedoch durch den doppelten Inlandsbezug des § 14 Abs. 1 KStG ausgeschlossen wird. Vgl. allgemein zur diskriminierenden Wirkung des Gewinnabführungsvertrages FG Niedersachsen, Urt. v. 11.02.2010, 6 K 406/08, IStR 2010, 260 (262); Wissenschaftlicher Beirat Ernst & Young, BB 2005, 754 (755); Raupach/Pohl, NZG 2005, 489 (492); Thömmes, IWB 2005, Fach 11a, 938 (940); Scheunemann, IStR 2005, 303 (310); ders., IStR 2006, 145 (146); Herzig/Wagner, DStR 2006, 1 (9); Hey, GmbHR 2006, 113 (118); Kolbe, in: H/H/R, EStG/KStG, § 14 KStG, Rz. 12 (Stand: 05.2006); Klarmann, IFSt-Schrift Nr. 440, 2006, S. 95 f.; Pache/Englert, IStR 2007, 47 (49); Mayr, BB 2008, 1312 (1315); Kußmaul/Niehren, FS Djanani, 2008, S. 177 (190 f.); Rublack, FR 2010, 791 (793); Witt, Ubg 2010, 737 (741); Graw, DB 2010, 2469 (2471); Heurung/Engel/Thiedemann, FR 2011, 212 (218); Kosalla, Ubg 2011, 874 (876); Glahe, IStR 2012, 128 (131 f.); a.A.: FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 17.03.2010, 1 K 2406/07, DStRE 2010, 802 (805); Thiel, DB 2004, 2603 (2605); Neumann, in:
Zinsschranke
kunft steht es dem Gesetzgeber aber frei, nichtdiskriminierende Ersatzkriterien aufzustellen. So könnte der Steuerpflichtige etwa verpflichtet werden Gewinne und Verluste tatsächlich auszugleichen und dem Finanzamt vorab anzuzeigen, welche Gesellschaften bzw. Betriebsstätten1591 in den kommenden fünf Jahren in den Organkreis einbezogen werden sollen.1592 Für den Übergangszeitraum bis zu einer Gesetzesänderung dürften auch Gerichte oder die Finanzverwaltung für zukünftige Wirtschaftsjahre qua teleologischer Reduktion derartige Voraussetzungen aufstellen. Zuletzt hat das FG Niedersachsen1593 den Abschluss eines Verlustübernahmevertrages sogar für die zurückliegenden Wirtschaftsjahre gefordert, so dass im Streitfall die von der Klägerin angestrebte Verlustverrechnung mangels eines entsprechenden Vertrages versagt wurde. Die Lösung des FG Niedersachsen ist jedoch zurückzuweisen, weil, erstens, einer Verlustübernahmeverpflichtung im Inbound-Fall Gläubigerschutzvorschriften und gesellschaftsrechtliche Grundwertungen des Rechts der gebietsfremden Muttergesellschaft entgegenstehen können.1594 Vor allem ist zweitens die ex tunc-Wirkung der teleologischen Reduktion vor dem Hintergrund des Rechtsstaatsprinzips und des Effektivitätsgrundsatzes des Unionsrechts1595 abzulehnen. Bis die Grundfreiheits-
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Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 14, Rz. 16; Mitschke, DStR 2010, 1368 (1370); ders., IStR 2011, 185 (186); ferner: Meilicke, IStR 2006, 130; Erle/Heurung, in: Erle/Sauter, KStG, 3. Aufl. 2010, § 14, Rz. 199 ff.; Behrens, Ubg 2011, 665 (670). Gemeint sind hier die inländischen Betriebsstätten gebietsfremder Konzerngesellschaften, die aufgrund des grundfreiheitlichen Diskriminierungsverbots bzw. aufgrund § 18 KStG mit in den Organkreis einbezogen werden können, siehe C.II.2.c)cc)(2). Die jüngeren Pläne der Koalitionsfraktionen gehen noch einen Schritt weiter und sehen im Rahmen des Projekts der Konvergenz der deutschen und französischen Körperschaftbesteuerung bis 2016 die Einführung eines modernen Gruppenbesteuerungssystems anstelle der Organschaft vor. Die dabei zugleich geplante Abschaffung des Gewinnabführungsvertrages wird aber vielmehr mit dessen Fehleranfälligkeit sowie betriebswirtschaftlich ungünstigen Anreizwirkung, als mit dessen europarechtlicher Erwägungen begründet, vgl. http://www.iww.de/quellenmaterial/dokumente/ 120611.pdf (Abruf 29.02.2012). FG Niedersachsen, Urt. v. 11.02.2010, 6 K 406/08, IStR 2010, 260 (263) [Revision ohne Entscheidung dieser Frage aufgrund des Fehlens finaler Verluste abgelehnt durch BFH, Bschl. v. 09.11.2010, I R 16/10, IStR 2011, 110]; ebenfalls: Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 14 KStG, Rz. 15c (Stand: 11.2009); vgl. mit hilfsweiser Argumentation auch das FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 17.03.2010, 1 K 2406/07, DStRE 2010, 802 (807 f.), das aber bereits eine Diskriminierung aufgrund fehlender Vergleichbarkeit von innerstaatlichem Sachverhalt mit und grenzüberschreitendem Sachverhalt ohne Gewinnabführungsvertrag ablehnt, siehe C.II.2.b)aa)(3)(iii). Siehe oben unter (1). Vgl. dazu EuGH, Urt. v. 16.12.1976, 33/76 (Rewe-Zentralfinanz u.a./Landwirtschaftskammer für das Saarland), Slg. 1976, 1989, Rz. 5; Urt. v. 14.12.1995, C-312/93 (Peterbroeck u.a.), Slg. 1995, I-4599, Rz. 12 m.w.N.; Urt. v. 30.06.2011, C-262/09 (Meilicke u.a. II), IStR 2011, 551, Rz. 55 ff.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
widrigkeit vom EuGH festgestellt und die Anforderungen an einen alternativen Vertrag klar aufgezeigt worden sind, wäre jedes ex tunc angewendete Ersatzkriterium, auf das sich der Steuerpflichtige gerade nicht einstellen konnte, grob unbillig und würde die effektive Durchsetzung der durch die Grundfreiheiten garantierten Rechte unterlaufen.1596 Stellt der Gesetzgeber mit dem Gewinnabführungsvertrag ein Tatbestandsmerkmal auf, das in vielen grenzüberschreitenden Fällen nicht erfüllbar ist, kann die Rechtsunsicherheit eines durch teleologische Reduktion aufgestellten Ersatzkriteriums nicht zu Lasten der Steuerpflichtigen gehen, sondern nur zu Lasten des das Europarecht brechenden Staates. Für die Vergangenheit wird man nur verlangen können, dass sich ein internationaler Konzern für jeweils fünf zurückliegende, noch nicht bestandskräftig gewordene Veranlagungszeiträume auf einen Organkreis festzulegen hat.1597 Dass dadurch der grenzüberschreitend tätige Steuerpflichtige besser gestellt wird als sein rein innerstaatlich tätiger Konkurrent, weil er aus der Retrospektive frei den für ihn günstigsten Organkreis wählen kann, ist hinzunehmen. Denn dies dürfte im Ergebnis den Prinzipien der Wettbewerbsgleichheit und Gleichbehandlung besser gerecht werden, als der status quo oder das Urteil des Niedersächsischen FG. e)
Zwischenergebnis
Nach den Erfahrungen mit § 8a KStG a.F. und der Rs. Lankhorst-Hohorst1598 war der deutsche Gesetzgeber erkennbar darauf bedacht, die Zinsschranke unterschiedslos auszugestalten, obwohl im innerstaatlichen Sachverhalt überhaupt keine Gefahr der Gewinnverlagerung ins Ausland besteht. Er verband damit – neben dem Fiskalzweck – die Hoffnung, unionsprimärrechtlichen Problemen von vornherein aus dem Weg zu gehen. Diese Hoffnung konnte sich nicht erfüllen. Dies ist jedoch weder auf das Beschränkungsverbot noch auf horizontale Diskriminierungen, sondern auf vereinzelte vertikale Diskriminierungen der allein anwendbaren Niederlassungsfreiheit zurückzuführen. Erstens hat der Gesetzgeber mit der Nichtanerkennung von Rechnungslegungsstandards der EWR-Staaten in § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. c Satz 9 EStG überflüssigerweise eine offene Diskriminierung nach dem Sitz der Konzernmuttergesellschaft begründet, obwohl er an anderer Stelle, in § 291 HGB, diese Standards prinzipiell für gleichwertig hält. Deutschland könnte sich in einem möglichen Verfahren vor dem EuGH daher nicht auf den Rechtfertigungsgrund der wirksamen steuerlichen Kontrolle berufen. Gerade in letzter
1596 Vgl. kritisch auch Hey, StuW 2010, 301 (314); ferner: Homburg, IStR 2010, 246 (251); von Brocke, DStR 2010, 964 (967). 1597 Der Steuerpflichtige kann eine neue Wahl des Organkreises für jedes Wirtschaftsjahr mit Verweis auf die Diskriminierungsverbote der Grundfreiheiten nicht verlangen. 1598 EuGH, Urt. v. 12.12.2002, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-11779.
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Zinsschranke
Zeit hat die Kommission verstärkt Vertragsverletzungsverfahren aufgrund der Diskriminierung von Sachverhalten mit EWR-Staaten eingeleitet.1599 Eine zweite vertikale Diskriminierung begründet § 4h Abs. 3 Satz 2 f. EStG. Danach können ansässige Konzerngesellschaften nur die Zinserträge ansässiger Zweigniederlassungen, nicht aber gebietsfremder Betriebsstätten in das verrechenbare EBITDA einbeziehen. Diese Diskriminierung kann entsprechend der Rs. Lidl Belgium1600 aber mit dem Territorialitätsprinzip gerechtfertigt werden, weil Deutschland symmetrisch weder die Zinserträge noch die Zinsaufwendungen der gebietsfremden Betriebsstätten berücksichtigt. Eine dritte und praktisch besonders relevante Diskriminierung entsteht durch die Verknüpfung der Zinsschranke mit der nur zwischen ansässigen Konzerngesellschaften begründbaren Organschaft. Nach § 15 Satz 1 Nr. 3 KStG ist die Zinsschranke nicht mehr auf die Organgesellschaften anzuwenden, sondern nur noch auf den Organträger. Diesem werden die Zinsen und die EBITDA der Organgesellschaften zugerechnet, wodurch der Organträger der Zinsabzugsbeschränkung ggf. entgehen kann. Dass die Verrechnung dieser Größen im grenzüberschreitenden Fall ausgeschlossen ist, kann jedoch weitgehend mit dem Territorialitätsprinzip gerechtfertigt werden, weil symmetrisch weder positive noch negative EBITDA sowie weder Zinserträge noch Zinsaufwendungen der gebietsfremden verbundenen Unternehmen in die Bemessungsgrundlage einbezogen werden. Nicht rechtfertigbar ist dagegen der Ausschluss originär inländischer EBITDA und Zinsen von Tochtergesellschaften mit statuarischem Sitz im Inland und Geschäftsleitung im Ausland sowie von inländischen Betriebsstätten ausländischer Tochtergesellschaften. Nicht zu rechtfertigen ist weiterhin, dass der reine Inlandskonzern, der eine Organschaft begründet, nach § 15 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG als ein Betrieb zählt und somit unter die Konzernklausel des § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. b EStG fällt. Dies stellt letztlich eine Bereichsausnahme der Zinsschranke für den reinen Inlandsfall dar, die weder mit dem Territorialitätsprinzip noch mit einer Gesamtbetrachtung der Ziele der Verhinderung der Steuerumgehung und der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse gerechtfertigt werden kann. Dem Gesetzgeber wird es dabei zum Verhängnis, dass er die §§ 4h EStG, 8a KStG nicht mehr am Fremdvergleich ausgerichtet hat und missbräuchliche Umgehungen des territorialen Besteuerungsanspruchs aufgrund übermäßiger Gesellschafter-Fremdfinanzierungen damit nicht mehr zielgenau erfasst. Die Zielgenauigkeit stellen auch nicht die Änderungen durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz wie-
1599 Vgl. EuGH, Urt. v. 11.06.2009, C-521/07 (Kommission/Niederlande), n.n.v.; Urt. v. 06.10.2009, C-562/07 (Kommission/Spanien), n.n.v.; Urt. v. 19.11.2009, C-540/07 (Kommission/Italien), n.n.v.; ferner: Urt. v. 03.06.2010, C-487/08 (Kommission/Spanien), Slg. 2010, I-4843, Rz. 9, 72. 1600 EuGH, Urt. v. 14.02.2008, C-414/06 (Lidl Belgium), Slg. 2008, I-3601, Rz. 33.
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der her.1601 Mit der Abkehr vom Fremdvergleichsgrundsatz hat der Gesetzgeber die Chance verpasst, das durch die Rs. Thin Cap1602 und Lammers & Van Cleef1603 erweiterte Rechtfertigungspotential einer Gesamtbetrachtung der Ziele der Verhinderung der Steuerumgehung und der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse auszunutzen.
3.
Unionssekundärrechtliche Würdigung der Zinsschranke
Neben der Vereinbarkeit mit primärem Unionsrecht wurde in der Literatur1604 auch diskutiert, ob die Zinsabzugsbeschränkung des § 4h EStG gegen Art. 1 Abs. 1 ZLRL verstößt. Soweit § 4h EStG ein Abzugsverbot von Zinszahlungen an in einem anderen Mitgliedstaat ansässige verbundene Unternehmen i.S.d. ZLRL betrifft, sind grundsätzlich auch die Vorgaben der ZLRL zu beachten.1605 Die Definitionen von Zinsen des § 4h Abs. 3 Sätze 2 und 3 EStG und des Art. 2 lit. a ZLRL decken sich jedenfalls weitestgehend. Der im Schrifttum geführten Diskussion hat der EuGH mit seinem Urteil in der Rs. Scheuten Solar Technology zuletzt jedoch ein Ende gesetzt.1606 Darin entschied der EuGH, dass die ZLRL lediglich darauf ausgerichtet ist, den Nutzungsberechtigten der Zinsen oder Lizenzgebühren im Quellenstaat von jeglicher Steuererhebung zu befreien und sich somit nur gegen die juristische 1601 Die Erhöhung der Freigrenze und der Toleranz beim Eigenkapitalvergleich sowie die Einführung des EBITDA-Vortrags verringern nur die Zahl der von der Zinsabzugsbeschränkung des § 4h EStG betroffenen Unternehmen, beseitigen diese aber nicht generell, siehe B.II.2. 1602 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 80 f. 1603 EuGH, Urt. v. 17.01.2008, C-105/07 (Lammers & Van Cleef), Slg. 2008, I-173, Rz. 29 f. 1604 Für einen Verstoß gegen die ZLRL: Köhler, DStR 2007, 597 (604); Homburg, FR 2007, 717 (725); Dörr/Fehling, NWB 2007, Fach 2, 9375 (9377 f.); Kraft/Bron, EWS 2007, 487 (491 f.); Loukota, SWI 2008, 105 (106 f.); Bauer, SWI 2008, 358 (361); Hey, FS Djanani, 2008, S. 109 (119 f.); Goebel/Jacobs, IStR 2009, 87 (92); Förster, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 4h EStG Exkurs, Rz. 39; Leitner, FS Schaumburg, 2009, S. 889 (900); Shou, Die Zinsschranke im Unternehmensteuerreformgesetz 2008, 2010, S. 140 ff.; Goebel/Eilinghoff, DStZ 2010, 550 (560); München, Zinsschranke, 2010, S. 116 ff.; Hiller, Zinsschranke, 2011, S. 35 ff.; a.A.: Mössner, in: Lüdicke, Unternehmensteuerreform 2008 im internationalen Umfeld, 2008, S. 1 (50 ff.); Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 8a KStG, Rz. 8 (Stand: 11.2008); Eisgruber, in: Herzig, Handbuch Unternehmensteuerreform 2008, 2008, Rz. 181; Führich, Ubg 2009, 30 (38); ders., Der Einfluss der EuGH-Rechtsprechung auf die deutsche Unternehmensbesteuerung, 2009, S. 143 ff.; Bohn, Zinsschranke, 2009, S. 90 ff.; von Bar, Die Zinsschranke und ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht, 2010, S. 138 ff.; Seiler, in: Kirchhof, EStG, 11. Aufl. 2012, § 4h, Rz. 6 mit Fn. 1. 1605 Siehe C.II.1.a), siehe dort auch zum Begriff des verbundenen Unternehmens i.S.d. ZLRL. 1606 EuGH, Urt. v. 21.07.2011, C-397/09 (Scheuten Solar Technology), IStR 2011, 590, Rz. 20 ff.
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Zinsschranke
Doppelbesteuerung richtet. Regelungen über die Bemessungsgrundlage für die Besteuerung des Zinszahlers wie Regelungen über die Abziehbarkeit bestimmter Aufwendungen fallen hingegen nicht in den Anwendungsbereich der ZLRL. Die gemäß § 8 Nr. 1 GewStG 2002 beim Zinszahler vorgenommene hälftige Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen verstieß nach Ansicht des EuGH daher nicht gegen Art. 1 Abs. 1 ZLRL. Daraus ist zu folgern, dass die gemäß §§ 4h EStG, 8a KStG beim Zinszahler vorgenommene Zinsabzugsbeschränkung nach der Rechtsprechung des EuGH ebenfalls keinen Verstoß gegen die ZLRL begründet.1607 a)
Zum Wortlaut der ZLRL
Das Urteil in der Rs. Scheuten Solar Technology begründete der EuGH primär mit dem Wortlaut der ZLRL. Aus der Definition von Zinsen in Art. 2 lit. a ZLRL als „Einkünfte aus Forderungen jeder Art“ schloss der EuGH, dass sich Art. 1 Abs. 1 ZLRL nur gegen die Besteuerung des Nutzungsberechtigten richten könne, da nur der Nutzungsberechtigte, aber nicht der Zahler der Zinsen Einkünfte aus den Zinszahlungen erzielt.1608 Dieses Argument war in der Literatur zuvor primär zu Art. 1 Abs. 1 ZLRL diskutiert worden, der in der deutschen Sprachfassung ebenfalls auf „Einkünfte“ abstellt.1609 Hier war das Argument jedoch nicht haltbar, da alle anderen Sprachfassungen vielmehr von „Zahlungen“ von Zinsen und Lizenzgebühren sprechen.1610 In Art. 2 lit. a ZLRL ist aber auch in anderen Sprachfassungen von „Einkünften“ die Re-
1607 Ebenso: Sydow, IStR 2011, 590 f.; Goebel/Küntscher, IStR 2011, 630 (634); Bron, EWS 2011, 386 (387); Rehm/Nagler, GmbHR 2011, 937 (938); Dorfmüller/Wilmering, StuB 2011, 631 (632); Hiller, BB 2011, 2715 (2717); Jaschke, RIW 2011, 766 (771); vgl. allgemein zu Unterkapitalisierungsvorschriften van Dongen, ET 2012, 20 (24). 1608 Vgl. EuGH, Urt. v. 21.07.2011, C-397/09 (Scheuten Solar Technology), IStR 2011, 590, Rz. 27; vgl. zuvor GA Sharpston, SchlA v. 12.05.2011, C-397/09 (Scheuten Solar Technology), n.n.v., Rz. 59; Hölscher, RIW 2010, 51 (53). 1609 Vgl. insbesondere Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 8a KStG, Rz. 8 (Stand: 11.2008). 1610 Vgl. GA Sharpston, SchlA v. 12.05.2011, C-397/09 (Scheuten Solar Technology), n.n.v., Rz. 59; zuvor ebenfalls ablehnend FG Münster, Urt. v. 22.02.2008, 9 K 5143/06 G, IStR 2008, 372 (373); BFH, Bschl. v. 27.05.2009, I R 30/08, IStR 2009, 780 (782); Rainer, IStR 2008, 375; Goebel/Jacobs, IStR 2009, 87 (88 f.); Thömmes, IWB 2009, Fach 3a Gruppe 1, 1145 (1147); Hahn, IStR 2009, 346 f.; Hölscher, RIW 2010, 51 (53); Englisch, in: Lang u.a., ECJ: Recent Developments in Direct Taxation 2009, 2010, S. 79 (101 f.); München, Zinsschranke, 2010, S. 121; Hiller, Zinsschranke, 2011, S. 48. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH sind bei der Auslegung der unionsrechtlichen Vorschriften die verschiedenen sprachlichen Fassungen zu vergleichen, vgl. Urt. v. 06.10.1982, 283/81 (CILFIT u.a.), Slg. 1982, 3415, Rz. 18; Urt. v. 07.07.1988, 55/87 (Moksel), Slg. 1988, 3845, Rz. 15 f.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
de.1611 Gleichwohl kann nicht allein aus Art. 2 lit. a ZLRL der Schluss gezogen werden, dass sich die ZLRL lediglich gegen die Besteuerung des Nutzungsberechtigten richtet. Denn erstens definiert Art. 2 lit. b ZLRL Lizenzgebühren als „Zahlungen“ bzw. „Vergütungen jeder Art“.1612 Zweitens ist in Art. 1 Abs. 1 ZLRL bei einem Vergleich der Sprachfassungen weiterhin von „Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren“ die Rede.1613 Der EuGH ging in der Rs. Scheuten Solar Technology darauf nicht ein, verwies zur Bestätigung seiner Auslegung aber auf die Ausnahmebestimmung des Art. 1 Abs. 10 ZLRL. Weil es den Mitgliedstaaten danach frei steht, die ZLRL bei Unterschreiten der Mindesthaltedauer von zwei Jahren „nicht auf ein Unternehmen eines anderen Mitgliedstaats oder die Betriebsstätte eines Unternehmens eines anderen Mitgliedstaats anzuwenden“, zog der EuGH den Schluss, dass sich Art. 1 Abs. 1 ZLRL nur gegen die Besteuerung des Nutzungsberechtigten richten könne.1614 Jedoch ist auch der Verweis auf Art. 1 Abs. 10 ZLRL kein zwingendes Argument, da vom Umfang einer Ausnahmeregelung nur bedingt Rückschlüsse auf den Grundtatbestand gezogen werden können.1615 Bemerkenswert ist, dass der EuGH in der Rs. Scheuten Solar Technology nicht auf die Vorschriften der ZLRL eingegangen ist, die für eine Anwendung der Richtlinie auf Abzugsbeschränkungen beim Zinszahler sprechen.1616 So sieht Art. 1 Abs. 1 ZLRL im Unterschied zu Art. 5 MTRL nicht bloß eine Befreiung vom „Steuerabzug an der Quelle“ vor, sondern eine Befreiung „von allen in diesem Staat [auf Zahlungen von Zinsen oder Lizenzgebühren] erhebbaren Steuern – unabhängig davon, ob sie an der Quelle abgezogen oder durch Veranlagung erhoben werden – […], sofern der Nutzungsberechtigte der Zinsen oder Lizenzgebühren ein Unternehmen eines anderen Mitgliedstaats“ ist. Der Wortlaut des Art. 1 Abs. 1 ZLRL erfasst somit auch Steuern wie Zinsabzugsbeschränkungen, die im Wege der Veranlagung beim Zinszahlenden erhoben
1611 Vgl. etwa die englische („income“), die französische („revenue“) und die italienische („redditi“) Sprachfassung. Vgl. auch Hölscher, RIW 2010, 51 (53). 1612 Vgl. für „Zahlungen“ etwa die englische („payments of any kind“) und die französische Sprachfassung („les paiements de toute nature“), vgl. für „Vergütungen“ etwa die deutsche und die italienische („i compensi di qualsiasi natura“) Sprachfassung. Vgl. auch Goebel/Küntscher, IStR 2011, 630 (633). 1613 Vgl. auch Jaschke, RIW 2011, 766 (767). Siehe zum Vergleich der Sprachfassungen bereits oben mit den Nachweisen in Fn. 1610. 1614 Vgl. EuGH, Urt. v. 21.07.2011, C-397/09 (Scheuten Solar Technology), IStR 2011, 590, Rz. 29; GA Sharpston, SchlA v. 12.05.2011, C-397/09 (Scheuten Solar Technology), n.n.v., Rz. 60. 1615 Vgl. Jaschke, RIW 2011, 766 (771). Ausnahmeregelungen können auch enger ausgestaltet sein als der Grundtatbestand. 1616 Kritisch Thömmes, IWB 2011, Fach 11a, 627 (629).
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Zinsschranke
werden.1617 Daher kommt es entgegen Teilen des Schrifttums1618 auch nicht darauf an, dass die Zinsabzugsbeschränkung des § 4h EStG nach den in der Rechtsprechung des EuGH zur MTRL aufgestellten Kriterien1619 als Quel1617 Vgl. Weber, EC Tax Rev. 2000, 15 (27); Dautzenberg, BB 2004, 17 (18 f.); Distaso/Russo, ET 2004, 143 (152); Brosens, EC Tax Rev. 2004, 188 (206); Kessler/Eicker/Schindler, IStR 2004, 678 (679 f.); Köhler, DStR 2005, 227 (231); Dörr/Fehling, NWB 2007, Fach 2, 9375 (9377 f.); Kraft/Bron, EWS 2007, 487 (491); Loukota, SWI 2008, 105 (107); Hidien, DStZ 2008, 131 (132 f.); Goebel/Jacobs, IStR 2009, 87 (88); dies., IStR 2009, 349; Thömmes, IWB 2009, Fach 3a Gruppe 1, 1145 (1147); ders., JbFStR 2010/2011, 31 (78 f.); ders., IWB 2011, Fach 11a, 419 (422 f.); ders., IWB 2011, Fach 11a, 627 (629); Hölscher, RIW 2010, 51 (53); Englisch, in: Lang u.a., ECJ: Recent Developments in Direct Taxation 2009, 2010, S. 79 (101 f.); Dorenkamp, DStJG 33 (2010), 301 (334); München, Zinsschranke, 2010, S. 119; Hiller, Zinsschranke, 2011, S. 53; wohl auch: BFH, Bschl. v. 27.05.2009, I R 30/08, IStR 2009, 780 (782); a.A.: Kempf/Straubinger, IStR 2005, 773 (774 f.); Mössner, in: Lüdicke, Unternehmensteuerreform 2008 im internationalen Umfeld, 2008, S. 1 (51); Hahn, IStR 2009, 346 f.; Bar, Die Zinsschranke und ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht, 2010, S. 145. 1618 Vgl. Kempf/Straubinger, IStR 2005, 773 (774 f.); Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 8a KStG, Rz. 8 (Stand: 11.2008); Mössner, in: Lüdicke, Unternehmensteuerreform 2008 im internationalen Umfeld, 2008, S. 1 (51 f.); Führich, Ubg 2009, 30 (33); ders., Der Einfluss der EuGH-Rechtsprechung auf die deutsche Unternehmensbesteuerung, 2009, S. 144. 1619 Nach dieser Rechtsprechung kommt es nicht darauf an, dass eine Steuer als Quellensteuer bezeichnet wird, sondern darauf, dass diese die gleiche Wirkung wie eine Quellensteuer aufweist. Dies ist nach Ansicht des EuGH der Fall, wenn die folgenden drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: Erstens muss die Zahlung von Dividenden oder anderen Erträgen aus Beteiligungen der auslösende Tatbestand für die Besteuerung sein, zweitens müssen die Erträge aus Beteiligungen als Bemessungsgrundlage für die Steuer dienen und drittens muss der Steuerpflichtige auch Inhaber der Beteiligung und somit der Zahlungsempfänger der Dividenden sein, vgl. EuGH, Urt. v. 08.06.2000, C-375/98 (Epson Europe), Slg. 2000, I-4243, Rz. 23; Urt. v. 04.10.2001, C-294/99 (Athinaïki Zythopoiia), Slg. 2001, I-6797, Rz. 28 f.; Urt. v. 25.09.2003, C58/01 (Océ van der Grinten), Slg. 2003, I-9809, Rz. 47; Urt. v. 06.12.2006, C-446/04 (FII), Slg. 2006, I-11753, Rz. 108; Urt. v. 26.06.2008, C-284/06 (Burda), Slg. 2008, I4571, Rz. 52; Urt. v. 24.06.2010, C-338/08 u.a. (Ferrero u.a.), Slg. 2010, I-5741, Rz. 26. Die dritte Voraussetzung ist bei § 4h EStG offensichtlich nicht erfüllt, da die Zinsabzugsbeschränkung beim Zahler der Zinsen eintritt. Zwar nahm der EuGH in der Rs. Athinaïki Zythopoiia (a.a.O., Rz. 28 f.) eine eher wirtschaftliche Betrachtungsweise ein und sah in der Erhöhung der Bemessungsgrundlage der Dividenden ausschüttenden Tochtergesellschaft (Zahler) einen Verstoß gegen das Quellensteuerverbot des Art. 5 MTRL, der EuGH hielt in den Rs. Burda (a.a.O., Rz. 60 ff.) und Ferrero u.a. (a.a.O., Rz. 26, 34 f.) jedoch an der dritten Voraussetzung fest. Folglich stellt die Zinsabzugsbeschränkung nach der Rechtsprechung des EuGH keine Quellensteuer dar. Darüber hinaus wäre es auch fraglich, ob die beiden anderen Voraussetzungen auch bei nur einem mittelbaren Zusammenhang zwischen der Höhe der Zinszahlung und der Besteuerung vorliegen. Denn die Steuerhöhe der Zinsschranke ist etwa vom Verhältnis des EBITDA zum Nettozinsaufwand sowie vom Vorliegen der Ausnahmen
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lensteuer zu qualifizieren ist.1620 Genauso wenig ist es damit entscheidend, dass die Höhe der Zinsabzugsbeschränkung nicht allein von der Höhe der Zinszahlung, sondern etwa auch vom Verhältnis des Nettozinsaufwands zum EBITDA und den Ausnahmen des § 4h Abs. 2 EStG abhängig ist.1621 Denn anders als bei einer Quellensteuer ist die Höhe einer im Rahmen einer Veranlagung erhobenen Steuer stets auch durch sonstige individuelle Verhältnisse bedingt. Entgegen dem EuGH1622 lässt sich auch nicht aus der Konjunktion „sofern“ ableiten, dass Art. 1 Abs. 1 ZLRL nur die Besteuerung des Nutzungsberechtigten betreffe. Die Funktion der Konjunktion „sofern“ besteht lediglich darin, die Steuerbefreiung davon abhängig zu machen, dass der Nutzungsberechtigte der Zinsen oder Lizenzgebühren ein Unternehmen eines anderen Mitgliedstaats ist. Für die Auslegung, dass Art. 1 Abs. 1 ZLRL auch eine Zinsabzugsbeschränkung wie § 4h EStG erfasst spricht neben dem Wortlaut der Norm selbst auch Art. 4 Abs. 1 lit. a ZLRL. Diese Ausnahmeregelung für Zahlungen, die nach dem Recht des Quellenstaates in eine Gewinnausschüttung umqualifiziert werden, wäre nämlich praktisch überflüssig, wenn die ZLRL die Steuererhebung auf Ebene des Zinszahlers nicht erfassen würde.1623 Gleiches gilt für
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1621
1622 1623
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des § 4h Abs. 2 EStG abhängig, vgl. Führich, Ubg 2009, 30 (33 u. 38); ders., Der Einfluss der EuGH-Rechtsprechung auf die deutsche Unternehmensbesteuerung, 2009, S. 144; Bohn, Zinsschranke, 2009, S. 92; Hiller, Zinsschranke, 2011, S. 67. Vgl. BFH, Bschl. v. 27.05.2009, I R 30/08, IStR 2009, 780 (782); Englisch, in: Lang u.a., ECJ: Recent Developments in Direct Taxation 2009, 2010, S. 79 (101 f.). Der EuGH lehnte die Einschlägigkeit der Urteile hingegen ab, weil es in diesen um die Auslegung von Steuertatbeständen, in Scheuten Solar Technology hingegen um die Auslegung einer Bestimmung über die Bemessungsgrundlage ging, vgl. Urt. v. 21.07.2011, C-397/09 (Scheuten Solar Technology), IStR 2011, 590, Rz. 35; vgl. zuvor GA Sharpston, SchlA v. 12.05.2011, C-397/09 (Scheuten Solar Technology), n.n.v., Rz. 50. Dies überzeugt nicht, da es lediglich eine Frage der gesetzgeberischen Ausgestaltung ist, ob eine Steuererhöhung als eigenständiger Steuertatbestand oder als Regelung über die Bemessungsgrundlage formuliert wird, vgl. auch Thömmes, IWB 2011, Fach 11a, 419 (421, 423); ders., IWB 2011, Fach 11a, 627 (630); Hiller, BB 2011, 2715 (2717); Goebel/Küntscher, IStR 2011, 630 (634). A.A. Führich, Ubg 2009, 30 (33 u. 38); ders., Der Einfluss der EuGH-Rechtsprechung auf die deutsche Unternehmensbesteuerung, 2009, S. 144; Bohn, Zinsschranke, 2009, S. 92. EuGH, Urt. v. 21.07.2011, C-397/09 (Scheuten Solar Technology), IStR 2011, 590, Rz. 26. Vgl. Kraft/Bron, EWS 2007, 487 (492); Thömmes, IWB 2011, Fach 11a, 627 (629). Vgl. auch FG Münster, Urt. v. 22.02.2008, 9 K 5143/06 G, IStR 2008, 372 (373), wobei das FG jedoch zutreffend darauf hinweist, dass für Art. 4 Abs. 1 lit. a ZLRL ein sehr begrenzter Anwendungsbereich verbliebe, weil die Qualifikation als Gewinnausschüttung auch für den Empfänger der Zinszahlungen im Quellenstaat steuerliche
Zinsschranke
Art. 4 Abs. 2 ZLRL, der die Anwendung der ZLRL auf den fremdüblichen Teil der Zinssatzvereinbarung1624 ausschließt.1625 Anders als vom EuGH im Urteil in der Rs. Scheuten Solar Technology dargestellt, kann dem Wortlaut der ZLRL damit nicht eindeutig entnommen werden, dass die Richtlinie nur gegen die Besteuerung des Nutzungsberechtigten im Quellenstaat gerichtet ist. b)
Zu den Zielsetzungen der ZLRL
In der Rs. Scheuten Solar Technology ging der EuGH nur kursorisch auf die Zielsetzungen der ZLRL ein.1626 Diese bestehen nach den Erwägungsgründen 1 bis 4 im Wesentlichen darin, eine Doppelbesteuerung grenzüberschreitender Zins- und Lizenzgebührzahlungen zwischen verbundenen Unternehmen zu vermeiden und so eine Benachteiligung gegenüber vergleichbaren mitgliedstaatsinternen Zahlungen zu verhindern. Dazu nimmt die ZLRL eine vollständige Zuweisung des Besteuerungsrechts zum Ansässigkeitsstaat des Zahlungsempfängers vor.1627 Die Benachteiligung grenzüberschreitender gegenüber rein mitgliedstaatsinterner Zins- und Lizenzgebührzahlungen kann letztlich jedoch nur effektiv verhindert werden, wenn sich die ZLRL auch gegen die wirtschaftliche Doppelbesteuerung dieser Zahlungen und damit auch gegen die Steuererhebung beim Zinszahler richtet. Ansonsten kann die von der ZLRL vorgesehene alleinige Zuweisung des Besteuerungsrechts zum Ansässigkeitsstaat des Zahlungsempfängers vom Quellenstaat über eine Abzugsbeschränkung beim Zinszahler umgangen werden.1628 Aus wirtschaftlicher Betrachtung macht es weder für den internationalen Konzern, noch für den Fiskus einen Unterschied, ob grenzüberschreitende Zins- und Lizenzgebührzahlungen mit einer Quellensteuer beim Nutzungsberechtigten oder im Rahmen einer Abzugsbeschrän-
1624 1625 1626
1627 1628
Auswirkungen haben kann, wenn von Gewinnausschüttungen im Einzelfall Quellensteuer einbehalten wird. Siehe zu dieser Einschränkung C.II.1.a). Vgl. Englisch, in: Lang u.a., ECJ: Recent Developments in Direct Taxation 2009, 2010, S. 79 (103). Vgl. EuGH, Urt. v. 21.07.2011, C-397/09 (Scheuten Solar Technology), IStR 2011, 590, Rz. 24. Die eigentliche Begründung des Urteils erfolgt anhand der bereits erörterten Wortlautargumente. Siehe bereits C.II.1.a), so grundsätzlich auch noch der EuGH im Urt. v. 21.07.2011, C-397/09 (Scheuten Solar Technology), IStR 2011, 590, Rz. 24. Vgl. in dieser Richtung auch BFH, Bschl. v. 27.05.2009, I R 30/08, IStR 2009, 780 (782); FG Münster, Urt. v. 22.02.2008, 9 K 5143/06 G, IStR 2008, 372 (373); Hidien, DStZ 2008, 131 (133); Thömmes, IWB 2009 Fach 3a Gruppe 1, 1145 (1147 f.); ders., IWB 2011, Fach 11a, 419 (423); ders., IWB 2011, Fach 11a, 627 (630); Goebel/Jacobs, IStR 2009, 87 (88); Goebel/Küntscher, IStR 2011, 630 (634); Hiller, Zinsschranke, 2011, S. 52; ders., BB 2011, 2715 (2717); Jaschke, RIW 2011, 766 (767).
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kung beim Zahlenden erhoben werden.1629 Die Zielsetzung der Richtlinie spricht somit dafür, dass Art. 1 Abs. 1 ZLRL sich auch gegen jegliche Besteuerung des Zinszahlers richtet.1630 Dagegen kann nicht eingewendet werden, dass die §§ 4h EStG, 8a KStG formal unterschiedslos ausgestaltet sind und entsprechend der im ersten Erwägungsgrund ausgedrückten Zielsetzung der ZLRL nicht zu einer Schlechterstellung grenzüberschreitender Zinszahlungen führen würden.1631 Denn wie die primärrechtliche Analyse gezeigt hat, garantiert die Zinsschranke – insbesondere aufgrund des Zusammenspiels mit der Organschaft – nicht in jedem Fall eine Gleichbehandlung.1632 Zudem ist das Unionssekundärrecht nicht darauf ausgerichtet, das primärrechtliche Diskriminierungsverbot zu wiederholen, sondern geht darüber hinaus und setzt eigene Standards, die, wie der EuGH in der Rs. Cobelfret1633 zur vergleichbaren Zielsetzung der MTRL ausgeführt hat, unabhängig davon zu beachten sind.1634 Der EuGH dürfte in der Rs. Scheuten Solar Technology von der Anwendung der ZLRL auf die Besteuerung des Zinszahler letztlich aufgrund des damit verbundenen Eingriffs in die Souveränität der Mitgliedstaaten zurückgeschreckt sein. Dazu führte der EuGH aus:
1629 Vgl. auch Kessler/Eicker/Schindler, IStR 2004, 678 (680); Hidien, DStZ 2008, 131 (133); Thömmes, IWB 2009 Fach 3a Gruppe 1, 1145 (1148); Englisch, in: Lang u.a., ECJ: Recent Developments in Direct Taxation 2009, 2010, S. 79 (102 f.); Goebel/Küntscher, IStR 2011, 630 (634); Jaschke, RIW 2011, 766 (767); vgl. ferner zur MTRL die Kommission im Urt. v. 26.06.2008, C-284/06 (Burda), Slg. 2008, I-4571, Rz. 57. Mit einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise hatte der EuGH auch im Urt. v. 04.10.2001, C-294/99 (Athinaïki Zythopoiia), Slg. 2001, I-6797, Rz. 28 f. argumentiert, stand dem in den Rs. Burda und Ferrero u.a. aber wieder eher ablehnend gegenüber, siehe oben Fn. 1619. Dies spricht aber nicht gegen eine wirtschaftliche Betrachtungsweise im Rahmen der ZLRL, weil die ZLRL anders als die MTRL nicht nur die Befreiung von Steuern an der Quelle, sondern auch von durch Veranlagung erhobenen Steuern vorsieht, siehe oben unter C.II.3.a). 1630 Siehe nochmals die Nachweise in Fn. 1628. 1631 So aber Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 8a KStG, Rz. 8 (Stand: 11.2008); Bohn, Zinsschranke, 2009, S. 93; vgl. zu § 8 Nr. 1 GewStG: Kempf/Straubinger, IStR 2005, 773 (775). Auch Schön vertritt diese Ansicht zu § 8 Nr. 1 GewStG, weil die gewerbesteuerliche Hinzurechnung „keine Sonderbelastung grenzüberschreitender Konzernfinanzierungen in sich“ trage. Jedoch sei die Zinsschranke als Nachfolgeregelung zu § 8a KStG a.F. gegen die übermäßige grenzüberschreitende Gesellschafter-Fremdfinanzierung gerichtet und stünde damit dem ersten Erwägungsgrund der ZLRL entgegen, vgl. Schön, JbFStR 2010/2011, 31 (66 f.). 1632 Siehe C.II.2.b)aa). 1633 EuGH, Urt. v. 12.02.2009, C-138/07 (Cobelfret), Slg. 2009, I-731, Rz. 44-46. 1634 Vgl. Englisch, in: Lang u.a., ECJ: Recent Developments in Direct Taxation 2009, 2010, S. 79 (104); ferner: Rainer, IStR 2008, 375 (376); Hidien, DStZ 2008, 131 (133).
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„Die Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts über die Bemessungsgrundlage für die Besteuerung des Zinszahlers wie die Regelungen über die Abziehbarkeit bestimmter Aufwendungen und deren Natur folgen besonderen gesetzgeberischen Orientierungen, die zur Steuerpolitik der Mitgliedstaaten gehören.“1635
Dieser rechtspolitischen Zurückhaltung hätte es aber nicht bedurft, weil die Mitgliedstaaten als Richtliniengesetzgeber nicht vor sich selbst geschützt werden müssen und die ZLRL berechtigten Abzugsbeschränkungen – wie sie etwa im Fall übermäßiger Gesellschafter-Fremdfinanzierungen im System der ZLRL zur wettbewerbsneutralen und lastengerechten Besteuerung erforderlich sind – aufgrund der bereits bestehenden Ausnahmen der Art. 4 und 5 ZLRL letztlich nicht entgegenstehen dürften1636.
