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German Pages 483 Year 2018
Studien zum vergleichenden Öffentlichen Recht Studies in Comparative Public Law Band / Volume 4
Unternehmen zwischen Staat und Gesellschaft Ein Rechtsvergleich zwischen Deutschland und Russland am Beispiel der Eisenbahnen
Von
Theresa Lauterbach
Duncker & Humblot · Berlin
THERESA LAUTERBACH
Unternehmen zwischen Staat und Gesellschaft
Studien zum vergleichenden Öffentlichen Recht Studies in Comparative Public Law Band / Volume 4
Unternehmen zwischen Staat und Gesellschaft Ein Rechtsvergleich zwischen Deutschland und Russland am Beispiel der Eisenbahnen
Von
Theresa Lauterbach
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Universität Passau hat diese Arbeit im Jahre 2017 als Dissertation angenommen.
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Meinem Vater
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Juli 2017 von der Juristischen Fakultät der Universität Passau als Dissertation angenommen. Für die Veröffentlichung wurde der Stand der Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur bis Januar 2018 berücksichtigt. Mein tief empfundener Dank gilt in erster Linie meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Urs Kramer, für das Interesse an dem Thema der Doktorarbeit, den wertvollen fachlichen Austausch und die überaus engagierte Betreuung auf dem Weg zur Promotion. Herrn Prof. Dr. Hans-Georg Dederer danke ich sehr herzlich für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens. Besonders dankbar bin ich der Hanns-Seidel-Stiftung e.V., die diese Arbeit durch ein Begabtenstipendium aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert hat. München, im Mai 2018
Theresa Lauterbach
Inhaltsübersicht Erster Teil Die Entwicklung des Kriteriums der demokratischen Legitimation für die Einordnung eines Unternehmens in die staatliche oder gesellschaftliche Sphäre § 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 A. Der Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 B. Der bisherige Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 C. Die Zielsetzung und Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 D. Prämissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 E. Begrifflichkeiten und Klarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 F. Die wirtschaftspolitische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 § 2 Formale Kriterien für die Einordnung eines Unternehmens in die staatliche oder gesellschaftliche Sphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 A. Die Zweiteilung des Rechts als Grundlage der formalen Abgrenzung . . . . . . . . . . 57 B. Die Rechtsform als Abgrenzungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 C. Die Handlungsform als Abgrenzungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 § 3 Materielle Kriterien für die Einordnung eines Unternehmens in die staatliche oder gesellschaftliche Sphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 A. Das Eigentum als Abgrenzungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 B. Die staatliche Aufgabe als Abgrenzungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 § 4 Spezifisch verfassungsrechtliche Kriterien für die Einordnung eines Unternehmens in die staatliche oder gesellschaftliche Sphäre . . . . . . . . . . . . . . . . 202 A. Die Grundrechte als Abgrenzungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202
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Inhaltsübersicht B. Das Demokratieprinzip und die demokratische Legitimation als Abgrenzungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286
Zweiter Teil Die Anwendung des Kriteriums der demokratischen Legitimation auf die Beispielsunternehmen „DB AG“ und ˇ D OAGRF“ zur Einordnung in die staatliche „RZ bzw. gesellschaftliche Sphäre § 5 Die Eisenbahnen als Beispielsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 A. Kurzer geschichtlicher Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 B. Die Anwendung geläufiger Abgrenzungskriterien auf die DB AG und die RZˇ D . 330 § 6 Die Anwendung des Kriteriums der demokratischen Legitimation auf die Eisenbahnunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 A. Der völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Rahmen für die Einflussnahme des Staates auf „seine“ Eisenbahnen nach Maßgabe des Demokratieprinzips . . . . 336 B. Die externen Regulierungsmittel als staatliche Einflussnahme auf die Eisenbahnunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 C. Die gesellschaftsrechtlichen Sonderregeln für den Staat als Mittel staatlicher Einflussnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 D. Die staatliche Einflussnahme im Rahmen des geltenden Gesellschaftsrechts . . . . 372 E. Zusammenfassung und Ergebnis der Anwendung des Kriteriums der demokratischen Legitimation auf die Beispielsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 § 7 Ausblick und Schlussbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 A. Die Relevanz der Einordnung eines Unternehmens in die staatliche oder gesellschaftliche Sphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 B. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 C. Die wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480
Inhaltsverzeichnis Erster Teil Die Entwicklung des Kriteriums der demokratischen Legitimation für die Einordnung eines Unternehmens in die staatliche oder gesellschaftliche Sphäre § 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 A. Der Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 B. Der bisherige Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 I. Die russische Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 II. Die deutsche Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 C. Die Zielsetzung und Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 D. Prämissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 E. Begrifflichkeiten und Klarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 F. Die wirtschaftspolitische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 I. Der Staat in der Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 II. Die Aktualität des Beispiels der Eisenbahnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 § 2 Formale Kriterien für die Einordnung eines Unternehmens in die staatliche oder gesellschaftliche Sphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 A. Die Zweiteilung des Rechts als Grundlage der formalen Abgrenzung . . . . . . . . . 57 I. Die Situation in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 II. Die Situation in Russland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 III. Zusammenfassung und Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 B. Die Rechtsform als Abgrenzungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 I. Die Situation in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 1. Der Zuweisungsgehalt der Rechtsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 a) Die öffentlich-rechtliche Organisationsform als Beleg für die Staatlichkeit eines Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 b) Die privatrechtliche Organisationsform als Beleg für das gesellschaftliche Substrat einer Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
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Inhaltsverzeichnis c) Exkurs: Die Formenwahlfreiheit der Verwaltung und das Verwaltungsprivatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 2. Öffentlich-rechtliche Ausprägungen staatlicher Wirtschaftstätigkeit . . . . . 67 a) Die juristischen Personen des Öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . 67 b) Unselbstständige Formen staatlicher Wirtschaftstätigkeit . . . . . . . . . . . 69 3. Privatrechtliche Formen staatlicher Wirtschaftstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 69 a) Die OHG, GbR und KG als Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . 69 b) Die GmbH als Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 c) Die AG als Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 II. Die Situation in Russland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 1. Die Konzeption der juristischen Person im Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 a) Der rechtstheoretische Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 b) Gesetzliche Verankerung der Figur im Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 2. Für die staatliche Wirtschaftsbeteiligung relevante Organisationsformen 75 a) Der Staat und seine Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 aa) Die öffentlich-rechtlichen Gebilde (publicˇ no-pravovye obrazovanija) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 bb) Die Staatsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 b) Vom Staat gegründete juristische Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 aa) Die unitarischen und fiskalischen Betriebe (unitarnye i kazennye predprijatija) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 bb) Die staatlichen Korporationen (gosudarstvennye [orporacii) . . . . . 81 cc) Die staatlichen Kompanien (gosudarstvennye kompanii) . . . . . . . . 85 dd) Die Aktiengesellschaften mit staatlicher Beteiligung (akcionernye obsˇcˇ estva s gosudarstvennym ucˇ astiem) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 ee) Die öffentlich-rechtliche Kompanie (publicˇ no-pravovaja kompanija) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 3. Die Konstruktion der juristischen Person des Öffentlichen Rechts . . . . . . . 89 a) Der rechtstheoretische Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 b) Der Status quo der Gesetzeslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 c) Die Position staatlicher Stellen zur Konzeption der juristischen Person des Öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 aa) Die Vorschläge der Präsidialverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 bb) Die Beschlüsse der Staatsduma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 cc) Die Gesetzesentwürfe des Ministeriums für wirtschaftliche Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 (1) Der Entwurf zur Reform des ZGBRF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 (2) Entwurf zum Gesetz „Über die öffentlich-rechtlichen Kompanien“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
Inhaltsverzeichnis
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d) Die tatsächliche Einführung der öffentlich-rechtlichen Kompanie im Jahr 2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 e) Die Diskussion der Literatur um das „Ob“ der juristischen Person des Öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 f) Die Diskussion der Literatur um das „Wie“ der juristischen Person des Öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 aa) Notwendigkeit einer Regelung im ZGBRF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 bb) Die unter den Begriff der „juristischen Person des Öffentlichen Rechts“ fallenden Rechtssubjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 (1) Rechtliche Sonderformen als Prototypen der juristischen Person des Öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 (2) Der Staat und seine Organe als Prototypen der juristischen Person des Öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 (3) Die staatlichen Korporationen und Kompanien, die öffentlichrechtlichen Kompanien bzw. nicht-kommerziellen Organisationen als Prototypen der juristischen Person des Öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 cc) Die wesentlichen Merkmale der juristischen Person des Öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 (1) Der Gründungsakt der juristischen Person als entscheidendes Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 (2) Die Eigentumsverhältnisse der juristischen Person als entscheidendes Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 (3) Funktionale und organisationsrechtliche Merkmale der juristischen Person als entscheidende Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 (4) Autonomiefragen der juristischen Person als entscheidendes Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 (5) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 g) Das Verhältnis der juristischen Person des Öffentlichen Rechts zur Aktiengesellschaft in öffentlicher Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 aa) Die Nähe der zu 100 % vom Staat gehaltenen Aktiengesellschaft zum unitarischen Betrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 bb) Die Nähe der zu 100 % vom Staat gehaltenen Aktiengesellschaft zur staatlichen Kompanie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 cc) Die Umwandlung staatlicher Korporationen in zu 100 % staatlich gehaltene Aktiengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 dd) Das Verhältnis der zu 100 % staatlich gehaltenen Aktiengesellschaften zu der neuen Rechtsform der öffentlich-rechtlichen Kompanie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 ee) Die kommerzielle Aktiengesellschaft als juristische Person des Öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 4. Die staatliche Verwaltung in Privatrechtsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 III. Zusammenfassung und Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
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Inhaltsverzeichnis C. Die Handlungsform als Abgrenzungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 I. Die Situation in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 1. Die Handlungsformen der öffentlichen Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 a) Der Grundsatz der öffentlich-rechtlichen Handlungsform der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 b) Die Wahlfreiheit der Verwaltung bezüglich der Handlungsform . . . . . . 120 c) Das Verwaltungsprivatrecht und weitere Publifizierungstendenzen . . . . 121 d) Das fiskalische Handeln des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 aa) Die Fiskustheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 bb) Die Fiskalgeltung der Grundrechte und Modifizierungen des Verwaltungsprivatrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 2. Die Handlungsformen „Privater“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 a) Der Grundsatz der privatrechtlichen Handlungsform „Privater“ . . . . . . 127 b) Die hoheitlichen Handlungsformen „Privater“ als Ausnahme . . . . . . . . 127 aa) Die Beleihung als Ausstattung einer Person mit Hoheitsbefugnissen 127 bb) Exkurs: Die Beleihung formal privatisierter Unternehmen . . . . . . . 128 cc) Die Beleihung als staatlicher Kompetenzentscheid . . . . . . . . . . . . . 129 dd) Die Beleihung als parlamentarische Legitimation . . . . . . . . . . . . . . 130 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 II. Die Situation in Russland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 1. Die Handlungsformen der öffentlichen Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 a) Die Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 aa) Der Grundsatz der rein öffentlich-rechtlichen Handlungsformen der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 bb) Exkurs: Die Unzulässigkeit privatrechtlicher Handlungen im Bereich staatlicher Vermögensverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 (1) Die „russische Zweistufentheorie“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 (2) Das Verwaltungsprivatrecht und die „Umdeutungstheorie“ . . . . 136 (3) Ergebnis des Exkurses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 cc) Das privatrechtliche Handeln als Attribut des zur Gesellschaft zugehörigen Fiskus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 (1) Die historische Rezeption der Fiskustheorie . . . . . . . . . . . . . . . 138 (2) Die gesetzliche Verankerung des Fiskus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 (3) Das „Erbe“ der Fiskustheorie in der Rechtsprechung . . . . . . . . 141 (4) Das „Erbe“ der Fiskustheorie in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . 142 (5) Die systematischen Widersprüche zur Fiskustheorie . . . . . . . . . 144 (6) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
Inhaltsverzeichnis
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b) Die jüngeren Entwicklungen und das Aufbrechen der bisherigen Traditionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 aa) Das privatrechtliche Handeln in der staatlichen Sphäre und die Wahlfreiheit bei der Handlungsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 bb) Die Infragestellung der Gleichstellung des Fiskus als gesellschaftliche Seite des Staates mit dem Bürger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 (1) Der Rückzug des Staates aus der wirtschaftlichen Tätigkeit . . . 148 (2) Die Verbesserung der Umsetzung des Gleichheitsprinzips . . . . 149 (3) Das Aufbrechen der rechtlichen Gleichheit des Staates in Zivilrechtsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 c) Zusammenfassung und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 2. Die Handlungsformen „Privater“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 a) Die Gesetzeslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 b) Die Rechtsprechung zur Übertragung von Hoheitsbefugnissen . . . . . . . 153 aa) Grundsatz und Ausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 bb) Die Frage der Staatlichkeit der Privatrechtssubjekte mit Hoheitsbefugnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 c) Der Stand der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 aa) Die Verfassungswidrigkeit der Übertragung von Hoheitsbefugnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 bb) Das Hineinziehen der „Hoheitsträger“ in die staatliche Sphäre . . . 158 d) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 III. Zusammenfassung und Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 § 3 Materielle Kriterien für die Einordnung eines Unternehmens in die staatliche oder gesellschaftliche Sphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 A. Das Eigentum als Abgrenzungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 I. Die Situation in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 1. Die Eigengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 2. Die gemischtwirtschaftlichen Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 II. Die Situation in Russland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 1. Das Eigentum als bestimmender Faktor in der russischen Gesetzgebung 171 2. Die Bedeutung des staatlichen Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 a) Das staatliche Eigentum als die materielle Basis der Verwaltung . . . . . 172 b) Das staatliche Eigentum an juristischen Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 aa) Das Eigentum an staatlichen Korporationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 bb) Das Eigentum an Aktiengesellschaften als Objekt der Verwaltung 175 III. Zusammenfassung und Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176
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Inhaltsverzeichnis B. Die staatliche Aufgabe als Abgrenzungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 I. Die Situation in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 1. Die materielle Aufgabenbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 a) Die Position der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 b) Die Position der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 c) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 2. Die formale Aufgabenbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 3. Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 II. Die Situation in Russland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 1. Das System der Staatsorgane im engeren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 2. Das System der Verwaltung im weiteren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 a) Die funktionale Bestimmung der Staatlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 aa) Die Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 bb) Die Position der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 cc) Die Position der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 b) Die Untauglichkeit des funktionalen Kriteriums für die Zuordnung zur Staatlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 aa) Die gesetzlichen Wertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 bb) Die Rechtsprechung des VerfGRF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 cc) Kritische Literaturstimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 3. Die Übertragung von Verwaltungsaufgaben auf „echte“ Private . . . . . . . . 193 a) Der sowjetische Ansatz und seine Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 b) Die Delegation staatlicher Aufgaben auf Private . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 c) Outsourcing im Sinne der Verwaltungsreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 d) Die Furcht vor der Privatisierung der Verwaltung in der Literatur . . . . 196 4. Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 III. Zusammenfassung und Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200
§ 4 Spezifisch verfassungsrechtliche Kriterien für die Einordnung eines Unternehmens in die staatliche oder gesellschaftliche Sphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 A. Die Grundrechte als Abgrenzungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 I. Die Situation in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 1. Die Grundrechtsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 a) Die ausschließliche Grundrechtsberechtigung des gesellschaftlichen Substrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 aa) Das Konfusionsargument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 bb) Das Handeln auf Grund von Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 cc) Der Durchgriffsgedanke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 b) Die Ausnahmentrias des BVerfG und deren Erweiterungsfähigkeit . . . . 206
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c) Das Gegenkonzept zur Grundrechtsdogmatik des BVerfG: Die grundrechtstypische Gefährdungslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 d) Die Kritik an der Analogiefähigkeit der Ausnahmen und an dem Gegenkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 aa) Die fehlende Analogiefähigkeit der Ausnahmentrias . . . . . . . . . . . . 209 bb) Der fehlende Grundrechtsschutz für die Außenrechtsbeziehungen 210 cc) Der fehlende Grundrechtsschutz der gewerbetreibenden öffentlichen Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 f) Die Grundrechtsberechtigung im europäischen Kontext . . . . . . . . . . . . 212 aa) Die Grundrechtsberechtigung europäischer Unternehmen in staatlicher Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 bb) Die Grundrechte aus der EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 (1) Das Verhältnis des GG zur EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 (2) Das Verhältnis zwischen der Rechtsprechung des BVerfG und des EGMR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 (3) Die Berechtigung staatlicher Organisationen im Sinne der EMRK nach der Rechtsprechung des EGMR . . . . . . . . . . . . . . 214 cc) Die Grundrechte aus der GRCh . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 (1) Das grundsätzliche Verhältnis des EU-Rechts zum deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 (2) Der Anwendungsbereich der GRCh . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 (3) Die Grundrechtsberechtigung des Nationalstaats und seiner Einrichtungen durch die GRCh . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 dd) Zwischenergebnis zu den europäischen Einflüssen . . . . . . . . . . . . . 222 g) Eigene Stellungnahme zur Grundrechtsberechtigung in Deutschland 222 2. Die Grundrechtsbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 a) Die ausschließliche Grundrechtsbindung des Staates . . . . . . . . . . . . . . . 226 b) Die Grundrechtsbindung gesellschaftlicher Akteure . . . . . . . . . . . . . . . 227 aa) Der Ansatz der unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte . . . . . 227 bb) Der Ansatz der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte als objektive Werteordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 cc) Der Ansatz der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte über die Konstruktion der Schutzpflichten des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 dd) Der Ansatz der Funktionsnachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 (1) Die privatisierten Nachfolgeunternehmen in den Bereichen Post, Bahn und Telekommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 (2) Die Funktionsnachfolge des „einfachen“ Privaten . . . . . . . . . . . 233 c) Die europäischen Tendenzen zur Drittwirkung der Grundrechte . . . . . . 235 aa) Die Drittwirkung der Konventionsgrundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . 235 bb) Die Drittwirkung der GRCh . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 (1) Die Wirkung der Grundrechte im Rahmen von Grundfreiheiten 238
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Inhaltsverzeichnis (2) Die Wirkung der Grundrechte im Rahmen der Umsetzung von Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 d) Eigene Stellungnahme: Rechtsfolgenorientierter Ansatz der Schaffung einer grundrechtstypischen Gefährdungslage (durch Private für Private) 241 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 II. Die Situation in Russland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 1. Die Grundrechtsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 a) Die juristischen Personen als Grundrechtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 aa) Der Verfassungstext als Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 bb) Die wesensmäßige Anwendbarkeit der Grundrechte auf juristische Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 (1) Der anthropozentrische Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 (2) Die Kritik am Abstellen auf das Wesen der Grundrechte als solcher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 cc) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 b) Der Staat als Grundrechtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 aa) Die öffentlich-rechtlichen Gebilde und die munizipalen Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 (1) Die Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 (2) Die Literaturstimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 bb) Die unitarischen Betriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 (1) Die Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 (2) Die Literaturstimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 c) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 aa) Die öffentlich-rechtlichen Gebilde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 bb) Die unitarischen Betriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 d) Die europäischen Einflüsse auf die Frage der Grundrechtsberechtigung 262 aa) Die Stellung der EMRK als völkerrechtlicher Vertrag in der RF bis 2015 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 (1) Die Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 (2) Die wissenschaftliche Diskussion und die Rechtsprechungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 bb) Die Position des VerfGRF seit 2015 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 cc) Die Unanwendbarkeit der Grundrechte auf staatliche Organisationen nach der EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 2. Die Grundrechtsbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 a) Die vertikale Bindung der öffentlich-rechtlichen Gebilde und ihrer Organe an die Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 aa) Die positive Schutzfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268
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bb) Die negative Abwehrfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 cc) Die primäre Bindung des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 dd) Die Bindung der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 b) Die Bindung der mittelbaren und funktionalen privatrechtlichen Staatsverwaltung an die Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 aa) Die Ansicht der Literaturstimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 bb) Die Ansicht der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 cc) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 c) Die horizontale Bindung der Bürger an die Grundrechte . . . . . . . . . . . . 277 aa) Die unmittelbare Grundrechtsbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 (1) Der Verfassungstext als Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 (2) Die Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 (3) Die Literaturstimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 bb) Die mittelbare Grundrechtsbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 cc) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 d) Die Grundrechtsbindung im Zusammenhang mit der EMRK in Russland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 III. Zusammenfassung und Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 B. Das Demokratieprinzip und die demokratische Legitimation als Abgrenzungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 I. Die Situation in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 1. Der bestimmende staatliche Einfluss als Abgrenzungskriterium . . . . . . . . 286 2. Das Demokratieprinzip als Maßstab des bestimmenden staatlichen Einflusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 3. Die Auseinandersetzung mit verwandten Literaturansätzen . . . . . . . . . . . . 290 a) Der Ansatz der demokratischen Legitimationsbedürftigkeit gemischtwirtschaftlicher Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 aa) Die Darstellung des Ansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 bb) Die Kritik am Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 b) Der Ansatz des formalen Aufgabenbefassungsakts und der staatlichen Fremdbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 aa) Die Darstellung des Ansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 bb) Die Kritik am Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 4. Die Auseinandersetzung mit möglicher Kritik am Kriterium des Demokratieprinzips bzw. der demokratischen Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 a) Der bestimmende Einfluss als nicht operationalisierbares Kriterium . . 296 b) Das Erfordernis demokratischer Legitimation des Handelns eines Unternehmens als Folge und nicht aus Voraussetzung seiner Staatlichkeit 297
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Inhaltsverzeichnis c) Die verfassungsmäßige Eingliederung eines Unternehmens in die staatliche Sphäre als vermeintlich willkürliche Disposition des Staates über seine Bindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 5. Der unauflösbare Gegensatz der Grundrechtsberechtigung einer Person und der gleichzeitigen demokratischen Legitimation ihres Handelns . . . . . 299 6. Die Klarstellung des Kriteriums der demokratischen Legitimation . . . . . . 302 a) Die grundsätzlichen Implikationen des Demokratieprinzips für die Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 b) Die Bestimmung des Legitimationsniveaus bei Kapitalgesellschaften 303 aa) Die Herabsetzung des Legitimationsniveaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 bb) Die Einschränkbarkeit des Demokratieprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . 305 cc) Der tatsächliche und verrechtlichte Einfluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 II. Die Situation in Russland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 1. Das Demokratieprinzip als verfassungsrechtliches Kriterium . . . . . . . . . . . 309 a) Die Verfassungsprinzipien als Maßstab für die Abgrenzung der Sphären 309 b) Die demokratische Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 2. Der Zusammenhang zwischen dem Demokratieprinzip und der Verwaltung staatlichen Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 a) Die Grundsätze der Verwaltung staatlichen Eigentums: Das Spannungsverhältnis zwischen öffentlichem Zweck und Effizienzgrundsatz 314 b) Die staatliche Fremdbestimmung als Folge der Staatlichkeit eines Objekts öffentlicher Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 c) Die staatliche Fremdbestimmung als Merkmal der Staatlichkeit einer juristischen Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 3. Der Ansatz vom „Durchgriff auf den Staat“: Der unauflösbare Gegensatz von der Grundrechtsberechtigung einer Person und der gleichzeitigen demokratischen Legitimation ihrer Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 III. Zusammenfassung und Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321
Zweiter Teil Die Anwendung des Kriteriums der demokratischen Legitimation auf die Beispielsunternehmen „DB AG“ und ˇ D OAGRF“ zur Einordnung in die staatliche „RZ bzw. gesellschaftliche Sphäre § 5 Die Eisenbahnen als Beispielsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 A. Kurzer geschichtlicher Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 I. Die deutsche Eisenbahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 1. Das Sondervermögen „Deutsche Bundesbahn“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325
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2. Die DB AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 II. Die russischen Eisenbahnen (Rossijskie zˇ eleznye dorogi) . . . . . . . . . . . . . . . 328 1. Die unitarischen Betriebe der russischen Eisenbahnen . . . . . . . . . . . . . . . 328 2. Die RZˇ D OAGRF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 III. Zusammenfassung und Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 B. Die Anwendung geläufiger Abgrenzungskriterien auf die DB AG und die RZˇ D 330 I. Die Einordnung der DB AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 1. Die formalen Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 2. Die materiellen Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 3. Die Grundrechte als verfassungsrechtliches Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . 332 II. Die Einordnung der RZˇ D . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 1. Die formalen Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 2. Die materiellen Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 3. Die Grundrechte als verfassungsrechtliches Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . 335 III. Zusammenfassung und Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 § 6 Die Anwendung des Kriteriums der demokratischen Legitimation auf die Eisenbahnunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 A. Der völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Rahmen für die Einflussnahme des Staates auf „seine“ Eisenbahnen nach Maßgabe des Demokratieprinzips . . . 336 I. Der unionsrechtliche und verfassungsrechtliche Rahmen für den staatlichen Einfluss auf die DB AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 1. Die unionsrechtlichen Determinanten des staatlichen Einflusses . . . . . . . . 336 a) Das Primärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 aa) Die Vorgaben für die öffentlichen Unternehmen im Verkehrsbereich 336 bb) Die Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 b) Das Sekundärrecht und seine Umsetzung durch den nationalen Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 aa) Die Verkehrsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 bb) Die Infrastrukturunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 2. Die verfassungsrechtlichen Determinanten des staatlichen Einflusses . . . 342 a) Die verfassungsrechtlichen Aussagen über den staatlichen Einfluss auf die Infrastrukturunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 aa) Der Art. 87e Abs. 3 S. 1 GG als Verbot staatlicher Einflussnahme auf die DB AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 bb) Die Notwendigkeit interner Einflussnahme des Staates aus Art. 87e Abs. 4 S. 1 GG i.V. mit Art. 87 Abs. 3 S. 2, 3 GG . . . . . . . . . . . . . . 345 cc) Die Argumente aus Art. 87e Abs. 4 S. 2 GG gegen eine interne Einflussnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 dd) Die Ableitung des Gesellschaftszwecks der Infrastrukturunternehmen aus Art. 87e Abs. 4 S. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349
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Inhaltsverzeichnis ee) Zusammenfassende Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 b) Die verfassungsrechtlichen Aussagen über den staatlichen Einfluss auf die Verkehrsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 II. Der völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Rahmen für den staatlichen Einfluss auf die RZˇ D . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 1. Die völkerrechtlichen Determinanten des staatlichen Einflusses im Rahmen der Eurasischen Zoll- und Wirtschaftsunion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 2. Die verfassungsrechtlichen Determinanten des staatlichen Einflusses . . . . 355 III. Zusammenfassung und Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 B. Die externen Regulierungsmittel als staatliche Einflussnahme auf die Eisenbahnunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 I. Die externe staatliche Einflussnahme auf die DB AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 1. Die Regulierung durch und auf Grund des AEG als externes Steuerungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 2. Sonstige externe Regulierungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 3. Vertragliche Verpflichtungen als externes Steuerungsmittel . . . . . . . . . . . . 359 II. Die externe staatliche Einflussnahme auf die RZˇ D . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 1. Die gesetzlichen Einflussnahmemöglichkeiten des Staates durch Regulierung und Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 2. Die gesetzlichen Einflussnahmemöglichkeiten des Staates durch Zweckbindungen des Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 III. Zusammenfassung und Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 C. Die gesellschaftsrechtlichen Sonderregeln für den Staat als Mittel staatlicher Einflussnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 I. Das Verwaltungsgesellschaftsrecht in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 II. Das Verwaltungsgesellschaftsrecht in Russland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 1. Das Verwaltungsgesellschaftsrecht als Privatisierungsfolgenrecht . . . . . . . 366 2. Die außerordentlichen Rechte des Staates als Verwaltungsgesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 a) Das Recht der „goldenen Aktie“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 b) Die Haltung eines Anteils im Stammkapital der Aktiengesellschaft . . . 371 III. Zusammenfassung und Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 D. Die staatliche Einflussnahme im Rahmen des geltenden Gesellschaftsrechts . . . . 372 I. Die gesellschaftsrechtliche staatliche Einflussnahme auf die DB AG . . . . . . 372 1. Die personellen Einflussmöglichkeiten des Staates als Eigentümer . . . . . . 372 a) Die personelle Einflussnahme des Staates über die Hauptversammlung 372 b) Die personelle Einflussnahme des Staates über den Aufsichtsrat . . . . . 372 c) Die personelle Einflussnahme des Staates über den Vorstand . . . . . . . . 374
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2. Die inhaltlich-sachlichen Einflussmöglichkeiten des Staates als Eigentümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 a) Die inhaltlich-sachliche Einflussnahme des Staates über die Satzung
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aa) Der Unternehmensgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 bb) Der Unternehmenszweck bzw. das Unternehmensziel . . . . . . . . . . . 376 b) Die inhaltlich-sachliche Einflussnahme des Staates über die Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 c) Die inhaltlich-sachliche Einflussnahme des Staates über den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 aa) Die Befugnisse des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 bb) Die staatliche Einflussnahme auf die Entscheidungen des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 d) Die inhaltlich-sachliche Einflussnahme des Staates über den Vorstand 385 aa) Der „verrechtlichte“ Einfluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 bb) Der faktische Einfluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 3. Die Erweiterung der staatlichen Einflussnahmemöglichkeiten durch das Konzernrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 a) Die öffentliche Hand als herrschendes Unternehmen i.S.d. § 17 AktG 389 b) Die Einflussmöglichkeiten des Staates im Vertragskonzern nach § 291 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 c) Die Einflussmöglichkeiten des Staates im faktischen Konzern nach §§ 311 ff. AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 II. Die gesellschaftsrechtliche staatliche Einflussnahme auf die RZˇ D . . . . . . . . . 394 1. Die personellen Einflussmöglichkeiten des Staates als Eigentümer . . . . . . 394 a) Die personelle Einflussnahme des Staates über die Hauptversammlung 394 b) Die personelle Einflussnahme des Staates über den Direktorenrat . . . . 395 c) Die personelle Einflussnahme des Staates über die Geschäftsführung 397 2. Die inhaltlich-sachlichen Einflussmöglichkeiten des Staates als Eigentümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 a) Die inhaltlich-sachliche Einflussnahme des Staates über die Satzung 398 b) Die inhaltlich-sachliche Einflussnahme des Staates über die Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 c) Die inhaltlich-sachliche Einflussnahme des Staates über den Direktorenrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 aa) Die Weisungsrechte im Rahmen der „goldenen Aktie“ . . . . . . . . . . 401 bb) Die Direktiven an staatliche Vertreter außerhalb der „goldenen Aktie“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 cc) Die Vorteile der Direktiven aus öffentlich-rechtlicher Sicht . . . . . . 405 dd) Die Probleme der Weisungsgebundenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 ee) Die unabhängigen Direktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408
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Inhaltsverzeichnis ff) Die faktische Einflussnahme des Staates auf den Direktorenrat und die Entscheidungen der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 d) Die inhaltlich-sachliche Einflussnahme des Staates über die Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 3. Die Erweiterung der staatlichen Einflussnahmemöglichkeiten durch das Konzernrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 a) Die Begrifflichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 b) Die Weisungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 c) Der Staat als Mutterkonzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 III. Zusammenfassung und Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 E. Zusammenfassung und Ergebnis der Anwendung des Kriteriums der demokratischen Legitimation auf die Beispielsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 I. Zusammenfassung des Ergebnisses bezüglich der DB AG . . . . . . . . . . . . . . . 417 II. Zusammenfassung des Ergebnisses bezüglich der RZˇ D . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 III. Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419
§ 7 Ausblick und Schlussbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 A. Die Relevanz der Einordnung eines Unternehmens in die staatliche oder gesellschaftliche Sphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 I. Die Folgen der Einordnung eines Unternehmens in die gesellschaftliche Sphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 II. Die Folgen der Einordnung eines Unternehmens in die staatliche Sphäre . . . 422 B. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 C. Die wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 I. Die Ergebnisse des ersten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 II. Die Ergebnisse des zweiten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480
Abkürzungsverzeichnis I. Abkürzungen deutscher Gesetze AEG
Allgemeines Eisenbahngesetz v. 27. 12. 1993 (BGBl. I S. 2378, 2396); zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes vom 20. 07. 2017 (BGBl. I S. 2808). AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Fassung der Bekanntmachung v. 09. 05. 2008 (ABl. v. 09. 05. 2008 Nr. C 115 S. 47 ff.); zuletzt geändert durch Art. 2 Änderungsbeschluss 2012/419/EU v. 11. 07. 2012 (ABl. Nr. L 204 S. 131 ff.). AktG Aktiengesetz v. 06. 09. 1965 (BGBl. I S. 1089 ff.); zuletzt geändert durch Art. 9 des Gesetzes v. 17.07. 2017 (BGBl. I S. 2446 ff.). BahnVermG Gesetz über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Deutschen Bundesbahn (Bundesbahnvermögensgesetz) v. 02. 03. 1951 (BGBl. I S. 155 ff.). BayGO Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (Gemeindeordnung – GO) in der Fassung der Bekanntmachung v. 22. 08. 1998 (GVBl. S. 796, BayRS 2020-1-1-I), die zuletzt durch Art. 17a Abs. 2 des Gesetzes v. 13. 12. 2016 (GVBl. S. 335 ff.) geändert worden ist. BayHO Haushaltsordnung des Freistaats Bayern v. 08. 12. 1971 (BayRS 630-1-F), zuletzt geändert durch § 4 des Gesetzes v. 27. 11. 2017 (GVBl. S. 518 ff.). BbahnG Bundesbahngesetz v. 13. 12. 1951 (BGBl. I S. 955 ff.), zuletzt geändert durch Art. 512 der Verordnung v. 31. 08. 2015 (BGBl. I S. 1474 ff.). BetrVG Betriebsverfassungsgesetz v. 11. 10. 1952 (BGBl I, S. 681 ff.), in der Fassung der Bekanntmachung v. 25. 09. 2001 (BGBl. I S. 2518 ff.), zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes v. 17. 07. 2017 (BGBl. I S. 2509 ff.). BGB Bürgerliches Gesetzbuch v. 18. 08. 1896, in der Fassung der Bekanntmachung v. 02. 01. 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738 ff.), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes v. 20. 07. 2017 (BGBl. I S. 2787 ff.). BHO Bundeshaushaltsordnung v. 19. 08. 1969 (BGBl. I S. 1284 ff.), zuletzt geändert durch Art. 11 des Gesetzes v. 14. 08. 2017 (BGBl. I S. 3122 ff.). BV Verfassung des Freistaats Bayern in der Fassung der Bekanntmachung v. 15. 12. 1998 (GVBl. S. 991, 992, BayRS 100-1-I), zuletzt geändert durch Gesetz v. 11. 11. 2013 (GVBl. S. 638 ff.). BVerfGG Gesetz über das Bundesverfassungsgericht (Bundesverfassungsgerichtsgesetz) v. 12. 03. 1951 (BGBl. I S. 625 ff.) in der Fassung der Bekanntmachung v. 11. 08. 1993 (BGBl. I S. 1473 ff.), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes v. 08. 10. 2017 (BGBl. I S. 3546 ff.). DBGrG Gesetz über die Gründung einer Deutsche Bahn Aktiengesellschaft (Deutsche Bahn Gründungsgesetz) v. 27. 12. 1993 (BGBl. I S. 2378, 2386; 1994 I S. 2439 ff.), zuletzt geändert durch Art. 515 Zehnte Zuständigkeitsanpassungsverordnung v. 31. 08. 2015 (BGBl. I S. 1474 ff.). EMRK Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten) v. 4. 11. 1950 (BGBl. 1952 II S. 686 ff.), in der Fassung der Bekanntmachung v.
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ENeuOG
ERegG EUV
GG
GmbHG
GRCh GWB
MitbestG
StGB
TVG
VwGO
VwVfG
WRV
Abkürzungsverzeichnis 22. 10. 2010 (BGBl. II S. 1198 ff.), zuletzt geändert durch das 15. EMRK-Protokoll v. 24. 06. 2013 (BGBl. 2014 II S. 1034 ff.). Gesetz zur Neuordnung des Eisenbahnwesens (Eisenbahnneuordnungsgesetz) v. 27. 12. 1993 (BGBl. I S. 2378; 1994 I S. 2439 ff.), zuletzt geändert durch Art. 107 des Gesetzes v. 08. 07. 2016 (BGBl. I S. 1594 ff.). Eisenbahnregulierungsgesetz vom 29. 08. 2016 (BGBl. I S. 2082). Vertrag über die Europäische Union (EU-Vertrag) in der Fassung des Vertrages von Lissabon v. 13. 12. 2007 (ABl. Nr. C 306 S. 1 ff.), zuletzt geändert durch Art. 13, 14 Abs. 1 der EU-Beitrittsakte 2013 v. 09. 12. 2011 (ABl. 2012 Nr. L 112 S. 21 ff.). Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland v. 23. 05. 1949 (BGBl. S.1 ff.), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes v. 13. 07. 2017 (BGBl. I S. 2347 ff.). Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung in der Fassung der Bekanntmachung v. 20. 05. 1898 (RGBl. S. 846), zuletzt geändert durch Art. 10 des Gesetzes v. 17. 07. 2017 (BGBl. I S. 2446 ff.). Charta der Grundrechte der Europäischen Union v. 12. 12. 2007 (BGBl. 2008 II S. 1165 ff.). Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung v. 26. 06. 2013 (BGBl. I S. 1750 ff., 3245 ff.), zuletzt geändert durch Art. 10 Abs. 9 des Gesetzes v. 30. 10. 2017 (BGBl. I S. 3618 ff.). Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Mitbestimmungsgesetz) v. 04. 05. 1976 (BGBl. I S. 1153 ff.), zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes v. 24. 04. 2015 (BGBl. I S. 642 ff.). Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung v. 13. 11. 1998 (BGBl. I S. 3322 ff.), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes v. 30. 10. 2017 (BGBl. I S. 3618 ff.). Tarifvertragsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung v. 25. 08. 1969 (BGBl. I S. 1323 ff.), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes v. 03. 07. 2015 (BGBl. I S. 1130 ff.). Verwaltungsgerichtsordnung in der Fassung der Bekanntmachung v. 19. 03. 1991 (BGBl. I S. 686 ff.), zuletzt geändert durch Art. 5 Abs. 2 des Gesetzes v. 08. 10. 2017 (BGBl. I S. 3546 ff). Verwaltungsverfahrensgesetz in der Fassung der Bekanntmachung v. 23. 01. 2003 (BGBl. I S. 102 ff.), zuletzt geändert durch Art. 11 Abs. 2 des Gesetzes v. 18. 07. 2017 (BGBl. I S. 2745 ff.). Die Verfassung des Deutschen Reichs v. 11. 08. 1919 (RGBl. S. 1383, ber. 1920 S. 328 ff.), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung der Reichsverfassung v. 17. 12. 1932 (RGBl. I S. 547 ff.).
II. Abkürzungen europäischer Richtlinien und Verordnungen Richtlinie 2001/12/EG
Richtlinie 2001/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 zur Änderung der Richtlinie 91/440/EWG des
Abkürzungsverzeichnis
Richtlinie 2001/14/EG
Richtlinie 2004/109/EG
Richtlinie 2006/111/EG
Richtlinie 2012/34/EU
Richtlinie 80/723/EWG
Richtlinie 91/440/EWG
Verordnung (EG) Nr. 1370/2007
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Rates zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft (ABl. v. 15. 03. 2001 Nr. L 75 S. 1 ff.). Richtlinie 2001/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn und die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur (ABl. v. 15. 03. 2001 Nr. L 75 S. 29 ff.), zuletzt geändert durch Art. 65 der Änderungsrichtlinie 2012/34/EU v. 21. 11. 2012 (Abl. v. 14. 12. 2012 Nr. L 343 S. 32 ff.). Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (ABl. v. 31. 12. 2004 Nr. L 390 S. 38 ff.), zuletzt geändert durch Art. 1 der Änderungsrichtlinie 2013/50/EU v. 22. 10. 2013 (ABl. v. 06. 11. 2013 Nr. L 294 S. 13 ff.). Richtlinie 2006/111/EG der Kommission vom 16. November 2006 über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen sowie über die finanzielle Transparenz innerhalb bestimmter Unternehmen (ABl. v. 17. 11. 2006 Nr. L 318 S. 17 ff.). Richtlinie 2012/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums (ABl. v. 14. 12. 2012 Nr. L 343 S. 32 ff. (ABl. 2015 Nr. L 67 S. 32 ff.) zuletzt geändert durch Beschluss (EU) 2017/2075 der Kommission v. 04. 09. 2017 (ABl. v. 14. 11. 2017 Nr. L 295 S. 69 ff.). Richtlinie 80/723/EWG der Kommission vom 25. Juni 1980 über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen sowie über die finanzielle Transparenz innerhalb bestimmter Unternehmen (ABl. v. 29. 07. 1980 Nr. L 195, S. 35 ff.) zuletzt geändert durch Art. 10 ÄndRL 2006/111/ EG v. 16. 11. 2006 (ABl. v. 17. 11. 2006 Nr. L 318 S. 17 ff.). Richtlinie 91/440/EWG des Rates vom 29. Juli1991 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft (ABl. v. 24. 08. 1991 Nr. L 237 S. 25 ff.), zuletzt geändert durch Art. 65 Änderungsrichtlinie 2012/34/EU v. 21. 11. 2012 (ABl. v. 14. 12. 2012 Nr. L 343 S. 32 ff.). Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (ABl. v. 03. 12. 2007 Nr. L 315 S.1 ff.) geändert durch Art. 1 ÄndVO (EU) 2016/2338 v. 14. 12. 2016 (ABl. v. 23. 12. 2016 Nr. L 354 S. 22 ff.).
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Abkürzungsverzeichnis III. Abkürzungen russischer Gesetze und internationaler Verträge1
AEGRF
ÄEZGBRF Nr. 47538-6/1
ÄEZGBRF Nr. 47538-6/2
ÄG-APOGUAOSGSGRF Nr. 95
ÄG-APOGUAOSGSGRF Nr. 122
ÄGHGRF 2008
Gesetz „über autonome Einrichtungen“/„Ob avtonomnych ucˇ erezˇ denijach“, FG v. 03. 11. 2006, Nr. 174, in der Fassung v. 27. 11. 2017. Änderungsentwurf „über die Einführung von Änderungen in den ersten, zweiten, dritten und sechsten Teil des ZGBRF und in einzelne Gesetze der RF“/„O vnesenii izmenenij v cˇ asti pervuju, vtoruju, tret’ju i cˇ etvertuju Grazˇ danskogo kodeksa Rossijskoj Federacii, a takzˇ e v otdel’nye zakonodatel’nye akty Rossijskoj Federacii“, vorbereitet für die erste Lesung am 27. 04. 2012. Änderungsentwurf „über die Einführung von Änderungen des 4. Kapitels des ersten Teils des ZGBRF und über das für Kraftloserklären einzelner Bestimmungen von Gesetzen der RF“/„O vnesenii izmenenij v glavu 4 cˇ asti pervoj Grazˇ danskogo kodeksa Rossijskoj Federacii i o priznanii utrativsˇimi silu otdel’nych polozˇ enij zakonodatel’nych aktov Rossijskoj Federacii“, vorbereitet für die zweite Lesung am 10. 12. 2012. Änderungsgesetz des Gesetzes „über die allgemeinen Prinzipien der Organisation der gesetzgebenden und ausführenden Organe der staatlichen Gewalt der Subjekte der RF“/„O vnesenii izmenenij i dopolnenij v Federal’nyj zakon ,Ob obsˇcˇ ich principach organizacii zakonodatel’nych (predstavitel’nych) i ispolnitel’nych organov gosudarstvennoj vlasti sub’’ektov Rossijskoj Federacii’“, FG v. 04. 07. 2003, Nr. 95, GSRF 2003/27/2709, in der Fassung v. 25. 11. 2013. Änderungsgesetz im Zusammenhang mit dem Änderungsgesetz des Gesetzes „über die allgemeinen Prinzipien der Organisation der gesetzgebenden und ausführenden Organe der staatlichen Gewalt der Subjekte der RF“ und der Annahme des Gesetzes „über die allgemeinen Prinzipien der Organisation der örtlichen Selbstverwaltung“/„O vnesenii izmenenij v zakonodatel’nye akty Rossijskoj Federacii i priznanii utrativsˇimi silu nekotorych zakonodatel’nych aktov Rossijskoj Federacii v svjazi s prinjatiem federal’nych zakonov ,O vnesenii izmenenij i dopolnenij v Federal’nyj zakon ,Ob obsˇcˇ ich principach organizacii zakonodatel’nych (predstavitel’nych) i ispolnitel’nych organov gosudarstvennoj vlasti sub’’ektov Rossijskoj Federacii’ i ,Ob obsˇcˇ ich principach organizacii mestnogo samoupravlenija v Rossijskoj Federacii’’“, FG v. 22. 08. 2004, Nr. 122, in der Fassung v. 31. 12. 2017. Änderungsgesetz des Haushaltsgesetzes 2008/„O vnesenii izmenenij v Federal’nyj zakon ,O federal’nom bjudzˇ ete na 2008 god i na planovyj period 2009 i 2010 godov’“, FG v. 08. 11. 2008, Nr. 193, GSRF 2008/45/5139.
1 Soweit russische Gesetze oder internationale Verträge ohne Fundstelle angegeben sind, wird nach der Datenbank „ConsultantPlus“ zitiert.
Abkürzungsverzeichnis ÄGHGRF 2009
ÄGIGRF ÄGNKOGRF Nr. 40
ÄGNKOGRF Nr. 169 ÄGNKOGRF Nr. 174 ÄGNKOGRF Nr. 437
ÄGRostechGRF
ÄGSkolkovo-GRF
AKTGRF APOGUAOSGSGRF
APOÖSGRF
ArbPORF ARZLEVGTP
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Änderungsgesetz des Haushaltsgesetzes 2009/„O vnesenii izmenenij v Federal’nyj zakon ,O federal’nom bjudzˇ ete na 2009 god i na planovyj period 2010 i 2011 godov’“, FG v. 28. 04. 2009, Nr. 76, GSRF 2009/18/2156. Änderungsgesetz des Insolvenzgesetzes/„O vnesenii izmenenij v Federal’nyj zakon ,O nesostojatel’nosti (bankrotstve)’“, FG v. 30. 12. 2008, Nr. 296, in der Fassung v. 29. 07. 2017. Änderungsgesetz NKOGRF/„O vnesenii izmenenij i dopolnenija v Federal’nyj zakon ,O nekommercˇ eskich organizacijach’“, FG v. 25. 02. 1999 Nr. 40, GSRF 1999/9/1097, in der Fassung v. 14. 10. 2014. Änderungsgesetz NKOGRF/„O vnesenii izmenenij v otdel’nye zakonodatel’nye akty Rossijskoj Federacii“, FG v. 01. 07. 2011, Nr. 169, SZ/2011/1/49, in der Fassung v. 30. 10. 2017. Änderungsgesetz des NKOGRF/„O vnesenii izmenenij i dopolnenij v Federal’nyj zakon ,O nekommercˇ eskich organizacijach’“, FG v. 26. 11. 1998, Nr. 174. Änderungsgesetz NKOGRF/„O vnesenii izmenenij v Federal’nyj zakon ,O nekommercˇ eskich organizacijach’ i otdel’nye zakonodatel’nye akty Rossijskoj Federacii“, FG v. 29. 12. 2010, Nr. 437, in der Fassung v. 30. 03. 2016. Änderungsgesetz Rostech-GRF/„O vnesenii izmenenij v Federal’nyj zakon ,O Gosudarstvennoj korporacii ,Rostechnologi’’“, FG v. 07. 05. 2009 Nr. 88, GSRF 2009/19/2278, in der Fassung v. 10. 07. 2012. Änderungsgesetz im Zusammenhang mit der Annahme des Gesetzes „Über das Innovationszentrum ,Skolkovo’“/„O vnesenii izmenenij v otdel’nye zakonodatel’nye akty Rossijskoj Federacii v svjazi s prinjatiem Federal’nogo zakona ,Ob innovacionnom centre ,Skolkovo’“, FG v. 28. 09. 2010, Nr. 243, GSRF 2010/40/4969, in der Fassung v. 03. 07. 2016. Gesetz über Aktiengesellschaften/„Ob akcionernych obsˇcˇ estvach“, FG v. 26. 12. 1995, Nr. 208, GSRF 1996/1/1, in der Fassung v. 29. 07. 2017. Gesetz über die allgemeinen Prinzipien der Organisation der gesetzgebenden und ausführenden Organe der staatlichen Gewalt der Subjekte der RF/„Ob obsˇcˇ ich principach organizacii zakonodatel’nych (predstavitel’nych) i ispolnitel’nych organov gosudarstvennoj vlasti sub’’ektov Rossijskoj Federacii“, FG v. 06. 10. 1999, Nr. 184, in der Fassung v. 30. 10. 2017. Gesetz über die allgemeinen Prinzipien der Organisation der örtlichen Selbstverwaltung/„Ob obsˇcˇ ich principach organizacii mestnogo samoupravlenija v RF“, FG v. 06. 10. 2003, Nr. 131, GSRF 2003/40/3822, in der Fassung v. 05. 12. 2017. Arbitrageprozessordnung/„Arbitrazˇ nyj processual’nyj kodeks“, FG v. 24. 07. 2002, Nr. 95, in der Fassung v. 28. 12. 2017. Abkommen „über die Regulierung des Zugangs zu Leistungen des Eisenbahnverkehrs, einschließlich der Grundlagen der Tarifpoli-
30
AVE-GRF
BAGRF BGRF BVUVVEBVGRF
EBGRF EBVGRF EMGRF FEBVGRF FZRWW-GRF
HSRF 2011 IGRF KAvtodor-GRF
KSGRF
Abkürzungsverzeichnis tik“/„Soglasˇenie o regulirovanii dostupa k uslugam zˇ eleznodorozˇ nogo transporta, vkljucˇ aja osnovy tarifnoj politiki“; abrufbar unter: http://www.eurasiancommission.org/ru/Lists/EECDocs/63 5049316561807590.pdf [zuletzt aufgerufen am 19. 01. 2018]. Gesetz über die Versicherung natürlicher Personen in den Banken der RF (zugleich das Gesetz über die Agentur für die Versicherung von Einlagen)/„O strachovanii vkladov fizicˇ eskich lic v bankach Rossijskoj Federacii“, FG v. 23. 12. 2003, Nr. 177, GSRF 177/52/ 5029, in der Fassung v. 31. 07. 2017. Gesetz über die Bürgeranfragen/„O porjadke rassmotrenija obrasˇcˇ enij grazˇ dan Rossijskoj Federacii“, FG v. 02. 05. 2006, Nr. 59, GSRF 2006/19/2060, in der Fassung v. 27. 11. 2017. Budget-Gesetzbuch der RF/„Bjudzˇ etnyj kodeks Rossijskoj Federacii“, FG v. 31. 07. 1998, Nr. 145, in der Fassung v. 28. 12. 2017. Gesetz über Besonderheiten der Verwaltung und Veräußerung des Vermögens des Eisenbahnverkehrs/„Ob osobennostjach upravlenija i rasporjazˇ enija imusˇcˇ estvom zˇ eleznogo transporta“, FG v. 27. 02. 2003, Nr. 29, GSRF 2003/9/805, in der Fassung v. 30. 09. 2017. Gesetz über die Entwicklungsbank/„? banke razvitija“, FG v. 17. 05. 2007, Nr. 82, GSRF 2007/22/2562, in der Fassung v. 29. 07. 2017. Gesetz über den Eisenbahnverkehr in der RF/„? zˇ eleznom transporte v Rossijskoj Federacii “, FG v. 10. 01. 2003, Nr. 17, in der Fassung v. 20. 12. 2017. Gesetz über echte Monopole/„O estestvennych monopolijach“, FG v. 17. 08. 1995, Nr. 147, in der Fassung v. 29. 07. 2017. Gesetz über den föderalen Eisenbahnverkehr/„? federal’nom zˇ eleznodorozˇ nom transporte“, FG v. 25. 08. 1995, Nr. 153, in der Fassung v. 20. 12. 2017. Gesetz über den Fond der Zusammenarbeit der Reformation der Wohnungswirtschaft/„? Fonde sodejstvija reformirovaniju zˇ ilisˇcˇ no-kommunal’nogo chozjajstva“, FG v. 21. 07. 2007, Nr. 185, GSRF 2007/30/3799, in der Fassung v. 31. 12. 2017. Haushaltsgesetz 2011/„? federal’nom bjudzˇ ete na 2011 goda i na planovyj period 2012 i 2013 godov“, FG v. 13. 12. 2010, Nr. 357, GSRF 2010/51/6809, in der Fassung v. 06. 11. 2011. Gesetz über die Insolvenz/„? nesostojatel’nosti (bankrotstve)“, FG v. 26. 10. 2002, Nr. 127, in der Fassung v. 29. 12. 2017. Gesetz über die Kompanie Rossijskie avtomobil’nye dorogi/„? gosudarstvennoj kompanii ,Rossijskie avtomobil’nye dorogi’ i o izmenenij v otdel’nye zakonodatel’nye akty Rossijskoj Federacii“, FG v. 17.07. 2009, Nr. 145, SZ 2009/29/3582, in der Fassung v. 29. 07. 2017. Gesetz über Konkurrenzschutz/„? zasˇcˇ ite konkurencii“, FG v. 26. 07. 2006, Nr. 135, in der Fassung v. 29. 07. 2017.
Abkürzungsverzeichnis KSGRF a.F. Nanotech-GRF NKOGRF ÖRKGERF
ÖRKGRF
PSMBGRF
PSMVGRF
REMRKGRF RHGRF a.F. Rosatom-GRF
Roskosmos-GRF
Rostech-GRF
SBOOESS-GRF
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Gesetz über Konkurrenzschutz alte Fassung/„? zasˇcˇ ite konkurencii (v starroj redakcii)“, FG v. 22. 03. 1991, Nr. 948-1, in der Fassung v. 26. 07. 2006. Gesetz über die russische Korporation für Nanotechnologie/„? Rossijskoj korporacii nanotechnologii“, FG v. 19. 07. 2007, Nr. 139, GSRF 2007/30/3753, in der Fassung v. 31. 05. 2010. Gesetz über nicht-kommerzielle Organisationen/„? nekommercˇ eskich organizacijach“, FG v. 12. 01. 1996, Nr. 7, GSRF 1996/ 3/145, in der Fassung v. 14. 11. 2017. Gesetzentwurf über die öffentlich-rechtlichen Kompanien/„? publicˇ no-pravovych kompanijach v Rossijskoj Federacii i o vnesenii izmenenij v otdel’nye zakonodatel’nye akty Rossijskoj Federacii“, v. 04.04. 2013, Nr. 252441-6. Gesetz über die öffentlich-rechtlichen Kompanien/„? publicˇ nopravovych kompanijach v Rossijskoj Federacii i o vnesenii izmenenij v otdel’nye zakonodatel’nye akty Rossijskoj Federacii“, FG v. 03. 07. 2016, Nr. 236, in der Fassung v. 29. 07. 2017. Gesetz über die Privatisierung staatlicher und munizipaler Betriebe in der RF/„? privatizacii gosudarstvennych i municipal’nych predprijatij v Rossijskoj Federacii“, FG v. 03. 07. 1991, Nr. 1531, in der Fassung v. 17. 03. 1997. Gesetz über die Privatisierung staatlichen und munizipalen Vermögens/„? privatizacii gosudarstvennovo i municipal’nogo imusˇcˇ estva“, FG v. 21. 12. 2001, Nr. 178, GSRF 2002/4/251, in der Fassung v. 01. 07. 2017. Gesetz über die Ratifikation der EMRK/„O ratifikacii Konvencii o zasˇcˇ ite prav cˇ eloveka i osnovnych svobod i Protokolov k nej“, FG v. 30. 03. 1998, Nr. 54, GSRF 1998/14/1514. Gesetz über den Rechnungshof der Russischen Föderation alte Fassung/„? Scˇ etnoj palate Rossijskoj Federacii“, FG v. 11. 01. 1995, Nr. 4, in der Fassung v. 03. 12. 2012. Gesetz über die Staatskorporation für die Atomenergie „Rosatom“/ „? Gosudarstvennoj korporacii po atomnoj e˙ nergii ,Rosatom’“, FG v. 01. 12. 2007, Nr. 317, GSRF 2007/49/6078, in der Fassung v. 29. 12. 2017. Gesetz über die Staatskorporation für kosmonautische Tätigkeit Roskosmos/„? Gosudarstvennoj korporacii po kosmicˇ eskoj dejatel’nost’ Roskosmos“, FG v. 13. 07. 2015, Nr. 215, in der Fassung v. 29. 12. 2017. Gesetz über die Staatskorporation „Rostech“/„? Gosudarstvennoj korporacii po sodejstviju razrabotke proizvodstvu i e˙ ksportu vysokotechnologicˇ noj promysˇlennoj produkcii ,Rostech’“, FG v. 23. 11. 2007, Nr. 270, GSRF 2007/48(2)/5814, in der Fassung v. 29. 12. 2017. Gesetz über die Staatskorporation für den Bau olympischer Objekte und die Entwicklung der Stadt Socˇ i als bergklimatischen Kurort/„? Gosudarstvennoj korporacii po stroitel’stvu olimpijskich ob’’ektov i razvitiju goroda Socˇ i kak gornoklimaticˇ eskogo kurorta“, FG v.
32
SEBTGRF SGBRF SJPEUSKGRF
Skolkovo-GRF SLGRF
SUMUBGRF
VerfGGRF VerfGGRSFSR VerfRF VerfRSFSR 1978
Verf USSR 1936
Verf USSR 1977
Abkürzungsverzeichnis 30. 10. 2007, Nr. 238, GSRF 2007/45/5415, in der Fassung v. 07. 05. 2013. Gesetz über die Satzung des Eisenbahntransportes der RF/„Ustav zˇ eleznodorozˇ nogo transporta Rossijskoj Federacii“, FG v. 10. 01. 2003, Nr. 18, in der Fassung v. 18. 07. 2017. Steuergesetzbuch der RF/„Nalogovyj kodeks Rossijskoj Federacii“, FG v. 31. 07. 1998, Nr. 146, in der Fassung v. 29. 12. 2017. Gesetz über den Schutz juristischer Personen und Einzelunternehmer bei Staatskontrollen/„? zasˇcˇ ite prav juridicˇ eskich lic i individual’nych predprinimatelej pri osusˇcˇ estvlenii gosudarstvennogo kontrolja (nadzora) i municipal’nogo kontrolja“, FG v. 26. 12. 2008, Nr. 294, in der Fassung v. 01. 01. 2018. Gesetz über das Innovationszentrum „Skolkovo“/„Ob innovacionnom centre ,Skolkovo’“, FG v. 28. 09. 2010, Nr. 244, GSRF 2010/40/4970, in der Fassung v. 29. 12. 2017. Gesetz über staatliche und munizipale Leistungen/„Ob organizacii predostavlenii gosudarstvennych i munizipal’nych uslug“, FG v. 27. 07. 2010, Nr. 210, GSRF 2010/31/4179, in der Fassung v. 05. 12. 2017. Gesetz über staatliche und munizipale unitarische Betriebe/„? gosudarstvennych i municipal’nych unitarnych predprijatijach“, FG v. 14. 11. 2002, Nr. 161, GSRF 2002/48/4746, in der Fassung v. 19. 12. 2017. Gesetz über das Russische Verfassungsgericht/„? Konstitucionnom Sude Rossijskoj Federacii“, FVG v. 21. 07. 1994, Nr. 1, in der Fassung v. 28. 12. 2016. Gesetz über das Verfassungsgericht der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik/„? Konstitucionnom Sude RSFSR“ v. 06. 05. 1991, Nr. 1175 I, Vedomosti RF 1991, Nr. 19, S. 661. Verfassung der RF (angenommen durch Volksabstimmung vom 12.12. 1993)/„Konstitucija Rossijskoj Federacii“ (prinjata vsenarodnym golosovaniem 12. 12. 1993), in der Fassung v. 21. 07. 2014. Verfassung (Grundgesetz) der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik v. 12.04.1978/„Konstitucija (Osnovnoj zakon) Rossijskoj Sovetskoj Federativnoj Socialisticˇ eskoj Respubliki ot 12 aprelja 1978g“, in der Fassung v. 09. 12. 1992, Nr. 4061 I. Verfassung (Grundgesetz) der Sozialistischen Sowjetrepubliken (bestätigt durch die Verfügung der außerordentlichen siebten Versammlung der Räte der Union Sozialistischer Sowjetrepubliken v. 05.12.1936/„Konstitucija (Osnovnoj zakon) Sojuza Sovetskich Socialisticˇ eskich Respublik (utverzˇ dena postnavleniem Cˇ rezvycˇ ajnogo VII S’’ezda Sovetov Sojuza Sovetskich Socialisticˇ eskich Respublik ot 5 dekabrja 1936g.)“, zitiert nach http://consti tution.garant.ru/history/ussr-rsfsr/1936/red_1936/3958676/ [zuletzt aufgerufen am 07. 01. 2018]. Verfassung (Grundgesetz) der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (angenommen auf der außerordentlichen siebten Versammlung des Obersten Rates der SSS der neunten Wahlperiode
Abkürzungsverzeichnis
33
des Jahres 1977/„Konstitucija (Osnovnoj zakon) Sojuza Sovetskich Socialisticˇ eskich Respublik (prinjata na vneocˇ erednoj sed’moj sessii Verchovnogo Soveta SSSR devjatogo sozyva 7 oktjabrja 1977 g.)“, zitiert nach: http://constitution.garant.ru/history/ussrrsfsr/1977/red_1977/5478732/ [zuletzt aufgerufen am 07. 01. 2018]. Vertrag über die Eurasische Wirtschaftsunion/„Dogovor o Evrazijskom e˙ konomicˇ eskom sojuze“; abrufbar unter: https://docs.eaeunion.org/docs/ru-ru/0023611/itia_05062014_doc.pdf [zuletzt aufgerufen am 07.012018]. Gesetz über die Völkerrechtsverträge der RF/„? mezˇ dunarodnych dogovorach Rossijskoj Federacii“, FG v. 15. 07. 1995, Nr. 101, GSRF 1995/29/2757, in der Fassung v. 12. 03. 2014. Verwaltungsgerichtsordnung der RF/„Kodeks administrativnogo sudoproizvodstva Rossijskoj Federacii“, v. 08. 03. 2015, Nr. 21, in der Fassung v. 28. 12. 2017. Gesetz über den Zivildienst in der RF/„? gosudarstvennoj grazˇ danskoj sluzˇ be Rossijskoj Federacii“, FG v. 27. 07. 2004, Nr. 79, GSRF 2004/31/3215, in der Fassung v. 28. 12. 2017. Zivilgesetzbuch der Russischen Föderation/„Grazˇ danskij kodeks Rossijskoj Federacii“, v. 30. 11. 1994, Nr. 51, GSRF 1994/32/3301, in der Fassung v. 05. 12. 2017. Zivilprozessordnung/„Grazˇ danskij processual’nyj kodeks Rossijskoj Federacii“, FG v. 14. 11. 2002, Nr. 138, in der Fassung v. 28. 12. 2017.
VEWU
VVGRF
VwGORF
ZDGRF
ZGBRF
ZPORF
IV. Abkürzungen russischer unter- und nicht-gesetzlicher Akte2 Anordnung des Innenministeriums der RF Nr. 846
Anordnung von Rosimusˇcˇ estvo Nr. 357
Ansprache des Präsidenten der RF v. 12. 11. 2009 Brief der Bank Russlands v. 10. 04. 2014, Nr. 06-52/2463
Anordnung des Innenministeriums der RF Nr. 846 „Über die Bestätigung der typischen Bestimmung über des Innenministerium, über die Hauptleitung und die Leitung der inneren Angelegenheiten eines Subjekts der RF“/„Ob utverzˇ denii Tipovogo polozˇ enija o ministerstve vnutrennych del, glavnom upravlenii, upravlenii vnutrennych del po sub’’ektu Rossijskoj Federacii“, v. 25. 10. 2006, Rossijskaja Gazeta v. 30. 11. 2006, Nr. 269. Anordnung (Prikaz) von Rosimusˇcˇ estvo Nr. 357 „Über die Bestätigung methodischer Empfehlungen für die Organisation der Arbeit des Direktorenrats in der Aktiengesellschaft“/„O utverzˇ denii metodicˇ eskich rekomendacijach po organizacii raboty soveta direktorov v aktionernom obsˇcˇ estvom“, v. 21. 11. 2013. Ansprache des Präsidenten der RF zur Föderalen Versammlung v. 12. 11. 2009, Rossijskaja Gazeta 2009, Nr. 214. Brief der Bank Russlands v. 10. 04. 2014, Nr. 06-52/2463 „Über den CGKRF“/„O kodekse korporativnogo upravlenja“.
2 Soweit russische unter- oder nichtgesetzliche Akte ohne Fundstelle angegeben sind, wird nach der Datenbank „ConsultantPlus“ zitiert.
34 Brief des Ministeriums für wirtschaftliche Entwicklung v. 15. 02. 2010, Nr. 2141 Budget-Ansprache des Präsidenten der RF „über die Budget-Politik 2009 – 2011“ Konzeption JP
Konzeption ZGBRF
Präsidentenerlass Nr. 314
Präsidentenerlass Nr. 369
Präsidentenerlass Nr. 490
Präsidentenerlass Nr. 724
Präsidentenerlass Nr. 932
Präsidentenerlass Nr. 1009
Abkürzungsverzeichnis Brief des Ministeriums für wirtschaftliche Entwicklung v. 15. 02. 2010, Nr. 2141 – E˙ N/D06, nach Vinnickij, Pravo i politika 2011, Nr. 3. Budget-Ansprache des Präsidenten der RF vor der Föderalen Versammlung „über die Budget-Politik 2009 – 2011“/„O bjudzˇ etnoj politike v 2009 – 2011 godach“, v. 23. 06. 2008. Konzeption zur Entwicklung der Gesetzgebung der juristischen Personen/Koncepcija razvitija zakonodatel’stva o juridicˇ eskich licach, Vestnik grazˇ danskogo prava, 2009, Nr. 2. Konzeption zur Entwicklung der bürgerlich-rechtlichen Gesetzgebung RF (angenommen vom Rat beim Präsidenten der RF für die Kodifizierung und Vervollkommung der bürgerlichrechtlichen Gesetzgebung)/Koncepcija razvitija grazˇ danskogo zakonodatel’stva Rossijskoj Federacii (odobrena resˇeniem soveta pri Prezidente Rossijskoj Federacii po kodifikacii i soversˇenstvovaniju grazˇ danskogo zakonodatel’stva, v. 07. 10. 2009, Vestnik VAS RF 2009, Nr. 11. Präsidentenerlass (Ukaz) Nr. 314 „Über das System und die Struktur der föderalen Organe der ausführenden Gewalt“/„O sisteme i strukture federal’nych organov ispolnitel’noj vlasti“, v. 09. 03. 2004 in der Fassung v. 28. 09. 2017. Präsidentenerlass (Ukaz) Nr. 369 „Über die Maßnahmen zur Gründung der staatlichen Korporation für Atomenergie ,Rosatom’“/„O merach po sozdaniju Gosudarstvennoj korporacii po atomnoj e˙ nergii ,Rosatom’“, v. 20. 03. 2008 in der Fassung v. 21. 12. 2017. Präsidentenerlass (Ukaz) „Über die Bestätigung der Bestimmungen über die Administration des Präsidenten der RF“/„Ob utverzˇ denii Polozˇ enii ob Administracii Prezidenta Rossijskoj Federacii“, GSRF 2004/15/1395, v. 06. 04. 2004 Nr. 490. Präsidentenerlass (Ukaz) Nr. 724 „Fragen des Systems und der Struktur der föderalen Organe der ausführenden Gewalt“/„Voprosy sistemy struktury federal’nych organov ispolnitel’noj vlasti“, in GSRF 2008/20/2290, v. 12. 05. 2008 in der Fassung v. 23. 11. 2016. Präsidentenerlass (Ukaz) Nr. 932 „Über die Vermögenseinlage der RF in die staatliche Korporation für Atomenergie ,Rosatom‘“/„Ob imusˇcˇ estvennom vznose Rossijskoj Federacii v Gosudarstvennuju korporaciju po atomnoj e˙ nergii ,Rosatom‘“, v. 30. 06. 2012 in der Fassung v. 20. 07. 2017. Präsidentenerlass (Ukaz) Nr. 1009 „Über die Bestätigung der Liste der strategischen Unternehmen und der strategischen Aktiengesellschaften“/„Ob utverzˇ denija perecˇ nja strategicˇ eskich predprijatij i strategicˇ eskich akcionernych obsˇcˇ estv“, v. 04. 08. 2004, SZ 2004/32/3313, in der Fassung v. 27. 12. 2017.
Abkürzungsverzeichnis Präsidentenerlass Nr. 1108
Präsidentenerlass Nr. 1392
Regierungsverfügung Nr. 265
Regierungsverfügung Nr. 1888
Regierungsverfügung Nr. 2101
Regierungsverordnung Nr. 111
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Präsidentenerlass (Ukaz) Nr. 1108 „Über die Vervollkommnung des Zivilgesetzbuches der RF“/„Ob soversˇcˇ enstvovanii Grazˇ danskogo kodeksa Rossijskoj Federacii“, v. 18. 07. 2008 in der Fassung v. 29. 07. 2014. Präsidentenerlass (Ukaz) Nr. 1392 „Über die Maßnahmen zur Realisierung der Industriepolitik bei der Privatisierung staatlicher Betriebe“ (zusammen mit der „vorübergehenden Bestimmung über Holdings, die bei der Umwandlung staatlicher Betriebe in Aktiengesellschaften entstanden sind“)/„Ob merach po realizacii promysˇlennoj politiki pri privatizacii gosudarstvennych predprijatij“ (vmeste s „vremennym polozˇ eniem o choldingovych kompanijach, sozdavaemych pri preobrazovanii gosudarstvennych predprijatij v akcionernye obsˇcˇ estva“), GSRF 1992/21/1731, v. 16. 11. 1992 in der Fassung v. 26. 03. 2003 mit Änderungen v. 30. 06. 2012. Regierungsverfügung (Racporjazˇ enie) Nr. 265 „Über die Bestätigung der Bestimmungen über den Direktorenrat der offenen Aktiengesellschaft ,Russische Eisenbahnen‘, die Bestimmungen über die Leitung der offenen Aktiengesellschaft ,Russische Eisenbahnen‘, die Bestimmungen über die Revisionskommission der offenen Aktiengesellschaft ,Russische Eisenbahnen‘“/„Ob utverzˇ denii Polozˇ enija o sovete direktorov otkrytogo akcionernogo obsˇcˇ estva ,Rossijskie zˇ eleznye dorogi’, Polozˇ enija o pravlenii otkrytogo akcionernogo obsˇcˇ estva ,Rossijskie zˇ eleznye dorogi’, Polozˇ enija o revizionnoj komissii otkrytogo akcionernogo obsˇcˇ estva ,Rossijskie zˇ eleznye dorogi’“, v. 25. 02. 2004 in der Fassung v. 15. 11. 2017. Regierungsverfügung (Racporjazˇ enie) Nr. 1888 „Über die vorzeitige Beendigung der Vollmachten der Mitglieder des Direktorenrates der OAGRF ,Russische Eisenbahn’“/„O dosrocˇ nom prekrasˇcˇ eniem polnomocˇ ij cˇ lenov soveta direktorov OAO ,Rossijskie zˇ eleznye dorogi’“, v. 27. 10. 2011. Regierungsverfügung (Racporjazˇ enie) Nr. 2101 „Über die unentgltliche Eigentumsübertragung von Grundstücken und Objekten des unbeweglichen Vermögens vom Föderalen Fond zur Föderung der Entwicklung des Wohnungsbaus an die nichtkommerzielle Organisation ,Fond der Entwicklung des Zentrums zur Ausarbeitung und Kommerzialisierung neuer Technologien’“/„O bezvozmezdnoj peredacˇ e v sobstvennost’ nekommercˇ eskoj organizacii ,Fond razvitija Centra razrabotki i kommercializacii novych technologij’ zemel’nych ucˇ astkov i ob’’ektov nedvizˇ imogo imusˇcˇ estva Federal’nym fondom sodejstvija razvitiju zˇ ilisˇcˇ nogo stroitel’stva“, GSRF 2010/49/6564, v. 27. 11. 2010. Regierungsverordnung (Postanovlenie) Nr. 111 „Über die Bestätigung der Regeln der Erbringung von Beförderungsdienstleistungen auf dem Eisenbahntransportweg von Passagieren, Fracht, Gepäck, Frachtgepäck für den persönlichen, familiären,
36
Regierungsverordnung Nr. 398
Regierungsverordnung Nr. 432
Regierungsverordnung Nr. 585
Regierungsverordnung Nr. 679
Regierungsverordnung Nr. 703
Regierungsverordnung Nr. 738
Regierungsverordnung Nr. 739
Abkürzungsverzeichnis häuslichen oder sonstigen Gebrauch, der nicht mit der Verwirklichung unternehmerischer Tätigkeit verbunden ist“/„Ob utverzˇ denii Pravil okazanija uslug po perevozkam na zˇ eleznom transporte passazˇ ipov, a takzˇ e gruzov, bagazˇ a i gruzobagazˇ a dlja licˇ nych, semejnych, domasˇnych i inych nuzˇ d, ne svjazannych s osusˇcˇ estvleniem predprinimatel’skoj dejatel’nosti“, v. 02. 03. 2005 in der Fassung v. 17. 06. 2015. Regierungsverordnung (Postanovlenie) Nr. 398 „Über die Bestätigung der Bestimmungen über den Föderalen Aufsichtsdienst im Transportbereich“/„Ob utverzˇ denii Polozˇ enija o Federal’noj sluzˇ be po nadzoru v sfere transporta“, v. 30. 07. 2004 in der Fassung v. 05. 05. 2017. Regierungsverordnung (Postanovlenie) Nr. 432 „Über die Föderale Agentur zur Verwaltung staatlichen Vermögens“/„Ob Federal’nom agenstve po upravleniju gosudarstvennym imusˇcˇ estvom“, GSRF 2008/23/2721, v. 05. 07. 2008 in der Fassung v. 01. 07. 2016. Regierungsverordnung (Postanovlenie) Nr. 585 „Über die Gründung der offenen Aktiengesellschaft ,Russische Eisenbahnen’“/„O sozdanii otkrytogo akcionernogo obsˇcˇ estva ,Rossijskie zˇ eleznye dorogi’“, GSRF 2003/39/3766, v. 18. 09. 2003 in der Fassung v. 14. 12. 2017. Regierungsverordnung (Postanovlenie) Nr. 679 „Über den Ablauf der Ausarbeitung und Bestätigung von administrativen Reglamenten zur Ausführung staatlicher Funktionen (der Erbringung staatlicher Dienstleistungen)“/„O porjadke razrabotki i utverzˇ denija administrativnych reglamentov ispolnenija gosudarstvennych funkcij (predostavlenija gosudarstvennych uslug)“, v. 11. 11. 2005 in der Fassung v. 16. 05. 2011. Regierungsverordnung (Postanovlenie) Nr. 703 „Über die Bestätigung der Regeln der Dienstleistungserbringung bei der Benutzung der Eisenbahntransportinfrastruktur allgemeiner Benutzung“/„Ob utverzˇ denii Pravil okazanija uslug po ispol’zovaniju infrastruktury zˇ eleznodorozˇ nogo transporta obsˇcˇ ego pol’zovanija“, v. 20. 11. 2003 in der Fassung v. 14. 12. 2006. Regierungsverordnung (Postanovlenie) „Über die Verwaltung der in föderalem Eigentum befindlichen Aktien von Aktiengesellschaften und den Gebrauch des speziellen Rechts der RF auf Beteiligung an der Verwaltung der Aktiengesellschaften (der ,goldenen Aktie‘)“/„Ob upravlenii nachodjasˇcˇ imisja v federal’noj sobstvennosti akcijami akcionernych obsˇcˇ estv i ispol’zovanii special’nogo prava na ucˇ astie Rossijskoj Federacii v upravlenii akcionernymi obsˇcˇ estvami (,zolotoj akcii’)“, GSRF 2004/50/5073, v. 03. 12. 2004 in der Fassung v. 19. 07. 2017. Regierungsverordnung (Postanovlenie) Nr. 739 „Über die Befugnisse der föderalen Organe der ausführenden Gewalt bei der Verwirklichung der Eigentumsrechte am Vermögen des födera-
Abkürzungsverzeichnis
Regierungsverordnung Nr. 831
Regierungsverordnung Nr. 1024
Regierungsverordnung Nr. 1053
Regierungsverordnung Nr. 1214
SEEBT-Programm
SÖE-Konzeption 2020
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len staatlichen unitarischen Betriebs“/„O polnomocˇ ijach federal’nych organov ispolnitel’noj vlasti po osusˇcˇ estvleniju prav sobstvennika imusˇcˇ estva federal’nogo gosudarstvennogo unitarnogo predprijatija“, GSRF 2004/50/5074, v. 03. 12. 2004 in der Fassung v. 05. 05. 2017. Regierungsverordnung (Postanovlenie) Nr. 831 „Über die Verwirklichung der Aktionärsrechte durch die staatliche Korporation für die Mitwirkung an der Erarbeitung, der Herstellung und dem Export von Hochtechnologieprodukten ,Rostech‘ im Namen der Russischen Föderation an den Aktiengesellschaften, deren Aktien sich im staatlichen Eigentum befinden und der staatlichen Korporation für die Mitwirkung an der Erarbeitung, der Herstellung und dem Export von Hochtechnologieprodukten als Vermögenseinlage der Russischen Föderation übergeben werden bis zur Übergabe der genannten Aktien“/„Ob osusˇcˇ estvlenii Gosudarstvennoj korporaciej po codejstviju pazrabotke, proizvodstvu i e˙ ksportu vysokotechnologicˇ noj promisˇlennoj produkcii ,Rostech’ ot imeni Rossijskoj Federacii prav akcionera akcionernych obsˇcˇ estv, akcii kotorych nachodjatsja v federal’noj sobstvennosti i peredajutsja Gosudarstvennoj korporacii codejstviju pazrabotke, proizvodstvu i e˙ ksportu vysokotechnologicˇ noj promisˇlennoj produkcii v kacˇ estve imusˇcˇ estvennogo vznosa Rossijskoj Federacii, do peredacˇ i ukazannych akcij“, GSRF 2009/44/5238, v. 17. 10. 2009 in der Fassung v. 22. 03. 2017. Regierungsverordnung (Postanovlenie) Nr. 1024 „Über die Konzeption der Verwaltung staatlichen Vermögens und die Privatisierung in der RF“/„O Koncepcii upravlenija gosudarstvennym imusˇcˇ estvom i privatizacii v Possijskoj Federacii“, GSRF 1999/39/4626, v. 09. 09. 1999 in der Fassung v. 29. 11. 2000. Regierungsverordnung (Postanovlenie) Nr. 1053 „Über einige Maßnahmen zur Verwaltung föderalen Vermögens“/„O nekotorych merach upravlenija federal’nym imusˇcˇ estvom“, GSRF 2009/3/379, v. 29. 12. 2008 in der Fassung vom 12. 12. 2017. Regierungsverordnung (Postanovlenie) Nr. 1214 „Über die Vervollkommnung der Verwaltungsordnung der offenen Aktiengesellschaften, deren Aktien sich in föderalem Eigentum befinden, sowie der föderalen staatlichen unitarischen Betriebe“/ „O soversˇenstvovanii porjadka upravlenija otkrytymi akcionernymi obsˇcˇ estvami, akcii kotorych nachodjatsja v federal’noj sobstvennosti, i federal’nymi gosudarstvennymi unitarnymi predprijatijami“, v. 31. 12. 2010. Programm zur Strukturreform des Eisenbahntransports/Programma strukturnoj reformy na zˇ eleznodorozˇ nom transporte, bestätigt durch die Regierungsverordnung v. 18. 05. 2001, Nr. 384. Konzeption der langfristigen sozial-ökonomischen Entwicklung der RF für den Zeitraum bis 2020/Koncepcija dolgosrocˇ nogo
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SÖE-Programm 2003 – 2005 SÖE-Programm 2006 – 2008
Abkürzungsverzeichnis social’no-e˙ konomicˇ eskogo razvitija Rossijskoj Federacii na period do 2020 goda, GSRF 2008/47/5489. Sozial-ökonomisches Entwicklungsprogramm der RF für eine mittelfristige Perspektive (2003 – 2005)/Programma social’noe˙ konomicˇ eskogo razvitija Rossijskoj Federacii na srednesrocˇ nuju perspektivu (2003 – 2005), GSRF 2003/34/3396. Sozial-ökonomisches Entwicklungsprogramm der RF für eine mittelfristige Perspektive (2006 – 2008)/Programma social’noe˙ konomicˇ eskogo razvitija Rossijskoj Federacii na srednesrocˇ nuju perspektivu (2006 – 2008), GSRF 2006/5/589. V. Sonstige Abkürzungen
a.A. ABl. Abs. AcP AG AGRF ÄndRL ÄndVO AOArbGRF AöR ArbGRF Art. AVerfGRF Avtodor BAG BAGE BayRS BayVerfGH BB BGBl. BGH BGHZ BK BT-Drucks. BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE BvR bzw.
anderer Ansicht Amtsblatt der Europäischen Union Absatz Archiv für die civilistische Praxis Deutsche Aktiengesellschaft Russische Aktiengesellschaft/„Akcionernoe obsˇcˇ estvo“ Änderungsrichtlinie Änderungsverordnung Anzeiger des Obersten Arbitragegerichts der Russischen Föderation/ „Vestnik Vyssˇego Arbitrazˇ nogo Suda Rossijskoj Federacii“ Archiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift) Arbitragegericht der Russischen Föderation/„Arbitrazˇ nyj Sud Rossijskoj Federacii“ Artikel Anzeiger des VerfGRF/„Vestnik Konstitucionnogo Suda“ Staatliche Kompanie Avtodor/„Gosudarstvennaja kompanija Rossijskie avtomobil’nye dorogi“ Bundesarbeitsgericht Sammlung der Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Bayerische Rechtssammlung Bayerischer Verfassungsgerichtshof Betriebs-Berater, Zeitschrift für Recht, Steuern und Wirtschaft Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof in Zivilsachen Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bonner Kommentar Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Registerzeichen, beim Bundesverfassungsgericht für Verfahren über Verfassungsbeschwerden nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a sowie über Kommunalverfassungsbeschwerden nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG verwendet beziehungsweise
Abkürzungsverzeichnis CCZ DB DB AG ders. Der Staat dies. DÖV DVBl. EG EGMR EU EuG EuGH EuGRZ EuR EurAsEC EuZW evtl. EWG FAZ FEEKNTRF FG Fn. FVG GbR GewArch GG GmbH GmSOGB GRUR Int. GSRF GVBl. HBdGR Hrsg. HS HStR i. d. F. v. i.d.g.F. insb. i.S.d. i.S.v. i.V.m. JURA
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CCZ – Corporate Compliance Zeitschrift Deutsche Bahn Deutsche Bahn AG derselbe Zeitschrift für Staatslehre und Verfassungsgeschichte, deutsches und europäisches öffentliches Recht dieselbe Die Öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) Deutsches Verwaltungsblatt Europäische Gemeinschaft Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Europäische Union Gericht der Europäischen Union Europäischer Gerichtshof Europäische GRUNDRECHTE-Zeitschrift Europarecht (Zeitschrift) Eurasian Economic Community (Eurasische Wirtschaftsgemeinschaft) Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht eventuell Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Frankfurter Allgemeine Zeitung Fond des Entwicklungszentrums der Erarbeitung und der Kommerzialisierung neuer Technologien/„Fond razvitija Centra razrabotki i kommercilizacii novych technologij“ Föderales Gesetz/„Federal’nyj zakon“ Fußnote Föderales Verfassungsgesetz/„Federal’nyj konstitucionnyj zakon“ Gesellschaft bürgerlichen Rechts Gewerbearchiv (Zeitschrift) Grundgesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, internationaler Teil (Zeitschrift) Gesetzessammlung RF/„Sobranie Zakonov RF, Svod zakonov Rossijskoj Federacii“ Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Handbuch der Grundrechte Herausgeber Halbsatz Handbuch des Staatsrechts in der Fassung vom in der geltenden Fassung insbesondere im Sinne des im Sinne von in Verbindung mit Juristische Ausbildung (Zeitschrift)
40 JuS JZ KG lit. LKRZ LuFV M. MüKo m.V. auf m.w.N. NJW Nr. NStZ NVwZ NZA NZBau NZG OAGRF OArbGRF OECD OGRF OHG OLG Olimpstroj PPP Quagos Quangos RF RG RGBl. RiW RL Rn. ROG Rs. Rspr. RZˇ D RZˇ D OAGRF S. s. s.a. sog.
Abkürzungsverzeichnis Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristen Zeitung (Zeitschrift) Kommanditgesellschaft Buchstabe Zeitschrift für Landes- und Kommunalrecht Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung Moskau Münchner Kommentar mit Verweis auf mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Wochenschrift Nummer Neue Zeitschrift für Strafrecht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Offene Aktiengesellschaft nach russischem Recht/„Otkrytoe akcionernoe obsˇcˇ estvo“ Oberstes Arbitragegericht der Russischen Föderation/„Vyssˇyj Arbitrazˇ nyj Sud RF“ The Organisation for Economic Co-operation and Development Oberstes Gericht der Russischen Föderation/„Vyssˇyj Sud RF“ Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Staatliche Korporation/„Gosudarstvennaja korporacija po stroitel’stvu olimpijskich ob’’ektov i razvitiju goroda Socˇ i kak gornoklimaticˇ eskogo kurorta“ Public Private Partnership Quasi governmental organizations Quasi non-governmental organizations Russische Föderation/„Rossijskaja Federacija“ Reichsgericht Reichsgesetzblatt Recht der Internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Richtlinie Randnummer Reporter ohne Grenzen Rechtssache Rechtsprechung Russische Eisenbahn/„Rossijskie zˇ eleznye dorogi“ Offene Aktiengesellschaft Russische Eisenbahn/„Otkrytoe akcionernoe obsˇcˇ estvo ,Rossijskie zˇ eleznye dorogi‘“ Seite siehe siehe auch sogenannte
Abkürzungsverzeichnis SPB StaatsR SZ Unterabs. USSR
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St. Petersburg Staatsrecht Süddeutsche Zeitung Unterabsatz Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken/„Sojus sovietskich socialisticˇ eskich republik“ v. vom VerfGRF Verfassungsgericht der Russischen Föderation/„Konstitucionnyj sud Rossijskoj Federacii“ VerwArch Verwaltungsarchiv, Zeitschrift für Verwaltungslehre, Verwaltungsrecht und Verwaltungspolitik VGH Kassel Verwaltungsgerichtshof Kassel VGH Mannheim Verwaltungsgerichtshof Mannheim vgl. vergleiche VO Verordnung vs. versus VVDStRL Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer WiRO Zeitschrift zur Rechts- und Wirtschaftsentwicklung in den Staaten Mittelund Osteuropas WiVerw Wirtschaft und Verwaltung, Vierteljahresbeilage zum Gewerbearchiv (Zeitschrift) w.N. weitere Nachweise WuW Wirtschaft und Wettbewerb, Zeitschrift für Kartellrecht, Wettbewerbsrecht, Marktorganisation ZaöRV Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht z. B. zum Beispiel ZEuP Zeitschrift für Europäisches Privatrecht ZEV Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge ZfVerkWiss Zeitschrift für Verkehrswissenschaft ZGR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht ZHR Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht zit. zitiert ZP Zusatzprotokoll ZUM Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht
Erster Teil
Die Entwicklung des Kriteriums der demokratischen Legitimation für die Einordnung eines Unternehmens in die staatliche oder gesellschaftliche Sphäre
§ 1 Einführung A. Der Problemaufriss „Dreht Putin uns den Gashahn zu?“1 und „Russland verstärkt Propaganda“2 durch „Putins Staatsfernsehen […]“.3 Diese und ähnliche Schlagzeilen waren jüngst im Rahmen der „Krimkrise“ in den deutschen Medien zu lesen. Gemeint war die Geschäftspolitik eines der größten russischen Gasunternehmen („Gazprom“), das im Mehrheitseigentum des Staates steht und seinerseits die Mehrheit der Anteile an einem wichtigen russischen Fernsehkanal (NTW) hält.4 Die Wortwahl dieser Schlagzeilen erweckt den Eindruck, als ob die russische Staatsführung selbst die Geschicke des Unternehmens lenke, als ob sie gar selbst der Redaktion der Sender vorstehe. Dabei ist fraglich, ob man die Handlungen und Entscheidungen beider Unternehmen unkritisch eins zu eins dem russischen Staat zuschreiben und ihnen außenpolitisches Kalkül unterstellen kann. Und selbst wenn Letzteres zuträfe – ist Gazprom nicht eine Aktiengesellschaft und als solche in einer marktwirtschaftlichen Ordnung von der Staatsführung und deren Agenda zu unterscheiden? Jedenfalls ist zweifelhaft, ob es sich bei mehrheitlich staatlich gehaltenen Gaslieferanten oder Fernsehsendern – wie oft implizit unterstellt wird – allein auf Grund der Eigentumsverhältnisse automatisch um ein Staatsunternehmen handelt. Die Fragestellung der Abgrenzung von Staatsführung und mehrheitlich dem Staat „gehörenden“ Organisationen ist nicht nur für Russland interessant. Auch in westlichen Marktwirtschaften wie Deutschland erlangen Fälle von staatlicher Einflussnahme auf dem Staat nahestehende Organisationen regelmäßig öffentliche Aufmerksamkeit, wie z. B. die Einflussnahme auf die redaktionelle Führung des Zweiten Deutschen Fernsehens durch konservative Politiker.5 Darüber hinaus kommt es in 1 http://www.focus.de/finanzen/news/psychokrieg-in-der-ukraine-dreht-putin-uns-den-gas hahn-zu_id_3659011.html [zuletzt aufgerufen am 19. 01. 2018]. 2 http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-03/krim-vorbereitung-referendum; [zuletzt aufgerufen am 19. 01. 2018]; http://www.handelsblatt.com/politik/international/propaganda-in-russ land-staatsmedien-wiegeln-die-bevoelkerung-auf/9565062.html; [zuletzt aufgerufen am 19. 01. 2018]. 3 http://www.spiegel.de/politik/ausland/russland-staatsfernsehen-greift-zdf-an-a-908012. html; [zuletzt aufgerufen am 09. 07. 2016]. 4 Vgl. ROG, Bericht 2013, S. 10; vgl. https://www.reporter-ohne-grenzen.de/fileadmin/im ages/Kampagnen/Sotschi/ROG-Russland-Bericht-2013_web.pdf; [zuletzt aufgerufen am 19. 01. 2018]. 5 http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/debatte-ueber-zdf-chefredakteur-koch-machtdruck-auf-brender-a-609741.html; [zuletzt aufgerufen am 19. 01. 2018].
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1. Teil, § 1 Einführung
„staatsnahen“ Wirtschaftsbereichen, wie z. B. dem Eisenbahnsektor, in regelmäßigen Abständen zu einer öffentlichen Debatte über den Einfluss der Politik auf die Unternehmensführung.6 Dabei wird jedoch bisweilen außer Acht gelassen, dass es einer differenzierten Auseinandersetzung mit der Frage bedarf, wann ein Unternehmen dem Staat, d. h. der staatlichen Sphäre, zugeschrieben werden kann. Die Notwendigkeit einer konsistenten Klärung dieser Frage ergibt sich neben einer gegenüber der Einzelfallbetrachtung verbesserten Rechts- und Planungssicherheit für die betroffenen Unternehmen insbesondere aus den folgenden zwei Aspekten: Zum einen ist dies deshalb relevant, weil sich der Staat anderen Anforderungen in Bezug auf Grundrechte und die demokratische Legitimierung gegenübersieht als die in der privaten Sphäre verorteten Unternehmen. Anders als Letztere unterliegen alle staatlichen Einheiten den öffentlich-rechtlichen Bindungen und sind dem Allgemeinwohl verpflichtet. Für Eisenbahnunternehmen in Staatsbesitz könnte dies beispielsweise bedeuten, dass sie selbst für den Erhalt der Infrastruktur und für ein entsprechendes Zugangebot zu sorgen haben.7 Nur durch die Klärung des Verhältnisses von Staat und Gesellschaft und die Identifizierung staatlicher und gesellschaftlicher Akteure können im Sinne eines konsistenten Staatsverständnisses systematisch entsprechende rechtliche Folgen wie etwa die Grundrechtsberechtigung eines Subjekts oder seine prozessuale Behandlung daran geknüpft werden. Zum anderen spielt die Unterscheidung auch vor dem Hintergrund der im Vordringen befindlichen und höchst aktuellen Debatte um Public Private Partnership-Projekte eine nicht zu unterschätzende Rolle als Vorfrage.8 Denn eine öffentlich-private bzw. staatlich-gesellschaftliche Partnerschaft setzt die Unterscheidbarkeit der Partner logisch voraus. Es bedarf daher einer systematischen verfassungsrechtlichen Herangehensweise, die das öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Verhältnis von Staat und Gesellschaft zueinander klärt. Was macht eigentlich ein „Staatsunternehmen“ aus? Ab wann gehört es zur staatlichen Sphäre, und welche Kriterien sind dafür relevant? Kann ein Unternehmen mit dem Staat und dessen politischen Kalkülen gleichgesetzt werden, nur weil dieser mehrheitlich beteiligt ist? Welche Kriterien sind dabei Voraussetzung und welche sind Folge der Staatlichkeit? Bestehen diesbezüglich nennenswerte Unterschiede zwischen Deutschland und Russland oder kann ein einheitlicher Ansatz gefunden werden? Es ist das Ziel dieser Arbeit, einen Beitrag zur Beantwortung dieser Fragen zu leisten. 6 Vgl. etwa Steinbrück, Pronold, zum Mainzer Hauptbahnhof nach Zeit online vom 13. 08. 2013, abrufbar unter http://www.zeit.de/politik/deutschland/2013-08/bahn-bruederle-boerse; [zuletzt aufgerufen am 19. 01. 2018]; siehe auch BT-Drucks. 17/8570, 1, 3 zur staatlichen Einflussnahme auf die DB. 7 Diesen Gedanken wirft auf Kramer, in: Bayreuther (Hrsg.), Sozialeinrichtungen, S. 119 f. 8 Vgl. zur Aktualität in der Forschung statt vieler Weikum-Groß, Public Private Partnership; Levin, Socˇ i, S. 31: „Von einer Public-Private (öffentlich-privaten) Partnerschaft kann nur dann gesprochen werden, wenn auf einer Seite ein öffentlicher (d. h. staatlicher) Akteur und auf der anderen Seite zumindest ein [privater] Akteur beteiligt ist.“
B. Der bisherige Forschungsstand
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B. Der bisherige Forschungsstand I. Die russische Literatur In der russischen Literatur existiert eine Reihe von Aufsätzen und Monographien zu staatlichen Betrieben und Stiftungen. Bisher wurden diese Institute primär aus zivilrechtlicher Perspektive beleuchtet. Das Verwaltungsrecht steckt in Russland historisch bedingt noch in den Kinderschuhen und konzentriert sich weniger auf die Rechtssubjekte als auf die Verwaltung staatlichen Eigentums.9 Eine umfassende verwaltungsrechtliche Theorie zur Beteiligung des Staates in der Wirtschaft fehlt. Hervorzuheben sind daher Ansätze, welche die theoretischen Grundlagen des Verwaltungsrechts und der Leistungsverwaltung teilweise mit rechtsvergleichendem Ansatz beleuchten.10 Dabei tritt das Verhältnis von Bürger und Staat im Rahmen der Grundrechtsforschung auf der einen und des Verwaltungsrechts auf der anderen Seite immer mehr in den Fokus. Besondere Aufmerksamkeit wird hierbei auch dem Verhältnis von Wirtschaft und Staat geschenkt.11 Auch die Themen der Privatisierung und der Public Private Partnership werden aus verwaltungsrechtlicher Perspektive behandelt. Besonderes Augenmerk gilt den staatlichen Korporationen, die zunehmend auch aus öffentlich-rechtlicher Sicht Beachtung finden.12 Sie stehen in Zusammenhang mit der vielbeachteten Diskussion um das Institut der juristischen Person des Öffentlichen Rechts, die ihrerseits in zahlreichen Aufsätzen, Monographien und Dissertationen thematisiert wurde.13 Der umstrittenen Fragestellung, wann ein Rechtssubjekt nicht als rein privatrechtlich angesehen werden kann, liegt letztlich die Frage zugrunde, wann die Person nicht mehr privat ist. Auch wenn dies so kaum benannt wird, geht es in der Sache nicht nur um das Rechtsregime, sondern um die Staatlichkeit einer rechtlich selbstständigen Person. Dabei wird weitgehend außer Acht gelassen, welche Konsequenzen sich aus der Einordnung einer wirtschaftlichen Einheit als juristischer Person (des Öffentlichen Rechts) und ihrer Zuordnung zum öffentlichen Sektor ergeben. Insbesondere die Frage nach der Grundrechtsbindung wird nicht gestellt. Bisher wird nicht zufriedenstellend beantwortet, wie die Verantwortlichkeit des Staates für seine Aufgaben nach einer ,Privatisierung‘ oder Delegation auf selbstständige Rechtssubjekte aufrechterhalten werden kann, auch wenn diese Problematik zunehmend erkannt wird. Zu kurz kommt vor allem die sich an die Behandlung der staatlichen Korporationen anschließende Frage nach dem öffentlich-rechtlichen Umgang mit privatisierten, im Staatseigentum befindlichen Aktiengesellschaften wie der Russischen Eisenbahn (RZˇ D).
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Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’. Gricenko, Sravnitel’noe konstitucionnoe obozrenie 2013, Nr. 2; Vasil’eva, Servisnoe gosudarstvo. 11 Talapina, Publicˇ noe pravo i e˙ konomika. 12 Vgl. Gadzˇiev, Ocˇ erki konstitucionnoj e˙ konomiki 13 ˇ Cirkin, Juridizˇ sˇcˇ oe lico publicˇ nogo prava. 10
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1. Teil, § 1 Einführung
II. Die deutsche Literatur In Deutschland werden öffentliche Unternehmen, die Rolle des Staates in der Privatwirtschaft sowie Privatisierungs- und vor allem Public Private PartnershipProjekte in zahlreichen Publikationen,14 oft auch rechtsvergleichend,15 behandelt. Auch die Deutsche Bahn AG (DB AG) als öffentliches Unternehmen hat jüngst diesbezüglich Aufmerksamkeit gefunden.16 Dabei hat die Frage nach der Grundrechtsverpflichtung gemischtwirtschaftlicher Unternehmen durch die „FraportEntscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts 201117 eine neue Aktualität erhalten und wurde in der Literatur trotz einer Vielzahl von Publikationen noch nicht völlig befriedigend aufgearbeitet. Insbesondere prozessuale Konsequenzen wurden vernachlässigt.18 Die deutsche Literatur zum russischen Recht befasst sich überwiegend mit zivilrechtlichen Fragestellungen bzw. praxis- und wirtschaftsrelevanten Themen oder Grundrechtsfragen. Veröffentlichungen zum Verwaltungsrecht sind selten. Doch kommt dabei auch dem Verhältnis des Staates zur Wirtschaft insgesamt große Beachtung zu, und es bildet wohl den beliebtesten Themenkomplex der ausländischen Russlandforschung.19 Jüngst sind bemerkenswerte Dissertationen zu staatlichen Korporationen und Public Private Partnership-Konstruktionen entstanden, die sich aus öffentlich-rechtlicher Sicht mit dem Verhältnis „Vlast’“ und „Biznes“ beschäftigen.20 Der Schwerpunkt liegt dabei allerdings meist auf ökonomischen Aspekten21 und/oder einer ausschließlichen Behandlung Russlands, ohne einen Rechtsvergleich vorzunehmen.22 Eine vergleichende Analyse zwischen öffentlichen Unternehmen an sich und Aktiengesellschaften mit staatlichem Alleineigentum ist soweit ersichtlich bisher nicht erfolgt.23 Zudem werden die theoretischen Grundlagen des Verhältnisses des Staates zur russischen Wirtschaft – wenn überhaupt – nur am Rande erörtert.24 Zwar wird die Widersprüchlichkeit des (fehlenden) dogmatischen Unterbaus angesprochen, letztlich aber nicht angegangen.25 14
Statt vieler: Burgi, Privatisierung. Statt vieler: Tiemann, Privatisierung 16 Vgl. Ritzau, in: Ritzau-Franz (Hrsg.), Bahnreform; Riegger, Wettbewerb im Eisenbahnverkehr; Drew/Ludewig (Hrsg.), Reforming Railways. 17 BVerfGE 128, S. 226 ff. = NJW 2011, S. 1201 ff. 18 Vgl. aber Kramer/Bayer/Fiebig/Freudenreich, JA 2011, S. 810 ff. 19 So Kessler/Levin, Beitrag, S. 4. 20 Levin, Socˇ i; Kessler, Hand des Staates; Weikum-Groß, Public Private Partnership. 21 Kessler, Hand des Staates. 22 Levin, Socˇ i; Kessler, Hand des Staates; eine Ausnahme bildet insoweit Weikum-Groß, Public Private Partnership, die sich den konkreten Ausgestaltungen und weniger der Dogmatik widmet. 23 Vgl. aber in deutscher Sprache zu russischen Unternehmen: Zverev/Pfaffenbach/Rahr, Körperschaften; Resch, Unternehmensrecht in Russland. 24 Kessler, Hand des Staates, S. 281 ff., etwa spricht den Streit um die juristische Person des Öffentlichen Rechts an und ordnet die staatlichen Korporationen teilweise den sog. Quangos zu, 15
C. Die Zielsetzung und Vorgehensweise
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Genau an dieser Stelle setzt die vorliegende Arbeit an. „Öffentliche Unternehmen“ in Russland und Deutschland werden einem Vergleich unterzogen. Zudem wird die Frage, die den rechtsvergleichenden Arbeiten über Public Private Partnership eigentlich vorausgeht bzw. zugrunde liegt, beantwortet, nämlich unter welchen Voraussetzungen in Russland wie Deutschland ein Unternehmen zur staatlichen bzw. gesellschaftlichen Sphäre zu zählen ist.
C. Die Zielsetzung und Vorgehensweise Die vorliegende Arbeit zielt darauf ab, Kriterien zu finden, mithilfe derer Unternehmen an der Schnittstelle zwischen Staat und Gesellschaft in eine dieser beiden Sphären eingeordnet werden können. Dabei werden in dem ersten Teil der Arbeit die in der russischen und vor allem deutschen Literatur und Rechtsprechung verwendeten Kriterien für die Zuordnung eines Unternehmens zur staatlichen bzw. gesellschaftlichen Sphäre diskutiert und kritisch beleuchtet, um auf Basis dessen ein eigenes Kriterium für eine konsistente Abgrenzung zu entwickeln. Im zweiten Teil werden sodann die Kriterien auf zwei vergleichbare Beispielsunternehmen in Russland und Deutschland angewendet und somit Unterschiede zwischen dem Rechtsverständnis beider Länder herausgearbeitet. Als Beispielsunternehmen werden die Deutsche Bahn AG (DB AG) und die Russisches Eisenbahn (RZˇ D) herangezogen, da sie auf Grund einer ähnlichen Historie und wirtschaftlichen Stellung innerhalb des jeweiligen Landes einen hohen Grad an Vergleichbarkeit aufweisen. Anhand der zuvor entwickelten Kriterien wird abschließend der Frage nachgegangen, „wieviel Staat“ in der DB AG und der RZˇ D steckt. Zum einen werden bezüglich des deutschen Rechts eigene Lösungsansätze für die oben in Abschnitt A. aufgeworfenen Fragen zur Verortung von „staatsnahen“ Unternehmen zwischen der staatlichen und der privaten Sphäre vorgestellt. Zum anderen wird das russische Recht in seinen dogmatischen Grundlagen beleuchtet und einem Vergleich mit dem deutschen Recht unterzogen. Dabei bildet das deutsche Recht Ausgangs- und Referenzpunkt, wird seinerseits aber auch kritisch hinterfragt. Die herrschende Lehre in Deutschland wird an verschiedenen Stellen in Zweifel gezogen und die Übertragbarkeit, besser: die Zweckmäßigkeit ihrer Übertragung auf das russische Recht geprüft. Denn insbesondere in Russland befindet sich die rechtliche Einordnung des Staates in der Diskussion, wobei Lösungen für Einzelprobleme in fremden Rechtsordnungen gesucht werden, ohne auf der einen Seite ohne allerdings den Begriff und seine Implikationen eingehend zu erhellen; Levin, Socˇ i, umreißt die Problematik um die Frage der Staatlichkeit von Olimpstroj sehr knapp, ohne dem Problem wirklich auf den Grund zu gehen. 25 Weikum-Groß, Public Private Partnership, S. 79, stellt z. B. fest, dass es erstaunlich sei, dass staatlich beherrschte Unternehmen als Private behandelt würden, geht der Definition des Privaten und Öffentlichen aber nicht nach, obwohl jenes eine Grundvoraussetzung für die Behandlung der Public Private Partnership bildet.
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deren Kompatibilität mit der eigenen Rechtsordnung zu prüfen und ohne auf der anderen Seite die Grundlagen des eigenen Systems hinreichend zu hinterfragen. Auch wenn der Schwerpunkt der Arbeit auf der Erschließung des dogmatischen Verständnisses des russischen Rechts liegt, dient das deutsche Recht nicht etwa nur als Ideengeber. Vielmehr soll aus den gemeinsamen Verfassungsprinzipien der beiden Länder ein innovativer, gemeinsamer Ansatz für in Deutschland scheinbar abgehakte, in Russland aber brandaktuelle Fragestellungen geliefert werden: Es wird untersucht, unter welchen Voraussetzungen ein Unternehmen als Verwaltungsträger zu qualifizieren ist. Es gilt, das „öffentliche“ Unternehmen an der Schnittstelle zwischen Privatrecht und Öffentlichem Recht in der Tradition der nationalen Rechtsordnungen zu verorten. In der vorliegenden Arbeit wird dagegen ausdrücklich nicht der Frage nachgegangen, ob die „sichtbare Hand des Staates“26 aus ökonomischer Sicht zugunsten von Privatisierungen bzw. von Public Private Partnership-Modellen zurückgedrängt werden sollte.27 Auch die Fragen nach staatlichen Kernaufgaben, zulässiger oder gar notwendiger Privatisierung sollen in der vorliegenden Arbeit nicht erörtert werden. Eine Bewertung der politischen und ökonomischen Entscheidungen sowohl in Deutschland als auch in Russland wird weder vorgenommen noch zugrunde gelegt. Es geht nicht darum, die staatliche Beteiligung an der Wirtschaft zu kritisieren oder Mittelstandsinitiativen zu fördern.28 Vielmehr soll geklärt werden, unter welchen Umständen sich der Staat hinter einem Unternehmen „versteckt“.
D. Prämissen Die Frage nach der Stellung des öffentlichen Unternehmens zwischen „dem Öffentlichen und dem Privaten“ setzt eine gedankliche Dichotomie von Staat und Gesellschaft voraus. Zu Zeiten des Kommunismus als totalitären Regimes hingegen wurde sowohl in Russland als auch in Ostdeutschland die Unterscheidung von Gesellschaft und Staat aufgehoben: Alles war staatlich.29 Durch die Sozialisierung der Produktionsmittel und der Wirtschaft als Ganzer erschienen Partikularinteressen, das heißt ein abweichendes Sonderinteresse des Einzelnen vom Gesamtinteresse des Staates, ausgelöscht.30 Die Vielzahl der Interessen der die Gesellschaft bildenden Individuen wurde mit dem Gesamtinteresse des Staates gleichgesetzt. Dabei be26
Vgl. zum Titel Kessler, Die sichtbare Hand des Staates. Zu Public Private Partnership am Beispiel der Olympischen Winterspiele s. Levin, Socˇ i. 28 Vgl. etwa die Initiativen der Zukunftswerkstatt des Petersburger Dialoges zu Mittelstand und Mittelschicht, http://petersburger-dialog.de/bericht-der-arbeitsgruppe-zukunftswerkstatt [zuletzt aufgerufen am 28. 06. 2014]. 29 Vgl. Schmidt, in: Nußberger (Hrsg.), Einführung, S. 77. 30 In diese Richtung in Bezug auf das Recht der DDR Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 46. 27
D. Prämissen
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deutet die Identität von Staat und Gesellschaft in totalitären Regimen „das Ende der individuellen Freiheit“.31 Heute wird teilweise angenommen, angesichts des sich entwickelnden Sozialstaates und der modernen Demokratie sei die Unterscheidung zwischen Staat und Gesellschaft überholt. Schließlich ließen sich Staat und Gesellschaft nicht mehr losgelöst betrachten.32 In der vorliegenden Arbeit wird demgegenüber im Sinne eines modernen Staatsverständnisses33 davon ausgegangen, dass es auch trotz gewisser Verwischungen und staatlicher Einwirkung in gesellschaftliche Prozesse im Kollektiv einen „privaten“, zwar nicht gänzlich staatsfreien,34 aber doch vom Staat zu unterscheidenden Raum gibt, der hier als „Gesellschaft“ bezeichnet wird.35 Das Individuum kann nicht von der Gesellschaft, in der es vergemeinschaftet ist, getrennt werden,36 sondern entfaltet seine Privatheit innerhalb der „Gesellschaft der Individuen“.37 Dabei ist der Staat aber nicht mit der Gesellschaft identisch, auch wenn dieselben vergesellschafteten Menschen den Staat bilden. Vielmehr wird zwischen dem Staat, der das Gesamtvolk repräsentiert und bestimmte Entscheidungen letztverbindlich treffen und durchsetzen kann, und der Gesellschaft als Kollektiv der Individuen unterschieden, um die „Totalisierung des Gemeinwesens“38 zu verhindern. Die gesellschaftliche Freiheit beschränkt sich nicht auf das Recht zur Mitwirkung an der staatlichen Willensbildung. Vielmehr besteht zusätzlich eine Freiheit gegenüber dem demokratischen Prozess. Anders als in einer totalen Demokratie entscheiden in der freiheitlichen Demokratie „nicht alle über alles“.39 Vielmehr ist die staatliche Entscheidungsgewalt begrenzt. Die Wirtschaft steht dabei nicht zwischen Staat und Gesellschaft, sondern ist grundsätzlich Teil Letzterer.40 Dennoch sind staatliche Interventionen in die Wirtschaft nicht nur zulässig, sondern für eine funktionierende Marktwirtschaft sogar 31
Böckenförde, FG Hefermehl, S. 17. Vgl. Nachweise bei Böckenförde, FG Hefermehl, S. 11; siehe auch Ehlers/Schneider, in: Schoch/Schneider/Bier (Hrsg.), § 40 VwGO, Rn. 18. 33 Dabei ist die Trennung von Staat und Gesellschaft keine Erfindung des Wirtschaftsliberalismus, der im Sinne Kants zwischen der Marktgesellschaft und dem Minimalstaat unterscheidet; vgl. Suhr, NJW 1983, S. 1305 ff. Schon in der Antike wurde die Unterscheidung vorgenommen, wobei das Private, Individuelle und das Öffentliche, Staatliche einen Gegensatz bildeten. 34 So aber im Grundsatz Di Fabio in Bezug auf die Wirtschaft, die er als Teil der Gesellschaft sieht; vgl. Di Fabio, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 2 GG, Rn. 87. 35 Zur Notwendigkeit der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft eingehend Böckenförde, FG Hefermehl, S. 11 ff. 36 Korte, Soziologie, S. 130. 37 Zu diesem Begriff vgl. Elias, nach Korte, Soziologie, S. 130. 38 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 43. 39 Böckenförde, FG Hefermehl, S. 21. 40 Eingehend Di Fabio, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 2 GG, Rn. 87. 32
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unerlässlich. Allerdings ist die Rolle des Staates als Teilnehmer und Akteur der Wirtschaftsbeziehungen rechtfertigungsbedürftig und verlangt nach einem Grund des Allgemeinwohls.41 Es werden nachfolgend im Wesentlichen zwei Prämissen zugrunde gelegt: zum einen die Unterscheidbarkeit von Staat und Gesellschaft, zum anderen die Rolle der Verfassung als Ausgangspunkt und Basis der gesamten Rechtsordnung, die sich auf sämtliches staatliches Handeln und alle einfachgesetzlichen Regelungen auswirkt.
E. Begrifflichkeiten und Klarstellungen Eine alle Rechtsgebiete übergreifende gesetzliche Definition des „öffentlichen Unternehmens“ existiert in Deutschland nicht.42 Ein gesetzlicher Anhaltspunkt findet sich jedoch in § 130 GWB, der Wettbewerbsbeschränkungen für „Unternehmen der öffentlichen Hand“ regelt und auf Unternehmen Anwendung findet, „die ganz oder teilweise im Eigentum der öffentlichen Hand stehen oder die von ihr verwaltet oder betrieben werden.“43 Die Definition des „öffentlichen Unternehmens“ oder „Staatsunternehmens“ soll hier aber im Einzelnen nicht interessieren. In Anbetracht der Unschärfe des Begriffes soll auf seine Verwendung möglichst weitgehend verzichtet werden. Entscheidend ist allein, unter welchen Umständen und Voraussetzungen sich hinter einem Unternehmen der Staat verbirgt, das Unternehmen also eine staatliche (Verwaltungs-)Einheit darstellt. Dies ist jedoch angesichts der zunehmenden Privatisierungs- und Kooperationsprozesse zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor nicht immer leicht zu beantworten. In Russland wird der Begriff des „staatlichen Betriebs“, der „gospredprijatije“ oder „goskompanija“ teilweise eng im Sinne einer ganz konkreten Rechtsform44 oder weit im Verständnis jedes Unternehmens mit staatlicher Beteiligung oder durch staatliche Gründung verstanden.45 So werden etwa Aktiengesellschaften mit staatlicher (Mehrheits-)Beteiligung bisweilen als „goskompanija“ bezeichnet,46 während 41
Heise, Deutsche Bahn, S. 153. Kendziur, Rechtsschutz, S. 81 ff. 43 Fabry/Augsten/Appel (Hrsg.), Unternehmen, S. 2. 44 Siehe hierzu unten bei den konkreten Rechtsformen unter § 2 B. II. 2. b). 45 Nach Kessler, Hand des Staates, S. 127, wird auch der Begriff der „staatlichen Korporationen“ weit und eng verstanden. 46 Vgl. zu dieser Bezeichnung Kruglyj stol „ucˇ astije gosudarstva v akcionernych ˇ obscˇ estvach: pravovye problemy“ (redakcionnyj material), in: Predprinimatel’skoe pravo 2009, Nr. 3; Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 274; die jährliche Rechnungslegung der RZˇ D wurde zur besten „unter den staatlichen Korporationen/staatlichen Kompanien“ (lucˇ sˇij otcˇ et sredi goskorporacii/gosudarstvennoj kompanii) gewählt; vgl. die Pressemitteilung der RZˇ D vom 19. 11. 2012 von 17:55 Uhr auf http://press.rzd.ru/news/public/press?STRUCTURE_ ID=654&layer_id=4069&page3307_810=2&refererLayerId=3307&id=81060; [zuletzt abgerufen am 05. 12. 2012]; Vinnickij, Sovremennoe pravo 2010, Nr. 11, sieht die staatlich ge42
F. Die wirtschaftspolitische Einordnung
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andererseits streng zwischen staatlichen Unternehmen („gospredprijatije“) und Aktiengesellschaften im staatlichen Alleineigentum unterschieden wird.47 Diese werden ebenso wie Unternehmen mit sechzigprozentiger Staatsbeteiligung teilweise als „Private“ bezeichnet48 und können im Rahmen von Public Private Partnership Projekten als private Partner gelten.49 Doch sollen gemischtwirtschaftliche Unternehmen mit privater und staatlicher Beteiligung wiederum selbst Formen der „gosudarstvenno-cˇ astnoe partnërstvo“ darstellen.50 Die Unklarheit der Begrifflichkeiten deutet bereits wesentliche dogmatische Schwierigkeiten insbesondere in Hinblick auf Aktiengesellschaften mit Staatsanteilschaft an, die es in der vorliegenden Arbeit zu klären gilt. Alle hier verwendeten Übersetzungen stammen, sofern sie nicht als Fremdübersetzung gekennzeichnet sind, von der Verfasserin. Russische Gesetze werden entsprechend ihrer deutschen Übersetzung abgekürzt. Soweit russische Literaturangaben keine Seitenzahlen enthalten, wird nach der Datenbank „ConsultantPlus“ zitiert. Anstatt von der als „RF“ abgekürzten Russischen Föderation bzw. der als „BRD“ abgekürzten Bundesrepublik Deutschland wird oft von dem „Staat“ gesprochen, der jeweils die föderale Bundesebene bezeichnet. Auch werden Russland und die Russische Föderation sowie Deutschland und die Bundesrepublik Deutschland jeweils synonym verwendet.
F. Die wirtschaftspolitische Einordnung I. Der Staat in der Wirtschaft Wie oben erwähnt, ist die Wirtschaftstätigkeit des Staates sowohl in Deutschland als auch in Russland zulässig. Das GG, das europäische Primärrecht sowie die russische Verfassung verhalten sich insoweit wirtschaftspolitisch neutral.51 In Deutschland war die Wirtschaftstätigkeit der öffentlichen Hand in den vergangenen Jahrzehnten zunächst stark ausgeweitet worden. Sodann führten knappe Haushalte von Bund und Ländern, ein geändertes Staatsverständnis sowie Internationalisierungs- und Globalisierungsentwicklungen zu weitreichenden Privatisierungstendenzen.52 Die neue Rollenverteilung zwischen Staat und Markt löste anfangs haltene Eigengesellschaft ebenso wie die staatliche Kompanie und Korporation als besonderes öffentlich-rechtliches Subjekt. 47 Belikova/Ifraimiv, Advokat, 2013, Nr. 5. 48 Vgl. Cygankov, E˙ Zˇ -Jurist 2012, Nr. 31, in Bezug auf die „Sberbank“. 49 Weikum-Groß, Public Private Partnership, S. 146. 50 Vgl. Weikum-Groß, Public Private Partnership, S. 148. 51 Vgl. zur wirtschaftspolitischen Neutralität des Grundgesetzes vor dem Hintergrund des Unionsrechts Jungbluth, EuR 2010, S. 471 ff. 52 Ehlers, Aushöhlung der Staatlichkeit, S. 26 f.
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1. Teil, § 1 Einführung
eine Euphorie um den „schlanken Staat“ aus.53 Doch schon bald wurden Stimmen laut, die das „Sterben“54 der Staatlichkeit fürchteten: Außenpolitisch verlören die Nationalstaaten auf Grund der Globalisierung an Einfluss, innenpolitisch zeichne sich eine zunehmende Privatisierung und eine Übertragung öffentlicher Aufgaben auf Private und Wahrnehmung genuiner Staatsaufgaben55 unter Beteiligung Privater ab. Zwar soll in Zukunft in der Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich auf die Marktkräfte gesetzt werden;56 doch hat die Weltwirtschafts- und Finanzkrise seit 2008 die Koordinaten erneut verschoben: In den letzten Jahren spielten die europäischen Staaten eine äußerst aktive Rolle im wirtschaftlichen Gefüge.57 In Russland wird die Wirtschaft sehr stark vom öffentlichen Sektor und vor allem von Unternehmen der öffentlichen Hand bestimmt.58 Die Wirtschaftsinfrastruktur der RF geht auf das Erbe des sowjetischen Wirtschaftsverwaltungssystems zurück, das sowohl hinsichtlich des Angebots auf detaillierten staatlichen Plänen beruhte als auch logistisch und infrastrukturell von der Planwirtschaft und staatlichen Standortentscheidungen abhing. Eine Säule der tiefgreifenden Veränderungen in den neunziger Jahren des vorherigen Jahrhunderts bildeten nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion die Massenprivatisierungen. Entgegen der gehegten Hoffnungen führten sie aber nicht zu einer umfassenden Modernisierung der Wirtschaft und breitem Wohlstand der Bevölkerung, sondern zu „Insiderdominanz und einer extremen Konzentration von Ressourcen mit all ihren wirtschaftlichen Konsequenzen“59. In seiner ersten Amtszeit folgte Vladimir Putins Wirtschaftspolitik den Regeln der Jahre von Jelzin. Wichtige Reformen für die Liberalisierung des Wirtschaftssystems wurden verabschiedet.60 Dem wirkte der Präsident in seiner zweiten Amtszeit durch eine Umkehrung der vorherigen Politik entgegen: In Reaktion auf die teilweise illegalen Privatisierungen der frühen neunziger Jahre des vorherigen Jahrhunderts wurde der staatliche Einfluss auf die Wirtschaft stetig ausgeweitet. Zahlreiche zunächst privatisierte Unternehmen wurden wieder verstaatlicht,61
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Vgl. Mayen, DÖV 2001, S. 110. Kämmerer, DVBl. 2008, S. 1005. 55 Vgl. zum Problembeispiel „innere Sicherheit“ bei Pitschas, in: Ziekow (Hrsg.), Wandel der Staatlichkeit, S. 255, 272. 56 Vgl. die Privatisierungspolitik des Bundesfinanzministeriums; vgl. http://www.bundesfi nanzministerium.de/Web/DE/Themen/Bundesvermoegen/Privatisierungs_und_Beteiligungspoli tik/Privatisierungspolitik/privatisierungspolitik.html [zuletzt aufgerufen am 19. 01. 2018]. 57 Vgl. FAZ vom 14. 10. 2011, Nr. 239, S. 11. 58 Vgl. Schpengler, Vorbereitungspapier, S. 5. 59 Kessler/Levin, Beitrag, S. 3. 60 Vgl. Kessler/Levin, Beitrag, S. 5. 61 Vgl. Schpengler, Vorbereitungspapier, S. 22 ff.; Jukos ist das prominenteste, nicht aber einzige Unternehmen in dieser Hinsicht. Die OECD 2006 stellt unter der Überschrift „The expansion of state ownership is disturbing“ die 22 wichtigsten staatlichen Unternehmensübernahmen der Jahre 2004 bis 2006 dar, S. 37 ff. 54
F. Die wirtschaftspolitische Einordnung
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staatliche Unternehmensbeteiligungen konsolidiert.62 Die Bevölkerung, welche die Privatisierung der Staatswirtschaft als „Ausverkauf des nationalen Eigentums“63 betrachtet, stand dem positiv gegenüber. Dabei sind staatliche Unternehmen (gosudarstvennye predprijatija) vor allem in fünf Bereichen dominant geblieben: Infrastruktur, Rohstoffe, Finanzdienstleistungen, Kriegsindustrie, Massenmedien. Hierbei handelt es sich oft um indirekte Beteiligungen des Staates an über hundert Prozent in staatlicher Hand befindlichen oder kontrollierten Gesellschaften bzw. deren Tochterunternehmen.64 Ist in Bezug auf die neunziger Jahre von ,state capture‘ durch einflussreiche Geschäftsleute die Rede, so wurde unter Präsident Putin der Begriff des ,business capture‘ geprägt.65 Wirtschaft und Politik sind über persönliche Beziehungen zutiefst verflochten. Der Kreml scheint sowohl dem korrupten Beamtenapparat als auch der freien Wirtschaft, die auf Grund ihrer kurzfristigen Gewinnmaximierung zu langfristigen Investitionen nicht willens ist, zu misstrauen und setzt daher auf informelle Steuerungsmechanismen durch persönliche Verbindungen. Ähnlich wie in den neunziger Jahren wird die russische Wirtschaft von der Staatsführung einer „handverlesenen Gruppe von Personen anvertraut […] deren Tätigkeit unmittelbar durch die Staatsführung kontrolliert wird“.66 Hatte sich unter Medwedew ein Kurswechsel angekündigt,67 spielt in der dritten Amtszeit des Präsidenten Putin der Staat weiterhin eine wesentliche Rolle.68 Auch die letzte Weltwirtschaftskrise seit 2008 scheint diesen Kurs nicht beeinflusst zu haben. Vielmehr dient diese Finanzkrise für viele als Bestätigung für die Notwendigkeit einer aktiven Einmischung des Staates in die Wirtschaft, der sich nicht auf eine bloße Nachtwächterfunktion zurückziehen dürfe.69
62 Der Staat vergrößert seine Beteiligungen an strategischen Unternehmen und privatisiert kleine Aktienpakete in unbedeutenden Branchen. Die staatlichen Unternehmen werden zudem zur Resourcenbündelung in Holdinggesellschaften vereinigt; vgl. Kessler/Levin, Beitrag, S. 6. 63 Kessler/Levin, Beitrag, S. 5; vgl. http://www.bbc.com/russian/russia/2010/08/100805_rus sia_privatization.shtml [zuletzt abgerufen am 19. 01. 2018]. 64 Kessler/Levin, Beitrag, S. 5. 65 Zum Übergang von „state capture“ zu „business capture“ vgl. Yakovlev, Europe-Asia Studies, 2006 Vol. 58, No. 7, S. 1033. 66 Kessler/Levin, Beitrag, S. 21. 67 Die staatlichen Korporationen hielt er für perspektivlos. Auf seiner politischen Agenda für Russland standen Privatisierung, der Rückzug des Staates aus der Wirtschaft und verstärkte Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Akteuren. Im Einzelnen siehe Kessler, Hand des Staates, S. 96 ff. 68 Vgl. etwa https://ostexperte.de/russland-stellt-privatisierung-aufs-abstellgleis [zuletzt abgerufen am 19. 01. 2018]; http://www.wiwo.de/unternehmen/usa-frankreich-russland-chinawie-andere-laender-den-staatlichen-einfluss-handhaben-seite-2/5156020-2.html [zuletzt abgerufen am 19. 01. 2018]. 69 Belych, Bankovskoe pravo 2012, Nr. 4.