1635 EuGH, Urt. v. 21.07.2011, C-397/09 (Scheuten Solar Technology), IStR 2011, 590, Rz. 33. Dazu kritisch Thömmes, IWB 2011, Fach 11a, 627 (627, 630). Der EuGH kann aber nicht dahingehend verstanden werden, dass er – wie dies von GA Sharpston in den SchlA v. 12.05.2011, C-397/09 (Scheuten Solar Technology), n.n.v., Rz. 40-52 vertreten wurde – generell Regelungen über die Bemessungsgrundlage und damit auch derartige Regelungen über die Besteuerung des Nutzungsberechtigten aus dem Anwendungsbereich der ZLRL ausschließt, so aber Thömmes, IWB 2011, Fach 11a, 627 (630); Goebel/Küntscher, IStR 2011, 630 (634); Hiller, BB 2011, 2715 (2717). Der EuGH beschränkt seine Aussage stets auf die Besteuerung des Zinszahlers. 1636 Zwar erfasst die Ausnahme des Art. 4 Abs. 2 ZLRL nach hier vertretener Auffassung lediglich Einkünftekorrekturen aufgrund eines fremdunüblichen Zinssatzes, siehe C.II.1.a). Am Fremdvergleich ausgerichtete Unterkapitalisierungsvorschriften, die sich gegen eine übermäßige Gesellschafter-Fremdfinanzierung richten, werden m.E. jedoch durch den Missbrauchsvorbehalt des Art. 5 ZLRL legitimiert, vgl. im Ergebnis auch Distaso/Russo, ET 2004, 143 (152). Zwar kann das erweiterte Missbrauchsverständnis der Rs. Thin Cap, Lammers & Van Cleef und SGI [siehe dazu C.I.2.c)cc)(2)] nicht ohne Weiteres auf die Missbrauchsbestimmungen des Sekundärrechts übertragen werden, weil der EuGH eine Rechtfertigung des Fremdvergleichsgrundsatzes bisher nur anerkannt, wenn zugleich die Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten gewahrt wird. Im Kontext des Art. 5 ZLRL kann sich die Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse nämlich nur aus der Richtlinie selbst ergeben, die das Besteuerungsrecht jedoch allein dem Ansässigkeitsstaat des Zahlungsempfängers zuweist – eine Zinsabzugsbeschränkung im Quellenstaat, die auf eine übermäßige Fremdfinanzierung zurückgeht, würde die von der ZLRL vorgesehene Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse damit gerade durchbrechen. Unabhängig von der damit bewirkten Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse ist der Fremdvergleichsgrundsatz bei Gesellschafter-Fremdfinanzierungen m.E. aber ein sachgerechtes Kriterium zur Beurteilung der Missbräuchlichkeit einer Transaktion, zumal ihm zur verursachungsgerechten Gewinnzuordnung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zumindest unionsprimärrechtlich auch ein Eigenwert zukommt [siehe C.I.2.c)cc)(2)(ii)]. Die Art. 4 und 5 ZLRL hätten die in der Rs. Scheuten Solar Technology streitige gewerbesteuerliche Hinzurechnung des § 8 Nr. 1 GewStG jedoch nicht zu rechtfertigen vermocht. Der EuGH hätte Deutschland hier stattdessen auf die Möglichkeit verweisen können, mit
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Auch wenn die vom EuGH in der Rs. Scheuten Solar Technology vertretene Auslegung der ZLRL nicht vollständig überzeugen kann, bleibt festzuhalten, dass die Zinsschranke nach der Rechtsprechung des EuGH keinen Verstoß gegen die ZLRL begründet.
4.
Verfassungsrechtliche Würdigung der Zinsschranke
Neben dem primären und sekundären Unionsrecht wird in der Literatur und der Rechtsprechung auch die Vereinbarkeit der Zinsschranke mit deutschem Verfassungsrecht in Frage gestellt.1637 In Betracht kommt dabei insbesondere1638 ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Dieser könnte der Zinsschranke anders als das Europarecht auch in einem rein innerstaatlichen Sachverhalt Grenzen setzen. Die Zulässigkeit der Zinsschranke ist hierbei insbesondere fraglich, weil im Inlandsfall überhaupt keine Gefahr der Gewinnverlagerung besteht. Dabei sind aber auch die Gründe zu berücksichtigen, die der Gesetzgeber mit der Zinsschranke verfolgt. Verfassungsrechtlich unterliegt die Zinsschranke zudem auch den freiheitsrechtlichen Grenzen der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG. a)
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behan-
Zustimmung der anderen Mitgliedstaaten eine gesonderte Ausnahme in die ZLRL aufzunehmen. 1637 Vgl. insbesondere Hey, BB 2007, 1303 (1304 f.); dies., FS Djanani, 2008, S. 109 (122); Hallerbach, StuB 2007, 481 (492); Seer, JbFStR 2007/2008, 9 (12); Musil/Volmering, DB 2008, 12 (14); Lang, FS Reiß, 2008, S. 379 (389); Shou, Die Zinsschranke im Unternehmensteuerreformgesetz 2008, 2010, S. 47 ff.; München, Zinsschranke, 2010, S. 62 ff.; Süß/Wilke, SteuerStud 2010, 561 (565 ff.); a.A.: BT-Drs. 16/4835, S. 1; Amler, Direkte Steuern, EG-Grundfreiheiten und die deutsche Unternehmensteuerreform, 2009, S. 306; Nawrath, DStR 2009, 1 (3). Siehe für weitere Nachweise Fn. 1645. Aufgrund verfassungsrechtlicher Zweifel hat das FG BerlinBrandenburg, Bschl. v. 13.10.2011, 12 V 12089/11, EFG 2012, 358 zuletzt Aussetzung der Vollziehung gewährt; a.A.: FG München, Bschl. v. 01.07.2010, 1 V 272/09, n.v.; FG München, Bschl. v. 01.06.2011, 7 V 822/11, EFG 2011, 1830; offen gelassen in FG Niedersachsen, Bschl. v. 18.02.2010, 6 V 21/10, DStR 2010, 597 (598) 1638 Nicht behandelt werden soll ein vereinzelt in der Literatur diskutierter Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Normenklarheit sowie ein möglicher Verstoß der Freigrenze des § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. a EStG gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Diese betreffen allein die konkrete Ausgestaltung der Norm, sind für die Beurteilung des Grundkonzepts der Zinsschranke aber nicht von Belang. Vgl. für eine ausführliche Untersuchung dieser Aspekte: Shou, Die Zinsschranke im Unternehmensteuerreformgesetz 2008, 2010, S. 75 ff., 87 ff.; ferner: München, Zinsschranke, 2010, S. 72 ff.
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deln.1639 Er ist verletzt, wenn ein Steuerpflichtiger als Grundrechtsberechtigter anzusehen ist, die Maßnahme eines Trägers der öffentlicher Gewalt eine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem oder eine Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem bewirkt und diese Gleich- oder Ungleichbehandlung nicht mit anderen anerkannten Zielen gerechtfertigt werden kann. aa)
Persönlicher Anwendungsbereich
Ansässige verbundene Unternehmen können sich als juristische Person gemäß Art. 19 Abs. 3 auf Art. 3 Abs. 1 GG berufen. Gebietsfremde verbundene Unternehmen sind zwar nach dem Konzept des Art. 19 Abs. 3 GG nicht grundrechtsberechtigt, die europarechtlichen Diskriminierungsverbote garantieren in EU-/EWR-Staaten ansässigen Körperschaften aber die Inländergleichbehandlung. Das Inlandskriterium des Art. 19 Abs. 3 GG ist auf sie daher nicht anzuwenden.1640 bb)
Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip als Subprinzip des Leistungsfähigkeitsprinzips
Für das Steuerrecht verlangt Art. 3 Abs. 1 GG insbesondere eine gleichmäßige Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Das Leistungsfähigkeitsprinzip erfährt eine wesentliche Konkretisierung durch das objektive Nettoprinzip, dem nach hier vertretener Auffassung als Subprinzip des Leistungsfähigkeitsprinzips Verfassungsrang zukommt.1641 Das objektive Nettoprinzip gebietet den Abzug von betrieblich und beruflich veranlassten Aufwendungen von der steuerlichen Bemessungsgrundlage.1642 Die Zinsaufwendungen einer Kapitalgesellschaft sind unstreitig betrieblich veranlasst.1643 Die ansonsten problematische Abgrenzung von beruflichem und privatem Aufwand stellt sich bei Kapitalgesellschaften mangels Privatsphäre nicht.1644 Liegen die Ausnahmen des § 4h Abs. 2 EStG nicht vor, sind diejenigen Nettozinsaufwendungen eines verbundenen Unternehmens, die 30% des steuerlichen EBITDA übersteigen, gemäß § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG nicht als Betriebsausgabe abzugsfähig. Sie werden stattdessen zeitlich unbegrenzt vorgetragen. Die Zinsabzugsbeschränkung des § 4h EStG führt damit unweigerlich zu einer Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips und des Art. 3 Abs. 1
1639 Vgl. etwa BVerfG, Urt. v. 23.10.1951, 2 BvG 1/51, BVerfGE 1, 14 (52); Bschl. v. 21.06.2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (180); Urt. v. 09.12.2008, 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 (230); siehe bereits C.II.1.b)aa) m.w.N. in Fn. 1147. 1640 Siehe C.II.1.b)aa) mit den Nachweisen in Fn. 1154. 1641 Siehe C.II.1.b)aa)(1)(ii). 1642 Siehe ausführlich C.II.1.b)aa)(1)(ii). 1643 Vgl. auch Hey, BB 2007, 1303 (1304 f.); Musil/Volmering, DB 2008, 12 (14); München, Zinsschranke, 2010, S. 62; Süß/Wilke, SteuerStud 2010, 561 (565). 1644 Siehe C.II.1.b)aa)(1)(ii) mit Fn. 1184.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
GG.1645 Vergleicht man zwei wirtschaftlich gleich leistungsfähige Unternehmen miteinander, von denen nur eines der Zinsabzugsbeschränkung des § 4h EStG unterliegt, werden beide trotz gleicher Leistungsfähigkeit unterschiedlich hoch besteuert. Dies verdeutlicht ein Beispiel: Unternehmen U1 weist ein EBITDA von 120 und einen Nettozinsaufwand von 20 auf. Werden Steuern und Abschreibungen vereinfachend außer Acht gelassen, beträgt der Handelsbilanzgewinn 100. Unternehmen U2 unterscheidet sich von U1 nur durch ein abweichendes Verhältnis des EBITDA zum Nettozinsaufwand. Das EBITDA betrage 200, der Nettozinsaufwand 100. Der Handelsbilanzgewinn beläuft sich damit ebenfalls auf 100. Beide Unternehmen, U1 und U2, sind somit gleich leistungsfähig und hinsichtlich des zentralen Vergleichsmaßstabs des Art. 3 Abs. 1 GG damit auch grundsätzlich vergleichbar1646. Ein unterschiedliches Verhältnis 1645 Vgl. auch Herzig/Bohn, DB 2007, 1 (2); Köhler, DStR 2007, 597 (604); Hey, BB 2007, 1303 (1305); dies., StuW 2008, 167 (183); dies., FS Djanani, 2008, S. 109 (122); dies., in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl. 2008, § 11, Rz. 56; dies., in: Lüdicke, Wo steht das deutsche Internationale Steuerrecht?, 2009, S. 137 (162); dies., StuW 2010, 301 (320); Hallerbach, StuB 2007, 481 (492); Homburg, FR 2007, 717 (726); Rödder/Stangl, DB 2007, 479 (482); Kessler/Köhler/Knörzer, IStR 2007, 418 (419); Gosch, DStR 2007, 1553 (1559); Seer, JbFStR 2007/2008, 9 (12); Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 2007, S. 447 (449); Heuermann, in: Blümich, EStG u.a., § 4h EStG, Rz. 28 (Stand: 12.2007); Musil/Volmering, DB 2008, 12 (14); Hoffmann, Zinsschranke, 2008, Rz. 36; Lang, FS Reiß, 2008, S. 379 (389); ders., in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl. 2008, § 9, Rz. 55; Beiser, FS Djanani, 2008, S. 3 (25 f.); Herr, Gesellschafterfremdfinanzierung und Europarecht, 2008, S. 271; Hiller, Gesellschafter-Fremdfinanzierung und Diskriminierungsverbote, 2008, S. 176 f.; Mewes, Die Finanzierung von Kapitalgesellschaften im steuerrechtlichen Kontext, 2008, S. 387; Hick, in: H/H/R, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 6 (Stand: 03.2009); Förster, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 4h EStG Exkurs, Rz. 36; Nacke, DB 2009, 2507 (2508); ders., StuB 2010, 139 (142); Bauer, StuW 2009, 163 (165); Bohn, Zinsschranke, 2009, S. 41; Kessler/Dietrich, DB 2010, 240; Holst, in: Lüdicke/Kempf/Brink, Verluste im Steuerrecht, 2010, S. 76; Shou, Die Zinsschranke im Unternehmensteuerreformgesetz 2008, 2010, S. 61 ff.; Goebel/Eilinghoff, DStZ 2010, 550 (555 f.); München, Zinsschranke, 2010, S. 62 ff.; Süß/Wilke, SteuerStud 2010, 561 (565 ff.); Seiler, in: Kirchhof, EStG, 11. Aufl. 2012, § 4h, Rz. 3; Loschelder, in: Schmidt, EStG, 31. Aufl. 2012, § 4h, Rz. 3; a.A.: BT-Drs. 16/4835, S. 1; Amler, Direkte Steuern, EG-Grundfreiheiten und die deutsche Unternehmensteuerreform, 2009, S. 306; Nawrath, DStR 2009, 1 (3). Aufgrund verfassungsrechtlicher Zweifel hat das FG Berlin-Brandenburg, Bschl. v. 13.10.2011, 12 V 12089/11, EFG 2012, 358 zuletzt Aussetzung der Vollziehung gewährt; a.A.: FG München, Bschl. v. 01.07.2010, 1 V 272/09, n.v.; FG München, Bschl. v. 01.06.2011, 7 V 822/11, EFG 2011, 1830; offen gelassen in FG Niedersachsen, Bschl. v. 18.02.2010, 6 V 21/10, DStR 2010, 597 (598). 1646 Vgl. mit dieser Argumentation Wernsmann/Desens, DStR 2008, 221 (224); ferner diesen Vergleichsmaßstab selbst im Europarecht anwendend: Keuthen, Die Vermeidung der juristischen Doppelbesteuerung im EG-Binnenmarkt, 2009, S. 122 f.; Hom-
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Zinsschranke
von EBITDA und Nettozinsaufwand steht ihrer Vergleichbarkeit jedenfalls nicht entgegen.1647 Dennoch werden beide Unternehmen steuerlich unterschiedlich behandelt: Während der handelsbilanzielle Gewinn von U1 auch in die Steuerbilanz übernommen wird, unterliegt U2 der Zinsabzugsbeschränkung des § 4h EStG.1648 Bei U2 sind 40 von 100 des Nettozinsaufwands nicht abzugsfähig1649 und werden stattdessen vorgetragen. Der Steuerbilanzgewinn des Wirtschaftsjahres erhöht sich auf 140. U2 wird trotz objektiv gleicher Leistungsfähigkeit in diesem Wirtschaftsjahr höher besteuert als U1. Die Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips führt im Beispiel zu einer Verletzung der horizontalen Steuergerechtigkeit1650. Die Zinsschranke bewirkt zudem eine Ungleichbehandlung von Einkunftsarten.1651 § 4h EStG schränkt nur den Abzug betrieblicher Zinsaufwendungen ein und benachteiligt damit die Bezieher von Gewinneinkünften. Steuerpflichtige, die Überschusseinkunftsarten erzielen, können ihre beruflich veranlassten Zinsaufwendungen hingegen unabhängig von § 4h EStG von der steuerlichen Bemessungsgrundlage abziehen.1652
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burg, IStR 2010, 246 (249). Heuermann, in: Blümich, EStG u.a., § 4h EStG, Rz. 28 (Stand: 12.2007) vergleicht hingegen ausschließlich internationale Konzerne mit inländischen Konzernen. Beide seien nicht vergleichbar, weil nur für erstere die Möglichkeit der grenzüberschreitenden Gewinnverlagerung besteht. Bei gleicher Leistungsfähigkeit sind diese nach hier vertretener Auffassung aber vergleichbar. Enscheidend ist letztlich, dass stets auch ein vergleichbarer grenzüberschreitender Sachverhalt konstruiert werden kann, in dem die Zinsschranke nicht eingreift. Wendt und Friauf gehen im Zusammenhang von Art. 3 Abs. 1 GG u.a. von der Vergleichbarkeit zweier Gruppen aus, wenn sich beide Gruppen in einem Wettbewerbsverhältnis zueinander befinden, vgl. Wendt, NVwZ 1988, 778 (782); Friauf, Steuergleichheit am Wohnungsmarkt, 1985, S. 23 ff.; diesen folgend: Bartone, Gesellschafterfremdfinanzierung, 2001, S. 65. Hier bieten die Unternehmen U1 und U2 im selben Markt dieselben Leistungen an, weil sie sich nur durch ein abweichendes Verhältnis von EBITDA zum Nettozinsaufwand unterscheiden. Beide stehen damit in einem Wettbewerbsverhältnis zueinander. Vgl. zum wettbewerbsorientierten Ansatz bei den Grundfreiheiten Englisch, Wettbewerbsgleichheit, 2008, S. 291 ff.; ders., H&I 2/2009, 48 (49); ders., Intertax 2010, 197 (212 f.). Siehe dazu C.I.1.b)cc) mit Fn. 119. Dabei ist davon auszugehen, dass weder die Ausnahmen des § 4h EStG eingreifen, noch dass ein EBITDA-Vortrag aus den Vorjahren besteht. Maximal abzugsfähiger Zinsaufwand = 200 x 30% = 60. Danach sind Steuerpflichtige mit gleicher Leistungsfähigkeit gleich hoch zu besteuern, siehe C.II.1.b)aa)(1) mit Fn. 1169. Vgl. auch Shou, Die Zinsschranke im Unternehmensteuerreformgesetz 2008, 2010, S. 73. Siehe zum Gebot der Gleichbehandlung der Einkunftsarten C.II.1.b)aa)(3). Zwar bestehen zwischen unternehmerisch und nicht unternehmerisch tätigen Steuerpflichtigen (steuer-)rechtliche Unterschiede, hinsichtlich der Gleichbehandlung von Einkunftsarten sieht das BVerfG diese aber nicht als hinreichend gewichtig an. Jedenfalls stellt die systematische Unterscheidung der Einkunftsarten keinen Grund dar, die Vergleichbarkeit abzulehnen, vgl. BVerfG, Bschl. v. 08.10.1991, 1 BvL 50/86, BVerf-
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
Fraglich ist jedoch, ob die gleichheitswidrige Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips durch die Gewährung des Zinsvortrags bzw. des EBITDAVortrags aufgehoben wird. (1)
Keine Kompensation durch den Zinsvortrag
Der nach § 4h Abs. 1 EStG nicht abzugsfähige Zinsaufwand ist für die betroffenen Unternehmen nicht verloren, sondern wird zeitlich unbegrenzt vorgetragen.1653 Die Nichtabzugsfähigkeit des Zinsaufwands ist damit ggf. nicht endgültig. In der Literatur wird daher vereinzelt vertreten, dass der Zinsvortrag eine Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips ausschließe.1654 Ob das objektive Nettoprinzip eine Berücksichtigung des Erwerbsaufwands im jeweiligen Veranlagungszeitraum verlangt, ist strittig. Das BVerfG hat diese Frage bisher nicht entschieden,1655 der BFH hat sie in ständiger Rechtsprechung bezüglich der Verlustberücksichtigung aber verneint: Es genüge „vielmehr, dass die Verluste überhaupt, sei es auch in einem anderen Veranlagungszeitraum, steuerlich berücksichtigt werden“.1656 Die Ansicht des BFH ließe sich damit begründen, dass die steuerliche Leistungsfähigkeit idealiter nach dem Lebenseinkommen besteuert wird.1657 Die Abschnittsbesteuerung wird
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GE 84, 348 (363 f.); Bschl. v. 10.04.1997, 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1 (6); Bschl. v. 30.09.1998, 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (95); Urt. v. 06.03.2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (126); Bschl. v. 21.06.2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (181). Siehe § 4h Abs. 1 Satz 5 EStG, dazu B.II.2.b). Vgl. Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 8a KStG, Rz. 9 (Stand: 11.2008); ders., Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, 2. Aufl. 2008, Rz. 477; tendenziell auch: Neumann, Ubg 2009, 461 (462). Der BFH verweist zwar in der diesbezüglich ablehnenden Rechtsprechung (siehe sogleich) im Bschl. v. 09.05.2001, XI B 151/00, BStBl. II 2001, 552 (554) auf BVerfG, Bschl. v. 30.09.1998, 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88, diesem Urteil lässt sich dies aber keinesfalls zwingend entnehmen, vgl. nur Lang/Englisch, StuW 2005, 3 (9) m.w.N. Das BVerfG führt in dem Beschluss vielmehr aus: „Das Einkommensteuergesetz verdeutlicht [das objektive Nettoprinzip] insoweit, als es einen Abzug von Erwerbsaufwendungen auch zuläßt, wenn die Erwerbsaufwendungen nicht im Veranlagungszeitraum des Zugangs der Erwerbseinnahmen anfallen.“ Vgl. BFH, Bschl. v. 09.05.2001, XI B 151/00, BStBl. II 2001, 552 (554); bestätigt in: Bschl. v. 06.03.2002, XI B 7/02, BStBl. II 2003, 516 (517); Bschl. v. 06.03.2002, XI B 76/02, BStBl. II 2003, 523 (524); Urt. v. 18.10.2006, IX R 28/05, BStBl. II 2007, 259 (261); Urt. v. 07.11.2006, IX R 45/04, BFH/NV 2007, 1473 (1475); Bschl. v. 26.08.2010, I B 49/10, DStR 2010, 2179 (2181); vgl. auch FG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 16.09.2010, 12 K 8212/06 B, juris, Rz. 18 ff. [Revision anhängig beim BFH unter dem Az. I R 9/11]. Vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, 2. Aufl. 2003, S. 756; Lang/Englisch, StuW 2005, 3 (6 f.) jeweils m.w.N.; vgl. auch BFH, Urt. v. 11.02.1998, I R 81/97, BStBl. II 1998, 485 (486); Urt. v. 05.06.2002, I R 115/00, BFH/NV 2002, 1549 (1551). Die Gegenansicht spricht dem Periodizitätsprinzip hingegen eine materielle bzw. sogar verfassungsrechtliche Bedeutung zu. Einerseits verfüge der Steuerpflichtige nur zeitgebunden über wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, andererseits sei der Staat
Zinsschranke
vielmehr als verwaltungstechnische Notwendigkeit angesehen, die zugleich zur Rechtssicherheit der Besteuerung beiträgt.1658 Richtigerweise muss das objektive Nettoprinzip aber auch in zeitlicher Hinsicht gelten, so dass Betriebsausgaben in dem Wirtschaftsjahr abzuziehen sind, in dem sie entstanden sind.1659 Denn Zins- und Liquiditätsnachteile führen zu einer gleichheitswidrigen Abweichung vom Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.1660 Dem scheint sich jetzt auch der XI. Senat des BFH in seinem – vom BVerfG1661 mittlerweile als unzulässig zurückgewiesenen – Vorlagebeschluss zur Mindestbesteuerung angeschlossen zu haben. Darin hält der XI. Senat zwar formal an seiner früheren Rechtsprechung fest,1662 räumt jedoch ein, dass eine Beschränkung des vertikalen Verlustausgleichs „nicht nur bei einer kleinen Zahl von Steuerpflichtigen […] mit gleicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit zu nennenswerten Belastungsunterschieden führen
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auf die Deckung seines gegenwärtigen Finanzbedarfs angewiesen, vgl. Kirchhof/Geserich, in: K/S/M, EStG, § 2, Rz. D 252 (Stand: 05.2002); Lehner, in: Lehner, Verluste im nationalen und Internationalen Steuerrecht, 2004, S. 1 (15); vgl. auch BVerfG, Bschl. v. 10.04.1997, 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1 (7). Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss v. 22.07.1991, 1 BvR 313/88, HFR 1992, 423 (424); BT-Drs. 17/4653, S. 7; Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, 1998, S. 80 ff., 101 f.; Lehner, in: Lehner, Verluste im nationalen und Internationalen Steuerrecht, 2004, S. 1 (15 f.); Lang/Englisch, StuW 2005, 3 (9). Vgl. Werz, Verlustverrechnungsbeschränkungen im Lichte der Verfassung, 2003, S. 139; Wendt, DStJG 28 (2005), 41 (53 f.); Lang/Englisch, StuW 2005, 3 (7 ff.); Mönikes, Verlustverrechnungsbeschränkungen des Einkommensteuergesetzes im Lichte der Verfassung, 2006, S. 223 f.; Klein, Verluste und Besteuerungsgleichheit, 2005, S. 99; Wittkowski, Grenzüberschreitende Verlustverrechnung in Deutschland und Europa, 2008, S. 30 f.; Hey, FS Djanani, 2008, S. 109 (122); Shou, Die Zinsschranke im Unternehmensteuerreformgesetz 2008, 2010, S. 63; Süß/Wilke, SteuerStud 2010, 561 (565 f.); ferner, jedoch mit Einschränkungen: Kube, DStR 2011, 1781 (1785, 1789 f.). So grundsätzlich auch das BVerfG im Bschl. v. 12.05.2009, 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 (125), das Liquiditätsnachteile vor dem Hintergrund des Leistungsfähigkeitsprinzip für rechtfertigungsbedürftig hält. Das BVerfG maß diesen gleichwohl nur eine geringe Bedeutung in der Abwägung bei, weil es die komplexe Materie des Steuerbilanzrechts im Rahmen des Folgerichtigkeitsgebots nur anhand des Willkürverbots kontrollierte. Siehe dazu bereits kritisch C.II.1.b)aa)(5)(i). Der I. Senat des BFH hat wohl aus diesem Grund zuletzt zur Begründung seiner Ansicht, dass Zins- und Liquiditätsnachteile, die durch die Versagung der sofortigen Verlustverrechnung bei der Mindestbesteuerung nach § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG entstehen, keine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG begründen, auf den o.g. Beschluss des BVerfG verwiesen, vgl. BFH, Bschl. v. 26.08.2010, I B 49/10, DStR 2010, 2179 (2181). BVerfG, Bschl. v. 12.10.2010, 2 BvL 59/06, DStR 2010, 2290. Der BFH verzichtete letztlich auf eine Klärung der Frage des Verstoßes der Mindestbesteuerung gegen Art. 3 Abs. 1 GG und weitere Grundrechte und legte dem BVerfG nur die Frage vor, ob die Regelung gegen das Gebot der Normenklarheit verstößt, vgl. BFH, Bschl. v. 06.09.2006, XI R 26/04, BStBl. II 2007, 167 (177). Vgl. auch Kohlhaas, DStR 2006, 2240 (2242); Hutter, NWB 2007, Fach 3, 14771 (14772).
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
kann.“1663 Insbesondere wenn der Zinsvortrag längere Zeit nicht geltend gemacht werden kann, werden die Zins- und Liquiditätsnachteile erheblich und nähern sich bei einer Barwertbetrachtung hinsichtlich ihrer Belastungswirkung einem vollständigen Abzugsverbot an. Vor dem Hintergrund einer gleichmäßigen Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit können sie dann nicht mehr unbeachtlich bleiben.1664 Die zuletzt vom I. Senat des BFH zur Mindestbesteuerung geäußerte gegenteilige Auffassung kann insofern nicht überzeugen.1665 Gerade bei der Zinsschranke besteht die Gefahr, dass der Zinsvortrag spät oder sogar nie geltend gemacht werden kann. Denn dieser erhöht in den Folgejahren den Zinsaufwand, so dass es einer erheblichen Ertragssteigerung bedarf, um in Zukunft den Zinsvortrag nutzen zu können.1666 Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass der Zinsvortrag aufgrund einer Umwandlung, Anteilsübertragung oder Betriebsaufgabe untergeht.1667 Die Zinsabzugsbeschränkung des
1663 BFH, Bschl. v. 06.09.2006, XI R 26/04, BStBl. II 2007, 167 (170). 1664 Aus diesen Gründen waren bereits die Zins- und Liquiditätsnachteile grundfreiheitlich bei der Zinsschranke zu beachten, siehe C.II.2.b)aa)(2) und (3)(ii) m.w.N. in Fn. 1352. 1665 BFH, Bschl. v. 26.08.2010, I B 49/10, DStR 2010, 2179 (2181) zur Mindestbesteuerung des § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG; vgl. zuvor bereits Urt. v. 11.02.1998, I R 81/97, BStBl. II 1998, 485 (486 f.); Urt. v. 05.06.2002, I R 115/00, BFH/NV 2002, 1549 (1551). Im Bschl. v. 26.08.2010 sieht der BFH nur in dem endgültigen Ausschluss der Verlustverrechnung eine rechtfertigungsbedürftige Durchbrechung des Art. 3 Abs. 1 GG, nicht aber in der bloß zeitlichen Streckung des Verlustvortrages. Er begründet dies u.a. mit dem Verweis auf den Beschluss des BVerfG zu den Jubiläumsrückstellungen, siehe oben Fn. 1660. 1666 Siehe B.II.2.b). Vgl. auch Hey, BB 2007, 1303 (1305); Musil/Volmering, DB 2008, 12 (14); Förster, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 4h EStG Exkurs, Rz. 35; Mewes, Die Finanzierung von Kapitalgesellschaften im steuerrechtlichen Kontext, 2009, S. 388; München, Zinsschranke, 2010, S. 64; Süß/Wilke, SteuerStud 2010, 561 (566); Seiler, in: Kirchhof, EStG, 11. Aufl. 2012, § 4h, Rz. 3. Vgl. auch die Argumentation des BFH, Bschl. v. 06.09.2006, XI R 26/04, BStBl. II 2007, 167 (170). 1667 Siehe bereits ausführlich B.II.2.b). Vgl. Hey, FS Djanani, 2008, S. 109 (122); Musil/Volmering, DB 2008, 12 (14); Hick, in: H/H/R, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 6 (Stand: 03.2009); Förster, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 4h EStG Exkurs, Rz. 35; Mewes, Die Finanzierung von Kapitalgesellschaften im steuerrechtlichen Kontext, 2009, S. 388; Kessler/Dietrich, DB 2010, 240 (241 f.); München, Zinsschranke, 2010, S. 65. Auch der I. Senat des BFH sieht den endgültigen Ausschluss der Verlustverwertung bei der Mindestbesteuerung kritisch, vgl. BFH, Bschl. v. 26.08.2010, I B 49/10, DStR 2010, 2179 (2181). Hingegen vertritt Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 8a KStG, Rz. 9 (Stand: 11.2008) die Auffassung, dass dies zur Verfassungswidrigkeit der Zinsschranke allein nicht genüge, zumal diese Konsequenzen auch hinsichtlich eines Verlustvortrags eintreten würden. Der Verweis darauf, dass der Gesetzgeber auch an anderer Stelle Art. 3 Abs. 1 GG durchbricht, kann jedoch niemals zur Verfassungskonformität einer Regelung führen. Vgl. kritisch zum Untergang des Verlustvortrags BFH, Bschl. v. 06.09.2006, XI R 26/04, BStBl. II 2007, 167 (170);
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§ 4h EStG wird dann endgültig. Der Zinsvortrag kann den Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip insgesamt nicht abwenden.1668 (2)
Auch keine Kompensation durch den EBITDA-Vortrag
Auch der EBITDA-Vortrag ändert nichts an der Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips.1669 Er führt nur dazu, dass die Zinsschranke bei weniger Unternehmen eingreift, kann – und soll – die Zinsabzugsbeschränkung konzeptionell aber nicht verhindern. Insbesondere neu gegründete Unternehmen, die Anfangsverluste aufweisen, sowie Unternehmen mit längeren Krisenzeiten können vom EBITDA-Vortrag nicht profitieren.1670 cc)
Verstoß gegen die folgerichtige Umsetzung des einfachgesetzlichen objektiven Nettoprinzips
Bisher wurde die Vereinbarkeit der Zinsschranke mit Art. 3 Abs. 1 GG unter der Annahme untersucht, dass dem objektiven Nettoprinzip als Subprinzip des Leistungsfähigkeitsprinzips Verfassungsrang zukommt. Das BVerfG hat das objektive Nettoprinzip in der Rechtsprechung bisher aber nur anhand des Folgerichtigkeitsgebots entfaltet.1671 Daher soll im Folgenden noch geprüft werden, ob auch nach diesem Verständnis ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz vorliegt.
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Lang/Englisch, StuW 2005, 3 (7 ff.); Mönikes, Verlustverrechnungsbeschränkungen des Einkommensteuergesetzes im Lichte der Verfassung, 2006, S. 224 jeweils m.w.N. Vgl. Hey, BB 2007, 1303 (1305); dies., FS Djanani, 2008, S. 109 (122); Seer, JbFStR 2007/2008, 9 (12); Musil/Volmering, DB 2008, 12 (14); Hick, in: H/H/R, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 6 (Stand: 03.2009); Mewes, Die Finanzierung von Kapitalgesellschaften im steuerrechtlichen Kontext, 2009, S. 388; Förster, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 4h EStG Exkurs, Rz. 35; Shou, Die Zinsschranke im Unternehmensteuerreformgesetz 2008, 2010, S. 63; Lenz/Dörfler, DB 2010, 18 (19); Goebel/Eilinghoff, DStZ 2010, 550 (555); München, Zinsschranke, 2010, S. 64 f.; Süß/Wilke, SteuerStud 2010, 561 (566); Seiler, in: Kirchhof, EStG, 11. Aufl. 2012, § 4h, Rz. 3; Loschelder, in: Schmidt, EStG, 31. Aufl. 2012, § 4h, Rz. 3. A.A.: Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 8a KStG, Rz. 9 (Stand: 11.2008); ders., Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, 2. Aufl. 2008, Rz. 477; wohl auch Heuermann, in: Blümich, EStG u.a., § 4h EStG, Rz. 28, 30 (Stand: 12.2007), der andererseits aber in Rz. 28 die Belastung durch den Zinsvortrag anerkennt. Vgl. Lenz/Dörfler, DB 2010, 18 (19); Drüen, Ubg 2010, 543 (545). Im Ergebnis auch Nacke, DB 2009, 2507 (2508); ders., StuB 2010, 139 (142); Schneider/Roderburg, FR 2010, 58 (64) und Kessler/Dietrich, DB 2010, 240 (241), die die Verfassungswidrigkeit aber primär an der begrenzten Vortragsfähigkeit des EBITDA-Vortrags von fünf Jahren festmachen. Darauf kommt es aber nicht an. Entscheidend ist allein, ob die Abzugsfähigkeit des Zinsaufwand verhindert wird oder nicht. Siehe B.II.2.b). Vgl. nur BVerfG, Bschl. v. 23.01.1990, 1 BvL 4/87, BVerfGE 81, 228 (237); Urt. v. 09.12.2008, 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 (234). Siehe C.II.1.b)aa)(1)(ii) m.w.N. in Fn. 1192.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
Das Gebot der Folgerichtigkeit verlangt vom Gesetzgeber eine einmal getroffene, sachgerechte Grundentscheidung im Sinne der Belastungsgleichheit folgerichtig umzusetzen.1672 Das objektive Nettoprinzip kommt in § 2 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 4 EStG zum Ausdruck. Es wird zu den „identitätskonstituierenden Merkmalen der Einkommensteuer“ gezählt1673 und gilt nach der allgemeinen Verweisungsnorm des § 8 Abs. 1 KStG auch für das Körperschaftsteuerrecht. Das BVerfG betrachtet das objektive Nettoprinzip in ständiger Rechtsprechung als sachgerechte Grundentscheidung.1674 Indem § 4h EStG ein Betriebsausgabenabzugsverbot für Nettozinsaufwendungen vorsieht, die 30% des steuerlichen EBITDA übersteigen, weicht der Gesetzgeber von der folgerichtigen Umsetzung des objektiven Nettoprinzips ab. Die Belastungsgleichheit innerhalb der bestehenden Steuerrechtsordnung ist damit nicht mehr gewährleistet. Der Gesetzgeber ist aufgrund seiner Gestaltungsfreiheit jedoch grundsätzlich befugt, Grundentscheidungen zu ändern.1675 Insofern ist fraglich, ob mit der Zinsschranke eine neue, sachgerechte Grundentscheidung getroffen werden sollte. So wurde die vom objektiven Nettoprinzip abweichende Entfernungspauschale des § 9 Abs. 2 Satz 1 f. EStG a.F. von der Bundesregierung mit der Einführung eines neuen Systems, dem Werkstorprinzip, verteidigt.1676 Wie die Entfernungspauschale lässt sich aber auch die Zinsschranke nicht mit einem derartigen Systemwechsel begründen. Das bloß punktuelle Betriebsausgabenabzugsverbot des § 4h EStG für bestimmte Zinsaufwendungen weist nicht die Qualität einer Grundentscheidung auf. Es handelt sich vielmehr um eine Sonderbestimmung für einen Teilbereich von Aufwendungen, der vom Gesetzgeber als besonders problematisch bewertet wurde.1677 Ohnehin wäre den §§ 4h EStG, 8a KStG aufgrund der komplexen, vom Steuerpflichtigen nur schwer anwendbaren Ausnahme- und Rückausnahmebestimmungen1678 wohl das vom BVerfG geforderte „Mindestmaß [an] Prinzipien- oder Systemorientierung“1679 abzusprechen. Die mit den §§ 4h EStG, 8a KStG letztlich bezweckte Sanktionierung grenzüberschreitender Fremdfinanzierung zwischen verbundenen
1672 Vgl. nur BVerfG, Urt. v. 27.06.1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (271); Bschl. v. 12.05.2009, 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 (120 f.). Siehe C.II.1.b)aa)(2) m.w.N. in Fn. 1208. 1673 Beschluss des 57. deutschen Juristentages, Sitzungsbericht N, 1988, S. N214; siehe C.II.1.b)aa)(1)(ii). 1674 Siehe Fn. 1671. 1675 Vgl. BVerfG, Urt. v. 09.12.2008, 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 (242). 1676 Vgl. BVerfG, Urt. v. 09.12.2008, 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 (223 f.). 1677 Vgl. mit entsprechender Argumentation zu § 4h Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG (Arbeitszimmer) BVerfG, Bschl. v. 06.07.2010, 2 BvL 13/09, DStR 2010, 1563 (1566). 1678 Dies gilt insbesondere für die hoch komplexe Escape-Klausel des § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. c EStG sowie für die Rückausnahmen des § 8a Abs. 2 f. KStG. 1679 BVerfG, Urt. v. 09.12.2008, 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 (244).
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Zinsschranke
Unternehmen ließe sich nur mit dem Ziel der Verhinderung grenzüberschreitender Gewinnverlagerung verteidigen. Dies ist aber eine Frage der Rechtfertigung. Aufgrund dieses Zwecks der Zinsschranke kann die Norm auch nicht als Beginn eines gestuften Systemwechsels hin zu einer konsequenten Bruttobesteuerung verteidigt werden – erkennbare Anzeichen bestehen dafür ohnehin nicht. Die Zinsschranke verstößt somit auch gegen eine folgerichtige Umsetzung des objektiven Nettoprinzips.1680 dd)
Rechtfertigung
Im Folgenden ist zu untersuchen, ob die Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips und des Art. 3 Abs. 1 GG durch andere verfassungsrechtlich anerkannte Ziele gerechtfertigt werden kann. Dabei wird von der verfassungsrechtlichen Verankerung des objektiven Nettoprinzips ausgegangen, hinsichtlich eines Verstoßes gegen das Folgerichtigkeitsgebots ergeben sich bei den hier geprüften Zielen aber keine abweichenden Rechtfertigungsstandards.1681 Bevor eine Prüfung der einzelnen Ziele erfolgt, bestimmt das BVerfG zunächst das Gewicht der rechtfertigenden Gründe im Verhältnis zur Schwere der Ungleichbehandlung. Dies richtet sich im Einzelfall nach den Regelungsgegenständen und Differenzierungsmerkmalen der streitigen Vorschrift.1682 Dabei kann sich eine unterschiedliche Kontrolldichte ergeben, die von einer bloßen Willkürkontrolle bis zu einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung reicht.1683 Zunächst ist festzustellen, dass die Zinsschranke weder die Auswahl des Steuergegenstandes noch die Bestimmung des Steuersatzes betrifft, bei denen das BVerfG dem Gesetzgeber mehr Gestaltungsspielraum einräumt,1684 sondern die Ausgestaltung des Steuertatbestandes. Einer strengeren Bindung an den allgemeinen Gleichheitssatz unterliegt der Gesetzgeber bei der Ungleichbe-
1680 Mit gleichem Ergebnis Heuermann, in: Blümich, EStG u.a., § 4h EStG, Rz. 29 (Stand: 12.2007), der aber nur im Inlandsfall eine nicht folgerichtige Umsetzung der mit der Zinsschranke verfolgten Ziele feststellt. Eine derartige Folgerichtigkeit ist der Rechtsprechung des BVerfG jedoch eher fremd. 1681 Siehe auch C.II.1.b)aa)(5)(i). Großzügiger gibt sich das BVerfG aber tendenziell bei der Rechtfertigung von Durchbrechungen des Folgerichtigkeitsgebots durch Lenkungsziele, vgl. nur Englisch, FS Lang, 2010, S. 167 (206 ff.) m.w.N. 1682 Vgl. nur BVerfG, Urt. v. 09.12.2008, 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 (230) m.w.N. Siehe bereits C.II.1.b)aa)(5)(i) mit weiteren Nachweisen in Fn. 1265 f. 1683 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 26.01.1993, 1 BvL 38/92 u.a., BVerfGE 88, 87 (96); Urt. v. 20.04.2004, 1 BvR 905/00, BVerfGE 110, 274 (291); Urt. v. 09.12.2008, 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 (230); siehe bereits C.II.1.b)aa)(5) m.w.N. in Fn. 1253. 1684 Vgl. BVerfG, Urt. v. 27.06.1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (271); Bschl. v. 22.06.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (136); Bschl. v. 12.05.2009, 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 (120).
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
handlung von Personengruppen.1685 Die Zinsschranke weist zwar keinen direkten Personenbezug auf, belastet mittelbar aber speziell die Anteilseigner von (internationalen) Konzernen.1686 Andererseits ist eine großzügigere Prüfung anzulegen, wenn der Steuerpflichtige der Ungleichbehandlung durch eigenes Verhalten entgehen kann. Tatsächlich bestehen Möglichkeiten, die Zinsabzugsbeschränkung zu vermeiden, etwa durch die Finanzierung mit Eigen- statt Fremdkapital, durch Leasing von Anlagevermögen statt fremdfinanziertem Erwerb1687 oder mit der Begründung einer Organschaft1688. Aber gerade bei den von der Zinsschranke betroffenen Unternehmen sind diese Ausweichgestaltungen entweder bereits ausgeschöpft oder gänzlich ausgeschlossen, wie etwa bei grenzüberschreitend verbundenen Unternehmen, die keine Organschaft begründen können. Diese Ausweichgestaltungen sind vor allem immer mit sonstigen Nachteilen verbunden,1689 die im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG nicht unbeachtet bleiben können. Fraglich ist auch, inwieweit der einzelne, mittelbar benachteiligte Anteilseigner tatsächlich auf die Geschäftsführung des Konzerns einwirken kann. Insofern ist vielmehr entscheidend, dass die Zinsabzugsbeschränkung des § 4h EStG zugleich die Ausübung der Berufsfreiheit des Art. 12 GG und der Eigentumsfreiheit des Art. 14 GG erschwert, insbesondere wenn die Zinsschranke zu einer Substanzbesteuerung führt.1690 Sind zugleich Freiheitsrechte betroffen, unterliegt der Gesetzgeber nämlich regelmäßig einer strengeren Bindung an den allgemeinen Gleichheitssatz.1691 Zwar könnte die Komplexität der Unterkapitalisierungsproblematik wiederum gegen eine strenge Prüfung sprechen,1692 nach hier vertretener Auffassung ist die 1685 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 07.10.1980, 1 BvL 50/79, BVerfGE 55, 72 (88 ff.); Bschl. v. 26.01.1993, 1 BvL 38/92 u.a., BVerfGE 88, 87 (96); Bschl. v. 12.05.2009, 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 (120). 1686 Diesen Effekt bedingt die Konzernklausel des § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. b EStG. Dabei haben Inlandskonzerne noch die Möglichkeit, der Zinsschranke mit Hilfe der Organschaft zu entgehen, siehe B.II.2. Ein mittelbarer Personenbezug reicht für eine strengere Bindung generell aus, vgl. BVerfG, Bschl. v. 26.01.1993, 1 BvL 38/92 u.a., BVerfGE 88, 87 (96); Urt. v. 02.03.1999, 1 BvL 2/91, BVerfGE 99, 367 (389). 1687 Siehe B.II.2.a)aa) mit den Nachweisen in Fn. 372. 1688 Siehe C.II.2.b)aa)(3). 1689 Siehe zu den Vor- und Nachteilen der Eigen- bzw. Fremdfinanzierung A.II. sowie zur Organschaft C.II.2.b)aa)(3). 1690 Siehe bereits allgemein zu Verstößen gegen das objektive Nettoprinzip C.II.1.b)aa) (1)(ii) mit den Nachweisen in Fn. 1200. Vgl. zu Folgerungen für die Kontrolldichte Englisch, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 92 (97) m.w.N. 1691 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 18.11.1986, 1 BvL 29/83 u.a., BVerfGE 74, 9 (24 m.w.N.); Bschl. v. 12.05.2009, 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 (120); siehe C.II.1.b)aa)(5)(i) m.w.N. in Fn. 1273. 1692 Vgl. etwa BVerfG, Bschl. v. 14.05.1985, 1 BvR 449/82 u.a., BVerfGE 70, 1 (34); Bschl. v. 08.04.1987, 2 BvR 909/82 u.a., BVerfGE 75, 108 (162); Bschl. v. 17.11.2009, 1 BvR 2192/05, DStR 2010, 434 (435 m.w.N.); Bschl. v. 12.05.2009, 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 (123).