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1. Teil, § 1 Einführung
II. Die Aktualität des Beispiels der Eisenbahnen Die Eisenbahn in Deutschland kann als Prototyp eines zwischen Staat und Gesellschaft stehenden Unternehmens angesehen werden. Seit jeher war sie Spielball zwischen privaten und staatlichen Interessen, wurde mal privatisiert und mal verstaatlicht. Im Jahr 1994 wurde das staatliche Sondervermögen in eine zu hundert Prozent der öffentlichen Hand gehörende Aktiengesellschaft überführt.70 Der Streit um die Staatlichkeit des Wirtschaftsunternehmens DB AG tritt in der öffentlichen Diskussion immer wieder zu Tage. Im Rahmen der Engpässe im Stellwerk am Mainzer Hauptbahnhof im Jahr 2013 wurde die Verantwortlichkeit des Staates für „sein“ Daseinsvorsorgeunternehmen einerseits und die Notwendigkeit einer weiter gehenden Privatisierung andererseits heftig diskutiert.71 Gerade das Beispiel der Eisenbahnen zeigt damit anschaulich, dass die Sphären des Staatlichen und Wirtschaftlichen schwer zu trennen sind.72 Auch die Russischen Eisenbahnen, die Rossijskie zˇ eleznye dorogi, gehören zu den klassisch vom Staat beeinflussten Unternehmen. Bemerkenswert ist, dass in Russland schon im 19. Jahrhundert bei der Eisenbahn erstmals private Unternehmer über Konzessionen in den Ausbau des Schienennetzes und den Betrieb von Zügen eingeschaltet waren. In diesem Bereich fanden die ersten Formen der Kooperation von Staat und Markt statt,73 was die RZˇ D als Beispielsunternehmen für Überlegungen an der Schnittstelle zwischen Staat und Markt prädestiniert. 2003 wurde der unitarische Betrieb in eine ebenfalls zu hundert Prozent dem Staat gehörende AG umgewandelt. Die Eisenbahn eignet sich also nicht zuletzt auf Grund der insoweit parallelen Entwicklung in Deutschland und Russland hervorragend für einen Vergleich. Aktualität wird dem komparativen Ansatz ferner durch immer wieder aufkommende Überlegungen der gegenseitigen Beteiligung der ehemaligen Staatsbahnen an der jeweils anderen privatisierten Bahn, also der RZˇ D OAGRF an der DB AG74 und umgekehrt,75 verliehen. Auch das gemeinsame Unternehmen der DB AG und der RZˇ D, die Trans Eurasia Logistics GmbH76, veranlasst dazu, einen näheren Blick auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei der rechtlichen Behandlung und Einordnung der beiden Beispielsunternehmen zu werfen. 70
Zur Bahnreform s. insgesamt Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 50 ff. Vgl. Florian Pronold und Rainer Brüderle nach http://www.zeit.de/politik/deutschland/ 2013-08/bahn-bruederle-boerse [zuletzt aufgerufen am 17. 01. 2018]. 72 Knieper, WiRO 2009, S. 132. 73 Vgl. eingehend Weikum-Groß, Public Private Partnership, S. 126 f. 74 Vgl. http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/deutsche-bahn-russische-staatsbahn-will-mit fahren-1.592953 [zuletzt aufgerufen am 17. 01. 2018]; http://www.handelsblatt.com/unterneh men/industrie/deutsche-bahn-russland-will-bei-deutscher-bahn-einsteigen/2961500.html [zuletzt aufgerufen am 17. 01. 2018]. 75 Vgl. http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/teilprivatisierung -genehmigt-mehdorn-will-russische-staatsbahn/2977914.html [zuletzt aufgerufen am 17. 01. 2018]. 76 http://www.trans-eurasia-logistics.com [zuletzt aufgerufen am 17. 01. 2018]. 71
§ 2 Formale Kriterien für die Einordnung eines Unternehmens in die staatliche oder gesellschaftliche Sphäre A. Die Zweiteilung des Rechts als Grundlage der formalen Abgrenzung I. Die Situation in Deutschland Im Zuge der Rezeption des Römischen Rechts wurde in der Neuzeit die Teilung des Rechts in das Bürgerliche Recht und das Öffentliche Recht aufgegriffen, wobei sich Letzteres durch seinen hoheitlichen Charakter auszeichnete und die Staatsmacht absichern sollte.1 Die Zweiteilung des Rechts wurde durch den Liberalismus verstärkt,2 und die wertorientierten Wesensgegensätze3 zwischen dem Öffentlichen Recht und dem Privatrecht wurden vertieft.4 Im Mittelpunkt des Letzteren stand dabei das Individuum mit seiner staatsfreien gesellschaftlichen Entfaltungsfreiheit.5 Die Privatrechtsordnung war entsprechend geprägt von dem Gedanken der Privatautonomie und dem Schutz der Freiheit und des Eigentums des Einzelnen gegenüber dem Staat. Dagegen wurde die „sittliche Substanz“ des Staatsrechts6 betont. Das Öffentliche Recht solle die Menschen „zu Einem Gesammtdaseyn […] verbinden und dieses als solches […] vollenden.“7 Dennoch war nicht die Gemeinwohlbezogenheit das entscheidende Merkmal des Öffentlichen Rechts als vielmehr die Machtmittel seiner Durchsetzung. Stellte im Ergebnis das Öffentliche Recht das Recht der Herrschaft dar, wurde das Privatrecht mit dem Recht der Freiheit assoziiert.8 Die Leistungsverwaltung und alle notwendigen Wohlfahrtsunternehmungen des sich zunehmend entwickelnden Sozialstaates folgten der Logik des Privatrechts.9 1
Molitor, Öffentliches Recht, S. 8 ff., insbesondere S. 11. Vgl. Molitor, Öffentliches Recht, S. 11 f. 3 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 35. 4 Die Unterscheidung des privaten und Öffentlichen Rechts wurde konstitutionell festgeschrieben durch Art. 4 Nr. 13 der Verfassung des Deutschen Reichs, RGBl. I, S. 379. 5 Zum korrespondierenden Gegensatz zwischen Staat und Gesellschaft siehe oben unter § 1 D. 6 Hoffmeister, Grundlinien, §§ 257 ff., zitiert nach Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 35. 7 Stahl, Philosophie des Rechts II, S. 239. 8 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 35. 9 Vgl. Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung, S. 91. 2
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1. Teil, § 2 Formale Kriterien für die Einordnung eines Unternehmens
Das Öffentliche Recht diente zu Zeiten des Liberalismus in erster Linie der Bändigung des Staates. Auch heute ist die Unterscheidung in zwei voneinander zu differenzierende10 Rechtssphären dem deutschen Demokratie- und Staatsverständnis eigentümlich. Doch ist die Dichotomie der Rechtsgebiete als rechtliche Übersetzung der strikten Trennung der gesellschaftlichen und staatlichen Sphären seit jeher bestritten worden.11 Heute wird sie häufig als jedenfalls überholt betrachtet.12 Schließlich ist eine zunehmende Vermischung der Rechtsgebiete und ein Auflösen der Unterscheidbarkeit zu beobachten: Auf der Ebene des Öffentlichen Rechts werden zivilrechtliche Regelungen entsprechend oder kraft Analogie angewendet, um Lücken des Sonderrechts durch verallgemeinerungsfähige Lösungen und Rechtsgedanken des Zivilrechts zu schließen.13 Auch Service-Modelle, Public Private Partnership und die sog. Ökonomisierung der Verwaltung sind Belege der Übertragung zivilrechtlicher Modelle auf den öffentlich-rechtlichen Bereich. Gleichzeitig wird das Zivilrecht durch öffentlich-rechtliche Einflüsse – insbesondere der Grundrechte – stark modifiziert.14 Von grundlegender Andersartigkeit der Rechtsgebiete kann angesichts der gegenseitigen Verweisungen aufeinander wie z. B. im Rahmen des § 62 VwVfG und vor allem bei der Angleichung zentraler Handlungsformen, wie etwa der öffentlichrechtliche Vertrag zeigt, nicht mehr gesprochen werden. Da Rechtsgebiete wie das Arbeits- oder das Kartellrecht Elemente beider „Regime“ aufweisen, wird daher teilweise die Einführung einer neuen Kategorie, eines neuen Mischrechtsgebiets, empfohlen.15 Andere sprechen sich für eine Abschaffung der Zweiteilung des Rechts zugunsten eines „gemeinen Rechts“ in Anlehnung an das angelsächsische Vorbild aus.16 Dabei befürchten Verfechter der Zweiteilung des Rechts, die Aufhebung der Trennung des Öffentlichen und privaten Rechts könne „unsere gesamte Rechts- und Verfassungskultur aus den Angeln“ heben.17
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Nicht dagegen zwingend strikt zu trennende Rechtssphären. Burmeister, DÖV 1975, S. 696; Kelsen, AöR 31 (1913), S. 75 ff.; Bullinger, Öffentliches Recht, S. 75 ff. 12 Vgl. Leisner, Privatisierung, S. 25; ihm zufolge zeichnen sich im modernen Verfassungsstaat und im rechtsstaatlichen Verwaltungsrecht Entwicklungen ab, welche die Grundsätzlichkeit der Zweiteilung nicht mehr begründbar erscheinen lassen, wenigstens aber relativieren. 13 Teilweise werden zivilrechtliche Normen entsprechend, d. h. kraft gesetzlicher Verweisung angewandt; teilweise wird von dem Instrument der Analogie Gebrauch gemacht, d. h. bei einer Regelungslücke im Öffentlichen Recht und einer Rechtsähnlichkeit des geregelten Tatbestandes; vgl. Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), § 1 VwVfG, Rn. 106. 14 Eingehend dazu unter § 4 A. 2. b) cc), dd). 15 In diese Richtung geht wohl Van der Ven, FS Nipperdey II, S. 681 ff. 16 Bullinger, Öffentliches Recht, S. 75 ff.; vgl. auch ders., FS Rittner, S. 89 ff. 17 Ronellenfitsch, in: Hochhuth (Hrsg.), Rückzug des Staates, S. 125 ff., 147. 11
A. Die Zweiteilung des Rechts als Grundlage der formalen Abgrenzung
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Letztlich ist die Zweiteilung des Rechts jedoch als Rechtswirklichkeit anzusehen. Sowohl das GG18 als auch das einfache Recht setzen an vielen Stellen den Dualismus voraus.19 Historisch gesehen hat wohl vor allem die Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit die Ausbildung der Dogmatik des Verwaltungsrechts als besondere Ausprägung des Öffentlichen Rechts vorangetrieben.20 Auch wenn die Zweiteilung des Rechts damit kontingent anmutet,21 kann von einer Identität von Staat und Gesellschaft jedenfalls nicht gesprochen werden.22 Beide Sphären weisen unterschiedliche Funktionsprinzipien auf, die eine grundsätzliche Unterscheidung von sog. Amtsrecht und Jedermannsrecht zwar nicht notwendig erforderlich machen, aber jedenfalls zu begründen in der Lage sind.23 Um die schwierige Frage der Abgrenzung des Öffentlichen und des privaten Rechts ranken sich die verschiedensten Theorien. Klassisch ist die Subjekts- bzw. Subordinationstheorie, der zufolge eine Norm dem Öffentlichen Recht zuzuordnen ist, wenn der Einzelne der hoheitlichen Eingriffsmacht des Trägers öffentlicher Gewalt in einem Verhältnis der Unterordnung unterworfen ist.24 Die Interessenstheorie dagegen hält den Normzweck, der entweder überwiegend im öffentlichen oder im privaten Interesse besteht, für ausschlaggebend.25 Im Schrifttum ist die sog. Sonderrechtstheorie bzw. modifizierte Subjektstheorie vorherrschend. Demnach handelt ein Träger öffentlicher Gewalt dann öffentlich-rechtlich, wenn er sich auf ein Sonderrecht beruft,26 das wenigstens auf einer Seite notwendig nur einen Träger öffentlicher Gewalt spezifisch in dieser Funktion berechtigt oder verpflichtet.27 18 Gerade für die Gesetzgebungszuständigkeit, die durch das Grundgesetz zugewiesen wird, ist es entscheidend, ob es sich um das Privatrecht – dann besteht gemäß Art. 74 Nr. 1 GG eine Kompetenz des Bundes – oder um grundsätzlich in die Zuständigkeit des Länder fallendes Öffentliches Recht handelt. Zur grundgesetzlichen Bedeutung des Rechtsdualismus vgl. Renck, JuS 1978, S. 461. 19 Zu nennen ist etwa das VwVfG, das sich nur auf die öffentlich-rechtliche Verwaltung bezieht (vgl. § 1 VwVfG). 20 Ehlers/Schneider, in: Schoch/Schneider/Bier (Hrsg.), § 40 VwGO, Rn. 22; vgl. auch bereits Bähr, Der Rechtsstaat, S. 71, und Sarwey, Öffentliches Recht, S. 81. Daher entspricht die Abgrenzung der öffentlich-rechtlichen Verwaltungstätigkeit im Rahmen des § 1 VwVfG im Wesentlichen der Abgrenzung der öffentlich-rechtlichen Streitigkeit im Rahmen des § 40 VwGO, der die Zweiteilung ebenfalls voraussetzt. 21 Leisner, Privatisierung, S. 25. 22 Burmeister, DÖV 1975, S. 696. 23 Vgl. statt aller Ehlers/Schneider, in: Schoch/Schneider/Bier (Hrsg.), § 40 VwGO, Rn. 19. 24 Vgl. BVerwGE 29, S. 159 (161 f.); GmSOGB BGHZ 97, S. 312; BVerwGE 74, S. 368; GmSOGB BGHZ 108, S. 284; kritisch zu dem Sprachgebrauch Zuleeg, VerwArch 73 (1982), 384, 391; Schnapp, DÖV 1986, S. 811, 813. 25 Vgl. kritisch Ehlers/Schneider, in: Schoch/Schneider/Bier (Hrsg.), § 40 VwGO, Rn. 219. 26 Vgl. Ehlers/Schneider, in: Schoch/Schneider/Bier (Hrsg.), § 40 VwGO, Rn. 222 ff.; Unruh, in: Fehling/Kaster/Störmer (Hrsg.), § 40 VwGO, Rn, 95 ff. 27 Das heißt, die Streitigkeit ist dann eine öffentlich-rechtliche, wenn sie auf Rechtsnormen beruht, die sich wenigstens auf einer Seite ausschließlich an einen Träger öffentlicher Gewalt in dieser Funktion richten. Die Bezeichnung als „Sonderrecht“ bringt einen gewissen Anklang an
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1. Teil, § 2 Formale Kriterien für die Einordnung eines Unternehmens
II. Die Situation in Russland In der Sowjetzeit war die Trennung zwischen Öffentlichem Recht und Privatrecht aufgehoben, da es keine Unterscheidung zwischen Staat und Gesellschaft geben sollte.28 Dem lag die Annahme zugrunde, dass sich die gesamtgesellschaftlichen und die individuellen Interessen nicht widersprächen, da die Sozialordnung auf dem Staatseigentum an den Produktionsmitteln basierte. Das Individuum wurde primär als „Zelle der Gesellschaft“ und als Teil des Systems verstanden.29 Folglich bedurfte es auch keiner Anerkennung der Freiheitsräume des Individuums. Auch wenn das „Einheitsrecht“30 sich in verschiedene Rechtsgebiete gliedern ließ, stellte das gesamte Recht letztlich doch ein „staatliches Lenkungsinstrument im Dienste der gesamtgesellschaftlichen Zwecke“31 dar, die „absoluten Vorrang vor subjektiv-zivilrechtlichen Positionen“32 hatten. Das Privatrecht wurde im Ergebnis zur Erreichung staatlicher Ziele instrumentalisiert.33 Nach den Umwälzungen im Verlauf des Zerfalls der Sowjetunion beschäftigte sich erstmalig Ju. A. Tichomirov34 mit der Abgrenzung der beiden Rechtsgebiete, die im heutigen Russland unterschieden werden.35 Die Trennlinie wird vor allem anhand des Kriteriums der Interessen36 – das Öffentliche Recht schütze die Interessen der ganzen Gesellschaft, das Privatrecht dagegen die Individualbelange – und der Überordnung bzw. Unterordnung37 gezogen. Schließlich ist das Verwaltungsrecht noch immer sehr obrigkeitsrechtlich beeinflusst und die Dogmatik durch die Eingriffsverwaltung bestimmt.38 Überdies wird häufig zusätzlich nach dem Gegenstand und der Methode der rechtlichen Regulierung unterschieden.39 Das Öffentliche Recht bediene sich der Zentralisierung durch Machtbefugnisse, das Privatrecht zeichne sich durch Dezentralisierung aus.40 Allerdings werden die verschiedenen Abgrenzungsdie Subordinationstheorie mit sich. Zudem wird ein Zirkelschluss gezogen, indem zu Öffentlichem Recht erklärt wird, was dem Staat hoheitlich zukommt, wobei gerade die Frage ist, was hoheitlich, d. h. öffentlich-rechtlich ist; vgl. Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 11, Rn. 17. 28 Schmidt, in: Nußberger (Hrsg.), Einführung, S. 77. 29 Berger, Die Bindung der Bürger, S. 48. 30 Vgl. hierzu auch Molitor, Öffentliches Recht, S. 23. 31 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 47, in Bezug auf das DDR-Recht. 32 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 47, in Bezug auf das DDR-Recht. 33 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 47, in Bezug auf das DDR-Recht. 34 Vgl. Tichomirov, Publicˇ noe pravo. 35 Vgl. Popondopulo, Rossijskij juridicˇ eskij Zˇ urnal 2011, Nr. 1. 36 Starilov, in: Bachrach/Rossinskij/Starilov (Hrsg.), Administrativnoe pravo, S. 57 f.; siehe auch Schmidt, in: Nußberger (Hrsg.), Einführung, S. 77. 37 Talapina/Jakovlev, Zˇ urnal rossijskogo prava 2012, Nr. 2. 38 Vgl. Schmidt, in: Nußberger (Hrsg.), Einführung, S. 77; Vinnickij, Pravo i politika 2011, Nr. 3, dagegen bemerkt, dass seit den Reformen in Russland die Methode der Über- und Unterordnung nicht mehr die öffentliche Sphäre zu beschreiben vermöge. 39 Polenina, Gosudarstvo i pravo 1999, Nr. 9, S. 9 f. 40 Statt vieler Cygankov, E˙ Zˇ -Jurist 2012, Nr. 31.
A. Die Zweiteilung des Rechts als Grundlage der formalen Abgrenzung
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theorien meist nicht mit Leben erfüllt. Am Ende sollen dem Öffentlichen Recht alle Beziehungen angehören, „die im Prozess des Funktionierens der öffentlichen Verwaltung entstehen mit Ausnahme derjenigen, die zu anderen Rechtszweigen gehören.“41 Dabei wird die Trennung der Rechtsgebiete auch in Russland immer stärker aufgeweicht.42 Der Verfassungsrichter Kononov43 beklagt gar die Verwischung des Öffentlichen und des privaten Rechts. Gerade im Wirtschaftsrecht,44 das durch privates und öffentliches Eigentum, die Beteiligung privater und staatlicher Akteure und Unternehmungen geprägt sei, seien öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Normen ineinander verwoben.45 Einerseits ist eine „Publifizierung des Privatrechts“ durch imperative Normen und soziale Schutzvorschriften festzustellen.46 Andererseits kann auch eine Privatisierung des Öffentlichen Rechts konstatiert werden, da Beziehungen unter Beteiligung von Hoheitsträgern zunehmend durch Privatrecht geregelt werden. Insbesondere auf Grund der Verwaltungsreform und der im Vordringen befindlichen Leistungsverwaltung47 muss nach Ansicht einiger Literaturstimmen neu überdacht werden, was die öffentlich-rechtliche Beziehung ausmache; schließlich würden die Grenzen zwischen den Rechtsgebieten zunehmend verschwimmen, und die Vorstellung von Macht und Unterwerfung werde der Realität nicht mehr gerecht.48
III. Zusammenfassung und Vergleich Sowohl in Deutschland als auch in Russland gehen die Rechtsordnungen von einem Dualismus des Rechts im Sinne einer Trennung in Privatrecht und Öffentliches Recht aus. Doch verwischen die Grenzen zwischen den Rechtsgebiete zunehmend. Dies führt insbesondere in Russland zu Abgrenzungsschwierigkeiten. Denn die Unterscheidung nach Über- und Unterordnung bzw. Gleichordnung von Rechtssubjekten allein führt durch die Entwicklung der Leistungsverwaltung zu keinen tragfähigen Ergebnissen mehr für die Abschichtung der Rechtssphären.
41
Bachrach/Rossinskij/Starilov, Administrativnoe pravo, S. 66. Talapina/Jakovlev, Zˇ urnal rossijskogo prava 2012, Nr. 2. 43 Verfassungsrichter Kononov weist in seinem Sondervotum zu VerfGRF, U. v. 19. 12. 2005, Nr. 12, GSRF 2006/3/335, darauf hin, dass die absolute Vermischung des Öffentlichen und Privaten Rechts drohe. 44 Auf die Verschränkungen zwischen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Momenten weist auch Leskova, Administrativnoe i municipal’noe pravo 2012, Nr. 2, hin. 45 Talapina/Jakovlev, Zˇ urnal rossijskogo prava 2012, Nr. 2. 46 Vgl. Bogdanov, Rossijskaja justicija 2000, Nr. 4, S. 23. 47 Talapina/Jakovlev, Zˇ urnal rossijskogo prava 2012, Nr. 2. 48 Vinnickij, Pravo i politika 2011, Nr. 3. 42
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1. Teil, § 2 Formale Kriterien für die Einordnung eines Unternehmens
B. Die Rechtsform als Abgrenzungskriterium I. Die Situation in Deutschland 1. Der Zuweisungsgehalt der Rechtsform a) Die öffentlich-rechtliche Organisationsform als Beleg für die Staatlichkeit eines Unternehmens Teilweise wird die Rechtsform eines Unternehmens als entscheidend für die Zuordnung zum gesellschaftlichen bzw. staatlichen Bereich angesehen. Nach Ansicht von Schmidt-Assmann lässt sich der Dualismus des Rechts am leichtesten anhand der Rechtsformen wiederspiegeln. Die Rechtsform als solche ermögliche es, individuelle Freiheit auf der einen Seite und kompetenzgebundene Herrschaftsordnung auf der anderen Seite handhabbar voneinander zu trennen49 und für Rechtsklarheit zu sorgen.50 Auch das BVerfG stellt mit seiner Rechtsprechung zu der fehlenden Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen des Öffentlichen Rechts, die ebenso wie die unmittelbare Staatsgewalt zu behandeln seien,51 das „Dogma von der unterschiedlichen Wertigkeit der Organisationsformen“52 auf: Auf juristische Personen des Öffentlichen Rechts seien Grundrechte nach gängiger Rechtsprechung „grundsätzlich nicht anwendbar“,53 weil sich dahinter kein gesellschaftliches Substrat befinde. In seiner jüngeren Rechtsprechung löst sich das BVerfG jedoch von dem Kriterium der Rechtsform.54 Zwar bilden die verselbstständigten Verwaltungsträger neben dem Behördenapparat tatsächlich meist die zweite Ebene der Verwaltung, die der staatlichen Sphäre zuzuordnen ist. Doch birgt dieser Grundsatz der Zugehörigkeit öffentlichrechtlich verfasster Organisationen zur staatlichen Sphäre zahlreiche und bedeutende Ausnahmen: Die Kirchen etwa sind laut BVerfG nicht in den Staatsaufbau integriert, nehmen keine staatlichen Aufgaben wahr und unterliegen daher keiner staatlichen Aufsicht.55 Ihr öffentlich-rechtlicher Status dürfe nur rechtserweiternd 49 So Schmidt-Assmann, BB 1990, 34/27, S. 7. Das Dogma, das am Rechtsformendualismus ansetze, sei dabei nicht rein formalistisch, sondern trage auch eine materielle Rechtfertigung; vgl. Schmidt-Assmann, BB 1990, 34/27, S. 8. 50 Vgl. Schmidt-Assmann, FS Niederländer, S. 394; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 121, erhebt die Rechtsform zum Entscheidungskriterium zumindest in Bezug auf die Grundrechtsberechtigung. 51 Vgl. BVerfG, NJW 1967, S. 1412. 52 Schmidt-Assmann, BB 1990, 34/27, S. 7. 53 Vgl. Schmidt-Assmann, BB 1990, 34/27, S. 9. 54 Vgl. BVerfGE 75, S. 192 (197); insbesondere BVerfG, JZ 1990, 335; Schmidt-Assmann sieht in dieser Entscheidung eine Abkehr der bisherigen Rechtsprechung; vgl. Schmidt-Assmann, BB 1990, 34/27, S. 9. 55 BVerfG, NJW 2001, S. 429 (430); vgl. auch BVerfGE 18, S. 385 (386) = NJW 1965, S. 961; BVerfGE 19, S. 1 (5) = NJW 1965, S. 1427; BVerfGE 30, S. 415 (428) = NJW 1971,
B. Die Rechtsform als Abgrenzungskriterium
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und nicht pflichtbegründend verstanden werden:56 Er solle die Entfaltung der Religionsfreiheit fördern.57 Die Kirchen seien Teil der Gesellschaft, die dem Staat gegenüberstehe.58 Die öffentlich-rechtliche Verfasstheit jedenfalls der Kirchen erklärt sich primär historisch bzw. traditionell und geht auf die Weimarer Verfassung zurück.59 Auch freiheitssichernde, staatsferne, öffentlich-rechtlich organisierte Institutionen wie Universitäten und Rundfunkanstalten60 belegen, dass der Staat durchaus öffentlich-rechtliche Rechtsformen als geschützten Rahmen für die gesellschaftliche Entfaltung zur Verfügung stellen kann.61 Diese grundrechtsberechtigten Träger, die dem Staat gegenüber zu schützende Rechtspositionen innehaben, sind der staatlichen Sphäre der Verwaltung von Anfang an entzogen. Richtigerweise ist bei juristischen Personen des Öffentlichen Rechts daher zwischen Organisationen mittelbarer Staatsverwaltung und gesellschaftlicher Selbstverwaltung zu unterscheiden.62 Die juristischen Personen des Öffentlichen S. 931; BVerfGE 42, S. 312 (332) = NJW 1976, S. 2123; BVerfGE 66, S. 1 (19 f.) = NJW 1984, S. 2401. 56 Wilms, NJW 2003, S. 1085; problematisch ist aber, dass die Kirchen durchaus Hoheitsbefugnisse wie das Steuererhebungsrecht innerhaben. Der Widerspruch, der in vollumfänglicher Grundrechtsberechtigung trotz der Ausstattung mit Hoheitsbefugnissen liegt, wird aufgelöst, indem die Kirchen mit Beliehenen verglichen werden, die punktuell Hoheitsgewalt ausüben, ansonsten aber Private bleiben sollen; so Wilms, NJW 2003, S. 1083 ff.; allerdings bilden die genannten Befugnisse die absolute Ausnahme, so dass bei den Kirchen bisweilen nur von einem „Mantel der juristischen Person des Öffentlichen Rechts“ gesprochen wird; vgl. BVerfGE 83, S. 341 (357) = NJW 1991, 2623; BVerfG, NJW 2001, S. 429 (430). 57 Vgl. Meyer-Teschendorf, AöR 103 (1978), S. 329; Morlok/Heinig, NVwZ 1999, S. 700 f.; anders die Rechtsprechung des BGH, der letztlich einen Mittelweg geht, indem er die Kirchen zwar außerhalb der eigentlichen Ausübung von Staatsgewalt nicht direkt als an die Grundrechte gebunden ansieht, jedoch dennoch höhere Anforderungen an sie stellt, da der öffentlich-rechtliche Status eine höhere Rechtstreue mit sich bringe, als vom einfachen Bürger verlangt werden könne; vgl. BGH, NJW 2001, S. 3538; hierzu Muckel, Jura 2001, S. 459. 58 BVerfG, NJW 2001, S. 430. 59 So ausdrücklich zu den Kirchen als der ursprünglichsten Form der öffentlich rechtlichen Körperschaft Wilms, NJW 2003, S. 1083 ff. Seiner Meinung nach ist der zugebilligte verbandsrechtliche Status der Kirchen nur „rechtserweiternd, nicht pflichtbegründend“, S. 1085. Die Kirchen sollten gerade nicht in den Staat integriert werden. Die anderen juristischen Personen des Öffentlichen Rechts dagegen sieht er – trotz partieller Grundrechtsfähigkeit etwa der Rundfunkanstalten und der Universitäten – sehr wohl als Teile der Verwaltung an. 60 Vgl. hierzu das BVerfG, NVwZ 2014, S. 867 ff.; demnach muss die Organisation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als Ausdruck des Gebots der Vielfaltssicherung dem Gebot der Staatsferne genügen. Der Einfluss der staatlichen und staatsnahen Mitglieder in den Aufsichtsgremien ist konsequent zu begrenzen; vgl. auch BVerfGE 70, S. 310 (316): „Der Rundfunk steht als Träger der Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG mithin in einer Gegenposition zum Staat […] er kann nicht als Teil der staatlichen Organisation betrachtet werden.“ 61 So auch Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 122. 62 So differenziert Gölz bereits im Titel ihrer Dissertation „Der Staat als Stifter. Stiftungen als Organisation mittelbarer Bundesverwaltung und gesellschaftlicher Selbstverwaltung“, 1999; Wilms stellt heraus, dass beim Körperschaftsbegriff, der sich aus den Kirchen herleite,
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1. Teil, § 2 Formale Kriterien für die Einordnung eines Unternehmens
Rechts gehören also entweder der staatlichen Organisation an – wenn auch in verselbstständigter Weise –, oder aber der Staat entlässt sie in die pluralistischgesellschaftliche Sphäre und erfüllt bzw. gewährleistet durch ihre Gründung eine allgemeinwohlorientierte Tätigkeit.63 Die öffentlich-rechtliche Rechtsform stellt er gesellschaftlichen Kräften als „Gefäß“ zur Verfügung.64 Damit verliert die Rechtsform ihren Zuweisungsgehalt und wird beliebig. Aus der Organisationsform des Öffentlichen Rechts kann daher mangels normativer Zuweisung65 nicht zwingend auf die Staatlichkeit einer juristischen Person geschlossen werden. Vielmehr vermittelt die öffentlich-rechtliche Rechtsform einer Person lediglich eine widerlegbare Vermutung für ihre Staatlichkeit.66 b) Die privatrechtliche Organisationsform als Beleg für das gesellschaftliche Substrat einer Organisation Es wird vielfach die Ansicht vertreten, die Relativierung des Zuweisungsgehalts der öffentlich-rechtlichen Rechtsform könne nicht auf das Privatrecht übertragen werden.67 Auch das BVerfG scheint immer noch davon auszugehen, dass bei juristischen Personen des Privatrechts die Grundrechtsberechtigung – und damit nach der Logik des Verfassungsgerichts68 das gesellschaftliche Substrat – „regelmäßig erfüllt“69 sein soll. Der privatrechtlichen Organisationsform eines Unternehmens wohnt nach Ansicht einiger Literaturstimmen durchaus der Zuweisungsgehalt inne,70 der das Unternehmen der privaten Sphäre anheimstellt.71 Allerdings hat das BVerfG trotz vorliegender Privatrechtsform die Zuordnung zum gesellschaftlichen Bereich in zwei Fällen abgelehnt: Zum einen handle es sich bei Landesinnungsverbänden um „eine atypische Erscheinungsform der juristischen Person des Privatrechts“,72 die durch Körperschaften des Öffentlichen Rechts gebildet werde. Zum anderen seien Unternehmen in alleinigem oder mehrheitlihistorisch gesehen differenziert werden müsse zwischen einem verwaltungsrechtlichen und einem verbandsrechtlichen Begriff; vgl. Wilms, NJW 2003, S. 1083 ff. 63 Stettner, ZUM 2012, S. 206. Der Staat kann jederzeit juristische Personen des Öffentlichen Rechts gründen und in die gesellschaftliche Sphäre entlassen; vgl. Emde, Legitimation, S. 265. 64 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 122. 65 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 133. 66 Emde, Legitimation, S. 265. 67 So Schmidt-Assmann, FS Niederländer, S. 388, 392, 394. 68 Siehe unter § 4 A. I. 1. a). 69 Vgl. BVerfGE 39, S. 302 (312); wiederholt in BVerfGE 75, S. 192 (196) = NVwZ 1987, S. 880. 70 Für die privatrechtliche Form als entscheidendes Kriterium auch Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 119; Pieroth, NWVBl. 1992, S. 88. 71 Schmidt-Assmann, FS Niederländer, S. 392 f. 72 BVerfGE 68, S. 193 (206).
B. Die Rechtsform als Abgrenzungskriterium
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chem73 Besitz des deutschen Staates74 trotz privatrechtlicher Organisationsform wie der Staat zu behandeln.75 Die Literatur schließt sich dieser „Ausnahme“ größtenteils an, da ein Rechtsformmissbrauch durch den Staat verhindert werden müsse.76 Bei gemischtwirtschaftlichen Unternehmen soll nach verbreiteter Ansicht die Rechtsform aber um der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit willen entscheidend sein.77 Etwas anderes könne hier nur gelten, wenn die private Beteiligung als eine reine Farce zu beurteilen sei und ausschließlich dazu diene, die staatlichen, d. h., öffentlich-rechtlichen Bindungen zu umgehen.78 Wie die vom BVerfG aufgestellten Ausnahmen zum Zuweisungsgehalt der privatrechtlichen Rechtsform zeigen, ist die Regel unter der Prämisse der Anerkennung der Formenwahlfreiheit der Verwaltung im Bereich der Leistungsverwaltung problematisch und nur bedingt hilfreich: Wenn der Staat frei zwischen staatlichen und privaten Rechtsformen wählen darf, kann auch die private Rechtsform nicht über die Staatlichkeit oder Gesellschaftlichkeit eines Subjekts entscheiden. Ansonsten wären ein Formmissbrauch und eine Flucht ins Privatrecht zu befürchten. c) Exkurs: Die Formenwahlfreiheit der Verwaltung und das Verwaltungsprivatrecht Die überwältigende Mehrheit der Literatur geht davon aus, dass der Staat bei der Erfüllung seiner Aufgaben im Bereich der Leistungsverwaltung zwischen privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Organisationsformen wählen kann.79 Häufig wird die Wahlfreiheit der Organisationsform als wesentliches Merkmal des Verwaltungsprivatrechts bezeichnet.80 Allerdings ist diese Konzeption vielmehr die Antwort, die logische Konsequenz und die notwendige Reaktion auf die Möglichkeit der Wahl. Entscheidend ist, dass sich die Verwaltung zur Erfüllung ihrer Aufgaben zwar im Rahmen der Leistungsverwaltung privatrechtlicher Organisationsformen81 bedienen darf, dabei aber eben gerade nicht ihre Staatlichkeit einbüßt und nicht der
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BVerfGE 128, S. 226 ff. = NJW 2011, S. 1201 ff. Zu den Besonderheiten einer juristischen Person, deren Anteile mehrheitlich oder zu 100 % von einem Mitgliedstaat der EU gehalten werden siehe unter § 4 A. I. 1. f) aa). 75 BVerfGE 45, S. 63 (80). 76 Schmidt-Assmann, BB 1990, 34/27, S. 9 f.; er fordert grundsätzlich für die Anerkennung von Ausnahmen einen „qualifizierten Begründungaufwand“; vgl. ders., BB 1990, 34/27, S. 8; ähnlich Koppensteiner, NJW 1990, S. 3106 ff. 77 Schmidt-Assmann, BB 1990, 34/27, S. 10. 78 Stern, StaatsR III/1, S. 1170. 79 Als herrschende Meinung bezeichnet dies etwa Schmidt, ZGR 3/1996, S. 356. 80 Vgl. Schmitz, in Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), § 1 VwVfG, Rn. 116. 81 Zur ebenfalls vom Verwaltungsprivatrecht umfassten Wahlfreiheit der Handlungsform s. unten § 2 C. I. 1. b). 74
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1. Teil, § 2 Formale Kriterien für die Einordnung eines Unternehmens
öffentlich-rechtlichen Bindungen verlustig geht. Trotz privatrechtlicher Organisation genießt sie nicht die aus der Privatautonomie fließenden Vorteile.82 Das Verwaltungsprivatrecht reguliert durch Modifizierung und öffentlich-rechtliche Überlagerung des Privatrechts also die Folgen der Wahlfreiheit und verhindert eine ungezügelte Flucht ins Privatrecht.83 Einige Literaturstimmen wie etwa Pestalozza wollen aber nicht nur die Konsequenzen kontrollieren, sondern bereits an der Wurzel, der Wahlfreiheit selbst, ansetzen und jene abschaffen84 oder jedenfalls relativieren.85 Insbesondere solle für die Wahl der privaten Organisationsform sowie für die Ausgliederung einer Einheit aus der unmittelbaren Verwaltung ein Gesetzesvorbehalt notwendig sein. Ein freies Wahlrecht bezüglich der Organisationsform bestehe nicht, da die privatrechtliche Variante immer einer Rechtfertigung bedürfe.86 Dabei seien bereits allgemeine Bestimmungen, welche die Verwendung privatrechtlicher Organisationsformen regelten, wie etwa § 65 Abs. 1 BHO, ausreichend.87 d) Zwischenergebnis Selbst wenn man die Wahlfreiheit der Verwaltung kritisch einschränkt, gibt die privatrechtliche bzw. öffentlich-rechtliche Rechtsform keinen wesentlichen Aufschluss darüber, ob ein Unternehmen staatlich oder aber gesellschaftlich ist. Auch eine verfassungsrechtliche Vermutung für die Zuordnung der gemischtwirtschaftlichen Unternehmen zur gesellschaftlichen Sphäre, die unter großem Begründungsaufwand widerlegt werden müsste, existiert nicht.88 Allenfalls wird man der Rechtsform eine gewisse Indizwirkung zuschreiben können.89 Jedenfalls wird in der Wahl der Rechtsform ausgedrückt, ob die öffentliche Hand eher eine Nähe oder eine Ferne der von ihr gegründeten Organisation zum Staat anstrebt. Dies gilt nicht nur für die Grundentscheidung, ob die öffentliche Hand zu einer privatrechtlichen Organisationsform an sich greift, sondern insbesondere für die Wahl der konkreten privatrechtlichen Rechtsform, da etwa eine GmbH weit mehr staatlichen Einfluss ermöglicht als die AG.90 82 BVerwG, NVwZ 1991, 59; BVerwG, DÖV 1990, 614; BGH, NJW 1985, 197, 200; statt vieler Ehlers, DVBl. 1983, S. 422; ders., JZ 1990, S. 1089. 83 Eingehend s. unter § 2 C. I. 1. c). 84 Vgl. Pestalozza, Formenmißbrauch, S. 175; zur Kritik hieran Zuleeg, VerwArch 73 (1982), S. 384, 389 f.; für Einschränkungen vgl. auch Gern, VerwArch 70 (1979), S. 233 f. 85 Zum Überblick über den Meinungsstand vgl. Ehlers/Schneider, in: Schoch/Schneider/ Bier (Hrsg.), § 40 VwGO, Rn. 249 ff. 86 Ehlers, in: Schoch/Schneider/Bier (Hrsg.), § 40 VwGO, Rn. 269; ders., DÖV 1986, 903; Schoch, DÖV 1993, S. 377, 381 ff.; ders., DVBl. 1994, S. 5 f. 87 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 91. 88 So aber Schmidt-Aßmann, BB 1990, 34/27, S. 8, 10; ders., FS Niederländer, S. 388. 89 BVerfGE 68, S. 193 = NJW 1985, S. 1385 (1387); BVerfG, NJW 1987, S. 2501 (2502); statt aller Jarass, MMR 2009, S. 226. 90 So auch Teichmann, Festgabe Knemeyer, S. 660.
B. Die Rechtsform als Abgrenzungskriterium
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2. Öffentlich-rechtliche Ausprägungen staatlicher Wirtschaftstätigkeit a) Die juristischen Personen des Öffentlichen Rechts Im Gesetz findet sich weder eine Definition der juristischen Person des Öffentlichen Rechts als solcher noch ihrer Ausprägungen. Klassischerweise werden aber die Körperschaft, die Anstalt und die Stiftung Öffentlichen Rechts als die Trias der juristischen Personen des Öffentlichen Rechts bezeichnet.91 Ihre Existenz wird in einfachen Gesetzen und vor allem im GG vorausgesetzt: Die Art. 86, 87 Abs. 3 GG beziehen sich ihrem Wortlaut nach zwar nur auf die Körperschaft und die Anstalt; dennoch ist allgemein anerkannt, dass auch die jüngere Stiftung vom Begriff der juristischen Person des Öffentlichen Rechts erfasst sein soll.92 Die öffentlich-rechtliche Körperschaft ist – anders als die schwer voneinander abzugrenzenden Formen der Anstalt und Stiftung93 – mitgliedschaftlich organisiert. Im Regelfall sind die Körperschaften derart in die Staatsorganisation integriert, dass ihnen anderen (Grund-)Rechtsträgern gegenüber keine eigenen Rechtspositionen zustehen, es sei denn, die Verfassung sieht solche Positionen ausdrücklich vor.94 Vielmehr zeichnen sich die Körperschaften durch Selbstverwaltungsrechte aus. Prototypisch kann hier die Gemeinde mit ihrem verfassungsrechtlich garantierten Recht aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG angeführt werden.95 Typischerweise sind Körperschaften zudem nicht gewerblich tätig. Sowohl die Anstalt als auch die Stiftung sind vermögensgebunden und mitgliederlos. Daher wird Letztere oft als Unterfall der Anstalt aufgeführt.96 Doch ist es gerechtfertigt, zwischen der Stiftung und der Anstalt zu unterscheiden: Die Definition der Anstalt als „Bestand von Mitteln, sächlichen wie persönlichen, welche in der Hand eines Trägers öffentlicher Verwaltung einem besonderen öffentlichen Zweck dauernd zu dienen bestimmt sind“,97 kann mit dem Terminus „Zweckvermögen“98 zusammengefasst werden. Sie ist stärker durch die Zusammenfassung von Sach- und Personalverbund geprägt, während bei der Stiftung der monetäre Wert im Vordergrund steht. Zudem ist die Anstalt häufig organschaftlich organisiert und gerät damit in die Nähe der Körperschaft, da Gruppen der gesellschaftlichen Sphäre oft
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Mayer, DVR, II, 1896, S. 318 ; vgl. hierzu auch Zimmermann, Schutzanspruch, S. 197 f. Vgl. dazu Hermes, in: Dreier (Hrsg.), Art. 86 GG, Rn. 32; ders., Art. 87 GG, Rn. 79. 93 Vgl. Stettner, ZUM 2012, S. 206. 94 So ausdrücklich Wilms, NJW 2003, S. 1086. 95 Allerdings können auch öffentliche Stiftungen und Anstalten Selbstverwaltung betreiben, obwohl sie nicht mitgliedschaftlich organisiert sind; vgl. Stettner, ZUM 2012, S. 205; für die Stiftungen ablehnend dagegen etwa Dreier, Verwaltung, S. 245. 96 Mayer, DVR II, 1924, S. 335, etwa behandelt die Stiftungen des Öffentlichen Rechts als Unterfall der öffentlich-rechtlichen Anstalt. 97 Vgl. Krebs, NVwZ 1985, S. 609 ff. 98 Mayer, DVR II, 1896, S. 268. 92
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1. Teil, § 2 Formale Kriterien für die Einordnung eines Unternehmens
Raum für Mitwirkung geboten wird.99 Anders als bei der Anstalt, die nur in der Form des Öffentlichen Rechts existiert, muss bei der Stiftung zudem anhand ihres Entstehungstatbestands unterschieden werden, ob sie privatrechtlich oder öffentlichrechtlich ist.100 Gerade in Bezug auf Stifungen wird allerdings die Möglichkeit des Staates, eine private Rechtsform zu wählen, bezweifelt.101 Anders als die Anstalt und die Körperschaft muss die Stiftung des Öffentlichen Rechts nicht zwingend mit eigenständiger Rechtspersönlichkeit ausgestattet werden, sondern kann auch ein unselbstständiges Sondervermögen bilden, das treuhänderisch oder fiduziarisch von einer anderen Person verwaltet wird, in deren Eigentum die Vermögensmasse übergeht.102 Sowohl Anstalten als auch Stiftungen können gewerblich am Markt tätig sein. Alle drei Formen sind als verselbstständigte Verwaltungsträger außerhalb des Behördenapparats anzutreffen, die sich von Letzterem dadurch unterscheiden, dass sie – mit Ausnahme der Stiftung, die auch als unselbstständiges Sondervermögen ausgestaltet sein kann – eine eigene Rechtspersönlichkeit aufweisen und keiner direkten Weisungshierarchie, sondern lediglich einer staatlichen Aufsicht unterliegen. Mit der rechtlichen Verselbstständigung ist letztlich eine Einschränkung der demokratischen Kontrolle durch das direkt gewählte Parlament verbunden. Denn der jeweilige Minister, der dem Parlament verantwortlich ist und der Kontrolle durch die Volksvertretung unterliegt, kann nicht durch Weisungen durchgreifen und den Willen des Parlaments weitergeben.103 Wie oben dargestellt, existieren neben den staatlichen auch die staatsfernen, freiheitssichernden104 juristischen Personen des Öffentlichen Rechts, die sich durch ihre Grundrechtsfähigkeit auszeichnen.105 99
Vgl. Breuer, VVDStRL 44 (1986), S. 211, 221. Stettner, ZUM 2012, S. 204. 101 Vgl. Ehlers, in: Erichsen/Ehlers/Burgi (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3, Rn. 35 ff., mit Kritik ab Rn. 39 ff.; allerdings ist die Abgrenzung zwischen Stiftungen des Privaten und des Öffentlichen Rechts sehr schwierig; vgl. Stettner, ZUM 2012, S. 207. 102 So umfasst die Definition des Bayerischen Stiftungsgesetzes (Art. 1 Abs. 2), die prototypisch in Ermangelung einer entsprechenden Regelung des Bundes herangezogen werden soll, als Stiftungen des Öffentlichen Rechts Organisationsformen, die eine Rechtspersönlichkeit besitzen, sowie solche, die unselbstständig (treuhänderisch, fiduziarisch) ausgestaltet sind. Die Definition bezeichnet als Stiftung des Öffentlichen Rechts Einrichtungen, die „ausschließlich öffentliche Zwecke verfolgen und mit dem Staat, einer Gemeinde, einem Gemeindeverband oder einer sonstigen Körperschaft oder Anstalt des Öffentlichen Rechts in einem organischen Zusammenhang stehen, der die Stiftung selbst zu einer öffentlichen Einrichtung macht“; vgl. Stettner, ZUM 2012, S. 207. 103 Dazu, dass für die mittelbare Staatsverwaltung teilweise abgeschwächte Legitimationserfordernisse gelten sollen, siehe unter § 4 B I 6 a). 104 Vgl. Stettner, ZUM 2012, S. 205. 105 So auch Wilms, der sich gewissermaßen selbst widerspricht, indem er Universitäten und Rundfunkanstalten zunächst den verwaltungsrechtlichen, in den Staatsaufbau integrierten Körperschaften zuschreibt, um sodann zwischen verwaltungsrechtlichen und verbandsrecht100
B. Die Rechtsform als Abgrenzungskriterium
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b) Unselbstständige Formen staatlicher Wirtschaftstätigkeit Wirtschaftlich tätig sind insbesondere die unselbstständigen Eigen- und Regiebetriebe.106 Eigenbetriebe sind Unternehmen der öffentlichen Hand, die keine eigene Rechtspersönlichkeit aufweisen und außerhalb der allgemeinen Verwaltung geführt werden.107 Nach außen stellen sie eine unselbstständige Verwaltungseinheit dar; innerhalb der Verwaltung besitzen sie dagegen – da sie als Sondervermögen außerhalb des Haushalts geführt werden – eine gewisse organisatorische und finanzwirtschaftliche Selbstständigkeit.108 Der wesentliche Unterschied zur sonstigen Verwaltung liegt in der kaufmännischen Führung der Eigenbetriebe.109 Auch Bundesbetriebe und nichtrechtsfähige Sondervermögen im Sinne des § 26 BHO können mit eigener Wirtschafts- und Rechtsführung, also getrennt vom sonstigen Haushalt, mit eigenen Schulden etc. geführt werden.110 Der Regiebetrieb stellt ebenfalls eine rechtlich unselbstständige Verwaltungseinheit dar. Anders als bei dem Eigenbetrieb fehlt mangels getrennter Haushaltsführung die ökonomische Eigenständigkeit.111 Der Regiebetrieb ist voll in die Kommunalwirtschaft eingegliedert.112 3. Privatrechtliche Formen staatlicher Wirtschaftstätigkeit a) Die OHG, GbR und KG als Personengesellschaften Theoretisch kommt für den Staat die Wahl einer OHG, GbR oder KG in Betracht. Allerdings widerspricht der Grundsatz der persönlichen Haftung den Haushaltsgrundsätzen der Haftungsbegrenzung aus § 65 Abs. 1 Nr. 2 BHO.113 Daher soll hier nicht näher auf die Personengesellschaften eingegangen werden.114
lichen, weil grundrechtsberechtigten juristischen Personen des Öffentlichen Rechts zu unterscheiden; vgl. Wilms, NJW 2003, S. 1086. 106 Die Regiebetriebe gelten nach europäischem Maßstab nicht einmal als Unternehmen; vgl. Gurlit, NZG 2012, S. 252 mit w.N.; zudem sei daran erinnert, dass auch die Stiftung des Öffentlichen Rechts bisweilen unselbstständig konstruiert sein kann. 107 Storr, Staat als Unternehmer, S. 51, mit Verweis auf Art. 88 Abs. 1 BayGO. 108 Manthey, Bindung, S. 20. 109 Storr, Staat als Unternehmer, S. 52. 110 Vgl. Heise, Deutsche Bahn AG, S. 62 ff. 111 Storr, Staat als Unternehmer, S. 51, mit Verweis auf Art. 88 Abs. 1 BayGO. 112 Manthey, Bindung, S. 20. 113 Vgl. zur Ungeeignetheit dieser Gesellschaftsformen für Kommunen Fabry/Augsten/ Appel (Hrsg.), Unternehmen, S. 17 ff.; vgl. auch Schön, ZGR 1996, S. 435. 114 Eingehend zur GbR mit Beteiligung der öffentlichen Hand etwa Forst/Traut, DÖV 2010, S. 210 ff.
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b) Die GmbH als Kapitalgesellschaft Die GmbH besteht aus einem oder mehreren Gesellschaftern und hat eine eigene Rechtspersönlichkeit. Für Schulden haftet nur das Gesellschaftsvermögen, das in Geschäftsanteile zerlegt ist. Die GmbH verfolgt überindividuelle Ziele, ist auf Dauer angelegt und vom Bestand, d. h. der Zusammensetzung der Gesellschafter unabhängig. Diese stellen dem Leitbild des Gesetzgebers zufolge nicht eine anonyme Investorenmasse, sondern einen überschaubaren Kreis an Investoren dar.115 Als juristische Person ist die GmbH auf Organe angewiesen: Das Geschäftsführungsorgan bildet der Geschäftsführer (§§ 35 ff. GmbHG), und das Eigentümerorgan ist die Gesellschafterversammlung (§§ 45 ff. GmbHG). Ein Aufsichtsrat zur Überwachung der Geschäftsführung besteht nur fakultativ (§ 52 GmbHG).116 Der Geschäftsführer hat sich nach den Weisungen der Gesellschafterversammlung zu richten (§ 37 Abs. 1 GmbHG). Gerade die Nähe von Kapitalgeber und Geschäftsführung bildet einen idealen „Verbund zwischen Freiheit und Kontrolle“,117 welche die GmbH sehr gut für öffentliche Unternehmen geeignet erscheinen lässt.118 Daher stellt die GmbH die beliebteste Rechtsform für kommunale Unternehmen dar.119 c) Die AG als Kapitalgesellschaft Die Aktiengesellschaft ist eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit (§ 1 Abs. 1 S. 1 AktG), die von der Zusammensetzung der Aktionäre unabhängig ist. Gläubigern gegenüber haftet die AG nur mit dem Gesellschaftsvermögen (§ 1 Abs. 1 S. 2 AktG). Das Grundkapital ist in Aktien zerlegt (§ 1 Abs. 2 AktG). Je nach dem Ausmaß der staatlichen Beteiligung spricht man entweder von gemischtwirtschaftlichen Unternehmen, an denen neben dem Staat auch private Anleger über Aktien verfügen, oder von Eigengesellschaften, deren staatlicher Anteil 100 % beträgt. Die Mitgliedschaft an der AG wird über die Aktie vermittelt. Letztlich handelt es sich um einen Zweckverband, der zur Verfolgung eines überindividuellen gemeinsamen Zwecks errichtet ist,120 wobei die Gesellschafter darüber entscheiden, welcher gemeinsame Zweck durch den Zusammenschluss verfolgt werden soll.121 Hierbei ist zwischen dem Unternehmensgegenstand als dem Tätigkeitsbereich und dem Unternehmenszweck im engeren Sinne, d. h. dem Unternehmensziel, zu un115
Heise, Deutsche Bahn AG, S. 125. Allerdings kann das Mitbestimmungsrecht einen Aufsichtsrat ab 500 Mitarbeitern zwingend erforderlich machen; vgl. § 77 Abs. 1 BetrVG 1952 (Betriebsverfassungsgesetz vom 11. 10. 1952, BGBl I, S. 681). 117 Formel von Knemeyer, in: Henneke (Hrsg.), Organisation, S. 131, 142. 118 Vgl. Teichmann, Festgabe Knemeyer, S. 660; ähnlich Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 313 ff. 119 Pitschas/Schoppa, DÖV 2009, S. 469. 120 Vgl. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 57. 121 Vgl. Wiedemann, Gesellschaftsrecht I , S. 9. 116
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terscheiden, wobei die beiden in einem Mittel-Zweck-Verhältnis zueinander stehen.122 Ein Unternehmensgegenstand kann sowohl zur Gewinnmaximierung vorangetrieben werden als auch dem Gemeinwohl oder makroökonomischen Zielen dienen.123 Die AG als juristische Person des Privatrechts verlangt nach Organen: Dabei ist die Geschäftsführung von der Eigentümerstellung getrennt, d. h. Leitung und Kapital gehen nicht zusammen. Die Gesellschafter bilden in der Hauptversammlung als dem „Sitz der Aktionärsdemokratie“124 ihren Willen (§§ 118 ff. AktG). Die Geschäftsführung dagegen obliegt dem Vorstand (§§ 76 ff. AktG). Dieser wird durch den obligatorisch einzurichtenden Aufsichtsrat (§§ 95 ff. AktG) überwacht. Allerdings handelt der Vorstand unter eigener Verantwortung (§ 76 AktG) und unterliegt nicht den Weisungen der Hauptversammlung oder des Aufsichtsrats. Der sachliche Umfang seiner Vertretungsmacht nach außen ist grundsätzlich – besonders im Interesse der Geschäftspartner der AG – unbeschränkbar.125 Die Kompetenzverteilung des Aktiengesetzes ist grundsätzlich zwingend. Nach dem Grundsatz der Satzungsstrenge – Abweichungen vom Aktiengesetz in der Satzung sind nur möglich, wenn sie ausdrücklich zugelassen sind (vgl. § 23 Abs. 5 AktG) – können den Organen durch Satzung keine weiteren Kompetenzen eingeräumt werden.
II. Die Situation in Russland 1. Die Konzeption der juristischen Person im Zivilrecht a) Der rechtstheoretische Hintergrund Ob die Rechtsform als solche als Kriterium für die Zuordnung einer juristischen Person zur staatlichen oder privaten Sphäre in Russland tauglich ist, hängt zunächst davon ab, wie die juristische Person konzipiert ist. Die großen sowjetischen Theoretiker betrachteten die juristische Person primär als soziale Wirklichkeit und sahen ihr Wesen in ihrem kollektiven menschlichen Substrat.126 Dabei knüpften sie an die Gemeinschaft der Arbeiterschaft als soziale 122
Vgl. Pentz, MüKo AktG, § 23 AktG, Rn. 74. Vgl. Mann, Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft, S. 184. 124 Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 837; BVerfG, NJW 2000, 349, 351. 125 Klein, Aktionärin, S. 37. 126 Aus der Sowjetzeit sind vier Ansätze hervorzuheben: Nach der Theorie des Kollektivs von Venediktov verwaltet der Staat über das Kollektiv als Rechtsträger das ihm gehörende Eigentum. Asknazija geht dagegen als Vertreterin der Theorie des Staates davon aus, dass der Staat selbst als Rechtsträger direkt das ihm gehörende Vermögen verwalte. Die von Tolstoj vertretene Theorie des Direktors identifiziert die juristische Person mit dem Direktor, der den Willen der juristischen Person wiedergibt. Genkin hingegen vertritt die Theorie der sozialen Wirklichkeit: Die Umstände des Sozialstaats brächten das Bedürfnis ihrer Existenz mit sich, und sie selbst seien Rechtsträger. Diese Rechtssubjekte müssten eben als abgetrennte 123
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Realität an, die hinter den juristischen Personen stehe und diese lenke. Letztlich wurde die juristische Person als „eine Form der rechtlichen Organisation der produzierenden Tätigkeit des Arbeiterkollektivs“127 betrachtet. Allerdings war die Vorstellung eines sozialen Substrats, welche das Unternehmen lenkt und leitet, bereits zu Sowjetzeiten unrealistisch. Damals hatten die Arbeiter keinen entscheidenden Einfluss auf die Arbeitsprozesse, geschweige denn auf die Führung und Willensbildung des Unternehmens und die Verwaltung des Eigentums.128 Bereits ˇ erepachin hatte zudem die Identifikation der juristischen Person mit der C menschlichen Zusammensetzung kritisiert, die gerade dem Sinn und Zweck der rechtlichen Konstruktion widerspreche:129 So wie man den Fluss nicht mit dem wechselnd durchströmenden Wasser gleichsetzen dürfe, dürfe man auch nicht die juristische Person mit den beteiligten Menschen identifizieren.130 Bereits zu Sowjetzeiten war den vielfältigen Ausprägungen der wesentlichen Theorien der sozialen Realität und des Kollektivs die westliche, von Savigny entwickelte, Fiktionstheorie entgegengesetzt worden.131 Ihr zufolge ist die juristische Person lediglich eine Erfindung und Konstruktion der Rechtsordnung. Sie dient vornehmlich der Haftungsbegrenzung und wird völlig unabhängig von den beteiligten natürlichen Personen gesehen.132 Auch die Rezeption von Alois von Brinz führte zu einer Betonung der vermögensrechtlichen Seite. Demnach ist die juristische Person nichts anderes als subjektloses, zweckgebundenes Vermögen.133 Zwar gewährleistet die juristische Person als Vermögensmasse im technischen Sinne die Ununterbrochenheit der kapitalistischen Tätigkeiten.134 Doch ist diese Theorie insofern zu kritisieren, als – wie Suchanov zutreffend bemerkt – die Anerkennung einer Rechtspersönlichkeit hinter der Vermögensmasse keine bloße Fiktion, sondern eine reale zivilrechtliche Konstruktion darstellt.135 Rechtssubjekte voneinander unabhängig sein. Die juristische Person wurde dabei als real existierende Einheit angesehen, das Staatsorgan als juristische Person, also nicht nur als abgesondertes getrenntes Vermögen, sondern als besonderes Rechtssubjekt, das eine soziale Wirklichkeit darstellt, der Vermögen zur Erreichung der ihr aufgetragenen Aufgaben übertragen ist; vgl. zu den Theorien Gresˇnikov, Sub’’ekty grazˇ danskogo prava, S. 70; eingehend Krasavcˇ ikova, Sovetskoe grazˇ danskoe pravo, S. 152; Man’kovskij, I. A., Rossijskij juridicˇ eskij Zˇ urnal 2010, Nr. 4. 127 Venediktov, Gosudarstvennaja socialisticˇ eskaja sobstvennost’, S. 676, 672. 128 Man’kovskij, I. A., Rossijskij juridicˇ eskij Zˇ urnal 2010, Nr. 4. 129 So auch Gadzˇiev, Civilist 2011, Nr. 3, S. 33. 130 ˇ Cerepachin, Voleobrazovanie i voleiz’’javlenie juridicˇ eskogo lica, S. 46. 131 Letztlich nahmen die sowjetischen Lehrbücher trotz aller Kritik am „Klassenfeind“ bestimmte Merkmale der Fiktionstheorie auf; vgl. Man’kovskij, Rossijskij juridicˇ eskij Zˇ urnal 2010, Nr. 4. 132 Vgl. Bratus’, Sub’’ekty grazˇ danskovo prava, S. 166. 133 Vgl. etwa Bratus’, Sub’’ekty grazˇ danskovo prava, S. 79. 134 Bratus’, Sub’’ekty grazˇ danskovo prava, S. 166. 135 Suchanov, Grazˇ danskoe pravo 2004, S. 215 f.; vgl. auch Gadzˇiev, Civilist 2011, Nr. 3, S. 33.
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Gemeinsam ist den beiden klassischen Theorien im Ergebnis, dass sie an die hinter der juristischen Person stehenden Menschen anknüpfen, entweder weil sie die juristische Person selbst nur für eine Fiktion halten, die lediglich Vermögensmasse darstellt und der Haftungsbeschränkung dient, oder aber weil der juristischen Person ein reales, sozial-kollektives Substrat entspricht. Noch heute wirken beide Denktraditionen fort. Unter Bezugnahme auf die Fiktionstheorie wird die juristische Person von einigen Autoren lediglich als eine Abstraktion und ein Instrument zur Absonderung des Vermögens betrachtet.136 Als Rechtssubjekte werden daher nur die hinter der juristischen Person stehenden natürlichen Personen anerkannt,137 die entsprechend auch in Verantwortung genommen werden müssten.138 Ihr Wille sei entscheidend, da die juristische Person als reine Fiktion nicht zur Willensbildung fähig sei.139 Dabei wird teilweise auf die Mitglieder, teilweise auf die Gründer abgestellt.140 Die Gesetzgebung der RF nimmt die Ansätze der Fiktionstheorie insofern auf, als Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit nur einem Gesellschafter für zulässig erklärt wurden. Es geht weniger um ein soziales Substrat als um die Haftungsbeschränkung und den zweckgebundenen Einsatz von Vermögen und Eigentum.141 In Anlehnung an die Theorie der sozialen Realität dagegen wird die juristische Person einem Organismus und damit letztlich einer natürlichen Person gleichgestellt.142 In dieser Konsequenz wird das einfache Gesetz bisweilen ohne teleologische Auslegung undifferenziert auf natürliche wie juristische Personen angewandt, was mitunter zu seltsamen Ergebnissen führt. So wird juristischen Personen Schmerzensgeld zugesprochen,143 obwohl jenes für physische oder moralische Leiden eines Menschen konzipiert ist.144 Auch wird die Schuldfähigkeit der juristischen Person diskutiert, obwohl die Schuld grundsätzlich für einen psychischen Zustand gehalten wird.145 Letztlich wird der juristischen Person als eigenständigem Rechtssubjekt also
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Vgl. für weitere Nachweise Belov, Grazˇ danskoe pravo, S. 265. Vgl. die Zusammenfassung bei Bogdanov, Sovremennoe pravo 2011, Nr. 11. 138 Bogdanov, Sovremennoe pravo 2011, Nr. 11. 139 So Bogdanov, Sovremennoe pravo 2011, Nr. 11. 140 In diese Richtung Man’kovskij, Rossijskij juridicˇ eskij Zˇ urnal 2010, Nr. 4. Das Ausscheiden der Gründer aus der juristischen Person bringe schließlich meist große Nachteile mit sich, und diese seien üblicherweise (mit Ausnahme der unitarischen Betriebe) Eigentümer. 141 Borisova, Transportnoe pravo 2012, Nr. 3. 142 Suvorov etwa bezeichnet die juristische Person als gesellschaftlichen Organismus, woran starke Kritik geübt wurde; s. Suvorov, O juridicˇ eskich licach, S. 182; zur Kritik daran Bogdnov, Sovremennoe pravo 2011, Nr. 11. 143 OGRF, U. v. 20. 12. 1994 Nr. 10, in Bjulleten’ VS RF 1995 Nr. 3, S. 10; Sadikom, in: Jakovleva (Hrsg.), Kommentarij, S. 66. 144 Bogdnov, Sovremennoe pravo 2011, Nr. 11. 145 Vgl. Matveev, Osnovanija grazˇ dansko-pravovoj otvetstvennosti, S. 232. 137
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nicht nur die Fähigkeit zu einem eigenen Willen, sondern auch zu psychischen Prozessen zugebilligt.146 Damit bleiben das Wesen und die Stellung der juristischen Person umstritten.147 Betrachten einige die Uneinigkeit der Literatur als schwerwiegendes Problem,148 halten andere den Versuch der Entwicklung eines universellen Konzepts der juristischen Person für sinnlos.149 Nach der hier vertretenen Ansicht sollte man sich von beiden Theorien verabschieden und sich neueren Stimmen anschließen, welche die juristische Person als ein eigenständiges Rechtssubjekt sehen, das aber von seinen Gründern oder Mitgliedern unabhängig ist.150 Die besondere Funktion der juristischen Person besteht gerade darin, ein Subjekt als Träger von Rechten und Pflichten zu schaffen, das unabhängig von dem Wechsel des personalen Substrats handeln und existieren kann. Auch das Vermögen der juristischen Person ist ihr selbst zugeordnet.151 Doch ist bei dem Zugeständnis von Rechten immer darauf zu achten, ob sie dem Wesen nach überhaupt auf juristische Personen anwendbar sind.152 b) Gesetzliche Verankerung der Figur im Zivilrecht Eine abschließende Definition der juristischen Person existiert nicht. Das ZGBRF zählt in Art. 48 lediglich die wesentlichen Merkmale der juristischen Person auf: Dieses Rechtssubjekt gilt mit der staatlichen Registrierung als gegründet. Es verfügt über gesondertes Vermögen, das es als Eigentum oder nach dem Recht der operativen Verwaltung (operativnoe upravlenie) oder der wirtschaftlichen Führung (chozjajstvennie vedenie) verwaltet. Die juristische Person haftet mit ihrem Vermögen für ihre Verbindlichkeiten, erwirbt und verwirklicht immaterielle und materielle Vermögensrechte und kann vor Gericht klagen sowie verklagt werden. Zwar wird streng zwischen Kapitalgesellschaften und Personenvereinigungen unterschieden, doch stellen auch Letztere – anders als in Deutschland – juristische Personen dar.153 Bei ihnen steht aber nicht die Kapitalbeschaffung, sondern die Vereinigung der Gesellschafter im Vordergrund, die meist selbst die Geschäftsführung übernehmen.154 Das hat Auswirkungen auf die oben behandelte gleichsam 146 Hierzu höchst kritisch Bogdanov, Sovremennoe pravo 2011, Nr. 11; vgl. auch Man’kovskij, Rossijskij juridicˇ eskij Zˇ urnal 2010, Nr. 4. 147 Vgl. Kozlova, Pravosub’’ektnost’ juridicˇ eskovo lica; eingehend Kozlova, Ponjatie u susˇcˇ nost’ juridicˇ eskogo lica; s. auch Man’kovskij, Rossijskij juridicˇ eskij Zˇ urnal 2010, Nr. 4. 148 Bogdnov, Sovremennoe pravo 2011, Nr. 11. 149 Vgl. Serova, Klassifikacija juridicˇ eskich lic, S. 12. 150 Gresˇnikov, Sub’’ekty grazˇ danskogo prava, S. 149. 151 Kozlova, Pravosub’’ektnost’ juridicˇ eskovo lica. 152 Kozlova, Zakonodatel’stvo 1997, Nr. 2. 153 Vgl. Pashenko, in: Nußberger (Hrsg.), Einführung, S. 217. 154 Vgl. Pashenko, in: Nußberger (Hrsg.), Einführung, S. 217.
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philosophische Frage,155 wie das Wesen der juristischen Person überhaupt zu bestimmen ist. Der zivilrechtlichen Konzeption der juristischen Person liegt zunächst die Unterscheidung zwischen kommerziellen156 und nicht-kommerziellen Organisationen zugrunde. Die kommerzielle Organisation verfolgt gemäß Art. 50 Abs. 1 ZGBRF als Hauptziel die Gewinnerzielung. Die nicht-kommerzielle Organisation darf nur im Rahmen ihrer Zweckbestimmung unternehmerischer Tätigkeit nachgehen (Art. 50 Abs. 4 ZGBRF). Auf Grund dieser – wenn auch eingeschränkten – wirtschaftlichen Tätigkeit nicht-kommerzieller Organisationen ist die Unterscheidung entlang der Hauptlinie der kommerziellen Ausrichtung einer Person allerdings alles andere als eindeutig.157 Des Weiteren lässt sich etwa danach differenzieren, ob die juristische Person an ihrem Vermögen Eigentum besitzt oder ihr staatliches bzw. munizipales Vermögen zur wirtschaftlichen Führung oder zur operativen Verwaltung übergeben ist. Durch die Reform des ZGBRF wurde darüber hinaus die Unterscheidung in mitgliedschaftliche (korporativnye) und nicht-mitgliedschaftliche (unitarnoye) Organisationen eingeführt. 2. Für die staatliche Wirtschaftsbeteiligung relevante Organisationsformen In Russland gibt es eine Vielzahl verschiedener Rechtsformen. Insbesondere angesichts traditioneller, der Sowjetzeit entstammender Institute einerseits und einer Fülle neuartiger Organisationsformen andererseits ist der Begriff des „öffentlichen Unternehmens“ in Russland sehr schillernd. Kritiker beklagen in diesem Zusammenhang gar eine „Virusepidemie“, die das Rechtssystem seiner Systematik und Konsistenz beraube.158 Vinnickij erkennt an, dass die Gründung staatlicher Organisationen mit besonderem rechtlichen Status und öffentlichen Funktionen in einer Reihe von Fällen berechtigt sei; die Praxis der Verwendung verschiedenster organisationsrechtlicher Formen aber sei unsinnig und systemlos.159
155 Als „philosophisch“ bezeichnet die Frage, ob die juristische Person eine eigene Rechtspersönlichkeit, die gemeinschaftliche Verwirklichung von Rechten oder gar nur eine materielle Basis darstellt, Gadzˇiev, Civilist 2011, Nr. 3, S. 33. 156 Teilweise wird vorgeschlagen, von unternehmerischen („predprinimtel’skich“) Organisationen zu sprechen; vgl. Ruzakova, Predprinimatel’skoe pravo 2008, Nr. 1. 157 Die wirtschaftliche Tätigkeit darf nur in dem Bereich betrieben werden, für den die juristische Person gegründet wurde. Durch „schwammige“ und breite Formulierungen dieses Bereichs kann faktisch aber eine vollumfängliche kommerzielle Betätigung erreicht werden; vgl. Kozlova, Zakonodatel’stvo 1997, Nr. 2. 158 So Cygankov, E˙ Zˇ -Jurist 2012, Nr. 31. 159 So Vinnickij, Sovremennoe pravo 2010, Nr. 11.
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1. Teil, § 2 Formale Kriterien für die Einordnung eines Unternehmens
Im Folgenden sollen die wesentlichen Rechtsformen dargestellt und abgegrenzt werden. Zunächst gilt es, den Staat und seine Organe von den von ihm gegründeten juristischen Personen zu unterscheiden. Den Schwerpunkt der Betrachtung bilden die Aktiengesellschaft mit staatlicher Beteiligung, die für die Untersuchung der RZˇ D relevant sein wird, sowie der unitarische Betrieb als Vorgänger der Aktiengesellschaft RZˇ D. Besonderes Augenmerk gilt letztlich auch den staatlichen Korporationen und Kompanien, da sich aus der breiten Diskussion um diese umstrittene Rechtsform viele Ableitungen für die hier vornehmlich untersuchten Aktiengesellschaften mit staatlicher Beteiligung gewinnen lassen. a) Der Staat und seine Organe aa) Die öffentlich-rechtlichen Gebilde (publicˇ no-pravovye obrazovanija) Unter den sog. öffentlich-rechtlichen Gebilden, wie sie in Gerichtsentscheidungen bezeichnet werden,160 versteht die herrschende zivilrechtliche161 Lehre nur die RF, deren Subjekte sowie die munizipalen Gebilde.162 Sie sind zivilrechtsfähig nach Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 ZGBRF und gemäß Art. 124 Abs. 1 ZGBRF den juristischen Personen im Zivilrechtsverkehr gleichgestellt. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass es sich bei den öffentlich-rechtlichen Gebilden gerade nicht um juristische Personen handelt. bb) Die Staatsorgane Die Staatsorgane stellen selbst keine öffentlich-rechtlichen Gebilde, sondern nur deren integrative Bestandteile dar und ähneln insofern den Organen einer juristischen Person.163 Das VerfGRF hat zwar bisweilen auch die Organe ausdrücklich zu „öffentlichen Gebilden“ gezählt.164 Doch wurde in den einschlägigen Entscheidungen auf Urteile des EGMR verwiesen, der – nach der deutschen Übersetzung – von „Regierungsorganisationen“ spricht.165 Dies legt nach hier vertretener Ansicht nahe, dass auch das VerfGRF die Staatsorgane nicht entgegen dem Wortlaut des ZGBRF tatsächlich zu öffentlichen oder öffentlich-rechtlichen 160
Vgl. Plenum OArbGRF, U. v. 22. 06. 2006 Nr. 23. Unter öffentlich-rechtlichen Wissenschaftlern besteht insofern Uneinigkeit, als die öffentlich-rechtlichen Gebilde teilweise als juristische Personen des Öffentlichen Rechts bezeichnet werden; vgl. Cˇ irkin, Juridizˇ sˇcˇ oe lico publicˇ nogo prava. 162 Suchanov, Grazˇ danskoe pravo 2006; auch Belov setzt die Begriffe gleich; vgl. Belov, Municipal’naja sluzˇ ba: pravovye voprosy 2013, Nr. 1. 163 Sadrieva, Aktual’nye problemy possijskogo prava 2013, Nr. 1.; zum Charakter der Organe jüngst Jakoblev F./Talapina, Zˇ urnal rossijskogo prava 2016, Nr. 8. 164 VerfGRF, B. v. 01. 11. 2012, Nr. 2008; B v. 03. 07. 2008, Nr. 734, GSRF 2009/5/678. 165 Vgl. die zitierte Klausel des EGMR, NJW 2005, S. 2207, 2210; in dem U. v. 16. 09. 2004, Nr. 24669/02 (Gerasimova vs. RF) ist die Rede von „staatlichen“ Organisationen. 161
B. Die Rechtsform als Abgrenzungskriterium
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Gebilden erklären wollte, wie Literaturstimmen vermuten,166 sondern sie schlicht den „staatlichen Organisationen“ bzw. „Regierungsorganisationen“, also der staatlichen Sphäre, zuordnet.167 Nach Art. 125 Abs. 1 ZGBRF handeln die Staatsorgane im Namen des Staates und sind demnach keine juristischen Personen. Sie erfüllen auch nicht die in Art. 48 ZGBRF genannten wesentlichen Merkmale einer juristischen Person, insbesondere das Erfordernis der staatlichen Registrierung.168 Allerdings werden bzw. wurden verschiedene Staatsorgane wie der Apparat der Administration des Präsidenten169 in anderen Akten als juristische Personen bezeichnet. Zeitweise sollten sogar städtische Abteilungen der Ministerien juristische Personen darstellen.170 Andere Gesetze bezeichnen die gesetzgebenden und ausführenden Staatsorgane dagegen nicht als juristische Personen, sondern statten sie lediglich mit deren Rechten aus.171 Auch in der zivilrechtlichen Literatur halten einige Autoren in sowjetischer Tradition die Organe selbst für eigenständige Rechtssubjekte des Zivilrechtsverkehrs und lassen die indirekten Merkmale ausreichen, um die Staatsorgane den juristischen Personen zuzuordnen.172 Andere sprechen sich vehement gegen die Anerkennung einer eigenen Rechtspersönlichkeit bzw. der Rechtsfähigkeit hinter den Organen aus173 und sehen sie lediglich als unselbstständige Vertreter der öffentlich-rechtlichen Gebilde. Wieder andere möchten die Organe situationsabhängig mal als Vertreter der staatlichen Gebilde begreifen, die in deren Namen auftreten, und mal als eigenständige Subjekte, die in eigenem Namen handeln.174 Zudem wird in der Literatur die Ansicht vertreten, dass Organe den Status juristischer Personen haben sollten, ohne solche zu sein.175 166
So interpretiert die Entscheidung aber wohl Dolzˇnikov, Sravnitel’noe konstitucionnoe obozrenie 2012, Nr. 6. 167 Letzteren Weg beschreitet der EGMR, demzufolge es sich der Sache nach um den Staat handelt; vgl. U. v. 21. 07. 2005, Nr. 34687/02 (Javorivskaja vs. RF); U. v. 16. 09. 2004, Nr. 24669/02 (Gerasimova vs. RF); U. v. 29. 06. 2004, Nr. 56848/00 (Zˇ over vs. Ukraine). 168 Anders als munizipale Körperschaften (vgl. APOÖSGRF, FZ Nr. 41, GSRF 2003/40/ 3822) weisen die Staatsorgane auch nicht die staatliche Registrierung auf und haften nicht für ihre Verbindlichkeiten. 169 Vgl. Präsidentenerlass Nr. 490, der die Regelung der Administration des Präsidenten bestätigt. 170 Punkt 9 der Anordnung des Innenministeriums der RF Nr. 846. 171 Vgl. Art. 20 Abs. 4 und Art. 4 Abs. 7 APOGUAOSGSGRF. 172 Ten, Administrativnoe pravo i process 2006, Nr. 4. 173 Uskov, Zˇ urnal rossijskogo prava 2003, Nr. 5, S. 35. Die vorherrschende Ansicht im Zivilrecht geht davon aus, dass die Staatsorgane nur im Namen der staatlichen Gebilde auftreten. Die Handlungen der Organe werden den staatlichen Gebilden zugerechnet. Damit sind nur Letztere Teilnehmer in den zivilrechtlichen Beziehungen, nicht dagegen die Organe; vgl. Sˇ itkina, Korporativnoe pravo, S. 751; Suchanov, Grazˇ danskoe pravo 2004, S. 377. 174 Vgl. Bogdanova, Osusˇcˇ estvlenie gosudarstvom prava sobstvennosti, mit zahlreichen weiteren Nachweisen auf S. 62 f. 175 Misˇ ustina, E˙ Zˇ -Jurist 1999, Nr. 9; Goloviznin, Chozjajstvo i pravo 1999, Nr. 5, S. 62.
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Auch wenn einige Autoren keinen Unterschied in der Bezeichnung eines Organs als „juristische Person“ und der Verleihung der Rechte der juristischen Person sehen wollen,176 sprechen die gesetzlichen Formulierungen, die die Staatsorgane rechtlich den juristischen Personen teilweise gleichstellt, gegen den Status der Staatsorgane als selbstständige Rechtspersönlichkeiten: Denn würde es sich bei ihnen bereits um juristische Personen handeln, bedürfte es der Entsprechungsklauseln nicht. Problematisch an der Vorstellung der Staatsorgane als einer juristischen Person, d. h. als einem eigenständigen Rechtssubjekt, ist zudem die fehlende finanzielle Verantwortlichkeit der Staatsorgane. Für sie haftet letzlich das entsprechende öffentlichrechtliche Gebilde. Zudem ist unklar, um welche konkrete Rechtsform es sich handeln sollte, wobei die Struktur und Vermögensverwaltung am ehesten einer staatlichen Einrichtung (ucˇ erezˇ denie) entsprechen würde.177 Vor allem spricht gegen eine Gleichsetzung der Staatsorgane mit juristischen Personen, dass das über den einfachen privatrechtlichen Gesetzen stehende ZGBRF178 die Organe gerade nicht zu juristischen Personen zählt. Entsprechend sind diejenigen zivilrechtlichen Bestimmungen, die Staatsorgane als juristische Personen bezeichnen, konform mit dem höherrangigen ZGBRF auszulegen und können als bloße Rechtsfolgenverweise auf die partielle Ausstattung der Organe mit den Rechten der juristischen Person verstanden werden. Hierfür sprechen auch teleologische und systematische Argumente: Mag die Anerkennung der Staatsorgane als juristische Personen früher zweckmäßig gewesen sein,179 da nach den strengen Prozessordnungen der neunziger Jahre des vorherigen Jahrhunderts nur juristische Personen als Streitparteien in Betracht kamen,180 so erfordern die neuen Prozessordnungen jedenfalls nicht mehr den Status einer Partei als juristischer Person.181 Ein Rechtsgrundverweis wirkt daher nicht zuletzt angesichts der Haftungs- und Insolvenzregeln unsinnig.
ˇ irkin, Zˇ urnal rossijskogo prava 2010, Nr. 6. C Vgl. auch Bogdanova, Osusˇcˇ estvlenie gosudarstvom prava sobstvennosti, S. 69, mit zahlreichen weiteren Literaturnachweisen. 178 Oda, Russian Commercial Law, S. 71. 179 In einzelnen Gerichtsentscheidungen wurden sie daher als juristische Person und damit nur über einen Umweg als Streitpartei angesehen; vgl. Präsidium OArbGRF, U. v. 30. 10. 2001, Nr. 74/01, AOArbGRF 2002, Nr. 2; Uskov, Zˇ urnal rossijskogo prava 2003, Nr. 5, S. 29, hält diese Entscheidung für in sich widersprüchlich. 180 Vgl. eingehend Talapina, Publicˇ noe pravo i e˙ konomika, S. 98. 181 Vgl. Art. 27 ArbPORF bzw. Art. 22 ZPORF; mitlerweile sind Organe auch in der Gerichtspraxis als Parteien anerkannt; vgl. OArbGRF, U. v. 19. 11. 2003, Nr. 12358/03. 176
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Letztlich wird man zwischen unterschiedlichen Organen in Hinblick darauf unterscheiden müssen,182 ob eine unmittelbare oder eine mittelbare Staatsverwaltung beabsichtigt ist. b) Vom Staat gegründete juristische Personen aa) Die unitarischen und fiskalischen Betriebe (unitarnye i kazennye predprijatija) Klassisch werden als öffentliche und damit staatliche Unternehmen die unitarischen Betriebe bezeichnet, die als Überreste der Sowjetzeit der westlichen Konzeption des „öffentlichen Unternehmens“ gegenüberstehen.183 Der unitarische Betrieb wird durch Vorschriften des ZGBRF geregelt, die durch das Gesetz über staatliche und munizipale unitarische Betriebe konkretisiert werden (SUMUBGRF). Die Gründung erfolgt ausschließlich durch die RF, deren Subjekte oder munizipale Gebilde und darf nur zu den abschließend in Art. 8 Abs. 4 SUMUBGRF aufgeführten Zielen, insbesondere zur Erfüllung sozialer Aufgaben oder Erbringung von Dienstleistungen erfolgen.184 Der unitarische Betrieb stellt eine durch ihren Gesellschafszweck in der Rechtsfähigkeit beschränkte kommerzielle Organisation dar,185 die nach Art. 113 Abs. 1 ZGBRF nicht über eigenes Eigentum verfügt. Dabei wird zwischen dem unitarischen Betrieb (unitarnoe predprijatie) und dem fiskalischen Betrieb (kazennoe predprijatie) primär nach der Ausgestaltung der dinglichen Rechte des Unternehmens unterschieden: Ersterem ist staatliches oder munizipales Eigentum nach dem Sachenrecht der sog. wirtschaftlichen Führung (chozjajstvennie vedenie), Letzterem nach dem Recht der operativen Verwaltung (operativnoe upravlenie) zugeordnet.186 Das Recht der wirtschaftlichen Führung beinhaltet die grundsätzliche Befugnis, das Vermögen zu besitzen und zu gebrauchen. Zudem darf über das bewegliche Vermögen – bis auf einige Ausnahmen187 – selbstständig verfügt werden,188 solange die satzungsmäßig festgelegten Aufgaben des Unternehmens nicht gefährdet werden.189 Allerdings kann der unitarische Betrieb nicht frei über 182 Auch Golubcev spricht sich dafür aus, dass nicht alle Organe gleich kategorisiert werden dürften. Weder seien sie alle juristische Personen noch seien sie es nicht. Vgl. Golubcev, Grazˇ dansko-pravovoj status organov, S. 60. 183 Talapina, Publicˇ noe pravo i e˙ konomika, S. 433. 184 Auf der hier allein interessierenden föderalen Ebene obliegt die Entscheidung über die Gründung eines unitarischen Betriebs der Regierung oder einem föderalen Exekutivorgan. Derzeit ist lediglich die Präsidialverwaltung neben der Regierung zur Gründung berechtigt; vgl. Regierungsverordnung Nr. 739. Die Gründung fiskalischer Unternehmen steht nur der Regierung zu; s. Art. 8 Abs. 3 S. 1 SUMUBGRF. 185 Art. 49 Abs. 1 S. 2, 50 Abs. 2 ZGBRF; Art. 3 Abs. 1 SUMUBGRF. 186 Art. 113 Abs. 2 ZGBRF. 187 Art. 295 Abs. 2 ZGBRF. 188 Art. 294 ZGBRF. 189 Art. 18 Abs. 3 SUMUBGRF.
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unbewegliches Vermögen verfügen oder dieses vertraglich Dritten zum Gebrauch überlassen. Zudem ist für so genannte große Geschäfte die Zustimmung des Eigentümers erforderlich.190 Die Kontroll- und Leitungsbefugnisse der staatlichen Organe werden im Einzelnen durch eine Regierungsverordnung geregelt.191 Ein Teil der Gewinne der föderalen unitarischen Betriebe wird an den Staatshaushalt abgeführt.192 Die RF ist als Gründerin nicht subsidiär haftbar, es sei denn, sie hat die Insolvenz des unitarischen Betriebs verursacht.193 Unternehmen, denen das Recht der operativen Verwaltung (operativnoe upravlenie) verliehen ist, werden als „fiskalische Unternehmen“ (kazennoe predprijatie)194 bezeichnet. Sie sind zu Besitz und Gebrauch des Vermögens berechtigt. Sämtliche Verfügungen dürfen dagegen nur mit Zustimmung des Eigentümers vorgenommen werden.195 Zudem stehen dem Eigentümer verglichen mit dem Recht der wirtschaftlichen Führung weiter gehende Kontroll- und Einflussrechte zu.196 Im Falle der Gründung durch die RF haftet jene subsidiär.197 Über die Gewinnverwendung entscheidet die Regierung bzw. das zuständige Organ des Subjekts oder der munizipalen Einrichtung.198 Im Ergebnis führen die beiden dinglichen Rechte der wirtschaftlichen Führung und der operativen Verwaltung zu einer nicht unerheblichen Einschränkung der Verwaltungsbefugnisse des Unternehmens zugunsten weitreichender Einflussnahmemöglichkeiten des Eigentümers.199 In Art. 20 SUMUBGRF sind sämtliche Befugnisse des Eigentümers aufgelistet, die diejenigen des ZGBRF weit übersteigen. Diesem bleibt vorbehalten, über die Gründung und Liquidierung des Unternehmens 190
Art. 20 Abs. 1 Nr. 15 SUMUBGRF. Regierungsverordnung Nr. 739. 192 Art. 17 Abs. 1 SUMUBGRF. 193 Art. 7 Abs. 2 SUMUBGRF. 194 Ebenso wie die fiskalischen Betriebe sind die vom Staat gegründeten Einrichtungen nicht Eigentümer ihres Vermögens, sondern besitzen und gebrauchen dieses auf der Grundlage des dinglichen Rechts der operativen Verwaltung. Die Einrichtungen sind aber anders als die unitarischen Betriebe als nicht-kommerzielle Rechtsform verfasst. Im Jahr 2006 wurde mit dem AEGRF die Rechtsform der autonomen Einrichtung eingeführt. Im Unterschied zu der fiskalischen Einrichtung hat die autonome Einrichtung größeren Spielraum, über das Vermögen zu verfügen. Diese nicht-kommerzielle Organisationsform ist dazu bestimmt, öffentliche Dienstleistungen zu erfüllen und staatliche Funktionen auszuüben. Trotz ihrer beschränkten Rechtsfähigkeit betreibt sie oft wirtschaftliche und unternehmerische Tätigkeiten. Von einem Widerspruch in Hinblick auf den nicht-kommerziellen Charakter spricht daher Cygankov, E˙ Zˇ Jurist 2012, Nr. 31, der die autonomen Einrichtungen gar teilweise als „Monster“ bezeichnet. Trotz gewisser Relevanz für die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates soll auf die autonome Einrichtung hier nicht weiter eingegangen werden. 195 Art. 296 Abs. 1, 297 Abs. 1 ZGBRF 196 Vgl. Art. 296 f. ZGBRF. 197 Art. 7 Abs. 3 SUMUBGRF. 198 Art. 17 Abs. 3 SUMUBGRF. 199 Fokov, Transportnoe pravo 2004, Nr. 1 S. 40. 191
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zu entscheiden, den Gegenstand und die Ziele der Tätigkeit des Unternehmens zu bestimmen, den Direktor zu ernennen und die Kontrolle über die Vermögensverwendung auszuüben. Der staatlich ernannte Geschäftsführer ist rechenschaftspflichtig.200 Auch der Budgetkodex spielt eine Rolle, indem er etwa festlegt, dass ein Teil des Gewinns der Unternehmen dem Staatshaushalt zufließen muss.201 Der unitarische Betrieb ist also zur Gewinnerzielung und zur Erreichung der vom Eigentümer festgelegten Ziele bestimmt.202 bb) Die staatlichen Korporationen (gosudarstvennye [orporacii) Zentraler Anknüpfungspunkt der meisten in Russland geführten Diskussionen im Bereich der juristischen Personen ist das im Jahr 1999 neu eingeführte und 2007 mit Leben gefüllte Institut der staatlichen Korporation. Diese Rechtsform war lange Zeit im ZGBRF weder verankert noch erwähnt, sondern lediglich im Gesetz über nichtkommerzielle Organisationen (im Folgenden NKOGRF) in einer einzelnen Vorschrift geregelt. Dabei ist zu beachten, dass der ZGBRF Priorität vor allen anderen zivilrechtlichen Gesetzen genießt, die im Einklang mit ihm stehen müssen.203 Durch die Zivilrechtsreform fand die staatliche Korporation zwar Erwähnung in der Liste der nicht-kommerziellen Organisationen in Art. 50 Abs. 3 Nr. 14 ZGBRF. Es fehlt aber eine nähere Beschreibung in den Art. 123.1 bis 123.28 ZGBRF, die verschiedenen Ausprägungen der nicht-kommerziellen Organisation gewidmet sind. Mangels einer entsprechenden eigenen Definition im ZGBRF wird teilweise die Nähe der staatlichen Korporation zu den mittlerweile in Art. 120.21 ff. ZGBRF normierten staatlichen Einrichtungen (ucˇ erezˇ denie) hervorgehoben.204 Nach der Legaldefinition des Art. 7.1 NKOGRF sind staatliche Korporationen nicht-kommerzielle, mitgliederlose Organisationen, die von der RF auf Grundlage von Vermögenseinlagen zur Wahrnehmung von Sozial- und Verwaltungsfunktionen oder anderen gesellschaftlich nützlichen Funktionen geschaffen wurden. Ausschließlich zur „Gründung“ berechtigt ist die RF auf der Basis eines speziellen föderalen Einzelgesetzes, das eine Satzung ersetzt und den Status der jeweiligen Korporation – über die rudimentären Regelungsrahmen des Gesetzes über nichtkommerzielle Organisationen hinaus und mit Priorität im Falle einer Kollision205 – ausgestaltet. Wie alle nicht-kommerziellen Organisationen besitzt die Korporation eine spezielle Rechtsfähigkeit und kann nur zu den im Gesetz bestimmten Zielen 200
Art. 21 Abs. 1 SUMUBGRF. Art. 42 Abs. 2 BGRF. 202 Fokov, Transportnoe pravo 2004, Nr. 1, S. 40; mit dem öffentlich-rechtlichen Status der unitarischen Betriebe befasst sich unter anderem Jastrebov, Gosudarstvennoe unitarnoe predprijatie. 203 Oda, Russian Commercial Law, S. 71. 204 Vgl. Ljalin, Pravo sobstvennosti gosudarstvennych korporazij, S. 1134. 205 Bolkov/Dugenec, Administrativnoe pravo 2012, Nr. 2. 201
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wirtschaftlich tätig werden.206 Die einzelnen staatlichen Korporationen – „Rosatom“,207 „Rostech“,208 Bank Razvitija i vnesˇe˙ konomicˇ eckoj dejatel’nosti,209 Agenstva po strachovaniju vkladov,210 Gosudarstvennaja korporacija po stroitel‘stvu olimpijskich ob’’ektov i razvitiju goroda Socˇ i kak gornoklimaticˇ eskogo kurorta,211 Rossijskaja korporacija nanotechnologij,212 Fond sodejstvija reformirovaniju zˇ ilisˇcˇ nokommunal’nogo chozjastva,213 Roskosmos214 – zeigen aber, dass eine kommerzielle Tätigkeit im Ergebnis dank weitgefasster Zweckbestimmungen der Korporationen oft den Regelfall darstellt. Daher wird der nicht-kommerzielle Charakter oft bestritten.215 Auch die Konzeption zur Entwicklung der bürgerlichrechtlichen Gesetzgebung der RF (im Folgenden „Konzeption ZGB“) zieht in Punkt 7.3.1 die nichtkommerzielle Ausrichtung der staatlichen Korporationen stark in Zweifel. Schließlich seien die Korporationen oft gerade zu unternehmerischen Zwecken gegründet worden. Auch erscheint widersprüchlich, dass eine nichtkommerzielle Organisation so konstruiert ist, dass sie an der Spitze einer Vielzahl von Aktiengesellschaften und unitarischen Betriebe steht und jene leitet, wie es etwa bei Rosatom oder „Rostech“ der Fall ist.216 Anders als bei den unitarischen Betrieben und den verwandten staatlichen Einrichtungen (ucˇ erezˇ denie) geht das Vermögen der Korporation in das Eigentum derselben über und setzt sich aus Budgeteinlagen der Föderation sowie eigenen Erträgen und sonstigen Quellen zusammen.217 Formal ist die Korporation also Eigentümer. Nichtsdestotrotz ist der Charakter des Eigentums sehr umstritten.218 Während einige eine unentgeltliche Privatisierung beim Übergang des staatlichen Vermögens in die Hände der Korporationen annehmen und das Eigentum einfach als 206
Bolkov/Dugenec, Administrativnoe pravo 2012, Nr. 2. Vgl. Rosatom-GRF. 208 Vgl. Rostech-GRF. 209 Vgl. EBGRF. 210 Vgl. AVE-GRF. 211 Vgl. SBOOESS-GRF. 212 Vgl. Nanotech-GRF. Diese Korporation wurde im Jahr 2010 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. 213 Vgl. FZRWW-GRF. 214 Vgl. Roskosmos-GRF. 215 Vgl. etwa Kurbanov, Pravovoe regulirovanie, Razd. 5. 216 Vgl. Vinnickij, Gosudarstevennaja Sobtvennost’, S. 294. 217 Art. 7.1 Abs. 1 NKOGRF. 218 Entgegen dem gesetzlichen Wortlaut lehnen manche Autoren die Eigentumsrechte der Korporationen aber ab und sehen eher eine Nähe zur operatvnoe upravlenie; vgl. Cˇ ernegi, in: Mozolin/Masljaev (Hrsg.), Grazˇ danskoe pravo, S. 165; ähnlich Ljanin, Pravo sobstvennosti gosudarstvennych korporacij, Abs. 538, 968. Die überwiegende Mehrheit der Literaturstimmen dagegen geht von Eigentumsrechten der Korporationen aus, die allerdings – wie jedermanns Eigentumsrecht auch – nicht uneingeschränkt gelten könnten; vgl. statt aller Semenov/Seregina, Pravo i e˙ konomika 2008, Nr. 2. 207
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Eigentum Privater bezeichnen,219 gehen die meisten Autoren von einer sonstigen Form des Eigentums im Sinne von Art. 8 cˇ 2 VerfRF und Art. 212 Abs. 1 ZGBRF aus.220 Auch die Vorstellung staatlichen221 oder gemischten Eigentums wird vertreten.222 Problematisch ist im Rahmen der staatlichen Korporation als nicht-kommerzieller Organisation zudem, dass „Rosatom“,223 „Rostech“224 und die Agenstvo po strachovaniju vkladov225 mit staatlichen Machtbefugnissen ausgestattet sind.226 Insbesondere dem Wirtschaftssubjekt „Rosatom“ wurde ein ganzer Strauß an Staatsfunktionen übertagen,227 so dass die alte Ministerienstruktur faktisch durch die staatliche Korporation ersetzt wurde.228 Die Stellung von „Rostech“ dagegen ist zumindest vom Gesetzeswortlaut her nicht eindeutig: Im entsprechenden Gesetz werden der Organisation keine öffentlich-rechtlichen Finanzmittel verliehen, um ihre – teilweise eindeutig229 – öffentlichen Funktionen erfüllen zu können. Allerdings lassen jüngere Gesetzesänderungen eine Annäherung an den Status von „Rosatom“ erkennen, etwa bei der Einbindung von „Rostech“ in Gesetzgebungsprozesse, der vorübergehenden Übertragung der Verwaltung von Staatseigentum sowie der Kontrolltätigkeit in Bezug auf untergeordnete Organisationen.230 Darüber hinaus genießen die Korporationen weitere Sonderrechte: Sie können nicht in Insolvenz fallen und sind von Lizenzpflichten befreit. Auch unterliegen sie anders als andere nicht-kommerzielle Organisationen nicht der Staatsaufsicht und sind keinen Eingriffs- oder Kontrollbefugnissen der staatlichen Organe nach den allgemeinen Regeln ausgesetzt.231 Auch waren bis zu einer Gesetzesänderung im Jahr 2010232 mit 219 So Semenov/Seregina, Pravo i e˙ konomika 2008, Nr. 2; ähnlich auch Nemesov, Reformy i pravo 2008, Nr. 3. 220 Kurbatov, Pravovoe regulirovanie; Kleandrov, in: Tuzova (Hrsg.), Vesˇcˇ nye prava; Zavoda, Bankovskoe pravo 2009, Nr. 1. 221 So Sˇ cˇ uko, Grazˇ danskoe i predprinimatel’skoe zakonodatel’stvo 2013, Nr. 4 S. 39, 41, 43; auch Mozolin, in: Gadizˇ iev (Hrsg.), Ocˇ erki konstitucionnoj e˙ konomiki, S. 32 – 65, 57; vgl. insgesamt Belych, Bankovskoe pravo 2012, Nr. 4; Vennickij, Gosudarstevennaja Sobtvennost’, S. 274 – 322. 222 Vgl. die Theorie von Mozolin, Pravo sobstvennosti, S. 39 – 46; vgl. dazu auch Belych, Bankovskoe pravo 2012, Nr. 4; siehe hierzu eingehend unter § 3 A. II. 2. b) aa). 223 Rosatom-GRF. 224 Rostech-GRF. 225 Vgl. etwa Art. 15 AVE-GRF. 226 Vgl. Vinnickij, Gosudarstevennaja Sobtvennost’, S. 295 f. 227 Vgl. Art. 3, 6, 7 ff. Rosatom-GRF. 228 Vgl. Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 296. 229 Vgl. Art. 3 Abs. 3 Rostech-GRF. 230 Vgl. ÄGRostechGRF. 231 Vgl. Vinnickij, Gosudarstevennaja Sobtvennost’, S. 276; vgl. 6 Abs. 2 Rosatom-GRF, Art. 4 Abs. 2 Rostech-GRF. 232 Vgl. Art. 7.1 Abs. 3, 4 NKOG i.d.g.F. v. 29. 12. 2010.
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1. Teil, § 2 Formale Kriterien für die Einordnung eines Unternehmens
Ausnahme von „Rostech“ und „Rosatom“233 alle staatlichen Korporationen, die öffentliches Vermögen verwalten, der Kontrolle durch den Russischen Rechnungshof (Scˇ etnaja palata) entzogen, obwohl jener für die Bestimmung der Zweckmäßigkeit und Effektivität der Staatsausgaben und der Verwendung föderalen Eigentums zuständig war.234 Selbst die Staatsanwaltschaft235 und die föderale Agentur für die Verwaltung staatlichen Vermögens („Rosimusˇcˇ estvo“) besitzen – anders als bei anderen Organisationsformen mit staatlicher Beteiligung – gegenüber staatlichen Korporationen keinerlei Kontrollbefugnisse. Dafür ist der Staat maßgeblich in der Unternehmensverwaltung engagiert,236 und die wichtigsten Organe werden direkt durch den Staat bestellt. Aufsichtsrat und Leitung samt Generaldirektor werden beispielsweise bei staatlichen Korporationen wie Rosatom direkt237 vom Präsidenten bestellt. Bei anderen erfolgt die Bestellung des Aufsichtsrates direkt durch den Präsidenten oder die Regierung, wobei der Aufsichtsrat den Generaldirektor bestimmt. Dabei stehen am Ende meist ehemalige Beamte an der Spitze der staatlichen Korporationen.238 In der Nähe der staatlichen Korporationen ist das Inovationszentrum Skolkovo239 zu sehen. Verschiedene staatliche Funktionen wurden auf den nichtkommerziellen Fond des Entwicklungszentrums zur Ausarbeitung und Kommerzialisierung neuer Ideen240 übertragen, dem verschiedene staatliche Organisationen als Gründer angehören. Hoheitliche Funktionen staatlicher Organe und der kommunalen Selbstverwaltung sollten mit unternehmerischer Tätigkeit auf der Grundlage eines speziellen Gesetzes und eines sog. „Mandats“ für Skolkovo verbunden werden können. Sowohl der Begriff des „Mandats“ als auch seine Rechtsnatur bleiben allerdings völlig unbestimmt.241 Faktisch wurde mit dem Verwaltungszentrum von Skolkovo
233
Vgl. Art. 3 Abs. 15 Rosatom-G. Vgl. Art. 2 RHGRF a.F. 235 Dem Staatsanwalt ist es möglich, beim Arbitragegericht eine Klage auf Unwirksamerklärung einer Handlung der Staatsorgane, der unitarischen Betriebe, der staatlichen Stiftungen und Einrichtungen und auch der juristischen Personen, an deren Kapital der Staat beteiligt ist, zu erheben; vgl. Art. 52 cˇ 1 ArbPGRF. Da die Korporationen – abgesehen von der Vnesˇe˙ konombank – kein Grundkapital haben, scheidet auch diese Kontrollmöglichkeit hier jedoch aus; vgl. Vinnickij, Gosudarstevennaja Sobtvennost’, S. 291 f. 236 Vinnickij, Gosudarstevennaja Sobtvennost’, S. 292 ff.; Talapina, Publicˇ noe pravo i e˙ konomika, S. 222 ff. 237 Vgl. Art. 5 Abs. 2, 3 Rosatom-GRF. 238 Vgl. Kessler, Analyse; http://www.laender-analysen.de/russland/pdf/RusslandAnalysen2 97.pdf [zuletzt aufgerufen am 19. 01. 2018]. 239 Vgl. Skolkovo-GRF, ÄGSkolkovo-GRF. 240 Vgl. FEEKNTRF. 241 Vgl. Anhang 8 zum HGRF 2011; Regierungsverfügung Nr. 2101; Vinnickij, Gosudarstevennaja Sobtvennost’, 281 – 292, spricht von einer „Quasikorporation“; vgl. ders., Pravo i politika 2011, Nr. 3. 234
B. Die Rechtsform als Abgrenzungskriterium
85
eine ähnlich ungewöhnliche Rechtsfigur wie die der staatlichen Korporationen geschaffen, deren Rechtsnatur noch undurchsichtiger ist.242 cc) Die staatlichen Kompanien (gosudarstvennye kompanii) Der staatlichen Korporation nahe verwandt ist die staatliche Kompanie (gosudarstvennaja kompanija), deren einziger bisheriger Vertreter die Kompanie „Rossijskie avtomobil’nye dorogi“ (im Folgenden „Avtodor“) darstellt.243 Faktisch sticht vor allem die Ähnlichkeit zwischen „Avtodor“ und der staatlichen Korporation „Olimpstroj“ ins Auge.244 Die Kompanie ist ebenfalls eine mitgliederlose, nichtkommerzielle Organisation, die von der RF auf Grundlage eines föderalen Gesetzes anhand von Vermögenseinlagen geschaffen wurde. Allerdings wird ihr staatliches Vermögen zur Treuhandverwaltung übergeben.245 Zudem unterscheidet sich die Kompanie durch einen engeren Aufgabenkreis: Sie dient der Erbringung öffentlicher Dienste und steht damit der staatlichen Einrichtung besonders nahe.246 Auch sind der real existierenden Avtodor – anders als einigen staatlichen Kompanien – keinerlei Machtbefugnisse verliehen worden.247 Im Ergebnis weisen diese beiden Rechtsformen als Prototyp unabhängig von der konkreten Ausgestaltung kaum Unterschiede auf,248 was auf fehlende Systematik und ein aufgeblähtes System der Rechtsformen hinweist.249 Daher wird vermutet, die neue Rechtsform der staatlichen Kompanie sei nur eingeführt worden, um eine Art langfristig angelegte Korporation zu schaffen. Denn die Rechtsfigur der Korporation sei nur als Übergangsmodell konzipiert.250 dd) Die Aktiengesellschaften mit staatlicher Beteiligung (akcionernye obsˇcˇ estva s gosudarstvennym ucˇ astiem) Die Aktiengesellschaft ist in Grundzügen in den Art. 96 ff. ZGBRF geregelt.251 Nähere Bestimmungen finden sich im Aktiengesetz. Als Gründer kommt nach 242 Siehe zum Status des Fonds Skolkovo und zu verschiedenen damit verbundenen Problemen Drueva, Jurist 2014, Nr. 9. 243 KAvtodor-GRF. 244 So Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 300. 245 Art. 7.2 Abs. 1 NKOGRF. 246 Es geht dabei um die sog. Budget-Einrichtung (budgetnoe ucˇ erezˇ denie). Ähnlich wie diese wird die staatliche Kompanie auch primär aus dem Staatshaushalt finanziert; vgl. Art. 22 Abs. 2, 3, 5 KAvtodor-GRF; die Ähnlichkeit zwischen den beiden Rechtsformen stellt auch Vinnickij, Gosudarstevennaja Sobtvennost’, S. 305, fest. 247 Vinnickij, Gosudarstevennaja Sobtvennost’, S. 302. 248 Vinnickij, Sovremennoe pravo 2010, Nr. 11. 249 So auch Vinnickij, Gosudarstevennaja Sobtvennost’, S. 275. 250 Vinnickij, Gosudarstevennaja Sobtvennost’, S. 301. 251 Vor der Revolution wurde die Beteiligung des Staates an Aktiengesellschaften kaum thematisiert, da der Staat seine erwerbswirtschaftliche Tätigkeit mithilfe anderer Institute er-
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1. Teil, § 2 Formale Kriterien für die Einordnung eines Unternehmens
Art. 10 Abs. 1 AKTGRF252 neben allen natürlichen und juristischen Personen auch die RF als öffentlich-rechtliches Gebilde, die den juristischen Personen zivilrechtlich gleichgestellt ist,253 in Betracht. Die Aktiengesellschaft ist eine uneingeschränkt rechtsfähige kommerzielle Organisation, deren Stammkapital in Aktienanteile aufgespalten ist, die vertragliche Rechte gewähren (Art. 2 Abs. 1 AKTGRF). Sie ist eine juristische Person und damit Träger zivilrechtlicher Rechte und Pflichten (Art. 2 Abs. 3 AKTGRF). Die Aktionäre tragen keine persönliche Haftung (Art. 96 Abs. 1 ZGBRF). Es wird zwischen öffentlichen und nicht-öffentlichen Aktiengesellschaften unterschieden in Abhängigkeit davon, ob die Aktien frei gehandelt werden können (Art. 7 AKTGRF, Art. 97 ZGBRF). Das höchste Organ der Aktiengesellschaft ist die Hauptversammlung (Art. 47 Abs. 1 AKTGRF). Sie allein kann unter anderem die Satzung und das Stammkapital verändern, den Direktorenrat und die Revisionskommission wählen und vorzeitig abberufen, die Jahresabrechnung bestätigen und über Liquidierung und Reorganisation entscheiden. Ihre weiteren Kompetenzen sind abschließend in Art. 48 AKTGRF aufgezählt. Wenn eine Gesellschaft mehr als 50 stimmberechtigte Aktionäre vereint, ist die Bildung eines Direktorenrats obligatorisch vorgeschrieben (Art. 64 ff. AKTGRF). Ansonsten kann die Hauptversammlung die Funktion des Direktorenrats mit übernehmen (Art. 64 Abs. 1 Unterabs. 2 AKTGRF). Dem Direktorenrat254 obliegt die allgemeine Leitung der Gesellschaft (Art. 64 Abs. 1 AKTGRF). Insbesondere gibt er die prioritäre Ausrichtung der Gesellschaft vor und wählt die ausführenden Organe, die von ihm auch wieder abberufen werden können (Art. 65 Abs. 1 Nr. 9 AKTGRF). Die Geschäftsführung wird grundsätzlich entweder vom Generaldirektor oder von einem Kollegialorgan (pravlenie oder direkcija) erbracht (Art. 69 AKTGRF), das vom Direktorenrat gewählt wird. Für Aktiengesellschaften, die durch die Privatisierung staatlichen oder kommunalen Vermögens entstanden sind, finden zudem die Vorschriften des Privatisierungsgesetzes (PSMVGRF) Anwendung. Die RF ist berechtigt, entweder 100 % oder nur einzelne Pakete an Aktien zu halten, wobei die Pakete mindestens 25 % + 1 der gewöhnlichen Aktien umfassen müssen, es sein denn, vom Präsidenten ist bezüglich der AG in strategisch wichtigen Bereichen etwas Anderes vorgesehen (Art. 25 Abs. 1
füllte; vgl. Molotnikov, Predprinimatel’skoe pravo 2009, Nr. 3. Am Anfang des 20. Jahrhunderts wurde in Russland nach der Einführung der Aktiengesellschaft die Teilnahme des Staates an Wirtschaftsunternehmen in Privatrechtsform erstmals untersucht. Neben staatlichen Aktiengesellschaften entstanden auch sog. gemischtwirtschaftliche Unternehmen, an denen sowohl die öffentliche Hand als auch Private beteiligt waren; vgl. Magaziner, Izbrannye trudy, S. 279. 252 Staatsorgane treten dagegen lediglich als Vertreter auf (Art. 125 Abs. 2 ZGBRF) und dürfen niemals Gründer von AGRF sein, es sei denn, es ist gesetzlich etwas anderes geregelt (Art. 10 Abs. 2 ZGBRF). 253 Vgl. Art. 124 Abs. 2 ZGBRF. 254 Oder auch „nabljudatel’nyj sovet“ genannt; vgl. Kessler, Hand des Staates, S. 178.
B. Die Rechtsform als Abgrenzungskriterium
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PSMVGRF). Grundsätzlich wird die RF auf zwei Weisen zum Aktionär:255 durch Privatisierung256 und durch Investitionen. Hinsichtlich der Privatisierung staatlichen Vermögens bestehen nach Art. 13 PSMVGRF verschiedene Möglichkeiten: Ein unitarischer Betrieb kann in eine Aktiengesellschaft oder eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung umgewandelt werden.257 Zudem besteht die Möglichkeit der Einlage föderaler Vermögenswerte bei der Gründung einer Aktiengesellschaft oder im Verlauf der Ausgabe zusätzlicher Aktien.258 Auch kann staatliches Vermögen auf verschiedene Weise veräußert werden (vgl. Art. 13 Abs. 1 PSMVGRF). Von der Privatisierung zu unterscheiden ist die Investition nach Art. 80 BGRF: Legt der Staat freie Budgetmittel in Aktien an, so verläuft dies außerhalb der Privatisierungsgesetzgebung. Jedenfalls gilt die Privatisierungsgesetzgebung nach dem BK nicht für die Investitionsmöglichkeit des Staates in Aktien. Dabei ist strittig, ob die Aktionärsstellung der RF ohne Beachtung der Privatisierungsgesetzgebung zulässig ist. In seiner Entscheidung vom 18. 11. 2003 Nr. 19 stellt das OArbGRF fest, dass die RF als Gründerin oder Beteiligte einer Aktiengesellschaft nur unter Beachtung der Besonderheiten auftreten könne, die das PSMVGRF vorsehe. Auch dem Beschluss des OGRF vom 11. 02. 2003 Nr. 93-G03-4, in dem Staatsorganen grundsätzlich verboten wird, sich an Gesellschaften zu beteiligen, wenn das Privatisierungsrecht nichts Anderes vorsieht, wird teilweise entnommen, der Staat dürfe sich nicht frei an Aktiengesellschaften beteiligen. Schließlich hätte der Gesetzgeber sonst nicht in den Privatisierungsgesetzen die Arten der Beteiligung derart ausführlich geregelt.259 Andere dagegen beziehen das „freie Beteiligungsverbot“ der
255
Bei Beteiligung des Staates sehen sowohl das Aktienrecht als auch das Privatisierungsgesetz (PSMVGRF) einige Besonderheiten vor; s. dazu eingehend § 6 C. II. 1., 2. 256 Im Prozess der Privatisierung nach dem Zusammenbruch des Sowjetstaats entschied sich die RF sehr oft für die Rechtsform der AGRF; vgl. hierzu ausführlich Celoval’nikov, Zakony Rossii: Opyt, analiz, praktka 2007, Nr. 7. Während der Sowjetjahre waren die Aktiengesellschaften von der Bildfläche verschwunden und wurden erst mit der Perestrojka wiederentdeckt, s. Molotnikov, Predprinimatel’skoe pravo 2009, Nr. 3. Dabei ging man zwar davon aus, dass diese Unternehmen grundsätzlich den Normen des Privatrechts unterliegen; hatte der Staat allerdings ein Übergewicht beim Kapital oder bei der Verwaltung, so wurde das Unternehmen als staatliches bezeichnet; vgl. Magaziner, Izbrannye trudy, S. 279. 257 Vgl. Art. 37 PSMVGRF; das ursprüngliche Privatisierungsgesetz von 1991 dagegen hatte die Umwandlung eines unitarischen Betriebs in eine Aktiengesellschaft selbst noch nicht als Privatisierung begriffen, sondern vielmehr als Vorstufe zur eigentlichen Privatisierung: dem Verkauf der Aktien an Private; vgl. Art. 22 PSMBGRF i. d. F. v. 03. 07. 1991; näher hierzu siehe Skvorcov, Privatizacionnoe pravo, S. 134 ff.; Vinnickij, Gosudarstevennaja Sobtvennost’, S. 260. 258 Dabei müssen mindestens 25 % und eine Aktie gehalten werden, wobei diese Sperrminorität auch bei einer Kapitalerhöhung beizubehalten ist; vgl. Art 40 PSMVGRF. 259 Lomakin, Korporativnye pravootnosˇenija, S. 333; Molotnikov, Slijanie i Pogosˇcˇ enija 2009, Nr. 4.
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1. Teil, § 2 Formale Kriterien für die Einordnung eines Unternehmens
Staatsorgane nur auf den Fall, dass jene in eigenem Namen handeln, halten es hingegen nicht für gültig, wenn sie im Namen der RF auftreten.260 ee) Die öffentlich-rechtliche Kompanie (publicˇ no-pravovaja kompanija) Mit Gesetz vom 03. 07. 2016 Nr. 263 wurde die Rechtsform der öffentlichrechtlichen Kompanie neu eingeführt. Sie wurde – neben der staatlichen Korporation – auch in Art. 50 Abs. 3 Nr. 11 ZGBRF als eine der nicht-kommerziellen juristischen Personen aufgelistet. Die öffentlich-rechtliche Kompanie wird mit Hoheitsbefugnissen ausgestattet, die normalerweise Staatorganen zukommen261 und übt ihre Tätigkeit im Interesse des Staates und der Gesellschaft aus (Art. 2 Abs. 1 ÖRKGRF). Sie wird auf Grundlage eines föderalen Gesetzes oder eines Präsidentenerlasses gegründet (Art. 2 Abs. 2 ÖRKGRF) oder durch Umwandlung einer staatlichen Korporation, einer staatlichen Kompanie oder einer zu 100 % vom Staat gehaltenen Aktiengesellschaft. Das Ziel, d. h. der Unternehmenszweck, liegt nicht in der reinen Gewinnerzielung; vielmehr dürfen Erträge nur erwirtschaftet werden, soweit es dem Gründungszweck der öffentlich-rechtlichen Kompanie dient (Art. 5 Abs. 6 ÖRKGRF). Ihr Gründungszweck liegt insbesondere in der Ausführung staatlicher Politik, der Erbringung staatlicher Dienstleistungen, der Verwaltung staatlichen Vermögens, der Gewährleistung von Modernisierung und Innovationsentwicklung der Wirtschaft, der Wahrnehmung von Kontroll- und Verwaltungsbefugnissen sowie von anderen gesellschaftlich nützlichen Funktionen und Befugnissen in einzelnen Wirtschaftssphären und Sparten, der Realisierung besonders wichtiger Projekte und staatlicher Programme unter anderem zur sozial-ökonomischen Entwicklung einer Region und mit dem Ziel der Erfüllung anderer Funktionen und Befugnisse öffentlich-rechtlichen Charakters (Art. 2 Abs. 5 ÖRKGRF). Art. 4 ÖRKGRF, der die Satzung und die darin zu bestimmenden Informationen regelt, trifft keine Aussage darüber, ob die Ziele der Gründung in der Satzung genannt werden müssen. Die Befugnisse und Rechte der öffentlich-rechtlichen Kompanie sind nicht abschließend im ÖRKGRF geregelt; vielmehr können ihr weitere Rechte zustehen, die im Gründungsgesetz festgelegt werden können (Art. 5 Abs. 5 ÖRKGRF). Der von der Regierung eingesetzte Aufsichtsrat bildet das höchste Verwaltungsorgan (Art. 8 Abs. 1 ÖRKGRF). Daneben gibt es den Generaldirektor und die Leitung, soweit eine solche im Gründungsakt vorgesehen ist. Die öffentlich-rechtliche Kompanie hat Eigentum an ihrem Vermögen (Art. 6 Abs. 3 ÖRKGRF) und unterliegt extern der Kontrolle durch den Rechnungshof (Art. 5 Abs. 9 ÖRKGRF).262 Anders als die staatlichen Korporationen wird sie auch durch andere Staatsorgane kontrolliert (Art. 5 Abs. 9 ÖRKGRF). Dem Präsidenten der RF können zusätzlich Befugnisse in Bezug auf die öffentlich-rechtliche Kompanie eingeräumt werden (Art. 5 Abs. 10 ÖRKGRF). 260 261 262
Ivanjuk, E˙ Zˇ -Jurist, 2004, Nr. 44. So explizit Serova, Zakony Rossii: opyt, analiz, praktika, 2017, Nr. 2. Zur Diskussion um die neue Rechtsfigur siehe unter § 2 B. II. 3. d) und § B. II. 3. g), dd).
B. Die Rechtsform als Abgrenzungskriterium
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Im Einzelnen bleibt abzuwarten, wie die neue Rechtsform mit Leben gefüllt werden wird. Derzeit gibt es noch keine existierenden Vertreter dieser Rechtsform. 3. Die Konstruktion der juristischen Person des Öffentlichen Rechts Seit längerer Zeit wurde unter Rechtswissenschaftlern die Frage diskutiert, ob in das russische System nach europäischem Vorbild die Figur der juristischen Person des Öffentlichen Rechts eingeführt werden sollte. Im Folgenden soll die Entwicklung der Diskussion sowie die gesetzgeberische Reaktion hierauf, die in der Einführung der öffentlich-rechtlichen Kompanie endete, ausführlich dargestellt werden. Die behauptete Notwendigkeit263 der Einführung der juristischen Person des Öffentlichen Rechts deutet schließlich darauf hin, dass nach russischem Verständnis eine Abgrenzung zwischen Staat und Gesellschaft anhand der Rechtsform vollzogen werden kann oder soll. a) Der rechtstheoretische Hintergrund Vor der Revolution wurde entsprechend der Dichotomie des Rechts zwischen juristischen Personen des Privatrechts und des Öffentlichen Rechts unterschieden.264 Anders als privatrechtliche juristische Personen, die grundsätzlich jedermann nach freiem Ermessen gründen und auflösen konnte, sollten juristische Personen mit öffentlichem Charakter unabhängig vom Willen natürlicher Personen entstehen.265 Insbesondere der Fiskus, das heißt die privatrechtlich handelnde Seite des Staates, wurde als juristische Person des Öffentlichen Rechts begriffen.266 Elistratov wollte so den zivilistischen Begriff der juristischen Person auf die wirtschaftlichen Subjekte der Staatsverwaltung (chozjastvennye sub’jekti gosudarstvennogo upravlenija) übertragen.267 In der Sowjetzeit wurde für den Privatrechtsverkehr nach dem Zweisektorenrecht lediglich anerkannt, dass die Staatsorgane als juristische Personen des Zivilrechts 263 Die Unmöglichkeit der Einordnung bestimmter Organisationen wie etwa der Bank Russlands oder des Rechnungshofes (Ucˇ etnaja Palata) in das bisherige System der juristischen Personen, aber auch die Unstimmigkeiten bezüglich des Status der Staatsorgane scheinen zu einem Bedürfnis geführt zu haben. Neu entfacht wurde diese Diskussion durch die Meinungsverschiedenheiten rund um die umstrittenen staatlichen Korporationen und die groß angelegte Reform des Zivilgesetzbuches. 264 Vinnickij, Pravo i politika 2011, Nr. 3; zur Konzeption der juristischen Person des Öffentlichen Rechts vor der Revolution mit zahlreichen weiteren Nachweisen; vgl. Bogdanova, Osusˇcˇ estvlenie gosudarstvom prava sobstvennosti, S. 51 ff. 265 Kavelin, Prava i objazannosti, S. 197; Sˇ ersˇenevicˇ , Ucˇ ebnik russkovo grazˇ danskovo prava, S. 122, 157 f. 266 Vgl. z. B. Sˇ ersˇenevicˇ , Ucˇ ebnik russkogo grazˇ danskogo prava, S. 122; Gadzˇiev, Civilist 2011, Nr. 3, S. 26 f. 267 Elitratov, Osnovnye nacˇ ala administrativnogo prava, S. 79 f.
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1. Teil, § 2 Formale Kriterien für die Einordnung eines Unternehmens
fungierten. Während die erste Gruppe von Rechtswissenschaftlern hierbei nur die einzelnen Glieder und Staatsorgane, nicht dagegen den Staat als Ganzes für fähig hielt, selbstständig am zivilrechtlichen Rechtsverkehr teilzunehmen,268 war der Staat nach der Gegenansicht selbst unmittelbares Rechtssubjekt der vermögensrechtlichen Beziehungen des Zivilrechts.269 Die Figur der juristischen Person des Öffentlichen Rechts wurde aber weitgehend mit dem Argument abgelehnt,270 die Konstruktion der juristischen Person sei allein dem Zivilrecht zu eigen.271 Wenn der Staat mit seinen Organen oder jene untereinander in Beziehung träten, fehle es auf Grund der Einheit des Staates an einer Personenvielfalt, so dass keine Rechtsbeziehungen, sondern nur organisatorisch-technische Verhältnisse entstünden.272 b) Der Status quo der Gesetzeslage Das heutige russische Recht kennt auch nach Einführung der öffentlich-rechtlichen Kompanie die übergeordnete Konstruktion der juristischen Person des Öffentlichen Rechts grundsätzlich nicht. Es wird lediglich zwischen kommerziellen und nicht-kommerziellen Organisationen unterschieden.273 Dabei stellen die staatlichen Korporationen, die staatliche Kompanie sowie die öffentlich-rechtliche Kompanie lediglich Unterformen der im ZGBRF verankerten nicht-kommerziellen Organisationen dar. Zwar existierte im Steuergesetzbuch (SGBRF) bis 2005 in Art. 251 Abs. 2 der Terminus „öffentlich-rechtliche Vereinigung“ (publicˇ no-pravovye ob’’edinenija), was für die Anerkennung der juristischen Person des Öffentlichen Rechts sprechen könnte; doch ist diese unglückliche Formulierung als gesetzgeberischer Fehler („nedorazumeniem“274) zu interpretieren, der letztlich durch eine Gesetzesänderung bereinigt wurde.275 Auch die Bezeichnung der Staatsorgane als „juristische Personen“ bzw. deren Ausstattung mit den Rechten einer juristischen Person bei fehlender Erfüllung der zivilrechtlichen Voraussetzungen des Art. 48 ZGBRF darf nicht als Hinweis auf die gesetzliche Existenz der juristischen Person des Öffentlichen Rechts betrachtet werden. Sofern man nicht nur – wie hier vor-
268
Vgl. Braginskij, Ucˇ astie sovetskogo gosudarstva; Talapina, Publicˇ noe pravo i e˙ konomika, S. 80 ff. 269 Vgl. Vitkjavicˇ jus, Grazˇ danskaja pravosub’’ektnost’; Pusˇkin, Sovetskoe gosudarstvo. 270 Venediktov vertrat zwar ursprünglich auch einen differenzierten Ansatz, der sich aber nicht durchsetzen konnte; vgl. Venediktov, Gosudarstvennaja socialisticˇ eskaja sobstvennost’. 271 Venediktov, Pravovaja priroda, S. 78 – 88. 272 Vgl. zu der Diskussion eingehend Talapina, Publicˇ noe pravo i e˙ konomika, S. 95 ff.; Bogdanova, Osusˇcˇ estvlenie gosudarstvom prava sobstvennosti, S. 51 ff. 273 Vgl. Art. 50 ZGBRF. 274 So wörtlich der Verfassungsrichter Kononov, Sondervotum zu VerfGRF, U. v. 19. 12. 2005, Nr. 12, GSRF 2006/3/335. 275 Insgesamt ist die Gesetzeslage bezüglich der juristischen Personen von Widersprüchen geprägt; vgl. Suchanov, Zˇ urnal rossijskogo prava 2010, Nr. 1.
B. Die Rechtsform als Abgrenzungskriterium
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geschlagen wurde276 – einen Rechtsfolgenverweis annimmt, sondern in sowjetischer Tradition die Staatsorgane selbst zu Rechtsträgern erhebt, zieht das keineswegs die Anerkennung der juristischen Person des Öffentlichen Rechts nach sich. Vielmehr stehen jene den staatlichen Einrichtungen, den Ucˇ erezˇ denija, sehr nahe277 und könnten damit in das Zivilrecht eingefügt werden. c) Die Position staatlicher Stellen zur Konzeption der juristischen Person des Öffentlichen Rechts aa) Die Vorschläge der Präsidialverwaltung In der Konzeption der Präsidialverwaltung zur Entwicklung der Gesetzgebung der juristischen Personen aus dem Jahr 2009 (im Folgenden „Konzeption JP“), die auf einem Erlass des Präsidenten aufbaut,278 wird der Begriff bzw. die Konstruktion der öffentlich-rechtlichen juristischen Person lediglich im Zusammenhang mit staatlichen Organen erwähnt.279 Für die Einführung der Kategorie der juristischen Person des Öffentlichen Rechts bestehe kein Bedürfnis.280 Nach Suchanov, einem der Autoren und Entwickler der Konzeption JP, ist die Kategorie der juristischen Person des Öffentlichen Rechts den Rechtsordnungen germanischer Art eigen und nur durch deren nationalhistorische Entwicklung erklärbar.281 Obwohl die staatlichen Korporationen als unikale Rechtsform beschrieben werden, die nicht nur privatrechtlichen, sondern auch öffentlich-rechtlichen Status aufweisen, wird der Begriff der „juristischen Person des Öffentlichen Rechts“ auf sie gerade nicht angewendet. Vielmehr erklärte Präsident Medwedew noch im Jahr 2009 die Perspektivlosigkeit der Rechtsform der staatlichen Korporationen und sprach sich für deren Umwandlung in klassische Organisationsformen wie die Aktiengesellschaften aus.282 Ihre Neugründung sollte untersagt und das NKOGRF entsprechend geändert werden.283 Nur wenn die für die Wirtschaft notwendigen juristischen Personen in keine klassische Rechtsform einzuordnen seien, sollte die Rechtsform der staatlichen Korporation für zulässig erachtet werden.284 Auch in den Entwurf des Rats des Präsidenten zur 276
Siehe oben unter § 2 B. II. 2. a) bb). Talapina, Publicˇ noe pravo i e˙ konomika, S. 100; andere wollen gerade zwischen Staatsorganen und staatlichen Einrichtungen (Ucˇ erezˇ denija) unterscheiden; vgl. Kiselev, Zakony Rossii, opyt, analiz, praktika 2007, Nr. 6, S. 109. 278 Präsidentenerlass Nr. 1108. 279 Abschnitt II Unterabschnitt 8 § 5 Punkt 1.7 Konzeption JP. 280 P. 7.2.4 Konzeption JP. 281 Suchanov, Zˇ urnal rossijskogo prava 2010, Nr. 1. 282 Vgl. die Ansprache des Präsidenten der RF v. 12. 11. 2009. Der nicht-kommerzielle Charakter wurde zudem in der Konzeption JP in Zweifel gezogen; vgl. Abschnitt I P. 9 Konzeption JP. 283 Abschnitt III P. 7.3.3 Konzeption JP. 284 Abschnitt II Unterabschnitt 8 § 4 Punkt 3.2 der Konzeption JP; als Beispiel wird die Zentralbank Russlands (Bank Rossii) angeführt; vgl. Vinnickij, Pravo i politika 2011, Nr. 3. 277
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1. Teil, § 2 Formale Kriterien für die Einordnung eines Unternehmens
Überarbeitung des ZGBRF285 hatte die Konzeption der öffentlich-rechtlichen juristischen Person keinen Eingang gefunden. Vielmehr sollte an der Unterscheidung zwischen kommerziellen und nicht-kommerziellen Organisationen festgehalten werden.286 bb) Die Beschlüsse der Staatsduma287 Den Problemen der staatlichen Korporationen wurde zunächst mit einem Änderungsgesetz bezüglich der nicht-kommerziellen Organisationen vom 29. 12. 2010, Nr. 437288 beizukommen versucht, das mit den Vorschlägen des Rats des Präsidenten schwer vereinbar war.289 Auch die gesetzlichen Neuerungen zu dem Projekt Skolkovo widersprachen dem Vorhaben, das System der juristischen Personen zu konsolidieren und zu vereinheitlichen. Erst im Jahr 2010 – als der Rat des Präsidenten seine Kritik an den staatlichen Korporationen bereits veröffentlicht hatte – erhielt das den Korporationen in gewisser Weise ähnliche Innovationszentrum Skolkovo die nötige gesetzliche Basis.290 Dabei blieben viele Fragen zu seiner Rechtsnatur offen. Auch in diesem Zusammenhang wurde die Konzeption der juristischen Person des Öffentlichen Rechts nicht weiter behandelt. Im Rahmen der Reform des ZGBRF hielt die Staatsduma die Einführung der juristischen Person des Öffentlichen Rechts zunächst nicht für erforderlich. Der Zentralbank Russlands wurde in Art. 48 Abs. 4 ZGBRF ein Sonderstatus verliehen. Zwar wird in der neuen Fassung des ZGBRF zwischen öffentlichen und nicht öffentlichen Aktiengesellschaften differenziert. Doch führt diese Begrifflichkeit zu Missverständnissen, da die Bezeichnung einer Gesellschaft als „öffentlich“ gerade 285
Vgl. Vinnickij, Pravo i politika 2011, Nr. 3. Vgl. Suchanov, Zˇ urnal rossijskogo prava 2010, Nr. 1. Zusätzlich wurde die Unterscheidung in korporative und nicht-korporative Organisationen eingeführt. 287 Auch die Regierung spricht sich nicht für die juristische Person des Öffentlichen Rechts aus. Das Regierungsprogramm bezüglich der Effektivitätssteigerung staatlicher Budgetausgaben für den Zeitraum bis zum Jahr 2012, bestätigt durch die Regierungsverfügung Nr. 1101 vierter Abschnitt, schlägt lediglich vor, dem Staat und den öffentlich-rechtlichen Gebilden den Status einer juristischen Person zu verleihen. Die dazugehörigen Organe sollten dagegen nicht als eigenständige Rechtssubjekte anerkannt werden, da sie lediglich im Namen des Staates auftreten sollten. Teilweise wird aus diesem Programm gefolgert, dass auch die staatlichen Einrichtungen (ucˇ erezˇ denija), mit denen die Staatsorgane oft gleichgesetzt werden, nicht den Status juristischer Personen erhalten sollten; vgl. Suchanov, Vestnik grazˇ danskovo prava, 2011, Nr. 2. Das erscheint allerdings nicht zwingend, da die Einrichtungen nicht direkt zu den Organen der ausführenden Gewalt gezählt werden. Allerdings ist zuzugeben, dass sie auch nach deutschem Verständnis schwerlich als mittelbare Staatsverwaltung zu bezeichnen wären und wohl kaum eigenständige Rechtspersönlichkeiten aufweisen. Etwas anderes könnte höchstens gelten, soweit es sich um autonome Einrichtungen handelt. 288 Vgl. ÄGNKOGRF Nr. 437. 289 Vinnickij, Pravo i politika 2011, Nr. 3. 290 Vgl. Skolkovo-GRF, ÄGSkolkovo-GRF. 286
B. Die Rechtsform als Abgrenzungskriterium
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nicht ihren staatlichen Charakter signalisiert. Vielmehr geht es um Publizität und die öffentliche Ausgabe von Aktien.291 cc) Die Gesetzesentwürfe des Ministeriums für wirtschaftliche Entwicklung (1) Der Entwurf zur Reform des ZGBRF Das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung stellte – ähnlich wie bereits die Präsidialverwaltung – sowohl in der Konzeption der Entwicklung der korporativen Gesetzgebung für den Zeitraum bis 2008 als auch in den Überlegungen zur Reform des ZGBRF fest, dass sich die staatlichen Korporationen nicht in die allgemeine Logik der Gesetzgebung über die juristischen Personen einfügten.292 Diese sollten entweder liquidiert, umgewandelt oder neu organisiert werden.293 Die einzig real existierende staatliche Kompanie Avtodor sollte in eine offene AG umgewandelt werden.294 Anders als die Präsidialverwaltung hielt das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung es aber für notwendig, die Kategorie der juristischen Person des Öffentlichen Rechts einzuführen.295 Im Entwurf zur Reform des ZGBRF296 aus dem Jahr 2011 wurde daher eine neue Rechtsform vorgesehen: Die öffentlichrechtliche Kompanie.297 Dabei handelt es sich um eine nicht-kommerzielle Organisation mit spezieller Rechtsfähigkeit, die ihre Tätigkeit im Interesse des Staates und der Gesellschaft ausübt. Gegründet werden soll diese öffentlich-rechtliche Kompanie auf Grundlage eines föderalen Gesetzes oder nach einer Entscheidung der Regierung der RF. Gemäß Art. 123.1 Teil 1 des Entwurfes des neuen ZGBRF soll die Kompanie auch mit einzelnen Hoheitsbefugnissen ausgestattet sein.298 Zudem war geplant, die Grundlagen für ihre Finanzkontrolle festzusetzen und den Mitarbeitern der öffentlich-rechtlichen Kompanie eine Reihe von Beschränkungen aufzuerlegen, die überlicherweise für Staatsbedienstete gelten.299 Der Begriff der „öffentlichVgl. hierzu Cˇ irkin, Civilist 2013, Nr. 2, S. 31, der auf die Missverständnisse hinweist. Zitiert nach Gadzˇiev, Civilist 2011, Nr. 3, S. 31. 293 Plan Grafik 29. 12. 2010, Nr. 6793 p-13; s. a Vinnickij, Pravo i politika 2011, Nr. 3. 294 Brief des Ministeriums für wirtschaftliche Entwicklung vom 15. 02. 2010, Nr. 2141. 295 Zitiert nach Gadzˇiev, Civilist 2011, Nr. 3, S. 31; allerdings war nicht ganz klar, ob wirklich eine juristische Person des Öffentlichen Rechts i.S. der von der Literatur teilweise geforderten Kategorie eingeführt werden sollte. 296 ÄEZGBRF Nr. 47538-6/2. 297 Zudem sollte der Status der Zentralbank Russlands neu geregelt werden (Art. 50) und eine abschließende Aufzählung der nicht-kommerziellen Organisationen erfolgen, für die durch die offene Formulierung des Art. 120 Abs. 3 ZGBRF alter Fassung bisher Besonderheiten für staatliche Einrichtungen zulässig waren. So sieht auch Gadzˇiev den Art. 120 Abs. 3 ZGBRF alter Fassung als Beleg für die nicht abschließende Liste der nicht-kommerziellen Organisationen; Gadzˇiev, Civilist 2011, Nr. 3, S. 33. 298 Vgl. auch Bolkov/Dugenec, Administrativnoe pravo 2012, Nr. 2; Lauts, Bankovskoe pravo 2011, Nr. 6. 299 Lauts, Bankovskoe pravo 2011, Nr. 6. 291
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rechtlichen Kompanie“ sollte als universelle Kategorie eingeführt werden.300 Insbesondere war die Umwandlung der staatlichen Korporationen in die neu einzuführende Rechtsform vorgesehen.301 Der Entwurf zur Reformierung des ZGBRF stieß in der Literatur auf Kritik. Wie selbstverständlich werde der Begriff der „juristischen Person des Öffentlichen Rechts“ verwendet, ohne ihn jemals definiert oder umrissen zu haben, was zwingend notwendig sei.302 Die vom Wirtschaftsministerium angestrebte öffentlich-rechtliche Kompanie enthalte zudem nicht die Merkmale, die von den wissenschaftlichen Vertretern der juristischen Person des Öffentlichen Rechts für diese Kategorie herausgearbeitet worden seien. Anstatt das Problem der staatlichen Korporationen und der juristischen Person des Öffentlichen Rechts grundlegend anzugehen, würde die staatliche Korporation durch die Umwandlung in eine öffentlich-rechtliche Kompanie lediglich modifiziert und einheitlichen Regeln unterworfen.303 Der Gesetzesentwurf sehe vor, in den ZGBRF einen neuen Art. 123.1 einzuführen, der die öffentlich-rechtliche Kompanie zu einer neuen Unterart der nicht-kommerziellen Organisationen mache, aber gerade nicht die juristische Person des Öffentlichen Rechts regele.304 Besonders in Bezug auf die staatliche Kontrolle entspreche die Konzeption der öffentlich-rechtlichen Kompanie nicht dem Wesen der „juristischen Person des Öffentlichen Rechts“. Vielmehr müsse der staatlichen Kontrolle ein höherer Stellenwert eingeräumt werden. Sie solle Bestandteil der Definition der öffentlich-rechtlichen Kompanie sein.305 (2) Entwurf zum Gesetz „Über die öffentlich-rechtlichen Kompanien“ Der Entwurf zur Einführung eines Gesetzes „Über die öffentlich-rechtlichen Kompanien“ („O publizˇ no-pravovych kompanijach v Rossijskoj Federacii“), der gemeinsam mit dem Änderungsvorschlag des ZGBRF und des Arbeitsgesetzbuchs im Jahr 2011 vorgestellt worden war,306 hat eine Überarbeitung erfahren. Auf der Seite des Ministeriums für wirtschaftliche Entwicklung wurde im Jahr 2013 ein 300
Vgl. Bolkov/Dugenec, Administrativnoe pravo 2012, Nr. 2. Vinnickij, Pravo i politika 2011, Nr. 3. Offen blieb in dem Gesetzesentwurf aber die Frage nach „Rosatom» und deren Status; vgl. Brief des Ministeriums für wirtschaftliche Entwicklung v. 15. 02. 2010, Nr. 2141. 302 Vgl. Bolkov/Dugenec, Administrativnoe pravo 2012, Nr. 2. 303 Vgl. Bolkov/Dugenec, Administrativnoe pravo 2012, Nr. 2; Lauts, Bankovskoe pravo 2011, Nr. 6. 304 Lauts, Bankovskoe pravo 2011, Nr. 6. 305 Lauts, Bankovskoe pravo 2011, Nr. 6. Zudem enthielt der Gesetzesentwurf einige Mängel und Widersprüche gerade in Bezug auf die Liquidierung und Umwandlung der öffentlich-rechtlichen Kompanie, die an drei verschiedenen Stellen des Gesetzesentwurfes angesprochen, nirgends aber detailiert geregelt wurden; vgl. hierzu Bolkov/Dugenec, Administrativnoe pravo 2012, Nr. 2. 306 http://www.economy.gov.ru/minec/about/structure/decorp/doc20110811_05; [zuletzt aufgerufen am 01. 09. 2011]. 301
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neuer Gesetzesentwurf „o publizˇ no-pravovych kompanijach v Rossijskoj Federacii i o vnesenii izmenenij v otdel’nye zakonodatel’nye akty Rossijskoj Federacii“ veröffentlicht. Stand zuvor die Umwandlung staatlicher Korporationen und Kompanien sowie unitarischer Betriebe in Aktiengesellschaften bzw. in öffentlich-rechtliche Kompanien im Raum, so schlug der neue Entwurf nicht nur die Umwandlung von staatlichen Korporationen und Kompanien, sondern auch von Aktiengesellschaften, die zu 100 % vom Staat gehalten werden, in öffentlich-rechtliche Kompanien vor. Dabei war weder die Abschaffung der staatlichen Aktiengesellschaften noch der staatlichen Korporationen und Kompanien zwingend vorgesehen. Die öffentlichrechtlichen Kompanien sollten vielmehr neben den bisherigen Organisationsformen als zusätzliche Rechtsform bestehen bleiben.307 d) Die tatsächliche Einführung der öffentlich-rechtlichen Kompanie im Jahr 2016 Mit dem Föderalen Gesetz vom 03. 07. 2016 Nr. 263 wurde die oben in den Gesetzesentwürfen unter B. II. 3. c) cc) (1) und (2) dargestellte Rechtsform der öffentlich-rechtlichen Kompanie eingeführt. Sie wurde – neben der staatlichen Korporation – auch in Art. 50 Abs. 3 Nr. 11 ZGBRF als eine der nicht-kommerziellen juristischen Personen aufgelistet. Nach Ansicht der Literaturstimmen, die sich bisher hierzu geäußert haben, soll sich die Diskussion um die Notwendigkeit der Einführung der Figur der juristischen Person des Öffentlichen Rechts erledigt haben.308 Dabei äußern einige Autoren Zweifel, ob die Rechtsfigur allein wegen der Übertragung von Hoheitsbefugnissen in „hoheitliche Rechtssubjekte“ verwandelt werde.309 Schließlich spreche die wirtschaftliche Effektivität, auf die die Mischwesen der öffentlich-rechtlichen Kompanie ausgerichtet seien, gegen die Erfüllung öffentlicher Funktionen.310 Jedenfalls dürften einige im Vorfeld der Gesetzeseinführung vorgebrachten Kritikpunkte bestehen bleiben wie etwa die Tatsache, dass die Rechtsfigur keine übergeordnete Kategorie bildet, sondern einen weiteren Unterfall der nicht-kommerziellen Organisation. Als problematisch wird zudem gesehen, dass die öffentlich-rechtliche Kompanie eine quasi-korporative Struktur hat und dabei staatliche Funktionen erfüllt. Da die RF in die öffentlich-rechtliche Kompanie auch Aktien an anderen Gesellschaften einbringen kann, kann es – wie auch im Fall der staatlichen Korporation „Rostech“ – dazu kommen, dass die nicht-kommerzielle öffentlich-rechtliche Kompanie eine Art Holding für kommerzielle Organisationen wird und diese leitet.311 Mit der Möglichkeit der RF, Einlagen in die öffentlich-rechtliche Kompanie zu tätigen, die dann 307 308 309 310 311
Kerenskij, publicˇ no-pravovych kompanij. Serova, Zakony Rossii: opyt, analiz, praktika, 2017, Nr. 2. Didenko, Vlast’zakona 2014, Nr. 2, S. 71. Romanovskaja, Vestnik Permskogo universiteta. Juridicˇ esie nauki 2017, Nr. 2. Serova, Zakony Rossii: opyt, analiz, praktika, 2017, Nr. 2.