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Zinsschranke
Komplexität einer Materie allein jedoch kein geeignetes Kriterium zur Abstufung der Kontrolldichte.1693 Eine Gesamtabwägung der einzelnen Kriterien, speziell der Eingriff in Freiheitsrechte, sprechen schließlich für eine relativ strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung. Ohnehin fordert auch das BVerfG einen „besonderen sachlichen Grund“1694 zur Rechtfertigung von Durchbrechungen des objektiven Nettoprinzips.1695 Im Folgenden wird geprüft, ob die einzelnen Zielsetzungen, die der Gesetzgeber mit der Zinsschranke verfolgt, die Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips und des Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigen können. (1)
Gegenfinanzierung im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008
Ein wesentlicher Grund für die Einführung der Zinsschranke war es aus der Sicht des Gesetzgebers, die Gegenfinanzierung der Senkung des Körperschaftsteuersatzes im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008 sicherzustellen.1696 Gegenüber § 8a KStG a.F. sollten jährliche Mehreinnahmen in Höhe von 1 Mrd. € erzielt werden.1697 Der Fiskalzweck stellt jedoch kein anerkanntes Ziel zur Rechtfertigung von Durchbrechungen des Art. 3 Abs. 1 GG dar.1698 „Auch wenn der Staat auf Einsparungsmaßnahmen angewiesen ist,
1693 Siehe C.II.1.b)aa)(5)(i). 1694 Vgl. etwa BVerfG, Bschl. v. 23.01.1990, 1 BvL 4/87, BVerfGE 81, 228 (237); Bschl. v. 30.09.1998, 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (95); Bschl. v. 12.05.2009, 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 (121); Bschl. v. 13.10.2009, 2 BvL 3/05, NJW 2010, 431 (432). 1695 In der Literatur wird teilweise auch vertreten, dass bei Durchbrechungen des Art. 3 Abs. 1 GG im Steuerrecht stets eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen sei, weil dem Leistungsfähigkeitsprinzip als Fundamentalprinzip des Steuerrechts ein verfassungsrechtlicher Eigenwert zukomme (vgl. Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, 1983, S. 240; Huster, Rechte und Ziele, 1993, S. 370 ff.) oder weil stets auch Freiheitsrechte betroffen seien (vgl. Hey, StbJb 2007/2008, 19 [37]; dies., DStR 2009, 2561 [2567]; Gabel, StuW 2011, 3 [7]). Hingegen stets eine Willkürprüfung fordernd: Kischel, in: Mellinghoff/Palm, Gleichheit im Verfassungsstaat, 2008, S. 175 (177 mit Fn. 7). Auch außerhalb des Steuerrechts stets eine Verhältnismäßigkeitsprüfung verlangend: Englisch, in: Stern/Becker, GrundrechteKommentar, 2010, Art. 3, Rz. 21, 144; ferner: ders., FS Lang, 2010, S. 167 (200). 1696 Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 30 f. Siehe bereits B.II.2. Den Fiskalzweck betonen insbesondere Drüen, StuW 2008, 154 (165); Hoffmann, Zinsschranke, 2008, Rz. 2; Hey, FS Djanani, 2008, S. 109 (115). 1697 Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 42 f. Die Entlastungsmaßnahmen des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes summieren sich jedoch auf 360 Mio. €, vgl. BT-Drs. 17/15, S. 12 f.; siehe auch B.II.2. 1698 Siehe bereits C.II.1.b)aa)(5)(ii).
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
muss er auf die gerechte Verteilung der Lasten achten“.1699 Die Zinsschranke kann daher nicht mit dem Ziel der Gegenfinanzierung der Unternehmensteuerreform 2008 gerechtfertigt werden.1700 (2)
Verhinderung der Steuerumgehung
Mit der Zinsschranke verfolgt der Gesetzgeber u.a. das Ziel, Umgehungen der nationalen Besteuerung aufgrund einer übermäßigen Fremdfinanzierung zu verhindern, mit der internationale Konzerne versuchen, Gewinne ins niedrig besteuernde Ausland zu verlagern.1701 Das BVerfG hat das Ziel der Verhinderung der Steuerumgehung in ständiger Rechtsprechung als legitim anerkannt.1702 Grundsätzlich genießt der Steuerpflichtige die durch die Art. 2 Abs. 1, 12 und 14 GG geschützte Freiheit, seine Angelegenheiten so einzurichten,
1699 BVerfG, Bschl. v. 21.06.2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (182); vgl. auch Bschl. v. 29.05.1990, 1 BvL 20/84, BVerfGE 82, 60 (89); Urt. v. 09.12.2008, 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 (233). 1700 Vgl. auch Köhler, DStR 2007, 597 (604); Homburg, FR 2007, 717 (726); Hallerbach, StuB 2007, 481 (492); Musil/Volmering, DB 2008, 12 (14 f.); Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl. 2008, § 11, Rz. 56; Bohn, Zinsschranke, 2009, S. 41; Shou, Die Zinsschranke im Unternehmensteuerreformgesetz 2008, 2010, S. 64; Goebel/Eilinghoff, DStZ 2010, 550 (556); München, Zinsschranke, 2010, S. 66 f.; Seiler, in: Kirchhof, EStG, 11. Aufl. 2012, § 4h, Rz. 4. A.A. ist Heuermann, in: Blümich, EStG u.a., § 4h EStG, Rz. 28 (Stand: 12.2007), der zur Stärkung der internationalen Wettbewerbsposition Deutschlands unter Verweis auf BVerfG, Bschl. v. 21.06.2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (192 f.) den Gesetzgeber berechtigt sieht, Steuersätze zu senken und umgekehrt das Steuersubstrat zu sichern. Der Gesetzgeber hat aber auch bei Inbezugnahme des internationalen Steuerwettbewerbs das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu wahren, siehe C.II.4.a)dd)(2)(iii). Das FG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 16.09.2010, 12 K 8212/06 B, juris, Rz. 21-23 [Revision anhängig beim BFH unter dem Az. I R 9/11] hat kürzlich die Auffassung vertreten, dass die zeitliche Verteilung des Steueraufkommens aufgrund der Mindestbesteuerung des § 10d Abs. 2 EStG 2003 mit dem Ziel der Verstetigung der Steuereinnahmen als Rechtfertigungsgrund anzuerkennen sei. Diese Argumentation ließe sich auch auf den Zinsvortrag übertragen. Sie kann gleichwohl nicht überzeugen, weil auch dem Ziel der Verstetigung der Steuereinnahmen kein Maß für Eingriffe in Art. 3 Abs. 1 GG zu entnehmen ist, vgl. zum Einnahmenerzielungszweck BVerfG, Urt. v. 09.12.2008, 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 (237); Bschl. v. 06.07.2010, 2 BvL 13/09, DStR 2010, 1563 (1566). 1701 Siehe B.II.2. und C.II.2.c)cc)(3). Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 31: „Die sog. Zinsschranke […] soll verhindern, dass allein aus Gründen der Steueroptimierung eine hohe Fremdkapitalquote angestrebt wird.“ 1702 Vgl. BVerfG, Urt. v. 24.01.1962, 1 BvL 32/57, BVerfGE 13, 290 (316 f.); Bschl. v. 24.01.1962, 1 BvR 845/58, BVerfGE 13, 331 (344); Bschl. v. 11.07.1967, 1 BvR 495/63 u.a., BVerfGE 22, 156 (161 f.); Bschl. v. 22.07.1970, 1 BvR 285/66 u.a., BVerfGE 29, 104 (118); Bschl. v. 03.07.1973, 1 BvR 368/65 u.a., BVerfGE 35, 324 (341 f.); Urt. v. 06.11.1985, 1 BvL 47/83, BVerfGE 71, 146 (157); Bschl. v. 08.06.1993, 1 BvL 20/85, BVerfGE 89, 15 (24); Bschl. v. 15.01.2008, 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 (49).
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Zinsschranke
dass er möglichst wenig Steuern zahlt.1703 Die Rechtsprechung garantiert insofern auch die Finanzierungsfreiheit für das Gesellschafts-1704 und das Steuerrecht1705. Diese Freiheit stößt aber dort an ihre Grenzen, wo die Gestaltung missbräuchlich wird. Umgeht ein Steuerpflichtiger die nationale Steuer, ist eine gleichmäßige Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht mehr garantiert. Vorschriften, die derartige missbräuchliche Gestaltungen verhindern und die Besteuerung entsprechend auf eine angemessene Gestaltung zurückführen, dienen daher gerade der Herstellung der von Art. 3 Abs. 1 GG geforderten Lastengleichheit.1706 Diesbezüglich kann auch von einem Handlungsauftrag des Gesetzgebers zur Verhinderung von Steuerumgehungen gesprochen werden.1707 Insofern könnte auch eine Durchbrechung des Art. 3 Abs. 1 GG darin gesehen werden, dass die Zinsschranke nicht alle Missbrauchsfälle erfasst. So unterliegen etwa auch extensiv fremdfinanzierte Unternehmen nicht der Zinsschranke, wenn diese renditestark sind oder eine höhere Eigenkapitalquote als der Konzern ausweisen.1708 Umgekehrt sollten Missbrauchsvorschriften auch nicht zu einer Besteuerung führen, die vom Grundsatz der Lastengleichheit abweicht.1709
1703 Vgl. grundlegend BVerfG, Bschl. v. 14.04.1959, 1 BvL 23/57 u.a., BVerfGE 9, 237 (250); BFH, Bschl. v. 29.11.1982, GrS 1/81, BStBl. II 1983, 272 (277); Drüen, StuW 2008, 154 (155 f.); Hey, StuW 2008, 167 (169 m.w.N.). 1704 Vgl. BGH, Urt. v. 26.11.1979, II ZR 104/77, BGHZ 75, 334 (337 f.); Urt. v. 13.07.1981, II ZR 256/79, BGHZ 81, 252 (257); Urt. v. 26.03.1984, II ZR 171/83, BGHZ 90, 381 (390). 1705 Vgl. BFH, Urt. v. 05.02.1992, I R 127/90, BStBl. II 1992, 532 (536); Urt. v. 24.04.1997, VIII R 23/93, BStBl. II 1999, 342 (343). Siehe bereits A.II. 1706 Vgl. Danzer, Die Steuerumgehung, 1981, S. 24; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. III, 1993, S. 1332; Drüen, StuW 2008, 154 (155 f., 158); ders., in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 42 AO, Rz. 15 (Stand: 10.2007); Hey, FR 2008, 1033 (1036); dies., StuW 2008, 167 (174); dies., DStJG 33 (2010), 139 (167 f.); Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 140; ders., StuW 2009, 3 (17); Koenig, in: Pahlke/Koenig, AO, 2. Aufl. 2009, § 42 AO, Rz. 7. Gabel spricht sogar vom Prinzip der Missbrauchsabwehr als Subprinzip des Leistungsfähigkeitsprinzips, vgl. Gabel, StuW 2011, 3 (9). 1707 Vgl. Danzer, Die Steuerumgehung, 1981, S. 24; Drüen, StuW 2008, 154 (158); ders., in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 42 AO, Rz. 15 (Stand: 10.2007); Hey, StuW 2008, 167 (174); dies., DStJG 33 (2010), 139 (166); Klein, Verluste und Besteuerungsgleichheit, 2005, S. 102 f.; Koenig, in: Pahlke/Koenig, AO, 2. Aufl. 2009, § 42 AO, Rz. 7; Kessler/Dietrich, DB 2010, 240; Gabel, StuW 2011, 3 (6). Gabel sieht dabei nicht nur eine Pflicht des Gesetzgebers eine Generalklausel wie § 42 AO einzuführen, sondern aus Rechtssicherheitswegen diese auch mit spezialgesetzlichen Missbrauchsvorschriften typisiert zu konkretisieren. Nach Hey, DStJG 33 (2010), 139 (166) liegt es hingegen im Ermessen des Gesetzgebers, zwischen einer spezialgesetzlichen Missbrauchstypisierung oder § 42 AO zu wählen. 1708 Siehe bereits C.II.2.c)cc)(3)(i). 1709 Vgl. auch Hey, StuW 2008, 167 (176).
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Wird im Rahmen einer Einzelfallprüfung ein Missbrauch festgestellt1710 und die Besteuerung des Steuerpflichtigen auf ein Niveau zurückgeführt, das seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entspricht, ist dies verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es fehlt dann bereits an einer Durchbrechung des Art. 3 Abs. 1 GG.1711 Problematisch sind jedoch diejenigen Fällen, in denen der Gesetzgeber im Tatbestand einer spezialgesetzlichen Missbrauchsvorschrift1712 typisiert ein bestimmtes Verhalten als missbräuchlich erachtet. Denn hier werden in gewissem Umfang stets auch nicht missbräuchliche Gestaltungen miterfasst. Fraglich ist dann, inwieweit der Vereinfachungszweck der Typisierung die vereinzelten Durchbrechungen des Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigen kann.1713 Das BVerfG gesteht dem Gesetzgeber grundsätzlich eine Typisierungsbefugnis zu. Jede gesetzliche Regelung muss notwendigerweise verallgemeinern.1714 Nach ständiger Rechtsprechung ist der Gesetzgeber speziell bei „der Ordnung von Massenerscheinungen […] berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt“.1715 Die damit unvermeidlich verbundenen Härten stellen keinen Verstoß gegen den allgemei-
1710 Eine Einzelfallprüfung sieht vor allem § 42 AO vor. Hingegen ist es für spezialgesetzliche Missbrauchsvorschriften wie § 4h EStG gerade charakteristisch, den Missbrauch typisiert festzustellen, vgl. Hey, StuW 2008, 167 (170). 1711 Vgl. Hey, StuW 2008, 167 (174); dies., DStJG 33 (2010), 139 (167 f.). 1712 Vgl. zu spezialgesetzlichen Missbrauchsvorschriften Hey, StuW 2008, 167 ff.; dies., in: Lüdicke, Wo steht das deutsche Internationale Steuerrecht?, 2009, S. 171 ff.; dies., DStJG 33 (2010), 139 ff.; Gabel, StuW 2011, 3 ff. 1713 Vgl. Mönikes, Verlustverrechnungsbeschränkungen des Einkommensteuergesetzes im Lichte der Verfassung, 2006, S. 63; Hey, StbJb 2007/2008, 19 (43); dies., DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 109 (112); dies., DStJG 33 (2010), 139 (143, 166 f.); Drüen, Ubg 2009, 23 (29). 1714 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 30.05.1990, 1 BvL 2/83, BVerfGE 82, 126 (151); Bschl. v. 10.04.1997, 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1 (6); Bschl. v. 11.11.1998, 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280 (290); Urt. v. 07.12.1999, 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297 (309); Bschl. v. 21.06.2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (182); Urt. v. 09.12.2008, 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 (232); Bschl. v. 12.10.2010, 1 BvL 12/07, DStR 2010, 2393 (2398). 1715 BVerfG, Urt. v. 09.12.2008, 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 (232); vgl. auch BVerfG, Bschl. v. 28.06.1960, 2 BvL 19/59, BVerfGE 11, 245 (254); Bschl. v. 31.05.1988, 1 BvR 520/83, BVerfGE, 78, 214 (227); Bschl. v. 08.10.1991, 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348 (359); Bschl. v. 11.11.1998, 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280 (290); Urt. v. 07.12.1999, 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297 (309); Bschl. v. 21.06.2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (182); Bschl. v. 17.11.2009, 1 BvR 2192/05, DStR 2010, 434 (441); Bschl. v. 06.07.2010, 2 BvL 13/09, DStR 2010, 1563 (1565).
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Zinsschranke
nen Gleichheitssatz dar.1716 Die Typisierung dient vor allem der Rechtssicherheit und der Praktikabilität der Verwaltung.1717 Sie kann aber auch zu einer lastengleichen Besteuerung beitragen,1718 wenn eine stete Einzelfallprüfung von Missbräuchen von der Verwaltung nicht durchführbar ist und somit zu (noch) weniger Steuergerechtigkeit führen würde. Voraussetzung ist aber, dass die Typisierung sich realitätsgerecht an einem typischen Missbrauchsfall orientiert.1719 Insofern ist eine zielgenaue Erfassung des Missbrauchs erforderlich.1720 Das BVerfG ist dabei großzügiger als der EuGH und verlangt nicht, dass sich eine Missbrauchsvorschrift „speziell auf rein künstliche Gestaltungen bezieht“1721, sondern akzeptiert, dass in gewissem Umfang auch NichtMissbrauchsfälle erfasst werden.1722 Das BVerfG zieht aber spätestens dort die Grenze, wo große Personenkreise betroffen werden, die nicht missbräuchlich handeln, oder wo die Missbrauchstypisierung zu schwerwiegenden Nachteilen
1716 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 08.10.1991, 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348 (359); Bschl. v. 11.11.1998, 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280 (290); Bschl. v. 21.06.2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (182 f.); Urt. v. 09.12.2008, 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 (232). 1717 Sie kann ferner auch zur Vereinfachung des Steuerrechts beitragen, vgl. BVerfG, Bschl. v. 10.04.1997, 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1 (7), und Ermittlungen der Finanzbehörden im Privatbereich verringern, vgl. Urt. v. 07.12.1999, 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297 (310 f.). 1718 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 10.04.1997, 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1 (6); Urt. v. 07.12.1999, 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297 (309). 1719 Vgl. allgemein zur Typisierung: BVerfG, Bschl. v. 07.10.1969, 2 BvR 555/67, BVerfGE 27, 142 (150); Bschl. v. 08.02.1983, 1 BvL 28/79, BVerfGE 63, 119 (128); Bschl. v. 21.06.2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (183); Urt. v. 09.12.2008, 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 (233); Bschl. v. 12.10.2010, 1 BvL 12/07, DStR 2010, 2393 (2395, 2398). Dazu hat der Gesetzgeber eine möglichst breite, alle betroffene Gruppen und Regelungsgegenstände einschließende Beobachtung durchzuführen, vgl. Bschl. v. 10.04.1997, 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1 (6); Urt. v. 07.12.1999, 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297 (309); Urt. v. 09.12.2008, 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 (232). 1720 Vgl. BVerfG, Urt. v. 24.01.1962, 1 BvL 32/57, BVerfGE 13, 290 (316 f.); Urt. v. 24.01.1962, 1 BvR 845/58, BVerfGE 13, 331 (344); Urt. v. 06.11.1985, 1 BvL 47/83, BVerfGE 71, 146 (157); Hey, StbJb 2007/2008, 19 (43); dies., StuW 2008, 167 (176); dies., DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 109 (112); Lang, FS Reiß, 2008, S. 379 (391); ders./Englisch, StuW 2005, 3 (10); Kessler/Dietrich, DB 2010, 240; Goebel/Eilinghoff, DStZ 2010, 550 (556); Süß/Wilke, SteuerStud 2010, 561 (567); Gabel, StuW 2011, 3 (8 u. 11). 1721 EuGH, Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 51; siehe ausführlich C.I.2.c)cc) mit weiteren Nachweise in Fn. 751. Nach der Rechtsprechung des EuGH dürfen jedenfalls nach der Möglichkeit zu einem Gegenbeweis keine Nicht-Missbrauchsfälle erfasst werden. 1722 Vgl. Hey, StuW 2008, 167 (176); dies., StbJb 2007/2008, 19 (43); dies., FS Djanani, 2008, S. 109 (123).
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führt.1723 Die Vorteile der Typisierung müssen somit in einem angemessenen Verhältnis zur mit der Typisierung verbundenen Ungleichbehandlung stehen.1724 Unter diesen Voraussetzungen lässt das BVerfG anders als der EuGH1725 grundsätzlich auch unwiderlegliche Typisierungen zu, stellt dann aber strengere Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit.1726 Eine unwiderlegliche Typisierung sollte aber nur akzeptiert werden, wenn der Gegenbeweis selbst die Praktikabilität der Verwaltung unverhältnismäßig erschwert. Umgekehrt ist dem Gesetzgeber bei widerleglichen Typisierungen ein größerer Ermessensspielraum einzuräumen. Im Folgenden ist zu prüfen, ob die Zinsschranke mit dem Ziel der Verhinderung der Steuerumgehung gerechtfertigt werden kann. Dazu müsste sie dieses Ziel verfolgen sowie zur Zielerreichung geeignet, erforderlich und angemessen sein. (i)
Verfolgung des Ziels und Geeignetheit
Bereits im Rahmen der grundfreiheitlichen Prüfung wurde festgestellt, dass die Zinsschranke das Ziel der Verhinderung der Steuerumgehung in geeigneter Weise verfolgt.1727 Denn verbundene Unternehmen versuchen mit einer über1723 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 02.07.1969, 1 BvR 669/64, BVerfGE 26, 265 (276); Bschl. v. 22.06.1977, 1 BvL 2/74, BVerfGE 45, 376 (390); Bschl. v. 08.02.1983, 1 BvL 28/79, BVerfGE 63, 119 (128); Bschl. v. 10.04.1997, 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1 (6 f.); Urt. v. 07.12.1999, 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297 (310); Bschl. v. 12.10.2010, 1 BvL 12/07, DStR 2010, 2393 (2400). 1724 Vgl. insbesondere BVerfG, Urt. v. 20.12.1966, 1 BvR 320/57 u.a., BVerfGE 21, 12 (27); Bschl. v. 17.11.2009, 1 BvR 2192/05, DStR 2010, 434 (441); Bschl. v. 12.10.2010, 1 BvL 12/07, DStR 2010, 2393 (2395 m.w.N.); vgl. auch Lang/Englisch, StuW 2005, 3 (10); Hey, StuW 2008, 167 (176); Wernsmann, in: H/H/Sp, AO/FGO, § 4 AO, Rz. 454 (Stand: 06.2009). Nach der Rechtsprechung sei andererseits auch das Verhältnis des personellen und finanziellen Aufwands der Steuererhebung zur Höhe der Steuereinnahmen entscheidend, vgl. BVerfG, Bschl. v. 28.01.1970, 1 BvL 4/67, BVerfGE 27, 375 (388); Bschl. v. 10.04.1997, 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1 (7). 1725 Der EuGH akzeptiert eine objektive Typisierung des Missbrauchs nur, wenn der Steuerpflichtige ohne übermäßige Verwaltungsauflagen die Möglichkeit zum Gegenbeweis hat, vgl. etwa EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I2107, Rz. 82; Bschl. v. 23.04.2008, C-201/05 (CFC and Dividend), Slg. 2008, I-2875, Rz. 84. Zuvor verlangte der EuGH noch generell eine Einzelfallprüfung des Missbrauchs, vgl. Urt. v. 17.07.1997, C-28/95 (Leur-Bloem), Slg. 1997, I-4161, Rz. 41; Urt. v. 21.11.2002, C-436/00 (X und Y), Slg. 2002, I-10829, Rz. 42 f. Siehe C.I.2.c)cc) und C.II.5.a)aa). 1726 Vgl. BVerfG, Urt. v. 20.12.1966, 1 BvR 320/57 u.a., BVerfGE 21, 12 (27); Hey, StuW 2008, 167 (176); dies., FS Djanani, 2008, S. 109 (123); dies., DStJG 33 (2010), 139 (168); Shou, Die Zinsschranke im Unternehmensteuerreformgesetz 2008, 2010, S. 68 f.; Gabel, StuW 2011, 3 (15); strenger wohl Drüen, StuW 2008, 3 (13); ders., StuW 2008, 154 (158 f.); ders., Ubg 2009, 23 (29). 1727 Siehe C.II.2.c)cc)(3)(i), dort bezogen auf die Umgehung des territorialen Besteuerungsanspruchs.
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Zinsschranke
mäßigen Fremdfinanzierung die Gewinnermittlungsvorschriften des Steuerrechts zu umgehen. In der Folge kann eine gerechte Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht mehr garantiert werden. Dagegen wenden sich die §§ 4h EStG, 8a KStG.1728 Zur Verfolgung des Ziels der Verhinderung der Steuerumgehung ist die Zinsschranke grundsätzlich auch geeignet.1729 Denn wie im Europarecht ist auch im Verfassungsrecht hier nicht nach der zweckmäßigsten Maßnahme gefragt.1730 Es reicht aus, wenn die Zinsschranke zumindest bestimmte Formen missbräuchlicher Gestaltungen erfasst. Dies ist der Fall. Die Zinsschranke ist nicht deswegen ungeeignet, weil bestimmte Missbrauchsformen nicht erfasst werden.1731 (ii)
Erforderlichkeit
Die Zinsschranke ist erforderlich, wenn es kein milderes, gleichermaßen geeignetes Mittel zur Verhinderung von missbräuchlichen Gestaltungen gibt. Die Zinsschranke muss den Missbrauch insofern zielgenau erfassen und sich an einem typischen und nicht am atypischen Missbrauchsfall orientieren. Zunächst ist festzustellen, dass die Zinsschranke eine unwiderlegliche Typisierung des Missbrauchs vornimmt. Übersteigt der Nettozinsaufwand 30% des steuerlichen EBITDA, hat der Steuerpflichtige keine Möglichkeit, die Angemessenheit seiner Finanzierungsgestaltung nachzuweisen. Diese Möglichkeit bietet auch nicht die Escape-Klausel des § 4h Abs. 2 lit. c EStG. Es kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass der Gegenbeweis selbst die Praktikabilität der Verwaltung unverhältnismäßig erschweren würde. Dies zeigt gerade der Gegenbeweis, der bei § 8a KStG a.F. nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 anhand des Fremdvergleichs geführt werden konnte.1732 Eine Norm, die den Gegenbeweis zulässt, erscheint damit bereits als milderes, gleich geeignetes Mittel zur Verhinderung der Steuerumgehung.1733 Jedenfalls sind aber strengere Kriterien an die unwiderlegliche Missbrauchstypisierung zu stellen.1734
1728 Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 31: „Die sog. Zinsschranke […] soll verhindern, dass allein aus Gründen der Steueroptimierung eine hohe Fremdkapitalquote angestrebt wird.“ 1729 Vgl. Bohn, Zinsschranke, 2009, S. 44; Musil/Volmering, DB 2008, 12 (15); Shou, Die Zinsschranke im Unternehmensteuerreformgesetz 2008, 2010, S. 64 f.; a.A.: Drüen, StuW 2008, 3 (13); ders., StuW 2008, 154 (165). 1730 Vgl. Schwarz, FS Isensee, 2007, S. 949 (952); Osterloh, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 3, Rz. 19 f. 1731 So aber Drüen, StuW 2008, 3 (13); ders., StuW 2008, 154 (165). So unterliegen beispielsweise auch extensiv fremdfinanzierte Unternehmen nicht der Zinsschranke, wenn diese renditestark sind oder eine höhere Eigenkapitalquote als der Konzern ausweisen. Siehe oben unter (2) sowie C.II.2.c)cc)(3)(i). 1732 Siehe B.II.1. 1733 Vgl. Drüen, StuW 2008, 3 (13); ders., StuW 2008, 154 (158 f.); ders., Ubg 2009, 23 (29); vgl. auch die allgemeine Abwägung von Hey, StuW 2008, 167 (176). 1734 Siehe oben unter (2) mit Fn. 1726.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
Bereits die grundfreiheitliche Prüfung hat gezeigt, dass die Zinsschranke missbräuchliche Gestaltungen nicht zielgenau erfasst.1735 Denn es ist nicht zwingend missbräuchlich, wenn der Nettozinsaufwand 30% des steuerlichen EBITDA übersteigt. Geht man von identischen Eigen- und Fremdkapitalrenditen aus, wird auf diese Weise eine Eigenkapitalquote von 70% unterstellt.1736 Tatsächlich lag die Quote 2004 in Deutschland bei etwa 22%.1737 Die Zinsschranke geht damit nicht von einer typisch missbräuchlichen Unterkapitalisierung aus,1738 sondern orientiert sich am Normalfall der fremdfinanzierten Gesellschaft.1739 Dabei entstehen Nachteile für einen großen Personenkreis, was das BVerfG gerade als kritisch ansieht.1740 Besonders schwer wiegt, dass die Zinsschranke auch in einem reinen Inlandsfall anwendbar ist, in dem aber überhaupt keine Möglichkeit der grenzüberschreitenden Gewinnverlagerung besteht. Ein Missbrauchsverdacht scheidet hier von vornherein aus.1741 Die im Schrifttum und speziell von GA Geelhoed als „völlig sinnlos und für die wirtschaftliche Effizienz kontraproduktiv“ kritisierte Anwendung von Unterkapitalisierungsvorschriften auf den Inlandsfall1742 wird der Zinsschranke damit verfassungsrechtlich zum Verhängnis. Das Gleiche gilt auch für Darlehen, die durch Dritte, z.B. Banken, ausgereicht werden. Sofern der Gesellschafter kein Rückgriffsrecht auf den Dritten hat, sind diese nicht missbräuchlich, weil
1735 Siehe C.II.2.c)cc)(3)(ii), dort bezogen auf die Umgehung des territorialen Besteuerungsanspruchs. 1736 Siehe bereits B.II.2.a)aa) mit den Nachweisen in Fn. 357. 1737 Vgl. Drukarczyk, Finanzierung, 10. Aufl. 2008, S. 310. 1738 Vgl. auch Förster, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 4h EStG Exkurs, Rz. 36; Shou, Die Zinsschranke im Unternehmensteuerreformgesetz 2008, 2010, S. 70; München, Zinsschranke, 2010, S. 71 f. 1739 Vgl. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl. 2008, § 11, Rz. 56; Homburg, FR 2007, 717 (719); Kessler/Köhler/Knörzer, IStR 2007, 418 (419); Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 2007, S. 447 (449 f.); Musil/Volmering, DB 2008, 12 (13); Lenz/Dörfler, DB 2010, 18 (19); München, Zinsschranke, 2010, S. 70; Süß/Wilke, SteuerStud 2010, 561 (568); Loschelder, in: Schmidt, EStG, 31. Aufl. 2012, § 4h, Rz. 3; siehe auch C.II.2.c)cc)(3)(ii). 1740 Siehe oben unter (2) mit Fn. 1723; vgl. auch Shou, Die Zinsschranke im Unternehmensteuerreformgesetz 2008, 2010, S. 70. 1741 Vgl. Rödder/Stangl, DB 2007, 479 (483); Hey, BB 2007, 1303 (1305); dies., FS Djanani, 2008, S. 109 (124); Heuermann, in: Blümich, EStG u.a., § 4h EStG, Rz. 29 (Stand: 12.2007); Hick, in: H/H/R, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 6 (Stand: 03.2009); Herr, Gesellschafterfremdfinanzierung und Europarecht, 2008, S. 271; Mewes, Die Finanzierung von Kapitalgesellschaften im steuerrechtlichen Kontext, 2009, S. 389; München, Zinsschranke, 2010, S. 68; Süß/Wilke, SteuerStud 2010, 561 (568); Gabel, StuW 2011, 3 (3 f. u. 8 f.). 1742 GA Geelhoed, SchlA v. 29.06.2006, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 68; vgl. auch Gosch, DStR 2007, 1553 (1559); Schön, DFGT 5 (2008), 37 (48 f.); ders., IStR 2009, 882 (883).
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Zinsschranke
mangels Interessenidentität keine Gefahr der Steuerumgehung besteht.1743 Bei der grundfreiheitlichen Prüfung wurde zudem bereits nachgewiesen, dass auch die Ausnahmen des § 4h Abs. 2 EStG die Zinsschranke nicht zielgenau auf die Verhinderung der Steuerumgehung ausrichten.1744 Eine echte Missbrauchsgefahr besteht nur bei einer übermäßigen Fremdfinanzierung durch wesentlich beteiligte Gesellschafter oder diesen nahe stehenden Personen wie etwa verbundene Unternehmen, an denen die gemeinsame Muttergesellschaft die Mehrheit1745 hält. Als milderes und gleich geeignetes Mittel zur Verhinderung der Steuerumgehung kommt daher eine GesellschafterFremdfinanzierungsregelung in Betracht, die am Fremdvergleich ausgerichtet ist1746. Die Zinsschranke ist damit zur Verhinderung von Steuerumgehungen nicht erforderlich und kann mit diesem Ziel nicht gerechtfertigt werden.1747 (iii)
Inbezugnahme des internationalen Steuerwettbewerbs
Eine andere Beurteilung ist auch nicht geboten, wenn der internationale Steuerwettbewerb in die Betrachtung mit einbezogen wird. Speziell die grundfreiheitliche Prüfung hat gezeigt, dass die Verhinderung der mit einer Unterkapitalisierung beabsichtigten Steuerumgehungen stets auch zur Sicherung des territorialen Besteuerungsanspruchs eines Staates dient.1748 Nach Nawrath sei die Zinsschranke in dieser globalen Perspektive zu betrachten, in der sie besser 1743 Vgl. Drüen, StuW 2008, 154 (159); Hiller, Gesellschafter-Fremdfinanzierung und Diskriminierungsverbote, 2008, S. 177; Herzig/Bohn/Fritz, DStR 2009, Beihefter zu Heft 29, 61 (64); ferner: Führich, Ubg 2009, 30 (40); Mewes, Die Finanzierung von Kapitalgesellschaften im steuerrechtlichen Kontext, 2009, S. 397 f.; von Bar, Die Zinsschranke und ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht, 2010, S. 169; Gabel, StuW 2011, 3 ( 3 f. u. 8 f.). Siehe bereits C.II.2.c)cc)(3)(ii). 1744 Siehe C.II.2.c)cc)(3)(ii). Dies gilt auch für die Escape-Klausel § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. c EStG. Es ist nicht per se missbräuchlich, wenn eine Konzerngesellschaft eine geringere Eigenkapitalquote als der Konzern aufweist. Die Eigenkapitalquote ist von zahlreichen außersteuerlichen Faktoren abhängig, siehe A.II. 1745 Vgl. zum Erfordernis der Mindestbeteiligung: Hey, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 109 (112). 1746 A.A. ist Schmitt, DStZ 2004, 600 (604) bezüglich § 8a KStG a.F. Schmitt argumentiert, dass der Fremdvergleich in der Praxis nicht gelingen könne, da Banken anders als Gesellschafter z.B. stets Kreditsicherheiten verlangen würden. Darauf kommt es aber nicht an, weil sich der Fremdvergleich am Verhalten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters ausrichtet, siehe B.IV.1.b). 1747 Vgl. Hey, BB 2007, 1303 (1305 f.); dies., FS Djanani, 2008, S. 109 (123 f.); Drüen, StuW 2008, 154 (159); Musil/Volmering, DB 2008, 12 (15); Hallerbach, StuB 2007, 481 (492); Lang, FS Reiß, 2008, S. 379 (390 f.); Kessler/Dietrich, DB 2010, 240; Shou, Die Zinsschranke im Unternehmensteuerreformgesetz 2008, 2010, S. 71; München, Zinsschranke, 2010, S. 67 ff.; Süß/Wilke, SteuerStud 2010, 561 (569); Gabel, StuW 2011, 3 (4 f.); a.A.: Rödder/Stangl, DB 2007, 479 (482 f.); Amler, Direkte Steuern, EG-Grundfreiheiten und die deutsche Unternehmensteuerreform, 2009, S. 306. 1748 Siehe C.II.2.c)cc)(3); vgl. auch A.II. und C.I.2.c)cc)(2).
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
zu einer lastengerechten Besteuerung beitrage, als eine uneingeschränkte Achtung des objektiven Nettoprinzips. Der demokratisch legitimierte Gesetzgeber könne letztlich „nicht gezwungen sein, die Wirkung von Steuerprinzipien gegen sich uneingeschränkt gelten zu lassen, wenn in ihrem Windschatten dem Staat die fiskalische Basis entzogen wird.“1749 Zudem sieht Heuermann den Gesetzgeber vor dem Hintergrund des internationalen Steuerwettbewerbs berechtigt, den Körperschaftsteuersatz im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008 zu senken und mit der Zinsschranke zugleich das nationale Steuersubstrat zu sichern.1750 Tatsächlich erkennt das BVerfG die Zwänge des Gesetzgebers im internationalen Steuerwettbewerb durchaus an.1751 Entsteht wie hier die Problematik der Unterkapitalisierung jedoch erst durch die in § 49 Abs. 1 EStG ausgedrückte und in den deutschen DBA und der ZLRL manifestierte Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers, Zinserträge einzig im Ansässigkeitsstaat des Zinsempfängers zu besteuern und auf eine Quellensteuer zu verzichten,1752 wird sich der Gesetzgeber nicht rechtfertigend auf die daraus überhaupt erst entstehenden Zwänge im internationalen Steuerwettbewerb berufen können. Ungeachtet dessen wäre der Gesetzgeber auch im Fall anzuerkennender Zwänge im internationalen Steuerwettbewerb nicht von der Bindung an den allgemeinen Gleichheitssatz befreit.1753 Existiert wie hier mit einer am Fremdvergleich ausgerichteten Gesellschafter-Fremdfinanzierungsvorschrift ein schonenderes 1749 Nawrath, DStR 2009, 1 (3); vgl. auch dens., JbFStR 2008/2009, 11 (17 ff.); Heuermann, in: Blümich, EStG u.a., § 4h EStG, Rz. 28 (Stand: 12.2007). 1750 Vgl. Heuermann, in: Blümich, EStG u.a., § 4h EStG, Rz. 28 (Stand: 12.2007) unter Verweis auf BVerfG, Bschl. v. 21.06.2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (192 f.), siehe dazu Fn. 1751. 1751 Vgl. etwa BVerfG, Bschl. v. 19.04.1978, 1 BvR 596/77, BVerfGE 48, 206 (226) [der Gesetzgeber darf zur Stärkung der Wettbewerbsposition der deutschen Wirtschaft Investitionen im Ausland fördern]; Urt. v. 27.06.1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (282) [Berücksichtigung der besonderen grenzüberschreitenden Mobilität des Kapitalvermögens]; Urt. v. 20.04.2004, 1 BvR 905/00, BVerfGE 110, 274 (299 ff.) [Entlastung des produzierenden Gewerbes von der Ökosteuer ist zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschlands im internationalen Wettbewerb gerechtfertigt]; Bschl. v. 21.06.2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (192 f.) [Senkung des Spitzensteuersatzes für gewerbliche Einkünfte zur Stärkung der internationalen Wettbewerbslage Deutschlands]. Vgl. näher Hey, StbJb 2007/2008, 19 (44 f.); Schön, FS Solms, 2005, S. 263 (268 f.); kritischer: Hey, StuW 2005, 317 (324). 1752 Siehe A.II. 1753 Vgl. Hey, StbJb 2007/2008, 19 (44 f.); Schön, FS Solms, 2005, S. 263 (268 f.); Kessler/Dietrich, DB 2010, 240; strenger: Hey, StuW 2005, 317 (324). Vgl. selbst Neumann, Ubg 2009, 461 (462), der die Verhältnismäßigkeit der Zinsschranke aber wohl dadurch als gewahrt ansieht, dass auch andere Staaten ähnliche Regelungen wie die Zinsschranke vorsehen. Der Rechtsvergleich kann Durchbrechungen des Art. 3 Abs. 1 GG jedoch nicht rechtfertigen, vgl. BVerfG, Urt. v. 09.12.2008, 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 (245).
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Zinsschranke
Mittel, das Deutschland im internationalen Steuerwettbewerb in gleicher Weise das territoriale Besteuerungsrecht sichert, kann das umfassende Zinsabzugsverbot des § 4h EStG nur als unverhältnismäßig angesehen werden. Den Ausführungen von Nawrath und Heuermann ist somit entschieden entgegenzutreten. (3)
Europarechtskonformität
Bei der konkreten Ausgestaltung der Zinsschranke hat der Gesetzgeber im Wesentlichen auch europarechtliche Vorgaben berücksichtigt. Aufgrund der Rs. Lankhorst-Hohorst1754 sah er sich wohl genötigt, die Norm auf den Inlandsfall anzuwenden, obwohl hier ohne die Möglichkeit zur grenzüberschreitenden Gewinnverlagerung kein Missbrauchsverdacht besteht.1755 Insofern ist fraglich, ob die im Inlandsfall mit der Zinsschranke verbundenen Nachteile durch das Ziel der Herstellung der Europarechtskonformität verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden können. Das BVerfG hat bisher noch nicht entschieden, ob dies ein legitimes Ziel zur Rechtfertigung von Durchbrechungen des Art. 3 Abs. 1 GG ist. Vom Gesetzgeber1756 und der Literatur1757 wurde insbesondere der Wechsel vom Körperschaftsteueranrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren, das eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung nicht wirksam ausschließen kann, verfassungsrechtlich mit dem Ziel der Herstellung der Europarechtskonformität gerechtfertigt. In der Rs. Meilicke u.a.1758 hat der EuGH das Anrechnungsverfahren, was sich schon in der Rs. Verkooijen1759 abgezeichnet hatte, später auch als europarechtswidrig eingestuft. Die Rechtsprechung des EuGH kann auch verfassungsrechtlich nicht unbeachtet bleiben. Der EuGH legt die Grundfreiheiten aus, die auch vor den Grundrechten im Grundsatz Vorrang genießen.1760 Das Ziel der Herstellung der Europarechtskonformität könnte die mit der Zinsschranke verbundenen Durchbrechungen des Art. 3 Abs. 1 GG jedenfalls aber nur insoweit rechtfertigen, als die konkrete Ausgestaltung der Norm zur Erreichung dieses Ziels geeignet, erforderlich und angemessen ist.1761 Die Zinsschranke darf im Inlandsfall vor allem nicht über die europarechtlich „zwin1754 1755 1756 1757
1758 1759 1760
1761
EuGH, Urt. v. 12.12.2002, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-11779. Siehe B.II.1. und 2. Siehe auch die Nachweise in Fn. 1765. Vgl. BT-Drs. 16/2683, S. 95. Vgl. Pezzer, StuW 2000, 144 (145 f., 147); Desens, Das Halbeinkünfteverfahren, 2004, S. 368; Michaelis, Die territoriale Zuordnung von Beteiligungsaufwand, 2006, S. 85 ff.; tendenziell auch: Seer, StbJb 2000/2001, 15 (27); Hey, DStJG Sonderband Unternehmensteuerreform (2001), 5 (17); vgl. ferner: Schön, StuW 2000, 151 (154). EuGH, Urt. v. 06.03.2007, C-292/04 (Meilicke u.a.), Slg. 2007, I-1835. EuGH, Urt. v. 06.06.2000, C-35/98 (Verkooijen), Slg. 2000, I-4071. Vgl. EuGH, Urt. v. 09.03.1978, 106/77 (Simmenthal II), Slg. 1978, 629, Rz. 13 ff.; siehe C.I.1.a). Richtigerweise ist aber ein schonender Ausgleich zwischen der Durchsetzung der Grundfreiheiten und den Grundrechten des GG zu suchen. Vgl. auch Englisch, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 92 (98).