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zum Eigentum dieser werden, ist auch die Kritik verbunden, dass es sich hierbei – in Parallele zu der Eigentumssituation bei den staatlichen Korporationen – um eine versteckte Privatisierung handelt.312 Stets wurde gefordert, dass die juristische Person des Öffentlichen Rechts strenger staatlicher Kontrolle unterliegen solle.313 Nach Art. 5 Abs. 9 ÖRKGRF unterliegt sie – anders als die staatlichen Korporationen314 – jedenfalls der Kontrolle der Staatsorgane. Ob die praktische Handhabung den Forderungen der Literatur gerecht werden wird, bleibt abzuwarten. Nach Ansicht der Literatur fehlt derzeit ein wirksamer gesetzlicher Kontrollmechanismus der Tätigkeit der öffentlichen-rechtlichen Kompanie.315 Welchen praktischen Nutzen die neue Rechtsform bringen wird, hängt insbesondere auch von den zu erlassenden untergesetzlichen Vorschriften ab. Unklar ist beispielsweise noch, wie die staatliche Kontrolle im Einzelnen ausgestaltet sein wird, inwieweit die Verwaltung der öffentlich-rechtlichen Kompanie durch Direktiven gesteuert werden kann und wie frei die Mitglieder des Aufsichtsrates in ihren Entscheidungen sein werden. Auch ist unklar, ob unabhängige Direktoren eingeführt werden. Nach Stimmen der Literatur unterscheidet sich die öffentlich-rechtliche Kompanie letztlich nicht wesentlich von der staatlichen Korporation.316 Im Ergebnis führt die Einführung der öffentlich-rechtlichen Kompanie daher wohl lediglich zu einer Unifizierung unter leichter Verbesserung der verschiedenen umstrittenen Rechtsformen der letzten Jahre (insbesondere der einzelgesetzlich geregelten staatlichen Korporationen und Kompanien), die umgewandelt und unter der Rechtsform der öffentlich-rechtlichen Kompanie zusammengefasst werden können. Dabei ist kritisch anzumerken, dass Rechtsformen der staatlichen Korporationen und Kompanien ebenso wie die zu 100 % staatlich gehaltenen Aktiengesellschaften bestehen bleiben und gerade nicht abgeschafft werden sollen. Die Vereinheitlichungswirkung und Konsolidierung der verschiedenen Rechtsformen ist daher begrenzt. Ein wesentlicher Vorteil und Unterschied der öffentlich-rechtlichen Kompanie gegenüber der staatlichen Korporation liegt in der stärkeren staatlichen Kontrolle und Fremdbestimmung. e) Die Diskussion der Literatur um das „Ob“ der juristischen Person des Öffentlichen Rechts Der Vorschlag für die Einführung der Kategorie der juristischen Person des Öffentlichen Rechts hat in der Literatur viel Beachtung gefunden und über Jahre hinweg für zahlreiche Diskussionen gesorgt. Die Autorenschaft Russlands scheint in dieser 312
Vgl. zu der von der staatlichen Korporation auf die öffentlich-rechtliche Kompanie übertragbare Diskussion unter § 2 B. II. 3. e) cc) (2). 313 Didenko, Vlast’zakona 2014, Nr. 2, S. 68 f. 314 Vgl. Kessler, Analyse, http://www.laender-analysen.de/russland/pdf/RusslandAnalysen2 97.pdf; [zuletzt aufgerufen am 19. 01. 2018]. 315 Serova u. a. Kommentarij, Art. 7. 316 Serova, Zakony Rossii: opyt, analiz, praktika, 2017, Nr. 2.
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Frage gespalten.317 Für die Vertreter des zivilistischen Ansatzes ist die juristische Person per se nur als zivilrechtliche Konstruktion denkbar, da sie dem Zivilrecht entstamme und einzig und allein der Regelungsbedürftigkeit von Vermögensbeziehungen geschuldet sei.318 Mangels Übertragbarkeit der Konstruktion auf andere Rechtszweige werden die Existenz, die Möglichkeit und die Notwendigkeit der Konzeption der juristischen Person des Öffentlichen Rechts abgelehnt.319 Völlig unklar sei, was unter den juristischen Personen des Öffentlichen Rechts zu verstehen sei, da auch im Ausland keine einheitliche Ausprägung dieser Rechtsform existiere, wie bereits die Unterschiede zwischen Deutschland und Österreich zeigten.320 Schwer sei zudem die Frage nach den Eigentumsverhältnissen zu beantworten: Sei der Staat selbst Eigentümer, bleibe fraglich, nach welchem Recht die juristischen Personen besitzen sollten; fungierten die juristischen Personen selbst als Eigentümer, handle es sich um eine ungerechtfertigte Privatisierung. Anders als – angeblich – im deutschen Recht sei der Staat in Russland als solcher ein Privatrechtssubjekt, weshalb im russischen Zivilrecht schlicht die Notwendigkeit der Anerkennung der juristischen Person des Öffentlichen Rechts fehle.321 Unikale neue Rechtsformen, die keiner der gängigen juristischen Personen zugeordnet werden könnten, sollten nicht gekünstelt in juristische Personen des Öffentlichen Rechts umgedeutet oder schlicht umetikettiert werden,322 sondern seien als Fehler der Gesetzgebung schlicht abzulehnen und abzuschaffen.323 Vertreter des Öffentlichen Rechts sprechen sich dagegen weitgehend für die Einführung der juristischen Person des Öffentlichen Rechts aus. Real existiere sie 317
Vgl. statt aller Jastrebov, Problema otraslevoj prinadlezˇ nosti. Siehe als „berühmte“ Vertreter vor allem Jakoblev, Jakoblev, Nekommercˇ eskie organizacii, S. 10; ebenso Suchanov, Vestnik grazˇ danskogo prava T. 6 2006, Nr. 1 (1), S. 15; Mozolin, Sovremennaja doktrina, S. 99, wobei zu bemerken ist, dass Mozolin seine Ansicht in späteren Schriften geändert hat. 319 Der wohl prominenteste Verfechter dieses zivilistischen Ansatzes ist Suchanov, Vestnik grazˇ danskogo prava T. 6 2006, Nr. 1 (1), S. 15; vgl. auch Suchanov, Zˇ urnal rossijskogo prava 2010, Nr. 1. Diese Sichtweise geht schon auf Venediktov und Bratus’ zurück, die keinerlei Sinnhaftigkeit in der Unterscheidung von juristischen Personen des Privatrechts und des Öffentlichen Rechts sahen; vgl. Venediktov, Izbrannye trudy, S. 367; Venediktov, Gosudarstvennaja socialisticˇ eskaja sobstvennost’, S. 646; Bratus’, Juridicˇ eskie lica, S. 62 f.; vor der Revolution dagegen wurde eine juristische Person des Öffentlichen Rechts teilweise bejaht; vgl. Sˇ ersˇenevicˇ , Ucˇ ebnik russkovo grazˇ danskovo prava (2005), S. 157; Suvorov, O juridicˇ eskich licach, S. 169. Noch weiter gehen Literaturstimmen, die das ZGBRF gänzlich von den öffentlichen Subjekten befreien wollen: Die Erwähnung des Staates und seiner Staatorgane, die keine juristischen Personen seien, in der Zivilgesetzgebung zeuge von der mangelndne Überwindung des totalitäten Zeit des Sozialismus; vgl. Cˇ anturija, Gosudarstvo i pravo 2008, Nr. 3, S. 41 f. 320 Hierbei wird fälschlicherweise behauptet, in Deutschland seien Staatsorgane juristische Personen des Öffentlichen Rechts; vgl. Suchanov, Zˇ urnal rossijskogo prava 20010, Nr. 1. 321 Suchanov, Zˇ urnal rossijskogo prava 2010, Nr. 1. 322 Suchanov, Vestnik grazˇ danskogo prava 2011, Nr. 2, S. 14. 323 Vgl. Cygankov, E˙ Zˇ -Jurist 2012, Nr. 31. 318
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schon längst und bedürfe lediglich der gesetzlichen und wissenschaftlichen Anerkennung.324 Denn es bestünden bereits in der Rechtswirklichkeit viele Organisationen – wie z. B. die Zentralbank Russlands –, deren Rechtsform sich nicht in das bisherige System der juristischen Personen nach dem ZGBRF einordnen lassen, insbesondere weil sie nicht der Registrierung unterlägen und nach den alten Regeln des Art. 48 ZGBRF damit gar nicht zur Entstehung gelangten. Diesen Besonderheiten müsse Rechnung getragen werden. Für die Einführung der Figur spreche zudem vor allem, dass nur so eine genaue Bestimmung des Status der öffentlichen Subjekte in Zivilrechtsbeziehungen möglich sei.325 f) Die Diskussion der Literatur um das „Wie“ der juristischen Person des Öffentlichen Rechts aa) Notwendigkeit einer Regelung im ZGBRF Unter den Befürwortern der Anerkennung der juristischen Person des Öffentlichen Rechts setzte sich die Diskussion fort und betrifft die Frage, wie die Figur gesetzlich verankert werden soll.326 Einige forderten die konkrete und abschließende Regelung der juristischen Person des Öffentlichen Rechts im ZGBRF selbst. Andere strebten an, lediglich die grundsätzliche Unterscheidung der juristischen Personen in solche des Öffentlichen Rechts und des Privatrechts sowie die Zivilrechtsfähigkeit dieser Personen im ZGBRF zu regeln, bzw. im ZGBRF die Grundform der juristischen Person als rechtsübergreifende Konstruktion niederzulegen mit Verweis auf die Möglichkeit des Unterfalls der juristischen Person des Öffentlichen Rechts. Zudem wurde vorgeschlagen, einen Rechtsgebiete übergreifenden Basisakt für juristische Personen zu schaffen.327 Eine genaue Ausgestaltung der juristischen Person des Öffentlichen Rechts habe hingegen durch spezielle öffentlich-rechtliche Gesetze zu erfolgen.328 Durch die Einführung der öffentlich-rechtlichen Kompanie und ihre Verankerung im ZGBRF ist die Diskussion angeblich beendet worden.329 Allerdings sei angemerkt, dass sie im Gesetzt weder als juristische Person des Öffentlichen Rechts bezeichnet wird noch systematisch eine übergeordnete Kategorie darstellt.
324 ˇ irkin, Gosudarstvo i pravo 2010, Nr. 7, S. 23 ff.; Gadzˇiev, Civilist 2011, Statt vieler C Nr. 3, S. 26 ff. mit w.N. 325 Talapina, Publicˇ noe pravo i e˙ konomika, S. 88. 326 Vgl. jüngst Cˇ emericˇ ko, Vlast’ Zakona 2016, Nr. 2. 327 Vinnickij, Pravo i politika 2011, Nr. 3; Jastrebov, Avtoreferat, S. 17; Vinnickij, Pravo i politika 2011, Nr. 3; Lafitskij, Zˇ urnal rossijskovo prava 2011, Nr. 3, der dem zweiten Ansatz anhängt; vgl. insgesamt Cˇ irkin, Gosudarstvo i pravo 2010, Nr. 7, S. 23 ff. 328 Lafitskij, Zˇ urnal rossijskovo prava 2011, Nr. 3. 329 Serova, Zakony Rossii: opyt, analiz, praktika, 2017, Nr. 2.
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bb) Die unter den Begriff der „juristischen Person des Öffentlichen Rechts“ fallenden Rechtssubjekte Die Diskussion um die Einführung der juristischen Person des Öffentlichen Rechts entsprang letztlich der Unmöglichkeit der Subsumtion einiger real existierender Organisationen unter die Definition der juristischen Person des ZGBRF, vor allem mangels staatlicher Registrierung, die ein wesentliches Merkmal im Sinne des Art. 48 ZGBRF darstellt. Meist orientierten sich die Autoren an einem in der Rechtswirklichkeit auftretenden Subjekt, das ihrer Meinung nach dem Öffentlichen Recht angehören sollte. Umstritten ist dabei, welche Organisationen letztlich zu den juristischen Personen des Öffentlichen Rechts zu zählen sind. Das Spektrum reicht von sehr weiten Ansätzen, die den Staat, die Organe und auch gesellschaftliche Organisationen umfassen, bis zu sehr engen Vorstellungen, die sich lediglich auf eine der genannten Kategorien beschränken. Entsprechend werden in der russischen Literatur die unterschiedlichsten Ansätze mit den über die reine Kategorisierung hinausgehenden unterschiedlichsten Zielsetzungen zur juristischen Person des Öffentlichen Rechts vertreten. (1) Rechtliche Sonderformen als Prototypen der juristischen Person des Öffentlichen Rechts Klassisch lösen die Zentralbank Russlands (Bank Rossii), der Pensionsfond (Pensionnyj Fond), aber auch Selbstverwaltungskörperschaften wie die Notars- und Anwaltskammern die Diskussion um die juristische Person des Öffentlichen Rechts aus.330 Bezüglich anderer Selbstverwaltungskörperschaften ist Vorsicht geboten, da sie sehr unterschiedlich organisiert und grundsätzlich nicht der Zwangsmitgliedschaft unterworfen sind331 Durch sie wird gerade gesellschaftliche Selbstbestimmung verwirklicht. Daher sind sie in eine zivilrechtliche, nicht-kommerzielle Rechtsform eingekleidet. Einen Sonderfall stellt aber die Notarskammer nicht zuletzt auf Grund der ihr übertragenen staatlichen Befugnisse dar.332 Problematisch ist der in der Literatur vertretene Ansatz, die Zentralbank Russlands als Musterbeispiel der allgemeinen Rechtsfigur der juristischen Person des Öffentlichen Rechts heranzuziehen,333 da diese einen grundsätzlich nicht verallgemeinerungsfähigen besonderen verfassungsrechtlichen Sonderstatus genießt,334 dem nun schließlich durch explizite Regelung im reformierten Art. 50 ZGBRF Rechnung getragen wird. Auch hinkt der bemühte Vergleich zur Europäischen Zentralbank 330 Talapina, Publicˇ noe pravo i e˙ konomika, S. 199 ff., spricht von „gemischten Organen“; zur Zentralbank Russlands als juristischer Person des Öffentlichen Rechts vgl. etwa Lauts, Bankovskoe pravo 2011, Nr. 6; zur Notarskammer etwa Cmirnov/Kalinicˇ enko/Bocˇ kovenko, Rossijskaja justicija 2011, Nr. 5; Zˇ urina, Advokat 2009, Nr. 6. 331 Eingehend hierzu Leskova, Grazˇ danskoe pravo 2011, Nr. 2. 332 Vgl. hierzu VerfGRF, U. v. 19. 05. 1998, Nr. 15. 333 So aber Lauts, Bankovskoe pravo 2011, Nr. 6. 334 Vgl. Art. 75 VerfRF.
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bereits deshalb, weil das Unionsrecht anders als das deutsche Recht gerade nicht explizit zwischen Öffentlichem und privatem Recht unterscheidet. Doch kann das Prinzip der relativen Unabhängigkeit der Zentralbank Russlands und deren gleichzeitige Unterworfenheit unter staatliche Kontrolle wie von Lauts angedacht335 auf Personen des Öffentlichen Rechts übertragen werden. (2) Der Staat und seine Organe als Prototypen der juristischen Person des Öffentlichen Rechts Große Uneinigkeit besteht darüber, ob die öffentlich-rechtlichen Gebilde, d. h. die RF, ihre Subjekte sowie die Kommunen als juristische Personen des Öffentlichen Rechts anzuerkennen sind. Während Cˇ irkin, die „Gebietskörperschaften“ neben den Organen als den klassischen Fall der juristischen Person des Öffentlichen Rechts begreift,336 lehnt Vinnickij diesen Ansatz unter Hinweis auf das fehlende praktische Bedürfnis einer Neuregelung ab.337 Sehr umstritten ist vor allem, ob die staatlichen Organe juristische Personen des ˇ irkin hatte als einer der ersten Verfechter der Öffentlichen Rechts darstellen. C Rechtsfigur gerade die Staatsorgane als einen der wichtigsten Vertreter vor Augen.338 Auch andere Autoren wollen die juristische Person des Öffentlichen Rechts insbesondere einführen, um den zivilrechtlichen Status der Staatsorgane zu klären.339 Andere halten angesichts der bisherigen Janusköpfigkeit der Organe eine Regelung für unnötig340 oder lehnen die Anerkennung von deren eigener Rechtsfähigkeit sowohl zivilrechtlich als auch öffentlich-rechtlich ab.341 Die Kategorisierung der Staatsorgane als juristischen Personen des Öffentlichen Rechts verwische die Bedeutung des Begriffs und führe zu einem Abgleiten in bloße terminologische Spielereien.342 In diesem Streit manifestiert sich letztlich die aus der Sowjetzeit stammende Diskussion um das Verhältnis des Staates zu seinen Gliedern und deren Privatrechtsfähigkeit.343 Letztlich ist die Einführung der Kategorie der juristischen Person des Öffentlichen Rechts zumindest nicht notwendig, um den Status der Staatsorgane 335
So aber Lauts, Bankovskoe pravo 2011, Nr. 6. ˇ irkin, Zˇ urnal rossijskogo prava 2010, Nr. 6. C 337 Vinnickij, Pravo i politika 2011, Nr. 3; so auch Kurbatov, Chozjajstvo i pravo 2009, Nr. 10; Leskova, Administrativnoe i municipal’noe pravo 2012, N 2. 338 ˇ Cirkin, Gosudarstvo i pravo 2010, Nr. 7, S. 23 ff. 339 ˇ Cirkin, Gosudarstvo i pravo 2010, Nr. 7, S. 23 ff.; Talapina, Publicˇ noe pravo i e˙ konomika, S. 95 ff.; Jastrebov, Vestnik Moskovskogo universiteta MVD Rossii 2008, Nr. 4, S. 81, der sich allerdings nicht nur auf die Staatsorgane konzentrieren möchte. 340 Leskova, Administrativnoe i municipal’noe pravo 2012, Nr. 2. 341 Uskov, Zˇ urnal rossijskogo prava 2003, Nr. 5, S. 35; vgl. oben unter § 2 B. II. 2. a) bb). 342 Kurbatov, Legal Insight 2011, Nr. 1.; Leskova, Administrativnoe i municipal’noe pravo, 2012, Nr. 2. 343 Hierzu eingehend Talapina, Publicˇ noe pravo i e˙ konomika, S. 80 ff. 336
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zu klären. Nach hier vertretener Meinung stellen sie lediglich unselbstständige Teile der öffentlich-rechtlichen Gebilde dar. Eine diesbezüglich klarere Gesetztesformulierung in Art. 125 ZGBRF würde den Streit auflösen und ist daher empfehlenswert.344 (3) Die staatlichen Korporationen und Kompanien, die öffentlich-rechtlichen Kompanien bzw. nicht-kommerziellen Organisationen als Prototypen der juristischen Person des Öffentlichen Rechts Einige Autoren wollen alle gesellschaftlichen Organisationen, d. h. letztlich alle nicht-kommerziellen Organisationen, zu juristischen Personen des Öffentlichen Rechts erklären und damit im Ergebnis die Kategorie der nicht-kommerziellen durch ˇ irkin etwa öffentlich-rechtliche, d. h. staatliche Organisationen ersetzen. Nach C handle der Staat nicht in Gewinnerzielungsabsicht. Seine Organisationen seien daher nicht-kommerziell, wohingegen die private Betätigung stets einen wirtschaftlichen, kommerziellen Charakter trage.345 Dabei wird aber übersehen, dass auch private gemeinnützige Vereinigungen existieren, so dass dieser Ansatz als zu radikal abgelehnt werden kann. Viele Literaturstimmen sehen primär eine relativ neue, dem praktischen Bedürfnis entspringende Form der nicht-kommerziellen Organisation als juristische Person des Öffentlichen Rechts an: die staatlichen Korporationen und Kompanien.346 Auf Grund ihres Aufgabenkreises, ihrer Interessenlage und ihrer Hoheitsbefugnisse entsprächen sie den Definitionen der juristischen Person des Öffentlichen Rechts aus dem europäischen Ausland347 und könnten als Formen der dezentralisierten Verwaltung interpretiert werden.348 Motivation für die Einführung der juristischen Person des Öffentlichen Rechts in diesem Sinne ist also die Schaffung einer mittelbaren Staatsverwaltung, d. h. relativ autonomer eigenständiger privatrechtsfähiger Rechtspersonen, die öffentliche Aufgaben mit Hilfe von privatrechtsförmigen Handlungsformen erfüllen, ohne gleichzeitig ihren öffentlich-rechtlichen Status einzubüßen.349 Jene mittelbare Staatsverwaltung sei finanziell und kompetenziell 344 Hierzu völlig überzeugend Bogdanova, Osusˇcˇ estvlenie gosudarstvom prava sobstvennosti, S. 70 ff. 345 ˇ Cirkin, Zˇ urnal rossijskogo prava 2010, Nr. 6. 346 So auch Gadzˇiev, Civilist 2011, Nr. 3; Gadzˇiev, Ocˇ erki konstitucionnoj e˙ konomiki; Vinnickij, Zˇ urnal possijskovo prava 2011, Nr. 5; Vinnickij, Pravo i politika 2011, Nr. 3. 347 Bolkov/Dugenec, Administrativnoe pravo 2012, Nr. 2. 348 Bolkov/Dugenec, Administrativnoe pravo 2012, Nr. 2; im Zusammenhang mit der staatlichen Korporation von einer juristischen Person des Öffentlichen Rechts, die gerade nicht Organ und nicht Person des Privatrechts sein könne, spricht auch Gadzˇiev, Civilist 2011, Nr. 3, S. 26 ff. 349 In diese Richtung Leskova, Administrativnoe i municipal’noe pravo 2012, Nr. 2; sehr deutlich Kurbatov, Legal Insight 2011, Nr. 1, der die juristische Person als Werkzeug zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben und Funktionen begreift, deren Status privatrechtlich normiert sei; in diese Richtung der dezentralen Staatsverwaltung auch Jastrebov, Problema otraslevoj
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unabhängig und öffentlichen Interessen zu dienen bestimmt, d. h. sie habe öffentlichrechtlichen Status.350 Nach diesem Leitbild soll die juristische Person des Öffentlichen Rechts öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Züge in sich vereinen und in beiden Rechtsgebieten tätig sein können.351 Die Argumente, die für eine Einordnung der staatlichen Korporation als juristische Person des Öffentlichen Rechts sprechen, gelten erst recht entsprechend für die öffentlich-rechtliche Kompanie.352 cc) Die wesentlichen Merkmale der juristischen Person des Öffentlichen Rechts Eine einheitliche Definition der juristischen Person des Öffentlichen Rechts konnte in der Literatur bisher nicht erarbeitet werden; sie ist auch gesetzlich nicht erfolgt. Dennoch versuchen sich viele Autoren an Annäherungen. Problematisch ist hieran, dass meist kein normativer systematischer Ansatz gewählt, sondern lediglich deskriptiv, ausgehend von den real vorhandenen Rechtsformen als Leitbild, vorgegangen wird. Angesichts der ganz unterschiedlichen „Prototypen“ (vgl. unter bb)) decken sich die Ansätze nicht zwingend. Folgende Merkmale zur Beschreibung der juristischen Person des Öffentlichen Rechts sind den unterschiedlichen Ansätzen aber übergreifend gemeinsam: Die juristische Person des Öffentlichen Rechts entsteht durch den Willen des Staates auf gesetzlicher Grundlage oder auf der Grundlage einer Entscheidung des zuständigen Organs und ist eine öffentlich-rechtliche Organisation. Sie hat nicht immer Gründungsdokumente oder Satzungen, bedarf nicht immer der staatlichen Registrierung, wird aber immer auf der Grundlage eines Rechtsakts gegründet und handelt dieser Grundlage entsprechend. Die juristische Person des Öffentlichen Rechts kann mit Hoheitsbefugnissen ausgestattet werden. Sie hat öffentlich-rechtliche Rechte und Pflichten, wobei die Ausübung dieser Rechte und Pflichten nicht freiwillig und fakultativ, sondern verpflichtend ist. Die öffentlich-rechtliche juristische Person treffen besondere Haftungs- und Verantwortungsverpflichtungen. Sie verfügt über eine spezielle, d. h. eingeschränkte zivilrechtliche Rechtsfähigkeit und hat eine spezielle, zielgerichtete Bedeutung. Sie darf gerade nicht alles tun, was nicht verboten ist, sondern darf nur tun, was ihr durch Gesetz vorgeschrieben und erlaubt prinadlezˇ nosti; Lafitskij, Zˇ urnal rossijskovo prava 2011, Nr. 3, und Uskov, Zˇ urnal rossijskovo prava 2010, Nr. 6, halten die Verwendung der juristischen Person des Öffentlichen Rechts für ideal, wenn der Staat an Vermögensbeziehungen teilnehme, indem er eigenständige Personen mit Rechtsfähigkeit schaffe. Die juristische Person des Öffentlichen Rechts könne gerade dann eingesetzt werden, wenn öffentliche Aufgaben durch aktive Teilnahme im Wirtschaftsverkehr erfüllt würden; vgl. Vinnickij, Pravo i politika 2011, Nr. 3. 350 Bolkov/Dugenec, Administrativnoe pravo 2012, Nr. 2. 351 Vgl. statt vieler Jastrebov, Vestnik Moskovskogo universiteta MVD Rossii 2008, Nr. 4, S. 81. 352 Vgl. hierzu Serova u.a, Kommentarij, Art. 1.
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ist. Sie verfügt über eine Vermögensgrundlage, wobei fast alle Autoren auf die Einschränkung der Rechte an diesem Vermögen verweisen. Sie kann nicht in die Insolvenz fallen und wird nach einem speziellen Verfahren liquidiert.353 Im Einzelnen bestehen allerdings große Unterschiede in der Akzentsetzung und Ausrichtung der verschiedenen Theorien. (1) Der Gründungsakt der juristischen Person als entscheidendes Kriterium Viele Autoren wollen in der Tradition der vorrevolutionären Denker primär darauf abstellen, ob die juristische Person von Privaten oder vom Staat gegründet wurde.354 Juristische Personen des Öffentlichen Rechts wären folglich diejenigen Organisationen, die auf Grund von Akten der Staatsorgane durch staatliche Stellen ins Leben gerufen werden. Andere Stimmen fassen die juristische Person des Öffentlichen Rechts enger, indem es nicht nur auf den Gründer selbst ankommen soll, sondern auch auf die Rechtsnatur des Gründungsakts: Liege ein öffentlich-rechtliches Dokument zugrunde, handle es sich um eine juristische Person des Öffentlichen Rechts. Damit wäre ein unitarischer Betrieb öffentlich-rechtlich,355 während es bei der Aktiengesellschaft darauf ankäme, ob sie auf einem Gesellschaftsvertrag basiert oder auf einen einseitigen öffentlich-rechtlichen Akt zurückgeht. (2) Die Eigentumsverhältnisse der juristischen Person als entscheidendes Kriterium Eng mit der Akzentuierung der staatlichen Gründungsdokumente hängt die Betonung des staatlichen Eigentums zusammen. Schon zu Sowjetzeiten stellte eine nicht unbeachtliche Anzahl von Autoren in Anlehnung an die Fiktionstheorie und in der Tradition von Elistratov auf das Sondervermögen als materielle Basis und nicht das personelle Substrat ab, um das Wesen der juristischen Person zu erfassen.356 Gerade Unternehmen mussten gedanklich vom Staat getrennt werden und wurden nur als eine Personifizierung gesonderten Vermögens gesehen.357 So vertreten Literaturstimmen, dass die juristische Person des Öffentlichen Rechts zwar zwingend eigenes Vermögen besitzen müsse, ihr aber in den seltesten Fällen Eigentum daran 353 Zusammenfassung angelehnt an Lauts, Bankovskoe pravo 2011, Nr. 6; Cˇ irkin, Zˇ urnal rossijskogo prava 2005, Nr. 5, ders., Juridizˇ sˇcˇ oe lico publicˇ nogo prava, hatte die juristische Person des Öffentlichen Rechts wie folgt umrissen: Sie verfolge keine privaten, sondern öffentliche Interessen, ihre rechtliche Natur sei durch das Öffentliche Recht und die Verwaltungstätigkeit geprägt, die Privaten nicht zukomme; ihr Verhältnis zu Gewalt und Gewaltträgern sei ein anderes als das Privater; ihre Vermögensverwaltung sei nicht durch Eigentum, sondern insbesondere durch das Recht der operativen Verwaltung gestaltet; sie könne normativ und verfügend tätig werden; Rechte und Pflichten gingen im Sinne von Befugnissen miteinander einher; Gründung und Auflösung folgten speziellen Regeln; eine staatliche Registrierung sei nicht zwingend erforderlich, und es bestünden besondere Haftungsvorschriften. 354 Kozlova, Zakonodatel’stvo 1997, Nr. 2. 355 Kozlova, Zakonodatel’stvo 1997, Nr. 2. 356 Landkof, Sub’’ekty prava, S. 55. 357 Eingehend hierzu unter § 3 A. II. 2.
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zustehe. Das Wichtigste sei vielmehr, dass das Vermögen nicht zur Gewinnerzielung, sondern zur Verwirklichung staatlicher Aufgaben und Vollmachten verwendet werde.358 Allerdings ist zu beachten, dass die Verneinung eigenen Eigentums der juristischen Person Öffentlichen Rechts oft mit der Bejahung der umstrittenen Frage zusammenhängt, ob eigentumslose Staatsorgane, d. h. Ministerien, Ämter, Argenturen (Agentsva) und Dienste (Sluzby), juristische Personen darstellen und gerade diese im Fokus der jeweiligen Theorie stehen. Doch auch diejenigen, die staatliche Korporationen und Kompanien zu den juristischen Personen des Öffentlichen Rechts zählen, betonen oftmals, dass bei den juristischen Personen den Öffentlichen Rechts kein privates Eigentum vorliege. Problematischerweise gehört den Korporationen laut Gesetz allerdings ihr Vermögen nach dem Eigentumsrecht.359 Dennoch werden die staatlichen Korporationen den öffentlich-rechtlichen juristischen Personen zugeordnet, indem entweder entgegen dem Gesetzeswortlaut von öffentlichem, d. h. staatlichem Eigentum ausgegangen oder eine „andere Form des Eigentums im Sinne von Art. 8 VerfRF“ identifiziert wird, die dem staatlichen Eigentum sehr nahe stehe.360 Dieselbe Logik dürfte in Zukunft auf die neu eingeführten öffentlich-rechtlichen Kompanien angewendet werden. (3) Funktionale und organisationsrechtliche Merkmale der juristischen Person als entscheidende Kriterien Während für einige Autoren die Ausstattung mit hoheitlichen Befugnissen keine Rolle spielt, weil nicht alle juristischen Personen des Öffentlichen Rechts darüber verfügen,361 will Uskov hingegen genau hierauf abstellen.362 Auch Leskova, die das unikale, nur bei juristischen Personen des Öffentlichen Rechts vorhandene Merkmal sucht, unterscheidet anhand der hoheitlichen Befugnisse.363 Ebenso stellt Zenkov ausschließlich auf den Bereich der hoheitlichen Tätigkeit ab.364 Für Vinnickij dagegen ist die Wahrnehmung öffentlicher Funktionen entscheidend, die auch unabhängig von hoheitlichen Befugnissen wahrgenommen werden können – wie beim Fond Skolkovo oder der staatlichen Kompanie Avtodor – z. B. auch auf Grundlage einer Public Private Partnership.365 Entsprechend ist sein Begriff breiter gefasst. Insbesondere die staatlichen Korporationen und Kompanien sowie die öffentlichVgl. etwa Cˇ irkin, Zˇ urnal rossijskogo prava 2005, Nr. 5. Art. 7.1 Abs. 1 Unterabs. 2 NKOGRF. 360 So etwa Vinnickij, Zˇ urnal possijskovo prava 2011, Nr. 5. 361 Jastrebov, Avtoreferat; hiergegen sehr kritisch Leskova, Administrativnoe i municipal’noe pravo 2012, Nr. 2. 362 Uskov, Zˇ urnal rossijskovo prava 2010, Nr. 6; das kritsiert wieder Vinnickij, Pravo i politika 2011, Nr. 3. 363 Leskova, Administrativnoe i municipal’noe pravo 2012, Nr. 2. 364 Zenkov, Gosudarstvennoe i municipal’noe upravlenie, S. 169. 365 Vinnickij, Pravo i politika 2011, Nr. 3. 358
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rechtlichen Kompanien, die mit Hoheitsbefugnissen ausgestaltet und zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gegründet werden, entsprechen dieser Vorstellung. Andere wollen das Problem der staatlichen Korporationen lösen, indem sie diese in die Verwaltung und das System der staatlichen Organe integrieren366 und damit organisationsrechtliche und funktionale Elemente vermischen oder einzig und allein auf die Integration in die staatliche Verwaltung als organisationsrechtlichen Vorgang abstellen.367 (4) Autonomiefragen der juristischen Person als entscheidendes Kriterium Bemerkenswert sind die Ausführungen von Cˇ irkin, der dahingehend differenziert, dass juristische Personen des Privatrechts alles tun könnten, was gesetzlich nicht verboten sei, die juristischen Personen des Öffentlichen Rechts dagegen nur tun könnten, was ihnen explizit erlaubt sei.368 Öffentlich-rechtliche juristische Personen verfügten zwar immer auch über ein Stück Autonomie; doch sei diese im Vergleich zu Privatrechtspersonen sehr beschränkt. Zudem gründe die öffentlich-rechtliche Person immer auf einer hierarchischen Grundlage.369 Nach Lauts ist die Einschränkung der Autonomie ein Wesensmerkmal der juristischen Personen des Öffentlichen Rechts. Daher müsse der staatlichen Kontrolle ein höherer Stellenwert eingeräumt werden. Sie solle Bestandteil der Definition der öffentlich-rechtlichen Person sein.370 Die unzureichende staatliche Kontrolle war gerade im Hinblick auf die staatlichen Korporationen und Kompanien kritisiert worden. Beispielhaft für die Konstruktion der juristischen Person des Öffentlichen Rechts ist nach Lauts daher die relative Unabhängigkeit der Zentralbank Russlands und deren gleichzeitige Unterworfenheit unter staatliche Kontrolle.371 Auch für die öffentlich-rechtliche Kompanie war eine strenge staatliche Kontrolle gefordert worden. Man wird abwarten müssen, wie die staatlichen Kontrollbefugnisse bei den ersten realen Vertretern der neuen Rechtsform im Einzelnen ausgestaltet werden. (5) Zwischenergebnis Leider gibt es unzählige Varianten der Konstruktion der juristischen Person des Öffentlichen Rechts mit jeweils unterschiedlichen Akzenten.372 War am Anfang primär auf organisationsrechtliche Merkmale abgestellt worden und ging es in erster
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Vgl. Romanovskaja, Avtoreferat, S. 25. In diese Richtung wohl Jastrebov, Avtoreferat. 368 ˇ Cirkin, Zˇ urnal rossijskogo prava, 2005, Nr. 5. 369 ˇ Cirkin, Zˇ urnal rossijskogo prava, 2005, Nr. 5. 370 Lauts, Bankovskoe pravo 2011, Nr. 6. 371 Lauts, Bankovskoe pravo 2011, Nr. 6. 372 Auf die Uneinheitlichkeit weist auch Leskova, Administrativnoe i municipal’noe pravo 2012, Nr. 2, hin. 367
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Linie um die richtige Klassifizierung und Einordnung der Organisationen,373 so haben mittlerweile auch in Russland funktionale Momente zugenommen.374 Zwar werden materielle Argumente und Überlegungen häufig lediglich als Begründung für die Einordnung einer Person als öffentlich-rechtliche verwendet. Bei vielen Autoren scheint es immer noch nur um Begrifflichkeiten um ihrer selbst willen zu gehen.375 Real existierende Rechtsformen, die sich keiner der normierten juristischen Personen zuschreiben lassen, werden kategorisiert und letztlich trotz ihrer Systemwidrigkeit gerechtfertigt.376 Welche Folgen mit der Bezeichnung einer juristischen Person als einer solchen des Öffentlichen Rechts verbunden sind und welche Konsequenzen gezogen werden müssen, wird dagegen – wenn überhaupt – nur am Rande erwähnt.377 Allerdings spiegelt die Diskussion um die juristische Person des Öffentlichen Rechts und die unterschiedlichen Kriterien, die für die – scheinbar – formale Abgrenzung und Definition der neuen Rechtsfigur herangezogen werden sollen, dass es die Kernfrage zu lösen gilt, wann eine Person der staatlichen Sphäre zugeordnet werden kann. Dabei sind in der russischen Diskussion um die formale Einordnung bereits materielle und spezifisch verfassungsrechtliche Aspekte verwoben, die in den nachfolgenden Paragraphen behandelt werden. Die Einführung der öffentlich-rechtlichen Kompanie, die wohl als Ergebnis der Diskussion verstanden werden kann, belegt, dass insbesondere die Aspekte der Befugnis zu hoheitlichem Handeln, die Aufgabenerfüllung und Gemeinwohlorientierung sowie staatliche Kontrolle und Fremdbestimmung eine wesentliche Rolle spielen. g) Das Verhältnis der juristischen Person des Öffentlichen Rechts zur Aktiengesellschaft in öffentlicher Hand aa) Die Nähe der zu 100 % vom Staat gehaltenen Aktiengesellschaft zum unitarischen Betrieb Fraglich ist, ob auch die Aktiengesellschaft als juristische Person des Öffentlichen Rechts angesehen werden kann. Schließlich steht sie den staatlichen Korporationen und Kompanien, die vorrangig wegen ihres Aufgabenkreises oft als juristische 373 ˇ Cirkin, Juridizˇ sˇcˇ oe lico publicˇ nogo prava, S. 101 f. Auf Grund der rein formalen Bedeutung der Figur hält Levin, Socˇ i, S. 91, allerdings die Konstruktion für wenig hilfreich zur Abgrenzung staatlicher und privater Subjekte. 374 Mit der juristischen Person des Öffentlichen Rechts als einer Art mittelbarer Staatsverwaltung soll letztlich die problematische Zivilrechtsfähigkeit des Staates gelöst werden. 375 Leskova, Administrativnoe i municipal’noe pravo 2012, Nr. 2. 376 Vgl. Vinnickij, Pravo i politika 2011, Nr. 3. 377 Talapina, in: Gadzˇ iev (Hrsg.), Ocˇ erki konstitucionnoj e˙ konomiki, S. 339 f., erwähnt, dass in Russland juristische Personen teilweise als grundrechtsberechtigt angesehen würden, dass aber unklar sei, unter welchen Voraussetzungen dies geschehe. Sie deutet an, dass die Einteilung helfen könne, verweist aber gleichzeitig auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der ein ganzes Sammelsurium von Kriterien angelegt habe, und entwertet damit die Rechtsform als Kennzeichen.
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Person des Öffentlichen Rechts378 bzw. als Person mit öffentlich-rechtlichem und privatrechtlichem Status379 bezeichnet werden, sehr nahe. Zu Sowjetzeiten wurden gerade staatliche Unternehmen als juristische Personen des Öffentlichen Rechts angedacht, da sie zur Gewährleistung staatlicher Bedürfnisse und öffentlicher Interessen gegründet wurden. Daher spricht sich Jastrebov überzeugend für die Qualifizierung unitarischer Betriebe, die als Nachfolger der Sowjetunternehmen bezeichnet werden, als juristischer Personen des Öffentlichen Rechts aus.380 In Übertragung seiner Ausführungen könnten auch Aktiengesellschaften wie die RZˇ D, die aus unitarischen Betrieben hervorgingen, als juristische Person des Öffentlichen Rechts im Sinne der russischen Lesart381 eingestuft werden. Auch sie wurden durch hoheitlichen, einseitig staatlichen Akt gegründet und mit staatlichen Geldern finanziert, sie übernehmen öffentliche Aufgaben und dienen dem staatlichen Interesse. Allein ihre Ausstattung mit Hoheitsbefugnissen sowie die formal-gesetzliche Festlegung ihrer Allgemeinwohlverpflichtung entsprechen nicht den von der Literatur entwickelten Merkmalen der juristischen Person des Öffentlichen Rechts. Allerdings wird in der Literatur nicht nur kritisiert, dass der Staat die mit der Aktiengesellschaft verbundenen Schwierigkeiten auf sich nehme. Die Umwandlung eines bewährten unitarischen Betriebs in eine Aktiengesellschaft wird sogar als nicht nachvollziehbar empfunden.382 Vor allem aber ist die Aktiengesellschaft – ebenso wie der unitarische Betrieb – in eine klassische kommerzielle Rechtsform gehüllt. Aus diesem Grunde werden sowohl der unitarische Betrieb als auch im Sinne eines Erst-recht-Schlusses die Aktiengesellschaft von den meisten Autoren nicht als juristische Personen des Öffentlichen Rechts eingestuft.383 bb) Die Nähe der zu 100 % vom Staat gehaltenen Aktiengesellschaft zur staatlichen Kompanie Die Autobahnen werden in Russland durch die staatliche Kompanie Avtodor geregelt, die Eisenbahnen dagegen durch die zu 100 % vom Staat gehaltene Aktiengesellschaft RZˇ D. Dabei besteht nach Ansicht der Literatur zwischen der Regelung und dem Betrieb von Autobahnen und Eisenbahnen eine große Ähnlichkeit.384 Es sei nicht ersichtlich, warum der Dienst der Durchfahrt auf kostenpflichtigen Autobahnen eine staatliche Tätigkeit und die Beförderung der Fracht auf dem Wege 378
Insˇakova, Vlast’ 2011, Nr. 9, S. 109. Mozolin, Zˇ urnal rossijskogo prava 2010, Nr. 6, S. 19 – 34. 380 Jatrebov, Vestnik Moskovskovo universiteta MVD Rossii 2008, Nr. 4, S. 82. 381 Trotz aller Unstimmigkeiten sind sich die Vertreter der Figur schließlich über einige Kernelemente einig; vgl. oben § 2 A. II. 3. a) cc). 382 So Cygankov, E˙ Zˇ -Jurist 2012, Nr. 31. 383 So fasst Jastrebov die herrschende Meinung bezüglich der unitarischen Betriebe zusammen; vgl. Jatrebov, Vestnik Moskovskogo universiteta MVD Rossii 2008, Nr. 4, S. 82. 384 Vinnickij, Sovremennoe pravo 2010, Nr. 11. 379
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der Eisenbahn eine ganz gewöhnliche wirtschaftliche Tätigkeit darstellen solle.385 Auch sei die Avtodor als Organisation vergleichbar und geradezu analog zu der OAGRF RZˇ D als einem „gewöhnlichen“ wirtschaftlichen Unternehmen mit dominierender Stellung, d. h. Monopolstellung, aufgebaut.386 Daher sei nicht ersichtlich, weshalb die Avtodor eine juristische Person des Öffentlichen Rechts darstellen und damit der staatlichen Sphäre zugeordnet werden solle, die RZˇ D dagegen als private Aktiengesellschaft organisiert sei387 und damit wie ein privates Unternehmen behandelt werde.388 Aus dieser aufgezeigten gesetzgeberischen Inkonsistenz der Rechtsformenwahl wird in der Literatur allerdings allein der Schluss gezogen, die Avtodor solle ebenfalls privatrechtlich geregelt389 und in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden.390 Ihre Beziehungen zu anderen (natürlichen wie juristischen) Personen müssten rein privatrechtlichen Charakter tragen.391 Nicht erkannt wird, dass auch die zu 100 % in Staatseigentum befindlichen Aktiengesellschaften wie die RZˇ D im Spannungsverhältnis von Staat und Gesellschaft stehen und daher der gegenteilige Schluss möglich wäre: Anstatt in der Nähe der Korporation zur Aktiengesellschaft das Argument gegen die juristische Person des Öffentlichen Rechts zu sehen, könnte auch die RZˇ D in die Nähe der juristischen Person des Öffentlichen Rechts nach russischem Verständnis gebracht und damit der staatlichen Sphäre zugeordnet werden. Aus der Avtodor könnte ein Analogieschluss auf die RZˇ D gezogen werden. Zumindest sollte auf dem Prüfstand stehen, ob man die RZˇ D tatsächlich als „gewöhnliches Wirtschaftsunternehmen“ bezeichnen kann oder ob nicht auch dieses
385
So Vinnickij, Gosudarstevennaja Sobtvennost’, S. 305. Vinnickij, Gosudarstevennaja Sobtvennost’, S. 305. 387 Suchanov, Vestnik grazˇ danskogo prava 2011, Nr. 2. 388 So Vinnickij, Sovremennoe pravo 2010, Nr. 11. 389 So Vinnickij, Sovremennoe pravo 2010, Nr. 11. 390 Vgl. hierzu Suchanov, Vestnik grazˇ danskogo prava 2011, Nr. 2. 391 Vgl. Vinnickij, Gosudarstevennaja Sobtvennost’, S. 304 f. Problematisch ist, dass das Gesetz über Avtodor sog. Administrative Reglamente (administrativnye reglamenty) vorsieht, die das Verhältnis zu natürlichen und juristischen Personen regeln. Derartige Reglamente, die in der Konzeption zur Implementierung der Verwaltungsreform vorgesehen sind, stellen allerdings gewissermaßen Attribute der Verwaltungsorgane, der Machtorgane dar. Jene Reglamente sollen erlassen werden, um die Erfüllung staatlicher Funktionen und die Erbringung öffentlicher Leistungen zu regeln: Sie beschäftigen sich mit administrativen Verfahren und Handlungen der Organe der ausführenden Gewalt, dem Verhältnis der Untergliederungen der Organe und dem Verhältnis der Organe zu natürlichen und juristischen Personen. Das administrative Reklamant unterstreicht den verwaltungsrechtlichen Charakter der Beziehungen mit natürlichen (und juristischen Personen des Privatrechts). Somit stellen russische Literaturstimmen einen Widerspruch fest, den es zu lösen gelte: Die staatlichen Kompanien seien keine Staatsorgane; auch seien sie nicht mit Hoheitsbefugnissen ausgestattet; dennoch stünden sie zu natürlichen und juristischen Personen „irgendwie“ gewissermaßen in administrativen Verhältnissen, obwohl Letztere nach herrschender Auffassung eben ein Machgefälle, d. h. Machtbefugnisse, voraussetzen. 386
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Unternehmen – ähnlich wie die staatliche Kompanie und die Korporationen – der mittelbaren Verwaltung zuzuordnen ist. Allerdings gibt es einen weiteren Unterschied zwischen der RZˇ D und Avtodor, der für die unterschiedliche Behandlung relevant sein könnte. Die Kompanie wird faktisch ständig aus dem föderalen Budget finanziert: Sie verwaltet staatliches Eigentum treuhänderisch und erhält hierfür staatliche Gelder (subsidii).392 Das Grundvermögen besteht ebenfalls aus Einlagen der Föderation.393 Die eigenen Einnahmen der Avtodor durch Beiträge, Gebühren oder Sonstiges sind bei weitem nicht hoch genug, um die Ausgaben zu decken.394 Die RZˇ D dagegen erzielt – anders als Avtodor – durch eigenes Wirtschaften Gewinne. Insofern könnte nicht die Erbringung öffentlicher Dienste, sondern die Verwaltung staatlichen Vermögens im Vordergrund stehen. cc) Die Umwandlung staatlicher Korporationen in zu 100 % staatlich gehaltene Aktiengesellschaften 2009 hatte Präsident Medwedew in einer Ansprache an die Föderale Versammlung die staatlichen Korporationen für perspektivlos erklärt und infolgedessen der Föderalen Versammlung den Auftrag erteilt, deren Umwandlung in staatlich gehaltene Aktiengesellschaften vorzubereiten.395 Die Umwandlungspläne des Präsidenten Medwedew tragen insbesondere der Tatsache Rechnung, dass von ihm der staatliche, nicht-kommerzielle Charakter der Tätigkeit der staatlichen Korporationen (und Kompanien) verneint wird. Es wird damit gerade nicht zum Ausdruck gebracht, dass auch hundertprozentig in Staatseigentum befindliche Aktiengesellschaften der staatlichen Sphäre angehören. Auch die Mehrzahl der Literaturstimmen, die – anders als Medwedev – in der staatlichen Korporation eine juristische Person des Öffentlichen Rechts und eine Art mittelbarer Staatsverwaltung erblicken, ordnen die staatlich gehaltenen Aktiengesellschaften nicht der staatlichen Sphäre zu. Sie kritisieren die Umwandlung der nicht-kommerziellen staatlichen Korporation in die kommerzielle Form der AG teilweise als unpassend.396 Die tatsächlich erfolgte Umwandlung der staatlichen Korporation ROSNANO in die AG ROSNANO im Jahre 2010 beweist aber, dass jedenfalls faktisch kein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Rechtsformen besteht.397 Sie erscheinen vielmehr austauschbar. Daher wird vereinzelt und ausschließlich im Hinblick auf die 392
Vgl. Art. 22 Abs. 2 KAvtodor-GRF. Vgl. Art. 22 Abs. 3, 5 KAvtodor-GRF. 394 So Vinnickij, Sovremennoe pravo 2010, Nr. 11. 395 Vgl. auch den Brief des Ministeriums für wirtschaftliche Entwicklung v. 15. 02. 2010, Nr. 2141. 396 Insˇakova, Vlast’ 2011, Nr. 9, S. 111. 397 Auf die Ähnlichkeit deutet auch Gadzˇiev, Civilist 2011, Nr. 3, S. 26, hin. 393
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AG ROSNANO eingeräumt, dass jene ebenso wie die staatliche Korporation ein öffentliches Gewand trage.398 Denn der Staat sei 100 %-iger Eigentümer der Aktien,399 und die öffentlichen Funktionen der ehemaligen Korporation seien beibehalten worden. Zudem werde – und dies scheint ausschlaggebend – die Gesellschaft auf Grund ihrer Funktionsweise zum „Träger staatlichen Willens“.400 Handle der Staat bei einer zu 100 % staatlich gehaltenen Aktiengesellschaft nicht mit dem Ziel der Gewinnmaximierung, sondern zum Zwecke der Realisierung seiner Funktionen, dann könne die staatliche Korporation nach jüngeren Stimmen durch die Aktiengesellschaft abgelöst werden.401 Mehr noch: Aus der Ähnlichkeit der Aktiengesellschaft zur staatlichen Korporation wird von Insˇakova gefolgert, dass auch die ROSNANO AG ebenso wie die Vorgängerin eine juristische Person des Öffentlichen Rechts darstellen solle.402 dd) Das Verhältnis der zu 100 % staatlich gehaltenen Aktiengesellschaften zu der neuen Rechtsform der öffentlich-rechtlichen Kompanie Durch die Einführung der Rechtsform der öffentlich-rechtlichen Kompanie haben sich die Pläne, die staatlichen Korporationen in staatlich gehaltene Aktiengesellschaften umzuwandeln, wohl zerschlagen. Denn die staatlichen Korporationen und Kompanien sollen nun in die ebenfalls nicht-kommerzielle neue Rechtsform der öffentlich-rechtlichen Kompanie umgewandelt werden können. Zusätzlich kann aber auch die Aktiengesellschaft, deren Alleinaktionär der Staat ist, in die neue Rechtsform überführt werden. Die RZˇ D wird neben ROSNANO von der Literatur explizit als umwandlungsfähige Gesellschaft benannt.403 Dies legt eine gewisse Nähe der genannten Rechtsformen zueinander nahe. Von der Aktiengesellschaft unterscheidet sich die öffentlich-rechtliche Kompanie wesentlich dadurch, dass Letzterer öffentlich-rechtliche Befugnisse übertragen werden können. Auch der explizit nicht-kommerzielle und gemeinnützige Charakter der Rechtsform unterscheidet die öffentlich-rechtliche Korporation von der Aktiengesellschaft, die ihrerseits primär auf Gewinnerzielung abzielt (Art. 50 ZGBRF). Doch auch Aktiengesellschaften können neben der Gewinnerzielung weitere, gemeinnützige Ziele verfolgen. Die RZˇ D beispielsweise hat nach Art. 9 ihrer Satzung neben der Gewinnerzielung die gemeinwohlorientierten Ziele der Gewährleistung der Bedürfnisse des Staates und juristischer wie natürlicher Personen bezüglich des Eisenbahntransports und bezüglich der Arbeiten und Dienstleistungen durch die Gesellschaft. Die kommerzielle Ausrichtung steht also neben dem öffentlichen 398 399 400 401 402 403
Insˇakova, Vlast’ 2011, Nr. 9. Vgl. Art. 9 des FZ vom 27. 07. 2010, Nr. 211, GSRF 2010/31/4180. Insˇakova, Vlast’ 2011, Nr. 9. Kirsanov/Sever’janova, Vestnik RUDN Serija Juridicˇ eskoj nauki 2013, Nr. 2, S. 41. Insˇakova, Vlast’ 2011, Nr. 9. Serova u. a., Kommentarij, Art. 2 Abs. 3.
B. Die Rechtsform als Abgrenzungskriterium
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Gesellschaftszweck der Bedürfniserfüllung. Ein Widerspruch zu Art. 50 ZGBRF ist dabei jedenfalls bei privatisierten Gesellschaften nicht auszumachen, da Art. 37 Abs. 3 PSMVGRF in Ergänzung zu Art. 11 AKTGRF vorsieht, dass in der Satzung des privatisierten Unternehmens neben dem Unternehmensgegenstand auch die Unternehmensziele aufgeführt sein müssen. Dies wiederum impliziert, dass es weitere, über die bereits gesetzlich genannte Gewinnerzielung hinausgehende Ziele geben kann.404 ee) Die kommerzielle Aktiengesellschaft als juristische Person des Öffentlichen Rechts Sowohl die Gegner der staatlichen Korporationen als auch die Mehrheit der Befürworter der Konstruktion der juristischen Person des Öffentlichen Rechts lehnen die Übertragung der „Staatlichkeit“ auf die zu 100 % staatlich gehaltene Aktiengesellschaft überwiegend ab. Nach der wohl herrschenden Ansicht eignet sich die Aktiengesellschaft nicht für die Aufgaben, die zuvor durch die Korporationen wahrgenommen worden seien.405 Im Zusammenhang mit den staatlichen Korporationen wird zwar mitunter der Gedanke aufgeworfen, ob nicht auch die Aktiengesellschaft staatliche Aufgaben erfüllen könne – dann aber meist sogleich wieder verworfen.406 Die rein privatrechtlichen Organisationen könnten nicht dem Gemeinwohl dienen407 und die gesamtstaatlichen Aufgaben der staatlichen Korporationen nicht wahrnehmen. Ihr Hauptzweck bestehe nach Art. 50 ZGBRF einzig und allein in der Gewinnerzielung, für die sie geschaffen worden seien.408 Zudem verfügten sie nicht über ausreichend liquide Mittel, um die gesamtstaatlichen Aufgaben bewältigen zu können.409 Letztlich stehe der öffentlichen Aufgabenerfüllung durch die Aktiengesellschaft unausweichlich die Gesetzgebung im Wege, die nicht explizit eine Gemeinwohlverpflichtung vorsehe.410 Ausschlaggebend dürfte also letztlich sein, dass die Aktiengesellschaft als privatrechtliche, kommerzielle Organisation im ZGBRF geregelt ist. Auch wenn es schwer vertretbar ist, alle nicht-kommerziellen Organisationen als dem Staat zugehörig anzusehen und damit mit den öffentlich-rechtlichen Rechtsformen gleichzusetzen,411 spielt die bisherige Einteilung der juristischen Personen in kommerzielle und nicht-kommerzielle in Fortführung sowjetischer Denktradition eine wichtige
404 405 406 407 408 409 410 411
Siehe ausführlich zur Satzung der RZˇ D unter § 5 D. II. 2. a). Insˇakova, Vlast’ 2011, Nr. 9, S. 111. Mozolin, in: Gadizˇ iev (Hrsg.), Ocˇ erki konstitucionnoj e˙ konomiki: goskorporacii, S. 58. Gadzˇiev, Civilist 2011, Nr. 3, S. 23. Insˇakova, Vlast’ 2011, Nr. 9, S. 111. Mozolin, in: Gadizˇ iev (Hrsg.), Ocˇ erki konstitucionnoj e˙ konomiki: goskorporacii, S. 33. Mozolin, in: Gadizˇ iev (Hrsg.), Ocˇ erki konstitucionnoj e˙ konomiki: goskorporacii, S. 58. Vgl. hier Cˇ irkin, der eine gewisse Gleichsetzung betreibt.
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1. Teil, § 2 Formale Kriterien für die Einordnung eines Unternehmens
Rolle für die Zuordnung einer juristischen Person zum Staat.412 Eine öffentlichrechtliche Betrachtung der Aktiengesellschaft entspricht nicht der bisherigen Vorstellung. Dies ist damit erklärbar, dass am Ende doch die Rechtsform, d. h. das Regime der Organisation,413 vor allem aber der formal kommerzielle oder nichtkommerzielle Charakter einer Organisation, d. h. die formale Aufgabenbestimmung und Zwecksetzung, für die Einordnung entscheidend ist. Angesichts der viel kritisierten weitgehend kommerziellen Tätigkeit der staatlichen Korporationen und ihrer fehlenden Kontrolle414 überzeugt die kategorische Unterscheidung zwischen den rein formal kommerziellen und nicht-kommerziellen Rechtsformen nur bedingt. Schließlich steht die staatliche Korporation Rostech in einer konzernartigen Struktur auch einer Reihe von kommerziellen Aktiengesellschaften vor. Die öffentlichrechtliche Kompanie ist so konstruiert, dass auch sie die Leitung anderer kommerzieller juristischer Personen übernehmen kann.415 Auf der anderen Seite räumen selbst die Gegner der Zugehörigkeit der zu 100 % staatlich gehaltenen Aktiengesellschaft zu den juristischen Personen des Öffentlichen Rechts ein, dass Unternehmen wie die RZˇ D zeigten, dass auch kommerzielle Organisationen dem öffentlichen Interesse dienen könnten.416 Der rein formale Charakter einer juristischen Person als kommerziell oder nicht-kommerziell kann nicht entscheidend sein. Im Gegensatz zur Mehrheit der Autoren nehmen jüngere, vereinzelte Literaturstimmen daher im Ergebnis an, dass die Aktiengesellschaft tatsächlich Verwaltungsaufgaben erfüllen und dem öffentlichen sowie dem explizit staatlichen Interesse dienen könne.417 Auf Grund der gesellschaftsrechtlichen Besonderheiten einer Aktiengesellschaft im Alleineigentum des Staates, wie der RZˇ D, wurde in der Vergangenheit teilweise gefordert, die zu 100 % staatlich gehaltene Aktiengesellschaft, die eine Mischform aus Gesellschaft und staatlichen Einrichtungen (Ucˇ erezˇ denie) darstelle, als eine 412 Auch das VerfGRF betont bei der Grundrechtsfähigkeit der Luftfahrtunternehmen ihren kommerziellen Charakter (VerfGRF, U. v. 20. 12. 2011, Nr. 29) und bei den unitarischen Betrieben sowie den staatlichen Einrichtungen den nicht-kommerziellen, der sie in öffentliche Nähe bringt (VerfGRF, U. v. 18. 07. 2012, Nr. 19). 413 Mozolin, in: Gadizˇ iev (Hrsg.), Ocˇ erki konstitucionnoj e˙ konomiki: goskorporacii, S. 64. 414 Insˇakova, Vlast’ 2011, Nr. 9, S. 111; auch Gadzˇiev hält die Zuordnung zu den nichtkommerziellen Organisationen für künstlich und nicht haltbar; vgl. Gadzˇiev, Civilist 2011, Nr. 3, S. 30. 415 Vgl. Serova, Zakony Rossii: opyt, analiz, praktika, 2017, Nr. 2. 416 ˇ Cirkin, Zˇ urnal rossijskogo prava 2013, Nr. 1; Cygankov, E˙ Zˇ -Jurist 2012, Nr. 31, am Beispiel der öffentliche Aufgaben wahrnehmenden Sberbank; Gunija, Organizationno-pravovoe obespecˇ enie gosudrstvennych interesov, S. 32, rückt die staatlich bestimmten Aktiengesellschaften auf Grund der Verfolgung staatlicher Interessen in die Nähe der staatlichen Korporationen und Kompanien. 417 Gunija, Organizationno-pravovoe obespecˇ enie gosudarstvennych interesov, S. 142, differenziert explizit zwischen öffentlichem und staatlichem Interesse. Meist wird in der Literatur dagegen nicht klar zwischen den Begriffen des staatlichen, gesellschaftlichen und öffentlichen Interesses unterschieden; vgl. Gunija, Organizationno-pravovoe obespecˇ enie gosudarstvennych interesov, S. 17 ff.