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
gende“ Eingriffsintensität hinausgehen.1762 Zu weit ginge es aber dabei, den Gesetzgeber auf die Möglichkeit der Streichung jeglicher Unterkapitalisierungsvorschrift zu verweisen und deswegen deren europarechtliche Erforderlichkeit abzulehnen.1763 Dies würde die verfassungsrechtlich garantierte Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers unterlaufen. Die Streichung ist nur zu berücksichtigen, wenn sie in der Gesamtabwägung die Interessen von Gesetzgeber und Steuerpflichtigen besser ausgleicht als andere Alternativen. Der konkreten Ausgestaltung der Zinsschranke ist jedoch bereits die Eignung zur Herstellung der Europarechtskonformität abzusprechen. Dies hat die grundfreiheitliche Prüfung gezeigt.1764 Aber auch die Anwendung des Grundkonzepts auf den Inlandsfall ist europarechtlich nicht erforderlich.1765 Der EuGH hat den Mitgliedstaaten noch vor der Unternehmensteuerreform 2008 in der Rs. Thin Cap1766 die Möglichkeit aufgezeigt, Unterkapitalisierungsvorschriften, die am Fremdvergleich ausgerichtet sind und dem Steuerpflichtigen ohne übermäßige Verwaltungsauflagen die Möglichkeit zum Nachweis außersteuerliche Gründe lassen, allein auf grenzüberschreitende Fälle anzuwenden.1767 Derartige Normen erweisen sich nicht nur europa-, sondern auch verfassungsrechtlich als milderes, gleich geeignetes Mittel zur Verhinderung der Steuerumgehung.1768 Die Zinsschranke kann im Inlandsfall folglich auch nicht mit dem Ziel der Herstellung der Europarechtskonformität gerechtfertigt werden. Sie verstößt letztlich gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. b)
Die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG
Fraglich ist, ob der Zinsabzugsbeschränkung des § 4h EStG darüber hinaus durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG auch absolute Schranken gesetzt 1762 Vgl. Michaelis, Die territoriale Zuordnung von Beteiligungsaufwand, 2006, S. 89; Hey, DStJG Sonderband Unternehmensteuerreform (2001), 5 (17); Seer, StbJb 2000/2001, 15 (27 f.); ferner: Pezzer, StuW 2000, 144 (147). 1763 So aber Schmitt, DStZ 2004, 600 (603); Hey, StuW 2005, 317 (322 f.). Vgl. jetzt aber wie hier: Hey, FS Djanani, 2008, S. 109 (126, dort Fn. 66). 1764 Siehe C.II.2. 1765 Vgl. zutreffend Hey, StuW 2008, 167 (183); dies., FS Djanani, 2008, S. 109 (126); dies., StuW 2010, 301 (319); München, Zinsschranke, 2010, S. 69; a.A. sind Heuermann, in: Blümich, EStG u.a., § 4h EStG, Rz. 29 (Stand: 12.2007); Lenz/Dörfler, DB 2010, 18 (22) und Seiler, in: Kirchhof, EStG, 11. Aufl. 2012, § 4h, Rz. 1, nach denen die Rechtsprechung des EuGH dem Gesetzgeber zur unterschiedslosen Anwendung des § 4h EStG gezwungen hätte. 1766 EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 80 ff.; bestätigt im Urt. v. 17.01.2008, C-105/07 (Lammers & Van Cleef), Slg. 2008, I-173. 1767 Siehe ausführlich C.I.2.c)cc)(2)(ii) und (iv). Vgl. zutreffend Hey, StuW 2008, 167 (183); dies., FS Djanani, 2008, S. 109 (126); dies., StuW 2010, 301 (319); ferner: München, Zinsschranke, 2010, S. 69. 1768 Siehe C.II.2.c)cc)(3)(ii) und C.II.4.a)dd)(2)(ii).
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Zinsschranke
werden. Art. 14 GG ist nach der jüngeren Rechtsprechung betroffen, „wenn Steuerpflichten – wie im Einkommen- und Gewerbesteuerrecht – an den Hinzuerwerb von Eigentum anknüpfen.“1769 Auch die Körperschaftsteuer und damit zugleich die Zinsschranke des § 4h EStG i.V.m. §§ 8 Abs. 1; 8a KStG knüpfen an den Hinzuerwerb von Eigentum bei der Körperschaft an. Der damit verbundene Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 GG ist daher auf seine Verhältnismäßigkeit hin zu überprüfen.1770 Dem Verhältnismäßigkeitsprinzip kann jedoch keine exakte Obergrenze für die Besteuerung entnommen werden.1771 Die Kriterien der Geeignetheit und Erforderlichkeit bieten dafür keinerlei Ansatzpunkte – eine Steuer ist zur Einnahmeerzielung stets geeignet und erforderlich.1772 Auch mit der Abwägung zwischen den Interessen des Einzelnen und dem Allgemeinwohl im Rahmen der Verhältnismäßigkeit i.e.S. lässt sich kaum eine Obergrenze der Besteuerung bestimmen. Das BVerfG hält sich hierbei bewusst zurück, weil eine definitive Obergrenze Gefahr läuft, dem Gesetzgeber Aufgaben- und Ausgabenbeschränkungen aufzuerlegen, die das Grundgesetz so nicht vorsieht.1773 Das Gericht erachtet eine Steuer erst dann als unverhältnismäßig, wenn sie die Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigt, was jedenfalls bei einer erdrosselnden oder konfiskatorischen Besteuerung anzunehmen ist.1774
1769 BVerfG, Bschl. v. 18.01.2006, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97 (111). Siehe bereits C.II.1.b)bb). 1770 Vgl. insbesondere BVerfG, Bschl. v. 18.01.2006, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97 (113 ff.). 1771 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 18.01.2006, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97 (115); Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, 1983, S. 189; Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 42; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, 2. Aufl. 2000, S. 418; Englisch, StuW 2003, 237 (245); Wernsmann, NJW 2006, 1169 (1173); Di Fabio, JZ 2007, 749 (752); Papier, DStR 2007, 973 (974); Hey, StbJb 2007/2008, 19 (29 f.); Lepsius, JZ 2009, 260; Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Art. 14, Rz. 65 (Stichwort: „Steuer- und Abgabenrecht“); a.A.: Kirchhof, HStR V, 3. Aufl. 2007, § 118, Rz. 131. 1772 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 18.01.2006, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97 (115); zuvor: Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, 1983, S. 189; Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 42. 1773 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 18.01.2006, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97 (115). 1774 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 18.01.2006, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97 (115); vgl. zuvor bereits die ständige Rechtsprechung: Urt. v. 24.07.1962, 2 BvL 15/61 u.a., BVerfGE 14, 221 (241); Bschl. v. 19.12.1978, 1 BvR 335/76 u.a., BVerfGE 50, 57 (104 ff.); Bschl. v. 08.03.1983, 2 BvL 27/81, BVerfGE 63, 312 (327); Bschl. v. 31.05.1988, 1 BvR 520/83, BVerfGE 78, 214 (230); Bschl. v. 08.04.1997, 1 BvR 48/94, BVerfGE 95, 267 (300).
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
Eine Steuer wirkt erdrosselnd, wenn sie die Erfüllung eines Tatbestands ökonomisch sinnlos erscheinen lässt1775 oder die Existenz eines Unternehmens ernsthaft gefährdet1776. Dies ist bei der Zinsschranke durchaus möglich: Für Unternehmen in der Krise kann die Zinsabzugsbeschränkung existenzgefährdend wirken, wenn etwa trotz operativer Verluste steuerlich ein Gewinn ausgewiesen wird.1777 Ein Verstoß ist aber nicht schon dann anzunehmen, wenn die Zinsabzugsbeschränkung z.B. zu einer Steuerquote von 60% führt.1778 Eine grundlegende Beeinträchtigung der Vermögensverhältnisse liegt aber jedenfalls dann vor, wenn die Besteuerung den Gewinn übersteigt und somit die Substanz des Unternehmens angreift.1779 Eine Substanzbesteuerung führt zu einer schrittweisen Konfiskation:1780 Das Unternehmen ist gezwungen Eigentum aufzugeben, um die Steuerschuld zu bezahlen. Genau diese Konsequenz droht aber, wenn die Steuer aufgrund der Zinsabzugsbeschränkung des § 4h EStG den operativen Gewinn eines Unternehmens übersteigt.1781 Den Substanzschutz hat das BVerfG insbesondere im Vermögensteuerbeschluss betont.1782 Der Staat darf die Erträge aus der Steuerquelle belasten, muss aber die
1775 Vgl. BVerfG, Urt. v. 22.05.1963, 1 BvR 78/56, BVerfGE 16, 147 (161); Bschl. v. 15.10.1963, 1 BvL 29/56, BVerfGE 17, 135 (137); Bschl. v. 17.07.1974, 1 BvR 51/69 u.a., BVerfGE 38, 61 (80 f.); vgl. auch Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 42; dies., DFGT 2 (2005), 59 (73); Englisch, StuW 2003, 237 (245 f.). 1776 Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss v. 22.07.1991, 1 BvR 313/88, HFR 1992, 423 (424). 1777 Siehe bereits B.II.2.a)aa); vgl. dazu kritisch: Homburg, FR 2007, 717 (723); Schwarz, IStR 2008, 11 (13); Hoffmann, Zinsschranke, 2008, Rz. 273; Förster, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 4h EStG Exkurs, Rz. 28; Herzig/Bohn, IStR 2009, 253 (257). 1778 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 18.01.2006, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97 (117 f.). 1779 Vgl. ausdrücklich BVerfG, Bschl. v. 22.06.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (137); vgl. auch Kirchhof, VVDStRL 39 (1981), 213 (226 ff.); ders., StuW 1984, 297 (299); Birk, in: H/H/Sp, AO/FGO, § 4 AO, Rz. 607 (Stand: 11.1998); Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 43 ff.; dies., DFGT 2 (2005), 59 (73); Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rz. 172 (Stand: 06.2002); Hey, StbJb 2007/2008, 19 (27 f.); siehe in Zusammenhang mit dem objektiven Nettoprinzip bereits C.II.1.b)aa)(1)(ii) und vgl. Lang/Englisch, StuW 2005, 3 (5 f., 8); Ismer, Bildungsaufwand im Steuerrecht, 2006, S. 346 ff.; Englisch, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 92 (94); Hey, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 109 (110). 1780 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 22.06.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (137). 1781 Siehe bereits B.II.2.a)aa) mit dem Beispiel in Fn. 361; vgl. auch Musil/Volmering, DB 2008, 12 (14); Herr, Gesellschafterfremdfinanzierung und Europarecht, 2008, S. 272; Frotscher, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, 2. Aufl. 2008, Rz. 477; ders., in: Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 8a KStG, Rz. 13 (Stand: 11.2008); München, Zinsschranke, 2010, S. 49 ff.; Seiler, in: Kirchhof, EStG, 11. Aufl. 2012, § 4h, Rz. 5. Vgl. für einen Fall der Substanzbesteuerung auch FG Berlin-Brandenburg, Bschl. v. 13.10.2011, 12 V 12089/11, EFG 2012, 358. 1782 BVerfG, Bschl. v. 22.06.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (137).
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Zinsschranke
Quelle selbst verschonen.1783 Dies ist auch steuerpolitisch zur nachhaltigen Erzielung staatlicher Einnahmen erforderlich.1784 Zu beachten ist jedoch, dass der Substanzeingriff aufgrund des Zinsvortrags ggf. nur temporär ist. Das BVerfG hat auch in diesem Zusammenhang jüngst das Verbot der Bildung von Jubiläumsrückstellungen nicht als Verstoß gegen die Obergrenze zumutbarer Belastung angesehen.1785 Dennoch ist der Eingriff in die Substanz bereits verwirklicht, wenn der Zinsvortrag gebildet wird. Der Steuerpflichtige ist dann bereits gezwungen, zur Begleichung der Steuern Eigentum zu veräußern oder als Kreditsicherheit zu verwenden. Ohnehin ist nicht sichergestellt, dass der Zinsvortrag überhaupt jemals genutzt werden kann.1786 In den Fällen einer Substanzbesteuerung verstößt die Zinsschranke damit auch gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG;1787 eine Rechtfertigung mit dem Ziel der Verhinderung der Steuerumgehung kommt auch hier nicht in Betracht. Im Kontext des Art. 3 Abs. 1 GG stellt eine Substanzbesteuerung daneben einen für die Steuerpflichtigen besonders schwerwiegenden Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip dar. c)
Zwischenergebnis
Im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008 hat der deutsche Gesetzgeber das zur Bekämpfung von Unterkapitalisierungen international bewährte Konzept der Gesellschafter-Fremdfinanzierungsregelung1788 in Gestalt des § 8a KStG a.F. aufgegeben und durch eine allgemeinere Zinsabzugsbeschränkung in den §§ 4h EStG, 8a KStG ersetzt, die sich nur schwer in das bestehende Recht einfügt.1789 Grundfreiheitlich bestehen aufgrund der weitgehend unterschiedslosen Anwendung der Zinsschranke nur vereinzelte vertikale Diskriminierungen.1790 Die überschießende Tendenz der Zinsschranke, die darin besteht, dass die Norm nicht nur auf die Bekämpfung der Unterkapitalisierung durch wesentlich beteiligte Gesellschafter begrenzt ist, und die primär zur Gegenfinanzierung der Unternehmensteuerreform 2008 dient, kommt jedoch verfassungsrechtlich voll zum Tragen: Die Zinsabzugsbeschränkung des § 4h EStG verletzt praktisch in dessen gesamten Anwendungsbereich das objektive 1783 1784 1785 1786 1787
Vgl. auch BVerfG, Bschl. v. 18.01.2006, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97 (115). Vgl. Kirchhof, StuW 1984, 297 (299). Vgl. BVerfG, Bschl. v. 12.05.2009, 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 (131). Siehe bereits C.II.4.a)bb)(1). Vgl. auch Herr, Gesellschafterfremdfinanzierung und Europarecht, 2008, S. 272; Frotscher, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, 2. Aufl. 2008, Rz. 477; ders., in: Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 8a KStG, Rz. 13 (Stand: 11.2008); Goebel/Eilinghoff, DStZ 2010, 550 (555); München, Zinsschranke, 2010, S. 52; Seiler, in: Kirchhof, EStG, 11. Aufl. 2012, § 4h, Rz. 5. 1788 Siehe A.II. und B.IV.1.b); vgl. OECD Committee on Fiscal Affairs, Thin Capitalisation, 1987, Tz. 14. 1789 Siehe B.II.2, B.III., B.IV.1.b) sowie C.II. 1790 Siehe C.II.2.b)aa).
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
Nettoprinzip und damit die durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG garantierte Lastengleichheit. Dies gilt sowohl wenn man das objektive Nettoprinzip wie hier als verfassungsfestes Subprinzip des Leistungsfähigkeitsprinzips betrachtet, als auch wenn man es mit dem BVerfG im Gebot der Folgerichtigkeit verortet. Die Durchbrechung des Art. 3 Abs. 1 GG wird auch nicht durch den Zinsvortrag abgewendet, weil dieser stets zu Zins- und Liquiditätsnachteilen führt und nicht sichergestellt ist, dass der Zinsvortrag später auch geltend gemacht werden kann. Die mit der Zinsschranke verbundene Ungerechtigkeit und speziell ihre existenz- und krisenverschärfende Wirkung scheint auch der Gesetzgeber mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz1791 erkannt zu haben. Die Erhöhung der Freigrenze und der Toleranz beim Eigenkapitalvergleich sowie die Einführung des EBITDA-Vortrags verringern aber nur die Zahl der von der Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips betroffenen Unternehmen, vermögen die Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips aber nicht generell zu beseitigen.1792 Die Durchbrechung des Art. 3 Abs. 1 GG kann auch nicht mit den Zielsetzungen gerechtfertigt werden, die der Gesetzgeber mit der Zinsschranke verfolgt. Dem Ziel der Gegenfinanzierung der Unternehmensteuerreform 2008 ist bereits die Legitimität abzusprechen. Auch wenn der Staat auf Mehreinnahmen angewiesen ist, muss er auf die gerechte Verteilung der Lasten achten. Das Ziel der Verhinderung der Steuerumgehung ist zwar grundsätzlich anzuerkennen und wird von der Zinsschranke in geeigneter Weise verfolgt, die Norm schießt jedoch weit über dieses Ziel hinaus und erfasst auch zahlreiche NichtMissbrauchsfälle. Mit der 30%-Grenze wird auch die normal fremdfinanzierte Gesellschaft und nicht nur der typische Missbrauchsfall sanktioniert. Besonders schwer wiegt, dass die Zinsschranke auch im reinen Inlandsfall sowie auf Darlehen unabhängiger Dritter Anwendung findet. Eine missbräuchliche Gewinnverlagerung ist dabei jedoch ausgeschlossen. Auch bei Einbeziehung des internationalen Steuerwettbewerbs ist demgegenüber eine zielgenau auf den Missbrauch ausgerichtete Gesellschafter-Fremdfinanzierungsregelung, die am Fremdvergleich ausgerichtet ist, das mildere, gleich geeignete Mittel zur Verhinderung der Steuerumgehung. Die Zinsschranke kann auch nicht mit dem Ziel der Herstellung der Europarechtskonformität gerechtfertigt werden, weil spätestens seit der Rs. Thin Cap1793 grundfreiheitlich kein „Zwang“ zur unterschiedslosen Anwendung von Unterkapitalisierungsvorschriften mehr besteht. In den Fällen einer für die Steuerpflichtigen besonders belastenden Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips, in denen eine existenz- oder 1791 Wachstumsbeschleunigungsgesetz v. 22.12.2009, BGBl. I 2009, 3950. Siehe B.II.2. und 2.b). 1792 Vgl. auch Lenz/Dörfler, DB 2010, 18 (23); Drüen, Ubg 2010, 543 (545); ders., wiedergegeben von Viskorf, DStR 2010, Beihefter zu Heft 7, 1 (3). 1793 EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, siehe dazu C.I.2.c)cc)(2)(ii) und (iv).
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Zinsschranke
substanzgefährdende Besteuerung auftritt, verstößt die Zinsschranke zudem gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG.
5.
Unterkapitalisierung de lege ferenda
Nach eingehender Prüfung ist zu konstatieren, dass die Zinsschranke sowohl gegen primäres Unionsrecht als auch gegen Verfassungsrecht verstößt sowie der Schrankenwirkung des Art. 9 OECD-MA unterliegt.1794 Gesucht ist damit eine alternative Lösung des Problems der Unterkapitalisierung, die im Einklang mit den Vorgaben dieser höherrangigen Rechtsstandards steht. Da die Problematik der Unterkapitalisierung aus der unterschiedlichen Behandlung von Eigen- und Fremdfinanzierung im internationalen Steuerrecht resultiert,1795 sollte eine Lösung vorzugsweise an dieser Stelle ansetzen. Die Besteuerung von Eigen- und Fremdfinanzierung könnte zwar durch ein generelles Betriebsausgabenabzugsverbot für Zinsen angeglichen werden, dies würde aber zu noch weitergehenden Verstößen gegen das objektive Nettoprinzip führen als dies bei der Zinsschranke der Fall ist.1796 Vorzugswürdig wäre daher die Erhebung einer Quellensteuer auf Zinsen im Wege einer Erweiterung der beschränkten Steuerpflicht.1797 Die grenzüberschreitende GesellschafterFremdfinanzierung wäre dann zur Gewinnverlagerung kaum noch attraktiv – in der Folge wären Unterkapitalisierungsvorschriften nicht mehr erforderlich. Die mit der Quellensteuer unweigerlich eintretende Doppelbesteuerung könnte durch eine Anrechnung vermieden werden. Der Quellenbesteuerung stehen aber sowohl Art. 11 OECD-MA als auch die ZLRL entgegen.1798 Solange international kein Konsens für eine Änderung dieser Regelungen gefunden wird, bleibt Deutschland nur die Möglichkeit, unilateral eine Unterkapitalisierungsvorschrift zu schaffen, die mit den teils divergierenden Vorgaben von Unions-, Verfassungs- und Abkommensrecht in Einklang steht. Eine ersatzlose Abschaffung der Zinsschranke kann dabei keine Alternative sein, weil der 1794 Siehe B.IV.1.b) und c), C.II.2. und C.II.4. 1795 Siehe A.II. 1796 Vgl. auch Piltz, CDFI LXXXIb (1996), 19 (81); Prinz, StbJb 2003/2004, 175 (184); Obser, Gesellschafter-Fremdfinanzierung im europäischen Konzern, 2005, S. 166 f.; Herr, Gesellschafterfremdfinanzierung und Europarecht, 2008, S. 293. 1797 Ebenso: Pöllath/Rädler, DB 1980, Beilage 8, 1 (6); Cordewener, in: Lang, Direct Taxation: Recent ECJ Developments, 2003, S. 35 (59); Spengel/Golücke, RIW 2003, 333 (347); Prinz, StbJb 2003/2004, 175 (183); Schön, StbJb 2003/2004, 27 (65); ders., Stellungnahme im Finanzausschuss v. 25.04.2007, S. 3, Download unter: http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse/a07/anhoerungen/2007/056/; ders., IStR 2009, 882 (889); Sedemund, IStR 2004, 595 (601); Obser, GesellschafterFremdfinanzierung im europäischen Konzern, 2005, S. 168 f.; Herzig, WPgSonderheft 2003, 191 (195); Spengel/Braunagel, StuW 2006, 34 (37); Zielke, RIW 2006, 600 (610); Homburg, FR 2007, 717 (727). 1798 Siehe A.II. und C.II.1.b), vgl. auch die Nachweise in der vorigen Fn. 1797.
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Verzicht auf jegliche Unterkapitalisierungsvorschrift unter den gegebenen Rahmenbedingungen der grenzüberschreitenden Gewinnverlagerung Tür und Tor öffnen und eine gerechte Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gefährden würde.1799 Zwar ließe sich die Zinsschranke zur Herstellung der Grundfreiheitskonformität konsequent unterschiedslos ausgestalten, indem insbesondere das Privileg für Organschaften in § 15 Satz 1 Nr. 3 KStG abgeschafft wird, dies würde den Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip aber sogar noch erweitern.1800 Die Anwendung von Unterkapitalisierungsvorschriften auf den Inlandsfall ist ohnehin abzulehnen, weil in diesem überhaupt keine Gefahr der Gewinnverlagerung besteht. Wie GA Geelhoed zu Recht feststellte, wäre diese Ausweitung „völlig sinnlos und für die wirtschaftliche Effizienz kontraproduktiv“.1801 Unterkapitalisierungsvorschriften sollten daher nur im grenzüberschreitenden Fall anwendbar und zielgenau gegen missbräuchliche Gestaltungen und somit gegen eine übermäßige Fremdfinanzierung durch gebietsfremde Gesellschafter1802 ausgerichtet sein. Die Verhinderung missbräuchlicher Gestaltungen wird sowohl vom EuGH hinsichtlich der Grundfreiheiten als auch vom BVerfG hinsichtlich Art. 3 Abs. 1 GG als legitimes Ziel anerkannt.1803 Eine an fremdüblichen Verschuldungsgraden ausgerichtete Gesellschafter-Fremdfinanzierungsregelung entspricht Art. 9 OECDMA und garantiert aufgrund ihrer internationalen Verbreitung das geringste Risiko einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung.1804 Eine derartige Norm, die nur im grenzüberschreitenden Fall anwendbar ist, hat der EuGH in den Rs. Thin Cap1805 und Lammers & Van Cleef1806 gerade als gerechtfertigt angesehen, sofern zugleich die Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse gewahrt wird.
1799 Vgl. auch Garcia-Herrera/Herrera, EC Tax Rev. 2004, 57 ff.; Prinz, StbJb 2003/2004, 175 (183). Der Gesetzgeber würde wohl allein aufgrund der drohenden Einnahmeausfälle für eine schnelle Ersatzlösung sorgen. Den Einnahmeausfall jedoch in Frage stellend: Spengel/Golücke, RIW 2003, 333 (344); Zielke, RIW 2006, 600 (609 f.). 1800 Ebenso: München, Zinsschranke, 2010, S. 112; ferner: von Bar, Die Zinsschranke und ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht, 2010, S. 163. 1801 GA Geelhoed, SchlA v. 29.06.2006, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 68, siehe bereits C.I.2.c)cc)(1)(ii) mit Fn. 794. 1802 Gerade hierbei stellt sich die Problematik der Unterkapitalisierung, siehe A.II., vgl. auch OECD Committee on Fiscal Affairs, Thin Capitalisation, 1987, Tz. 14. 1803 Siehe C.I.2.c)cc) und C.II.4.a)dd)(2). 1804 Siehe A.II., B.IV.1.b) und B.IV.2.b). Vgl. zum Ansatz der OECD: OECD-MK, Art. 9, Tz. 3; OECD Committee on Fiscal Affairs, Thin Capitalisation, 1987, Tz. 70 ff. 1805 EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 80 ff. 1806 EuGH, Urt. v. 17.01.2008, C-105/07 (Lammers & Van Cleef), Slg. 2008, I-173, Rz. 29 ff.
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Zinsschranke
Einer strikten Einzelfallprüfung der Unterkapitalisierung anhand einer allgemeinen Missbrauchsvorschrift1807 bedarf es damit nicht mehr.1808 a)
Spezifisch im grenzüberschreitenden Fall anwendbare Gesellschafter-Fremdfinanzierungsvorschrift
Im Folgenden soll ein Vorschlag für einen § 8a KStG-E entwickelt werden, der mit den Vorgaben höherrangigen Rechts im Einklang steht. Bevor ein konkreter Gesetzesvorschlag formuliert werden kann, sind zunächst die Grundzüge der möglichen Ausgestaltung einer derartigen Vorschrift aufzuzeigen. Zu klären ist insbesondere, in welchem Umfang eine missbräuchliche Unterkapitalisierung typisiert und inwieweit dabei die Beweislast auf den Steuerpflichtigen verlagert werden kann. Dazu sind zunächst die Vorgaben des höherrangigen Rechts zu präzisieren. aa)
Zulässigkeit einer Missbrauchstypisierung
Für eine Rechtfertigung anhand des Ziels der Verhinderung der Steuerumgehung verlangen sowohl der EuGH1809 als auch das BVerfG1810, dass sich eine diskriminierende nationale Missbrauchsvorschrift zielgenau gegen die Umgehung des nationalen Steuerrechts richtet. Dies trifft in jedem Fall auf Vorschriften zu, die eine Einzelfallprüfung des Missbrauchs vorsehen.1811 Der EuGH hatte in seiner früheren Rechtsprechung daher noch eine derartige Einzelfallprüfung verlangt.1812 Diese ist allerdings stets mit einer gewissen 1807 Siehe zur bis 1993 vorgenommenen Prüfung anhand des § 42 AO bereits B.II.1. Eine Prüfung anhand allgemeiner Missbrauchsvorschriften sehen heute noch Irland, Luxemburg und Österreich vor, siehe A.II. 1808 Vgl. auch Dourado/de la Feria, in: Lang u.a., Common Consolidated Corporate Tax Base, 2008, S. 785 (807 ff.); Hey, StuW 2008, 167 (183); dies., FS Djanani, 2008, S. 109 (126); dies., StuW 2010, 301 (319); Schön, IStR 2009, 882 (888 f.); Drüen, Ubg 2010, 543 (545). Vgl. vor der Rs. Thin Cap bereits: Kube, IStR 2003, 325 (332 f.); Garcia-Herrera/Herrera, EC Tax Rev. 2004, 57 (59 ff.); de Wit/Tilanus, Intertax 2004, 187 (192); Obser, Gesellschafter-Fremdfinanzierung im europäischen Konzern, 2005, S. 176 f.; Herr, Gesellschafterfremdfinanzierung und Europarecht, 2008, S. 317 ff.; a.A.: Thömmes, DB 2002, 2693; Schnitger, IStR 2003, 51 (52); Vinther/Werlauff, EC Tax Rev. 2003, 97 (105); Spengel/Golücke, RIW 2003, 333 (346); Lüdicke, IStR 2003, 433 (441); Herzig, WPg-Sonderheft 2003, 191 (195); Prinz, StbJb 2003/2004, 175 (183); Brosens, EC Tax Rev. 2004, 188 (208 f.). 1809 Siehe C.I.2.c)cc)(1)(i), vgl. etwa EuGH, Urt. v. 16.07.1998, C-264/96 (ICI), Slg. 1998, I-4695, Rz. 26; Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 51; Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 72-74, 79. 1810 Siehe C.II.4.a)dd)(2), vgl. etwa BVerfG, Urt. v. 24.01.1962, 1 BvL 32/57, BVerfGE 13, 290 (316 f.); Urt. v. 24.01.1962, 1 BvR 845/58, BVerfGE 13, 331 (344); Urt. v. 06.11.1985, 1 BvL 47/83, BVerfGE 71, 146 (157). 1811 Siehe zum Unionsrecht C.I.2.c)cc)(1)(i); siehe zum Verfassungsrecht C.II.4.a)dd)(2). 1812 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.07.1997, C-28/95 (Leur-Bloem), Slg. 1997, I-4161, Rz. 41; Urt. v. 21.11.2002, C-436/00 (X und Y), Slg. 2002, I-10829, Rz. 42 f. Vgl. zur Fusionsrichtlinie jüngst noch Urt. v. 11.12.2008, C-285/07 (A.T.), Slg. 2008, I-9329, Rz. 31;
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Rechtsunsicherheit für den Steuerpflichtigen und hohem administrativen Aufwand für die Finanzverwaltung verbunden. Daher betont insbesondere das BVerfG die Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers. Die mit einer sachgerechten Typisierung verbundenen Härten stellen danach keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dar.1813 Der EuGH zeigt sich diesbezüglich strenger, lässt seit der Rs. Cadbury Schweppes1814 aber eine gewisse Typisierung zu, sofern dem Steuerpflichtige eine verhältnismäßige Möglichkeit zum Gegenbeweis gegeben wird. Sowohl das BVerfG1815 als auch der EuGH1816 verlangen zudem die Bestimmtheit von Rechtsvorschriften.1817 Hinsichtlich Gesellschafter-Fremdfinanzierungsvorschriften sehen viele Staaten1818 eine Typisierung des Fremdvergleichs durch die Vorgabe eines bestimmten Verhältnisses von Fremd- zu Eigenkapital vor, dessen Überschreiten typisiert als fremdunüblich betrachtet wird. Besteht für den Steuerpflichtigen noch die Möglichkeit zum Gegenbeweis anhand eines individuellen Fremdvergleichs, wird die Typisierung als safe haven bezeichnet.1819 Einen safe haven sah auch § 8a KStG a.F. vor.1820 Dieser dient für den Steuerpflichtigen der Rechtssicherheit und für die Steuerbehörden der Praktikabilität der Ver-
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Urt. v. 20.05.2010, C-352/08 (Zwijnenburg), Slg. 2010, I-4303, Rz. 44; Urt. v. 10.11.2011, C-126/10 (Foggia), IStR 2012, 34, Rz. 37; siehe dazu aber C.II.1.a). Siehe C.II.4.a)dd)(2) und vgl. etwa BVerfG, Bschl. v. 08.10.1991, 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348 (359); Urt. v. 09.12.2008, 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 (232). EuGH, Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 63 ff., 70; vgl. auch Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 82; Bschl. v. 23.04.2008, C-201/05 (CFC and Dividend), Slg. 2008, I-2875, Rz. 82 ff. Siehe auch C.I.2.c)cc)(1)(i) m.w.N. in Fn. 779. Vgl. etwa BVerfG, Urt. v. 14.12.1965, 1 BvR 571/60, BVerfGE 19, 253 (267); Bschl. v. 14.03.1967, 1 BvR 334/61, BVerfGE 21, 209 (214 f.); Bschl. v. 10.11.1998, 2 BvR 1057/91 u.a., BVerfGE 99, 216 (243); Bschl. v. 09.04.2003, 1 BvL 1/01 u.a., BVerfGE 108, 52 (75 m.w.N.). Vgl. hinsichtlich europarechtlicher Rechtsakte insbesondere EuGH, Urt. v. 21.02.2006, C-255/02 (Halifax), Slg. 2006, I-1609, Rz. 72; zuvor: Urt. v. 15.12.1987, 325/85 (Irland/Kommission), Slg. 1987, 5041, Rz. 18; Urt. v. 15.12.1987, 326/85 (Niederlande/Kommission), Slg. 1987, 5091, Rz. 24; Urt. v. 22.11.2001, C-301/97 (Niederlande/Rat), Slg. 2001, I-8853, Rz. 43. Vgl. dazu zuletzt auch GA Kokott, SchlA v. 10.09.2009, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I487, Rz. 70: „Vorschriften, die missbräuchlichen Praktiken begegnen sollen, müssen […] notwendigerweise unbestimmte Rechtsbegriffe enthalten, um möglichst viele denkbare Gestaltungen zu erfassen, die zur Steuerumgehung geschaffen werden.“ Vgl. für Länderübersichten: Zielke, RIW 2006, 600 (605); Herzig/Bohn, IStR 2009, 253 (255); Bauer, StuW 2009, 163 (182); ferner: OECD Committee on Fiscal Affairs, Thin Capitalisation, 1987, Tz. 70 ff. Vgl. OECD Committee on Fiscal Affairs, Thin Capitalisation, 1987, Tz. 75. Siehe § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG a.F. Siehe dazu bereits B.II.1.
Zinsschranke
waltung,1821 zu Lasten des Steuerpflichtigen geht damit aber stets auch eine Umkehr der Beweislast einher. Die Grenzen des Typisierungsspielraums des Gesetzgebers werden für eine Neufassung der Unterkapitalisierungsregelungen primär durch das Unionsrecht gesetzt, da sich das BVerfG allgemein weitaus großzügiger gegenüber Typisierungen zeigt als der EuGH.1822 Im Folgenden sollen daher die Anforderungen des Unionsrechts an eine Typisierung des Fremdvergleichs einerseits und den Gegenbeweis andererseits konkretisiert werden. Ausgangspunkt dazu ist die EuGH-Rechtsprechung seit Cadbury Schweppes1823. (1)
Die Rechtsprechung des EuGH
(i)
Thin Cap und Lammers & Van Cleef
Zunächst ist in Erinnerung zu rufen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH1824 die Feststellung eines Missbrauchs erstens voraussetzt, dass aus objektiven Anhaltspunkten hervorgeht, dass das Ziel einer Grundfreiheit verfehlt und insofern nur eine „rein künstliche Konstruktion“ verfolgt wird. Zweitens verlangt der EuGH als subjektives Kriterium die Absicht, sich durch eine künstliche Konstruktion einen Steuervorteil zu verschaffen. In der Rs. Thin Cap1825 stellte der EuGH hinsichtlich des objektiven Elements fest, dass die Mitgliedstaaten die Missbräuchlichkeit einer GesellschafterFremdfinanzierung anhand des Fremdvergleichs beurteilen dürfen. Denn dieser sei „ein objektives, für Dritte nachprüfbares Kriterium“, um Umgehungen des territorialen Steueranspruchs festzustellen.1826 Spricht der Fremdvergleich für die Missbräuchlichkeit einer Transaktion, müsse dem Steuerpflichtigen aber die Möglichkeit zum Nachweis wirtschaftlicher und damit außersteuerlicher Gründe für den Abschluss des Geschäfts gegeben werden.1827 Das subjektive Element dient damit zur Widerlegung der objektiv mit dem Fremd-
1821 Vgl. Herzig, DB 1994, 110 (111); Prinz, in: H/H/R, EStG/KStG, § 8a KStG, Rz. 7 m.w.N. (Stand: 02.1995); Piltz, CDFI LXXXIb (1996), 19 (49); Blumenberg, Die Besteuerung der Gesellschafter-Fremdfinanzierung, 1997, S. 389 f. u. 427 f.; vgl. allgemein OECD-RL 2010, Tz. 4.97 ff. 1822 Siehe oben sowie ausführlich unter C.II.4.a)dd)(2). 1823 EuGH, Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995. 1824 Besonders deutlich: EuGH, Urt. v. 14.12.2000, C-110/99 (Emsland Stärke), Slg. 2000, I-11569, Rz. 52 f.; Urt. v. 29.04.2004, C-487/01 u.a. (Gemeente Leusden u.a.), Slg. 2004, I-5337, Rz. 78; Urt. v. 21.02.2006, C-255/02 (Halifax), Slg. 2006, I-1609, Rz. 74 f.; Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 64; Bschl. v. 23.04.2008, C-201/05 (CFC and Dividend), Slg. 2008, I-2875, Rz. 78; siehe bereits C.I.2.c)cc)(1)(i). 1825 EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 80 ff. 1826 EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 81, 84. 1827 EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 82.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
vergleich aufgestellten Missbrauchsvermutung.1828 Dem Urteil kann aber keine Aussage über die Zulässigkeit einer Typisierung des Fremdvergleichs und einer Beweislastumkehr hinsichtlich des objektiven Elements entnommen werden. Dazu musste sich der EuGH auch nicht äußern, weil die britischen Vorschriften einen individuellen Fremdvergleich vorsahen.1829 Die in der Rs. Lammers & Van Cleef1830 streitige belgische GesellschafterFremdfinanzierungsvorschrift sah hingegen neben einem individuellen Fremdvergleich ein festes Verhältnis von Fremd- zu Eigenkapital von 1 : 1 vor, das weder einen Gegenbeweis der Fremdüblichkeit noch außersteuerlicher Gründe zuließ. Darin sah der EuGH keine zielgenaue Erfassung missbräuchlicher Gestaltungen, weil nicht auszuschließen sei, „dass diese Umqualifizierung auch Zinsen für Darlehen erfasst, die unter Bedingungen des freien Wettbewerbs gewährt wurden.“1831 Der EuGH äußerte sich aber nicht explizit dazu, ob ein safe haven ausreicht oder doch ein individueller Fremdvergleich erforderlich ist. Etwas konkreter war GA Geelhoed in den Schlussanträgen zur Rs. Thin Cap. Er hielt zumindest eine gewisse Typisierung des Fremdvergleichs für zulässig und geboten:1832 „Außerdem sind die Mitgliedstaaten meines Erachtens berechtigt – und sollten hierin bestärkt werden –, bestimmte sachgerechte Kriterien für die Prüfung aufzustellen, ob ein Geschäftsvorgang dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht, und dürfen das Geschäft, wenn es gegen diese Kriterien verstößt, bis zum Beweis des Gegenteils als missbräuchlich ansehen. Dass solche Kriterien aufgestellt werden, liegt meines Erachtens für die Steuerpflichtigen im Interesse der Rechtssicherheit und für die Steuerverwaltung im Interesse der Praktikabilität.“
GA Geelhoed präzisierte aber nicht, welche Kriterien er für „sachgerecht“ hält.1833 Mit der Typisierung des Fremdvergleichs dürfte er aber zugleich die 1828 Siehe bereits C.I.2.c)cc)(1)(i) und C.I.2.c)cc)(3)(ii)(a). Auch wenn mit einem individuellen Fremdvergleich eine Einzelfallprüfung verbunden ist, geht damit über die Einzelfallprüfung einer allgemeinen Missbrauchsvorschrift wie § 42 AO hinaus eine gewisse Typisierung des Missbrauchs einher. Denn der Fremdvergleich verzichtet insbesondere auf die Berücksichtigung der subjektiven Absicht. 1829 Vgl. zu den Vorschriften bis 1998: Faierley/Fleming, CDFI LXXXIb (1996), 747 (758 f.); vgl. zu den Vorschriften ab 1998: Obser, Gesellschafter-Fremdfinanzierung im europäischen Konzern, 2005, S. 124; Zielke, RIW 2006, 600 (605); Bauer, StuW 2009, 163 (180 f.). 1830 EuGH, Urt. v. 17.01.2008, C-105/07 (Lammers & Van Cleef), Slg. 2008, I-173, Rz. 3, 31. 1831 EuGH, Urt. v. 17.01.2008, C-105/07 (Lammers & Van Cleef), Slg. 2008, I-173, Rz. 33; vgl. zuvor bereits GA Geelhoed, SchlA v. 29.06.2006, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 66. 1832 GA Geelhoed, SchlA v. 29.06.2006, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 66.
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Zinsschranke
Beweislastumkehr akzeptiert haben. Auch wenn aus den Ausführungen nicht ganz klar wird, ob sich der „Beweis des Gegenteils“ auf objektive bzw. subjektive Kriterien bezieht, wäre dem Steuerpflichtigen bei einer Typisierung des Fremdvergleichs auch die Möglichkeit zum Gegenbeweis anhand eines individuellen Fremdvergleichs zu geben, weil eine derartige Regelung unstreitig das mildere, gleich geeignete Mittel zur Verhinderung der Steuerumgehung ist. Hinsichtlich des subjektiven Gegenbeweises verlangt GA Geelhoed1834 eine Einzelfallprüfung durch die Finanzverwaltung, die wiederum gerichtlich überprüfbar sein muss. Zudem dürfen Informationsanforderungen den Gegenbeweis nicht unverhältnismäßig erschweren. Da der EuGH-Rechtsprechung zur Unterkapitalisierung letztlich keine genauen Aussagen zur Zulässigkeit einer objektiven Typisierung des Fremdvergleichs entnommen werden können, soll im Folgenden anhand der neueren Rechtsprechung allgemein untersucht werden, inwieweit eine Missbrauchstypisierung anhand objektiver Kriterien und eine damit verbundene Beweislastumkehr zulässig sind. (ii)
Cadbury Schweppes
In der Rs. Cadbury Schweppes1835 ging es um die britische Hinzurechnungsbesteuerung. Danach werden die Gewinne einer beherrschten gebietsfremden Tochtergesellschaft unter Durchbrechung der Abschirmwirkung den Gewinnen der Muttergesellschaft hinzugerechnet, wenn die Tochtergesellschaft in ihrem Ansässigkeitsstaat einem um mehr als ¼ niedrigeren Steuerniveau unterliegt als dies in Großbritannien der Fall wäre. Diese Missbrauchstypisierung anhand objektiver Kriterien kann vom Steuerpflichtigen vor allem mit einem „Motivtest“ widerlegt werden, indem er u.a. nachweist, dass mit der Tätigkeit im Ausland nicht nur eine Steuerminderung bezweckt wurde. Der EuGH entschied, dass die Missbrauchstypisierung anhand objektiver Kriterien zwar zulässig ist, dass ein rein mit subjektiven Elementen geführter Gegenbeweis aber nicht ausreicht. Dem Steuerpflichtigen ist stets auch die Möglichkeit zum Gegenbeweis anhand objektiver Kriterien zu geben, dass es sich bei der gebietsfremden Tochtergesellschaft um eine tatsächliche Ansiedlung handelt.1836 Die Typisierung hinsichtlich des objektiven Elements und die 1833 Hinsichtlich der britischen Vorschriften schien GA Geelhoed die Kriterien der Höhe der Gesamtschulden sowie der Fremdüblichkeit von Darlehenshöhe und -zinssatz aber nicht zu beanstanden, vgl. GA Geelhoed, SchlA v. 29.06.2006, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 81 f. 1834 GA Geelhoed, SchlA v. 29.06.2006, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 67. 1835 EuGH, Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 5 ff. 1836 Vgl. EuGH, Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 63 ff.; Bschl. v. 23.04.2008, C-201/05 (CFC and Dividend), Slg. 2008, I-2875, Rz. 78 ff.; vgl. zum Erfordernis beider Gegenbeweise auch GA Léger, SchlA v.
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damit einhergehende Beweislastumkehr sah der EuGH als zulässig an, weil der Steuerpflichtige „am ehesten in der Lage ist“, Beweise für eine tatsächliche Ansiedlung vorzulegen.1837 Der EuGH zeigt sich damit scheinbar großzügig hinsichtlich einer Beweislastumkehr, weil der Steuerpflichtige in den meisten Fällen eine größere Beweisnähe als die Finanzverwaltung aufweisen dürfte.1838 Im Sinne der ständigen Rechtsprechung stellt der EuGH aber auch Anforderungen an die Zielgenauigkeit der objektiven Missbrauchstypisierung. Jedenfalls erlaube der Umstand, dass die Tätigkeit ebenso gut im Herkunftsstaat hätte ausgeführt werden können, keine Missbrauchsvermutung.1839 Zudem legt der EuGH dem Steuerpflichtigen nicht die gesamte Beweislast auf.1840 Die Richtigkeit der vom Steuerpflichtigen vorgebrachten Nachweise müssen die Mitgliedstaaten im Wege der grenzüberschreitenden Amtshilfe verifizieren.1841 (iii)
CFC and Dividend, Jobra und SGI
Über die bereits beschriebenen Urteile hinaus gibt es nur wenige Entscheidungen des EuGH, die die Frage der Zulässigkeit einer Missbrauchstypisierung mit gleichzeitiger Beweislastumkehr behandeln. In der Rs. CFC and Dividend1842 wurden dem EuGH noch einmal die britischen Hinzurechnungsvorschriften vorgelegt und die Rs. Cadbury Schweppes voll bestätigt. Die Rs. Jobra1843 und SGI1844 orientieren sich an der Rs. Thin Cap und verlangen primär den subjektiven Gegenbeweis.