B. Die Rechtsform als Abgrenzungskriterium
113
eigene Form der juristischen Personen im ZGBRF zu normieren.418 Auch wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass Aktiengesellschaften der öffentlichen Hand im Ausland „staatliche juristische Personen“ seien419 und auch in Russland etwa als staatliche Aktionärskorporationen (gosudarstvennye akcionernye korporacii) oder staatsgebildete Aktiengesellschaften (gosudarstvoobrazujusˇcˇ ie akcionernye obsˇcˇ estva) speziell zu regeln seien.420 Sie sollten auch für nicht-kommerzielle Zwecke gründbar sein.421 Schließlich übernähmen staatlich gehaltene Aktiengesellschaften faktisch bereits die Rolle von Staatsorganen. Daher solle zwischen einer wirtschaftlichen Aktiengesellschaft und einer Regierungs-Aktiengesellschaft (pravitel’stvennye AO) unterschieden werden.422 Diese Diskussion dürfte sich mit der Einführung der öffentlich-rechtlichen Kompanie, in welche staatlich gehaltene Aktiengesellschaften umgewandelt werden können, erledigt haben. Aus der Ähnlichkeit der staatlichen Korporation, der öffentlich-rechtlichen Kompanie und der staatlich gehaltenen Aktiengesellschaft zueinander könnte nach der hier vertretenen Ansicht eine andere Konsequenz als die Umwandlung der staatlichen Korporation und der staatlich gehaltenen Aktiengesellschaft in die öffentlich-rechtliche Kompanie gezogen werden: Anstatt eine formale Einordnung vorzuziehen und Subjekte, die staatliche sein sollen, in eine neue Rechtsform zu überführen, könnte die Zuordnung einer Person zur staatlichen Sphäre direkt anhand materieller Gesichtspunkte vorgenommen werden. Wenn bestimmte Merkmale vorliegen, sollte die entsprechende (juristische) Person als dem Staat zugehörig angesehen werden bzw. sollte ihr Handeln dem Staat zugerechnet werden. In Konsequenz dessen könnte auch die vom Staat gegründete, von ihm allein gehaltene, auf bestimmte Gemeinwohlaspekte festgelegte und vom Staat fremdbestimmte und kontrollierte Aktiengesellschaft der staatlichen Sphäre angehören. 4. Die staatliche Verwaltung in Privatrechtsform Fraglich bleibt, ob staatliche Verwaltung in privater Organisationsform in Russland für zulässig erachtet wird, d. h. ob sich der Staat zur Erfüllung seiner Aufgaben der privatrechtlichen Organisationsformen bedienen darf. Die Frage ist – wie oben gezeigt wurde – schon deshalb schwer zu beantworten, weil unklar ist, ob die im ZGBRF geregelte öffentlich-rechtliche Kompanie oder die staatliche Korporation privatrechtliche Rechtsformen oder aber juristische Personen des Öffent-
418 419 420 421 422
Borisova, Transportnoe pravo 2012, Nr. 3, S. 16. Kulagin, Izbrannye trudy, S. 25. Makarova, Izvestija vuzov. Pravovedenie 2011, Nr. 1. Makarova, Izvestija vuzov. Pravovedenie 2011, Nr. 1. Tarasov, Ucˇ enie ob akcionernych kompanijach, S. 163.
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1. Teil, § 2 Formale Kriterien für die Einordnung eines Unternehmens
lichen Rechts nach russischem Verständnis darstellen.423 Wenn der Staat in Russland zwischen sämtlichen Organisationsformen für die Erfüllung seiner Verwaltungstätigkeit im Bereich der Leistungsverwaltung frei wählen dürfte, dann könnte die gewählte Rechtsform – ebenso wie in Deutschland424 – jedenfalls nicht über die Zuordnung zur genuin staatlichen425 bzw. zur gesellschaftlichen Sphäre entscheiden. Damit würde das Konzept der juristischen Person des Öffentlichen Rechts bzw. die Notwendigkeit der Einführung einer derartigen Kategorie in Frage gestellt. Von verschiedenen Autoren wird unter Berufung auf die Ausführungen von Teresˇcˇ enko zur Delegation staatlicher Aufgaben an nichtstaatliche Organisationen426 behauptet, der Staat selbst könne seine Verwaltungsaufgaben in privatrechtlicher Form erfüllen.427 Jedenfalls könnten staatliche – wobei damit gerade nicht einfach öffentliche, sondern explizit staatliche gemeint sind – Interessen auch durch kommerzielle Organisationen des Privatrechts verwirklicht werden.428 Doch wird nur scheinbar die Wahlfreiheit hinsichtlich der Organisationsform anerkannt, wenn darauf abgestellt wird, dass der Staat die Aufgaben durch kommerzielle und nicht kommerzielle Organisationen erfüllen könne.429 Vielmehr ist in der Literatur die Rede von dem durch die Verwaltungsreform angestrebten Outsourcing:430 Die Verwaltung wechselt demnach gerade nicht ihre Organisationsform, sondern überträgt eine Aufgabe im Wege funktioneller oder materieller Privatisierung auf private oder zumindest privatrechtliche Subjekte, die nicht den Status von Staatsorganen haben. Alternativ entstehen – wie im Falle der RZˇ D – durch formelle Privatisierung privatrechtliche Subjekte, die allerdings von der herrschenden Lehre nicht mehr als Teil des Staates wahrgenommen werden, so dass zu überlegen ist, ob auch hier an eine „materielle“ Privatisierung gedacht werden kann.431 Soweit ersichtlich wird die Möglichkeit privatrechtsförmiger Staatsorganisation bzw. der Staatsorganisation in Form kommerzieller Organisationen kaum thematisiert. Vielmehr wird meist darüber diskutiert, ob sich der Staat bestimmter Aufgaben entledigen, diese also privatisieren dürfe. In diesem Zusammenhang wird auf die Gefahr aufmerksam gemacht, dass die privatrechtlichen Organisationen, die Verwaltungsaufgaben übernähmen, den Kontrollverlust des Staates und vor allem 423 Für eine Einordnung als juristische Person des Öffentlichen Rechts Serova u. a., Kommentarij, Art. 1. 424 Vgl. oben unter § 2 A. I. 1. c). 425 Unter „staatlich“ wäre in diesem Falle der Bereich der Verwaltung, nicht dagegen die fiskalische Tätigkeit zu verstehen. Hierzu näher unter § 2 C. II. 1. a) cc). 426 Siehe dazu näher unter § 3 B. II. 3. 427 Vasil’eva, Zˇ urnal rossijskogo prava 2007, Nr. 12. 428 Gunija, Organizationno-pravovoe obespecˇ enie gosudarstvennych interesov, S. 27. 429 Teresˇcˇ enko, Administrativnaja Reforma, S. 74. 430 Talapina, Publicˇ noe pravo i e˙ konomika, S. 277 ff. 431 Die Differenzierung in verschiedene Arten der Privatisierung ist der russischen Doktrin grundsätzlich nicht zu eigen. Vasil’eva überträgt die Einteilung jedoch ins russische Recht; vgl. dies. Servisnoe gosudarstvo, S. 171.
B. Die Rechtsform als Abgrenzungskriterium
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den Niedergang der staatlichen Verantwortungsübernahme beförderten.432 Tatsächlich kann der Staat nach Art. 126 Abs. 3 ZGBRF für die von ihm geschaffenen juristischen Personen – sieht man sie als Teil des Staates oder mit der herrschenden Lehre als echte Private an – grundsätzlich keine subsidiäre Haftung im Sinne einer Ausfallhaftung übernehmen.433 Bei den privatrechtlichen Organisationsformen handle es sich somit gerade nicht um den Staat.434 Schließlich wird bei kommerziellen Organisationen bereits die Einstufung als juristische Person des Öffentlichen Rechts unabhängig von den wahrgenommenen Aufgaben verneint.435 Doch auch sofern die Einordnung privatrechtlicher Organisationen wie der staatlichen Korporationen oder der öffentlich-rechtlichen Kompanie in die staatliche Sphäre vorgenommen wird, steht dies der Wahlfreiheit der Verwaltung gerade entgegen: Die Entwicklung der Figur der juristischen Person des Öffentlichen Rechts drückt vielmehr eine bewusste Dichotomie der Rechtsformen aus. Bereits existierende, in der Nähe des Staates agierende Rechtsformen werden in öffentlich-rechtliche umgedeutet – so etwa bezüglich der staatlichen Korporationen – oder es wird ihre Umwandlung in die neu eingeführte Rechtsform der öffentlich-rechtlichen Kompanie gefordert, um die faktische Wahl privater Organisationen für staatliche Aufgaben auszuschließen. Die breite Diskussion um die Figur der juristischen Person des Öffentlichen Rechts spiegelt also ein Festhalten an den überkommenen Organisationsregimen wider. Einzig Vasil’eva erwägt die Verwaltung in privater Organisationsform.436 Zwar ist unklar, ob sie nur die Handlungs- oder auch die Organisationsfreiheit miteinbezieht, wenn sie der Verwaltung Rechtsformenwahl zugestehen will.437 Doch vertritt sie im Zusammenhang mit formeller Privatisierung, dass im Sinne des deutschen Verwaltungsprivatrechts bei zu 100 % staatlich gehaltenen Aktiengesellschaften von Subjekten der Verwaltung zu sprechen sei.438 Dabei betont Vasil’eva, dass die öffentlich-rechtlichen Beschränkungen wie das Gleichheitsprinzip und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz einzuhalten seien und der Staat sich gerade nicht seiner öffentlich-rechtlichen Bindungen entledigen dürfe.439 Der Vorschlag Vasil’evas bezüglich des Verwaltungsprivatrechts und die Einführung der juristischen Person des Öffentlichen Rechts haben beide dasselbe Ziel vor Augen: Staatliche Aufgaben und Befugnisse sollen nicht „einfach“ an private, 432
In diese Richtung eben Talapina, Gosudarstvo i pravo 2006, Nr. 5, S. 16; hierzu eingehend unter § 3 B. II. 3. d). 433 Darauf weist auch Vasil’eva, Zˇ urnal rossijskogo prava 2007, Nr. 12, hin. 434 Vgl. Cygankov, E˙ Zˇ -Jurist 2012, Nr. 31; vgl. auch Weikum-Groß, Public Private Partnership, S. 146. 435 Daher wird oft auch die Einstufung als juristische Person des Öffentlichen Rechts verneint. 436 Vasil’eva, Zˇ urnal rossijskogo prava 2007, Nr. 12. 437 Vasil’eva, Servisnoe gosudarstvo, S. 138 f., 135. 438 Vasil’eva, Servisnoe gosudarstvo, S. 178. 439 Vasil’eva, Servisnoe gosudarstvo, S. 141.
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1. Teil, § 2 Formale Kriterien für die Einordnung eines Unternehmens
nicht-staatliche Organisationen übertragen werden, da der Staat sonst seiner (verfassungsrechtlichen) Verantwortung nicht gerecht würde und die nicht-staatlichen Organisationen an keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften gebunden wären. Zieht Vasil’eva in Betracht, letztlich den Staat hinter privatrechtlichen Organisationen zu vermuten und die somit privatrechtlich organisierte Verwaltung öffentlich-rechtlichen Bindungen zu unterwerfen, fordern die Verfechter der juristischen Person des Öffentlichen Rechts, die Subjekte, denen staatliche Aufgaben übertragen sind, zu öffentlich-rechtlichen zu erklären und sie auf diesem Wege als „Teil des Staates“ an öffentlich-rechtliche Vorschriften zu binden. Zwar könnte bei Anerkennung bzw. Einführung der juristischen Person des Öffentlichen Rechts insofern auf die Anerkennung der Wahlfreiheit der Organisationsform der Verwaltung verzichtet werden, als dem Staat die Möglichkeit offen stünde, durch eigenständige juristische Personen am Privatrechtverkehr teilzunehmen. Die besonderen Rechtsformen für den Staat fördern zudem die Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. Anstatt öffentlich-rechtliche Bindungen „künstlich“ auf Privatrechtssubjekte zu übertragen, könnten verfassungsrechtliche Anforderungen durch öffentlich-rechtliche Rechtsformen und damit einhergehende besondere Regelungen für die staatliche Beteiligung am Rechtsverkehr erfüllt werden. Allerdings wird damit Figuren wie der zu 100 % staatlich gehaltenen Aktiengesellschaft, d. h. auch kommerziell tätigen Organisationen, nicht ausreichend Rechnung getragen. Zu Recht wird daher kritisiert, dass trotz langjähriger Staatsbeteiligung an privaten bzw. privatrechtlichen Unternehmen die Verwaltung des staatlichen Vermögens und die verschiedenen diesbezüglichen Regelungen und Regulative noch nicht hinreichend systematisiert seien.440 Denn das Bedürfnis nach einer Bindung auch der privatrechtlich organisierten Staatsbetätigung wird dadurch außer Acht gelassen.
III. Zusammenfassung und Vergleich In Deutschland wird zwischen juristischen Personen des Privatrechts und des Öffentlichen Rechts unterschieden. Diese Dichotomie der Rechtsformen trägt zwar Indizcharakter für die Staatlichkeit oder Zugehörigkeit einer juristischen Person zur Gesellschaft; doch verwischen die Grenzen, indem der Verwaltung zum einen die Wahlfreiheit der Organisationsform gewährt wird und der Staat zum anderen gesellschaftlichen Gruppen eine öffentlich-rechtliche Rechtsform als Schutzraum zur Ausübung von Grundrechten zur Verfügung stellt. Die Rechtsform erweist sich daher als untauglich zur Abgrenzung der Sphären. In Russland ist das System der juristischen Personen grundlegend reformiert worden. Bereits in den letzten Jahren wurde das Spektrum an möglichen Rechtsformen, die mit öffentlichen Unternehmen in Verbindung gebracht werden können, durch einzigartige „Erfindungen“ des russischen Gesetzgebers erweitert. Eindeutig 440
So Cygankov, E˙ Zˇ -Jurist 2012, Nr. 31.
B. Die Rechtsform als Abgrenzungskriterium
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als staatliche Unternehmen bezeichnet werden die aus der Sowjetzeit stammenden unitarischen Betriebe. Sie verwalten staatliches Eigentum, das ihnen durch ein spezielles dingliches Recht – das Recht der operativen Verwaltung – zugeteilt ist. Dabei unterliegen sie starken staatlichen Kontrollen und Beschränkungen. Des Weiteren werden von manchen Autoren die zu 100 % in staatlicher Hand befindlichen Aktiengesellschaften, teilweise sogar die Aktiengesellschaften mit bloß staatlichem Mehrheitsbesitz als „öffentliche Unternehmen“ bezeichnet. Obwohl der Sonderstatus dieser Unternehmen anerkannt ist, handelt es sich um „gewöhnliche“ dem Privatrecht unterliegende Aktiengesellschaften, die der gesellschaftlichen Sphäre zugeordnet werden, d. h., die öffentlich-rechtlichen Bindungen richten sich ausschließlich an den Staat als Aktionär. Besonderes Augenmerk gilt aber den sog. staatlichen Korporationen und staatlichen Kompanien, zwei beinahe identischen juristischen Personen des Privatrechts, reguliert durch das Gesetz über nicht-kommerzielle Organisationen. Obwohl sie von der RF gegründet sind und ihnen staatliches Eigentum übertragen wurde, werden diese Organisationen kraft Gesetzes der gesellschaftlichen Sphäre zugeordnet. Dies führt dazu, dass sie von sämtlichen öffentlich-rechtlichen Bindungen befreit sind. Gerade anhand dieser Rechtsform wird der Mangel an dogmatischer und systematischer Auseinandersetzung, der auch andere öffentliche Unternehmen wie die staatlich beherrschten Aktiengesellschaften – und damit die RZˇ D – betrifft, offenbar. Zudem weist der einzig reale Vertreter der Spielart staatliche Kompanie „Avtodor“, der für den Bau und die Verwaltung der kostenpflichtigen Autobahnen zuständig ist, im Hinblick auf seine Funktion und seinen Aufgabenbereich eine große Nähe zur RZˇ D auf. Für eine gewisse funktionale Verwandtheit der Rechtsformen spricht insbesondere auch, dass die staatlichen Korporationen als vorübergehende Rechtsform angelegt sind und vor der Einführung der öffentlich-rechtlichen Kompanie in zu 100 % vom Staat gehaltene Aktiengesellschaften umgewandelt werden sollten. Grundsätzliche Probleme, die angesichts der absurd anmutenden Regelungen des Einzelgesetzes von „Avtodor“ zu Tage treten, beziehen sich auch auf die RZˇ D. Traditionell wird in Russland – anders als in Deutschland – seit der Sowjetzeit nicht zwischen juristischen Personen des Privatrechts und des Öffentlichen Rechts, sondern zwischen kommerziellen und nichtkommerziellen Organisationen unterschieden. Nichtsdestotrotz spielt die Rechtsform als formaler Aspekt eine sehr wesentliche Rolle. Zum einen prägt die Kategorie der Kommerzialität die Vorstellung von Gesellschaftlichkeit und Privatheit, wohingegen der nicht-kommerzielle Charakter einer Organisation intuitiv in die Nähe der Staatlichkeit gerückt wird. Dies wird insbesondere durch die unterschiedliche Behandlung der staatlichen Korporationen und der zu 100 % im Eigentum des Staates befindlichen Aktiengesellschaften in der Literatur belegt. Zum anderen ist eine breite Diskussion um die Frage entstanden, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine Rechtsform in eine juristische Person des Öffentlichen Rechts umgedeutet oder umgewandelt werden muss. Dabei ist noch nicht abschließend geklärt, welche Bedeutung der öffentlich-rechtlichen Kompanie zukommt, die wohl als juristische Person des Öffentlichen Rechts fungieren soll. Jedenfalls in der Literatur ist die juristische Person des Öffentlichen Rechts trotz kritischer Gegen-
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1. Teil, § 2 Formale Kriterien für die Einordnung eines Unternehmens
stimmen faktisch anerkannt.441 Dies ist Ausdruck der Erkenntnis, dass gewisse Organisationen der staatlichen Sphäre angehören bzw. angehören müssen. Unklar bleibt allerdings, wodurch sich diese neue Rechtsform auszeichnen soll und welche Rechtsfolgen daraus erwachsen. Neuerdings wird die Forderung laut, wie in Deutschland die Wahlfreiheit der Verwaltung einzuführen. Die Ansätze, die dem Staat völlige Rechtsformenfreiheit gewähren wollen, widersprechen aber vor allem dem Grundgedanken der Einführung der juristischen Person des Öffentlichen Rechts, die eine klare Trennung der Sphären anhand der Rechtsform anstrebt. Die in Russland geführte Diskussion um die formale Bestimmung einer juristischen Person des Öffentlichen Rechts überschneidet sich in weiten Teilen mit der deutschen Debatte um die Zuteilung von – insbesondere gemischtwirtschaftlichen – Unternehmen zur staatlichen Sphäre. Es zeigt sich ein ähnliches Problembewusstsein: Es gibt juristische Personen – de lege lata – des Privatrechts, die nicht einfach Private sind, weil „irgendwie der Staat dahintersteht“. Die Diskussion um die Einführung der formalen Kategorie der juristischen Person des Öffentlichen Rechts kann letztlich als Versuch einer Antwort auf die materielle Frage interpretiert werden, wann Rechtssubjekte dem Staat zugeordnet werden können, ohne klassische Staatsorgane zu sein. Entgegen dem von der russischen Lehre angestrebten formalen Ansatz der Rechtsform als Entscheidungskriterium ist eine materielle Zuordnung verschiedener Organisationen zur staatlichen oder zur gesellschaftlichen Sphäre zu erwägen. In einem zweiten Schritt ist es notwendig, von Neuem zu überdenken, wie der Staat – in öffentlich-rechtlicher wie in privatrechtlicher Organisationsform gleichermaßen – in Bezug auf privatrechtsförmiges Verwaltungshandeln zu behandeln ist. Auch wenn zuzugestehen ist, dass die strikte Unterscheidung von privaten Personen in Rechtsformen des Privatrechts und staatlichen Personen in der Rechtsform des Öffentlichen Rechts zu Klarheit und Rechtssicherheit im russischen System führen würde, die von vielen Seiten angestrebt wird, so zeigt die Erfahrung aus Deutschland, dass die Rechtsform allein nicht entscheidend ist. Insbesondere wenn sich der Staat wirtschaftlich betätigt oder sich mit Privaten in Public Private Partnership-Modellen zusammenschließt oder kommerzielle juristische Personen von der juristischen Person des öffentlichen Rechts geleitet werden können, ist die strikte Trennung der Rechtsformen nicht durchzuhalten. Dem Ansatz, der sich aus der Zweiteilung der Rechtsformen allein Klarheit über Fragen der Grundrechtsbindung und -berechtigung erhofft,442 ist zu widersprechen. Was die Wahlfreiheit der Ver441 Vgl. statt vieler Mozolin, in: Gadizˇ iev (Hrsg.), Ocˇ erki konstitucionnoj e˙ konomiki: goskorporacii, S. 44. Auch der Vorsitzende des Rechnungshofes hält die Korporationen de jure zwar für nicht-kommerzielle private Organisationen, de facto aber für öffentlich-rechtliche: Stepasˇcˇ in, Rossijskaja Gazeta, v. 30. 01. 2008. Andere lehnen die Korporationen daher als Fehler der Gesetzgebung ab; vgl. Cygankov, E˙ Zˇ -Jurist 2012, Nr. 31. 442 Unklar hier Kessler, Hand des Staates, S. 155, der die Klärung der Frage nach der Grundrechtsberechtigung als praktischen Nutzen einer Einführung der juristischen Person des
C. Die Handlungsform als Abgrenzungskriterium
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waltung angeht, so erscheint dieser Vorstoß wenig sinnvoll, solange der privatrechtlich handelnde Staat nicht ausreichend öffentlich-rechtlichen Bindungen unterliegt, der privatrechtlich organisierte Staat nur teilweise gebunden ist und diese Bindungen auch noch leicht umgangen werden können. Die deutsche Erfahrung zeigt zudem, dass eine gesetzliche Verankerung der Merkmale der juristischen Person des Öffentlichen Rechts, die von zahlreichen Stimmen gefordert wird, nicht zwingend nötig ist, wenn Rechtsprechung und Literatur dogmatische Grundlagen entwickeln. In diesem Sinne sollte in den Vordergrund gerückt werden, wozu die Einführung dieser Rechtsform sinnvoll erscheint. Eine reine „Umetikettierung“, ohne sich die damit verbundenen Implikationen klar zu machen, führt zu keiner brauchbaren Lösung.443 Denn dann würden öffentlich-rechtliche Bindungen weiter umgangen.444 Eine solche teleologische Herangehensweise wird in den meisten Abhandlungen aber nicht gewählt.
C. Die Handlungsform als Abgrenzungskriterium I. Die Situation in Deutschland 1. Die Handlungsformen der öffentlichen Verwaltung a) Der Grundsatz der öffentlich-rechtlichen Handlungsform der Verwaltung Fraglich ist, ob die Handlungsform für die Zuordnung zur staatlichen bzw. gesellschaftlichen Sphäre entscheidend ist. Entsprechend müssten staatliche Organisationen öffentlich-rechtlich, d. h. hoheitlich handeln. Privatrechtliches Handeln dagegen wäre ein Zeichen fehlender Staatlichkeit und damit der Zugehörigkeit einer juristischen Person zur gesellschaftlichen Sphäre. Tatsächlich hat die staatliche Verwaltung grundsätzlich in den Formen des Öffentlichen Rechts stattzufinden,445 welches das Sonderrecht des Staates bildet und Öffentlichen Rechts anführen will, dann aber für die Grundrechtsfragen doch auf die staatliche Kontrolle abstellt. Für das Merkmal der staatlichen Kontrolle – was auch immer darunter konkret zu verstehen sein mag – bedarf es allerdings nicht der formalen Anerkennung einer Person als solcher des Öffentlichen Rechts. 443 Das ist nach Suchanov aber erklärtes Hauptziel der Vertreter der Figur gewesen; vgl. eingehend Cygankov, E˙ Zˇ -Jurist 2012, Nr. 31. 444 Außerdem bleibt völlig offen, ob diese juristischen Personen des Öffentlichen Rechts im Bereich der Verwaltung privatrechtsförmig handeln dürfen. 445 Frotscher, Nutzungsverhältnisse, S. 11; schon Mayer betont, dass dem Zivilrecht Ausnahmecharakter im Rahmen der Verwaltung zukomme, „weil das Öffentliche Recht hier von vornherein das für diese Verhältnisse bestimmende Recht ist“, so dass die Anwendung auf Fälle beschränkt werden müsse, in denen „die Verwaltung in Lebensverhältnisse eintritt, wie sie auch bei dem Einzelnen vorkommen“; vgl. Mayer, DVR I, S. 115.
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vorrangig in Anspruch genommen werden muss.446 Selbst wenn das Verwaltungshandeln auch einem privaten Rechtssatz unterfallen könnte, ist es im Zweifel dem Öffentlichen Recht zuzuordnen.447 In eine ähnliche Richtung geht die berühmte Entscheidung des BGH, der festsetzte: „Alles, was funktionell zur Daseinsvorsorge gehört, ist nach den Grundsätzen des Öffentlichen und nicht des Privaten Rechts zu beurteilen.“448 In diesem Sinne ist auch der Gemeinsame Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes zu verstehen, wenn er sich dafür ausspricht, dass eine öffentliche Aufgabe grundsätzlich mit Mitteln des Öffentlichen Rechts wahrzunehmen und zu erfüllen sei.449 b) Die Wahlfreiheit der Verwaltung bezüglich der Handlungsform Die Zuordnung eines Subjekts zur staatlichen Sphäre bei ausschließlich öffentlich-rechtlichem Handeln und die Einordnung eines privatrechtlich handelnden Subjekts zur gesellschaftlichen Sphäre werden jedoch durch den Grundsatz der Wahlfreiheit der Verwaltung bezüglich der Handlungsform in Frage gestellt. Die Rechtsprechung und die herrschende Lehre im Schrifttum gestatten dem Staat nämlich nicht nur die oben aufgezeigte Wahlfreiheit der Organisationsform,450 sondern auch der Handlungsform. Diese Wahlmöglichkeit zwischen öffentlich- und privatrechtlicher Handlungsform gilt allerdings nur für die öffentlich-rechtlich organisierte, nicht dagegen für die privatrechtlich organisierte Verwaltung und ist auf den Bereich der Leistungsverwaltung begrenzt:451 Im Rahmen der Eingriffsverwaltung müssen öffentlich-rechtliche Mittel herangezogen werden. Im fiskalischen Bereich dagegen hat auch die öffentlich-rechtlich organisierte Verwaltung privatrechtlich zu handeln.452 Im Ergebnis haben privatrechtlich organisierte und können klassisch öffentlich-rechtlich organisierte Verwaltungseinheiten ihre Aufgaben im Rahmen der Leistungsverwaltung also privatrechtlich erfüllen. Der Begriff der „Gewalt“ bzw. der „vollziehenden Gewalt“ kann dabei nicht mit dem Einsatz von Herrschaftsmitteln gleichgesetzt werden,453 da derartige Instrumente dort oft gerade 446
Ehlers/Schneider, in: Schoch/Schneider/Bier (Hrsg.), § 40 VwGO, Rn. 256. Ehlers/Schneider, in: Schoch/Schneider/Bier (Hrsg.), § 40 VwGO, Rn. 256. 448 BGH, BGHZ 52, S. 325 (329) = NJW 1969, 2195. 449 BGH, BGHZ 97, S. 312 (315) = NJW 1986, S. 2359; BVerwG NJW 1990, S. 1436. 450 Vgl. § 2 B. I. 1. c). 451 Vgl. statt aller Schmitz, in:Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), § 1 VwVfG, Rn. 104, 116. 452 Damit ist bereits die Wahlfreiheit der öffentlich-rechtlich organisierten Verwaltung unvollkommen, denn ein Wahlrecht hinsichtlich der Handlungsform steht der Verwaltung im fiskalischen Bereich nicht zu. Die Organisationsform entfaltet keine Indizwirkung. Ebenso wird bei Verträgen zur Erfüllung von Verwaltungsaufgaben nicht auf den subjektiven Willen, also die Wahl der Verwaltung, sondern den Vertragsgegenstand zur Bestimmung der Handlungsform abgestellt; vgl. Ehlers, in: Schoch/Schneider/Bier (Hrsg.), § 40 VwGO, Rn. 243; Maurer, Verwaltungsrecht, § 14, Rn. 9. 453 So Bachof, VVDStRL 12 (1954), S. 37, 63 f. 447
C. Die Handlungsform als Abgrenzungskriterium
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gar nicht benötigt werden.454 So bringt das BVerfG im „Fraport-Urteil“ zum Ausdruck, dass die Staatsgewalt in Art. 1 Abs. 3 GG weit zu verstehen sei: Sie erstrecke sich gerade nicht nur auf „imperative Maßnahmen“, sondern auch auf „Entscheidungen, Äußerungen und Handlungen, die […] den Anspruch erheben können, autorisiert im Namen der Bürger getroffen zu werden.“455 Jedes Handeln staatlicher Organe und Organisationen sei Staatsgewalt, „weil es in Wahrnehmung ihres dem Gemeinwohl verpflichteten Auftrags erfolgt.“456 c) Das Verwaltungsprivatrecht und weitere Publifizierungstendenzen Wenn auch privatrechtsförmiges Verwaltungshandeln Ausfluss der einen Staatsgewalt darstellt, ist es damit rechtsformunabhängig den verfassungsrechtlichen Bindungen unterworfen.457 Denn der Staat darf „nicht zum gewöhnlichen Privaten“ gemacht werden.458 Er kann sich zwar der privatrechtlichen Handlungsformen bedienen, genießt deshalb aber nicht die wesentlichen, prinzipiellen Vorteile des Privatrechts, „die Freiheiten und Möglichkeiten der Privatautonomie“459. Mangels dieses Kernelements des Privatrechts ist Letzteres weniger als Grundlage denn als Mittel der Leistungsverwaltung anzusehen und wird daher durch die öffentlichrechtlichen Überlagerungen460 und Modifizierungen zum sog. Verwaltungsprivatrecht.461 In der Eigenschaft als Zurechnungssubjekt von Privatrechtssätzen verliert der Staat nicht die Fähigkeit, gleichzeitig Zurechnungssubjekt öffentlich-rechtlicher Rechtssätze zu sein.462 Anders als bei der Zweistufentheorie, die in bestimmten Fällen der Leistungsverwaltung zwischen der „künstlichen“,463 dem Öffentlichen Recht unterfallenden Stufe des „Ob“ einer bestimmten Leistungsgewährung und der
454 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 214 f.; Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 81; vgl. auch Heise, Deutsche Bahn AG, S. 164. 455 BVerfG NJW 2011, S. 1202, Rn. 47 = BVerfGE 128, S. 226 ff. 456 BVerfG NJW 2011, S. 1202, Rn. 47 = BVerfGE 128, S. 226 ff. 457 Ehlers, in: Schoch/Schneider/Bier (Hrsg.), § 40 VwGO, Rn. 242. 458 Mayer, DVR I, S. 114. 459 Sodan, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), § 40 VwGO, Rn. 315; BGHZ 91, S. 84 (96). 460 D. h. den ordentlichen Gerichten fällt nicht nur die Prüfung von Zivilrecht in Bezug auf den privatrechtsförmig handelnden Staat zu. Insbesondere Freiheitsgrundrechte, der Gleichheitssatz und das Verhältnismäßigkeitsgebot werden mitgeprüft; vgl. BGHZ 91, S. 84 (96 f.); 65, S. 284 (287); 52, S. 325 (328). 461 Vgl. BVerwG, DÖV 1990, S. 614 f.; NVwZ 1991, S. 59; BGHZ 91, S. 84 (96); BGH, NJW 1985, S. 1894. 462 Vgl. dazu Krebs, in: Schmidt-Aßmann/Krebs (Hrsg.), Rechtsfragen städtebaulicher Verträge, S. 143. 463 Die Aufspaltung „einheitlicher Lebensverhältnisse in zwei Rechtsverhältnisse unterschiedlicher Rechtsnatur“ kritisierend auch Ehlers/Schneider, in: Schoch/Schneider/Bier (Hrsg.), § 40 VwGO, Rn. 262; zu den neueren Ansätzen der Zweiebenentheorie vgl. Ehlers/ Schneider, in: Schoch/Schneider/Bier (Hrsg.), § 40 VwGO, Rn. 265.
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1. Teil, § 2 Formale Kriterien für die Einordnung eines Unternehmens
zweiten Stufe des „Wie“ unterscheidet,464 wird nach dem Verwaltungsprivatrecht keine öffentlich-rechtliche Stufe eingebaut. Vielmehr wird das privatrechtsförmige Verwaltungshandeln selbst publifiziert, um die gefürchtete „Flucht ins Privatrecht“465 zu vermeiden. Das vielbeachtete Verwaltungsprivatrecht reagiert ebenso wie die Zweistufentheorie auf die Wahlfreiheit der Verwaltung.466 Durch die öffentlich-rechtlichen Bindungen des privaten Handelns werden die Unterschiede zwischen öffentlichem und privatem Verwaltungshandeln allerdings beinahe nivelliert.467 Die Formenwahlfreiheit wird ihrerseits ausgehöhlt.468 An einer überzeugenden dogmatischen „Anseilung“469 der Wahlfreiheit der Handlungsform mangelt es indes.470 Entwicklungsgeschichtlich lässt sich die Formenwahlfreiheit damit begründen, dass sich der Aufgabenbereich der öffentlichen Verwaltung im Bereich der Daseinsvorsorge schlagartig erweitert hat, damals aber keine entsprechenden verwaltungsrechtlichen Handlungsformen bzw. Instrumente zur Verfügung standen. Pragmatisch erschien es daher, auf die bestehenden Handlungsformen des Zivilrechts zurückzugreifen.471 Durch privatrechtliche Organisationsformen der Verwaltung ist es aber ohnehin möglich geworden, sich der privatrechtlichen Handlungsmöglichkeiten zu bedienen. In Anlehnung und Übertragung russischer Stimmen zur Kritik an privatrechtlichem Verwaltungshandeln erscheint das Bedürfnis auch der öffentlich-rechtlich organisierten Verwaltung für privatrechtliche Handlungsformen damit entfallen zu sein. Hinzu kommt, dass die privatrechtlichen Handlungsformen für die öffentlich-rechtlich organisierte Verwaltung mit der „Etablierung des öffentlich-rechtlichen Vertrages als gleichberechtigte Handlungsform neben dem Verwaltungsakt obsolet geworden [sind].“472 Letztlich führen sowohl die Ausformung des Verwaltungsvertrages im VwVfG durch die Anwendung des Privatrechts über § 62 Abs. 2 VwVfG als auch das Verwaltungsprivatrecht mit 464 Zur Publifizierung des privatrechtsförmigen Verwaltungshandelns durch die Zweistufentheorie s. Ipsen, Subventionierung Privater, S. 67; vgl. auch die Darstellung bei Götz, Wirtschaftssubventionen, S. 56. 465 Den Ausdruck prägte Fleiner, Institutionen, S. 326; siehe auch BGHZ 91, S. 84 (95 ff.). 466 Das Verwaltungsprivatrecht reagiert auf die Wahlfreiheit sowohl hinsichtlich der Organisations- als auch der Handlungsform; vgl. oben unter § 2 B. I. 1. c). 467 von Danwitz, JuS 1995, S. 3; ähnlich wohl Fischedick, Wahl, S. 90. 468 In diese Richtung Zuleeg, VerwArch 73 (1982), S. 397; von Danwitz, Jus 1995, S. 3. 469 Von „Anseilen“ sprechen auch Ehlers/Schneider, in: Schoch/Schneider/Bier (Hrsg.), § 40 VwGO, Rn. 210, 267. 470 Zur Kritik vgl. eingehend Ehlers/Schneider, in: Schoch/Schneider/Bier (Hrsg.), § 40 VwGO, Rn. 268 ff. 471 Vgl. von Danwitz, JuS 1995, S. 3; Ossenbühl, DÖV 1971, S. 518; Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung, S. 348. Zudem hilft die Formenwahlfreiheit, um Bindungen wie das Verwaltungsverfahrensgesetz – es sei denn, man befürwortet eine analoge Anwendbarkeit im Rahmen des Verwaltungsprivatrechts –, das öffentliche Abgabenrecht oder die Staatshaftung zu umgehen; vgl. Ehlers, in: Schoch/Schneider/Bier (Hrsg.), § 40 VwGO, Rn. 242. 472 von Danwitz, JuS 1995, S. 3; Wolff, AöR 76 (1950/51), S. 205 ff.; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 52.
C. Die Handlungsform als Abgrenzungskriterium
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seiner öffentlich-rechtlichen Modifikation des Privatrechts in vielen Fällen beinahe zum selben Ergebnis. Dabei erscheint der öffentlich-rechtliche Vertrag jedenfalls als die systemgerechtere Lösung: Das Rechtsregime wird nicht gewechselt, sondern durch das Zivilrecht ergänzt, soweit keine öffentlich-rechtlichen Normen entgegenstehen. Das Verwaltungsprivatrecht dagegen ist nur die Relativierung, das „Zurückrudern“ bei der grundsätzlichen Infragestellung und Aufhebung der Trennung der Rechtsregime durch die Anerkennung der Formenwahlfreiheit.473 Daher wird vielfach vertreten, das Abweichen vom Sonderrecht des Staates müsse im Einzelnen gerechtfertigt werden.474 Dabei ist fraglich, ob man überhaupt von einer Wahl-„Freiheit“ sprechen darf. Freies Ermessen kann es in einem Rechtsstaat nicht geben, da der Geltungsbereich des Öffentlichen bzw. des privaten Rechts nicht im Belieben der Verwaltung alleine stehen darf.475 Daher sollte die Verwaltung nur dann privatrechtlich handeln dürfen, wenn ihr ein entsprechendes Ermessen zur Wahl der Handlungsform gesetzlich eröffnet wird.476 Eine derartige Beschränkung, eine Publifizierung der Wahlfreiheit, die zumindest einen demokratisch legitimierenden Gesetzesvorbehalt erfordert, erscheint sinnvoll, sofern man die grundlegenden, die beiden Rechtsregime kennzeichnenden, Handlungsdirektiven der Freiheit auf der einen und der Kompetenz auf der anderen Seite ernst nimmt.477 Die Rufe der Literatur478 nach weiter gehender Publifizierung, nach der Kreierung öffentlich-rechtlicher Handlungsformen stehen zwar vielleicht in Widerspruch zu der – dogmatisch nicht abzuleitenden – Formenwahlfreiheit, nicht aber zum Verwaltungsprivatrecht. Vielmehr erscheint es als konsequente Fortführung des der Konstruktion zugrundeliegenden Grundgedankens.479 473
Vgl. von Danwitz, JuS 1995, S. 4, der allerdings die Formenwahlfreiheit hier dem Verwaltungsprivatrecht zuordnet und dieses insgesamt als große Öffnung mit anschließender Einschränkung der Auflösung der Trennung der Regime betrachtet. Er sieht den Verwaltungsvertrag als die flexiblere Lösung an, gesteht aber ein, dass das geltende Recht zu hohe Formerfordernisse an den Abschluss von Verwaltungsverträgen knüpfe, weshalb sich diese Rechtsform bisher wohl nicht durchgesetzt habe und sich de lege lata schwerlich für den Massenbetrieb eigne; vgl. JuS 1995, S. 4. 474 Vgl. bereits Wolff, AöR 76 (1950/51), S. 205 ff.; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 52 ff.; von Danwitz, JuS 1995, S. 4, wobei er die Rechtsfertigungsbedürftigkeit der – mit der Abweichung vom Sonderrecht des Staates verbundenen – fehlenden Gemeinwohlverpflichtung hervorhebt. 475 Vgl. Scherzberg, JuS 1992, S. 208. 476 Vgl. Ehlers, in: Schoch/Schneider/Bier (Hrsg.), § 40 VwGO, Rn. 268. Damit stellt die Formen-Wahl-„Freiheit“ letztlich einen Unterfall des allgemeinen Verfahrensermessens dar. Auf die Vorschriften des VwVfG verweist hierbei instruktiv Hill, NVwZ 1985, 449 ff. Von Regime-Wahl-„Freiheit“ möchte Schmidt-Aßmann, DVBl 1989, S. 535 mit Fn. 14, in diesem Zusammenhang sprechen. 477 Vgl. Ehlers, in: Erichsen/Ehlers/Burgi (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 2, Rn. 38; Ehlers, in: Schoch/Schneider/Bier (Hrsg.), § 40 VwGO, Rn. 242, Fn. 2. 478 Zu den unterschiedlichen Ansätzen mit Publifizierungstendenzen Ehlers/Schneider, in: Schoch/Schneider/Bier (Hrsg.), § 40 VwGO, Rn. 249 ff. 479 Ähnlich schon Löwer, DVBl. 1985, S. 938; s.a. von Danwitz, JuS 1995, S. 2.
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Trotz gewisser Einschränkungen darf die öffentlich-rechtlich organisierte Verwaltung ihre Aufgaben in Privatrechtsform erfüllen, so dass sich auch die öffentlichrechtliche Handlungsform nicht als notwendiges Kriterium der Staatlichkeit darstellt. d) Das fiskalische Handeln des Staates aa) Die Fiskustheorie Der Grundsatz der öffentlich-rechtlichen Handlungsform ist – unabhängig von der Wahlfreiheit bei der Erfüllung von Verwaltungsaufgaben – jedenfalls aufgehoben, wenn der Hoheitsträger keine unmittelbaren Staatsaufgaben wahrnimmt wie im Falle der Bedarfsdeckung, der Vermögensverwaltung und der Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr, wobei lenkende Zielsetzungen zu oft zu Unrecht unterstellt werden.480 Der fiskalisch handelnde Staat darf sich ohnehin uneingeschränkt des Privatrechts bedienen. Allerdings würden die privatrechtlichen Handlungsformen des Fiskus der Abgrenzbarkeit der gesellschaftlichen von der staatlichen Sphäre anhand der Handlungsform keinen Abbruch tun, wenn man unterstellte, dass jeder, der sich des Privatrechts bedient, damit temporär und partiell zum Teil der Gesellschaft wird. Diese These soll im Folgenden überprüft werden. Nach der alten, aus der Zeit des Absolutismus stammenden Fiskustheorie wurde der fiskalisch handelnde Staat als eigenständige, von dem hoheitlich tätigen Staat getrennte Person gesehen, die „wie ein gewöhnlicher Privatmann“481 behandelt werden müsse.482 Damit gehörte der privatrechtlich handelnde Fiskus in gewisser Weise der gesellschaftlichen Sphäre an, und die privatrechtliche Handlungsform blieb diesbezüglich für die gesellschaftliche Sphäre entscheidend. Zumindest noch in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts herrschte die Auffassung vor, dass der Staat als Nachfrager und Beschaffer nicht an Grundrechte gebunden sei und auch – etwa im Rahmen der Auftragsvergabe – keine subjektivöffentlichen Rechte gegen ihn geltend gemacht werden könnten.483 Das Verwaltungsprivatrecht galt gerade nicht für das fiskalische Handeln.484 Vielmehr wurde stark zwischen fiskalischem Handeln und der unmittelbaren Erfüllung von Verwaltungsaufgaben in Privatrechtsform unterschieden.485 Auch nach jüngeren Ausführungen des BVerfG unterscheidet sich der Staat als Nachfrager nicht grundsätzlich 480 481 482 483 484 485
Ehlers, in: Schoch/Schneider/Bier (Hrsg.), § 40 VwGO, Rn. 277. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 76. Vgl. eingehend Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 75 ff. Vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), § 35 VwVfG, Rn. 123. Vgl. die Darstellung hierzu bei Becker, NVwZ 2016, S. 1558. Vgl. hierzu insgesamt Wollenschläger, NVwZ 2016, S. 1535 ff.
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von anderen Marktteilnehmern,486 was Anklänge an die Ideen der Fiskustheorie aufweist.487 Dem BVerwG zufolge ist auch die staatliche Konkurrenz durch wirtschaftliche Tätigkeit „lediglich eine weitgehend systemimmanente Verschärfung des marktwirtschaftlichen Konkurrenzdrucks“.488 Erst erdrosselnde Wirkung, eine Monopolstellung des Staates bzw. ein unerträglicher Verdrängungswettbewerb, der private Konkurrenz unmöglich mache oder auszehre, verletze Grundrechte489 bzw. greife überhaupt erst in jene ein. Schließlich schütze Art. 12 GG nicht vor Konkurrenz, auch nicht durch die öffentliche Hand.490 Interessant an diesem letztgenannten Ansatz, den jedenfalls ein breiter Kreis der Literatur teilt,491 ist, dass er die private und die öffentliche Wirtschaftstätigkeit damit auf eine Stufe stellt und der Staat ähnlich wie in Russland grundsätzlich als „Gleicher unter Gleichen“492 behandelt wird. Nichtsdestotrotz gilt jedenfalls die Fiskustheorie selbst nach einhelliger Meinung heute als überlebt.493 bb) Die Fiskalgeltung der Grundrechte und Modifizierungen des Verwaltungsprivatrechts Ob die Unternehmen in staatlicher Hand oder mit staatlicher Beteiligung den privaten „gleich“ sein können, ist umstritten: Ihnen erwachsen insbesondere aus der unerschöpflichen Finanzkraft des Staates im Verhältnis zu Privaten strukturelle Vorteile.494 Niemals dem Privaten gleichgestellt ist aber vor allem der Staat. Auch bei fiskalischem Handeln ist er nicht als abgespaltenes, dem Bürger gleichgestelltes und damit der gesellschaftlichen Sphäre angehörendes Subjekt anzusehen.495 Insofern muss ganz streng zwischen dem das Unternehmen gründenden bzw. sich an jenem beteiligenden Staat als juristischer Person des Öffentlichen Rechts einerseits und dem staatlich getragenen, privatrechtlichen Unternehmen als eigenständigem 486
BVerfG, U. v. 13. 06. 2006, 1 BvR 1160/03 = NJW 2006, 3701, 3702 f. In diese Richtung auch Fehling, in: Pünder/Schellenberg (Hrsg.), § 97 GWB, Rn. 40. 488 BVerwGE 71, S. 183 (193). 489 BVerwGE 39, S. 329 (336 f.); BVerwG, NJW 1978, S. 1539; BVerwG, DVBl. 1996, S. 152 (153). 490 BVerwGE 39, S. 329 (336). 491 Kämmerer, Privatisierung, S. 222; Lindner, DÖV 2003, S. 192; Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Art. 12 GG, Rn. 23. 492 Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 93, Fn. 223. 493 So Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 76; Fehling, in: Pünder/Schellenberg (Hrsg.), § 97 GWB, Rn. 40. Allerdings greift das BVerfG die Fiskustheorie gewissermaßen wieder auf, indem es sogar Art. 19 Abs. 4 GG mangels hoheitlicher Betätigung im Rahmen des unterschwelligen Vergaberechts für unanwendbar erachtet und stattdessen auf den allgemeinen rechtsstaatlichen Justizgewährleistungsanspruch ausweicht; vgl. BVerfG, NJW 2006, S. 3701, 3702; vgl. kritisch hierzu Fehling, in: Pünder/Schellenberg (Hrsg.), § 97 GWB, Rn. 39. 494 Vgl. Huber, Konkurrenzschutz, S. 312. 495 Vgl. jüngst BVerfG, NVwZ 2016, S. 1553 ff.; vgl. hierzu auch Becker, NVwZ 2016, S. 1558. 487
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Rechtssubjekt andererseits unterschieden werden. Mittlerweile ist – zumindest grundsätzlich – anerkannt, dass jede staatliche Tätigkeit, auch die fiskalische, der Grundrechtsbindung unterliegt und der einen Staatsgewalt, dem einheitlichen Rechtssubjekt Staat496 zugerechnet wird.497 Dieser Ansatz wird von der breiten Mehrheit der Autoren geteilt und vor allem mit dem Wortlaut des Art. 1 Abs. 3 GG begründet, der von „vollziehender Gewalt“ spricht, ohne nach Aufgaben zu differenzieren.498 Nach dieser Verfassungsnorm hat der Staat „nirgends wie ein Privater das Recht zur Beliebigkeit“.499 Nach Ansicht des BVerwG ist auch die privatrechtliche Auftragsvergabe unter der Geltung des Verwaltungsprivatrechts durch öffentlich-rechtliche Bindungen überlagert.500 Der Staat ist aber nicht nur als Nachfrager an die Grundrechte gebunden; vielmehr ist bereits der Einsatz seines Vermögens bei einer Unternehmensbeteiligung oder -gründung an den Grundrechten zu messen. Damit ist nach hier vertretener Ansicht der Schutzbereich entgegen der Linie der Rechtsprechung501 nicht erst eröffnet und ein Eingriff nicht erst anzunehmen, wenn eine erdrosselnde Wirkung hergestellt ist, eine Monopolstellung gegeben ist oder unerträglicher Verdrängungswettbewerb durch die öffentliche Hand entsteht. Vielmehr ist bereits der Markteintritt an den Grundrechten zu messen.502 Was öffentlich-rechtliche Bindungen im Sinne des Verwaltungsprivatrechts betrifft, bleibt die Frage nach der Subsidiarität, vor allem aber nach einer Gemeinwohlbildung des Einsatzes staatlichen Kapitals bestehen. Dieses Erfordernis ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip. Schließlich muss jedwede Tätigkeit des Staates dem Gemeinwohl dienen,503 da der Staat immer um seiner Bürger willen handeln muss.504 Grenzen setzen der Gewinnerzielung des Staates darüber hinaus auch die finanzverfassungsrechtlichen Bestimmungen der Art. 104a ff. GG.505 Aus dem dort niedergelegten Prinzip des Steuerstaats506 folgt, dass eine reine Haushaltsfinanzierung
496
Vgl. Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 78. Vgl. Pietzcker, NZBau 2003, S. 243; ders., Vergaberecht, S. 16. 498 Heise, Deutsche Bahn AG, S. 163 mit w.N. 499 So Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 348; für die Auftragsvergabe grundlegend Pietzcker, AöR 107 (1982), S. 71; vgl. hierzu auch Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung, S. 310 ff. 500 So BVerwG, U. v. 02. 05. 2007, 6 B 10/07 = NZBau 2007, S. 391. 501 Vgl. BVerwG, BVerwGE 39, S. 329 (336 f.); die Ansicht der Rechtsprechung ausführlich darstellend Di Fabio, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 2 Abs. 1 GG, Rn. 121. 502 Ein Eingriff in Art. 12 GG etwa ist bereits anzunehmen, wenn private Unternehmungen spürbar erschwert sind, oder sogar bereits, wenn Private eine Veränderung der Marktbedingungen wahrnehmen; vgl. Heise, Deutsche Bahn AG, S. 152; Di Fabio, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 2 Abs. 1 GG, Rn. 122. 503 Ronellenfitsch, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR IV, § 98, Rn. 40. 504 Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR IV, § 71, Rn. 21. 505 Heise, Deutsche Bahn AG, S. 155. 506 Eingehend Vogel, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR II, § 30, Rn. 71. 497
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staatlicher Wirtschaftstätigkeit nicht dem Erfordernis eines gemeinwohlorientierten Zwecks entspricht.507 e) Zwischenergebnis Die öffentlich-rechtliche Verwaltung zeichnet sich nicht nur durch öffentlichrechtliches Handeln aus, sondern kann – wenn auch eingeschränkt – privatrechtliche Handlungsformen zur Erfüllung ihrer Aufgaben nutzen. Zudem ist der fiskalisch und damit privatrechtlich handelnde Staat nicht im Sinne der Fiskustheorie als quasi gesellschaftliches, gesondertes Subjekt zu behandeln. Auch der „Fiskus“ ist Teil der einen Staatsgewalt und dem Verwaltungsprivatrecht unterworfen. Letztlich stellt das privatrechtliche Handeln kein Alleinstellungsmerkmal der gesellschaftlichen Sphäre dar. Entsprechend ist die öffentlich-rechtliche Handlungsform kein notwendiges Kriterium der Staatlichkeit. 2. Die Handlungsformen „Privater“ a) Der Grundsatz der privatrechtlichen Handlungsform „Privater“ Das Öffentliche Recht stellt das Sonderrecht des Staates dar und steht Privaten grundsätzlich nicht zur Verfügung. Nicht nur der Private, sondern auch der privatrechtlich organisierte Staat muss sich privatrechtrechtlicher Handlungsformen bedienen. Denn zumindest soweit eine privatrechtliche Organisationsform gewählt wurde,508 gibt diese Wahl grundsätzlich das Rechtsregime und damit die Handlungsformen für den Staat vor. Fraglich ist, ob damit aus der öffentlich-rechtlichen Handlungsform einer Person auf deren (partielle) Zugehörigkeit zur staatlichen Sphäre geschlossen werden kann, d. h. ob hoheitliches Handeln per se dem Staat zugerechnet wird. b) Die hoheitlichen Handlungsformen „Privater“ als Ausnahme aa) Die Beleihung als Ausstattung einer Person mit Hoheitsbefugnissen Allerdings ist anerkannt, dass echte Private durch die Beleihung mit Hoheitsbefugnissen zu öffentlich-rechtlichem Handeln befähigt werden können. Der Begriff der Beleihung ist dabei auf Bundesebene nicht gesetzlich definiert; auch in der Literatur hat sich kein einheitliches Verständnis herausgebildet.509 Dabei wird seltener die sog. Aufgabentheorie510 vertreten, die primär auf die wahrzunehmende 507 508 509 510
Huber, Konkurrenzschutz, S. 314; Badura, Verwaltungsmonopol, S. 90. Vgl. von Danwitz, JuS 1995, S. 2. Kiefer, LKRZ 2009, S. 442. Zu diesem Begriff Kiefer, LKRZ 2009, S. 442.
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Aufgabe abstellt.511 Es soll vielmehr nach der Rechtsstellungstheorie512 darauf ankommen, ob eine natürliche Person oder eine von Privaten getragene Gesellschaft in Privatrechtsform mit der Rechtsstellung eines Verwaltungsorgans ausgestattet wird. Der Private schlüpft damit „in die Rolle eines Verwaltungsträgers selbst“513 und bekommt die Befugnis verliehen, Verwaltungsaufgaben selbstständig in den Formen des Öffentlichen Rechts wahrzunehmen. Hauptmerkmal der Beleihung ist dabei die Befugnis, hoheitlich zu handeln.514 Statusmäßig handelt es sich aber weiterhin um ein Privatrechtssubjekt, das funktional in die staatliche Verwaltung einbezogen wird.515 Damit wird der Private partiell in seiner Rolle als Beliehener selbst „ein Stück Staat“. Sein Handeln wird dem Staat zugerechnet. Klassische Beleihungsadressaten sind privatrechtliche Unternehmen und natürliche Einzelpersonen, nicht dagegen vom Staat beherrschte Gesellschaften.516 Echte Private können damit nur hoheitlich handeln, wenn sie partiell dem Staat „einverleibt“ werden. bb) Exkurs: Die Beleihung formal privatisierter Unternehmen Die Theorie, durch die der öffentlich-rechtlich organisierten Verwaltung ein Wahlrecht zugestanden wird, die privatrechtlich organisierte Verwaltung dagegen ausnahmslos auf das Privatrecht festgelegt ist, greift zu kurz. Es erscheint nicht zwingend, dass die möglichen Handlungsformen mit der Wahl der privaten Organisationsform vorentschieden sind. Vielmehr sollten angesichts der Beleihungsmöglichkeit echter Privater auch der privatrechtlich organisierten Verwaltung Hoheitsbefugnisse zugesprochen werden können. Gegen die Beleihung staatlich getragener und gemischtwirtschaftlicher Unternehmen wird vorgetragen, die Beleihung konterkariere die Privatisierungsentscheidung und stelle eine widersprüchliche, gar rechtsmissbräuchliche Handlung dar.517 Der Staat könne sich nicht ins Privatrecht flüchten und seine Hoheitsbefugnisse quasi als „Gepäck“ mitnehmen.518 Vielmehr seien konsequent die Folgen der Privatisierungsentscheidung zu tragen.519
511
So aber die sog. Aufgabentheorie; vgl. Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 120; Steiner, Öffentliche Verwaltung, S. 46 ff.; ders., DÖV 1970, S. 528 f. 512 Zu diesem Begriff Kiefer, LKRZ 2009, S. 442. 513 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 120. 514 Vgl. Weisel, Privatisierung, S. 67 mit w.N. 515 Maurer,Verwaltungsrecht, § 23, Rn. 56. 516 Schmidt, DÖV 2007, S. 537. 517 In diese Richtung Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 118 f.; auch Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), S. 144, hält nur echte Private für beleihungsfähig; a.A. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 110. 518 Steiner, Öffentliche Verwaltung, S. 96. 519 Vgl. Ehlers, in: Schoch/Schneider/Bier (Hrsg.), § 40 VwGO, Rn. 242.
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Allerdings kann dem Staat, der Eigengesellschaften oder gemischtwirtschaftliche Unternehmen beleiht, ein widersprüchliches Verhalten nicht vorgeworfen werden: Wenn ein rein privates Unternehmen durch Beleihung in die staatliche Sphäre gezogen werden kann, so muss diese Möglichkeit erst recht für privatrechtsförmige Unternehmen eröffnet sein, die eine engere Verbindung zur staatlichen Sphäre aufweisen. Sofern man die Wahlfreiheit der Organisationsform bejaht, ist nicht ersichtlich, warum der Staat nicht im Sinne einer „Rosinentheorie“ die Vorteile privater Organisation nutzen und gleichzeitig punktuell durch Beleihung über Hoheitsbefugnisse verfügen können soll. Eine „In-Sich-Beleihung“520 muss also zulässig sein. cc) Die Beleihung als staatlicher Kompetenzentscheid Scholz521 hält die Beleihung privatrechtlicher – insbesondere gemischtwirtschaftlicher – Unternehmen nicht nur für möglich, sondern sogar für erforderlich, um jene der staatlichen Sphäre zuordnen zu können. Insofern stellt auch er – jedenfalls auf den ersten Blick – mit Ausnahme der Eigengesellschaften auf die Ausstattung mit öffentlich-rechtlichen Hoheitsbefugnissen als notwendiges und hinreichendes Merkmal für ein „staatliches“ Unternehmen ab. Scholz geht davon aus, dass auch privatrechtlich organisierte, zumindest aber gemischtwirtschaftliche Unternehmen eines Hoheitsakts, eines staatlichen Kompetenzentscheides,522 bedürften, der die schlicht öffentliche zu einer öffentlich-rechtlichen Aufgabe erhebe. Eine staatliche Unternehmensbeteiligung allein vermittle einen solchen Kompetenzentscheid nicht.523 Neben der Gesetzgebung spiele insoweit das Organisationsrecht eine Rolle: Denn bei in die Verwaltungsorganisation integrierten Subjekten werde der Kompetenzentscheid bereits impliziert. Allerdings ordnet Scholz entgegen seiner Prämisse, dass es auf die Rechtsform als solche nicht ankomme,524 nur öffentlichrechtlich organisierte Personen der staatlichen Sphäre zu, während privatrechtliche erst in den Kompetenzkreis überführt werden müssten.525 Allerdings sei eine zu 100 % staatlich gehaltene Gesellschaft praktisch als „juristische Person des Öffentlichen Rechts (…) zu begreifen“,526 und ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen könne „als juristische Person des Öffentlichen Rechts qualifiziert werden, wenn ihm ein entsprechender Beleihungsakt zugrunde liegt.“527 Mit der unglücklichen Formulierung der juristischen Person des Öffentlichen Rechts ist also wohl 520
Zum Begriff Weisel, Privatisierung, S. 85. Scholz, FS Lorenz, S. 213, 220 ff. 522 Scholz, FS Lorenz, S. 222. 523 Scholz, FS Lorenz, S. 223. 524 Scholz, FS Lorenz, S. 215, 220 f. 525 So zutreffend in der Kritik Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 154, der aber über das Ziel hinausschießt, indem er behauptet, Scholz breche mit den zum fiskalischen Handeln der öffentlichen Hand entwickelten Rechtsüberzeugungen; vgl. S. 154 f. 526 Scholz, FS Lorenz, S. 213, 215 f. 527 Scholz, FS Lorenz, S. 224. 521
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1. Teil, § 2 Formale Kriterien für die Einordnung eines Unternehmens
weniger die Rechtsform gemeint, als vielmehr – ähnlich wie in der derzeitigen russischen Diskussion –, die Zuordnung eines Unternehmens auf Grund organisatorischer Verflechtungen zur staatlichen Sphäre. Dabei ist nicht ersichtlich, warum für gemischtwirtschaftliche Unternehmen, nicht aber für Eigengesellschaften ein Kompetenzentscheid nötig sein soll. Für die von Scholz vorgenommene Differenzierung anhand des staatlichen Anteils spricht zwar, dass nur hinter gemischtwirtschaftlichen Unternehmen zumindest auch natürliche Personen stehen; doch stellt der Ansatz von Scholz zu einseitig hierauf ab und setzt die gemischtwirtschaftlichen Unternehmen unter Vernachlässigung des staatlichen Anteils mit Privaten gleich. Das Konfliktpotenzial zwischen den gegenläufigen Funktionsprinzipien staatlicher und privater Beteiligung muss ausgewogener gelöst werden.528 Die von Gersdorf an Scholz geübte Kritik, ebenso bedürften auch gemischtwirtschaftliche Gesellschaften keiner Beleihung, da hinter ihnen nicht das gesellschaftliche personelle Substrat leuchte,529 ist hingegen zurückzuweisen. Wenn eine „beleihende […] Indienstnahme“530 tatsächlich erforderlich sein soll, dann muss dies im Gegenteil auch für Eigengesellschaften gelten. dd) Die Beleihung als parlamentarische Legitimation Selbst wenn man entgegen der hier vertretenen Ansicht annähme, gemischtwirtschaftliche Unternehmen, Eigengesellschaften und echte Private könnten bzw. müssten beliehen werden, um der staatlichen Sphäre anzugehören, bliebe unklar, ob die Ausstattung mit Hoheitsbefugnissen dabei tatsächlich das entscheidende Kriterium darstellt. Teilweise werden auch die Konstellationen, in denen Privatrechtssubjekten eine Verwaltungsaufgabe zur selbstständigen Erledigung in privaten Handlungsformen übertragen wird, als „Beleihung“ bezeichnet.531 Angesichts der Verwischung privatrechtsförmigen und öffentlich-rechtsförmigen Handelns innerhalb der Verwaltung kann auch bei Privaten die Befugnis zu hoheitlichem Handeln nicht das entscheidende Merkmal für die Zugehörigkeit zur staatlichen Sphäre sein.532 Wird eine Person mit Hoheitsbefugnissen ausgestattet, muss sie auf Grund verfassungsrechtlicher Vorgaben aber in die staatliche Sphäre integriert und stärkeren Bindungen unterworfen werden. Entgegen vieler Literaturstimmen533 kommt es nach dem hier vertretenen Ansatz bei dem Einschluss des Privaten in die staatliche 528
Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 156. Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 155. 530 Diesen Begriff gebraucht Scholz, FS Lorenz, S. 213, 230. 531 Remmert, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 19 Abs. 3 GG, Rn. 61. So auch Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 120 mit Fn. 387; Steiner, Öffentliche Verwaltung, S. 46, 50. Kritisch hingegen wegen Abgrenzungsproblemen zur Inpflichtnahme Privater Krebs, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), HStR V, § 108, Rn. 13. 532 So auch Remmert, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 19 Abs. 3 GG, Rn. 61; Steiner, Öffentliche Verwaltung, S. 47; Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 120 mit Fn. 387. 533 Statt vieler Schoch, Jura 2001, S. 206. 529
C. Die Handlungsform als Abgrenzungskriterium
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Sphäre weder auf die wahrzunehmende Aufgabe noch auf die Befähigung zu hoheitlichem Handeln, sondern auf die gesetzliche Zuweisung von Zuständigkeiten und damit letztlich die Einbeziehung in den demokratisch legitimierten Staatsapparat an.534 Somit spielt entgegen geläufiger Definitionen die Selbstständigkeit des Beliehenen nicht die entscheidende Rolle. Vielmehr wird der Beliehene nicht auf Grund, sondern trotz seiner Selbstständigkeit – die ihrerseits lediglich durch praktische Erwägungen der Staatsentlastung und wirtschaftliche Motive begründet ist535 – in die staatliche, grundrechtsgebundene Sphäre integriert. Um den Spielraum der Selbstständigkeit des Beliehenen zu kompensieren, erfolgt die Beleihung auf Grund eines parlamentarischen Gesetzes; zudem unterliegt der Beliehene in der Regel der Rechts- und Fachaufsicht, agiert in einem klar abgrenzbaren Aufgabenbereich und wird durch andere flankierende Maßnahmen kontrolliert und gesteuert.536 In diesem Sinne ist auch die Entscheidung des BVerfG zu interpretieren, das die Grundrechtsberechtigung für private Unternehmen bei „gesetzlich zugewiesener öffentlicher Aufgabe“537 entfallen lassen will. Auch der TÜVund andere Beliehene zeichnen sich durch ihre staatliche Determiniertheit aus, die sie zum „Teil der öffentlichen Verwaltung im materiellen Sinn“ macht. „Das Ausmaß ihrer Bindung wird besonders daran deutlich, dass sie insoweit einer umfassenden staatlichen Aufsicht unterliegen, die bis zur Bindung an eine allgemeine Geschäftsanweisung, ja sogar an Einzelweisungen reicht.“538 Die Beleihung ist also vor allem die Einbeziehung Privater in die demokratisch legitimierungsbedürftige Verwaltungsorganisation. Zwar ist zuzugeben, dass der Einschluss privatrechtlicher Handlungsformen in den Beleihungsbegriff die Abgrenzung zum Verwaltungshelfer enorm erschwert.539 Doch ist dies insofern unschädlich, als nach der hier vertretenen Auffassung neben dem Beliehenen erst recht ein Verwaltungshelfer, dem Zuständigkeiten nur zur unselbstständigen Verwaltung übertragen werden, in die grundrechtsgebundene Verwaltung selbst eingeschlossen wird, sofern er hinreichend staatlich fremdbestimmt ist und damit – punktuell – lediglich als Instrument des Staates fungiert.540 Etwas anderes muss freilich gelten, wenn der Verwaltungshelfer nicht fremdbestimmt ist, sondern selbstbestimmt etwa nur auf vertraglicher Basis handelt. Zu beachten bleibt die Doppelnatur des Beliehenen: Er bleibt Privatrechtssubjekt, verfolgt unternehmerische Zwecke etc. und ist funktional in Ausübung der Belie-
534
Vgl. Herzog, in: Kunst/Grundmann (Hrsg.), Evangelisches Staatslexikon, S. 171. Vgl. Schmidt, DÖV 2007, S. 540; Maurer, Verwaltungsrecht, § 23, Rn. 56. 536 Eingehend hierzu Becker, DÖV 2004, S. 915; Schmidt, DÖV 2007, S. 539 f. 537 BVerfG, NJW 1987, S. 2501 f. 538 BVerfG, NJW 1987, S. 2502. 539 So auch Schmidt, DÖV 2007, S. 535. 540 Für die Grundrechtsverpflichtung des Verwaltungshelfers auch Remmert, in: Maunz/ Dürig (Hrsg.), Art. 19 Abs. 3 GG, Rn. 62; siehe auch Heintzen, VVDStRL Bd. 62 (2003), S. 220, 241 mit Fn. 98 („grundrechtsausschließende Integration des Privaten in die Staatsorganisation“). 535
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henenfunktion, also partiell, Teil des Staates als Behörde und Verwaltungsträger.541 Sein Handeln in der Funktion des Beliehenen wird dem Staat zugerechnet und der Staat bleibt für die Aufgabenerfüllung verantwortlich. Die Zuordnung zum Staat und dessen Direktionsmacht bleiben bestehen.542 c) Zwischenergebnis Hoheitliches Handeln ist tatsächlich für den Staat kennzeichnend, da nur er öffentlich-rechtlich tätig sein darf. Private werden insbesondere durch die Beleihung in die staatliche Sphäre gezogen. Doch kommt es hierbei nicht auf die Ausstattung mit Hoheitsbefugnissen an. Hoheitliches Handeln ist im Ergebnis kein notwendiges Kriterium: Echte Private können auch auf andere Art und Weise dem Staat partiell „einverleibt“ werden. Wer zu hoheitlichem Handeln befugt ist, muss dagegen in den Staat integriert werden. Doch führt die Ausstattung mit Hoheitsbefugnissen selbst nicht zu diesem Ergebnis. Vielmehr bedarf er hierfür einer hinreichenden staatlichen Fremdbestimmung.543 Zudem ist weder eine Organisation noch ein „Privater“ auf Grund privatrechtlicher Handlungsform per se der gesellschaftlichen Sphäre zuzuordnen.