1837
1838 1839
1840 1841 1842 1843 1844
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02.05.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 135 ff.; Wassermeyer/Schönfeld, GmbHR 2006, 1065 (1066 u. 1071); Hahn, IStR 2006, 667 (669); De Broe, International Tax Planning and Prevention of Abuse, 2008, S. 806 f.; ders., EC Tax Rev. 2008, 142 (145 f.); Isenbaert, EC Law and the Sovereignty of the Member States in Direct Taxation, 2010, S. 662; zweifelnd: Köhler/Eicker, DStR 2006, 1871 (1873). EuGH, Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 70; bestätigt im Bschl. v. 23.04.2008, C-201/05 (CFC and Dividend), Slg. 2008, I-2875, Rz. 82. Vgl. Hahn, IStR 2006, 667 (669); Böing, EWS 2007, 55 (61); ferner: Sedemund, BB 2008, 696 (699); Meussen, ET 2010, 245 (248). Vgl. EuGH, Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 69; vgl. zum Erfordernis der Zielgenauigkeit auch GA Léger, SchlA v. 02.05.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 137-140. Vgl. Lang/Heidenbauer, FS Vanistendael, 2008, S. 597 (614 f.). Vgl. EuGH, Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 71. EuGH, Bschl. v. 23.04.2008, C-201/05 (CFC and Dividend), Slg. 2008, I-2875, Rz. 78 ff. EuGH, Urt. v. 04.12.2008, C-330/07 (Jobra), Slg. 2008, I-9099, Rz. 38 f. EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 71.
Zinsschranke
(2)
Die Ansicht der Kommission
Auch die Kommission hat sich in ihrer Mitteilung zur „Anwendung von Maßnahmen zur Missbrauchsbekämpfung im Bereich der direkten Steuern“ zur Zulässigkeit von Typisierung und Beweislastumkehr geäußert.1845 Sie orientiert sich dabei erkennbar an den Schlussanträgen von GA Geelhoed in der Rs. Thin Cap1846 und erlaubt eine Typisierung anhand „bestimmter sachgerechter Kriterien“1847. Nach Ansicht der Kommission dürfen Missbrauchsvorschriften insofern auch „safe harbour“-Kriterien umfassen, wobei safe harbour ein Synonym für safe haven ist1848. Die Kommission äußert sich dabei aber nicht explizit zu Unterkapitalisierungsvorschriften. Im Fall einer Typisierung müsse dem Steuerpflichtigen jedenfalls ohne übermäßige Verwaltungsauflagen die Möglichkeit gegeben werden, sämtliche wirtschaftliche Rechtfertigungsgründe1849 vorzubringen, wovon sowohl objektive als auch subjektive Gegenbeweise erfasst sein dürften. Inwieweit dem Steuerpflichtigen die Beweislast auferlegt werden darf, ist nach Ansicht der Kommission eine Einzelfallentscheidung, bei der die Art der Gestaltung und die Möglichkeit des Steuerpflichtigen zur Nachweiserbringung zu berücksichtigen sind. Die Beweislast dürfe aber nicht ausschließlich beim Steuerpflichtigen liegen. Der Gegenbeweis müsse zudem gerichtlich überprüfbar sein.1850 (3)
Exkurs: Bericht des OECD Committee on Fiscal Affairs
Zum Vergleich soll an dieser Stelle noch einmal auf die Auffassung des OECD Committee on Fiscal Affairs eingegangen werden, das sich im Bericht von 1987 vor dem Hintergrund des Fremdvergleichsgrundsatzes zur Zulässigkeit eines typisierten Fremdvergleichs geäußert hatte.1851 Danach wird der individuelle Fremdvergleich als vorzugswürdig angesehen, aber auch ein safe haven zugelassen, sofern die Möglichkeit zum Gegenbeweis anhand eines individuellen Fremdvergleichs besteht.1852 Weil damit eine teils „schwere Beweislast“ 1845 1846 1847 1848 1849
Kommission v. 10.12.2007, KOM(2007) 785 endg., S. 5 f. GA Geelhoed, SchlA v. 29.06.2006, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 66 f. Kommission v. 10.12.2007, KOM(2007) 785 endg., S. 5. Vgl. nur OECD-RL 2010, Tz. 4.94. In der deutschen Fassung heißt es nur, dass „der Steuerpflichtige in Fällen, in denen eine rein künstliche Konstruktion vermutet wird, die Gelegenheit haben [muss], deren kommerzielle Rechtfertigung ohne unangemessene Verwaltungsauflagen nachzuweisen“, siehe Kommission v. 10.12.2007, KOM(2007) 785 endg., S. 6. Aus der englischen und französischen Sprachfassung wird jedoch deutlich, dass sämtliche wirtschaftliche Rechtfertigungsgründe gemeint sind, vgl. COM(2007) 785 final, S. 5 [„evidence of any commercial justification“ bzw. „preuves de toute justification commerciale“]. 1850 Kommission v. 10.12.2007, KOM(2007) 785 endg., S. 6. 1851 OECD Committee on Fiscal Affairs, Thin Capitalisation, 1987, Tz. 70 ff. Siehe bereits B.IV.1.b). 1852 OECD Committee on Fiscal Affairs, Thin Capitalisation, 1987, Tz. 71, 79.
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für den Steuerpflichtigen einhergehen könne,1853 soll sich der safe haven an der Realität orientieren und der Gegenbeweis nicht übermäßig erschwert werden. Dabei sei ein umso strikteres Fremdkapital-Eigenkapital-Verhältnis zulässig, desto einfacher der Gegenbeweis zu erbringen ist und umgekehrt.1854 Dies zeigt, dass auch dem Fremdvergleichsgrundsatz Verhältnismäßigkeitserwägungen immanent sind.1855 Einen subjektiven Gegenbeweis außersteuerlicher Gründe sieht der Bericht aber nicht vor. Art. 9 OECD-MA kennt nur das objektive Kriterium des Fremdvergleichs.1856 (4)
Schlussfolgerungen
Auf Grundlage der soeben vorgenommenen Analyse sollen im Folgenden zunächst zusammenfassend die Voraussetzungen für eine unionsrechtskonforme Missbrauchstypisierung mit gleichzeitiger Beweislastumkehr aufgestellt werden. Darauf aufbauend können Aussagen zur Zulässigkeit eines safe haven hinsichtlich Gesellschafter-Fremdfinanzierungsvorschriften getroffen werden. (i)
Zur Zulässigkeit einer Missbrauchstypisierung im Allgemeinen
Der EuGH gestattet den Mitgliedstaaten seit der Rs. Cadbury Schweppes1857 Missbrauch in spezialgesetzlichen Missbrauchsvorschriften anhand objektiver Kriterien zu typisieren. Er berücksichtigt damit implizit, dass eine Typisierung für den Steuerpflichtigen im Interesse der Rechtssicherheit und für die Finanzverwaltung im Interesse der Praktikabilität liegt.1858 Die Typisierung muss aber zielgenau gegen missbräuchliche Gestaltungen ausgerichtet sein.1859 Entspre1853 OECD Committee on Fiscal Affairs, Thin Capitalisation, 1987, Tz. 79. Zudem weist der Bericht auf ein erhöhtes Risiko der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung aufgrund unabgestimmter Regelungen hin. 1854 OECD Committee on Fiscal Affairs, Thin Capitalisation, 1987, Tz. 79. 1855 Zutreffend: Calderón, TNI 2002, 633 (640). 1856 Siehe bereits C.I.2.c)cc)(2)(iv). Vgl. zur Abweichung der EuGH-Rechtsprechung von Art. 9 OECD-MA Jiménez, BIT 2010, 271 (276 ff.); ferner: De Broe, International Tax Planning and Prevention of Abuse, 2008, S. 971 f.; Wathelet/De Broe, in: Lang u.a., ECJ: Recent Developments in Direct Taxation 2008, 2008, S. 21 (63 f.). 1857 EuGH, Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 63 ff. 1858 Vgl. explizit GA Geelhoed, SchlA v. 29.06.2006, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I2107, Rz. 66; Kommission v. 10.12.2007, KOM(2007) 785 endg., S. 5; vgl. zur Vorhersehbarkeit auch EuGH, Urt. v. 21.02.2006, C-255/02 (Halifax), Slg. 2006, I-1609, Rz. 72 m.w.N., siehe zudem oben Fn. 1816. 1859 Vgl. EuGH, Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 69 f.; GA Léger, SchlA v. 02.05.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 137-140; GA Geelhoed, SchlA v. 29.06.2006, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 66; Kommission v. 10.12.2007, KOM(2007) 785 endg., S. 5; Sørensen, CMLRev. 2006, 423 (454); De Broe, EC Tax Rev. 2008, 142 (145); Schwarz, BIT 2008, 289 (293); Englisch, StuW 2009, 3 (8); ferner: Lang/Heidenbauer, FS Vanistendael, 2008, S. 597 (614); Hammerschmidt/Rehfeld, IWB 2008, Fach 3 Gruppe 1, 2293 (2300).
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Zinsschranke
chend der ständigen Rechtsprechung darf insbesondere nicht das grenzüberschreitende Element allein eine Missbrauchsvermutung auslösen.1860 Die objektive Missbrauchstypisierung ist aber nur zulässig, wenn der Steuerpflichtige diese sowohl anhand objektiver als auch anhand subjektiver Kriterien widerlegen kann.1861 Dabei reicht es aus, wenn nur einer der beiden Nachweise gelingt. Da der Gegenbeweis für den Steuerpflichtigen mit einer für ihn nachteiligen Beweislastumkehr verbunden ist, sind daran gewisse Anforderungen zu stellen: Erstens muss die Widerlegung möglich sein und darf nicht unverhältnismäßig erschwert werden.1862 Zweitens darf die Beweislast nicht allein auf den Steuerpflichtigen übertragen werden;1863 so hat die Finanzverwaltung etwa die Richtigkeit von Angaben im Wege der Amtshilfe zu verifizieren1864. Drittens hat die Finanzverwaltung die Nachweise des Steuerpflichtigen im Einzelfall zu prüfen,1865 wobei diese Prüfung wiederum gerichtlich kontrollierbar sein muss1866. Zu betonen ist nochmals, dass die Beweislastumkehr nur zulässig ist, wenn die Missbrauchsvermutung auf der ersten Stufe hinreichend zielgenau ist. Dies zeigt, dass die Ausgestaltung der zwei Stufen, Missbrauchstypisierung und 1860 Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 16.07.1998, C-264/96 (ICI), Slg. 1998, I-4695, Rz. 26; Urt. v. 12.12.2002, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-11779, Rz. 37; Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 50 m.w.N.; Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 73; Urt. v. 17.01.2008, C105/07 (Lammers & Van Cleef), Slg. 2008, I-173, Rz. 27. 1861 EuGH, Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 63 ff.; Bschl. v. 23.04.2008, C-201/05 (CFC and Dividend), Slg. 2008, I-2875, Rz. 78 ff.; siehe m.w.N. Fn. 1836. 1862 Vgl. EuGH, Urt. v. 11.05.2006, C-384/04 (FTI u. a.), Slg. 2006, I-4191, Rz. 32; Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 82 [ohne übermäßige Verwaltungszwänge]; Bschl. v. 23.04.2008, C-201/05 (CFC and Dividend), Slg. 2008, I2875, Rz. 84; Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 71; GA Léger, SchlA v. 02.05.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 142 f.; GA Geelhoed, SchlA v. 29.06.2006, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 67; Kommission v. 10.12.2007, KOM(2007) 785 endg., S. 6. 1863 Vgl. EuGH, Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 71, siehe oben (1)(ii); vgl. auch Kommission v. 10.12.2007, KOM(2007) 785 endg., S. 6; Lang/Heidenbauer, FS Vanistendael, 2008, S. 597 (614 f.); Hammerschmidt/Rehfeld, IWB 2008, Fach 3 Gruppe 1, 2293 (2300 f.). 1864 Vgl. EuGH, Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 71. 1865 Vgl. GA Geelhoed, SchlA v. 29.06.2006, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 67, 2. Spiegelstrich; Kommission v. 10.12.2007, KOM(2007) 785 endg., S. 6; ferner: EuGH, Urt. v. 17.09.2009, C-182/08 (Glaxo Wellcome), Slg. 2009, I-8591, Rz. 99. 1866 Vgl. GA Geelhoed, SchlA v. 29.06.2006, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 67, 5. Spiegelstrich; Kommission v. 10.12.2007, KOM(2007) 785 endg., S. 6 u. 8; vgl. auch EuGH, Urt. v. 17.07.1997, C-28/95 (Leur-Bloem), Slg. 1997, I-4161, Rz. 41.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
Gegenbeweis, aufeinander bezogen ist. Insofern besteht hier der Zusammenhang, dass je zielgenauer die Norm auf Missbrauch ausgerichtet ist, desto weniger strenge Anforderungen an den Gegenbeweis gestellt werden müssen und umgekehrt.1867 Dieser vom OECD Committee on Fiscal Affairs1868 im Rahmen des Fremdvergleichs verfolgte Ansatz ermöglicht eine ausgewogene Abstimmung der Interessen des Staates an der Typisierung einerseits und der Interessen der Steuerpflichtigen an der Einzelfallgerechtigkeit andererseits. (ii)
Zur Zulässigkeit eines „safe haven“ im Speziellen
Aufbauend auf diesen Ergebnissen sollen im Folgenden Schlussfolgerungen für die Zulässigkeit einer Typisierung des Fremdvergleichs und speziell eines safe haven gezogen werden. Fest steht nur, dass ein starres FremdkapitalEigenkapital-Verhältnis, ohne Möglichkeit zum Gegenbeweis, unzulässig ist. Dies hat der EuGH in der Rs. Lammers & Van Cleef1869 entschieden. Entgegen vereinzelter Literaturstimmen1870 reicht es auch nicht aus, wenn der Steuerpflichtige allein die Möglichkeit zum Nachweis außersteuerlicher Gründe für die Fremdfinanzierung erhält. Der EuGH hat in der Rs. Cadbury Schweppes1871 ausdrücklich auch den Gegenbeweis anhand objektiver Kriterien verlangt. Nach zutreffender Ansicht des OECD Committee on Fiscal Affairs führt ein festes Fremdkapital-Eigenkapital-Verhältnis ohne Möglichkeit zum Gegenbeweis auch nicht zu fremdvergleichskonformen Ergebnissen.1872 Insofern fehlte es bereits an der in den Rs. Thin Cap1873 und Lammers & Van Cleef1874 für allein im grenzüberschreitenden Fall anwendbare Gesellschafter-Fremdfinanzierungsregelungen erforderlichen Anknüpfung an den Fremdvergleich. 1867 Vgl. auch Schönfeld, in: F/W/B, Außensteuerrecht, § 8 AStG, Rz. 408 (Stand: 03.2009); tendenziell auch die Kommission v. 10.12.2007, KOM(2007) 785 endg., S. 5 f.; vgl. zum Verfassungsrecht auch Hey, DStJG 33 (2010), 139 (168 f.); Gabel, StuW 2011, 3 (15). 1868 Vgl. OECD Committee on Fiscal Affairs, Thin Capitalisation, 1987, Tz. 79. 1869 EuGH, Urt. v. 17.01.2008, C-105/07 (Lammers & Van Cleef), Slg. 2008, I-173, Rz. 31-33; vgl. zuvor GA Geelhoed, SchlA v. 29.06.2006, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 66. 1870 Vgl. Garcia-Herrera/Herrera, EC Tax Rev. 2004, 57 (59 ff.); Obser, GesellschafterFremdfinanzierung im europäischen Konzern, 2005, S. 176 f.; Maier, Die Regelungen zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung im internationalen Vergleich, 2006, S. 253 ff.; Herr, Gesellschafterfremdfinanzierung und Europarecht, 2008, S. 317 ff. 1871 EuGH, Urt. v. 12.09.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 63 ff.; Bschl. v. 23.04.2008, C-201/05 (CFC and Dividend), Slg. 2008, I-2875, Rz. 78 ff.; siehe m.w.N. Fn. 1836. 1872 OECD Committee on Fiscal Affairs, Thin Capitalisation, 1987, Tz. 71, 79; ferner: OECD-RL 2010, Tz. 4.102. Vgl. implizit auch EuGH, Urt. v. 17.01.2008, C-105/07 (Lammers & Van Cleef), Slg. 2008, I-173, Rz. 33, siehe dazu C.II.5.a)aa)(1)(i). 1873 EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 80-83. 1874 EuGH, Urt. v. 17.01.2008, C-105/07 (Lammers & Van Cleef), Slg. 2008, I-173, Rz. 29 f.
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Zinsschranke
Die Typisierung des Fremdvergleichs anhand eines festen FremdkapitalEigenkapital-Verhältnisses ist damit nur in der Form eines safe haven zulässig, bei dem der Steuerpflichtige sowohl die Möglichkeit zum Gegenbeweis anhand eines individuellen Fremdvergleichs (objektives Element) als auch anhand außersteuerlicher Gründe hat (subjektives Element).1875 Fraglich ist aber, welches Fremdkapital-Eigenkapital-Verhältnis zulässig ist. Im Sinne der ständigen Rechtsprechung des EuGH1876 muss die Höhe so ausgestaltet sein, dass sie zielgenau und somit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gegen missbräuchliche Gesellschafter-Fremdfinanzierungen gerichtet ist. Auch wenn die konkrete Höhe von der Zielgenauigkeit des übrigen Tatbestands und der Widerlegbarkeit der Typisierung abhängt, kann der safe haven letztlich nur an der Realität und damit an durchschnittlichen Eigenkapitalquoten deutscher Unternehmen orientiert sein1877 – die durchschnittliche Eigenkapitalquote ist weder fremdunüblich noch generell missbräuchlich. Der safe haven müsste dann aber deutlich unter der durchschnittlichen Quote liegen, um den Missbrauch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erfassen.1878 Denn mit einem safe haven, der der durchschnittlichen Eigenkapitalquote entspricht, würden noch immer etwa die Hälfte1879 aller Unternehmen dem Vorwurf einer missbräuchlichen Unterkapitalisierung ausgesetzt sein. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die typischen Eigenkapitalquoten von Branche zu Branche teils deutlich unterscheiden.1880 Eine branchenspezifische Ausgestaltung des safe haven wäre aber mit kaum lösbaren Abgrenzungsschwierigkeiten verbunden.1881 Um mit einem allgemeinen safe haven Unternehmen aus Branchen mit typischerweise niedrigen Eigenkapitalquoten, wie die Immobilien- oder Bankenbranche, nicht unter einen generellen Missbrauchsverdacht zu stellen, müsste der safe haven aus 1875 Vgl. auch Dourado/de la Feria, in: Lang u.a., Common Consolidated Corporate Tax Base, 2008, S. 785 (818 f.); De Broe, EC Tax Rev. 2008, 142 (145 f.); ferner: Kommission v. 10.12.2007, KOM(2007) 785 endg., S. 5 f.; Schwarz, BIT 2008, 289 (293). Auch dies als unverhältnismäßig ablehnend: Schön, IStR 2009, 882 (887). 1876 Siehe oben unter (i) mit den Nachweisen in Fn. 1859. 1877 Vgl. OECD Committee on Fiscal Affairs, Thin Capitalisation, 1987, Tz. 79. 1878 Vgl. Herzig/Bohn/Fritz, DStR 2009, Beihefter zu Heft 29, 61 (62). Im Fall der durchschnittlichen Eigenkapitalquote würden ansonsten 50% der Unternehmen vom Missbrauchsverdacht erfasst. Hingegen keine Anforderungen an das FremdkapitalEigenkapital-Verhältnis stellend: Dourado/de la Feria, in: Lang u.a., Common Consolidated Corporate Tax Base, 2008, S. 785 (818 f.). 1879 Wird der Durchschnitt als arithmetisches Mittel gebildet, ist ein Wert von 50% nicht zwingend. 1880 Vgl. nur OECD Committee on Fiscal Affairs, Thin Capitalisation, 1987, Tz. 79. 1881 Vgl. Herzig, DB 1994, 110 (112); Blumenberg, Die Besteuerung der GesellschafterFremdfinanzierung, 1997, S. 389 f. u. 428 f.; Obser, Gesellschafter-Fremdfinanzierung im europäischen Konzern, 2005, S. 176; Herr, Gesellschafterfremdfinanzierung und Europarecht, 2008, S. 319 f.; Herzig/Bohn/Fritz, DStR 2009, Beihefter zu Heft 29, 61 (62); ferner: von Bar, Die Zinsschranke und ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht, 2010, S. 167.
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grundfreiheitlicher Wertung letztlich wohl so niedrig ausgestaltet werden, dass in anderen Branchen auch zahlreiche missbräuchliche Gesellschafter-Fremdfinanzierungen nicht erfasst werden könnten. Dies wäre grundfreiheitlich zwar nicht zu beanstanden,1882 verfassungsrechtlich ist aber von einem gesetzgeberischen Handlungsauftrag zumindest zur Verhinderung wesentlicher Missbräuche auszugehen, um ein gerechtes und lastengleiches Steuersystem aufrecht zu erhalten.1883 Um sowohl grundfreiheitlichen als auch verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht zu werden, dürfte der Gesetzgeber praktisch zu einem individuellen Fremdvergleich gezwungen sein. Einzelnen Kriterien – wie etwa die Eigenkapitalquote oder die Laufzeit, Gewinnabhängigkeit bzw. Besicherung eines Darlehens – könnte nur eine indizielle Bedeutung zukommen.1884 Den Anforderungen an die Rechtssicherheit und die Praktikabilität der Verwaltung könnte aber damit genüge getan werden, dass ein FremdkapitalEigenkapital-Verhältnis vorgesehen wird, ab dem die Finanzverwaltung typisiert von der Nicht-Missbräuchlichkeit ausgeht und dementsprechend auf die Prüfung des individuellen Fremdvergleichs verzichtet.1885 Die Beweislast bliebe bei der Finanzverwaltung. Grundfreiheitlich ist diese Lösung zulässig, sofern die Möglichkeit zum Gegenbeweis außersteuerlicher Gründe besteht.1886 Verfassungsrechtlich dürfte die Grenze aber nicht zu niedrig liegen. Ein Verhältnis von Fremd- zu Eigenkapital von 1,5 : 1, wie bei § 8a KStG a.F., wäre jedenfalls nicht zu beanstanden.1887 Dass ein individueller Fremdvergleich mit einer typisierten Grenze der Nicht-Missbräuchlichkeit administrativ durchführbar ist, zeigt das Beispiel Großbritanniens.1888 Zudem darf die Finanzverwaltung dem Steuerpflichtigen Mitwirkungs- und Informationspflich-
1882 Vgl. zutreffend Schön, IStR 2009, 882 (888). 1883 Siehe C.II.4.a)dd)(2) mit den Nachweisen in Fn. 1707. Aufgrund der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers dürfen in gewissem Umfang aber sowohl Missbrauchsfälle nicht erfasst, als auch Nicht-Missbrauchsfälle erfasst werden. 1884 Vgl. OECD Committee on Fiscal Affairs, Thin Capitalisation, 1987, Tz. 75; Schön, IStR 2009, 882 (887) jeweils mit Nennung weiterer beispielhafter Kriterien. 1885 Vgl. Schön, IStR 2009, 882 (887 f.), der aber anders als es hier vertreten wird, einen safe haven mit Beweislastumkehr grundfreiheitlich generell für unverhältnismäßig hält; a.A.: Dourado/de la Feria, in: Lang u.a., Common Consolidated Corporate Tax Base, 2008, S. 785 (820). 1886 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 82; Bschl. v. 23.04.2008, C-201/05 (CFC and Dividend), Slg. 2008, I-2875, Rz. 84; Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 71. 1887 Zulässig wäre wohl jede Grenze über der durchschnittlichen Eigenkapitalquote deutscher Unternehmen. 1888 Vgl. zu den Regelungen bis 2004: Faierley/Fleming, CDFI LXXXIb (1996), 747 (758); Obser, Gesellschafter-Fremdfinanzierung im europäischen Konzern, 2005, S. 124; Bauer, StuW 2009, 163 (180). Kritisch zur damit verbundenen Rechtsunsicherheit und Mitwirkungspflichten für den Steuerpflichtigen: Dourado/de la Feria, in: Lang u.a., Common Consolidated Corporate Tax Base, 2008, S. 785 (818).
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ten auferlegen. Der EuGH1889 zeigt sich diesbezüglich allgemein relativ großzügig, um ein steuerliches Kontrolldefizit zu vermeiden.1890 bb)
Grundzüge eines § 8a KStG-E
Aufbauend auf den bisher gewonnenen Erkenntnissen soll im Folgenden die Ausgestaltung eines § 8a KStG-E konkretisiert werden, der mit den Vorgaben höherrangigen Rechts in Einklang steht. Neben der Ausrichtung am Fremdvergleich sind nach höherrangigem Recht noch weitere Anforderungen an die Ausgestaltung der Missbrauchsvermutung, des subjektiven Gegenbeweises und der Rechtsfolge zu stellen. (1)
Missbrauchsvermutung
Der für § 8a KStG-E vorgesehene individuelle Fremdvergleich garantiert die sowohl europa- als auch verfassungsrechtlich geforderte zielgenaue Ausrichtung auf missbräuchliche Gesellschafter-Fremdfinanzierungen. Die Vorgabe eines nicht-missbräuchlichen Fremdkapital-Eigenkapital-Verhältnisses wahrt die Vorhersehbarkeit und Administrierbarkeit der Prüfung. Sowohl die Zielgenauigkeit als auch die Vorhersehbarkeit und Administrierbarkeit lassen sich weiter steigern, indem der persönliche und sachliche Anwendungsbereich des § 8a KStG-E weiter auf diejenigen Fälle zugeschnitten wird, in denen Missbräuche besonders wahrscheinlich sind. (i)
Persönlicher Anwendungsbereich
Die Gefahr missbräuchlicher Gewinnverlagerung besteht in erster Linie bei der Gesellschafter-Fremdfinanzierung einer ansässigen Kapitalgesellschaft1891 durch gebietsfremde Gesellschafter.1892 Bei Gesellschaftern, die keinen Einfluss auf die Finanzierungsstruktur der Kapitalgesellschaft nehmen können, 1889 Vgl. EuGH, Urt. v. 28.01.1992, C-204/90 (Bachmann), Slg. 1992, I-249, Rz. 20; Urt. v. 28.10.1999, C-55/98 (Vestergaard), Slg. 1999, I-7641, Rz. 26; Urt. v. 03.10.2002, C-136/00 (Danner), Slg. 2002, I-8147, Rz. 50; Urt. v. 26.06.2003, C-422/01 (Skandia und Ramstedt), Slg. 2003, I-6817, Rz. 43; Urt. v. 29.03.2007, C-347/04 (Rewe Zentralfinanz), Slg. 2007, I-2647, Rz. 57; Urt. v. 02.10.2008, C-360/06 (Bauer Verlag), Slg. 2008, I-7333, Rz. 41; Urt. v. 27.01.2009, C-318/07 (Persche), Slg. 2009, I-359, Rz. 54; Urt. v. 10.02.2011, C-436/08 u.a. (Haribo u.a.), IStR 2011, 299, Rz. 95; Urt. v. 15.09.2011, C-310/09 (Accor), n.n.v., Rz. 82. Dies ist zu unterscheiden von der Rechtsprechung in den Rs. Thin Cap und SGI, in denen der EuGH hinsichtlich des Gegenbeweises übermäßige Verwaltungsauflagen verbietet, siehe die Nachweise in Fn. 1886. 1890 Kritisch zu den Nachweispflichten der Steuerpflichtigen beim individuellen Fremdvergleich Dourado/de la Feria, in: Lang u.a., Common Consolidated Corporate Tax Base, 2008, S. 785 (818 f.). 1891 Bei Personengesellschaften fehlt es an der für die Gewinnverlagerung erforderlichen Trennung zwischen Unternehmen und Unternehmer. Das Problem einer nachgelagerten Personengesellschaft wurde bei § 8a KStG a.F. in Abs. 5 behandelt. 1892 Siehe A.II. und C.II.5.
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besteht in aller Regel keine Missbrauchsgefahr. Daher ist der Anwendungsbereich des § 8a KStG-E auf wesentlich beteiligte oder sonstwie beherrschende Gesellschafter zu begrenzen.1893 Die 25%-Grenze des § 8a Abs. 3 KStG a.F. erscheint als richtiger Ansatzpunkt und hätte aus der Sicht des Gesetzgebers den Vorteil, die Anwendbarkeit der Kapitalverkehrsfreiheit und damit den Drittstaatenschutz ausschalten zu können.1894 Grundfreiheitlich wären dann strengere Regelungen für Drittstaatensachverhalte denkbar, verfassungsrechtlich wäre die damit einhergehende Ungleichbehandlung aber bedenklich1895 und bei der hier vorgeschlagenen Ausgestaltung des § 8a KStG-E zur Verhinderung der Gewinnverlagerung eigentlich auch nicht erforderlich. Um Umgehungsgestaltungen auszuschließen, sollten aus verfassungsrechtlicher Sicht auch nahe stehende Personen i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG sowie rückgriffsberechtigte Dritte1896 als Darlehensnehmer erfasst werden.1897 Eine zielgenauere Ausrichtung auf missbräuchliche Gestaltungen könnte durch das Abstellen auf die Ansässigkeit des Darlehensgebers in einem Staat mit niedrigerem Steuerniveau erreicht werden.1898 Daran dürfte Deutschland aber kein Interesse haben, weil auch in den übrigen Fällen Gewinne verlagert werden. Aufgrund der damit einhergehenden Gefährdung der Aufteilung der Besteue-
1893 Vgl. etwa Kube, IStR 2003, 325 (333); Obser, Gesellschafter-Fremdfinanzierung im europäischen Konzern, 2005, S. 109. 1894 Siehe C.I.2.a)aa)(1). 1895 Dabei könnten sich nur Gesellschafter, die natürliche Personen sind, auf Art. 3 Abs. 1 GG berufen. Für in Drittstaaten ansässige juristische Personen scheidet der Schutz nach Art. 19 Abs. 3 GG aus. Ggf. können sich aber deren mittelbar benachteiligte Gesellschafter auf Art. 3 Abs. 1 GG berufen, siehe C.II.1.b)aa). Verfassungsrechtlich bedenklich erscheint vor allem, dass die Gefahr der Gewinnverlagerung in Drittstaatenund Binnenmarktsachverhalten an sich gleich groß ist. Eine Rechtfertigung könnte wohl nur mit dem Ziel der Herstellung der Europarechtskonformität [siehe dazu C.II.4.a)dd)(3)] in Betracht kommen. Die hier mit § 8a KStG-E vorgeschlagene Ausgestaltung einer Gesellschafter-Fremdfinanzierungsvor-schrift wäre grundfreiheitlich auch erforderlich. Das BVerfG hat sich zu diesem potentiellen Rechtfertigungsgrund bisher aber noch nicht geäußert. 1896 Zu erfassen wären aber nur sog. back-to-back-Finanzierungen, siehe B.II.1. 1897 Vgl. Piltz, CDFI LXXXIb (1996), 19 (56); Blumenberg, Die Besteuerung der Gesellschafter-Fremdfinanzierung, 1997, S. 429; Kube, IStR 2003, 325 (333); Obser, Gesellschafter-Fremdfinanzierung im europäischen Konzern, 2005, S. 109; Maier, Die Regelungen zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung im internationalen Vergleich, 2006, S. 246; Herr, Gesellschafterfremdfinanzierung und Europarecht, 2008, S. 317. Siehe auch § 8a Abs. 1 Satz 3 KStG a.F. 1898 Dahingehend Herr, Gesellschafterfremdfinanzierung und Europarecht, 2008, S. 289 f.; vgl. allgemein auch GA Léger, SchlA v. 02.05.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rz. 139.
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Zinsschranke
rungsbefugnisse1899 erscheint die Eingrenzung auf Staaten mit niedrigerem Steuerniveau grundfreiheitlich auch nicht zwingend. (ii)
Sachlicher Anwendungsbereich
Vom sachlichen Anwendungsbereich des § 8a KStG-E wären nur Vergütungen für langfristiges Fremdkapital zu erfassen.1900 Kurzfristiges Fremdkapital hat keinen eigenkapitalersetzenden Charakter. Dieser ist hingegen bei gewinnabhängigen Fremdkapitalvergütungen besonders naheliegend. Die Gewinnabhängigkeit darf aus grundfreiheitlicher Betrachtung dennoch nicht wie bei § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG a.F. eine unwiderlegliche Missbrauchsvermutung begründen, da auch fremde Dritte gewinnabhängige Fremdkapitalvergütungen vereinbaren.1901 Dem Kriterium darf daher nur indizielle Bedeutung zukommen. Dies gilt auch für sonstige Kriterien wie das Verhältnis von Eigen- zu Fremdkapital oder die Besicherung des Darlehens. Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung könnte zudem eine de minimis-Grenze für Fremdkapitalvergütungen eingefügt werden,1902 diese dürfte aus verfassungsrechtlicher Sicht aber nicht zu hoch sein, um wesentliche Missbräuche nicht auszuschließen. Das Fremdkapital-Eigenkapital-Verhältnis, ab dem aus Gründen der Rechtssicherheit von der Nicht-Missbräuchlichkeit auszugehen wäre, könnte in Anlehnung an § 8a KStG a.F. mit 1,5 : 1 angesetzt werden. Dies würde zugleich Definitionen von Fremd- und Eigenkapital erfordern. Diese könnten ebenfalls auf § 8a KStG a.F. aufbauen.1903 An dieser Stelle soll diesbezüglich nur auf die Frage eingegangen werden, ob der Verschuldungsgrad global für das Unternehmen oder individuell für jeden Gesellschafter bestimmt werden sollte. Ein globaler Verschuldungsgrad wird auch von Darlehen Dritter sowie ansässiger und unwesentlich beteiligter Gesellschafter beeinflusst, bei denen keine Missbrauchsgefahr besteht. Ein individueller Verschuldungsgrad für gebietsfremde
1899 Der EuGH erkennt das Ziel der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten seit dem Urt. v. 13.12.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837, Rz. 46 als Rechtfertigungsgrund an, siehe C.I.2.c)cc)(2). 1900 Siehe auch § 8a Abs. 1 Satz 1 KStG a.F.; OECD Committee on Fiscal Affairs, Thin Capitalisation, 1987, Tz. 75. Die wiederholte Vergabe von kurzfristigem Fremdkapital müsste insoweit wie langfristiges Fremdkapital behandelt werden. 1901 Vgl. auch Schön, IStR 2009, 882 (887); siehe zur fehlenden Fremdüblichkeit des § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG a.F. bereits B.IV.1.b) mit den Nachweisen in Fn. 505. 1902 § 8a Abs. 1 Satz 1 KStG a.F. sah eine Freigrenze in Höhe von 250.000 € vor, primär um kleine und mittlere Unternehmen zu verschonen. 1903 Zu entscheiden wäre u.a. der Zeitpunkt bzw. Zeitraum, in dem die Größen gemessen werden, und wie einem Kaskadeneffekt, der durch die konzerninterne Weiterleitung von Fremdkapital entsteht, entgegengewirkt wird. Dazu sah § 8a KStG a.F. in Abs. 2 eine Buchwertkürzung der Beteiligungswerte von Tochtergesellschaften vor, von der Holdings u.U. wieder ausgenommen wurden (Abs. 4).
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Gesellschafter kann Missbrauch daher zielgenauer erfassen.1904 Diesen sah auch § 8a KStG a.F. vor. Anders als die Zinsschranke wendet sich eine Gesellschafter-Fremdfinanzierungsvorschrift nicht gegen Outbound-Finanzierungen, bei denen eine ansässige Muttergesellschaft ein Bankdarlehen aufnimmt und dieses als Eigenkapital einer gebietsfremden Tochter zuführt.1905 Hierzu könnte wie in § 8a Abs. 6 KStG a.F. eine Sonderregelung eingeführt werden, die aber zielgenau gegen Missbrauch ausgerichtet werden müsste.1906 (2)
Gegenbeweis wirtschaftlicher Gründe
Die Anforderungen an den Gegenbeweis der Missbrauchsvermutung werden primär durch die Grundfreiheiten gestellt. Aufgrund des individuellen Fremdvergleichs bedarf es für § 8a KStG-E keines Gegenbeweises anhand objektiver Kriterien. Insbesondere ist dem Steuerpflichtigen kein Nachweis einer wirtschaftlich realen Darlehensvergabe zuzugestehen. Denn nach den Rs. Thin Cap1907 und Lammers & Van Cleef1908 ist bereits die fremdunübliche Gesellschafter-Fremdfinanzierung missbräuchlich.1909 Erforderlich ist nach diesen Urteilen aber der subjektive Gegenbeweis wirtschaftlicher und damit außersteuerlicher Gründe für die Finanzierungsgestaltung.1910 § 8a KStG-E muss diesbezüglich eine Einzelfallprüfung durch die Finanzverwaltung vorsehen, die auch gerichtlich kontrollierbar sein muss. Der Gegenbeweis darf durch Verwaltungsauflagen auch nicht übermäßig erschwert werden.1911 Fraglich ist jedoch, welche außersteuerlichen Gründe für fremdunübliche Gesellschafter-Fremdfinanzierungen von der Finanzverwaltung anzuerkennen wären. Diese hat im Einzelfall das Interesse des Steuerpflichtigen an der Ausübung der Niederlassungsfreiheit mit dem Interesse des Staates an der Besteuerung der in ihrem Hoheitsgebiet erzielten Einkünfte und dem Erhalt eines lastengerechten und wettbewerbsneutralen Besteuerungssystems abzuwägen. Hinsichtlich § 1 AStG wurde bereits festgestellt, dass bei einem fremdunüblichen Zinssatz das Interesse des Steuerpflichtigen nur bei der Rettung einer zumindest Not leidenden Konzerngesellschaft überwiegen dürfte.1912 Eine 1904 Vgl. Herzig/Bohn/Fritz, DStR 2009, Beihefter zu Heft 29, 61 (62 f.). 1905 Siehe B.II.2. mit Fn. 336. 1906 Kritisch zu § 8a Abs. 6 KStG a.F.: Kutsch, Gesellschafter-Fremdfinanzierung beim internen Beteiligungserwerb, 2009, S. 152 ff. 1907 EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 80 ff. 1908 EuGH, Urt. v. 17.01.2008, C-105/07 (Lammers & Van Cleef), Slg. 2008, I-173, Rz. 29 f. 1909 Siehe ausführlich zur Loslösung vom Kriterium der wirtschaftlichen Realität C.I.2.c)cc)(2). 1910 Siehe C.I.2.c)cc)(2)(ii), C.I.2.c)cc)(3)(ii)(a) und C.II.5.a)aa)(1)(i). 1911 Siehe oben C.II.5.a)aa)(4)(i) mit den Nachweisen in den Fn. 1862 bis 1866. 1912 Siehe ausführlich C.I.2.c)cc)(3)(ii)(a).
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Zinsschranke
bewusste fremdunübliche Preisvereinbarung ist stets auf eine Vermögensverschiebung ausgerichtet, die dem mitgliedstaatlichen Interesse aber diametral entgegensteht. Erst bei der beschriebenen Rettung dürfte das dann sogar existenzielle Interesse des Steuerpflichtigen überwiegen. Für die Wahl zwischen Fremd- und Eigenkapital bestehen über die bloße Vermögensverschiebung hinaus aber verschiedene außersteuerliche Gründe,1913 denen nicht sämtlich die Anerkennung versagt werden kann:1914 Fremdkapital kann insbesondere schneller und flexibler vergeben werden als Eigenkapital.1915 Die vorübergehende Deckung von Kapitalbedarfsspitzen einer Tochtergesellschaft mit Fremdkapital ist daher in der Regel nicht missbräuchlich, auch wenn dabei ein fremdüblicher Verschuldungsgrad überschritten wird.1916 Eine andere Beurteilung dürfte bei einer langfristigen Überschreitung geboten sein, da die Schnelligkeit und Flexibilität der Fremdkapitalüberlassung hierbei nicht rechtfertigend vorgebracht werden können. Insofern ist auch eine zeitliche Komponente zu beachten.1917 Allein die Ausnutzung des leverage effects1918 wird eine deutliche Abweichung vom fremdüblichen Maß ebenfalls kaum begründen können, zumal auch fremde Dritte den leverage effect ausnutzen1919. Die dauerhafte Unterkapitalisierung einer Gesellschaft durch den Konzern könnte aber in gewissen Umfang anzuerkennen sein, wenn die Gesellschaft Minderheitsgesellschafter hat, die einer Eigenkapitalfinanzierung aufgrund sich ändernder Beteiligungsquoten nicht zustimmen wollen.1920 Letztlich kann es nicht zu Lasten der Steuerpflichtigen gehen, dass aufgrund des internationalen Steuerrechts auch bei fremdüblichen Zinssätzen Gewinne verlagert werden. Erkennt die Finanzverwaltung derartige außersteuerliche Gründe an, verstößt dies nicht gegen Art. 9 OECD-MA: Denn die Norm verpflichtet nicht zu
1913 Siehe zu einer Darstellung möglicher Gründe bereits A.II. 1914 Vgl. eingehend: High Court of Justice (Chancery Division), Urt. v. 17.11.2009, [2009] EWHC 2908 (Ch) – Thin Cap, Rz. 75; ferner: Schön, IStR 2009, 882 (888). Strenger ist wohl GA Geelhoed, SchlA v. 29.06.2006, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 67, 1. Spiegelstrich, der nicht missbräuchliche Gesellschafter-Fremdfinanzierungen über die beschriebenen Rettungsaktionen hinaus für „relativ selten“ hält, siehe C.I.2.c)cc)(3)(ii)(a). Dahingehend auch von Bar, Die Zinsschranke und ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht, 2010, S. 174. 1915 Die Vergabe von Eigenkapital unterliegt diversen Formvorschriften und führt zu Änderungen der Beteiligungsquoten, siehe A.II. 1916 Vgl. auch Schön, IStR 2009, 882 (888). 1917 Siehe zu den Verrechnungspreisvorschriften bereits D.I.2.c)cc)(3)(ii)(a)(aa) mit Fn. 946. 1918 Übersteigt die Gesamtkapitalrendite den Fremdkapitalzins, kann ein Unternehmen die Eigenkapitalrendite steigern. Dies wird als leverage effect bezeichnet, siehe A.II. 1919 Ein hoher Verschuldungsgrad ist damit ggf. noch als fremdüblich zu bezeichnen. 1920 Vgl. auch Schön, IStR 2009, 882 (888).
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
Einkünftekorrekturen, sondern setzt über den Fremdvergleich hinausgehenden Korrekturen lediglich Schranken.1921 (3)
Rechtsfolge
Als Rechtsfolgen einer nicht fremdüblichen Gesellschafter-Fremdfinanzierung kommen sowohl die Umqualifikation der Zinsen in Dividenden als auch die Zinsabzugsbeschränkung in Betracht.1922 Beide Alternativen lassen sich in Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht ausgestalten. Sowohl aus grundfreiheitlicher1923 als auch aus abkommensrechtlicher1924 Betrachtung darf die Korrektur jedenfalls nicht über den Fremdvergleich hinausgehen.1925 Dies ist auch verfassungsrechtlich zu fordern, weil eine Korrektur auch der angemessenen Gestaltung über den Missbrauchsvermeidungszweck hinausgehen und einen grundsätzlich rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in Art. 3 Abs. 1 GG begründen würde.1926 Auch wenn insofern die unangemessene Gestaltung rechtsfolgenseitig auf eine angemessene zurückzuführen ist, ist der Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht zur Umqualifikation als vermeintlich „sachnächste“ Rechtsfolge verpflichtet. Die zuletzt von Gabel1927 vertretene gegenteilige Auffassung lässt außer Acht, dass die Umqualifikation erst beim gebietsfremden verbundenen Unternehmen zu einer unterschiedlichen steuerlichen Behandlung führt und die Möglichkeit der Gegenberichtigung besteht. International ist ein Trend hin zur Zinsabzugsbeschränkung zu beobachten – anders als früher nehmen nur noch wenige Staaten eine Umqualifizierung vor.1928 Diese führt insbesondere bei Zinszahlungen an nahe stehende Personen oder rückgriffsberechtigte Dritte zu Problemen, weil Personen ohne Gesell-
1921 Siehe B.IV. mit den Nachweisen in Fn. 454 und 460. Siehe bereits C.I.2.c)cc)(2)(iv). 1922 Siehe B.II.1. und 2. Bei der Zinsschranke ist die Umqualifikation in Dividenden konzeptionell ausge-schlossen, weil auch Zinszahlungen an Dritte erfasst werden, siehe B.II.2. 1923 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 83; ferner: Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487, Rz. 72. 1924 Siehe B.IV.1.b). 1925 Zu beachten ist aber, dass der EuGH bei der Auslegung des Fremdvergleichs nicht an die Vorgaben des Art. 9 OECD-MA und der OECD-RL gebunden ist und den Fremdvergleich letztlich unter den Gesichtspunkten des Missbrauchs und einer angemessenen territorialen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse auslegen wird, siehe C.I.2.c)cc)(2)(ii) und C.I.2.c)cc)(3)(ii)(b). 1926 Vgl. auch Hey, StuW 2008, 167 (175); Gabel, StuW 2011, 3 (13 f.). Eine streng am Fremdvergleich orientierte Einkünftekorrektur garantiert eine verursachungsgerechte und wettbewerbsneutrale Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. 1927 Vgl. Gabel, StuW 2011, 3 (13). 1928 Vgl. Obser, Gesellschafter-Fremdfinanzierung im europäischen Konzern, 2005, S. 140; Kessler/Köhler/Knörzer, IStR 2007, 418; Herzig/Bohn, IStR 2009, 253 (259); dies., DStR 2009, Beihefter zu Heft 29, 61; Bauer, StuW 2009, 163 (166); Herzig, IStR 2009, 870 (873).
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Zinsschranke
schafterstatus keine Dividenden beziehen können.1929 Diese Probleme vermeidet die Zinsabzugsbeschränkung, da deren Rechtsfolgen nur die zinszahlende Gesellschaft betreffen. Die dabei eintretende wirtschaftliche Doppelbesteuerung kann durch eine Gegenberichtigung im anderen Staat vermieden werden. Aufgrund international unterschiedlicher Konzepte von Unterkapitalisierungsvorschriften und divergierender Auslegungen des Fremdvergleichsgrundsatzes lässt sich die wirtschaftliche Doppelbesteuerung vielfach aber nur durch Verständigungs- und Schiedsverfahren vermeiden.1930 Dies ließe sich mit einer Harmonisierung der Unterkapitalisierungsvorschriften auf EU-Ebene beseitigen.1931 Als zweitbeste Lösung sollte zumindest die Verbesserung der Streitbeilegungsverfahren des EU-SchÜ angestrebt werden, etwa durch einen verbindlichen Aufschub der Steuererhebung auf den Betrag der Erstberichtigung.1932 Derartige abgestimmte Lösungen sind zurzeit aber nicht in Sicht. Zeitnah könnte der Steueraufschub aber auch unilateral gewährt werden,1933 dies wäre bei der hier vorgeschlagenen Ausgestaltung des § 8a KStG-E aber weder grundfreiheitlich noch verfassungsrechtlich zwingend. (4)
Ein Formulierungsvorschlag
Entsprechend der hier aufgezeigten Struktur eines § 8a KStG-E, der mit den Vorgaben höherrangigen Rechts in Einklang steht, könnte die Vorschrift wie folgt lauten: (1) Vergütungen für Fremdkapital, das eine Kapitalgesellschaft nicht nur kurzfristig von einem im Ausland ansässigen wesentlich beteiligten Anteilseigner erhalten hat, sind insoweit dem Gewinn wieder hinzuzurechnen, als die Kapitalgesellschaft das zugrunde liegende Darlehen von einem fremden Dritten nicht zu den vereinbarten Bedingungen erhalten hätte. Dabei sind insbesondere das Verhältnis zwischen Eigen- und Fremdkapital, Art und Umfang der Besicherung, die Laufzeit, der Rang und die Rückzahlungsbedingungen des Darlehens, die Höhe der Vergütung sowie die Abhängigkeit des Darlehens vom Erfolg der Kapitalgesellschaft zu berücksichtigen.1934
1929 Vgl. zu einer Diskussion möglicher Probleme: Wassermeyer, DStR 2004, 749 ff.; Frotscher, DStR 2004, 754 ff.; Rödder/Schumacher, DStR 2004, 758 ff.; Obser, Gesellschafter-Fremdfinanzierung im europäischen Konzern, 2005, S. 179 f. 1930 Siehe dazu B.IV.2. 1931 Vgl. auch Prinz, StbJb 2003/2004, 175 (184); Brosens, EC Tax Rev. 2004, 188 (213); Obser, Gesellschafter-Fremdfinanzierung im europäischen Konzern, 2005, S. 165; Herr, Gesellschafterfremdfinanzierung und Europarecht, 2008, S. 315 ff.; Hey, FS Djanani, 2008, S. 109 (127 f.); München, Zinsschranke, 2010, S. 142 f. 1932 Siehe bereits C.I.2.c)bb)(2)(iii) und C.I.3. 1933 Siehe C.I.3. 1934 Abs. 1 Satz 2 in Anlehnung an Schön, IStR 2010, 882 (888). Vgl. zu den einzelnen Kriterien auch OECD Committee on Fiscal Affairs, Thin Capitalisation, 1987, Tz. 75.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
(2)1935 Absatz 1 Satz 1 ist auch bei Vergütungen für Fremdkapital anzuwenden, das die Kapitalgesellschaft von einer dem Anteilseigner nahe stehenden Person im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes oder von einem Dritten erhalten hat, der auf den Anteilseigner oder eine diesem nahe stehende Person zurückgreifen kann. (3) Absatz 1 Satz 1 ist nicht anzuwenden, wenn 1. die Vergütungen für Fremdkapital nicht mehr als 50.000 Euro betragen1936 oder 2. das Fremdkapital zu keinem Zeitpunkt des Wirtschaftsjahres das Eineinhalbfache des anteiligen Eigenkapitals des Anteilseigners übersteigt oder 3. der Steuerpflichtige beachtliche außersteuerliche Gründe für die gewählte Finanzierung mit Fremd- statt Eigenkapital nachweist. (4)1937 Eine wesentliche Beteiligung im Sinne des Absatz 1 Satz 1 liegt vor, wenn der Anteilseigner am Grund- oder Stammkapital der Kapitalgesellschaft alleine oder mit nahe stehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes zu mindestens einem Viertel unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist. Eine wesentliche Beteiligung liegt auch vor, wenn der Anteilseigner allein oder zusammen mit nahe stehenden Personen einen tatsächlich beherrschenden Einfluss auf die Kapitalgesellschaft ausübt.
Neben den hier aufgezeigten Elementen müsste § 8a KStG-E zusätzlich Definitionen von Eigen- und Fremdkapital sowie ggf. Privilegien für Holdings und Kreditinstitute enthalten.1938 Zudem könnten Regelungen zu Umgehungsgestaltungen wie die Zwischenschaltung einer Personengesellschaft oder Outbound-Finanzierungen getroffen werden, diese müssten aber zielgenau gegen missbräuchliche Gestaltungen ausgerichtet sein.1939 Der Fremdvergleich und der Gegenbeweis anhand außersteuerlicher Gründe müsste wie hier vorgesehen einzelfallorientiert durchgeführt werden. Das BMF könnte hierzu aber ein Anwendungsschreiben mit Beispielen erlassen. Der bei Einleitung eines 1935 Abs. 2 entspricht weitgehend § 8a Abs. 1 Satz 3 KStG a.F. 1936 Eine derartige Freigrenze ist nicht zwingend, kann aber der Verwaltungsvereinfachung dienen. Der Betrag von 50.000 € wurde bewusst niedriger gewählt als die 250.000 € des § 8a Abs. 1 Satz 1 KStG a.F., um vor dem Hintergrund verfassungsrechtlicher Anforderungen wesentliche Missbräuche nicht auszuschließen, siehe C.II.5.a)bb)(1)(ii). 1937 Im Sinne einer prägnanteren Gesetzesformulierung wurde gegenüber § 8a Abs. 3 KStG a.F. eine kürzere Formulierung gewählt. § 8a Abs. 3 KStG a.F. könnte aber wiederverwendet werden. 1938 Siehe dazu § 8a Abs. 2 und 4 KStG a.F. Die daraus wohl unweigerlich resultierenden Auslegungsfragen wären hinzunehmen, vgl. zutreffend Schön, IStR 2010, 882 (888). 1939 Siehe bereits C.II.5.a)bb)(1)(ii), siehe zu § 8a KStG a.F. die Abs. 5 und 6.
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Zinsschranke
Verständigungs- bzw. Schiedsverfahrens grundsätzlich zu empfehlende, aber weder grundfreiheitlich noch verfassungsrechtlich zwingende Steueraufschub bis zur Gegenberichtigung wäre vorzugsweise in der AO zu regeln.1940 b)
Gemeinsame konsolidierte KörperschaftsteuerBemessungsgrundlage
Eine Einkünftekorrektur nach § 8a KStG-E könnte in Zukunft in vielen Fällen nicht mehr erforderlich sein, wenn in der EU das von der Kommission vorgesehene Konzept einer gemeinsamen konsolidierten KörperschaftsteuerBemessungsgrundlage (GKKB)1941 eingeführt werden würde. Aufbauend auf der Studie „Unternehmensbesteuerung im Binnenmarkt“1942 hat die Kommission im Jahr 2001 eine Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung in Europa angestoßen1943 und anschließend in verschiedenen Arbeitsgruppen fortentwickelt. Der nun von der Kommission am 16.03.2011 veröffentlichte Richtlinienentwurf1944 einer GKKB sieht vor, dass die Gewinne der in einem EU-Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaften und Betriebsstätten eines Konzerns zunächst nach einer autonomen, europaweit einheitlichen Bemessungsgrundlage ermittelt,1945 im zweiten Schritt zusammengerechnet und konsolidiert und im dritten Schritt anhand der drei Schlüsselgrößen Umsatz, Arbeit 1940 Siehe dazu C.II.5.a)bb)(3); ein derartiger Zahlungsaufschub ist bisher nur im überarbeiteten Verhaltenskodex zur wirksamen Durchführung des EU-SchÜ v. 30.12.2009, ABl. 2009 C 322, 1, Tz. 8 geregelt. 1941 Im Englischen: Common consolidated corporate tax base (CCCTB). 1942 Siehe Kommission v. 23.10.2001, SEK(2001) 1681, S. 401 ff. 1943 Vgl. Kommission v. 23.10.2001, KOM(2001) 582 endg., S. 17 ff. Entsprechend der Studie wurden vier verschiedene Konzepte vorgesehen und daraus später die GKKB ausgewählt, vgl. Kommission v. 24.11.2003, KOM(2003) 726 endg., S. 12 ff. Siehe zum Konzept der „Sitzlandbesteuerung“ Fn. 1945. 1944 Siehe Kommission v. 16.03.2011, KOM(2011) 121 endg. 1945 Der Richtlinienvorschlag v. 16.03.2011 sieht dabei in den Art. 9 ff. eine von nationalen oder internationalen Rechnungslegungsstandards unabhängige und insofern autonome Bemessungsgrundlage vor. Zuvor hatte die Kommission noch erwogen, die Bemessungsgrundlage der GKKB an den IFRS zu orientieren, vgl. Kommission v. 05.04.2006, KOM(2006) 157 endg., S. 7 f. Im Bericht „Unternehmensbesteuerung im Binnenmarkt“ wurde als alternatives Konzept zur GKKB die Sitzlandbesteuerung vorgeschlagen, nach der die steuerliche Bemessungsgrundlage konzernweit nach den Regelungen des Sitzstaates der Konzernmuttergesellschaft ermittelt wird, vgl. Kommission v. 23.10.2001, SEK(2001) 1681, S. 401 ff. Dieses Konzept hätte ebenfalls die Vorteile der GKKB, es würde jedoch zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen zwei konkurrierenden Unternehmen führen, deren Muttergesellschaften in unterschiedlichen Staaten ansässig sind, vgl. nur Schön, in: Schön/Schreiber/Spengel, A Common Consolidated Corporate Tax Base for Europe, 2008, S. 49 (72 m.w.N.); Terra/Wattel, European Tax Law, 5. Aufl. 2008, S. 213. Die Kommission hält das Konzept gleichwohl für kleinere und mittlere Unternehmen für geeignet und hat 2005 – bisher allerdings erfolglos – ein Pilotprojekt ins Leben gerufen, siehe Kommission v. 23.12.2005, KOM(2005) 702 endg., S. 10 ff.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
und Vermögenswerte1946 auf die jeweiligen Mitgliedstaaten verteilt werden. Diese würden darauf ihre individuellen Steuersätze anwenden.1947 Als Folge der Konsolidierung würden konzerninterne Lieferungs- und Leistungsbeziehungen saldiert. Verrechnungspreis- und Unterkapitalisierungsvorschriften wären für die schuldrechtlichen Beziehungen innerhalb der Unternehmensgruppe nicht mehr erforderlich.1948 Daneben hätte die GKKB die Vorteile einer grenzüberschreitenden Verlustverrechnung, einer effektiven Vermeidung von Doppelbesteuerung, einer Verringerung von Verwaltungskosten und der Beseitigung zahlreicher Diskriminierungen und Beschränkungen, die durch das Nebeneinander von 27 Steuerrechtsordnungen in der EU entstehen.1949 Die GKKB könnte die Unterkapitalisierungsproblematik jedoch nur für Fremdfinanzierungen zwischen den in der GKKB konsolidierten Unternehmen lösen.1950 Nicht konsolidiert werden Konzerngesellschaften, die in Drittstaaten ansässig sind oder an denen die Muttergesellschaft unmittelbar oder mittelbar weniger als 50% der Stimmrechte oder weniger als 75% des Gesellschaftskapitals hält.1951 Der Richtlinienentwurf sieht zudem vor, den Konzernen ein Wahlrecht zur Anwendung der GKKB einzuräumen.1952 Die GKKB würde damit parallel neben den nationalen Steuersystemen existieren, die wie bisher nationale Unterkapitalisierungsvorschriften vorsehen würden. Das Wahlrecht 1946 Siehe für Einzelheiten: Kommission v. 16.03.2011, KOM(2011) 121 endg., Art. 86 ff. 1947 Siehe Kommission v. 16.03.2011, KOM(2011) 121 endg., S. 13, Erwägungsgrund 5 sowie Art. 103. 1948 Vgl. Kommission v. 16.03.2011, KOM(2011) 121 endg., S. 13, Erwägungsgrund 6; vgl. zuvor bereits Kommission v. 23.10.2001, SEK(2001) 1681, S. 404; v. 23.10.2001, KOM(2001) 582 endg., S. 18. 1949 Vgl. Kommission v. 16.03.2011, KOM(2011) 121 endg., S. 5 ff.; v. 23.10.2001, KOM(2001) 582 endg., S. 18; v. 23.10.2001, SEK(2001) 1681, S. 401 ff.; v. 02.05.2007, KOM(2007) 223 endg., S. 7. 1950 Vgl. Arbeitsgruppe GKKB v. 05.12.2006, CCCTB/WP041, Tz. 7 f.; v. 20.11.2006, CCCTB/WP046, Tz. 23 ff.; v. 26.07.2007, CCCTB/WP057, Tz. 43 f.; Spengel/Braunagel, StuW 2006, 34 (48); Schön, in: Schön/Schreiber/Spengel, A Common Consolidated Corporate Tax Base for Europe, 2008, S. 49 (75 ff.); Braunagel, Gemeinsame Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage in der EU, 2008, S. 230 u. 237; Hey, FS Djanani, 2008, S. 109 (127 f.); Dourado/de la Feria, in: Lang u.a., Common Consolidated Corporate Tax Base, 2008, S. 785 (808, 811); Gammie/Panayi, in: Lang u.a., Common Consolidated Corporate Tax Base, 2008, S. 821 (837 f.); München, Zinsschranke, 2010, S. 142. 1951 Siehe Kommission v. 16.03.2011, KOM(2011) 121 endg., Art. 54. Umgekehrt werden danach nur Unternehmen konsolidiert, an denen sowohl 50% der Stimmrechte, als auch 75% des Kapitals gehalten werden. Die Höhe mittelbarer Beteiligungen soll durch Multiplikation ermittelt werden, wobei eine Beteiligung, an der mehr als 50% der Stimmrechte gehalten werden, als 100%-Beteiligung gewertet wird. 1952 Siehe Kommission v. 16.03.2011, KOM(2011) 121 endg., Art. 6. Optiert eine Gruppe für die GKKB, ist sie daran anfangs für fünf Jahre gebunden, danach jeweils für Zeiträume von drei Jahren, siehe Art. 105.
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Zinsschranke
ist zwar ausreichend, um Konzernen die Vorteile der GKKB anzubieten, grenzüberschreitende Gewinnverlagerungen durch Gesellschafter-Fremdfinanzierungen blieben bei Nichtausübung des Wahlrechts aber weiterhin möglich.1953 Es erscheint zudem als unwahrscheinlich, dass im Rat die erforderliche Einstimmigkeit für die GKKB erzielt werden kann. Aufgrund der skeptischen Grundhaltung einiger Mitgliedstaaten1954 scheint die Einführung der GKKB nur durch bestimmte Mitgliedstaaten im Wege der verstärkten Zusammenarbeit der Art. 326 ff. AEUV1955 oder die Einführung lediglich einer gemeinsamen Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage ohne Konsolidierung (GKB)1956 als wahrscheinlicher. Der Richtlinienentwurf der Kommission sieht entgegen früheren Vorschlägen der Arbeitsgruppe GKKB1957 keine allgemeine Unterkapitalisierungsvorschrift für Zinszahlungen an nicht konsolidierte verbundene Unternehmen mehr vor. Nach Art. 81 des Entwurfs sollen lediglich Zinszahlungen an verbundene Unternehmen1958, die in einem Drittstaat ansässig sind, entweder in Gänze nicht abzugsfähig sein, wenn mit dem Drittstaat ein mit der neuen Amtshilferichtlinie 2011/16/EU vergleichbares Amtshilfeabkommen besteht und das 1953 Vgl. Hey, in: Lang u.a., Common Consolidated Corporate Tax Base, 2008, S. 93 (108); dies., FS Djanani, 2008, S. 109 (128); München, Zinsschranke, 2010, S. 142. Jedoch könnten Unternehmen auch ohne die Option, etwa durch Reduktion der Stimmrechte unter 50% bzw. des Kapitals unter 75%, dem GKKB-System entgehen. 1954 Ablehnend zeigen sich insbesondere Irland und Großbritannien. Zudem haben die Parlamente von neun Mitgliedstaaten gemäß Art. 6 des Protokolls Nr. 2 zum AEUV formell ihre Bedenken dahingehend geäußert, dass der Richtlinienvorschlag gegen das Subsidiaritätsprinzip verstößt, siehe http://www.ipex.eu/ipex/cms/home/Documents/ dossier_CNS20110058/lang/en; vgl. dazu die Zusammenfassung von von Brocke/Rottenmoser, IWB 2011, 620 (623 ff.). Siehe zu Deutschland Fn. 1956. 1955 Vgl. Kommission v. 23.10.2001, SEK(2001) 1681, S. 428 f.; Cerioni, ET 2006, 187 ff.; ders., BIT 2010, 98 (101 ff.); Terra/Wattel, European Tax Law, 5. Aufl. 2008, S. 212; Kubik/Massoner, Finanz Journal 2009, 13 (16); Kußmaul/Niehren/Pfeifer, StuW 2010, 177 (181 f.). 1956 Dieses Szenario wird wieder in Betracht gezogen, siehe Kommission v. 16.03.2011, KOM(2011) 121 endg., S. 8 f.; v. 16.03.2011, SEK(2011) 316 endg., S. 4 ff. Auch die Bundesregierung hat in einer Antwort auf eine kleine Anfrage von Abgeordneten und der Fraktion der Grünen die Einführung einer GKB befürwortet, vgl. BT-Drs. 17/5748, S. 2. Der Bundesrat hat sich hingegen für die Konsolidierung ausgesprochen, vgl. BR-Drs. 155/11(B)(2), Tz. 7. 1957 Vgl. zum Vorschlag einer am Fremdvergleich orientierten Gesellschafter-Fremdfinanzierungsvorschrift: Arbeitsgruppe GKKB v. 05.12.2006, CCCTB/WP041, Tz. 7 f.; v. 26.07.2007, CCCTB/WP057, Tz. 44; vgl. jedoch später zum Vorschlag einer Zinsschranke ähnlich § 4h EStG: Arbeitsgruppe GKKB v. 26.03.2008, CCCTB/WP065, Tz. 16 ff. 1958 Als (nicht konsolidierte) verbundene Unternehmen gelten nach Art. 78 des Richtlinienentwurfs dabei Unternehmen, an denen unmittelbar oder mittelbar eine Beteiligung von mehr als 20% an den Stimmrechten oder am Gesellschaftskapital gehalten werden, oder die tatsächlich beherrscht werden.
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Vereinbarkeit der Einkünftekorrekturvorschriften mit höherrangigem Recht
verbundene Unternehmen in diesem Staat einer Besteuerung von unter 10%1959 unterliegt, oder – wenn kein solches Abkommen besteht und weitere Voraussetzungen vorliegen1960 – nur bis zu dem Betrag abzugsfähig sein, der zwischen unabhängigen Dritten vereinbart werden würde1961. Ungeachtet des Widerspruchs, dass auf diese Weise Zinszahlungen an Drittstaaten, mit denen kein Amtshilfeabkommen besteht, ggf. besser behandelt werden als Zinszahlungen an Drittstaaten, mit denen ein solches Abkommen abgeschlossen wurde, ist Art. 81 bereits deswegen abzulehnen, weil er missbräuchliche Verlagerungen von Gewinnen aus der GKKB an nicht konsolidierte verbundene Unternehmen nicht verhindert, die in Mitgliedstaaten oder in nicht niedrig besteuernden Drittstaaten ansässig sind, mit denen ein Amtshilfeabkommen besteht.1962 Auch im Rahmen einer GKKB sind neben den Grundfreiheiten1963 1959 Nach Art. 81 Abs. 1 lit. a des Richtlinienentwurfs wird dabei auf ein Steuerniveau von weniger als 40% des durchschnittlichen gesetzlichen Körperschaftsteuersatzes der Mitgliedstaaten abgestellt, was zurzeit einem Steuersatz unterhalb von 10% entspricht, vgl. Lenz/Rautenstrauch, DB 2011, 726 (730 f.). 1960 Nach Art. 81 Abs. 3 des Richtlinienentwurfs setzt dies voraus, dass mit dem Drittstaat kein zur neuen Amtshilferichtlinie 2011/16/EU vergleichbares Amtshilfeabkommen besteht und mindestens eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist: (a) Die Zinserträge fallen aufgrund der Hinzurechnungsbesteuerung des Art. 82 des Richtlinienentwurfs in die Bemessungsgrundlage der GKKB, (b) das ausländische verbundene Unternehmen ist börsennotiert oder (c) das Unternehmen unterhält ein operatives Geschäft. 1961 Dabei ist unklar, ob es auf die Fremdüblichkeit des Zinssatzes oder auch des Verschuldungsgrades ankommt. Zwar können unabhängige Dritte kein Eigenkapital gewähren, jedoch konnte auch der entsprechende Wortlaut des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA so ausgelegt werden, dass dieser auch die Fremdüblichkeit des Verschuldungsgrades kontrolliert, siehe B.IV.1.b). 1962 Nicht nachzuvollziehen ist ferner, warum Art. 81 des Richtlinienentwurfs überhaupt auf das Bestehen eines Amtshilfeabkommens abstellt. Denn auch wenn ein solches Abkommen besteht, ändert dies aufgrund der bestehenden DBA mit Drittstaaten nichts daran, dass die Mitgliedstaaten ihr Besteuerungsrecht an den Zinserträgen verlieren. Insofern fehlt es an einem Steueranspruch, der über die Amtshilfe kontrolliert werden könnte. Zwar erlaubt Art. 77 des Entwurfs die Erhebung einer Quellensteuer auf Zinszahlungen an nicht konsolidierte verbundene Unternehmen, bei einer Quellensteuer bestehen aber keine Erhebungsschwierigkeiten. In einem Kommissionsdokument wurde die Voraussetzung des Bestehens eines Amtshilfeabkommens damit begründet, dass in Drittstaatenfällen ggf. auch die Kapitalverkehrsfreiheit einschlägig sei und der EuGH entschieden hätte, dass „die Rechte und Pflichten in Zusammenhang mit dem freien Kapitalverkehr gegenüber dritten Ländern an das Vorhandensein eines Rahmens für den Informationsaustausch zwischen den einschlägigen Parteien gekoppelt sein müssen“, vgl. Kommission v. 30.08.2010, CCCTB/RD\004\doc\de, S. 5 f. Insofern ist Art. 81 u.U. auf ein falsches Verständnis der Rechtsprechung des EuGH zurückzuführen, der in Drittstaatenfällen eine Amtshilfeklausel ggf. zulässt, aber deren Bestehen keinesfalls verlangt, vgl. etwa EuGH, Urt. v. 28.10.2010, C-72/09 (Établissements Rimbaud), IStR 2010, 842, Rz. 37 ff. m.w.N. 1963 Vgl. Arbeitsgruppe GKKB v. 05.12.2006, CCCTB/WP041, Tz. 8; v. 26.03.2008, CCCTB/WP065, Tz. 2; Dourado/de la Feria, in: Lang u.a., Common Consolidated
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Zinsschranke
auch verfassungsrechtliche Wertungen zu beachten, so dass die Aufnahme einer § 8a KStG-E entsprechenden Gesellschafter-Fremdfinanzierungsvorschrift in die GKKB zur Verhinderung missbräuchlicher Gestaltungen geboten ist.1964 Es bleibt festzuhalten, dass die Einführung einer GKKB nur die Anwendungsprobleme der Einkünftekorrekturvorschriften für Lieferungs- und Leistungsbeziehungen zwischen konsolidierten verbundenen Unternehmen beseitigen, die Problematik der Gewinnverlagerung bei nicht konsolidierten Unternehmen aber nicht lösen könnte. Ob die GKKB jemals umgesetzt wird, erscheint aber auch nach dem Richtlinienvorschlag der Kommission nach wie vor fraglich. c)
Zwischenergebnis
Dem deutschen Gesetzgeber stehen verschiedene Wege offen, die Unterkapitalisierungsproblematik in Einklang mit höherrangigem Recht zu lösen. Vorzugswürdig wäre es, an der Wurzel des Problems anzusetzen und Zinszahlungen an Gebietsfremde einer Quellensteuer zu unterwerfen. Unterkapitalisierungsvorschriften wären dann nicht mehr erforderlich. Diese Lösung erforderte jedoch eine Änderung der DBA und der ZLRL, ein dahingehender internationaler Konsens ist jedoch nicht in Sicht. Zwar könnte die Einführung einer GKKB zur Lösung der Unterkapitalisierungsproblematik beitragen, die Umsetzung des Kommissionsvorschlags ist jedoch völlig ungewiss und würde weiterhin eine Gesellschafter-Fremdfinanzierungsregelung hinsichtlich nicht konsolidierter verbundener Unternehmen erfordern. Die einzige zeitnah umzusetzende Lösung, die sowohl mit Europa-, Verfassungs- und Abkommensrecht in Einklang steht, ist eine am Fremdvergleich orientierte GesellschafterFremdfinanzierungsvorschrift ähnlich dem früheren § 8a KStG a.F., die nur im grenzüberschreitenden Fall anwendbar ist. Dafür hat der EuGH mit den Rs. Thin Cap1965 und Lammers & Van Cleef1966 den Mitgliedstaaten den Weg geöffnet. Die Regelung müsste aber zielgenau gegen missbräuchliche Gesellschafter-Fremdfinanzierungen ausgerichtet sein. Aufgrund divergierender Anforderungen des Europa- und Verfassungsrechts dürfte dem nur ein individueller Fremdvergleich mit typisierter Grenze der Nicht-Missbräuchlichkeit gerecht werden, nicht aber ein safe haven.
Corporate Tax Base, 2008, S. 785 (808 u. 811); Gammie/Panayi, in: Lang u.a., Common Consolidated Corporate Tax Base, 2008, S. 821 (843). 1964 Vgl. mit dem Vorschlag einer am Fremdvergleich orientierten GesellschafterFremdfinanzierungsvorschrift zuvor auch die Arbeitsgruppe GKKB v. 05.12.2006, CCCTB/WP041, Tz. 7 f.; v. 26.07.2007, CCCTB/WP057, Tz. 44. 1965 EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 80 ff. 1966 EuGH, Urt. v. 17.01.2008, C-105/07 (Lammers & Van Cleef), Slg. 2008, I-173, Rz. 29 f.
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D. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse In dieser Arbeit wurden die deutschen Einkünftekorrekturnormen – einerseits die Verrechnungspreisvorschriften, andererseits die Zinsschranke – auf ihre Vereinbarkeit mit Europa- und Verfassungsrecht untersucht. Die gefundenen Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: I. Internationale Konzerne werden im deutschen Steuerrecht nicht als Einheit besteuert, sondern die Gewinne werden für jede der rechtlich selbstständigen Gesellschaften separat ermittelt. Das Steuerrecht erkennt schuldrechtliche Lieferungs- und Leistungsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen grundsätzlich an. Dies ermöglicht den verbundenen Unternehmen, die Bedingungen für die Lieferungs- und Leistungsbeziehungen im Interesse des Konzerns steuerlich motiviert festzulegen. Durch vom Fremdüblichen abweichende Verrechnungspreise sowie durch die übermäßige Finanzierung mit Fremdstatt Eigenkapital können Gewinne in die verbundenen Unternehmen verlagert werden, die in einem Staat mit niedrigem Steuerniveau ansässig sind. Aus Sicht der Konzerne können auf diese Weise die Konzernsteuerquote gesenkt und Wettbewerbsvorteile gegenüber der Konkurrenz erzielt werden. Um die damit einhergehende Erosion seines Steuersubstrats zu verhindern, sieht Deutschland Verrechnungspreis- und Unterkapitalisierungsvorschriften vor. Verrechnungspreisvorschriften setzen die Gewinne ansässiger Unternehmen aus konzerninternen Lieferungs- und Leistungsbeziehungen so an, wie sie bei Marktpreisen, die unabhängige Dritte untereinander vereinbart hätten, angefallen wären (Fremdvergleichsgrundsatz). Eine am Fremdvergleichsgrundsatz orientierte Gewinnabgrenzung dient auf der Ebene des Steuerpflichtigen einer wettbewerbsneutralen und gerechten Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und auf zwischenstaatlicher Ebene einer gerechten Aufteilung des Steuersubstrats zwischen zwei Staaten. Das deutsche Steuerrecht sieht zwei Gruppen von Verrechnungspreisvorschriften vor: Einerseits die verdeckte Gewinnausschüttung und verdeckte Einlage, die sowohl bei innerstaatlichen als auch bei grenzüberschreitenden Lieferungs- und Leistungsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen Anwendung finden. Andererseits § 1 AStG, der allein in grenzüberschreitenden Fällen gegen die Gewinnverlagerung ins Ausland gerichtet ist. Anders als die verdeckte Gewinnausschüttung und verdeckte Einlage dient § 1 AStG damit weniger einer wettbewerbsneutralen, lastengleichen und zwischenstaatlich gerechten Gewinnabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen, sondern primär der Sicherung des inländischen Steuersubstrats. § 1 AStG ist nach Abs. 1 Satz 3 neben der verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage nur anzuwenden, wenn die Norm zu einer umfangreicheren Einkünftekorrektur führt. Dies ist
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Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
der Fall, wenn die verdeckte Einlage hinter dem Fremdvergleichsmaßstab zurückbleibt oder § 1 AStG aufgrund der Änderungen durch die Unternehmensteuerreform 2008 über diesen Maßstab hinausgeht, etwa beim Ansatz des Medians bzw. des Mittelwerts oder einer nachträglichen Preisanpassung. Aufgrund dieser überschießenden Tendenz, wird § 1 AStG auch insoweit einer lastengerechten, wettbewerbsneutralen und zwischenstaatlich fairen Gewinnabgrenzung nicht vollständig gerecht. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse Hinsichtlich der Gesellschafter-Fremdfinanzierung erlauben Verrechnungspreisvorschriften nur die Korrektur fremdunüblicher Zinssätze. Aufgrund der im internationalen Steuerrecht vorgesehenen Abzugsfähigkeit des Zinsaufwands beim Zinszahler, bei gleichzeitiger Zuweisung des Besteuerungsrechts zum Ansässigkeitsstaat des Zinsempfängers, werden Gewinne jedoch auch bei fremdüblichen Zinssätzen verlagert. Um die Verlagerung von Gewinnen ins Ausland einzuschränken, sah Deutschland in § 8a KStG a.F. zunächst Einkünftekorrekturen bei fremdunüblich hohen Verschuldungsgraden vor. Die Norm wurde im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008 durch das international weitgehend unbekannte Konzept der Zinsschranke ersetzt. Diese sieht ein allgemeines Abzugsverbot für Nettozinsaufwendungen vor, die 30% des steuerlichen EBITDA eines Unternehmens übersteigen. Die darüber hinausgehenden Zinsaufwendungen werden stattdessen zeitlich unbegrenzt vorgetragen. Mit der Abkehr vom Fremdvergleich dient die Zinsschranke weniger einer wettbewerbsneutralen, lastengleichen und zwischenstaatlich gerechten Gewinnabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen, sondern in erster Linie fiskalischen Zielen. Aufgrund der wenig zielgenauen Erfassung übermäßiger grenzüberschreitender Gesellschafter-Fremdfinanzierungen ist sie andererseits auch nur bedingt geeignet, zur Sicherung des inländischen Steuersubstrats beizutragen. Die Einkünftekorrektur zwischen verbundenen Unternehmen hat häufig eine internationale wirtschaftliche Doppelbesteuerung zur Folge. Diese kann vermieden werden, indem der Ansässigkeitsstaat des gebietsfremden verbundenen Unternehmens eine korrespondierende Gegenberichtigung vornimmt. Dies setzt die Einigkeit beider Staaten über die Korrektur dem Grunde und der Höhe nach voraus. Art. 9 OECD-MA und die OECD-RL haben die Funktion, den Fremdvergleich international zu vereinheitlichen. DBA mit zu Art. 9 OECD-MA vergleichbaren Vorschriften entfalten daher eine Schrankenwirkung gegenüber den deutschen Verrechnungspreisvorschriften, die in vielen Fällen über eine Korrektur nach dem internationalen Fremdvergleichsgrundsatz hinausgehen. Auch die Zinsschranke unterliegt als spezifisch gegen die Fremdfinanzierung im Konzern gerichtete Vorschrift nach dem Wortlaut sowie Sinn und Zweck des Art. 9 OECD-MA der Schrankenwirkung, da sie keinen Fremdvergleich mehr vorsieht. Aber selbst wenn die Erstberichtigung der
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Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
Einkünftekorrekturnormen auf ein fremdübliches Maß beschränkt wird, ist die Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung nicht gesichert, weil der andere Staat nach den meisten DBA nicht zur Gegenberichtigung verpflichtet ist, und das obligatorische Schiedsverfahren des EU-SchÜ aufgrund der langwierigen und aufwändigen Verfahren für die Steuerpflichtigen oft unattraktiv ist. II. Die deutschen Verrechnungspreis- und Unterkapitalisierungsvorschriften müssen als einfachgesetzlichen Normen in Einklang mit höherrangigem Recht stehen. Die Verrechungspreisvorschriften wurden in dieser Arbeit primär anhand der Vorgaben der Grundfreiheiten des Unionsrechts untersucht. Diese entfalten Diskriminierungs- und Beschränkungsverbote und schützen damit den grenzüberschreitend auf dem Binnenmarkt tätigen Steuerpflichtigen vor einer Schlechterstellung gegenüber einem rein innerstaatlich tätigen Konkurrenten. Zwar findet auch im vergleichbaren Inlandsfall eine für das ansässige verbundene Unternehmen nachteilige Einkünftekorrektur nach den Grundsätzen der verdeckten Gewinnausschüttung oder verdeckten Einlage statt, doch ist der auf grenzüberschreitende Sachverhalte beschränkte § 1 AStG nach Abs. 1 Satz 3 nur dann anwendbar, wenn die Norm zu weitergehenden Korrekturen führt. Im gesamten Anwendungsbereich des § 1 AStG ist damit von einer Diskriminierung der im Fall von verbundenen Unternehmen allein anwendbaren Niederlassungsfreiheit auszugehen. Zwar ist der von § 1 AStG vorgesehene Fremdvergleichsgrundsatz an sich wettbewerbsneutral, er wird in der Norm aber nicht wettbewerbsneutral, sondern in diskriminierender Weise umgesetzt, indem § 1 AStG nur auf grenzüberschreitende Sachverhalte Anwendung findet. Aus diesem Grund ist § 1 AStG auch keine grundfreiheitlich neutrale Verteilungsnorm im Sinne der Rs. Gilly1. Die unterschiedslos anwendbare verdeckte Gewinnausschüttung und verdeckte Einlage verstoßen hingegen nicht gegen das der Niederlassungsfreiheit inhärente Beschränkungsverbot. Eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung ist grundfreiheitlich trotz der mit ihr einhergehenden Höherbelastung des grenzüberschreitenden Sachverhalts nicht zu beanstanden, weil sie der Freiheit der Mitgliedstaaten entspringt, eigene Kategorien von Einkunftsquellen zu bilden. Auch die Nachteile des materiellen Korrespondenzprinzips sind letztlich auf die bloße Unterschiedlichkeit der Steuerrechtsordnungen zurückzuführen. Die diskriminierende Einkünftekorrektur des § 1 AStG kann nicht mit dem Ziel der Wahrung der steuerlichen Kohärenz gerechtfertigt werden. Bei einer – zwischen verbundenen Unternehmen grundsätzlich zulässigen – personen- und staatenübergreifenden Betrachtungsweise kann der Nachteil der Einkünftekorrektur zwar durch eine Gegenberichtigung beim gebietsfremden verbundenen 1
EuGH, Urt. v. 12.05.1998, C-336/96 (Gilly), Slg. 1998, I-2793.
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Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
Unternehmen ausgeglichen werden, aufgrund der langwierigen Verständigungs- und Schiedsverfahren ist aber auch im Ausgleichssystem des EU-SchÜ kein äquivalenter Ausgleich garantiert. Eine Rechtfertigung mit dem Ziel der Verhinderung der Steuerumgehung schien lange Zeit ausgeschlossen zu sein, weil Verrechnungspreisvorschriften nicht spezifisch gegen Missbrauch gerichtet sind und der EuGH nur Korrekturen rein künstlicher Gestaltungen erlaubte, Verrechnungspreisgestaltungen in aller Regel aber wirtschaftlich reale Transaktionen zugrunde liegen. Mit der Gesamtbetrachtung der Ziele der Verhinderung der Steuerumgehung und der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse hat der EuGH in den Rs. Thin Cap2, Lammers & Van Cleef3 und SGI4 zuletzt aber das mitgliedstaatliche Interesse an der Besteuerung der im eigenen Hoheitsgebiet erzielten Einkünfte herausgestellt und Einkünftekorrekturen anhand des Fremdvergleichsgrundsatzes als sachgerecht anerkannt. Der EuGH geht damit einen Schritt vom Kriterium der wirtschaftlichen Realität hin zu einer Angemessenheitsprüfung. Er berücksichtigt zugleich, dass am Fremdvergleichsgrundsatz orientierte Verrechnungspreisvorschriften zu einer lastengerechten, wettbewerbsneutralen und zwischenstaatlich fairen Besteuerung beitragen. § 1 AStG verfehlt jedoch die Anforderungen, die der EuGH in den Urteilen an die Verhältnismäßigkeit gestellt hat. Denn erstens geht § 1 AStG etwa mit dem Ansatz von Median, wahrscheinlichstem Wert und Mittelwert über den Fremdvergleich und damit über das Erforderliche zur Sicherung des territorial fundierten Besteuerungsanspruchs hinaus. Zweitens sieht § 1 AStG keine Möglichkeit zum Nachweis außersteuerlicher Gründe für eine vom Fremdüblichen abweichende Verrechnungspreisgestaltung vor. In Anerkennung des mitgliedstaatlichen Interesses an der Besteuerung der im eigenen Hoheitsgebiet erzielten Einkünfte sowie am Erhalt einer lastengerechten, wettbewerbsneutralen und zwischenstaatlich fairen Besteuerung ist aber nur die Rettung einer zumindest Not leidenden Konzerngesellschaft mit niedrig verzinsten Darlehen als außersteuerlichen Grund anzuerkennen, weil nur in diesem Fall das Interesse des Steuerpflichtigen an der Ausübung der Niederlassungsfreiheit überwiegt. § 1 AStG ist damit partiell unionsrechtswidrig und insoweit unanwendbar, wie die Norm über das unionsrechtlich zulässige Maß hinausgeht. Solange der Gesetzgeber eine einheitliche Verrechnungspreisvorschrift scheut, die zugunsten wie zulasten des Fiskus Einkünftekorrekturen unterschiedslos anhand des Fremdvergleichs vorsieht, sollte § 1 AStG de lege ferenda an die Anforderungen der Rechtsprechung angepasst werden.
2 3 4
EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107. EuGH, Urt. v. 17.01.2008, C-105/07 (Lammers & Van Cleef), Slg. 2008, I-173. EuGH, Urt. v. 21.01.2010, C-311/08 (SGI), Slg. 2010, I-487.