II. Die Situation in Russland 1. Die Handlungsformen der öffentlichen Verwaltung a) Die Ausgangslage aa) Der Grundsatz der rein öffentlich-rechtlichen Handlungsformen der Verwaltung Das Kriterium der Handlungsform könnte in Russland ausschlaggebend für die Zuordnung eines Rechtssubjekts zur gesellschaftlichen oder staatlichen Sphäre sein. Das wäre der Fall, wenn die öffentliche Verwaltung an öffentlich-rechtliche Handlungsformen gebunden wäre, sich private Subjekte dagegen nur in den Grenzen des Privatrechts bewegen könnten. Es liegt sehr nahe, in Fortführung der Betonung der Rechtsform auch auf die Handlungsformen als Zuweisungskriterium zur staatlichen Sphäre abzustellen. Noch immer ist das russische Verwaltungsrecht durch obrigkeitsstaatliches Handeln und
541
So Maurer, Verwaltungsrecht, § 23, Rn. 56; diese Stellung des Beliehenen als widersprüchlich entlarvend allerdings Stelkens, NVwZ 2004, S. 304 ff.; hierzu auch Bormann, NJW 2011, S. 2758. 542 Ibler, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 86 GG, Rn. 76. 543 Vgl. hierzu unter § 5 B. I. 1. und 2.
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133
die Eingriffsverwaltung geprägt.544 Entsprechend wird zwischen den beiden Rechtsregimen unterschieden, und die wohl herrschende Lehre in Russland geht davon aus, dass die öffentliche Verwaltung ihre Aufgaben immer in den Formen des Öffentlichen Rechts, des hoheitlichen Sonderrechts des Staates, erfüllen müsse.545 Allerdings gesteht selbst Cˇ irkin, der erste Verfechter der Figur der juristischen Person des Öffentlichen Rechts, ein, dass die Übergänge und Grenzzustände zwischen Öffentlichem Recht und Privatrecht fließend seien. Selbst öffentlich-rechtliche Personen handeln ihm zufolge bei der Leistungserbringung wie privatrechtliche Akteure.546 Überwiegend wird dabei angenommen, dass die Sphäre der Erbringung sozialer Leistungen dem Staat allein obliegt, in der keine privatrechtlichen Elemente geduldet würden.547 In Folge dessen wird die Verwendung privatrechtlicher (Handlungs-)formen insbesondere unter Verweis auf die Möglichkeit öffentlichrechtlicher Verträge strikt abgelehnt.548 Auch die Bedarfsdeckung der Staatsorgane soll nach Ansicht einzelner Autoren nicht von diesen selbst, sondern von unitarischen Betrieben getätigt werden, die zur Teilnahme an zivilrechtlichen Beziehungen gegründet worden seien.549 Umso unverständlicher sei es, warum staatliche Organe Dienstleistungen erbringen sollten.550 Vielmehr solle eine klare Einteilung beibehalten werden: Die öffentlichen Unternehmen erbrächten Leistungen, die Einrichtungen erfüllten Funktionen, und die Staatsorgane verwirklichten die Machtbefugnisse, die ihnen vom Volk übergeben worden seien.551 Schließlich wird Verwaltung immer noch als Macht-Einflussnahme des Staates auf das Gesellschaftssystem als Ganzes verstanden.552 bb) Exkurs: Die Unzulässigkeit privatrechtlicher Handlungen im Bereich staatlicher Vermögensverwaltung Die Problematik um die Handlungsformen der Verwaltung zeigt sich besonders anschaulich am Beispiel der Verwaltung staatlichen Vermögens. Klassisch stellt diese eine Verwaltungsaufgabe dar und ist daher nach der überkommenen Lehre in 544
Schmidt, in: Nußberger (Hrsg.), Einführung, S. 77. So wohl auch Maten’ko, Upravlenie gosudarstvennoj sobstvennost’ju, S. 10, 27 f.; vgl. auch Changel’dyev, Zakonodatel’stvo Rossii, S. 270; Vasil’eva, Servisnoe gosudarstvo, S. 133. 546 ˇ Cirkin, Gosudarstvo i pravo 2010, Nr. 7, S. 23 ff. 547 Barkov, Social’noe i pensionnoe pravo 2006, Nr. 3. 548 Alechin/Karmolickij, Administrativnoe pravo, S. 303. Die andere Argumentationslinie hält dem entgegen, es fehle an einer gesetzlichen Regulierung des öffentlich-rechtlichen Vertrages, der darüber hinaus für die massenhafte Anwendung ungeeignet sei; vgl. Vasil’eva, Servisnoe gosudarstvo, S. 134. 549 So Cygankov, E˙ Zˇ -Jurist 2012, Nr. 31. 550 So Cygankov, E˙ Zˇ -Jurist 2012, Nr. 31. 551 So Cygankov, E˙ Zˇ -Jurist 2012, Nr. 31. 552 Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 61, unter Berufung auf Amamancˇ uk, Susˇcˇ nost’ sovetskovo gosudarstvennovo upravlenija. 545
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öffentlich-rechtlicher Form wahrzunehmen. In Gesetzestexten wird sie dabei neben die Vermögensverfügung gestellt und damit nicht in die Triade der Eigentumsrechte bestehend aus Besitz, Gebrauch und Verfügung, eingeschlossen.553 Andererseits enthält der Präsidentenerlass Nr. 314 über die Struktur der Verwaltungsorgane die Formulierung, dass die Verwaltung föderalen Vermögens durch die Staatorgane durch Wahrnehmung der Eigentümerrechte verwirklicht werde, wobei die Verwaltung des staatlichen Vermögens eine echte Verwaltungsaufgabe darstelle. Insofern legt der Erlass nicht nur nahe, dass beide Begriffe identisch sind, sondern auch, dass die nicht fiskalische Aufgabe der Staatsorgane mit den Mitteln des Privatrechts wahrgenommen wird. Entsprechend gespalten sind die Meinungen in der Literatur. Neuerdings wird oftmals nicht mehr zwischen dem Eigentumsrecht des Staates und der staatlichen Vermögensverwaltung unterschieden. Vielmehr seien die Verwaltungsrechte mit den – privatrechtlichen – Eigentumsrechten identisch.554 Andererseits wird vertreten, die Vermögensverwaltung sei eine Kompetenz des Staates, die nicht mit den privatrechtlichen Eigentümerrechten gleichgesetzt werden dürfe. Bei der Verwaltung handle es sich vielmehr um Maßnahmen hoheitlichen Charakters (rasporjaditel’nyj i vlastno-organisazionnyj), die strikt von privatrechtlichen Befugnissen zu unterscheiden seien,555 bzw. es handle sich um einen übergeordneten Begriff, der neben privatrechtlichen jedenfalls auch öffentlich-rechtliche Befugnisse mit einschließe.556 (1) Die „russische Zweistufentheorie“557 In Anerkennung des praktischen Bedürfnisses nach privatrechtlichem Handeln bei der Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben einerseits und der Doktrin der Beschränkung der Staatsorgane auf hoheitliches Handeln in der Verwaltungstätigkeit andererseits soll nach Ansicht einiger russischer Autoren zwischen zwei Stufen unterschieden werden: Die Formierung des staatlichen Willens auf der einen Stufe erfolge durch die Staatorgane und sei rein öffentlich-rechtlich; die Ausführung des staatlichen Willens werde von Personen einer niedrigeren Stufe privatrechtlich vollzogen.558 In diese Vorstellung fügen sich die staatlichen Korporationen und Kompanien hervorragend ein, die als Zivilrechtssubjekte und als – de lege lata – 553 Vgl. Art. 26.12 FZ v. 06. 11. 1999, Nr. 184; Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 64; vgl. auch BVUVVEBVGRF. 554 Vgl. Suchanov, in: Makovskij (Hrsg.), Grazˇ danskij kodeks Rossii, S. 216; Talapina, Upravlenie gosudarstvennoj sobstvennost’ju, S. 95 und S. 55. 555 Changel’dyev, Zakonodatel’stvo Rossii, S. 270. 556 Dozorcev, in: Makovskij (Hrsg.), Grazˇ danskij kodeks Rossii, spricht sich für einen weiten Begriff aus, der sowohl privatrechtliche als auch öffentlich-rechtliche Befugnisse enthält; Zincˇ enko vertritt ebenfalls einen weiten Begriff der Verwaltung staatlichen Vermögens, der allerdings öffentlich-rechtliche Befugnisse enthält; vgl. Zincˇ enko, Gosudarstvennaja sobstvennoct’ v SSSR, S. 55 ff.; hierzu Vennickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 66. 557 Der Name der Theorie wurde vom Autor geprägt. 558 Maten’ko, Maten’ko, Upravlenie gosudarstvennoj sobstvennost’ju, S. 24 f.
C. Die Handlungsform als Abgrenzungskriterium
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juristische Personen des Zivilrechts dazu dienen, öffentliche Aufgaben unter aktiver Beteiligung im Privatrechtsverkehr zu erfüllen. Auf den ersten Blick erinnert dieser russische Ansatz zudem stark an die deutsche Zweistufentheorie, deren Übertragung auf das russische Recht von der russischen Autorin Vasil‘eva gefordert wird.559 Nach dem deutschen Ansatz wird als Antwort auf die Wahlfreiheit der Verwaltung bezüglich der Handlungsform bei privatrechtlichem Handeln der Verwaltung eine öffentlich-rechtliche Stufe fingiert, um die „Flucht ins Privatrecht“ zu verhindern und den Verwaltungsrechtsweg zu eröffnen.560 Allerdings ist angesichts der umfassenden Bindung der Verwaltung auch bei privatrechtlichem Handeln ihre materielle Bedeutung in Deutschland – entgegen der Annahme Vasil’evas561– jedenfalls in Hinblick auf die Wahlfreiheit der Handlungsform zu vernachlässigen.562 Die von russischen Autoren vorgeschlagene „russische Zweistufentheorie“ verfolgt zudem nicht das Ziel, privatrechtliches Handeln des Staates durch die Zwischenschaltung einer weiteren, fingierten Stufe den Vorgaben des Öffentlichen Rechts unterwerfen. Die Ausführung in den Formen des Privatrechts soll vielmehr nicht-staatlichen Organisationen anvertraut und an diese „outgesourced“563 werden. Die eigentlichen Staatsorgane handeln also nach diesem Ansatz ausschließlich öffentlich-rechtlich.
559
Vasil’eva, Servisnoe gosudarstvo, S. 141. Siehe hierzu den Ausblick unter § 7 A. II. 2. b). 561 Vasil’eva, Servisnoe gosudarstvo, S. 125 ff., 139 ff. 562 Allenfalls bezüglich der Wahlfreiheit der Organisationsform kommt der Zweistufentheorie noch Bedeutung zu. Denn wenn die Verwaltung Aufgaben durch juristische Personen des Privatrechts erfüllt, können Ansprüche der betroffenen Bürger gegen die Verwaltung auf Einwirkung auf die privatrechtliche Person entstehen. Schließlich liegt die Frage des „Ob“ der Aufgabenerfüllung noch immer bei der Verwaltung selbst. Insoweit ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Allerdings besteht meist auch ein auf Grundrechten beruhender Anspruch gegen die juristische Person des Privatrechts selbst (z. B. aus Art. 3 GG). Entgegen der herrschenden Meinung kann dieser Anspruch zumindest dann, wenn die Verwaltung über hinreichende Einflussrechte gegenüber der juristischen Person verfügt und diese damit zur staatlichen macht (siehe unter § 4 B.), unmittelbar gegen Letztere vor den Verwaltungsgerichten eingeklagt werden. Relevant ist der Einwirkungsanspruch gegen die Trägerkörperschaft und damit die diesen Anspruch vermittelnde Zweistufentheorie demnach letztlich nur, wenn keine hinreichenden Einflussrechte gegenüber der juristischen Person des Privatrechts bestehen. In ähnlicher Argumentation führen Kramer/Bayer/Fiebig/Freudenreich u. a. das Beispiel des nicht privatisierten, nicht „beherrschten“, sondern lediglich vertraglich verpflichteten Unternehmens an (Kramer/Bayer/Fiebig/Freudenreich, JA 2011, S. 810 ff.). Allerdings dürfte fraglich sein, wie effektiv sich gerade in einem solchen Fall der Anspruch auf Einwirkung gestaltet und ob es diese Konstellation daher rechtfertigt, an der Zweistufentheorie festzuhalten. Jedenfalls scheint dieser Konstellation nicht hinreichendes Gewicht zuzukommen, um die Übertragung der mit der Zweistufentheorie verbundenen „Fiktion“ ins Russische Recht zu befürworten. 563 Hierzu genauer unter § 2 B. II. 3. 560
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(2) Das Verwaltungsprivatrecht und die „Umdeutungstheorie“564 In eine ähnliche Richtung geht der Ansatz, demzufolge staatliche Verwaltungsaufgaben – insbesondere die Verwirklichung des staatlichen Eigentumsrechts – stets über einen verwaltungsrechtlichen Mechanismus erfüllt würden, der allerdings genauerer Untersuchung bedürfe.565 Vinnickij geht davon aus, dass die exekutive Tätigkeit566 der Staatsorgane – darunter auch die Verwaltung staatlichen Vermögens – auf Grund der grundsätzlichen hoheitlichen Befugnisse567 der Staatsorgane immer als Verwaltungsrecht zu qualifizieren sei und grundsätzlich durch verwaltungsrechtliche Normen reguliert werde.568 Die Staatsorgane verwirklichten die Eigentümerrechte des Staates grundsätzlich über administrative Reglamente569 und damit in öffentlichrechtlicher Handlungsform. Bei der Verwaltung staatlichen Vermögens handle es sich damit um die Verwirklichung des staatlichen Eigentumsrechts mit zwei wesentlichen Ergänzungen: Der Verpflichtung auf ein öffentliches Interesse und besondere verfahrensrechtliche Formen.570 Dabei „legen sich“ nach Vinnickij die öffentlich-rechtlichen Normen quasi unter das Privatrecht und passen sich diesem an.571 Dieser Vorschlag erinnert an die deutsche Dogmatik des Verwaltungsprivatrechts, nach welcher das Zivilrecht bei privatrechtlicher Handlungsform der Verwaltung durch öffentlich-rechtliche Vorschriften modifiziert oder überlagert wird. Nach der russischen Variante von Vinnickij handeln die Organe aber gerade nicht privatrechtlich mit öffentlich-rechtlicher Begrenzung, sondern öffentlich-rechtlich im Rahmen des Zivilrechts.572 Denn nach Art. 8 ZGBRF können aus verwaltungsrechtlichen, hoheitlichen Akten zivilrechtliche Folgen entstehen. Doch ergeben sich aus dem Zivilrecht Begrenzungen für das öffentlich-rechtliche Handeln, so dass sich Letzteres – mit den Worten Vinnickijs – anpassen muss. Anders als das deutsche Verwaltungsprivatrecht, das die Flucht ins Privatrecht als potentielle Folge der Formenwahlfreiheit verhindern will,573 wird nach dem Vorschlag Vinnickijs diese 564
Der Name der Theorie wurde vom Autor geprägt. Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 69. 566 Hier deutet sich indirekt an, dass zwischen exekutiver und privatrechtlicher Tätigkeit der Staatsorgane unterschieden wird. Dazu eingehend unter § 3 C. II. 1. a) cc). 567 Doch handeln die Staatsorgane nach Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 50, (primär) hoheitlich. Vinnickij stellt wohl indirekt auf das Subjekt ab, das mit Hoheitsbefugnissen ausgestattet ist. Daher fordert er auch die Einführung der juristischen Person des Öffentlichen Rechts, um Klarheit zu schaffen. 568 Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 14 f. Dies impliziert aber das Zugeständnis, dass es ausnahmsweise auch privatrechtliche Vorschriften in diesem Zusammenhang geben kann und dass die Trennung in hoheitliches Recht bzw. potenziell hoheitliche Handlungen auf der einen Seite und Privatrecht auf der anderen Seite unscharf verläuft. 569 Vgl. Präsidium OArbGRF, U. v. 22. 04. 2003, Nr. 12169/02, in: AOArbGRF 2003, Nr. 10. 570 Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 63. 571 Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 50. 572 Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 50. 573 Siehe hierzu § 2 C. I. 1. c) 565
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Wahl den Organen erst gar nicht zugestanden. Vielmehr wird früher angesetzt und das Handeln der Verwaltungsorgane in öffentlich-rechtliches Handeln uminterpretiert, notfalls durch die Einführung einer vorgelagerten öffentlich-rechtlichen Stufe.574 Problematisch ist insofern die Privatisierung der ehemals staatlichen unitarischen Betriebe und ihre Umwandlung in staatlich getragene oder gemischtwirtschaftliche Aktiengesellschaften mit staatlicher Mehrheit: Die Verwaltung des staatlichen Vermögens, das in Einrichtungen oder unitarischen Betrieben gebündelt war, erfolgte in öffentlich-rechtlicher, administrativer Form über Reglamente. In Bezug auf die Aktiengesellschaften dagegen ist der öffentlich-rechtliche Verwaltungsmechanismus bisher nicht erforscht.575 Daher wirft die Lenkung von Aktiengesellschaften Probleme auf, da die Gesellschaft zu den Verwaltungsorganen, welche die Aktien verwalten, nicht in öffentlich-rechtlichen Beziehungen steht.576 Die Verwaltungstätigkeit erschöpft sich in der Willensbildung und Willensäußerung des Staates durch seine Vertreter, insbesondere durch die Aufstellung von Direktiven im Sinne von hoheitlichen Weisungen.577 Die Ausführung der staatlichen Vorgaben durch die staatlichen Vertreter dagegen erfolgt nach Vinnickij nicht öffentlich-rechtlich und stellt folglich keine Verwaltungstätigkeit dar.578 (3) Ergebnis des Exkurses Bisweilen wird nur scheinbar auf den ersten Blick der deutsche Weg eingeschlagen bzw. nachgeahmt, um Problemen im Zusammenhang mit privatrechtlichem Handeln des Staates beizukommen. Sowohl die deutsche „Zweistufentheorie“ als auch das deutsche Verwaltungsprivatrecht wirken einer „Flucht ins Privatrecht“ nur insoweit entgegen, als sie die potentiell negativen Folgen der eröffneten Formenwahlfreiheit durch öffentlich-rechtliche Bindungen ausgleichen. Die genannten russischen Ansätze verhindern hingegen gerade, dass die staatliche Verwaltung sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben überhaupt des Privatrechts bedient. Klassischerweise
574
Vgl. auch den Ansatz unter § 2 B. II. 3. Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 262. 576 Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 267. 577 Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 267, 269; die hoheitlichen Direktiven an die Vertreter hält er für den Schlüssel; zivilrechtliche Anstellungsverträge seien unzureichend, da sie eines hoheitlichen Charakters entbehrten; vgl. Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 269. 578 Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 269; andere Autoren erkennen sofort an, dass die Vermögensverwaltung sowohl privatrechtliche als auch öffentlich-rechtliche Befugnisse beinhalte, wobei nicht klar ist, ob damit gemeint ist, dass die privatrechtlichen Befugnisse zur Verwaltung zählen, oder ob die Organe hier „wie“ juristische Personen auftreten, die Vermögensverwaltung als Begriff also Verwaltung und reine Fiskaltätigkeit verbindet; vgl. dazu Dozorcev, in: Makovskij (Hrsg.), Grazˇ danskij kodeks Rossii, S. 264. 575
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wird also sehr wohl noch auf die – wenigstens potentiell579– hoheitlichen Befugnisse der handelnden Subjekte abgestellt. Die faktisch privatrechtlichen Handlungen der Staatsorgane werden ebenso zu überspielen versucht wie die beinahe unmögliche Unterscheidbarkeit der fiskalischen von der administrativen Tätigkeit gerade im Bereich der Vermögensverwaltung. Dies zeigt insbesondere der Streit um die Unterscheidung der Ausübung der privatrechtlichen Eigentümerrechte und der Verwaltung staatlichen Eigentums. Entweder werden verschiedene privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Handlungsstufen unterschieden, die entsprechend von den Staatsorganen oder anderen Rechtssubjekten ausgeführt werden müssen. Oder aber die eigentlich privatrechtlichen Handlungen werden in verwaltungsrechtliche umgedeutet. cc) Das privatrechtliche Handeln als Attribut des zur Gesellschaft zugehörigen Fiskus Widersprüchlich erscheint unter der oben aufgestellten Prämisse, der Staat handle grundsätzlich nur öffentlich-rechtlich, dass Art. 124 ff. ZGBRF den Staat und seine Organe zu Rechtssubjekten des Privatrechts erklärt. Folglich können sowohl die öffentlich-rechtlichen Gebilde als auch deren Organe zivilrechtlich handeln: entweder direkt über Ausschreibungen – das Recht der ,goszakupki‘ wurde 2013 gerade völlig neu geregelt – oder indirekt als Anteilseigner oder Gründer einer juristischen Person.580 Doch ist mit der Anerkennung der Zivilrechtsfähigkeit noch nicht zwingend gesagt, dass die zivilrechtlich handelnden Organe wirklich der staatlichen Sphäre angehören. Vielmehr könnte sich der Staat im Sinne der alten Fiskustheorie ein zivilrechtliches Gewand überstülpen, das ihn zu einem Quasi-Privaten macht. Tätigten die Staatsorgane fiskalische Geschäfte, könnten sie sich damit aus der staatlichen Sphäre herausbewegen: Der echte Staatliche würde zeitweise, d. h. teilweise, zum Teil der Gesellschaft, so wie in Deutschland ein echter Privater durch Beleihung partiell zum Teil des Staates wird.581 Damit stünden der These, der Staat dürfe als solcher nicht privatrechtlich handeln, auch die Art. 124 ff. ZGBRF nicht entgegen. (1) Die historische Rezeption der Fiskustheorie Die klassische Fiskustheorie wurde von den vorrevolutionären Wissenschaftlern in Russland rezipiert.582 Man sah im Svod zakonov des Russischen Imperiums von 1832 den Fiskus (kazn’) als Rechtssubjekt und das Vermögen des Staates als fis579
Entweder werden die Handlungsformen der Organe direkt als hoheitlich beschrieben, oder es wird darauf abgestellt, dass die Subjekte zumindest potentiell mit Hoheitsbefugnissen ausgestattet seien und daher öffentlich-rechtlich handelten. 580 Kerenskij, Publicˇ no-pravovych kompanij. 581 Vgl. § 2 C. I. 2. b) aa). 582 So im Ergebnis auch Vasil’eva, Servisnoe Gosudarstvo, S. 136.
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kalisches Vermögen (kazennym). Im Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuches von 1910 wurde der Fiskus als juristische Person verankert, die in ihrem Namen Rechte wie das Eigentumsrecht erwerben und vor Gericht klagen und verklagt werden konnte.583 Elistratov prägte damals den Ansatz, dass der Staat beim Eintreten in Vermögensbeziehungen mit natürlichen Personen ebenso wie Letztere den Normen des Privatrechts unterworfen sei und mit ihnen auf einer Stufe stehe. In diesen Fällen sprach er vom Fiskus bzw. der „kazn’“.584 Nach Sˇ ersˇenevicˇ war die hoheitliche Seite des Staates (gosudarstvo) von der vermögensverwaltenden Seite, dem Fiskus (kazn’), zu unterscheiden.585 Letztere sei gar eine juristische Person des Öffentlichen Rechts und vertrete den Staat in wirtschaftlicher Hinsicht.586 Auch Mejer betrachtete die „zivilrechtsfähige“ Seite des Staates als Fiskus.587 Kavelin verwies darauf, dass der Staat in der Eigenschaft als Fiskus eine juristische Person sei, die der natürlichen Person gleiche, lediglich besondere Privilegien genieße.588 Nach Lazerevskij vereinte der Staat zwei Personen in sich: ein öffentlich-rechtliches und ein privatrechtliches Subjekt.589 Uneinigkeit bestand in der Frage, ob der Fiskus eine eigenständige, vom Staat zu unterscheidende juristische Person des Öffentlichen Rechts oder lediglich eine der beiden Seiten derselben Person des Staates sei.590 Auch in der Sowjetzeit fand die Figur des Fiskus Aufmerksamkeit. Venediktov verstand unter dem Begriff drei Aspekte: Zunächst handle es sich um den Fiskus als Privatrechtssubjekt, d. h. als juristische Person, sodann um den Eigentümer und letztlich um die Summe aller Mittel, die in Geld- oder Sachform über das Budget hinausgingen.591 Er wies darauf hin, dass die Lehre der Beteiligung des Staates am Privatrechtsverkehr und die Lehre über den Fiskus einer Zeit des Polizeistaats entstamme, in dem Ersterer dem machtvollen Staat gegenübergesetzt gewesen sei. Dabei sei allerdings unklar, ob es sich um zwei (juristische) Personen handle – den Fiskus einerseits und den hoheitlichen Staat andererseits – oder um eine Person mit zwei Gesichtern.592 Bratus’ sprach sich 1947 dafür aus, den Staat als ein einziges Rechtssubjekt zu behandeln, das mit zwei Seiten einer Medaille ausgestattet sei.593 In diesem Zusammenhang gingen Theoretiker der Sowjetzeit ebenfalls von einer Doppelnatur der Verwaltungsorgane aus, auch wenn der Begriff des „Fiskus“ sich nur 583
Vgl. Andreev, Nalogi 2012, Nr. 3. Elitratov, Osnovnye nacˇ ala administrativnogo prava, S. 389. 585 ˇ Sersˇenevicˇ , Kurs russkogo grazˇ danskovo prava, S. 68. 586 ˇ Sersˇenevicˇ , Ucˇ ebnik russkogo grazˇ danskogo prava, S. 122. 587 Mejer, in: Vicin (Hrsg.), Russkoe grazˇ danskoe pravo, S. 100. 588 Kavelin, Izbrannye proizvedenja po grazˇ anskomu pravu, S. 197. 589 Lazerevskij, Lazarevsij, Otvetstvenost’ za ubytki, S. 6. 590 Bogdanova, Osusˇcˇ estvlenie gosudarstvom prava sobstvennosti, S. 51 ff.; gegen die Zweiteilung des Staates insbesondere Lazerevskij, Lazarevsij, Otvetstvenost’ za ubytki, S. 30 f. 591 Venediktov, Gosudarstvennaja socialisticˇ eskaja sobstvennost’, S. 813. 592 Venediktov, Pravovaja priroda, S. 104 ff. 593 Bratus’, Juridicˇ eskaja licˇ nost’ gosudarstva, S. 11. 584
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auf den Staat als Ganzes, nicht aber auf seine Organe bezog.594 Kozlov vertrat die Auffassung, dass die Verwaltungsorgane bei der Deckung von Bedarfskäufen nicht als Subjekt des ausführenden und verfügenden Staats aufträten, sondern Vermögenssubjekte darstellten, deren Beziehungen vom Privatrecht reguliert würden.595 Nach der Vorrevolutions-Doktrin und der frühen Sowjetlehre wurde also zwischen den öffentlich-rechtlichen als höherwertigen und den zivilrechtlichen Rechten des Staates unterschieden.596 In den späteren Sowjetjahren wurde hingegen nicht mehr die Gleichstellung des Fiskus mit den Bürgern, sondern die Besonderheit des Staates als Rechtssubjekt betont. Der Staat unterscheide sich nicht nur von natürlichen Personen, sondern auch den juristischen Personen durch seine Hoheitsbefugnisse. In Gesetzestexten wurde der Fiskus, die Kazn’, lediglich als vermögensrechtliches Objekt, nicht als Subjekt des Rechts begriffen.597 (2) Die gesetzliche Verankerung des Fiskus Weder im ZGBRF noch in der Verfassung der RF werden die zivilrechtliche Rolle des Staates und der Begriff des Fiskus als Staatskasse gleichgesetzt. Zwar werden die Normen der Art. 1069 ff. ZGBRF von vereinzelten Literaturstimmen als Argumentationshilfe für die Gegenansicht herangezogen: Der Fiskusbegriff solle sowohl das staatliche Rechtssubjekt umfassen, das in Vermögensbeziehungen für den Staat auftrete, als auch das staatliche fiskalische Eigentum als Objekt.598 Denn der Fiskus verkörpere zumindest auch den Staat als Person,599 wofür die Formulierung in Art. 1071 ZGBRF spreche, der zufolge bei der Schadensbegleichung grundsätzlich die entsprechenden Finanzorgane „im Namen des Fiskus (der Kazn’)“ aufträten.600 Insgesamt wird aber deutlich, dass die Interpretation, der Gesetzgeber sehe in Fortführung der Vorrevolutionstradition den Fiskus als vermögensrechtliches Subjekt des Staates an, trotz gewisser gesetzgeberischer Widersprüchlichkeiten601 innerhalb des ZGBRF so nicht haltbar ist. Auch das VerfGRF unterscheidet in seinem
594
Vgl. Talapina, Publicˇ noe pravo i e˙ konomika, S. 108. Kozlov, Obsˇcˇ aja charakteristika social’nogo upravlenija, S. 39. 596 Vgl. Magaziner, Izbrannye trudy, S. 220; Talapina, Publicˇ noe pravo i e˙ konomika, S. 90. 597 Bogdanova, Osusˇcˇ estvlenie gosudarstvom prava sobstvennosti mit w.N.; hierzu auch Golubcov, Zˇ urnal rossijskovo prava 2010, Nr. 10. 598 Andreev, Nalogi 2012, Nr. 3. 599 Vgl. Korotkova, Gosudarstvennaja vlast’ i mestnoe samoupravlenie 2009, Nr. 9, S. 34. 600 Nach anderer Ansicht werden nach den Art. 1069 ff. ZGBRF die Schäden, die durch Staatsorgane verursacht werden, auf Kosten des Fiskus, der Kazn’, als Staatskasse erstattet; vgl. hierzu auch Plenum OGRF und Plenum OArbGRF, U. v. 01. 07. 1996, Nr. 6/8, in: Bjulleten’ Verchovnogo Suda RF 1996, Nr. 9. 601 Eingehend hierzu Korotkova, Gosudarstvennaja vlast’ i mestnoe samoupravlenie 2009, Nr. 9, S. 34. 595
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Urteil vom 22. 06. 2006 Nr. 23602 zwischen dem Vermögen, das die kazn’ bildet, und dem verantwortlichen Rechtssubjekt, dem entsprechenden öffentlich-rechtlichen Gebilde.603 Der Fiskus, die Kazn’, ist nach Art. 214 Abs. 4 ZGBRF lediglich als besonderes Objekt, nicht aber als zivilrechtliches Subjekt staatlicher Handlungen zu behandeln: Staatliches Vermögen wird in solches, das in staatlichen Unternehmen gebunden ist, und sonstiges Vermögen, das die Staatskasse (kazn‘), den Fiskus im engeren Sinne bildet, unterteilt.604 Art. 214 Abs. 4 ZGBRF zählt also das Vermögen unitarischer Betriebe trotz der Eigentümerstellung des Staates gerade nicht zum Fiskus. Auch werden die Eigentümerbefugnisse nicht im Namen des Fiskus wahrgenommen,605 und die privatrechtlich handelnden Staatsorgane treten nach Art. 125 ZGBRF nicht im Namen des „Fiskus“, sondern des „Staates“ auf. Der Staat und alle öffentlich-rechtlichen Gebilde werden nach Art. 2 und 124 ZGBRF als Zivilrechtssubjekte anerkannt und stehen gleichberechtigt auf einer Stufe mit den anderen Teilnehmern des Zivilrechtsverkehrs, es sei denn, es ist gesetzlich etwas anderes vorgesehen.606 Sie sind wie juristische Personen des Privatrechts zu behandeln und besitzen deren Rechte. Damit werden der Staat und seine Organe bei fiskalischer Tätigkeit aber gewissermaßen in die gesellschaftliche Sphäre gezogen und fungieren gerade nicht mehr als „Staat“ im eigentlichen Sinne.607 Zudem sind privates und staatliches Eigentum durch Art. 8 Abs. 2 VerfRF verfassungsrechtlich gleichgestellt, was dazu führt, dass auch dem „Fiskus“ Eigentumsrechtsschutz zukommt.608 (3) Das „Erbe“ der Fiskustheorie in der Rechtsprechung Das VerfGRF weist darauf hin, dass die RF und ihre Subjekte „in Beziehungen, die auf Macht und Unterwerfung beruhen, als Träger staatlicher Macht mit staatlichem Attribut und in zivilrechtlichen Beziehungen mit den anderen Teilnehmern auf gleicher Basis (na ravnych nacˇ alach) aufträten“.609 In seiner Entscheidung von 1998 verneint das VerfGRF eine unternehmerische Tätigkeit nur bei der Erfüllung von 602
VerfGRF, U. v. 22. 06. 2006, Nr. 23, Vestnik Vyssˇego Arbitrazˇ nogo Suda Rossijskoj Federacii 2006, Nr. 8. 603 Hierzu ausführlich Komjagin, Publicˇ no-pravovye issledovanija (e˙ lektronnyj zˇ urnal) 2013, Nr. 1. 604 Vgl. Talapina, Publicˇ noe pravo i e˙ konomika, S. 108. 605 Vgl. Art. 214 Abs. 3 ZGBRF. 606 Vgl. hierzu Plenum OArbGRF, U. v. 22. 07. 2006, Nr. 23, AOArbGRF 2006, Nr. 8, S. 58 – 66. 607 So wie ein echter Privater durch Beleihung bei hoheitlichem Handeln partiell zum Teil des Staates wird, wird hiernach der Staat bei fiskalischem Handeln partiell zum Teil der Gesellschaft. 608 Siehe unter § 4. A. II. 1. b). 609 VerfGRF, B. v. 02. 11. 2006, Nr. 540, AVerfGRF 2007, Nr. 2.
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Verwaltungsaufgaben und bezieht sich gerade nicht auf die rein fiskalische Tätigkeit.610 Nur die Vermischung von hoheitlicher und unternehmerischer Tätigkeit sei verboten.611 Entsprechend werden von verschiedenen Gerichten auch unitarische Betriebe einmal als Teil des Staates und ein andermal nicht als funktionale Staatsorgane begriffen.612 Nur scheinbar liegt hierin aber – wie in der russischen Literatur kritisiert wird613 – ein Widerspruch oder eine Inkonsistenz: Vielmehr hängt die Zugehörigkeit eines Rechtssubjekts zum Staat davon ab, wie und vor allem in welcher Rolle gehandelt wird.614 Damit wird nicht nur das Gerichtsverfahren von der Handlungsform abhängig gemacht – dieselbe Situation ist in Deutschland vorzufinden –, sondern auch die Organeigenschaft und damit die Zugehörigkeit zum Staat hängen letztlich davon ab. (4) Das „Erbe“ der Fiskustheorie in der Literatur In den letzten Jahren wurde eine lebhafte Diskussion um die Zivilrechtsfähigkeit des Staates geführt. In diesem Zusammenhang setzt sich die Literatur zwar aus610
VerfGRF, B. v. 01. 10. 1998, Nr. 168. VerfGRF, B. v. 01. 10. 1998, Nr. 168: „Ein und dieselbe Person kann nicht eine hoheitliche Tätigkeit in der Sphäre der staatlichen oder kommunalen Verwaltung und eine unternehmerische Tätigkeit, die auf systematische Gewinnerzielung gerichtet ist, vereinigen.“ 612 So auch Vasil’eva, Servisnoe gosudarstvo, S. 168 f., Fn. 2. 613 So bewertet Vasil’eva, Servisnoe gosudarstvo, S. 168 f., Fn. 2, die Rechtsprechung. 614 Auf die unitarischen Betriebe, die Büros technischer Inventarisation, werden in verschiedenen Gerichtsbezirken unterschiedliche Verfahrensvorschriften angewendet: Das Moskauer Arbitragegericht zitiert in Bezug auf das entsprechende Büro technischer Inventarisation Art. 200 Abs. 4 ArbPORF; vgl. ArbGRF des Moskauer Gebiets, U. v. 03. 06. 2009, Nr. KAA40/4676-09-P zur Sache Nr. A40-26801/08-147-278. Durch diese Norm des ArbPORF wird die Anfechtung von nicht-normativen Akten, Handlungen und Entscheidungen geregelt, die von Staatsorganen, Organen der örtlichen Selbstverwaltung, anderen Organen, und Amtsträgern erlassen wurden. Damit wird der unitarische Betrieb Büro technischer Inventarisation faktisch einem Amtsträger, d. h. einem Organ in funktionalem Sinne, gleichgestellt. In einem anderen Fall vor dem ArbGRF des Volgo-Vjaskogo Gebietes dagegen wird der Klage nicht entsprochen, weil vom Kläger fälschlicherweise das Verfahren nach Kapitel 24 ArbPORF gewählt worden sei, das für öffentlich-rechtliche Beziehungen gelte. Der unitarische Betrieb Büro technischer Inventarisation könne bei der Verwirklichung der angegriffenen Maßnahme – entsprechend seinem rechtlichen Status die satzungsmäßige Tätigkeit ausführend – nicht zu den Subjekten öffentlich-rechtlicher, auf Ungleichheit der Teilnehmer basierender Beziehungen gezählt werden, die administrative hoheitliche Befugnisse verwirklichten; vgl. ArbGRF des Volgo-Vjaskogo Gebietes, U. v. 19. 10. 2006, Nr. A 28-22205/2005-1299/27. Es folgen keine Ausführungen dazu, warum der unitarische Betrieb kein Subjekt der öffentlich-rechtlichen Beziehungen ist. Vielmehr wird ausgeführt, warum der angegriffene Akt nicht öffentlichrechtlich, d. h. nicht hoheitlich ist. Ob der Kläger mit seiner Behauptung, es handele sich bei dem angegriffenen technischen Pass um einen Rechtsakt mit hoheitlicher Entscheidung individuellen Charakters, Recht hat, spielt für unsere Feststellung keine Rolle. Das Gericht folgert aus der angenommenen fehlenden hoheitlichen Handlungsform, dass kein Organ und kein Amtsträger vorliege und daher im konkreten Fall kein öffentlich-rechtliches Verhältnis bestehe. Jedenfalls bei privatrechtlichem Handeln des Staates sei der unitarische Betrieb nicht wie ein Organ zu behandeln. 611
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führlich mit den historischen Hintergründen auseinander,615 doch beleuchtet sie kaum die Auswirkungen und Implikationen der vergangenen Rechtstradition auf die heutige Praxis. Dabei sind insbesondere die theoretischen Grundlagen unklar und bedürfen nach Ansicht verschiedener Literaturstimmen eingehender Untersuchung. Die Fiskustheorie wird heute in Reinform kaum noch vertreten.616 Denn es erscheint nicht überzeugend, die besondere Rechtsfähigkeit des Staates als einheitliches Rechtssubjekt zu bestreiten.617 Doch wird teilweise unter der „kazn’“ noch immer die Teilnahme der öffentlich-rechtlichen Gebilde an privatrechtlichen Beziehungen verstanden,618 bzw. soll der Fiskus mit den öffentlich-rechtlichen Gebilden in Privatrechtsbeziehungen identisch sein.619 Zumindest wird in zeitgenössischen Publikationen häufig die „Doppelgesichtigkeit“ des Staates betont, der einmal als hoheitliches Subjekt und ein andermal als Vermögensverwalter und Vermögenssubjekt auftrete, das auf einer Stufe mit privatrechtlichen Subjekten in privatrechtliche Beziehungen eintrete.620 Zwischen diesen beiden Rollen wird wesentlich unterschieden.621 Daher halten manche russischen Autoren die Fiskustheorie grundsätzlich für anwendbar.622 Jedenfalls finden sich vielfach indirekte Auswirkungen und Fortschreibungen dieser alten Denktradition. Gerade der Verfassungsrichter Gadzˇiev G.A. erinnert an die der deutschen Dogmatik entstammende Fiskustheorie und drückt eine gewisse Sympathie mit diesem Ansatz aus.623 Auch Tokareva legt dar, dass gewöhnlich davon ausgegangen werde, dass der Staat beim Eintritt in zivilrechtliche Beziehungen seine Hoheitsbefugnisse hinter sich lasse.624 Im Zusammenhang mit dem „Erbe der Fiskustheorie“ ist die wieder auflebende Diskussion um die juristische Person des Öffentlichen Rechts noch einmal zu erwähnen, da aus ihr Rückschlüsse gezogen werden können: Die besondere Betonung der einzigartigen Verbindung öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Elemente Vgl. Golubcov, Zˇ urnal rossijskovo prava 2010, Nr. 10, auch zum Folgenden. Zuletzt Grinkevicˇ , Avtoreferat, Grazˇ dansko-pravovoe polozˇ enie kazny. 617 Golubcov, Zˇ urnal rossijskovo prava 2010, Nr. 10. 618 So Komjagin, Publicˇ no-pravovye issledovanija (e˙ lektronnyj zˇ urnal) 2013, Nr. 1. 619 Vasjanina, in: Zapol’skij (Hrsg.), Fiskal’noe pravo Rossii, Kapitel 1, § 1. 620 Talapina, Gosudarstvo i pravo, 2001, Nr. 11, S. 13; Mickevicˇ , Aktual’nie problemy juridicˇ eskoj nauki, S. 266; Mel’gunov, Administrativno-pravovye rezˇ imy, S. 5 f.; vgl. auch Sˇ ersˇenevicˇ , Ucˇ ebnik russkovo grazˇ danskovo prava, S. 157, der den Fiskus ganz besonders als eigenes Subjekt hervorhebt. 621 Vasil’eva, S. 137; vgl. auch Talapina, Administrativno-pravovoe regulirovnie v sfere ˙ekonomiki, in: Gosudarstvo i pravo 2001, Nr. 11, S. 13. 622 So wörtlich Vasil’eva, Servisnoe gosudarstvo, S. 136. 623 Gadzˇiev, Civilist 2011, Nr. 3, S. 31 ff.: „Neben den traditionellen Formen der Teilnahme des Staates am Wirtschaftsverkehr in der Eigenschaft als Fiskus (der leider in der russischen Gesetzgebung nicht verwendet wird) […].“ 624 Tokareva, Grazˇ danskoe pravo 2011, Nr. 3: „[…] dass die hoheitlichen Befugnisse des Staates bei der Teilnahme in zivilrechtlichen Rechtsbeziehungen nicht abgeschnitten werden, wie es üblicherweise vertreten wird.“ 615 616
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der staatlichen Korporationen und der juristischen Person des Öffentlichen Rechts an sich625 zeigt, dass diese Verflechtung bisher gerade nicht möglich war. Nach herkömmlicher Vorstellung, die zumindest in der Fiskustheorie wurzelt, können der Staat und seine Organe entweder Verwaltung betreiben oder aber privatrechtlich handeln. Beim Eintritt in Vermögensbeziehungen lassen sie ihre hoheitliche, öffentlich-rechtliche Seite zumindest im Grundsatz hinter sich. Durch die Konstruktion der juristischen Person des Öffentlichen Rechts sollen nun eigenständige Rechtspersonen geschaffen werden, die öffentliche Aufgaben erfüllen, aber gleichzeitig privatrechtsfähig sind und privatrechtsförmige Handlungsformen nutzen können, ohne damit ihren öffentlich-rechtlichen Status zu verlieren.626 Motivation war also gerade die Verbindung privatrechtlicher Handlungsformen mit öffentlich-rechtlicher Zielsetzung, d. h. Verwaltung in Privatrechtsform – jedenfalls auch in Reaktion auf die bisherige, im Hinblick auf die neu eingeführte „Leistungsverwaltung“627 offensichtlich unzureichende Stellung der Staatsorgane. (5) Die systematischen Widersprüche zur Fiskustheorie Allerdings setzt sich nicht nur das „Erbe der Fiskustheorie“ in der „Doppelgesichtigkeit“ des Staates, sondern auch der „Nachlass“ der späteren Sowjetjahre fort. Insofern wird der Staat auf Grund seiner öffentlich-rechtlichen Natur als besonderes Rechtssubjekt bezeichnet.628 Auf die öffentlich-rechtlichen Besonderheiten des Staates wird schließlich bereits in Art. 124 Abs. 2 ZGBRF Bezug genommen: Auf Rechtsbeziehungen mit öffentlich-rechtlichen Gebilden seien die Normen des ZGBRF über juristische Personen nur anwendbar, soweit nichts anderes aus dem Gesetz oder den Besonderheiten der Subjekte folge.629 Auch das VerfGRF weist darauf hin, dass die staatlichen Subjekte mit besonderer Rechtsfähigkeit630 aufträten, 625 Vgl. statt vieler Jastrebov, Juridicˇ eskie nauki, Vestnik Moskovskogo universiteta MVD Rossii 2008, Nr. 4, S. 81; Mozolin, in: Gadizˇ iev (Hrsg.), Ocˇ erki konstitucionnoj e˙ konomiki: goskorporacii, S. 32 ff. 626 In diese Richtung Leskova, Administrativnoe i municipal’noe pravo 2012, Nr. 2; sehr deutlich Kurbatov, Legal Insight 2011, Nr. 1, der die juristische Person als Werkzeug zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben und Funktionen begreift, deren Status privatrechtlich normiert sei; in diese Richtung der dezentralen Staatsverwaltung auch Jastrebov, Problema otraslevoj prinadlezˇ nosti; Lafitskij, Zˇ urnal rossijskovo prava 2011, Nr. 3, und Uskov, Zˇ urnal rossijskovo prava 2010, Nr. 6, halten die Verwendung der juristischen Person des Öffentlichen Rechts für ideal, wenn der Staat an Vermögensbeziehungen teilnimmt, indem er eigenständige Personen mit Rechtsfähigkeit schafft. Die juristische Person des Öffentlichen Rechts könne gerade dann eingesetzt werden, wenn öffentliche Aufgaben durch aktive Teilnahme im Wirtschaftsverkehr erfüllt würden; vgl. Vinnickij, Pravo i politika 2011, Nr. 3. 627 Hierzu insgesamt ausführlich Vasil’eva, Servisnoe gosudarstvo. 628 Golubcov, Zˇ urnal rossijskovo prava 2010, Nr. 10. 629 Plenum OArbGRF, U. v. 22. 06. 2006, Nr. 23, AOArbGRF 2006, Nr. 8, S. 58 – 66. 630 Selbst dieser Punkt der Rechtsfähigkeit ist in der russischen Literatur höchst umstritten. Manche gestehen den öffentlich-rechtlichen Gebilden eine universelle (unversal’naja) Rechtsfähigkeit zu; vgl. Krylova, Grazˇ danskaja pravosub’’ektnost’, S. 9; andere sprechen von allgemeiner (obsˇcˇ aja) Rechtsfähigkeit; vgl. Golubzov, Zˇ urnal possijskovo prava 2010, Nr. 10;
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die auf Grund der öffentlich-rechtlichen Natur des Staates nicht mit der Rechtsfähigkeit anderer Subjekte des Privatrechts zusammenfielen.631 In diese Formulierung könnten zwar theoretisch besondere staatliche Verpflichtungen hineininterpretiert werden;632 damit läge ein Verwaltungsprivatrecht nach deutschem Verständnis vor, und die Theorie, die heute noch immer den fiskalisch handelnden Staat der gesellschaftlichen Sphäre zuschreibt, verlöre ihre Berechtigung.633 Allerdings liegt es nahe, in Art. 124 Abs. 2 ZGBRF nicht öffentlich-rechtliche Bindungen des Staates hineinzulesen, sondern in Rezeption der alten Theoretiker den Staat den Privatrechtssubjekten gleichzustellen und ihm zusätzlich einige Sonderrechte an die Hand zu geben. Praktisch zumindest führt Art. 124 Abs. 2 ZGBRF in seiner Auslegung durch die Gerichte nicht zu einer Bindung des Staates an öffentlich-rechtliche Vorschriften, sondern vielmehr zu einer Aufweichung der Gleichstellung zwischen Staat und Bürger zu Lasten der Bürger.634 Darüber hinaus brachte das Verfassungsgericht deutlich zum Ausdruck, dass mit dem Verweis in Art. 124 Abs. 2 ZGBRF vor allem speziellere Normen des Privatrechts selbst gemeint seien, die auf die öffentlich-rechtlichen Entitäten auf Grund von deren Organisation nicht anwendbar seien, wie z. B. in Bezug auf Bildung und Entstehung, Gründungspapiere, Reorganisation juristische Personen etc. Insofern gelten Besonderheiten.635 Eine Überlagerung privatrechtlicher Normen durch öffentlich-rechtliche Bindungen des wieder andere gehen von spezieller (special’naja) – vgl. Krycula, Pravo i gosudarstvo: teorija i praktika 2010, Nr. 2 – oder zielgerichteter (celevaja) Rechtsfähigkeit aus; vgl. Suchanov, Vestnik grazˇ danskovo prava 2011, Nr. 2. 631 VerfGRF, B. v. 01. 10. 1998, Nr. 168; das VerfGRF weist ebenfalls bereits in die – aus der hier vertretenen Sicht – richtige Richtung, wenn es die öffentlich-rechtliche Natur des Staates und seiner Organe betont, die eben auch bei privatrechtlichem Handeln vorhanden sei; vgl. VerfGRF, B. v. 04. 12. 1997, Nr. 139. 632 In diese Richtung wohl Vasil’eva, Servisnoe gosudarstvo, S. 138. 633 Zudem ist zu beachten, dass dem Staat gerade im Rahmen unternehmerischer Tätigkeit einige Privilegien, aber auch besondere Pflichten abverlangt werden. Als Beispiel gilt das Vergaberecht, das dem Staat keine Privatautonomie zugesteht. Das Gesetz selbst hält das Prinzip der Gleichheit also nicht durch. 634 So klagte ein Unternehmen vor dem VerfGRF, weil ihm von verschiedenen Wirtschaftsgerichten (arbitraznyj sud) unter Verweis auf Art. 124 Abs. 2 ZGBRF fällige Schadensersatzzahlungen durch den Staat verweigert worden waren. Der Kläger machte eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 8 Abs. 2, 18, 19 Abs. 1, 35 und 46 Abs. 1 VerfRF mit der Begründung geltend, die Auslegung des Art. 124 Abs. 2 ZGBRF durch die Gerichte und die daraus resultierende Befreiung des Staates von seiner Zahlungspflicht seien verfassungswidrig; vgl. die Ausführungen des VerfGRF, U. v. 05. 07. 2005, Nr. 297. Die Vorinstanzen hatten geurteilt, der Staat habe als besonderes Subjekt des Privatrechts im Falle unzureichender Budgetmittel als nicht schadensersatzpflichtig zu gelten, da andernfalls das Budget überprüft werden müsse und eine unbestimmte Anzahl an Personen zu Schaden käme. Das VerfGRF wies die Klage hingegen unter Hinweis auf die Verfassungsmäßigkeit der Norm selbst ab: Das Gesetz selbst erkläre ungenügende Haushaltsmittel des Staates nicht zu „Besonderheiten“ im Sinne der Norm. Schließlich prüft das VerfGRF nur die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen, nicht dagegen die Auslegung durch die einfachen Gerichte oder die Verwaltung. Allerdings hat das VerfGRF schon mehrmals eine Art verfassungskonforme Auslegung angeordnet. 635 VerfRF, U. v. 05. 07. 2005, Nr. 297.
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Staates – insbesondere durch die Grundrechte – deutet das Verfassungsgericht in keiner Weise an.636 Auch die zivilrechtliche Literatur betont, dass die Besonderheit des Staates (nur) in seiner Entstehung und Existenz bestehe. Sie wirke sich nicht auf die Beziehung zu anderen Teilnehmern des Privatrechtsverkehrs aus. Die Beziehungen dürften nicht verändert werden. Insbesondere dürfe es nicht zu gemischten Beziehungen mit Elementen der Unterordnung kommen.637 Im Ergebnis wird zwar der absoluten Gleichstellung des Staates mit den juristischen Personen widersprochen. Doch ändert dies gerade nichts an der dieser Annahme zu Grunde liegenden „Gesellschaftlichkeit“ des fiskalisch handelnden Staats. (6) Zwischenergebnis Letztlich hinterlässt die Fiskustheorie deutliche Spuren in der Argumentation der Rechtsprechung und der Literatur. Auch die Gesetzeslage weist Elemente der Vorstellung der „Doppelgesichtigkeit“ des Staates auf. Der fiskalisch handelnde Staat wird zunächst der gesellschaftlichen Sphäre zugeordnet. Dabei wird diese Linie jedoch nicht konsequent und konsistent gezogen. Vielmehr scheint sie lediglich unbewusst vorausgesetzt zu werden, was zu einem widersprüchlich anmutenden Umgang mit dem Staat in Zivilrechtsbeziehungen führt. So deutet Art. 124 Abs. 2 ZGBRF selbst an, dass der Staat sein hoheitliches Gewand nie ganz verlässt. Dies führt aber nicht zu einer Gleichstellung des Bürgers, sondern vielmehr zu einer Besserstellung des Staates. Doch darf der besondere Charkater des Staates unmöglich zu einer einseitigen Benachteiligung des Bürgers führen, dem der Staat quasi wie ein „Erster unter Gleichen“ begegnet. Im Ergebnis wird damit auf den ersten Blick klassischerweise tatsächlich auf die öffentlich-rechtliche Handlungsform als Kriterium für die Zuordnung eines Rechtssubjekts zur staatlichen Sphäre abgestellt: Es scheint, als handle der Staat zur Erfüllung seiner Aufgaben hoheitlich und sei nur in dieser Tätigkeit der staatlichen Sphäre zugehörig. b) Die jüngeren Entwicklungen und das Aufbrechen der bisherigen Traditionen aa) Das privatrechtliche Handeln in der staatlichen Sphäre und die Wahlfreiheit bei der Handlungsform Der Frage nach der Form der Verwaltungstätigkeit wird in der russischen Rechtswissenschaft nicht allzu viel Aufmerksamkeit geschenkt. Auch im Verwaltungsrecht wurde bisher keine einheitliche Doktrin entwickelt.638 Zudem fehlen gesetzliche Regelungen, die sich mit den Voraussetzungen, der Beseitigung und den 636
Allerdings wird gerade an dem beschriebenen Fall deutlich, wie notwendig die Überlagerung mit öffentlich-rechtlichen Normen ist, nimmt der Staat doch eine Sonderposition ein und darf sich nicht so wie ein echter Privater verhalten; vgl. auch § 6 B. I. 637 Suchanov, Grazˇ danskoe pravo 1994, S. 107. 638 Vgl. Pucˇ kova, Administrativnoe, S. 317.
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Handlungsformen der Verwaltung als solchen befassen.639 Allerdings hat sich seit der Verwaltungsrechtsreform der Jahre um 2006 durch die Einführung der staatlichen Dienstleistungen (gosudarstvennye uslugi) viel verändert.640 Die Leistungsverwaltung rückt immer mehr in den Blickpunkt und mit ihr die Frage nach der Zulässigkeit privatrechtsförmiger Verwaltungstätigkeit.641 Zumindest setzt sich langsam die Einsicht durch, dass die Theorie der Sowjetzeit, die sich primär mit der Eingriffsverwaltung beschäftigte, der Ergänzung bedarf. Mittlerweile wird vertreten, dass die staatlichen Dienste sowohl auf Grundlage öffentlich-rechtlicher als auch privatrechtlicher Mechanismen erfolgen können.642 Einige Autoren gehen von der Möglichkeit verschiedener Handlungsformen aus bzw. nehmen verschiedene Regelungsmöglichkeiten der Beziehungen zwischen den „leistenden“ Staatsorganen und den privaten Abnehmern an.643 Dabei wird sogar die souveräne Verwaltung, die durch das Öffentliche Recht reguliert wird, von derjenigen mit privatrechtlichen Handlungsformen unterschieden.644 Besagte Handlungsformen seien zwar durch zivilrechtliche Normen geprägt, könnten aber dennoch zur Erfüllung von Verwaltungsaufgaben herangezogen werden.645 Andere Literaturstimmen suchen einen Mittelweg: Sie lehnen die Anwendung der Methoden des Privatrechts bei der Regulierung der Erbringung öffentlicher Dienste zwar nicht völlig ab; sie bemerken aber, dass es sich hierbei um öffentlich-rechtliche Beziehungen und trotz des privatrechtlichen Begriffs der „Dienstleistung“ um öffentlich-rechtliche Dienste handle. Daher sollten privatrechtliche Methoden die absolute Ausnahme darstellen.646 Die für das Privatrecht charakteristische Dispositionsfreiheit oder Vertragfreiheit seien dem Öffentlichen Recht und damit der Verwaltung schließlich gerade in Bezug auf die Preisgestaltung fremd.647 Wird die Verwaltung in Privatrechtsform nunmehr zunehmend wenigstens für zulässig erachtet,648 fordert Vasil’eva nicht nur die Wahlfreiheit für die Verwaltung,649 sondern betont dabei, dass die Wahl des Privatrechts nicht zu einer Selbstbefreiung von der Verantwortung für die Erbringung von 639
Vgl. Vasil’eva, Servisnoe gosudarstvo, S. 132. Siehe zur Reform Narysˇkina/Chabrievoj (Hrsg.), Administrativnaja reforma; vgl. jüngst Lebedeva, administrativnoe pravo i process 2017, Nr. 9. 641 Vasil’eva, Servisnoe gosudarstvo, S. 133. 642 Belickaja, Predprinimatel’skoe pravo 2010, Nr. 2. 643 Chabrieva, in: Chabrieva/Nozdracˇ ev/Tichomirov (Hrsg.), Administrativnaja reforma, S. 25; Kiselev, Zakony Rossii, opyt, analiz, praktika 2007, Nr. 6, S. 15. 644 Bachrach/Rossinskij/Starilov (Hrsg.), Administrativnoe pravo, S. 345; Chabrieva, in: Chabrieva/ Nozdracˇ ev/Tichomirov (Hrsg.), Administrativnaja reforma, 25. 645 Starilov, Kurs obsˇcˇ ego administrativnogo prava, S. 219. 646 So ausdrücklich auch Bogdanova, Osusˇcˇ estvlenie gosudarstvom prava sobstvennosti, S. 76. 647 Putilo, Zˇ urnal possijskogo prava 2007, Nr. 6. 648 Belickaja, Predprinimatel’skoe pravo 2010, Nr. 2; Teresˇcˇ enko, Teresˇcˇ enko, Administrativnaja reforma, S. 74. 649 Vasil’eva, Servisnoe gosudarstvo, S. 138 f.; dies., Zˇ urnal rossijskogo prava 2007, Nr. 12. 640
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Dienstleistungen führen dürfe.650 Damit müssten nach Vasil’eva auch die Grundsätze des Verwaltungsprivatrechts aus dem deutschen Recht übernommen werden. bb) Die Infragestellung der Gleichstellung des Fiskus als gesellschaftliche Seite des Staates mit dem Bürger Die völlige Gleichstellung des privatrechtlich handelnden Staats mit den Subjekten des Privatrechts und damit die Zugehörigkeit des fiskalisch tätigen Staats zur gesellschaftlichen Sphäre werden zunehmend bestritten:651 Der Staat lege seine Machtbefugnisse nicht ab, sobald er auf der „Gleichordnungsebene“ mit Privaten auftrete.652 Das Vorliegen öffentlich-rechtlicher Elemente in der Privatrechtsfähigkeit des Staates dürfe nicht geleugnet werden, da ein Missbrauch zum Schaden Privater führen könne. Von Gleichheit könne man angesichts der Ausstattung staatlicher Organe und staatlicher Einrichtungen mit Machtbefugnissen und ihrer Monopolposition in verschieden Bereichen nicht sprechen.653 Rechtlich stehe der Staat zwar mit Privatpersonen auf einer Stufe, tatsächlich aber sei er ihnen weit überlegen.654 Bei ungleichen Positionen von zwei Personen sei eine vertragliche Gestaltung der Rechtsbeziehung ohne Kompensation der schwächeren Seite jedoch sinnlos.655 Die erkannte Asymetrie führt dabei zu unterschiedlichen Reaktionen. (1) Der Rückzug des Staates aus der wirtschaftlichen Tätigkeit Teilweise wird aus der besonderen Rechtsfähigkeit der öffentlich-rechtlichen Gebilde gefolgert, dass jene nicht unternehmerisch tätig sein könnten.656 Die „Gesellschaftlichkeit“ staatlicher Gebilde und Organe im Privatrechtsverkehr wird damit bestritten. Anders als die Verfechter der juristischen Person des Öffentlichen Rechts wünschen diese Stimmen, die sich gegen die unternehmerische Tätigkeit der öffentlich-rechtlichen Gebilde aussprechen, gerade keine Vermischung kommerzieller
Vasil’eva, Zˇ urnal rossijskogo prava 2007, Nr. 12. Tokareva, Grazˇ danskoe pravo 2011, Nr. 3; bezüglich der fehlenden vertraglichen Gleichheit insbesondere Gongalo, Civilisticˇ eskie zapiski, S. 75 ff., 80. 652 Tokareva, Grazˇ danskoe pravo 2011, Nr. 3, auch zum Folgenden. 653 Putilo, Zˇ urnal possijskogo prava 2007, Nr. 6. 654 ˇ Cirkin, Civilist 2013, Nr. 2, S. 33; er spricht sich insbesondere für Erschwernisse vor Gericht aus. Zu bedenken ist hierbei, dass Cˇ irkin bei der Figur der juristischen Person des Öffentlichen Rechts Staatsorgane vor Augen hat. Er wendet sich damit insbesondere gegen den Ansatz der Fiskustheorie und will den besonderen Status und die besonderen Verpflichtungen hervorkehren. Tokareva, Grazˇ danskoe pravo 2011, Nr. 3, deutet insbesondere darauf hin, dass der Staat als Souverän faktisch immer ein besonderes Subjekt sei, auch wenn er formal-juristisch dem Bürger total gleichgestellt werde. 655 Putilo, Zˇ urnal possijskogo prava 2007, Nr. 6. 656 Sadrieva, Aktual’nye problemy Rossijskogo prava 2013, Nr. 1. 650 651
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und hoheitlicher Tätigkeit in einer Person.657 Der Staat sei „einfach nicht gemacht für die Rolle als gleichberechtigter Teilnehmer kommerzieller Beziehungen. Vielmehr sollte er über diesen stehen wie der Kindergärtner im Kindergarten, er sollte die Regeln aufstellen und ihre Einhaltung überwachen und dabei nicht selbst Partei sein.“658 (2) Die Verbesserung der Umsetzung des Gleichheitsprinzips Andere Autoren möchten an der Zivilrechtsfähigkeit des Staates und dem rechtlichen Gleichordnungsprinzip festhalten. Sie möchten den faktischen Schwierigkeiten, den Staat „in die Gesellschaft zu ziehen“, durch die Anpassung rechtlicher Mechanismen an die Rechtswirklichkeit begegnen.659 Angesichts der realen Übermacht des Staates soll die Stellung und „Chancengleichheit“ des Bürgers „künstlich“ durch Privilegien verbessert werden. Insbesondere sollen die Gerichtsprozesse an die ungleichen Ausgangspositionen angepasst und die Prozesskodexe durch besondere bürgerschützende Vorschriften ergänzt werden. (3) Das Aufbrechen der rechtlichen Gleichheit des Staates in Zivilrechtsbeziehungen Im Vordringen befindlich ist der Ansatz, der mit der faktischen auch die rechtliche Gleichstellung von Staat und Bürger ablehnt. Denn die fiskalische Tätigkeit könne nicht (mehr) von der Verwaltungstätigkeit getrennt werden.660 Folglich müsse dem Staat, der niemals Teil der Gesellschaft werden könne, die Privatautonomie versagt werden.661 Jedenfalls solle nicht weiter an der Fiskustheorie gearbeitet werden. Vielmehr müsse den Besonderheiten des Staates Rechnung getragen werden, und zwar gerade mit Hilfe öffentlich-rechtlicher Elemente.662 Vasil’eva legt in Rezeption der deutschen Lehre nahe, den Staat auch bei privatrechtlichem Handeln an öffentlich-rechtliche Normen zu binden.663 Doch muss auch die Figur der juristischen Person des Öffentlichen Rechts in diesem Zusammenhang gesehen werden. Sie soll gerade geschaffen werden, um den negativen Auswirkungen der Fiskustheorie entgegenzuwirken. Bisher traten die Staatsorgane im Zivilrechtsverkehr wie juristische Personen des Privatrechts auf. Dieser auf die Fiskustheorie zurückgehende 657 Die Verfechter der juristischen Person des Öffentlichen Rechts wollen diese einführen, um beides zu ermöglichen. 658 Zelenskij, Predprinimatel’skoe pravo 2009, Nr. 3; Bogdanova, Osusˇcˇ estvlenie gosudarstvom prava sobstvennosti, S. 76 ff., fordert zwar nicht die Zurückdrängung des Staates aus dem Privatrechtsverkehr, stellt einen Rückzug des Staates aus dieser Sphäre aber fest und begrüßt ihn. 659 Tokareva, Grazˇ danskoe pravo 2011, Nr. 3, auch zum Folgenden. 660 Vasil’eva, Zˇ urnal rossijskogo prava 2007, Nr. 12. 661 Vasil’eva, Servisnoe gosudarstvo, S. 137. 662 Golubcov, Zˇ urnal possijskovo prava 2010, Nr. 10. 663 In diese Richtung Vasil’eva, Servisnoe gosudarstvo, S. 138.