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Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
III. Die Zinsschranke wurde in dieser Arbeit sowohl auf ihre Vereinbarkeit mit primärem Unionsrecht als auch mit sekundärem Unionsrecht und Verfassungsrecht untersucht. Nach den Erfahrungen mit § 8a KStG a.F. in der Rs. Lankhorst-Hohorst5 hat der Gesetzgeber die Zinsschranke unterschiedslos ausgestaltet, um unionsprimärrechtlichen Problemen von vornherein aus dem Weg zu gehen. Die §§ 4h EStG, 8a KStG verstoßen auch nicht gegen das Beschränkungsverbot der allein anwendbaren Niederlassungsfreiheit, weil die wirtschaftliche Doppelbesteuerung hier auch im Inlandsfall auftritt. Die Zinsschranke bewirkt jedoch vereinzelte vertikale Diskriminierungen. Die praktisch bedeutendste besteht darin, dass die Zinsabzugsbeschränkung des § 4h Abs. 1 EStG im Inlandsfall mit Begründung einer Organschaft verhindert oder zumindest reduziert werden kann. Eine Rechtfertigung mit einer Gesamtbetrachtung der Ziele der Verhinderung der Steuerumgehung und der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse scheidet aus, weil die Zinsschranke mangels eines Fremdvergleichs nicht zielgenau gegen die Verhinderung der Umgehung des territorialen Besteuerungsanspruchs ausgerichtet ist. Es entspricht jedoch dem Territorialitätsprinzip, dass bei einem Organträger symmetrisch nur die positiven und negativen EBITDA bzw. die Zinserträge und -aufwendungen eines ansässigen, nicht aber eines gebietsfremden verbundenen Unternehmens berücksichtigt werden. Nicht rechtfertigbar ist dagegen der Ausschluss von originär inländischen EBITDA und Zinsen von Tochtergesellschaften mit statuarischem Sitz im Inland und Geschäftsleitung im Ausland sowie von inländischen Betriebsstätten ausländischer Tochtergesellschaften. Nicht zu rechtfertigen ist weiterhin, dass die Zinsschranke nach § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. b EStG i.V.m. § 15 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG keine Anwendung auf reine Inlandskonzerne findet, die eine Organschaft begründen. Dies stellt letztlich eine Bereichsausnahme für den Inlandsfall dar, die weder etwas mit Symmetrie zu tun hat, noch gezielt gegen die Umgehung des territorial fundierten Besteuerungsanspruchs gerichtet ist. Nach der Rechtsprechung des EuGH verstößt die Zinsschranke aber nicht gegen die ZLRL, weil Art. 1 Abs. 1 ZLRL sich nach dem Urteil in der Rs. Scheuten Solar Technology6 nur gegen die Besteuerung des Nutzungsberechtigten der Zinsen im Quellenstaat richtet. Die Zinsschranke verstößt jedoch gegen deutsches Verfassungsrecht, umfassend gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und in den Fällen einer existenz- oder substanzgefährdenden Besteuerung auch gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzge5 6
EuGH, Urt. v. 12.12.2002, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-11779. EuGH, Urt. v. 21.07.2011, C-397/09 (Scheuten Solar Technology), IStR 2011, 590.
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Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
ber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Als zentraler Vergleichsmaßstab dient im Steuerrecht das Leistungsfähigkeitsprinzip. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Steuerpflichtigen zeigt sich erst nach Abzug der erwerbssichernden Aufwendungen. Dieses objektive Nettoprinzip wird durch die Zinsabzugsbeschränkung des § 4h EStG verletzt, woran weder der Zins- noch der EBITDA-Vortrag etwas ändern. Das objektive Nettoprinzip gebietet den Abzug von Betriebsausgaben in ihrem Entstehungsjahr, da auch Zins- und Liquiditätsnachteile im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG nicht unbeachtet bleiben können. Die Zinsschranke kann auch verfassungsrechtlich nicht mit dem Ziel der Verhinderung der Steuerumgehung gerechtfertigt werden. Das BVerfG gesteht dem Gesetzgeber zwar mehr Typisierungsspielraum zu als der EuGH, mit der 30%-Grenze wird von der Zinsschranke aber auch der Normalfall der fremdfinanzierten Gesellschaft und kein typischer Missbrauchsfall erfasst. Bei Zinszahlungen an ansässige Personen und unabhängige Dritte scheidet ein Missbrauchsverdacht von vornherein aus. Die Zinsschranke kann auch nicht mit dem Ziel der Herstellung der Europarechtskonformität gerechtfertigt werden, weil ihre unterschiedslose Anwendung spätestens seit der Rs. Thin Cap7 nicht mehr erforderlich ist. In dieser Arbeit wurden abschließend Wege zur Neuregelung der Unterkapitalisierungsproblematik aufgezeigt, die sowohl mit den Vorgaben primären und sekundären Unionsrechts als auch mit Verfassungsrecht in Einklang stehen. Vorzugswürdig ist die Erhebung einer Quellensteuer auf Zinszahlungen an Gebietsfremde. Für die hierbei erforderlichen Änderungen der DBA und der ZLRL ist in absehbarer Zeit international jedoch kein Konsens zu erzielen. Die einzig zeitnah und unilateral umzusetzende Lösung ist eine am Fremdvergleich orientierte Gesellschafter-Fremdfinanzierungsvorschrift ähnlich dem früheren § 8a KStG a.F., die nur in grenzüberschreitenden Sachverhalten anwendbar ist. Diese lässt sich mit der erforderlichen Zielgenauigkeit gegen die Umgehung des territorialen Besteuerungsanspruchs Deutschlands ausgestalten, um sowohl europa-, als auch verfassungsrechtlich gerechtfertigt zu sein. Aufgrund teils divergierender Anforderungen des Europa- und Verfassungsrechts wird dem aber kein safe haven, sondern nur ein individueller Fremdvergleich mit typisierter Grenze der Nicht-Missbräuchlichkeit gerecht.
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EuGH, Urt. v. 13.03.2007, C-524/04 (Thin Cap), Slg. 2007, I-2107, Rz. 80-83.
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532
Rechtsprechungsverzeichnis I.
Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs
Gericht Datum
Az.
Fundstelle
Bezeichnung
EuGH
Urt. v. 16.12.1960 6/60
Slg. 1960, 1165
Humblet
EuGH
Urt. v. 05.02.1963 26/62
Slg. 1963, 3
Van Gend & Loos
EuGH
Urt. v. 15.07.1964 6/64
Slg. 1964, 1253
Costa/E.N.E.L.
EuGH
Urt. v. 12.02.1974 152/73
Slg. 1974, 153
Sotgiu
EuGH
Urt. v. 21.06.1974 2/74
Slg. 1974, 631
Reyners
EuGH
Urt. v. 03.12.1974 33/74
Slg. 1974, 1299
van Binsbergen
EuGH
Urt. v. 04.12.1974 41/74
Slg. 1974, 1337
van Duyn
EuGH
Urt. v. 28.10.1975 36/75
Slg. 1975, 1219
Rutili
EuGH
Urt. v. 16.12.1976 33/76
Slg. 1976, 1989
ReweZentralfinanz u.a.
EuGH
Urt. v. 11.10.1977 125/76
Slg. 1977, 1539
Cremer
EuGH
Urt. v. 19.10.1977 177/76 u.a.
Slg. 1977, 1753
Ruckdeschel u.a.
EuGH
Urt. v. 27.10.1977 30/77
Slg. 1977, 1999
Bouchereau
EuGH
Urt. v. 09.03.1978 106/77
Slg. 1978, 629
Simmenthal II
EuGH
Urt. v. 07.02.1979 115/78
Slg. 1979, 399
Knoors
EuGH
Urt. v. 20.02.1979 120/78
Slg. 1979, 649
Cassis de Dijon
EuGH
Urt. v. 18.03.1980 52/79
Slg. 1980, 833
Debauve
EuGH
Urt. v. 17.12.1981 279/80
Slg. 1981, 3305
Webb
EuGH
Urt. v. 19.01.1982 8/81
Slg. 1982, 53
Becker
EuGH
Urt. v. 18.05.1982 115/81 u.a.
Slg. 1982, 1665
Cornuaille
EuGH
Urt. v. 06.10.1982 283/81
Slg. 1982, 3415
CILFIT u.a.
EuGH
Urt. v. 25.01.1983 126/82
Slg. 1983, 73
Smit Transport
EuGH
Urt. v. 23.02.1983 8/82
Slg. 1983, 371
Wagner
EuGH
Urt. v. 31.01.1984 286/82 u.a.
Slg. 1984, 377
Luisi und Carbone
EuGH
Urt. v. 12.07.1984 107/83
Slg. 1984, 2971
Klopp
533
Rechtsprechungsverzeichnis
Gericht Datum
Az.
Fundstelle
Bezeichnung
EuGH
Urt. v. 13.11.1984 283/83
Slg. 1984, 3791
Racke
EuGH
Urt. v. 10.01.1985 229/83
Slg. 1985, 1
Leclerc u.a.
EuGH
Urt. v. 07.05.1985 18/84
Slg. 1985, 1339
Kommission/ Frankreich
EuGH
Urt. v. 11.07.1985 137/84
Slg. 1985, 2681
Mutsch
EuGH
Urt. v. 28.01.1986 270/83
Slg. 1986, 273
avoir fiscal
EuGH
Urt. v. 15.10.1986 168/85
Slg. 1986, 2945
Kommission/Italien
EuGH
Urt. v. 12.03.1987 178/84
Slg. 1987, 1227
Kommission/ Deutschland
EuGH
Urt. v. 15.12.1987 325/85
Slg. 1987, 5041
Irland/Kommission
EuGH
Urt. v. 15.12.1987 326/85
Slg. 1987, 5091
Niederlande/ Kommission
EuGH
Urt. v. 21.06.1988 39/86
Slg. 1988, 3161
Lair
EuGH
Urt. v. 07.07.1988 55/87
Slg. 1988, 3845
Moksel
EuGH
Urt. v. 12.07.1988 138/86 u.a.
Slg. 1988, 3937
Direct Cosmetics u.a.
EuGH
Urt. v. 27.09.1988 81/87
Slg. 1988, 5483
Daily Mail
EuGH
Urt. v. 11.07.1989 265/87
Slg. 1989, 2237
Schräder
EuGH
Urt. v. 08.05.1990 C-175/88
Slg. 1990, I-1779
Biehl
EuGH
Urt. v. 19.06.1990 C-213/89
Slg. 1990, I-2433
Factortame
EuGH
Urt. v. 13.11.1990 C-331/88
Slg. 1990, I-4023
Fedesa u.a.
EuGH
Urt. v. 07.05.1991 C-340/89
Slg. 1991, I-2357
Vlassopoulou
EuGH
Urt. v. 25.07.1991 C-221/89
Slg. 1991, I-3905
Factortame II
EuGH
Urt. v. 19.11.1991 C-6/90 u.a.
Slg. 1991, I-5357
Francovich u.a.
EuGH
Urt. v. 28.01.1992 C-204/90
Slg. 1992, I-249
Bachmann
EuGH
Urt. v. 31.03.1992 C-200/90
Slg. 1992, I-2250
Dansk Denkavit
EuGH
Urt. v. 20.05.1992 C-106/91
Slg. 1992, I-3351
Ramrath
EuGH
Urt. v. 26.01.1993 C-112/91
Slg. 1993, I-492
Werner
EuGH
Urt. v. 03.03.1993 C-8/92
Slg. 1993, I-779
General Milk
EuGH
Urt. v. 31.03.1993 C-19/92
Slg. 1993, I-1663
Kraus
534
Rechtsprechungsverzeichnis
Gericht Datum
Az.
Fundstelle
Bezeichnung
EuGH
Urt. v. 20.10.1993 C-92/92 u.a.
Slg. 1993, I-5145
Collins u.a.
EuGH
Urt. v. 24.11.1993 C-267/91 u.a.
Slg. 1993, I-6097
Keck
EuGH
Urt. v. 12.04.1994 C-1/93
Slg. 1994, I-1137
Halliburton
EuGH
Urt. v. 14.07.1994 C-379/92
Slg. 1994, I-3453
Peralta
EuGH
Urt. v. 28.09.1994 C-408/92
Slg. 1994, I-4435
Avdel Systems
EuGH
Urt. v. 14.02.1995 C-279/93
Slg.1995, I-225
Schumacker
EuGH
Urt. v. 10.05.1995 C-384/93
Slg. 1995, I-1141
Alpine Investments
EuGH
Urt. v. 11.08.1995 C-80/94
Slg. 1995, I-2493
Wielockx
EuGH
Urt. v. 14.11.1995 C-484/93
Slg. 1995, I-3955
SvenssonGustavsson
EuGH
Urt. v. 30.11.1995 C-55/94
Slg. 1995, I-4165
Gebhard
EuGH
Urt. v. 14.12.1995 C-312/93
Slg. 1995, I-4599
Peterbroeck u.a.
EuGH
Urt. v. 14.12.1995 C-163/94 u.a.
Slg. 1995, 4821
Sanz de Lera
EuGH
Urt. v. 15.12.1995 C-415/93
Slg. 1995, I-4921
Bosman
EuGH
Urt. v. 27.06.1996 C-107/94
Slg. 1996, I-3089
Asscher
EuGH
Urt. v. 17.10.1996 C-283/94 u.a.
Slg. 1996, I-5063
Denkavit International u.a.
EuGH
Urt. v. 12.12.1996 C-3/95
Slg. 1996, I-6511
Broede
EuGH
Urt. v. 16.01.1997 C-134/95
Slg. 1997, I-195
USSL
EuGH
Urt. v. 15.05.1997 C-250/95
Slg. 1997, I-2471
Futura Participations
EuGH
Urt. v. 17.07.1997 C-28/95
Slg. 1997, I-4161
Leur-Bloem
EuGH
Urt. v. 28.04.1998 C-118/96
Slg. 1998, I-1897
Safir
EuGH
Urt. v. 28.04.1998 C-158/96
Slg. 1998, I-1931
Kohll
EuGH
Urt. v. 12.05.1998 C-336/96
Slg. 1998, I-2793
Gilly
EuGH
Urt. v. 16.07.1998 C-264/96
Slg. 1998, I-4695
ICI
EuGH
Urt. v. 09.03.1999 C-212/97
Slg. 1999, I-1459
Centros
EuGH
Urt. v. 29.04.1999 C-224/97
Slg. 1999, I-2517
Ciola
535
Rechtsprechungsverzeichnis
Gericht Datum
Az.
Fundstelle
Bezeichnung
EuGH
Urt. v. 29.04.1999 C-311/97
Slg. 1999, I-2651
Royal Bank of Scotland
EuGH
Urt. v. 01.06.1999 C-302/97
Slg. 1999, I-3099
Konle
EuGH
Urt. v. 08.07.1999 C-254/97
Slg. 1999, I-4809
Baxter
EuGH
Urt. v. 14.09.1999 C-391/97
Slg. 1999, I-5451
Gschwind
EuGH
Urt. v. 21.09.1999 C-307/97
Slg. 1999, I-6161
Saint Gobain
EuGH
Urt. v. 26.10.1999 C-294/97
Slg. 1999, I-7447
Eurowings
EuGH
Urt. v. 28.10.1999 C-55/98
Slg. 1999, I-7641
Vestergaard
EuGH
Urt. v. 18.11.1999 C-200/98
Slg. 1999, I-8261
X-AB, Y-AB
EuGH
Urt. v. 27.01.2000 C-190/98
Slg. 2000, I-493
Graf
EuGH
Urt. v. 13.04.2000 C-251/98
Slg. 2000, I-2787
Baars
EuGH
Urt. v. 16.05.2000 C-87/99
Slg. 2000, I-3337
Zurstrassen
EuGH
Urt. v. 06.06.2000 C-35/98
Slg. 2000, I-4071
Verkooijen
EuGH
Urt. v. 08.06.2000 C-375/98
Slg. 2000, I-4243
Epson Europe
EuGH
Urt. v. 26.09.2000 C-478/98
Slg. 2000, I-7587
Kommission/Belgien
EuGH
Urt. v. 14.12.2000 C-141/99
Slg. 2000, I-11619
AMID
EuGH
Urt. v. 08.03.2001 C-397/98 u.a.
Slg. 2001, I-1727
Metallgesellschaft u.a.
EuGH
Urt. v. 04.10.2001 C-294/99
Slg. 2001, I-6797
Athinaïki Zythopoiia
EuGH
Urt. v. 22.11.2001 C-301/97
Slg. 2001, I-8853
Niederlande/Rat
EuGH
Urt. v. 04.06.2002 C-367/98
Slg. 2002, I-4781
Kommission/Portugal
EuGH
Urt. v. 11.07.2002 C-62/00
Slg. 2002, I-6325
Marks & Spencer
EuGH
Bschl. v. 12.09.2002
C-431/01
Slg. 2002, I-7073
Mertens
EuGH
Urt. v. 03.10.2002 C-136/00
Slg. 2002, I-8147
Danner
EuGH
Urt. v. 05.11.2002 C-208/00
Slg. 2002, I-9919
Überseering
EuGH
Urt. v. 21.11.2002 C-436/00
Slg. 2002, I-10829
X und Y
EuGH
Urt. v. 12.12.2002 C-324/00
Slg. 2002, I-11779
LankhorstHohorst
EuGH
Urt. v. 12.12.2002 C-385/00
Slg. 2002, I-11819
de Groot
536
Rechtsprechungsverzeichnis
Gericht Datum
Az.
Fundstelle
Bezeichnung
EuGH
Urt. v. 13.05.2003 C-463/00
Slg. 2003, I-4581
Kommission/ Spanien
EuGH
Urt. v. 12.06.2003 C-234/01
Slg. 2003, I-5933
Gerritse
EuGH
Urt. v. 26.06.2003 C-422/01
Slg. 2003, I-6817
Skandia und Ramstedt
EuGH
Urt. v. 18.09.2003 C-168/01
Slg. 2003, I-9409
Bosal
EuGH
Urt. v. 23.09.2003 C-452/01
Slg. 2003, I-9743
Ospelt und Schlössle Weissenberg
EuGH
Urt. v. 25.09.2003 C-58/01
Slg. 2003, I-9809
Océ van der Grinten
EuGH
Urt. v. 06.11.2003 C-243/01
Slg. 2003, I-13031
Gambelli u.a.
EuGH
Urt. v. 11.12.2003 C-364/01
Slg. 2003, I-1503
Barbier
EuGH
Urt. v. 04.03.2004 C-334/02
Slg. 2004, I-2229
Kommission/ Frankreich
EuGH
Urt. v. 11.03.2004 C-9/02
Slg. 2004, I-2409
De Lasteyrie du Saillant
EuGH
Urt. v. 29.04.2004 C-487/01 u.a.
Slg. 2004, I-5337
Gemeente Leusden u.a.
EuGH
Bschl. v. 08.06.2004
C-268/03
Slg. 2004, I-5961
De Baeck
EuGH
Urt. v. 01.07.2004 C-169/03
Slg. 2004, I-6443
Wallentin
EuGH
Urt. v. 15.07.2004 C-315/02
Slg. 2004, I-7063
Lenz
EuGH
Urt. v. 15.07.2004 C-242/03
Slg. 2004, I-7379
Weidert u. Paulus
EuGH
Urt. v. 07.09.2004 C-319/02
Slg. 2004, I-7477
Manninen
EuGH
Urt. v. 05.10.2004 C-397/01 u.a.
Slg. 2004, I-8835
Pfeiffer u. a.
EuGH
Urt. v. 05.10.2004 C-442/02
Slg. 2004, I-8961
CaixaBank France
EuGH
Urt. v. 10.03.2005 C-39/04
Slg. 2005, I-2057
Laboratoires Fournier
EuGH
Urt. v. 21.04.2005 C-140/03
Slg. 2005, I-3177
Kommission/ Griechenland
EuGH
Urt. v. 05.07.2005 C-376/03
Slg. 2005, I-5821
„D”
EuGH
Urt. v. 12.07.2005 C- 403/03 Slg. 2005, I-6421
Schempp
537
Rechtsprechungsverzeichnis
Gericht Datum
Az.
Fundstelle
Bezeichnung
EuGH
Urt. v. 14.07.2005 C-142/04
Slg. 2005, I-7181
Aslanidou
EuGH
Urt. v. 08.09.2005 C-512/03
Slg. 2005, I-7685
Blanckaert
EuGH
Urt. v. 13.12.2005 C-446/03
Slg. 2005, I-10837
Marks & Spencer
EuGH
Urt. v. 10.01.2006 C-222/04
Slg. 2006, I-289
Cassa di Risparmio di Firenze
EuGH
Urt. v. 19.01.2006 C-265/04
Slg. 2006, I-923
Bouanich
EuGH
Urt. v. 21.02.2006 C-255/02
Slg. 2006, I-1609
Halifax
EuGH
Urt. v. 21.02.2006 C-152/03
Slg. 2006, I-1711
Ritter-Coulais
EuGH
Urt. v. 23.02.2006 C-253/03
Slg. 2006, I-1831
CLT-Ufa
EuGH
Urt. v. 23.02.2006 C-513/03
Slg. 2006, I-1957
van Hilten
EuGH
Urt. v. 23.02.2006 C-471/04
Slg. 2006, I-2107
Keller-Holding
EuGH
Urt. v. 30.03.2006 C-184/04
Slg. 2006, I-3039
Uudenkaupungin kaupunki
EuGH
Urt. v. 11.05.2006 C-384/04
Slg. 2006, I-4191
FTI u.a.
EuGH
Urt. v. 04.07.2006 C-212/04
Slg. 2006, I-6057
Adeneler u.a.
EuGH
Urt. v. 06.07.2006 C-346/04
Slg. 2006, I-6137
Conijn
EuGH
Urt. v. 07.09.2006 C-310/04
Slg. 2006, I-7285
Spanien/Rat
EuGH
Urt. v. 07.09.2006 C-470/04
Slg. 2006, I-7409
„N“
EuGH
Urt. v. 12.09.2006 C-196/04
Slg. 2006, I-7995
Cadburry Schweppes
EuGH
Urt. v. 03.10.2006 C-290/04
Slg. 2006, I-9461
Scorpio
EuGH
Urt. v. 03.10.2006 C-452/04
Slg. 2006, I-9521
Fidium Finanz
EuGH
Urt. v. 14.11.2006 C-513/04
Slg. 2006, I-10967
Kerckhaert u. Morres
EuGH
Urt. v. 06.12.2006 C-446/04
Slg. 2006, I-11753
FII
EuGH
Urt. v. 12.12.2006 C-374/04
Slg. 2006, I-11673
ACT
EuGH
Urt. v. 14.12.2006 C-170/05
Slg. 2006, I-11949
Denkavit
EuGH
Urt. v. 25.01.2007 C-329/05
Slg. 2007, I-1107
Meindl
EuGH
Urt. v. 30.01.2007 C-150/04
Slg. 2007, I-1163
Kommission/Dänemark
EuGH
Urt. v. 06.03.2007 C-292/04
Slg. 2007, I-1835
Meilicke u.a.
538
Rechtsprechungsverzeichnis
Gericht Datum
Az.
Fundstelle
Bezeichnung
EuGH
Urt. v. 06.03.2007 C-338/04 u.a.
Slg. 2007, I-1891
Placanica u.a.
EuGH
Urt. v. 13.03.2007 C-524/04
Slg. 2007, I-2107
Thin Cap
EuGH
Urt. v. 22.03.2007 C-383/05
Slg. 2007, I-2555
Talotta
EuGH
Urt. v. 29.03.2007 C-347/04
Slg. 2007, I-2647
Rewe Zentralfinanz
EuGH
Bschl. v. 10.05.2007
C-102/05
Slg. 2007, I-3871
A und B
EuGH
Bschl. v. 10.05.2007
C-492/04
Slg. 2007, I-3775
Lasertec
EuGH
Urt. v. 24.05.2007 C-157/05
Slg. 2007, I-4051
Holböck
EuGH
Urt. v. 21.06.2007 C-231/06 u.a.
Slg. 2007, I-5149
Jonkman u.a.
EuGH
Urt. v. 05.07.2007 C-321/05
Slg. 2007, I-5795
Kofoed
EuGH
Urt. v. 18.07.2007 C-231/05
Slg. 2007, I-6373
Oy AA
EuGH
Urt. v. 18.07.2007 C-182/06
Slg. 2007, I-6705
Lakebrink
EuGH
Urt. v. 11.09.2007 C-76/05
Slg. 2007, I-6849
Schwarz und Gootjes-Schwarz
EuGH
Urt. v. 11.10.2007 C-451/05
Slg. 2007, I-8251
ELISA
EuGH
Urt. v. 23.10.2007 C-112/05
Slg. 2009, I-2291
Kommission/ Deutschland
EuGH
Bschl. v. 05.11.2007
Slg. 2007, I-151
Stahlwerk Ergste Westig
EuGH
Urt. v. 08.11.2007 C-379/05
Slg. 2007, I-9569
Amurta
EuGH
Urt. v. 06.12.2007 C-298/05
Slg. 2007, I-10451
Columbus Container Services
EuGH
Urt. v. 11.12.2007 C-438/05
Slg. 2007, I-10779
International Transport Workers’ Federation
EuGH
Urt. v. 18.12.2007 C-101/05
Slg. 2007, I-11531
„A“
EuGH
Urt. v. 18.12.2007 C-436/06
Slg. 2007, I-12357
Grønfeldt
EuGH
Urt. v. 17.01.2008 C-256/06
Slg. 2008, I-123
Jäger
EuGH
Urt. v. 17.01.2008 C-105/07
Slg. 2008, I-173
Lammers & Van Cleef
C-415/06
539
Rechtsprechungsverzeichnis
Gericht Datum
Az.
Fundstelle
Bezeichnung
EuGH
Urt. v. 14.02.2008 C-414/06
Slg. 2008, I-3601
Lidl Belgium
EuGH
Urt. v. 21.02.2008 C-425/06
Slg. 2008, I-897
Part Service
EuGH
Urt. v. 28.02.2008 C-293/06
Slg. 2008, I-1129
Deutsche Shell
EuGH
Urt. v. 03.04.2008 C-27/07
Slg. 2008, I-2067
Banque Fédérative du Crédit Mutuel
EuGH
Urt. v. 08.04.2008 C-167/05
Slg. 2008, I-2127
Kommission/ Schweden
EuGH
Urt. v. 10.04.2008 C-309/06
Slg. 2008, I-2283
Marks & Spencer
EuGH
Urt. v. 15.04.2008 C-268/06
Slg. 2008, I-2483
Impact
EuGH
Bschl. v. 23.04.2008
C-201/05
Slg. 2008, I-2875
CFC and Dividend
EuGH
Urt. v. 20.05.2008 C-194/06
Slg. 2008, I-3747
Orange European Smallcap Fund
EuGH
Urt. v. 05.06.2008 C-164/07
Slg. 2008, I-4143
Wood
EuGH
Urt. v. 26.06.2008 C-284/06
Slg. 2008, I-4571
Burda
EuGH
Urt. v. 17.07.2008 C-500/06
Slg. 2008, I-5785
Corporación Dermoestética
EuGH
Urt. v. 11.09.2008 C-11/07
Slg. 2008, I-6845
Eckelkamp
EuGH
Urt. v. 11.09.2008 C-43/07
Slg. 2008, I-6887
Arens-Sikken
EuGH
Urt. v. 02.10.2008 C-360/06
Slg. 2008, I-7333
Bauer Verlag
EuGH
Urt. v. 16.10.2008 C-527/06
Slg. 2008, I-7735
Renneberg
EuGH
Urt. v. 23.10.2008 C-157/07
Slg. 2008, I-8061
Krankenheim Ruhesitz am Wannsee
EuGH
Urt. v. 27.11.2008 C-418/07
Slg. 2008, I-8947
Papillon
EuGH
Urt. v. 04.12.2008 C-330/07
Slg. 2008, I-9099
Jobra
EuGH
Urt. v. 11.12.2008 C-285/07
Slg. 2008, I-9329
A.T.
EuGH
Urt. v. 16.12.2008 C-524/06
Slg. 2008, I-9705
Huber
EuGH
Urt. v. 16.12.2008 C-210/06
Slg. 2008, I-9641
Cartesio
EuGH
Urt. v. 22.12.2008 C-282/07
Slg. 2008, I-10767
Truck Center
EuGH
Urt. v. 22.01.2009 C-377/07
Slg. 2009, I-299
STEKO
EuGH
Urt. v. 27.01.2009 C-318/07
Slg. 2009, I-359
Persche
540
Rechtsprechungsverzeichnis
Gericht Datum
Az.
Fundstelle
Bezeichnung
EuGH
Urt. v. 12.02.2009 C-138/07
Slg. 2009, I-731
Cobelfret
EuGH
Urt. v. 12.02.2009 C-67/08
Slg. 2009, I-883
Block
EuGH
Urt. v. 10.03.2009 C-169/07
Slg. 2009, I-1721
Hartlauer
EuGH
Urt. v. 26.03.2009 C-326/07
Slg. 2009, I- 2291
Kommission/Italien
EuGH
Urt. v. 23.04.2009 C-378/07 u.a.
Slg. 2009, I-3071
Angelidaki u.a.
EuGH
Urt. v. 23.04.2009 C-544/07
Slg. 2009, I-3389
Rüffler
EuGH
Urt. v. 19.05.2009 C-531/06
Slg. 2009, I-4103
Kommission/Italien
EuGH
Urt. v. 19.05.2009 C-171/07 u.a.
Slg. 2009, I-4171
Apothekenkammer des Saarlandes
EuGH
Bschl. v. 04.06.2009
C-439/07 u.a.
Slg. 2009, I-4409
KBC Bank u.a.
EuGH
Urt. v. 04.06.2009 C-102/08
Slg. 2009, I-4629
SALIX
EuGH
Urt. v. 11.06.2009 C-521/07
Slg. 2009, I-4873
Kommission/Niederlande
EuGH
Urt. v. 11.06.2009 C-33/08
Slg. 2009, I-5035
Agrana Zucker
EuGH
Urt. v. 18.06.2009 C-303/07
Slg. 2009, I-5145
Aberdeen Property Fininvest Alpha
EuGH
Urt. v. 16.07.2009 C-12/08
Slg. 2009, I-6653
Mono Car Styling
EuGH
Urt. v. 16.07.2009 C-128/08
Slg. 2009, I-6823
Damseaux
EuGH
Urt. v. 08.09.2009 C-42/07
Slg. 2009, I-7633
Liga Portuguesa de Futebol Profissional
EuGH
Urt. v. 10.09.2009 C-269/07
Slg. 2009, I-7811
Kommission/ Deutschland
EuGH
Urt. v. 17.09.2009 C-182/08
Slg. 2009, I-8591
Glaxo Wellcome
EuGH
Urt. v. 01.10.2009 C-103/08
Slg. 2009, I-9117
Gottwald
EuGH
Urt. v. 01.10.2009 C-247/08
Slg. 2009, I-9225
Gaz de France
EuGH
Urt. v. 06.10.2009 C-562/07
Slg. 2009, I-9553
Kommission/ Spanien
541
Rechtsprechungsverzeichnis
Gericht Datum
Az.
Fundstelle
Bezeichnung
EuGH
Urt. v. 06.10.2009 C-153/08
Slg. 2009, I-9735
Kommission/ Spanien
EuGH
Urt. v. 15.10.2009 C-35/08
Slg. 2009, I-9807
Grundstücksgemeinschaft Busley u.a.
EuGH
Urt. v. 12.11.2009 C-351/08
Slg. 2009, I-10777
Grimme
EuGH
Urt. v. 17.11.2009 C-169/08
Slg. 2009, I-10821
Regione Sardegna
EuGH
Urt. v. 19.11.2009 C-540/07
Slg. 2009, I-10983
Kommission/Italien
EuGH
Urt. v. 19.11.2009 C-314/08
Slg. 2009, I-11049
Filipiak
EuGH
Urt. v. 12.01.2010 C-341/08
Slg. 2010, I-47
Petersen
EuGH
Urt. v. 14.01.2010 C-471/07 u.a.
Slg. 2010, I-113
AGIM u.a.
EuGH
Urt. v. 21.01.2010 C-311/08
Slg. 2010, I-487
SGI
EuGH
Urt. v. 11.02.2010 C-541/08
Slg. 2010, I-1025
Fokus Invest
EuGH
Urt. v. 25.02.2010 C-337/08
Slg. 2010, I-1215
X Holding
EuGH
Urt. v. 11.03.2010 C-384/08
Slg. 2010, I-2055
Attanasio Group
EuGH
Urt. v. 18.03.2010 C-440/08
Slg. 2010, I-2323
Gielen
EuGH
Urt. v. 15.04.2010 C-96/08
Slg. 2010, I-2911
CIBA
EuGH
Urt. v. 22.04.2010 C-510/08
Slg. 2010, I-3553
Mattner
EuGH
Urt. v. 20.05.2010 C-352/08
Slg. 2010, I-4303
Zwijnenburg
EuGH
Urt. v. 20.05.2010 C-365/08
Slg. 2010, I-4341
Agrana Zucker II
EuGH
Urt. v. 20.05.2010 C-56/09
Slg. 2010, I-4571
Zanotti
EuGH
Urt. v. 01.06.2010 C-570/07 u.a.
Slg. 2010, I-4629
Blanco Pérez
EuGH
Urt. v. 03.06.2010 C-258/08
Slg. 2010, I-4757
Ladbrokes
EuGH
Urt. v. 03.06.2010 C-487/08
Slg. 2010, I-4843
Kommission/ Spanien
EuGH
Urt. v. 03.06.2010 C-2/09
Slg. 2010, I-4939
Kalinchev
EuGH
Urt. v. 24.06.2010 C-338/08 u.a.
Slg. 2010, I-5741
Ferrero u.a.
EuGH
Urt. v. 01.07.2010 C-233/09
Slg. 2010, I-6645
Dijkman
EuGH
Urt. v. 08.07.2010 C-343/09
Slg. 2010, I-7023
Afton Chemical
542
Rechtsprechungsverzeichnis
Gericht Datum
Az.
Fundstelle
Bezeichnung
EuGH
Urt. v. 15.07.2010 C-70/09
Slg. 2010, I-7229
Hengartner und Gasser
EuGH
Urt. v. 08.09.2010 C-409/06
NZA 2010, 1219
Winner Wetten
EuGH
Urt. v. 08.09.2010 C-316/07
EWS 2010, 468
Stoß u.a.
EuGH
Urt. v. 08.09.2010 C-46/08
EWS 2010, 477
Carmen Media Group
EuGH
Urt. v. 05.10.2010 C-512/08
EuZW 2010, 861
Kommission/ Frankreich
EuGH
Urt. v. 12.10.2010 C-499/08
EuZW 2010, 904
Andersen
EuGH
Urt. v. 28.10.2010 C-72/09
IStR 2010, 842
Établissements Rimbaud
EuGH
Urt. v. 18.11.2010 C-250/09 u.a.
EuZW 2011, 116
Georgiev u.a.
EuGH
Bschl. v. 22.11.2010
n.n.v.
Secilpar
EuGH
Urt. v. 16.12.2010 C-89/09
NZG 2011, 265
Kommission/ Frankreich
EuGH
Urt. v. 16.12.2010 C-137/09
EuZW 2011, 219
Josemans
EuGH
Urt. v. 22.12.2010 C-444/09 u.a.
n.n.v.
Gavieiro u.a.
EuGH
Urt. v. 22.12.2010 C-287/10
IStR 2011, 190
Tankreederei I
EuGH
Urt. v. 20.01.2011 C-155/09
EuZW 2011, 182
Kommission/ Griechenland
EuGH
Urt. v. 10.02.2011 C-436/08 u.a.
IStR 2011, 299
Haribo u.a.
EuGH
Urt. v. 10.02.2011 C-25/10
IStR 2011, 192
Missionswerk Werner Heukelbach
EuGH
Urt. v. 31.03.2011 C-450/09
IStR 2011, 301
Schröder
EuGH
Urt. v. 07.04.2011 C-20/09
IStR 2011, 340
Kommission/Portugal
EuGH
Urt. v. 05.05.2011 C-267/09
DStRE 2011, 1482 Kommission/Portugal
EuGH
Urt. v. 05.05.2011 C-384/09
EWS 2011, 242
C-199/10
Prunus
543
Rechtsprechungsverzeichnis
Gericht Datum
Az.
Fundstelle
Bezeichnung
EuGH
Urt. v. 16.06.2011 C-10/10
IStR 2011, 558
Kommission/Österreich
EuGH
Urt. v. 30.06.2011 C-262/09
IStR 2011, 551
Meilicke u.a. II
EuGH
Urt. v. 21.07.2011 C-397/09
IStR 2011, 590
Scheuten Solar Technology
EuGH
Urt. v. 21.07.2011 C-150/10
n.n.v.
Beneo-Orafti
EuGH
Urt. v. 21.07.2011 C-159/10 u.a.
NVwZ 2011, 1249 Fuchs u.a.
EuGH
Urt. v. 15.09.2011 C-310/09
IStR 2011, 768
Accor
EuGH
Urt. v. 15.09.2011 C-347/09
EuZW 2011, 841
Dickinger und Ömer
EuGH
Urt. v. 15.09.2011 C-132/10
IStR 2011, 887
Halley
EuGH
Urt. v. 15.09.2011 C-240/10
IStR 2011, 806
Schulz-Delzers und Schulz
EuGH
Urt. v. 29.09.2011 C-387/10
IStR 2011, 808
Kommission/ Österreich
EuGH
Urt. v. 06.10.2011 C-493/09
IStR 2011, 920
Kommission/Portugal
EuGH
Urt. v. 13.10.2011 C-9/11
IStR 2011, 848
Waypoint Aviation
EuGH
Urt. v. 20.10.2011 C-284/09
IStR 2011, 840
Kommission/ Deutschland
EuGH
Urt. v. 20.10.2011 C-123/10
n.n.v.
Brachner
EuGH
Urt. v. 10.11.2011 C-126/10
IStR 2012, 34
Foggia
EuGH
Urt. v. 29.11.2011 C-371/10
IStR 2012, 27
National Grid Indus
EuGH
Urt. v. 01.12.2011 C-250/08
IStR 2012, 67
Kommission/Belgien
EuGH
Urt. v. 01.12.2011 C-253/09
n.n.v.
Kommission/Ungarn
EuGH
Urt. v. 08.12.2011 C-157/10
IStR 2012, 152
Banco Bilbao
EuGH
Urt. v. 16.02.2012 C-72/10 u.a.
n.n.v.
Costa u.a.
EuGH
Urt. v. 29.03.2012 C-417/10
n.n.v.
3M Italia
544
Rechtsprechungsverzeichnis
II.
Schlussanträge der Generalanwälte beim Europäischen Gerichtshof
GA
Datum
Az.
Fundstelle
Bezeichnung
Van Gerven
SchlA v. 08.07.1992
C-306/88
Slg. 1992, I-6457
Anders
Léger
SchlA v. 22.11.1994
C-279/93
Slg. 1995, I-225
Schumacker
Colomer
SchlA v. 20.11.1997
C-336/96
Slg. 1998, I-2793
Gilly
Alber
SchlA v. 19.11.1998
C-311/97
Slg. 1999, I-2651
Royal Bank of Scotland
Mischo
SchlA v. 02.03.1999
C-307/97
Slg. 1999, I-6161
Saint Gobain
Maduro
SchlA v. 16.05.2000
C-110/99
Slg. 2000, I-11569
Emsland Stärke
Geelhoed
SchlA v. 20.11.2001
C-515/99 u.a.
Slg. 2002, I-2157
Reisch u.a.
Jacobs
SchlA v. 21.03.2002
C-136/00
Slg. 2002, I-8147
Danner
Alber
SchlA v. 24.09.2002
C-168/01
Slg. 2003, I-9409
Bosal
Mischo
SchlA v. 26.11.2002
C-324/00
Slg. 2002, I-11779
LankhorstHohorst
Kokott
SchlA v. 18.03.2004
C-319/02
Slg. 2004, I-7477
Manninen
Colomer
SchlA v. 26.10.2004
C-376/03
Slg. 2005, I-5821
„D”
Maduro
SchlA v. 07.04.2005
C-255/02
Slg. 2006, I-1609
Halifax
Maduro
SchlA v. 07.04.2005
C-446/03
Slg. 2005, I-10837
Marks & Spencer
Léger
SchlA v. 14.04.2005
C-253/03
Slg. 2006, I-1831
CLT-Ufa
Geelhoed
SchlA v. 23.02.2006
C-374/04
Slg. 2006, I-11673
ACT
Maduro
SchlA v. 30.03.2006
C-158/04 u.a.
Slg. 2006, I-8135
Alfa Vita Vassilopoulos u.a.
545
Rechtsprechungsverzeichnis
GA
Datum
Az.
Fundstelle
Bezeichnung
Kokott
SchlA v. 30.03.2006
C-470/04
Slg. 2006, I-7409
„N“
Geelhoed
SchlA v. 06.04.2006,
C-513/04
Slg. 2006, I-10967
Kerckhaert u. Morres
Legér
SchlA v. 02.05.2006
C-196/04
Slg. 2006, I-7995
Cadbury Schweppes
Maduro
SchlA v. 31.05.2006
C-347/04
Slg. 2006, I-2647
Rewe Zentralfinanz
StixHackl
SchlA v. 01.06.2006
C-150/04
Slg. 2007, I-1163
Kommission/Dänemark
Geelhoed
SchlA v. 29.06.2006
C-524/04
Slg. 2007, I-2107
Thin Cap
Kokott
SchlA v. 12.09.2006
C-231/05
Slg. 2007, I-6373
Oy AA
StixHackl
SchlA v. 05.10.2006
C-292/04
Slg. 2007, I-1835
Meilicke u.a.
Kokott
SchlA. v.28.02.2007
C-321/05
Slg. 2007, I-5795
Kofoed
Mengozzi
SchlA v. 29.03.2007
C-298/05
Slg. 2007, I-10451
Columbus Container Services
Bot
SchlA v. 03.07.2007
C-194/06
Slg. 2008, I-3747
Orange European Smallcap Fund
Sharpston
SchlA v. 14.02.2008
C-414/06
Slg. 2008, I-3601
Lidl Belgium
Maduro
SchlA v. 03.04.2008
C-524/06
Slg. 2008, I-9705
Huber
Kokott
SchlA v. 04.09.2008
C-418/07
Slg. 2008, I-8947
Papillon
Kokott
SchlA v. 18.09.2008
C-282/07
Slg. 2008, I-10767
Truck Center
Bot
SchlA v. 09.07.2009
C-182/08
Slg. 2009, I-8591
Glaxo Wellcome
Kokott
SchlA v. 10.09.2009
C-311/08
Slg. 2010, I-487
SGI
Kokott
SchlA v. 19.11.2009
C-337/08
Slg. 2010, I-1215
X Holding
546
Rechtsprechungsverzeichnis
GA
Datum
Az.
Fundstelle
Bezeichnung
Trstenjak
SchlA v. 21.01.2010
C-365/08
Slg. 2010, I-4341
Agrana Zucker II
Trstenjak
SchlA v. 14.04.2010
C-271/08
Slg. 2010, I-7087
Kommission/ Deutschland
Kokott
SchlA v. 11.11.2010
C-436/08 u.a.
n.n.v.
Haribo u.a.
Trstenjak
SchlA v. 13.01.2011
C-262/09
n.n.v.
Meilicke u.a. II
Trstenjak
SchlA v. 08.03.2011
C-10/10
n.n.v.
Kommission/Österreich
Sharpston
SchlA v. 12.05.2011
C-397/09
n.n.v.
Scheuten Solar Technology
Kokott
SchlA v. 08.09.2011
C-371/10
n.n.v.
National Grid Indus
Kokott
SchlA v. 21.12.2011
C-498/10
n.n.v.
X
III. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Gericht Datum
Aktenzeichen
Fundstelle
BVerfG
Urt. v. 23.10.1951
2 BvG 1/51
BVerfGE 1, 14
BVerfG
Urt. v. 07.12.1953
1 BvR 147/52
BVerfGE 3, 58
BVerfG
Urt. v. 20.07.1954
1 BvR 459/52 u.a.
BVerfGE 4, 7
BVerfG
Bschl. v. 17.01.1957
1 BvL 4/54
BVerfGE 6, 55
BVerfG
Urt. v. 26.03.1957
2 BvG 1/55
BVerfGE 6, 309
BVerfG
Urt. v. 24.06.1958
2 BvF 1/57
BVerfGE 8, 51
BVerfG
Urt. v. 12.11.1958
2 BvL 4/56
BVerfGE 8, 274
BVerfG
Bschl. v. 14.04.1959
1 BvL 23/57 u.a.
BVerfGE 9, 237
BVerfG
Urt. v. 29.07.1959
1 BvR 394/58
BVerfGE 10, 89
BVerfG
Bschl. v. 25.02.1960
1 BvR 239/52
BVerfGE 10, 354
BVerfG
Urt. v. 10.05.1960
1 BvR 190/58 u.a.
BVerfGE 11, 105
BVerfG
Bschl. v. 28.06.1960
2 BvL 19/59
BVerfGE 11, 245
BVerfG
Bschl. v. 09.05.1961
2 BvR 49/60
BVerfGE 12, 326
BVerfG
Urt. v. 24.01.1962
1 BvL 32/57
BVerfGE 13, 290
547
Rechtsprechungsverzeichnis
Gericht Datum
Aktenzeichen
Fundstelle
BVerfG
Urt. v. 24.01.1962
1 BvR 845/58
BVerfGE 13, 331
BVerfG
Bschl. v. 19.06.1962
1 BvL 10/57
BVerfGE 14, 142
BVerfG
Urt. v. 24.07.1962
2 BvL 15/61 u.a.
BVerfGE 14, 221
BVerfG
Urt. v. 22.05.1963
1 BvR 78/56
BVerfGE 16, 147
BVerfG
Urt. v. 13.07.1965
1 BvR 771/59 u.a.
BVerfGE 19, 101
BVerfG
Urt. v. 14.12.1965
1 BvR 571/60
BVerfGE 19, 253
BVerfG
Urt. v. 20.12.1966
1 BvR 320/57 u.a.
BVerfGE 21, 12
BVerfG
Bschl. v. 21.12.1966
1 BvR 33/64
BVerfGE 21, 54
BVerfG
Bschl. v. 14.03.1967
1 BvR 334/61
BVerfGE 21, 209
BVerfG
Bschl. v. 11.07.1967
1 BvR 495/63 u.a.
BVerfGE 22, 156
BVerfG
Bschl. v. 19.03.1968
1 BvR 554/65
BVerfGE 23, 229
BVerfG
Urt. v. 18.12.1968
1 BvR 638/64 u.a.
BVerfGE 24, 367
BVerfG
Bschl. v. 02.07.1969
1 BvR 669/64
BVerfGE 26, 265
BVerfG
Urt. v. 09.07.1969
2 BvL 20/65
BVerfGE 26, 302
BVerfG
Bschl. v. 02.10.1969
1 BvL 12/68
BVerfGE 27, 58
BVerfG
Bschl. v. 07.10.1969
2 BvR 555/67
BVerfGE 27, 142
BVerfG
Bschl. v. 28.01.1970
1 BvL 4/67
BVerfGE 27, 375
BVerfG
Bschl. v. 23.03.1971
2 BvR 59/71
BVerfGE 30, 409
BVerfG
Bschl. v. 04.05.1971
1 BvR 636/68
BVerfGE 31, 58
BVerfG
Bschl. v. 07.11.1972
1 BvR 338/68
BVerfGE 34, 103
BVerfG
Bschl. v. 03.07.1973
1 BvR 368/65 u.a.
BVerfGE 35, 324
BVerfG
Bschl. v. 02.10.1973
1 BvR 345/73
BVerfGE 36, 66
BVerfG
Bschl. v. 12.10.1976
1 BvR 2328/73
BVerfGE 43, 1
BVerfG
Bschl. v. 23.11.1976
1 BvR 150/75
BVerfGE 43, 108
BVerfG
Bschl. v. 22.06.1977
1 BvL 2/74
BVerfGE 45, 376
BVerfG
Bschl. v. 11.10.1977
1 BvR 343/73 u.a.
BVerfGE 47, 1
BVerfG
Bschl. v. 19.04.1978
1 BvR 596/77
BVerfGE 48, 206
BVerfG
Bschl. v. 10.10.1978
2 BvL 3/78
BVerfGE 49, 280
BVerfG
Bschl. v. 19.12.1978
1 BvR 335/76 u.a.
BVerfGE 50, 57
BVerfG
Bschl. v. 20.03.1979
1 BvR 111/74 u.a.
BVerfGE 51, 1
BVerfG
Bschl. v. 13.06.1979
1 BvL 97/78
BVerfGE 51, 295
548
Rechtsprechungsverzeichnis
Gericht Datum
Aktenzeichen
Fundstelle
BVerfG
Bschl. v. 16.10.1979
1 BvL 51/79
BVerfGE 52, 277
BVerfG
Bschl. v. 26.03.1980
1 BvR 121/76 u.a.
BVerfGE 54, 11
BVerfG
Bschl. v. 07.10.1980
1 BvL 50/79 u.a.
BVerfGE 55, 72
BVerfG
Urt. v. 10.12.1980
2 BvF 3/77
BVerfGE 55, 274
BVerfG
Bschl. v. 22.10.1981
1 BvR 1369/79
BVerfGE 58, 369
BVerfG
Bschl. v. 09.02.1982
2 BvL 6/78 u.a.
BVerfGE 60, 16
BVerfG
Bschl. v. 16.11.1982
1 BvL 16/75 u.a.
BVerfGE 62, 256
BVerfG
Bschl. v. 08.02.1983
1 BvL 28/79
BVerfGE 63, 119
BVerfG
Bschl. v. 08.03.1983
2 BvL 27/81
BVerfGE 63, 312
BVerfG
Bschl. v. 17.05.1983
2 BvL 8/82
BVerfGE 64, 158
BVerfG
Bschl. v. 22.02.1984
1 BvL 10/80
BVerfGE 66, 214
BVerfG
Bschl. v. 28.11.1984
1 BvR 1157/82
BVerfGE 68, 287
BVerfG
Bschl. v. 14.05.1985
1 BvR 449/82 u.a.
BVerfGE 70, 1
BVerfG
Bschl. v. 03.07.1985
1 BvL 55/81
BVerfGE 70, 219
BVerfG
Urt. v. 06.11.1985
1 BvL 47/83
BVerfGE 71, 146
BVerfG
Urt. v. 22.10.1986
2 BvR 197/83
BVerfGE 73, 339
BVerfG
Bschl. v. 18.11.1986
1 BvL 29/83 u.a.
BVerfGE 74, 9
BVerfG
Urt. v. 10.02.1987
1 BvL 18/81
BVerfGE 74, 182
BVerfG
Urt. v. 08.04.1987
1 BvL 8/84 u.a.
BVerfGE 75, 40
BVerfG
Bschl. v. 08.04.1987
2 BvR 909/82 u.a.
BVerfGE 75, 108
BVerfG
Bschl. v. 12.05.1987 2 BvR 1226/83 u.a.
BVerfGE 76, 1
BVerfG
Bschl. v. 26.04.1988
1 BvL 84/86
BVerfGE 78, 104
BVerfG
Bschl. v. 31.05.1988
1 BvR 520/83
BVerfGE, 78, 214
BVerfG
Bschl. v. 08.06.1988
2 BvL 9/85
BVerfGE 78, 249
BVerfG
Bschl. v. 11.10.1988
1 BvR 777/85 u.a.
BVerfGE 79, 1
BVerfG
Bschl. v. 23.11.1988
2 BvR 1619/83 u.a.
BVerfGE 79, 127
BVerfG
Bschl. v. 23.01.1990
1 BvL 4/87
BVerfGE 81, 228
BVerfG
Bschl. v. 29.05.1990
1 BvL 20/84
BVerfGE 82, 60
BVerfG
Bschl. v. 30.05.1990
1 BvL 2/83
BVerfGE 82, 126
BVerfG
Urt. v. 27.06.1991
2 BvR 1493/89
BVerfGE 84, 239
549
Rechtsprechungsverzeichnis
Gericht Datum
Aktenzeichen
Fundstelle
BVerfG
Kammerbeschluss v. 22.07.1991
1 BvR 313/88
HFR 1992, 423
BVerfG
Bschl. v. 08.10.1991
1 BvL 50/86
BVerfGE 84, 348
BVerfG
Urt. v. 07.07.1992
1 BvL 51/86 u.a.
BVerfGE 87, 1
BVerfG
Bschl. v. 26.01.1993
1 BvL 38/92 u.a.
BVerfGE 88, 5
BVerfG
Bschl. v. 26.01.1993
1 BvL 38/92 u.a.
BVerfGE 88, 87
BVerfG
Bschl. v. 08.06.1993
1 BvL 20/85
BVerfGE 89, 15
BVerfG
Bschl. v. 05.10.1993
1 BvL 34/81
BVerfGE 89, 132
BVerfG
Bschl. v. 08.02.1994
1 BvR 1237/85
BVerfGE 89, 365
BVerfG
Bschl. v. 10.01.1995
1 BvL 20/87 u.a.
BVerfGE 91, 389
BVerfG
Urt. v. 22.06.1995
2 BvL 37/91
BVerfGE 93, 121
BVerfG
Bschl. v. 08.04.1997
1 BvR 48/94
BVerfGE 95, 267
BVerfG
Bschl. v. 10.04.1997
2 BvL 77/92
BVerfGE 96, 1
BVerfG
Bschl. v. 27.01.1998
1 BvL 15/87
BVerfGE 97, 169
BVerfG
Bschl. v. 30.09.1998
2 BvR 1818/91
BVerfGE 99, 88
BVerfG
Bschl. v. 10.11.1998
2 BvR 1057/91 u.a.
BVerfGE 99, 216
BVerfG
Bschl. v. 10.11.1998
2 BvL 42/93
BVerfGE 99, 246
BVerfG
Bschl. v. 11.11.1998
2 BvL 10/95
BVerfGE 99, 280
BVerfG
Bschl. v. 02.02.1999
1 BvL 8/97
BVerfGE 100, 195
BVerfG
Urt. v. 02.03.1999
1 BvL 2/91
BVerfGE 99, 367
BVerfG
Urt. v. 28.04.1999
1 BvL 22/95
BVerfGE 100, 59
BVerfG
Bschl. v. 29.10.1999
2 BvR 1264/90
BVerfGE 101, 132
BVerfG
Bschl. v. 10.11.1999
2 BvR 2861/93
BVerfGE 101, 151
BVerfG
Urt. v. 07.12.1999
2 BvR 301/98
BVerfGE 101, 297
BVerfG
Bschl. v. 22.05.2001
1 BvR 1512/97 u.a.
BVerfGE 104, 1
BVerfG
Bschl. v. 05.02.2002
2 BvR 305/93
BVerfGE 105, 17
BVerfG
Bschl. v. 04.12.2002 2 BvR 400/98 u.a.
BVerfGE 107, 27
BVerfG
Bschl. v. 09.04.2003
1 BvL 1/01 u.a.
BVerfGE 108, 52
BVerfG
Urt. v. 09.03.2004
2 BvL 17/02
BVerfGE 110, 94
BVerfG
Urt. v. 20.04.2004
1 BvR 905/00
BVerfGE 110, 274
BVerfG
Bschl. v. 08.06.2004
2 BvL 5/00
BVerfGE 110, 412
550
Rechtsprechungsverzeichnis
Gericht Datum
Aktenzeichen
Fundstelle
BVerfG
Bschl. v. 14.10.2004
2 BvR 1481/04
BVerfGE 111, 307
BVerfG
Bschl. v. 18.07.2005
2 BvF 2/01
BVerfGE 113, 167
BVerfG
Bschl. v. 18.01.2006
2 BvR 2194/99
BVerfGE 115, 97
BVerfG
Bschl. v. 21.06.2006
2 BvL 2/99
BVerfGE 116, 164
BVerfG
Bschl. v. 07.11.2006
1 BvL 10/02
BVerfGE 117, 1
BVerfG
Bschl. v. 13.02.2007
1 BvR 910/05 u.a.
BVerfGE 118, 1
BVerfG
Bschl. v. 15.01.2008
1 BvL 2/04
BVerfGE 120, 1
BVerfG
Bschl. v. 13.02.2008
2 BvL 1/06
BVerfGE 120, 125
BVerfG
Urt. v. 09.12.2008
2 BvL 1/07 u.a.
BVerfGE 122, 210
BVerfG
Bschl. v. 12.05.2009
2 BvL 1/00
BVerfGE 123, 111
BVerfG
Urt. v. 30.06.2009
2 BvE 2/08, u.a.
BVerfGE 123, 267
BVerfG
Bschl. v. 13.10.2009
2 BvL 3/05
NJW 2010, 431
BVerfG
Bschl. v. 17.11.2009
1 BvR 2192/05
DStR 2010, 434
BVerfG
Bschl. v. 06.07.2010
2 BvL 13/09
DStR 2010, 1563
BVerfG
Bschl. v. 12.10.2010
2 BvL 59/06
DStR 2010, 2290
BVerfG
Bschl. v. 12.10.2010
1 BvL 12/07
DStR 2010, 2393
BVerfG
Bschl. v. 19.07.2011
1 BvR 1916/09
NJW 2011, 3428
IV. Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Gericht Datum
Aktenzeichen
Fundstelle
BFH
Urt. v. 08.11.1960
I 131/59 S
BStBl. III 1960, 513
BFH
Urt. v. 09.03.1962
I 203/61 S
BStBl. III 1962, 338
BFH
Urt. v. 29.01.1964
I 209/62 U
BStBl. III 1965, 27
BFH
Urt. v. 16.03.1967
I 261/63
BStBl. III 1967, 626
BFH
Urt. v. 18.10.1967
I 262/63
BStBl. II 1968, 105
BFH
Urt. v. 29.05.1968
I 187/65
BStBl. II 1968, 722
BFH
Bschl. v. 16.07.1968
GrS 7/67
BStBl. II 1969, 108
BFH
Urt. v. 17.07.1968
I 121/64
BStBl. II 1968, 695
BFH
Urt. v. 18.09.1968
I R 56/67
BStBl. II 1968, 797
BFH
Urt. v. 23.10.1968
I 228/65
BStBl. II 1969, 243
551
Rechtsprechungsverzeichnis
Gericht Datum
Aktenzeichen
Fundstelle
BFH
Urt. v. 19.02.1970
I R 24/67
BStBl. II 1970, 442
BFH
Urt. v. 25.06.1970
IV 166/65
BStBl. II 1970, 721
BFH
Urt. v. 15.01.1971
III R 125/69
BStBl. II 1971, 379
BFH
Urt. v. 15.06.1973
III R 118/70
BStBl. II 1973, 810
BFH
Urt. v. 17.05.1974
III R 50/73
BStBl. II 1974, 508
BFH
Urt. v. 27.11.1974
I R 250/72
BStBl. II 1975, 306
BFH
Urt. v. 19.03.1975
I R 137/73
BStBl. II 1975, 722
BFH
Urt. v. 13.10.1976
I R 79/74
BStBl. II 1977, 540
BFH
Urt. v. 08.06.1977
I R 95/75
BStBl. II 1977, 704
BFH
Urt. v. 22.01.1980
VIII R 74/77
BStBl. II 1980, 244
BFH
Urt. v. 30.01.1980
I R 89/79
BStBl. II 1980, 327
BFH
Urt. v. 12.03.1980
I R 186/76
BStBl. II 1980, 531
BFH
Urt. v. 21.01.1981
I R 153/77
BStBl. II 1981, 517
BFH
Urt. v. 28.01.1981
I R 10/77
BStBl. II 1981, 612
BFH
Urt. v. 08.05.1981
III R 26/79
BStBl. II 1981, 702
BFH
Urt. v. 05.11.1981
IV R 103/79
BStBl. II 1982, 258
BFH
Urt. v. 19.05.1982
I R 102/79
BStBl. II 1982, 631
BFH
Urt. v. 26.05.1982
I R 16/78
BStBl. II 1982, 583
BFH
Bschl. v. 29.11.1982
GrS 1/81
BStBl. II 1983, 272
BFH
Urt. v. 25.08.1983
IV R 218/80
BStBl. II 1984, 33
BFH
Urt. v. 24.05.1984
I R 166/78
BStBl. II 1984, 747
BFH
Urt. v. 14.11.1984
I R 50/80
BStBl. II 1985, 227
BFH
Urt. v. 23.10.1985
I R 247/81
BStBl. II 1986, 195
BFH
Urt. v. 20.08.1986
I R 150/82
BStBl. II 1987, 455
BFH
Urt. v. 29.10.1986
I R 318/83 u.a.
BStBl. II 1987, 310
BFH
Urt. v. 04.12.1986
IV R 162/85
BFH/NV 1987, 296
BFH
Urt. v. 10.06.1987
I R 149/83
BStBl. II 1988, 25
BFH
Urt. v. 17.09.1987
III R 201/84 u.a.
BStBl. II 1988, 488
BFH
Bschl. v. 26.10.1987
GrS 2/86
BStBl. II 1988, 348
BFH
Urt. v. 13.04.1988
I R 284/82
BFH/NV 1989, 395
BFH
Urt. v. 01.02.1989
I R 73/85
BStBl. II 1989, 522
552
Rechtsprechungsverzeichnis
Gericht Datum
Aktenzeichen
Fundstelle
BFH
Urt. v. 22.02.1989
I R 9/85
BStBl. II 1989, 631
BFH
Urt. v. 14.03.1989
I R 8/85
BStBl. II 1989, 633
BFH
Urt. v. 21.09.1989
IV R 115/88
BStBl. II 1990, 86
BFH
Urt. v. 13.12.1989
I R 99/87
BStBl. II 1990, 454
BFH
Urt. v. 30.05.1990
I R 97/88
BStBl. II 1990, 875
BFH
Urt. v. 31.10.1990
II R 176/87
BStBl. II 1991, 161
BFH
Urt. v. 05.12.1990
I R 94/88
BStBl. II 1991, 287
BFH
Urt. v. 28.01.1992
VIII R 7/88
BStBl. II 1993, 84
BFH
Urt. v. 05.02.1992
I R 127/90
BStBl. II 1992, 532
BFH
Urt. v. 07.07.1992
VIII R 24/90
BStBl. II 1993, 333
BFH
Urt. v. 15.10.1997
I R 80/96
BFH/NV 1998, 624
BFH
Urt. v. 02.12.1992
I R 54/91
BStBl. II 1993, 311
BFH
Urt. v. 17.02.1993
I R 3/92
BStBl. II 1993, 457
BFH
Urt. v. 23.06.1993
I R 72/92
BStBl. II 1993, 801
BFH
Urt. v. 21.06.1994
VIII R 5/92
BStBl. II 1994, 856
BFH
Urt. v. 29.06.1994
I R 137/93
BStBl. II 2002, 366
BFH
Urt. v. 13.07.1994
I R 120/93
BStBl. II 1995, 129
BFH
Urt. v. 08.09.1994
IV R 16/94
BStBl. II 1995, 309
BFH
Urt. v. 17.05.1995
I R 147/93
BStBl. II 1996, 204
BFH
Bschl. v. 17.05.1995
I B 183/94
BStBl. II 1995, 781
BFH
Urt. v. 12.10.1995
I R 27/95
BStBl. II 2002, 367
BFH
Urt. v. 06.12.1995
I R 88/94
BStBl. II 1996, 383
BFH
Urt. v. 04.12.1996
I R 54/95
BFHE 182, 123
BFH
Urt. v. 18.12.1996
I R 139/94
BStBl. II 1997, 301
BFH
Bschl. v. 20.03.1997
IV B 48/95
BFH/NV 1997, 563
BFH
Urt. v. 21.05.1997
I R 79/96
BStBl. II 1998, 113
BFH
Urt. v. 24.04.1997
VIII R 23/93
BStBl. II 1999, 342
BFH
Bschl. v. 09.06.1997
GrS 1/94
BStBl. II 1998, 307
BFH
Urt. v. 29.07.1997
VIII R 57/94
BStBl. II 1998, 652
BFH
Urt. v. 15.10.1997
I R 80/96
BFH/NV 1998, 624
BFH
Bschl. v. 17.12.1997
I B 108/97
BStBl. II 1998, 558
553
Rechtsprechungsverzeichnis
Gericht Datum
Aktenzeichen
Fundstelle
BFH
Urt. v. 11.02.1998
I R 81/97
BStBl. II 1998, 485
BFH
Urt. v. 19.05.1998
I R 54/97
BStBl. II 1999, 27
BFH
Urt. v. 11.08.1999
XI R 77/97
BStBl. II 1999, 771
BFH
Bschl. v. 30.06.1999
II B 110/98
BFH/NV 1999, 1653
BFH
Urt. v. 28.03.2000
VIII R 68/96
BFH/NV 2000, 1278
BFH
Urt. v. 08.11.2000
I R 70/99
BStBl. II 2005, 653
BFH
Urt. v. 09.08.2000
I R 12/99
BStBl. II 2001, 140
BFH
Urt. v. 29.11.2000
I R 85/99
BStBl. II 2002, 720
BFH
Urt. v. 27.03.2001
I R 27/99
BStBl. II 2001, 111
BFH
Bschl. v. 09.05.2001
XI B 151/00
BStBl. II 2001, 552
BFH
Bschl. v. 21.06.2001
I B 141/00
BFHE 195, 398
BFH
Urt. v. 17.10.2001
I R 103/00
BStBl. II 2004, 171
BFH
Urt. v. 24.04.2002
I R 18/01
BStBl. II 2002, 670
BFH
Urt. v. 07.08.2002
I R 2/02
BStBl. II 2004, 131
BFH
Urt. v. 29.01.2003
I R 6/99
BStBl. II 2004, 1043
BFH
Bschl. v. 25.02.2003
VIII B 253/02
BFH/NV 2003, 624
BFH
Urt. v. 27.02.2003
I R 46/01
BStBl. II 2004, 132
BFH
Urt. v. 27.02.2003
I R 80/01 u.a.
BFH/NV 2003, 1346
BFH
Bschl. v. 06.03.2002
XI B 7/02
BStBl. II 2003, 516
BFH
Bschl. v. 06.03.2002
XI B 76/02
BStBl. II 2003, 523
BFH
Urt. v. 05.06.2002
I R 115/00
BFH/NV 2002, 1549
BFH
Urt. v. 04.06.2003
I R 24/02
BStBl. II 136
BFH
Urt. v. 09.07.2003
I R 100/02
BFH/NV 2003, 1666
BFH
Urt. v. 17.09.2003
I R 91/02 u.a.
BFH/NV 2004, 182
BFH
Urt. v. 18.09.2003
X R 2/00
BStBl. 2004, 17
BFH
Urt. v. 22.10.2003
I R 36/03
BStBl. II 2004, 307
BFH
Urt. v. 31.03.2004
I R 70/03
BStBl. II 2004, 937
BFH
Urt. v. 28.04.2004
I R 5/02
BStBl. II 2005, 516
BFH
Urt. v. 26.05.2004
I R 54/03
BStBl. II 2004, 767
BFH
Urt. v. 15.09.2004
I R 7/02
BStBl. II 2005, 867
BFH
Urt. v. 15.09.2004
I R 62/03
BStBl. II 2005, 175
554
Rechtsprechungsverzeichnis
Gericht Datum
Aktenzeichen
Fundstelle
BFH
Urt. v. 20.10.2004
I R 4/04
BFH/NV 2005, 723
BFH
Urt. v. 23.02.2005
I R 70/04
BStBl. II 2005, 882
BFH
Urt. v. 06.04.2005
I R 22/04
BStBl. II 2007, 658
BFH
Urt. v. 06.04.2005
I R 27/04
BFH/NV 2005, 1633
BFH
Urt. v. 17.07.2005
I R 111/03
BStBl. II 2005, 307
BFH
Urt. v. 09.11.2005
I R 27/03
BStBl. II 2006, 564
BFH
Bschl. v. 20.07.2006
VI R 94/01
BStBl. II 2007, 121
BFH
Urt. v. 09.08.2006
I R 31/01
BStBl. II 2007, 838
BFH
Urt. v. 09.08.2006
I R 95/05
BStBl. II 2007, 279
BFH
Bschl. v. 06.09.2006
XI R 26/04
BStBl. II 2007, 167
BFH
Urt. v. 18.10.2006
IX R 28/05
BStBl. II 2007, 259
BFH
Urt. v. 07.11.2006
IX R 45/04
BFH/NV 2007, 1473
BFH
Urt. v. 10.01.2007
I R 87/03
BStBl. II 2008, 22
BFH
Urt. v. 29.04.2007
I R 39/04
BStBl. II 2008, 95
BFH
Urt. v. 22.08.2007
I R 32/06
BStBl. II 2007, 961
BFH
Bschl. v. 10.01.2008
VI R 17/97
BStBl. II 2008, 234
BFH
Urt. v. 24.01.2008
IV R 37/06
BFH/NV 2008, 854
BFH
Urt. v. 17.07.2008
I R 77/06
BFH/NV 2008, 1941
BFH
Urt. v. 17.07.2008
I R 83/07
BFH/NV 2009, 417
BFH
Urt. v. 22.07.2008
VIII R 101/02
BStBl. II 2010, 265
BFH
Urt. v. 20.08.2008
I R 19/07
BFH/NV 2008, 1963
BFH
Urt. v. 20.08.2008
I R 16/08
BFH/NV 2009, 49
BFH
Urt. v. 27.08.2008
I R 28/07
BFH/NV 2009, 123
BFH
Urt. v. 08.10.2008
I R 61/07
BFH/NV 2009, 504
BFH
Urt. v. 26.11.2008
I R 7/08
IStR 2009, 244
BFH
Bschl. v. 22.12.2008
I B 161/08
BFH/NV 2009, 969
BFH
Urt. v. 29.04.2009
I R 26/08
BFH/NV 2009, 1648
BFH
Urt. v. 25.08.2009
I R 88/07 u.a.
BFH/NV 2009, 2047
BFH
Urt. v. 21.10.2009
I R 114/08
BStBl. II 2010, 774
BFH
Bschl. v. 19.05.2010
I B 191/09
IStR 2010, 530
BFH
Bschl. v. 27.05.2009
I R 30/08
IStR 2009, 780
555
Rechtsprechungsverzeichnis
Gericht Datum
Aktenzeichen
Fundstelle
BFH
Urt. v. 03.02.2010
I R 21/06
BStBl. II 2010, 692
BFH
Urt. v. 17.02.2010
I R 79/08
BFH/NV 2010, 1307
BFH
Urt. v. 05.05.2010
I R 104/08
BFH/NV 2010, 1814
BFH
Urt. v. 09.06.2010
I R 100/09
IStR 2010, 670
BFH
Urt. v. 09.06.2010
I R 107/09
IStR 2010, 663
BFH
Urt. v. 23.06.2010
I R 37/09
BStBl. II 2010, 895
BFH
Bschl. v. 26.08.2010
I B 49/10
DStR 2010, 2179
BFH
Urt. v. 08.09.2010
I R 6/09
IStR 2011, 160
BFH
Urt. v. 13.10.2010
I R 79/09
BFHE 231, 529
BFH
Bschl. v. 09.11.2010
I R 16/10
IStR 2011, 110
BFH
Urt. v. 09.02.2011
I R 54/10 u.a.
DStR 2011, 762
BFH
Urt. v. 07.12.2011
I R 30/08
DStR 2012, 509
V.
Entscheidungen der Finanzgerichte
FG
Datum
Aktenzeichen
Fundstelle
Köln
Urt. v. 27.11.1985
I K 33/85
EFG 1986, 189
Saarland
Urt. v. 18.12.1996
1 K 257/94
EFG 1997, 485
BadenWürttemberg
Urt. v. 19.03.1997
3 K 171/92
EFG 1997, 984
Münster
Bschl. v. 31.08.2000
8 V 4639/00 E
EFG 2000, 1390
Köln
Urt. v. 22.08.2007
13 K 647/03
EFG 2008, 161
RheinlandPfalz
Urt. v. 11.10.2007
6 K 1611/07
EFG 2008, 385
Köln
Bschl. v. 30.01.2008
4 V 3366/07
EFG 2008, 593
Düsseldorf
Urt. v. 19.02.2008
17 K 894/05 E
IStR 2008, 449
Münster
Urt. v. 22.02.2008
9 K 5143/06 G
IStR 2008, 372
Münster
Urt. v. 22.02.2008
9 K 509/07 K,F
EFG 2008, 923
RheinlandPfalz
Urt. v. 30.06.2009
6 K 1415/09
EFG 2009, 1649
München
Urt. v. 30.07.2009
1 K 1816/09
IStR 2009, 864
556
Rechtsprechungsverzeichnis
FG
Datum
Aktenzeichen
Fundstelle
Niedersachsen Urt. v. 11.02.2010
6 K 406/08
IStR 2010, 260
Niedersachsen Bschl. v. 18.02.2010
6 V 21/10
DStR 2010, 597
RheinlandPfalz
Urt. v. 17.03.2010
1 K 2406/07
DStRE 2010, 802
Hessen
Urt. v. 18.05.2010
8 K 1160/10
IStR 2010, 776
München
Bschl. v. 01.07.2010
1 V 272/09
n.v.
München
Urt. v. 19.07.2010
7 K 1154/09
EFG 2010, 1891
BerlinBrandenburg
Urt. v. 16.09.2010
12 K 8212/06 B
juris
Düsseldorf
Urt. v. 07.12.2010
13 K 1214/06 E
EFG 2011, 878
Bremen
Urt. v. 10.02.2011
1 K 20/10 3
DStRE 2011, 679
Hessen
Urt. v. 23.03.2011
4 K 419/10
juris
München
Bschl. v. 01.06.2011
7 V 822/11
EFG 2011, 1830
BerlinBrandenburg
Bschl. v. 13.10.2011
12 V 12089/11
EFG 2012, 358
Hamburg
Urt. v. 31.10.2011
6 K 179/10
juris
VI. Entscheidungen des Bundesgerichtshofs Gericht
Datum
Aktenzeichen
Fundstelle
BGH
Urt. v. 10.01.1974
VII ZR 28/72
BGHZ 62, 83
BGH
Urt. v. 26.11.1979
II ZR 104/77
BGHZ 75, 334
BGH
Urt. v. 13.07.1981
II ZR 256/79
BGHZ 81, 252
BGH
Urt. v. 17.05.1982
VII ZR 316/81
BGHZ 84, 109
BGH
Urt. v. 26.03.1984
II ZR 171/83
BGHZ 90, 381
BGH
Bschl. v. 24.10.1988
II ZB 7/88
NJW 1989, 295
BGH
Bschl. v. 30.01.1992
II ZB 15/91
NJW 1992, 1452
BGH
Urt. v. 03.05.2006
VIII ZR 243/05
NJW-RR 2006, 1236
557
Rechtsprechungsverzeichnis
VII. Entscheidungen sonstiger Gerichte Gericht
Datum
Aktenzeichen
Fundstelle
Bezeichnung
EFTAGerichtshof
Urt. v. 23.11.2004
E-1/04
IStR 2005, 55
Fokus Bank
High Court of Justice (Chancery Division)
Urt. v. 10.04.2006
[2006] EWHC 811 (Ch)
http://internati onal.westlaw.c om/
Marks & Spencer v. Halsey
Österreichischer Urt. v. Verwaltungsge- 17.04.2008 richtshof
2008/15/0064
http://www.ris. bka.gv.at/
Österreichische Salinen
EFTAGerichtshof
Urt. v. 07.05.2008
E-7/07
IStR 2009, 315
Seabrokers
Court of Appeal (Civil Division)
Urt. v. 22.05.2009
[2009] EWCA Civ 446
http://www.bai lii.org/
Vodafone 2
First-tier Tribunal (Tax)
Urt. v. 18.08.2009
[2009] UKFTT http://www.bai 226 (TC) lii.org/
Philips Electronics
High Court of Justice (Chancery Division)
Urt. v. 17.11.2009
[2009] EWHC 2908 (Ch)
http://www.bai lii.org/
Thin Cap
Rechtbank Haarlem
Urt. v. 22.10.2010
AWB 09/611
http://www.rec htspraak.nl/
X
Court of Appeal (Civil Division)
Urt. v. 18.02.2011
[2011] EWCA Civ 127
http://www.bai lii.org/
Thin Cap
Hoge Raad
Urt. v. 24.06.2011
09/05115
http://www.rec htspraak.nl/
X
2011/15/0070
http://www.ris. bka.gv.at/
Haribo
Österreichischer Urt. v. Verwaltungsge- 25.10.2011 richtshof
558
Stichwortverzeichnis Die Zahlen bezeichnen die Seitenzahlen Advance Pricing Agreement 117, 247 Allgemeiner Gleichheitssatz 316 ff., 407 ff. – Folgerichtigkeitsgebot siehe dort – Gleichbehandlung der Einkunftsarten 331 – Kontrolldichte 333 ff. – Leistungsfähigkeitsprinzip siehe dort – Neue Formel 333 ff. – persönlicher Anwendungsbereich 319 – Rechtfertigung von Durchbrechungen 332 ff., 416 ff. – Rechtsformneutralität 331 ff. – vertikale und horizontale Steuergerechtigkeit 320 – Willkürverbot 333 ff. Anerkennungsgrundsatz 178, 290 f. Arm’s length principle siehe Fremdvergleichsgrundsatz Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse – Gilly-Rechtsprechung 207 ff. – Rechtfertigungsgrund 257 ff., 351 f., 376, 384 ff. – ZLRL 406 Beschränkungsverbot – Gewährleistungsgehalt 134 ff. – Freiheits- oder Gleichheitsrecht 136 ff. – Futura Participations 134 ff. – Vergleichbarkeitsprüfung 146 f. – Verrechnungspreisvorschriften 219 ff. – Zinsschranke 370 ff. Binnenmarktprinzip 122 ff.
Common Consolidated Corporate Tax Base 456 ff. Dienstleistungsfreiheit 124, 129, 190 Diskriminierungsverbot – Diskriminierung des grenzüberschreitenden Sachverhalts 131 ff. – Gleichheitsrecht 136 f. – Grundfreiheiten 128 ff. – horizontale Diskriminierung 155 ff. – Neutralisierung der Diskriminierung 204 ff. – offene Diskriminierung 128 ff., 172 ff., 347 – personenübergreifende Betrachtung 203 f. – Rechtsfolgen 297 ff., 389 ff. – staatenübergreifende Betrachtung 144 ff., 204 ff. – umgekehrte Diskriminierung 126 f., 167 – Verfassungsrecht 317 ff. – versteckte Diskriminierung 129 f., 172 f., 229 – vertikale Diskriminierung 128 ff., 147 ff. Doppelbesteuerung – juristische 91 ff., 221 ff. – wirtschaftliche 91 ff. – Vermeidung 91 ff., 273 f., 305 f. – Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten 198 ff., 221 ff., 292 ff. Eigentumsgarantie 338 ff., 429 ff. – Halbteilungsgrundsatz 340 – konfiskatorische Besteuerung 339 ff., 430 f. – Vermögensteuerbeschluss 339 f.
559
Stichwortverzeichnis
Einkünftekorrekturvorschriften 15 ff. – Unterkapitalisierungsvorschriften siehe dort – Verrechnungspreisvorschriften siehe dort Erstberichtigung 91 ff. Finanzierungsfreiheit 70, 419 Finanzierungsneutralität 158, 368 f. Folgerichtigkeitsgebot 327 ff., 414 ff. – objektives Nettoprinzip 322 ff., 329, 414 f. – Systemwechsel 330 f., 415 – Zinsschranke 414 ff. Fremdvergleichsgrundsatz 6 f., 18 ff., 32 ff. – tatsächlicher Fremdvergleich 34 ff. – hypothetischer Fremdvergleich 36 f. – Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten 200 ff., 230 ff. – Verrechnungspreismethoden 37 ff. Fremdüblichkeit der Einkünftekorrektur – Abkommensrecht 93 ff. – Europarecht 266, 287 ff. Gegenberichtigung – Abkommensrecht 93, 110 ff. – Grundfreiheiten 293 ff., 377 f. Gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB) 456 ff. Gesellschafter-Fremdfinanzierung – § 8a KStG a.F. 70 ff. – OECD-Bericht 100 ff., 442 f. – Zinsschranke 79 f., 82 ff. Gewinnabführungsvertrag 350 f., 392 ff. – grenzüberschreitender 393 f.
560
– Vereinbarkeit mit Europarecht 394 ff. – Vergleichbarkeitsprüfung 356 ff., 366 f. Grundfreiheiten – Anwendungsbereich 180 ff., 342 ff. – Beschränkungsverbot siehe dort – Diskriminierungsverbot siehe dort – Fremdvergleichsgrundsatz 200 ff., 262 ff. – Gewährleistungsgehalt 125 ff. – Kapitalverkehrsfreiheit siehe dort – Niederlassungsfreiheit siehe dort – Rechtfertigung 170 ff., 230 ff., 374 ff. – Vergleichbarkeitsprüfung siehe dort – Verrechnungspreisvorschriften 179 ff. – Zinsschranke 341 ff. Kapitalverkehrsfreiheit 124, 180 ff. – Abgrenzung von der Niederlassungsfreiheit 181 ff., 352 ff. – Finanzierungsneutralität 158, 368 f. Kohärenz – kohärente und systematische Zielverfolgung 175 ff., 385 – Rechtfertigungsgrund 232 ff., 377 ff. – Verrechnungspreisvorschriften 238 ff. – Zinsschranke 377 ff. Konzern – Definition 3, 5 f. – Zinsschranke 80 Korrespondenzprinzip 24 f., 29 f., 228 ff. Leistungsfähigkeitsprinzip 319 ff. – Grundfreiheiten 265
Stichwortverzeichnis
– Indikatoren der Leistungsfähigkeit 320 f. – Körperschaftsteuerrecht 321 – Nettoprinzip siehe dort – Verrechnungspreisvorschriften 7, 16, 26 – vertikale und horizontale Steuergerechtigkeit 320 – Zinsschranke 408 ff. Marks & Spencer 257 ff. Materielles Korrespondenzprinzip 24 f., 29 f., 228 ff. Meistbegünstigung – abkommensrechtliche 159 ff., 218 f., 370 – unilaterale 162 ff., 369 f. Missbrauch – Grundfreiheiten 248 ff., 436 ff. – Missbrauchstypisierung 253 f., 420 ff., 436 ff. – Rechtfertigungsgrund der Verhinderung der Steuerumgehung 248 ff., 419 ff. – steuerlicher Gestaltungsmissbrauch 419 ff., 436 ff. – Verfassungsrecht 419 ff., 436 ff. Nettoprinzip – objektives 322 ff. – subjektives 322 Niederlassungsfreiheit 124, 180 ff. – Abgrenzung von der Kapitalverkehrsfreiheit 181 ff., 352 ff. – Anwendungsbereich 189 ff. – Rechtsformneutralität 155 ff. – Schutz des passiven Marktteilnehmers 126 f., 191 f., 212, 344, 363 Objektives Nettoprinzip 322 ff. – Folgerichtigkeitsgebot 324, 414 ff. – Leistungsfähigkeitsprinzip 324 ff., 408 ff. – Zinsschranke 408 ff.
OECD – Art. 9 OECD-MA 91 ff. – Bericht über Unterkapitalisierung 12, 100 ff., 442 – Verrechnungspreisrichtlinien 32 ff., 95 ff., 287 ff. Rechtfertigung – Diskriminierungsverbot 172 ff. – Europarecht 170 ff., 230 ff., 374 ff. – geschriebene Rechtfertigungsgründe 170 f. – ungeschriebene Rechtfertigungsgründe 171 ff., 230 ff., 374 ff. – Verfassungsrecht 332 ff., 416 ff. Rechtsformneutralität – Europarecht 155 ff., 216 ff. – Verfassungsrecht 331 ff. Safe haven 71, 445 ff. Schrankenwirkung 93 ff. Schiedsverfahren 111 ff., 243 ff. Schiedsübereinkommen – Allgemein 113 ff. – Grundfreiheiten 200 ff., 204 ff., 232, 243 ff., 272 f., 378 – Unterkapitalisierungsvorschriften 118 f. Schwestergesellschaften 30 ff. SGI-Urteil 267 ff. Territorialitätsprinzip – Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse 257 ff., 264 f. – Rechtfertigungsgrund 379 ff. Thin Cap-Urteil 262 ff., 438 ff. Treaty Override 106 ff. – Europarecht 108, 259 – Verfassungsrecht 108 – Völkerrecht 106 Typisierung – Europarecht 253 f., 436 ff. – Verfassungsrecht 420 ff., 436 ff. Unterkapitalisierungsvorschriften – § 8a KStG a.F. 70 ff. 561
Stichwortverzeichnis
– Allgemeines 8 ff. – de lege ferenda 433 ff. – Gesellschafter-Fremdfinanzierungsvorschriften 12, 70 ff. – GKKB 458 ff. – Missbrauchsvorschriften 12, 70 – OECD-Bericht 12, 100 ff., 442 – Vergleich mit Verrechnungspreisvorschriften 87 ff. – Zinsschranke siehe dort Unternehmensteuerreform 2 f., 57, 73, 418 Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis 18 ff. Verbundene Unternehmen 5 f. Verdeckte Einlage 25 ff. – Bewertung 28 f., 53 ff. – Einlagefähige Wirtschaftsgüter 27 f., 53 ff. – Konkurrenz zu § 1 AStG 49 ff. – Korrespondenzprinzip 29 ff., 228 ff. – Schrankenwirkung der DBA 95 – Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten 219 ff. Verdeckte Gewinnausschüttung 15 ff. – Konkurrenz zu § 1 AStG 49 ff. – Korrespondenzprinzip 24 f., 31 f., 228 ff. – Schrankenwirkung der DBA 95 – Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten 219 ff. – Vermögensminderung 17 f. – Verhinderte Vermögensmehrung 17 f. Verhinderung der Steuerumgehung – Europarecht 248 ff. – Verfassungsrecht 419 ff. Vergleichspaarbildung 139 ff., 195, 211, 220, 355 ff.
562
– horizontale 155 ff., 216 ff., 368 ff. – vertikale 147 ff., 195, 395 ff. Vergleichbarkeitsprüfung 139 ff. – anhand der rechtlichen und tatsächlichen Situation 140 ff. – anhand der Ziele einer Norm 143 f. – anhand des Wettbewerbsverhältnisses 142, 216, 368, 409 f. – horizontaler Vergleich 155 ff., 216 ff., 368 ff. – Inbound-Fall 147 ff. – Meistbegünstigung 159 ff., 162 ff. – Outbound-Fall 152 ff. – rechtliche Vergleichbarkeit 140 ff. – Schumacker-Doktrin 147 ff. – staatenübergreifende Betrachtung 144 ff. – tatsächliche Vergleichbarkeit 140 ff. – traditioneller Ansatz 140 ff. – Verhältnismäßigkeitsprüfung 169 f. – Verfassungsrecht 409 f. – vertikaler Vergleich 147 ff., 195, 395 ff. Verhältnismäßigkeitsprüfung – Europarecht 175 ff., 275 ff. – Verfassungsrecht 330 ff., 424 ff. Verrechnungspreis 6 ff. – Bandbreite 41 ff. – Nachträgliche Preisanpassung 63 ff. – Verrechnungspreismethoden 37 ff. Verrechnungspreisvorschriften – § 1 AStG 45 ff., 184 ff., 194 ff. – de lege ferenda 303 ff. – Grundfreiheiten 179 ff. – verdeckte Einlage siehe dort
Stichwortverzeichnis
– verdeckte Gewinnausschüttung siehe dort – Vergleich mit Unterkapitalisierungsvorschriften 87 ff. – Zielsetzung 5 ff., 15 f., 25 ff., 45 ff. Verständigungsverfahren 111 ff., 245 ff. Wettbewerbsgleichheit – Grundfreiheiten 122, 125, 137, 166 – Fremdvergleichsgrundsatz 16, 26, 28, 44, 50 f., 200 ff. Zins- und Lizenzgebühr-Richtlinie 308 ff., 399 ff. – Missbrauchsvorbehalt 313 ff. – persönlicher Anwendungsbereich 310 f. – sachlicher Anwendungsbereich 310 – Scheuten Solar Technology 399 ff.
– Vorbehalt zugunsten von Unterkapitalisierungsvorschriften 312 f. – Zielsetzung 309 f., 404 ff. – Zinsschranke 399 ff. Zinsschranke 73 ff., 307 ff. – de lege ferenda 433 ff. – EBITDA-Vortrag 85 f., 348 f., 414 – Escape-Klausel 346 f., 374 f. – Gesellschafter-Fremdfinanzierung 79 f., 82 ff. – Vereinbarkeit mit Abkommensrecht 100 ff. – Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten 341 ff. – Vereinbarkeit mit der ZLRL 399 ff. – Vereinbarkeit mit Verfassungsrecht 406 ff. – Zielsetzung 8 ff., 74 f. – Zinsvortrag 85 ff., 117 f., 361 f., 379, 410 ff.
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