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Ansatz soll mit der juristischen Person des Öffentlichen Rechts überwunden werden, sei es, indem man Staatsorgane selbst zu juristischen Personen des Öffentlichen Rechts erhebt oder neue „Zwitterfiguren“ wie modifizierte staatliche Korporationen664 oder eben öffentlich-rechtliche Kompanien dazwischenschaltet. Auf Grund ihrer Doppelnatur665 können den juristischen Personen des Öffentlichen Rechts jedenfalls zusätzliche Belastungen öffentlich-rechtlicher Natur aufgebürdet werden.666 Sobald sie in Vermögensbeziehungen eintreten, sollen für sie die Beschränkungen gelten, die auf Staatsorgane Anwendung finden, wie das Vergabeverfahren oder die Unzulässigkeit unternehmerischer Tätigkeit, die auf der Grundlage von exklusiven Vollmachten beruht.667 c) Zusammenfassung und Stellungnahme Was das per se privatrechtliche fiskalische Handeln des Staates betrifft, so wird die Fiskustheorie insofern noch zugrunde gelegt, als der Staat zwar nicht mehr in zwei getrennten Personen, aber wohl in zwei Rollen auftritt. Dabei wird der fiskalisch handelnde Staat gewissermaßen der gesellschaftlichen Sphäre zugeschrieben. Allerdings wird die Besonderheit des Staates auch in zivilrechtlichen Beziehungen durchaus anerkannt. Noch wird diese aber eher in besonderen Privilegien, denn in besonderen Pflichten oder Begrenzungen gesehen. Doch wird die Gleichheit des Staates und der Bürger immer mehr bezweifelt. Letztlich werden aus der faktischen Ungleichheit Schlussfolgerungen mit unterschiedlichen Schwerpunkten gezogen: Der erste Ansatz lehnt die Privatrechtsfähigkeit des Staates ab oder will sie wenigstens einschränken. Einem anderen Ansatz zufolge soll an dem Gleichheitspostulat festgehalten werden, die faktische Ungleichheit der rechtlichen Gleichheit aber angepasst werden, indem die Situation der Bürger verbessert wird. Die dritte Richtung lehnt die rechtliche Gleichheit des Staates ab und will auch den fiskalisch handelnden Staat durch besondere öffentlich-rechtliche Pflichten einerseits und der Einschränkung seiner Privatautonomie andererseits begrenzen. Bezüglich des privatrechtsförmigen Verwaltungshandelns im Sinne der Erfüllung von Verwaltungsaufgaben ist dieses Feld so gut wie nicht untersucht,668 auch wenn es neuerdings einige, meist indirekt oder nur am Rande formulierte Tendenzen gibt, die privatrechtsförmig handelnde Verwaltung anzuerkennen. Entsprechend ist nicht klar, unter welchen Voraussetzungen die Verwaltung zum Privatrecht greifen darf. Auch die Frage nach einer Formenwahlfreiheit ist kaum erforscht.669 Daher wird die vertiefte Auseinandersetzung mit privatrechtlichen Verwaltungsformen sowie mit 664 665 666 667 668 669
Vgl. Leskova, Adminisrativnoe i municipal’noe pravo 2012, Nr. 2. Vinnickij, Pravo i politika 2011, Nr. 3. ˇ irkin, Civilist 2013, Nr. 2, S. 33. C Vinnickij, Pravo i politika 2011, Nr. 3. Bachrach/Rossinskij/Starilov (Hrsg.), Administrativnoe pravo, S. 35 ff. Vasil’eva, Servisnoe gosudarstvo, S. 135, auch zum Folgenden.
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Erfahrungen aus dem Ausland, gerade aus Deutschland,670 für notwendig erachtet, weil sich in Russland noch keine Dogmatik herausgebildet habe.671 Noch hält die wohl überwiegende Mehrheit der Autoren aber daran fest, dass die Verwaltung ihre Aufgaben mit den Mitteln des Öffentlichen Rechts erfüllen solle. Grundsätzlich stehen zwei Entwicklungswege für Russland offen: Entweder bleibt man bei einer strengen Trennung der Rechtssphären und verbietet Staatsorganen strikt die privatrechtlichen Instrumentarien zur Erfüllung von Verwaltungsaufgaben. In diesem Fall ist es sinnvoll, zum einen das Institut des öffentlichrechtlichen Vertrages weiter auszubauen und zum anderen privat(rechtlich)e Personen zu gründen, denen privatrechtliche Tätigkeiten des Staates übertragen werden. Die „russische Variante der Zweistufentheorie“, d. h. der Einbau einer künstlichen öffentlich-rechtlichen Stufe für die Staatsorgane, durch welche die Hauptentscheidung des „Ob“ und die Grundzüge des „Wie“ einer Handlung den nachgelagerten ausführenden Organen vorgegeben werden können, fügt sich in dieses Konzept gut ein. Auch die juristische Person des Öffentlichen Rechts als Zwitterwesen entspricht diesem Konzept. Alternativ könnte der deutsche Weg beschritten und der Verwaltung, d. h. bereits den Staatsorganen, gestattet werden, zwischen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Instrumentarien zu wählen. Für diesen Fall sollte die Geltung der öffentlich-rechtlichen Bindungen aber unbedingt auf privatrechtliche Handlungsweise erstreckt werden. Wenig zielführend erscheint es dagegen, sowohl die Wahlfreiheit mitsamt Verwaltungsprivatrecht zu fordern und gleichzeitig die Zweistufentheorie und den öffentlich-rechtlichen Vertrag zu propagieren. Wenn die Verwaltung unter Zugrundelegung der Formenwahlfreiheit und des Verwaltungsprivatrechts unabhängig von der Handlungsform durch öffentlich-rechtliche Normen gebunden ist, dann ist die Entwicklung und Kodifizierung eines öffentlich-rechtlichen Vertrages ebenso überflüssig wie die Einführung einer Zweistufentheorie, durch welche die wesentlichen Entscheidungen dem Öffentlichen Recht und damit der Bindung unterworfen würden.672 Angesichts der russischen Rechtstradition und im Zeichen der Klarheit wäre eine strikte Trennung der Rechtsbereiche, d. h. die erste Variante zu empfehlen. Auch wenn die Handlungsform noch oft als trennendes Element verstanden und die privatrechtliche Handlungsform damit zum Zuweisungskriterium für die gesell670
S. 1. 671
Das betonen Chabrieva/Nozdracˇ ev/Tichomirov (Hrsg.), Administrativnaja reforma,
Bachrach/Rossinskij/Starilov (Hrsg.), Administrativnoe pravo, S. 35 ff. Selbst in Deutschland verengt sich die Bedeutung der Zweistufentheorie auf den Einwirkungsanspruch des öffentlich-rechtlichen Trägers auf juristische Personen des Privatrechts in bestimmten Konstellationen. Diese Überlegungen liegen dem Vorschlag der Übertragung der Zweistufentheorie auf das russische Recht aber genauso wenig zu Grunde wie das Streben nach prozessualen Auswirkungen. Für das allein verfolgte Ziel der Bindung des privatrechtlich handelnden oder organisierten Staates an öffentlich-rechtliche Bindungen spielt die Zweistufentheorie keine Rolle. Siehe hierzu auch unter Fn. 616 sowie eingehend unter § 7 B. II. 672
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schaftliche Sphäre erhoben wird, ist es allerdings angesichts der „Verwischungen und Verwirrungen“ im Ergebnis zu empfehlen, die Unterscheidung ganz aufzugeben und die privatrechtliche Sphäre für die staatliche Verwaltung zu öffnen. Eine Wahlfreiheit der Handlungsform für die öffentlich-rechtlich organisierte Verwaltung, d. h. die Staatsorgane, erscheint indes nicht zwingend nötig. Vielmehr wird eine Ausweitung privatrechtlicher Organisationsformen der Verwaltung befürwortet, die entsprechend privatrechtlich handeln darf. Allerdings müssen die öffentlich-rechtlichen Bindungen – insbesondere verfassungsrechtliche Prinzipien wie der Gleichheitssatz oder der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz – auch für die privatrechtsförmig handelnde Verwaltung ausnahmslos gelten.673 2. Die Handlungsformen „Privater“ Selbst wenn der Staat privatrechtlich handeln darf, könnte die hoheitliche Handlungsform ein hinreichendes, wenn auch nicht notwendiges Merkmal der Staatlichkeit sein. Wie in Deutschland würde zwar nicht jeder staatliche Akteur hoheitlich handeln, aber jeder hoheitlich Handelnde wäre staatlicher Akteur. Diese These geriete aber ins Wanken, wenn echte Private mit Hoheitsbefugnissen ausgestattet werden könnten, ohne dadurch wenigstens partiell zum „Staat“ bzw. der „Verwaltung“ zu werden. a) Die Gesetzeslage Grundsätzlich sind nur Staatsorgane mit Machtfunktionen ausgestattet. Die Verfassung sieht keine Übertragung von Hoheitsbefugnissen vor, verbietet sie aber auch nicht.674 Eine Übertragung hoheitlicher Befugnisse auf Wirtschaftssubjekte (chosjajstvujusˇcˇ ie sub’’ekty) war nach russischem Wettbewerbsrecht675 hingegen lange ausnahmslos676 verboten.677 Seit den Neufassungen des Gesetzes über den Konkurrenzschutz ist die Übertragung von Machtbefugnissen auf Wirtschaftssubjekte nach Art. 15 Abs. 3 KSGRF zwar immer noch grundsätzlich unzulässig. Allerdings können durch föderale Gesetze, Erlasse des Präsidenten und Verordnungen der Regierung Ausnahmen zugelassen werden. Zudem können Machtbefugnisse, insbesondere der Kontrolle und Überprüfung, auf Wirtschaftssubjekte übertragen werden, wenn dies im Gesetz über die Staatskorporation „Rosatom“678 oder „OlVasil’eva, Zˇ urnal rossijskogo prava 2007, Nr. 12. Romanovskaja, Vestnik Permskogo universiteta. Juridicˇ esie nauki 2017, Nr. 2. 675 KSGRF. 676 So die alte Fassung des Art. 7 Abs. 3 KSGRF a.F.; mittlerweile hat Art. 7 seine Geltung verloren. 677 Die sog. Barriere der Übertragung von Machbefugnissen auf private Subjekte; vgl. Babeljuk, in: Gricenko/Sˇ evelevoj (Hrsg.), Publicˇ nye uslugi, S. 51. 678 Vgl. Rosatom-GRF. 673 674
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impstroj“679 oder „Roskosmos“680 vorgesehen ist. Entsprechend wurden Rosatom in einem gesonderten Gesetz ausdrücklich Machtbefugnisse verliehen.681 Zudem ist in Art. 16.1. ZGBRF vorgesehen, dass Schäden, die von Amtsträgern oder „anderen Personen, denen vom Staat Machtbefugnisse übertragen wurden“, der Kompensation unterliegen.682 Neuerdings kann nach Art. 2 Abs. 1 ÖRKGRF auch die öffentlichrechtliche Kompanie mit Hoheitsbefugnissen ausgestattet werden. Dabei ist unklar, ob die öffentlich-rechtliche Kompanie, die im ZGBRF als eine Unterart der nichtkommerziellen Organisation geregelt ist, als „Privater“ angesehen werden kann, oder ob sie schon allein wegen ihrer Rechtsform als juristische Person des Öffentlichen Rechts einzuordnen683 und per se der staatlichen Sphäre zuzuschreiben ist. Faktisch waren bereits vor den genannten Gesetzesänderungen immer wieder Machtbefugnisse auf Wirtschaftssubjekte übertragen worden. Die Verwaltung Krasnojarsk etwa hatte einem unitarischen Betrieb in Bezug auf Bestattungen sämtliche Aufgaben und Funktionen der kommunalen Selbstverwaltung – darunter auch Kontroll- und Verfügungsbefugnisse (kontrol’no-pasporjaditel’nye) – übertragen. Letztlich stellte das Plenum des höchsten Wirtschaftsgerichts Russlands zwar einen Verstoß der Administration gegen das damals geltende KSGRF fest. Doch hatten zuvor drei Instanzen die Maßnahmen der Administration für rechtmäßig befunden und die Anordnungen aufgehoben, die der Antimonopoldienst wegen Verletzung von Art. 7 KSGRF a.F. getroffen hatte.684 b) Die Rechtsprechung zur Übertragung von Hoheitsbefugnissen aa) Grundsatz und Ausnahme In einer sehr frühen Entscheidung aus dem Jahr 1998 hatte das VerfGRF eindringlich betont, dass gemäß Art. 34 Abs. 1 VerfRF im Bereich der Verwaltung die Vermischung hoheitlicher und unternehmerischer Tätigkeit, die auf systematische Gewinnerzielung gerichtet ist, verboten sei und Wirtschaftssubjekten keine Machtbefugnisse übertragen werden dürften.685 Als in einem anderen Fall die De679
SBOOESS-GRF. Roskosmos-GRF. 681 Vgl. Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 297 ff. 682 Eine Sonderstellung nehmen dabei die Selbstverwaltungsorganisationen ein, die teilweise berechtigt sind, hoheitlich zu handeln. Dazu näher unten § 2 C. II. 2. b) bb). 683 Für eine Einordnung als juristische Person des Öffentlichen Rechts Serova u. a., Kommentarij, Art. 1. 684 Präsidium OArbGRF, U. v. 23. 09. 2008, Nr. 12027/07, zur Sache Nr. A33-9227/2006, zitiert nach Garant. 685 VerfGRF, B. v. 01. 10. 1998, Nr. 168: „Nach dem Sinn der Verfassung der RF (Art. 34 Teil 1), kann ein und dieselbe Person nicht eine hoheitliche Tätigkeit in der Sphäre der staatlichen und kommunalen Verwaltung und eine unternehmerische Tätigkeit, die auf systematische Gewinnerzielung gerichtet ist, in sich vereinigen. Die genannte Verfassungsbestimmung […] verbietet die Vermischung der Funktionen der Föderalen Organe der ausführenden 680
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legation von Hoheitsbefugnissen von Staatorganen auf nicht-staatliche Subjekte als Verstoß gegen Art. 3 und 11 VerfRF angegriffen wurde, führte das VerfGRF allerdings unter Berufung auf Art. 78, 132 Abs. 2 und 120 VerfRF aus, dass die Verfassung nicht „die Übertragung von Befugnissen der exekutiven Staatsorgane auf nicht-staatliche Organisationen [verbietet], die sich an der Erfüllung einzelner Funktionen der öffentlichen Gewalt beteiligen.“686 Das VerfGRF hält zwar daran fest, dass privatrechtliche Subjekte grundsätzlich nicht über öffentlich-rechtliche, d. h. hoheitliche Funktionen verfügen.687 Eine Übertragung von Machtbefugnissen unabhängig von der viel diskutierten Frage um die juristische Person des Öffentlichen Rechts auf Private hält es dennoch für möglich. Nur der Verfassungsrichter Kononov hielt eine Delegation von hoheitlichen Befugnissen in seinem Sondervotum für ausgeschlossen.688 Auch im Jahr 2015 wurde die Übertragung von Hoheitsbefugnissen auf Private für zulässig erachtet.689 Eine Gesamtschau verschiedener Urteile legt letztlich nahe, dass die Übertragung von Machtbefugnissen auf unternehmerisch handelnde Personen bzw. kommerzielle Organisationen grundsätzlich unzulässig ist, während nicht-kommerziellen juristischen Personen einzelne Hoheitsbefugnisse des Staates übertragen werden können.690 Interessant ist das Sondervotum zu einem Urteil des VerfGRF aus dem Jahr 2016691 von Verfassungsrichter Gadzˇiev. Er hält eine Übertragung von Machtbefugnissen auf Private zwar grundsätzlich für zulässig. Doch betont er das Demokratieprinzip und fordert eine demokratische Legitimation der Übertragung.692 bb) Die Frage der Staatlichkeit der Privatrechtssubjekte mit Hoheitsbefugnissen Fraglich ist, ob die Organisationen bzw. Personen, denen staatliche Hoheitsbefugnisse übertragen werden, privat bleiben oder ob die Ausstattung mit HoheitsGewalt, der Organe der ausführenden Gewalt der Subjekte der RF und der Organe der kommunalen Selbstverwaltung mit Funktionen von Wirtschaftssubjekten sowie die Ausstattung von Wirtschaftssubjekten mit Funktionen und Rechten der genannten Organe.“ 686 VerfGRF, U. v. 19. 05. 1998, Nr. 15, in: GSRF 1998/22/2491; dieses Urteil war Anlass für die Ansicht, welche die staatlichen Korporationen in das System der Verwaltung integrieren will. 687 VerfGRF, U. v. 19. 12. 2005, Nr. 12, GSRF 2006/3/335, auch zum Folgenden. 688 Vgl. Sondervotum zu VerfGRF, U. v. 19. 12. 2005, Nr. 12, GSRF 2006/3/335. 689 VerfGRF, U. v. 15. 09. 2015, Nr. 1838. 690 Allerdings wird kritisch angemerkt, dass die Selbstverwaltungskörperschaften von Personen gebildet werden, die ihrerseits auf Gewinnerzielung ausgerichtet seien; auch die Übertragung von Hoheitsbefugnissen an staatliche Korporationen sei kritisch; Dement’ev, Konstitucionnoe i municipal’noe pravo 2016, Nr. 7. 691 VerfGRF, U. v. 31. 05. 2016, Nr. 14. 692 Sondervotum des Verfassungsrichters Gadzˇiev zu VerfGRF, U. v. 31. 05. 2016, Nr. 14.
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befugnissen sie zum Teil des Staates werden lässt. Die Entscheidungen des VerfGRF hierzu sind widersprüchlich. Einerseits ist die Rede davon, dass angesichts der bereits durchgeführten Verwaltungsreform staatliche Funktionen Privaten übergeben und in diesem Zusammenhang auch die hoheitlichen Befugnisse privatisiert werden sollten.693 Andererseits sind es nach der Rechtsprechung des VerfGRF gerade die öffentlich-rechtlichen Befugnisse, die dazu führen, dass etwa die Selbstverwaltungskörperschaften694 in das staatliche System integriert sind.695 Letztere weisen laut VerfGRF eine Doppelnatur auf:696 Zum einen seien sie organisationsrechtlich als nicht-kommerzielle Organisationen des Privatrechts verfasst und gehörten der bürgerlichen Gesellschaft an, die es laut VerfGRF gerade durch die Möglichkeit der Selbstverwaltung zu stärken gilt.697 Zum anderen erwerben sie mit Eintragung in das Register der Selbstverwaltungsorganisationen einen öffentlich-rechtlichen Status.698 Völlig zutreffend kritisiert Kononov in seinem Sondervotum daher die Position des Plenums:699 In der Delegation staatlicher Hoheitsbefugnisse auf eine Organisation, die durch die Übertragung selbst Teil des staatlichen Systems werde, sei gerade keine Deregulierung zu sehen. Es handele sich um keine Privatisierung, sondern um eine Ausdehnung der staatlichen Sphäre, um eine Verstaatlichung.700 Auch Petrov hält die Forderung nach Selbstverwaltungsorganisationen mit hoheitlichen Befugnissen für die fehlgeleitete Schaffung eines neuen Staatsorgans im Rahmen der staatlichen Regulierung.701 Andere erblicken in den Selbstverwaltungsorganisationen „quasistaatliche“ Subjekte oder juristische Personen des Öffentlichen Rechts.702 Tatsäch693
Vgl. VerfGRF, U. v. 19. 12. 2005, Nr. 12, GSRF 2006/3/335. Die Selbstverwaltung ist bis heute höchst umstritten; vgl. Romanovskaja, Vestnik Permskogo universiteta. Juridicˇ esie nauki 2017, Nr. 2; vgl. statt vieler auch jüngst Alrazina, Gosudarstvennaja vlast’ I mestnoe samoupravlenie 2017, Nr. 1. 695 VerfGRF, U. v. 19. 12. 2005, Nr. 12, GSRF 2006/3/335. 696 VerfGRF, U. v. 19. 12. 2005, Nr. 12, GSRF 2006/3/335. 697 „Das verfassungsrechtliche Prinzip des demokratischen Rechtsstaats und das von der Verfassung der RF garantierte Recht auf wirtschaftliche Tätigkeit setzen die Entwicklung der für die Bildung der Zivilgesellschaft erforderlichen Anfänge der Selbstverwaltung und Autonomie in der Wirtschaftssphäre, deren Erscheinung die Gründung von Selbstverwaltungsorganisationen ist, und entsprechend die staatliche Stimulierung und Unterstützung der bürgerlichen/zivilgesellschaftlichen Aktivität in dieser Sphäre voraus“; vgl. VerfRF, U. v. 19. 12. 2005, Nr. 12, GSRF 2006/3/335 698 Zur Frage der Selbstverwaltungsorganisation als juristische Person des Öffentlichen Rechts vgl. Zˇ urina, Advokat 2009, Nr. 6. 699 Er verneint bereits, dass die Insolvenzverwalter hoheitliche Befugnisse innehaben. Der Verweis im U. v. 19. 12. 2005, Nr. 12, auf die Rechtsprechung zu den Notarskammern, (vgl. VerfGRF, U. v. 19. 05. 1998, Nr. 15, GSRF 1998/22/2491) sei unzutreffend. Denn die Befugnisse von Insolvenzverwaltern und Notarskammern unterschieden sich wesentlich; vgl. Sondervotum zu U. v. 19. 12. 2005, Nr. 12, GSRF 2006/3/335. 700 Eine Privatisierung kann darin gesehen werden, dass der Staat sich aus der direkten Kontrolle zurückzieht; vgl. Denisova, Pravovoj status samoreguliruemych organizacij. 701 Petrov, Grazˇ danskoe pravo 2013, N 1. 702 Statt aller Talapina, Gosudarstvo i pravo 2006, Nr. 5, S. 18. 694
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lich wird man das VerfGRF so verstehen müssen, dass die Übertragung von Machtfunktionen auf die Selbstverwaltungsorganisationen zu deren staatlichem bzw. partiell staatlichem Status führt.703 Fraglich ist allerdings, ob die Bewertung der Selbstverwaltungsorganisationen verallgemeinerungsfähig ist. Teilweise werden auf die staatlichen Korporationen die Grundsätze der Selbstverwaltungsorganisationen übertragen, bzw. sie werden Letzteren gleichgestellt.704 Beide Organisationen sind als nicht-kommerzielle Organisationen verfasst, auch wenn dieser Status der staatlichen Korporationen, die faktisch Gewinnerzielung betreiben, angezweifelt werden kann. Die Selbstverwaltungsorganisationen wurden durch die Administrationsreform gerade mit dem Ziel verstärkter Selbstregulierung im Bereich der Wirtschaft geschaffen.705 Auch dies würde auf die Korporationen zutreffen, so dass die Lösung des Problems, die Korporationen zumindest bei der Übertragung von staatlichen Befugnissen auf eine Stufe mit Selbstverwaltungsorganisationen zu stellen und zu öffentlich-rechtlichen Personen zu erklären,706 plausibel erscheint. Allerdings betont das VerfGRF immer wieder, dass der Gesetzgeber die Selbstverwaltungsorganisationen als autonome Privatrechtssubjekte nur ausnahmsweise mit Machtbefugnissen ausstatte. Die Selbstregulierung einer Berufsgruppe ist zudem ein historisch bedingtes Konstrukt, das auch dem Demokratiegedanken und dem Subsidiaritätsprinzip geschuldet ist und somit die Ausstattung mit Machtbefugnissen rechtfertigt. Diese Tätigkeit, die von sich selbst verwaltenden Bürgern ausgeübt wird, steht vor allem immer unter staatlicher Kontrolle.707 Die staatlichen Korporationen verwalten und kontrollieren hingegen keine Mitglieder. Sie stellen keine Regeln für ihre Berufsgruppe auf und werden nur unzureichend vom Staat kontrolliert. Sie sind weniger mit der Selbstverwaltungs703 Dafür spricht auch die Rechtsprechung des EGMR, der für die Einordnung eines Subjektes als Regierungsorganisation die Verwirklichung von staatlichen Befugnissen für wesentlich erachtet; vgl. EGMR, U. v. 23. 09. 2003, Nr. 53984/00 (Radio France und andere vs. Frankreich), § 26. Insoweit erinnert die Konstruktion stark an die deutsche Beleihung. Zu widersprechen ist daher Petrov, Grazˇ danskoe pravo 2013, Nr. 1, der nur Staatsorgane für fähig hält, hoheitlich zu handeln, und bezüglich Selbstverwaltungsorganisationen und den Mitgliedern nur von „öffentlich-rechtlicher Regulierung“ spricht. Selbst der EGMR sieht jene Selbstverwaltungskörperschaften als in die staatliche Struktur integriert an; vgl. EGMR, U. v. 03. 04. 2001 (Romanovskij vs. RF); hierauf beruft sich auch das VerfGRF; vgl. U. v. 19. 12. 2005, Nr. 12, GSRF 2006/3/335. 704 Die Ähnlichkeit liegt darin, dass beiden Machtbefugnisse übertragen werden können und für die Verleihung des staatlichen Status gerade nicht primär auf die gesetzliche Regulierung und Kontrolle abgestellt wird (vgl. VerfGRF, U. v. 19. 12. 2005, Nr. 2), die bei den Korporationen eben fehlen. 705 Vgl. VerfRF, U. v. 19. 12. 2005, Nr. 12, GSRF 2006/3/335, mit Verweis auf die staatlichen Akte. 706 Zu dieser Frage vgl. statt vieler Zˇ urina, Advokat 2009, Nr. 6. 707 „Dabei steht die entsprechende Tätigkeit der Bürger in jedem Fall unter staatlicher Kontrolle“; vgl. VerfRF, U. v. 19. 12. 2005, Nr. 12, GSRF 2006/3/335; hierbei ist allerdings nur die Tätigkeit der Organisation vom Staat kontrolliert, nicht die Tätigkeit der einzelnen Mitglieder mit Machtbefugnissen; vgl. SJPEUSKGRF.
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organisation als vielmehr mit deren Mitgliedern zu vergleichen. Letztere werden aber nicht als staatliche Stellen gesehen.708 c) Der Stand der Literatur Die Übertragung von Machtbefugnissen der Organe auf Privatrechtssubjekte ist in der russischen Literatur höchst umstritten.709 Anknüpfungspunkt der Diskussion sind meist die staatlichen Korporationen, die trotz ihres privatrechtlichen Status als nichtkommerzielle juristische Personen – de lege lata des Privatrechts – teilweise mit Hoheitsbefugnissen ausgestattet sind. Wird eine Übertragung von Hoheitsbefugnissen von einigen Literaturstimmen per se als verfassungswidrig abgelehnt, suchen andere die Lösung darin, die in Rede stehenden Rechtssubjekte auf Grund der faktischen Ausstattung mit Hoheitsbefugnissen zum Teil des Staates zu erklären. Dies kommt der Figur der Beleihung zwar nahe, trifft sie im Kern aber gerade nicht. Denn wie oben festgestellt wurde, liegt das Wesen der Beleihung gerade in der demokratischen Legitimationsentscheidung.710 Die Übertragung von Hoheitsbefugnissen auf Privatrechtssubjekte ist aber nicht an die demokratische Legitimation gekoppelt.711 aa) Die Verfassungswidrigkeit der Übertragung von Hoheitsbefugnissen Einige Literaturstimmen halten daran fest, dass die Handlungsformen des Öffentlichen Rechts dem Staat und seinen Organen vorbehalten seien. Hoheitliche Befugnisse seien nur für Staatsorgane charakteristisch.712 Weder sei es zulässig, hoheitliche Funktionen direkt „outzusourcen“,713 noch sei die Vermischung von Staatsorganen und Subjekten des Privatrechts möglich: Privatrechtssubjekte könnten und dürften niemals zu Organen werden oder den Organen gleichgestellt sein.714 Staatsmacht dürfe aber nur von den in der Verfassung genannten Organen ausgeübt werden.715 Al’chimenko hält daher die Rosatom für verfassungswidrig, da sie einigen Verfassungsprinzipien zuwiderlaufe. Harsche Kritik daran übt vor allem auch Lazarevkij, der die Vermischung von Hoheits- und Machtbefugnissen auf der einen und wirtschaftlichen Funktionen auf der anderen Seite als direkte, unmittelbare Verlet708
Sehr deutlich EGMR, U. v. 03. 04. 2012, Nr. 54522/00 (Kotov vs. RF). Vgl. Cygankov, E˙ Zˇ -Jurist 2012, Nr. 31. 710 Vgl. § 2 C. I. 2. b) dd). 711 Der Verfassungsrichter Gadzˇiev weist in seinem Sondervotum des Verfassungsrichters zu VerfGRF, U. v. 31. 05. 2016, Nr. 14 genau auf diesen Zusammenhang mit dem Demokratieprinzip hin. 712 Petrov, Grazˇ danskoe pravo 2013, Nr. 1. 713 Talapina, Publicˇ noe pravo i e˙ konomika, S. 279. 714 Glazunova, Sistema gosudarstvennogo upravlenija, S. 243; Leskova, Administrativnoe i municipal’noe pravo 2012, Nr. 2. 715 Al’chimenko, Trudy Instituta gosudarstva i prava RAN 2009, Nr. 1, S. 64 ff. 709
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zung der Verfassung der RF ansieht.716 Schließlich hatte das VerfGRF hierin einen Verstoß gegen Art. 34 Teil 1 VerfRF gesehen.717 Auch Vinnickij hält die gleichzeitige Verwendung administrativer und privatrechtlicher Methoden auf jeden Fall für widersprüchlich.718 Vor allem wird kritisiert, dass keine Prinzipien, Regeln, Verfahren oder Maßstäbe für die Übertragung erarbeitet worden seien.719 Die fehlende Einordnung in das allgemeine System der Staatsorgane und den Hierarchieaufbau lasse die Machtbefugnisse der nicht-staatlichen Subjekte verfassungswidrig erscheinen.720 Die grundsätzlich fehlende Befugnis der Staatsorgane, sich in die Tätigkeit der staatlichen Korporationen einzumischen,721 sowie die unzureichenden Kontrollmöglichkeiten führten zudem zu einem erheblichen Legitimitätsproblem.722 Inwieweit der letzte Kritikpunkt trotz stärkerer Kontrollmöglichkeiten des Staates auf die öffentlich-rechtliche Kompanie zutrifft, bleibt abzuwarten. Jedenfalls wird die fehlende Systematik der Übertragung hoheitlicher Befugnisse auf nicht-staatliche oder quasi-staatliche Organisationen insbesondere in Hinblick auf das Demokratieprinzip723 für problematisch erachtet.724 Gricenko hält jedenfalls die Übertragung der Machtbefugnisse an das Innovationszentrum Skolkovo725 für einen Verstoß gegen die verfassungsrechtlichen Grundlagen eines demokratischen Staates.726 bb) Das Hineinziehen der „Hoheitsträger“ in die staatliche Sphäre Andere Autoren begegnen dem Problem der wohl verfassungswidrigen Übertragung der Hoheitsbefugnisse auf nicht-staatliche Organisationen – ähnlich wie der deutsche Ansatz der Beleihung – mit der Inklusion dieser Rechtssubjekte in die staatliche Sphäre. Der Möglichkeit der Übertragung von Machtbefugnissen auf Wirtschaftssubjekte wird jedenfalls nicht zwingend Ablehnung entgegengebracht, zumindest sofern sie zielführend sei.727 Dabei ist zu beachten, dass es sich bei diesen wirtschaftlich tätigen Subjekten um – der Rechtsform nach – nicht-kommerzielle
Lazarevkij, E˙ Zˇ -Jurist 2008, Nr. 6. Es hatte für unzulässig erklärt, dass ein und dieselbe Person eine hoheitliche Tätigkeit in der Sphäre staatlicher und munizipaler Verwaltung sowie eine unternehmerische Tätigkeit, die auf systematische Gewinnerzielung ausgerichtet ist, in sich vereine; vgl. VerfGRF, U. v. 01. 10. 1998, Nr. 168; s. hierzu auch unter § 2 C. II. 1. a) cc) (4). 718 Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 305. 719 So auch Cygankov, E˙ Zˇ -Jurist 2012, Nr. 31. 720 Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 298. 721 Vgl. Art. 3 Abs. 14 Rosatom-GRF, Art. 27 Abs. 1 AVE-GRF. 722 Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 299. 723 Sondervotum des Verfassungsrichters Gadzˇiev zu VerfGRF, U. v. 31. 05. 2016, Nr. 14. 724 Romanovskaja, Vestnik Permskogo universiteta. Juridicˇ esie nauki 2017, Nr. 2. 725 Vgl. dazu näher oben § 2 B. II. 2. b) bb). 726 Gricenko, Zakon 2013, S. 117. 727 Vgl. Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 298. 716
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C. Die Handlungsform als Abgrenzungskriterium
159
Subjekte handelt.728 Entweder sollen diese eine Mischform zwischen Organ und juristischer Person bzw. eine juristische Person des Öffentlichen Rechts darstellen729 oder die Subjekte mit Machtbefugnissen werden gar in das System der Staatsorgane oder der Organe der Selbstverwaltung eingegliedert.730 Funktional jedenfalls sollen diese besonderen Subjekte der Verwaltung zuzuordnen sein.731 Dies gilt auch für die neue Rechtsform der öffentlich-rechtlichen Kompanie, die als juristische Person des Öffentlichen Rechts betrachtet wird.732 Wenn einer Person hoheitliche Befugnisse übertragen würden, dann müsse die Person jedenfalls im Namen des Staates oder der Staatsorgane handeln. Dies werde – wie in jüngeren Publikationen kritisch bemerkt wird – durch die Gesetzeslage allerdings nicht immer gewährleistet.733 Nach dieser Lesart wird die Ausstattung mit Machtbefugnissen für das entscheidende Merkmal der Zuordnung zur staatlichen Sphäre gehalten. Bei den zu hoheitlichem Handeln befähigten Rechtssubjekten handelt es sich demnach gar nicht um Private, denen zulässiger- oder unzulässigerweise Hoheitsbefugnisse übertragen werden, sondern um staatliche Akteure im weiteren Sinne. Unklar ist aber, ob die Subjekte – vergleichbar mit dem deutschen Akt der Beleihung734 – kraft Befugnisübertragungsakts oder auf andere Weise in die staatliche Sphäre eingeschlossen werden. Nicht erwogen wird jedenfalls das der deutschen Beleihung zugrundeliegende Konzept des partiellen Hineinziehens eines privaten Subjekts735 in die staatliche Sphäre durch Übertragung einzelner hoheitlicher Befugnisse. Anders gewendet: Die Möglichkeit eines Privaten, sich zeitweise ein staatliches Gewand überzuwerfen, existiert in Russland nicht. Vielmehr wird überwiegend auf einen formalen Ansatz abgestellt, indem die Figur der juristischen Person des Öffentlichen Rechts bemüht wird, um über die fehlende Organeigenschaft etwa der staatlichen Korporationen hinwegzukommen.
728 Schließlich ist bei nicht-staatlichen Organisationen immer nach dem gesetzlichen Zweck zu unterscheiden; vgl. Garmaeva, Zˇ urnal rossijskogo prava 2012, Nr. 3, S. 15 ff. 729 Leskova, Administrativnoe i municipal’noe pravo 2012, Nr. 2; diese Figuren sollen einen doppelten Charakter aufweisen: Sie sollen Rechtssubjekte des Privatrechts und der öffentlich-rechtlichen Beziehungen sein. 730 So Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 298. 731 Vgl. etwa Glusˇko, Reformy i pravo 2008, Nr. 3. 732 Vgl. hierzu Serova u.a, Kommentarij, Art. 1. 733 Vajpan/Egrova, Problemy gosudarstvennogo regulirovanija e˙ konomiki, Kapitel: Peredacˇ a gosudarstvennych polnomocˇ ij ili. 734 Jedenfalls die herrschende Lehre sieht wohl die Übertragung von Hoheitsbefugnissen als entscheidendes Moment der Beleihung an; vgl. oben unter § 2 C. I. 2. b) aa). 735 Zur Möglichkeit der Beleihung formal privatisierter Organisationen s. oben unter § 2 C. I. 2. b) bb).
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1. Teil, § 2 Formale Kriterien für die Einordnung eines Unternehmens
d) Eigene Stellungnahme Nach der hier vertretenen Ansicht ist die Unterscheidung zwischen kommerziellen und nicht-kommerziellen Organisationen hinsichtlich der Zulässigkeit der Übertragung staatlicher Hoheitsbefugnisse zwar aus Wettbewerbersicht und im Lichte des Art. 34 VerfRF sinnvoll. Allerdings bleibt bei der Übertragung von Hoheitsbefugnissen auf nicht-kommerzielle Organisationen das Problem der Ausübung von Staatsmacht durch Private bestehen. Uneinheitlich wird bewertet, ob die Subjekte dem Staat zuzuordnen sind. Während die Literatur die Subjekte teilweise auf Grund ihrer Hoheitsbefugnisse zu staatlichen Akteuren, zu juristischen Personen des Öffentlichen Rechts „umdeklarieren“ möchte, betont das VerfGRF den Doppelstatus der Rechtssubjekte, ordnet sie aber bisher grundsätzlich noch der gesellschaftlichen Sphäre zu. Nach dem hier vertretenen Ansatz lässt die Ausstattung mit Hoheitsbefugnissen selbst die juristischen Personen nicht automatisch zum Teil des Staates werden, wie die mit Machtbefugnissen ausgestatteten viel diskutierten staatlichen Korporationen eindrucksvoll belegen.736 Ihre Stellung, die Ausstattung mit Hoheitsbefugnissen verlangt vielmehr erst nach einer Integration in die staatliche Sphäre. Denn verfassungsrechtliche Überlegungen wie das staatliche Machtmonopol sprechen dafür, dass sie zum Teil des Staates werden müssen, da freie ungebundene Hoheitsausübung unzulässig ist. Zusammengefasst führt nach dem hier vertretenen Ansatz also die Ausstattung mit Hoheitsbefugnissen nicht per se zur Eingliederung in den Staat. Vielmehr resultiert die tatsächliche Übertragung von Hoheitsbefugnissen auf Rechtssubjekte in dem Bedürfnis ihrer Eingliederung in die staatliche Sphäre, nicht zuletzt um sie öffentlich-rechtlichen Bindungen zu unterwerfen. Ein Automatismus zwischen Ausstattung mit Hoheitsbefugnissen und Eingliederung in die staatliche Sphäre besteht hingegen nicht. Daher kann aus der Fähigkeit einer Person zu hoheitlichem Handeln auch nicht auf die Staatlichkeit der Person rückgeschlossen werden. Zulässig ist nur der Schluss, dass die Person in die staatliche Sphäre integriert werden muss. Zwar kann überlegt werden, ob eine Integration der „gesellschaftlichen Hoheitsträger“ in die staatliche Sphäre tatsächlich nötig ist. Schließlich hatte das VerfGRF die Übertragung einzelner Hoheitsbefugnisse auf Private für zulässig erachtet. Mit Gricenko737 könnte man dafür plädieren, auf diese Privaten die staatlichen Bindungen zu übertragen und durch eine Art Rechtsfolgenverweis bestimmte öffentlich-rechtliche Bindungen im Sinne typischer Folgen der Staatlichkeit auf die privaten Rechtssubjekte zu erstrecken, ohne Letztere in die staatliche Sphäre zu
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Vgl. oben § 2 A. II. 2. b) bb). So geht auch Gricenko davon aus, dass auf die privatrechtlichen bzw. nicht dem formalen System der Staatsorgane angehörenden Subjekte, die an der Seite der Organe in Beziehungen mit Bürgern auftreten und deren Funktionen erfüllen, alle daraus fließenden bzw. damit verbundenen rechtlichen Folgen treffen müssen; vgl. Gricenko, Sravnitel’noe konstitucionnoe obozrenie 2013, Nr. 2. 737
C. Die Handlungsform als Abgrenzungskriterium
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ziehen. Im Prozessrecht wird dieser Gedanke bereits fruchtbar gemacht.738 Allerdings geht alle staatliche Macht vom Volke aus. Insbesondere die Ausübung von Hoheitsbefugnissen muss demokratisch legitimiert sein. Auch das VerfGRF betont, dass die Tätigkeit der Selbstverwaltungsorganisationen der strengen, staatlichen Kontrolle unterliege.739 Die demokratische Legitimation kann aber nicht als bloße Folge der Staatlichkeit betrachtet werden, sondern stellt vielmehr ihren Kern dar. Sie zieht – wie unten zu zeigen sein wird – ein Rechtssubjekt in die staatliche Sphäre. Ein reiner Rechtsfolgenverweis ist hier also gerade nicht möglich. Im Ergebnis können die privaten Subjekte nicht einfach zu staatlichen erklärt werden. Ebenso wenig genügt es, die (Rechts-)Folgen der Staatlichkeit auf sie anzuwenden. Vielmehr ist zu empfehlen, sie – jedenfalls partiell – tatsächlich in die staatliche Sphäre zu integrieren.
III. Zusammenfassung und Vergleich In Deutschland kann die Verwaltung sowohl privatrechtlich als auch öffentlichrechtlich handeln, um die eigenen Aufgaben zu erfüllen. Die Fiskustheorie wurde durch das Verwaltungsprivatrecht und die Fiskalgeltung der Grundrechte abgelöst. Die Befugnis zu privatrechtlichem Handeln stellt damit kein hinreichendes Kriterium für die Gesellschaftlichkeit eines Rechtssubjektes dar. Die Wahlfreiheit des Staates, sich – zumindest im Bereich der Leistungsverwaltung – des Privatrechts als Organisations- und Handlungsform zu bedienen, erscheint indes nicht zwingend. Vielmehr ist zumindest die Wahlmöglichkeit der öffentlich-rechtlich organisierten Verwaltung, Verwaltungsaufgaben mit Hilfe privatrechtlicher Verträge zu erfüllen, einer historischen Notwendigkeit geschuldet, die sich durch Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Vertrages eigentlich erübrigt hat. Doch ist sie eine rechtliche Realität. Das Verwaltungsprivatrecht, d. h. die Überlagerung privatrechtlicher Verhältnisse durch öffentlich-rechtliche Normen, ist die Antwort auf jene Wahlfreiheit, um die viel gefürchtete „Flucht“ des Staates ins Privatrecht zu vermeiden. Öffentlich-rechtliche Handlungsformen dagegen stehen nur dem Staat zu. Zwar können im Wege der Beleihung auch „echte“ Private mit der Befugnis zu hoheitlichem Handeln ausgestattet werden. Doch werden diese Rechtssubjekte partiell zum Teil des Staates. Dennoch wäre es zu kurz gegriffen, wollte man die Fähigkeit einer Person zu öffentlich-rechtlichem Handeln zwar nicht als notwendiges, doch aber als 738 Nach Plenum des OG, U. v. 10. 02. 2009, Nr. 2, Bjulleten’ VSRF 2009, Nr. 4, wurde der 2. Abschnitt, 3. Unterabschnitt, Art. 245 ff. ZPORF, der sich eigentlich nur auf Klagen gegen Staatsorgane und Amtsträger bezog und angesichts der Einführung der VwGORF Gesetzeskraft verloren hat, erweiternd ausgelegt. Diese Verfahrensnormen gelten auch für andere Organisationen, denen staatlich-machtvolle Befugnisse übertragen sind. 739 Vgl. VerfGRF, U. v. 19. 05. 1998, Nr. 15, GSRF 1998/22/2491, in Bezug auf Notare. Zu denken ist auch an die Eintragung in ein Register oder eine richterliche Amtseinführung als Äußerung der demokratischen Legitimation.
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hinreichendes Kriterium der Staatlichkeit einer Person ansehen. Denn nach der hier vertretenen Ansicht wird das Subjekt nicht durch die Ausstattung mit Hoheitsbefugnissen selbst zum Teil des Staates. Der Blick nach Russland belegt, dass auch nicht in die staatliche Sphäre integrierte Personen wie die staatlichen Korporationen mit Machtbefugnissen ausgestattet werden können, ohne staatlich zu sein. Die Befugnis, hoheitlich zu handeln, verlangt von Verfassung wegen erst nach einer Eingliederung in den Staat, lässt ein Subjekt aber nicht per se zum Teil des Staates werden. Vielmehr führt der Akt der Beleihung als Akt der demokratischen Legitimation erst zur Staatlichkeit des Beliehenen. Daher ist ein Rückschluss von hoheitlichem Handeln darauf, dass eine Person staatlich ist, nicht zulässig. Es kann nur darauf geschlossen werden, dass sie – nach hier vertretenem Ansatz (s. unter § 5 B) – im Wege demokratisch legitimierter staatlicher Fremdbestimmung in die staatliche Sphäre integriert werden muss. In Russland scheint die Handlungsform zunächst ein geeignetes Kriterium für die Zuordnung eines Subjekts in die staatliche oder gesellschaftliche Sphäre darzustellen. Nach klassischem Verständnis darf sich der Staat zur Erfüllung seiner Aufgaben nicht des Privatrechts bedienen. Zwar ist er privatrechtsfähig und tritt entsprechend unter Nutzung privatrechtlicher Handlungsformen im Zivilrechtsverkehr auf. Doch handelt es sich gewissermaßen nicht um den „Staat als solchen“. Vielmehr wird er gleichsam durch eine „umgekehrte Beleihung“ bei rein fiskalischem Handeln zum Teil der Gesellschaft und mit dieser gleichberechtigt behandelt. Die gesetzlichen Regelungen erinnern an die Grundsätze der alten strengen Fiskustheorie, der zufolge der privatrechtlich handelnde Staat ein anderes „Gewand“ trägt als der hoheitlich handelnde Staat und gewissermaßen von Letzterem zu unterscheiden ist. Durch diese klassische Flucht ins Privatrecht entzieht sich der Staat öffentlich-rechtlichen Bindungen. Die dogmatische Sperre privatrechtsförmigen Staatshandelns und privatrechtlicher Aufgabenerfüllung umgeht der Staat insbesondere dadurch, dass er sein Vermögen privatisiert und Aufgaben der Leistungsverwaltung durch andere juristische Personen erfüllen lässt, die mit ihm nicht identisch sind. Die Problematik der Zulässigkeit staatlichen Handelns in Privatrechtsform wird also entweder umgangen, indem der Staat, sobald er privatrechtlich handelt, die Ebene der Verwaltung verlässt und sich in ein „gewöhnliches“ Wirtschaftssubjekt verwandelt oder indem die Verwaltung auf privatrechtliche Organisationen „übertragen“ wird, deren Handeln dem Staat nicht zugerechnet wird. Doch wird die unbewusst zu Grunde liegende Tradition mit Instituten wie dem Vergaberecht nicht durchgehalten. Zudem widersprechen jüngere Literaturstimmen der Gleichheit des Staates in Zivilrechtsbeziehungen und fordern stärkere – unter anderem öffentlich-rechtliche – Bindungen des Staates auch im Zivilrecht. Jener soll sich zudem auch in seiner Funktion als Verwaltung des bürgerlichen Rechts bedienen können, so dass das privatrechtliche Handeln letztlich – wie in Deutschland – kein ausschließliches Kriterium der Gesellschaft mehr darstellt. Die Wahl privatrechtlicher Handlungsformen sollte nach dem hier vertretenen Ansatz der russischen Verwaltung allerdings nur unter der Voraussetzung der Überlagerung der privat-
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rechtlichen Normen durch öffentlich-rechtliche Bindungen offenstehen. Wahlfreiheit ohne die Überlegungen zu einem „Verwaltungsprivatrecht“ ist – angesichts der sich bereits real abzeichnenden Missbrauchsgefahren – gefährlich. Eine exzessive Nutzung privatrechtlicher Handlungsmöglichkeiten, d. h. vor allem privatrechtlicher Vertragsgestaltungen durch die Staatsorgane, ist überdies nicht zwingend notwendig. Alternativ könnte auch das Instrument des öffentlich-rechtlichen Vertrages ausgeweitet werden, da dies eine systemkonsistentere Entwicklung darstellt und die Konzeption der Wahlfreiheit ebenso noch in den Kinderschuhen steckt wie die Ansätze des öffentlich-rechtlichen Vertrages. Nicht konsistent wirkt es dabei, in einem Atemzug mit der Handlungsformenwahlfreiheit der Verwaltung die Zweistufentheorie und Ausweitung des öffentlich-rechtlichen Vertrages zu fordern. Vielmehr sollten entweder die öffentlich-rechtlichen Instrumente der öffentlichrechtlich organisierten Verwaltung ausgebaut oder die Wahlfreiheit mit gleichzeitiger Übernahme sämtlicher öffentlich-rechtlicher Bindungen unabhängig von der Handlungsform propagiert werden. Klassischerweise sind Private nicht berechtigt, hoheitlich zu handeln. Die Fähigkeit zu hoheitlichem Handeln wird als das Hauptkennzeichen der Staatlichkeit gesehen. Allerdings wurden in der Realität verschiedenen „privatrechtlichen“ Subjekten Hoheitsbefugnisse übertragen. Dies wirft die Frage auf, ob jene ähnlich dem Beliehenen nach deutscher Dogmatik als Teil des Staates zu begreifen sind. Eine derartige Konstruktion existiert im russischen Recht nicht. Doch deuten die Bestrebungen zur Einführung der juristischen Person des Öffentlichen Rechts gerade in diese Richtung: Die Subjekte, die über Hoheitsbefugnisse verfügen, sollen in die Staatlichkeit integriert werden. Nach dem hier vertretenen Ansatz hilft die „Umetikettierung“ in eine öffentlich-rechtliche Rechtsform jedoch nicht weiter. Vielmehr ist staatliche Kontrolle und Fremdbestimmung nach Maßgabe der demokratischen Legitimation nötig, die den staatlichen Korporationen gerade fehlt. Die neu eingeführte öffentlich-rechtliche Kompanie, die jedenfalls stärkerer staatlicher Kontrolle und Einflussnahme unterliegt als die staatlichen Korporationen, weist allerdings bereits in die richtige Richtung. Der bisher vom Gesetzgeber verfolgte Weg der Auslagerung der privatrechtlich abgewickelten Leistungsverwaltung auf andere juristische Personen kann weiter verfolgt werden. Instrumente wie die staatlichen Korporationen und die staatlichen Kompanien aber auch die öffentlich-rechtliche Kompanie, die ausweislich der Gesetzestexte gerade zum Zwecke der öffentlichen Leistungserbringung geschaffen wurden, können dogmatisch unterlegt und weiterentwickelt werden. Die staatlichen Korporationen und die staatlichen Kompanien, die eine gewisse Doppelnatur aufweisen, sind dabei in gewisser Hinsicht mit deutschen Konstrukten wie den Beliehenen oder den Selbstverwaltungskörperschaften in Deutschland vergleichbar, die ihrerseits als mittelbare Staatsverwaltung wesentliche Gemeinsamkeiten aufweisen:740 Sie entstammen der gesellschaftlichen Sphäre und 740 Auch Gricenko verweist knapp auf die Vergleichbarkeit der selbstständigen, mit Verwaltungsaufgaben ausgestatteten Subjekte mit der deutschen Vorstellung der mittelbaren Staatsverwaltung oder der Konstruktion des Beliehenen – allerdings ohne nähere Begründung
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1. Teil, § 2 Formale Kriterien für die Einordnung eines Unternehmens
werden durch verschiedene Mechanismen741 doch mehr oder weniger in Staatsnähe gebracht. Am meisten ähneln diese russischen „Zwitterwesen“ der staatlichen Korporationen und staatlichen Kompanien dabei den Beliehenen:742 Denn ihre Staatsnähe drückt sich gerade nicht schon wie bei der deutschen Selbstverwaltungskörperschaft oder juristischen Person des Öffentlichen Rechts in ihrer Rechtsform aus. Vielmehr müssen Sie in Anlehnung an deutsche Beleihungsmodelle jedenfalls partiell in die staatliche Sphäre integriert werden. Die öffentlich-rechtliche Kompanie soll hingegen – jedenfalls der Idee nach – der juristischen Person des Öffentlichen Rechts entsprechen.743 Allerdings wird betont, dass sie gerade nicht staatlich, sondern nur öffentlich-rechtlich sei.744 Auch sie stelle ein Zwitterwesen dar und wird in die Nähe der in Großbritannien geläufigen „Quangos“ gebracht.745 Insofern scheint auch hier eine Vergleichbarkeit mit der Beleihung gegeben, da ein nicht-staatliches Subjekt mit Hoheitsbefugnissen ausgestattet und in die staatliche Aufgabenerfüllung integriert werden soll bzw. muss. Zusätzlich sollten auch die unitarischen Betriebe und die staatlich gehaltenen Aktiengesellschaften, auch wenn sie nicht mit Hoheitsbefugnissen ausgestattet sind, verstärkt als privatrechtlich handelnde Subjekte der Verwaltung untersucht werden. Im Ergebnis kennzeichnet privatrechtliches Handeln nicht zwingend die gesellschaftliche Sphäre. Von hoheitlichem Handeln kann ebenfalls nicht zwingend auf die Staatlichkeit der handelnden Person rückgeschlossen werden. Vielmehr zeigt sich lediglich, dass eine Zurechnung des hoheitlichen Handelns zum Staat und eine Rückbindung an den Souverän, das Staatsvolk, nötig sind.
und unter gewissen Einschränkungen; vgl. Gricenko, Sravnitel’noe konstitucionnoe obozrenie 2013, Nr. 2. 741 Bei den juristischen Personen des Öffentlichen Rechts erfolgt die Integration durch organisationsrechtliche Mechanismen, bei den Beliehenen durch eine gesetzliche Grundlage und die Aufsicht. 742 Gricenko dagegen differenziert hier nicht zwischen mittelbarer Staatsverwaltung und Beleihung, sondern verweist pauschal auf diese Konstruktionen; vgl. Gricenko, Sravnitel’noe konstitucionnoe obozrenie 2013, Nr. 2. 743 Vgl. Serova u. a., Kommentarij, Art. 1. 744 Serova u. a., Kommentarij, Art. 2 Abs. 3. 745 Vgl. Serova u. a., Kommentarij, Art. 1.
§ 3 Materielle Kriterien für die Einordnung eines Unternehmens in die staatliche oder gesellschaftliche Sphäre A. Das Eigentum als Abgrenzungskriterium I. Die Situation in Deutschland 1. Die Eigengesellschaften Das BVerfG geht davon aus, dass Unternehmen, an denen der Staat 100 % der Aktien hält, der staatlichen Sphäre angehören.1 Dies wird in der jüngsten „FraportEntscheidung“ noch einmal deutlich hervorgehoben: Die alleinige Eigentümerstellung des Staates führe unabhängig von der durch das Unternehmen wahrgenommenen Aufgabe2 oder der konkreten Beeinflussungsmöglichkeit des Staates auf die Geschäftsleitung zu der Grundrechtsbindung des entsprechenden Unternehmens und – in der Logik des BVerfG3 – damit zu dessen Staatlichkeit.4 Nach Auffassung des BVerfG ist eine staatliche Eigengesellschaft damit unabhängig von der konkreten gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung selbst Staat. Dies entspreche dem Charakter des Unternehmens als verselbstständigter Handlungseinheit und gewährleiste effektiven Grundrechtsschutz für die Bürger.5
1 Vgl. BVerfGE 45, S. 63 (79) = NJW 1977, S. 1960 (1962); BVerfG, NJW 1980, S. 1093; denn mit der Grundrechtsbindung bzw. der fehlenden Grundrechtsberechtigung verbindet das BVerfG fälschlicherweise die Staatlichkeit einer Person (hierzu unten unter § 4 A. I. 1. a). Neben den Eigentumsverhältnissen wurden vom BVerfG zumindest bis zur „Fraport-Entscheidung“ im Jahr 2011 noch weitere Kriterien herangezogen, so auch Heise, Deutsche Bahn AG, S. 171, mit ausführlicher Darstellung; vgl. zusätzlich BVerwGE 113, S. 208 (211); BVerwGE 113, S. 208 = NVwZ 1998, S. 1083 (1084); BGH, DÖV 2004, S. 439; VGH Kassel, NVwZ 2003, S. 874. 2 Die Wahrnehmung von Aufgaben der Daseinsvorsorge als entscheidendes Merkmal war dagegen noch angeklungen in BVerfGE 45, S. 63 (79 f.); 68, S. 193 (212); BVerfG, NJW 1980, S. 1093 ff. 3 Zur Kritik daran unten unter § 4 A. I. 1. c). 4 Vgl. BVerfGE 128, S. 226 (245 f.) = NJW 2011, S. 1201 ff. 5 BVerfGE 128, S. 226 (245) = NJW 2011, S. 1201 ff.
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1. Teil, § 3 Materielle Kriterien für die Einordnung eines Unternehmens
Auch in der Literatur wird die Staatlichkeit der Eigengesellschaften grundsätzlich allgemein anerkannt.6 Ein Teil der Autoren legt hierbei den für die Frage nach der Grundrechtsfähigkeit entwickelten Durchgriffsgedanken des BVerfG7 zugrunde:8 In der Tätigkeit der Trägergebietskörperschaften entfalte sich keine gesellschaftliche Freiheitsausübung. Ebenso wie die Träger müssten die von ihnen „gegründeten und beherrschten privatrechtlichen Trabanten“9 in die staatliche Sphäre eingeordnet werden.10 Schließlich dürfe der Staat nicht ins Privatrecht flüchten und über die Anwendung der Grundrechte disponieren, indem er die Organisationsform wechsle.11 Darauf aufbauend werden für die Gleichbehandlung und Gleichsetzung von Eigengesellschaft und Staatsgewalt keine weiteren Erläuterungen für nötig erachtet.12 Die Teile der Literatur, die das Durchgriffsdogma ablehnen und auf eine grundrechtstypische Gefährdungslage abstellen, schließen ebenfalls in einem „Automatismus“13 wie das BVerfG von der staatlichen Trägerschaft auf eine Form staatlicher Aufgabenwahrnehmung14 und damit auf die Staatlichkeit der Eigengesellschaft. Dabei wird völlig verkannt, dass es sich bei der Rechtspersönlichkeit „rechtlich betrachtet nicht nur um eine Maske [handelt], die man sich überstülpt und hinter der man dieselbe Person bleibt wie zuvor.“15 Gerade bei Aktiengesellschaften, die vom Prinzip der Trennung der Geschäftsführung und der Mitgliedschaft besonders geprägt sind, ist ein „Durchgriff“ auf die hinter der juristischen Person stehenden Menschen nicht möglich. Trägerkörperschaft und Gesellschaft sind zwei eigenständige Rechtssubjekte, die unterschiedliche Interessen verfolgen können.16 Es 6 Vor der „Fraport-Entscheidung“ statt vieler Ehlers, Gutachten, S. E 39; Dreier, Art. 1 Abs. 3 GG, Rn. 69 f.; der Entscheidung im Ergebnis zustimmend statt vieler Gurlit, NZG 2012, S. 252. 7 So sind nach der Rechtsprechung des BVerfG juristische Personen dann in den Schutzbereich von Grundrechten einzubeziehen, „wenn ihre Bildung und Betätigung Ausdruck der freien Entfaltung der natürlichen Personen sind, besonders, wenn der ,Durchgriff‘ auf die hinter den juristischen Personen stehenden Menschen dies als sinnvoll und erforderlich erscheinen lässt“; so BVerfGE 21, S. 362, 369. 8 Siehe Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 65 ff. 9 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 135. 10 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 135. 11 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 135. 12 Vgl. Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 134 ff. 13 So beschreibt Heise, Deutsche Bahn AG, S. 176, kritisch die Reaktion der herrschenden Meinung auf das „Fraport-Urteil“. 14 BVerfGE 128, S. 226 (246) = NJW 2011, S. 1201 ff. 15 Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 119. 16 Statt vieler Windthorst, VerwArch 95 (2004), S. 390; die Gesellschaft ist mit einem Eigeninteresse ausgestattet, das gegen das staatliche Interesse auch gesellschafts- und konzernrechtlich ein Stück weit abgesichert ist; vgl. Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 130.
A. Das Eigentum als Abgrenzungskriterium
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kommt darauf an, inwiefern sich der Träger in der Gesellschaft verwirklicht und damit „hinter ihr steht“. Eine automatische Gleichsetzung der Rechtssubjekte ist dogmatisch ebenso unzulässig wie der automatische Schluss von der staatlichen Trägerschaft auf die staatliche Aufgabenerfüllung.17 Zwingend muss zum einen zwischen dem Staat als Aktionär und der Gesellschaft als solcher unterschieden werden; zum anderen müssen zwei strikt voneinander zu trennende Aufgabenkreise differenziert werden:18 der Aktienhaltung und Aktionärsstellung als Aufgabe des Staates und der davon zu unterscheidenden Aufgabe und Tätigkeit des Unternehmens.19 Die Eigengesellschaft kann „durchweg marktwirtschaftlich tätig“ sein.20 Sie ist nur eine für eine verselbstständigte Verwaltungseinheit geeignete Organisationsform, nicht aber per se eine verselbstständigte Verwaltungseinheit.21 Zwar ist es dem Staat unter Zugrundelegung der Lehre vom Verwaltungsprivatrecht untersagt, sich bei seiner Aufgabenerfüllung ins Privatrecht zu flüchten.22 Der reinen Gewinnerzielung des Staates setzen darüber hinaus auch die finanzverfassungsrechtlichen Bestimmungen der Art. 104a ff GG Grenzen: Denn aus dem dort niedergelegten Prinzip des Steuerstaats23 folgt, dass eine Haushaltsfinanzierung allein durch staatliche Wirtschaftstätigkeit nicht dem Erfordernis eines gemeinwohlorientierten Zwecks entspricht.24 Auch ist der Staat an das Rechtsstaatsprinzip gebunden und daher verpflichtet, ausschließlich um seiner Bürger willen zu handeln,25 so dass jedwede Tätigkeit des Staates dem Gemeinwohl dienen muss.26 Ob auch das Unternehmen den Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips unterworfen ist, hängt indes davon ab, ob es staatlich ist, was es gerade zu prüfen gilt. Der Staat darf sich sehr wohl auf die Rolle des Finanziers zurückziehen: Wenn die Beteiligung an einem Unternehmen selbst oder gar die Verstaatlichung eines Unternehmens als solche die Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe darstellt und dem Gemeinwohl dient. Man denke an weltweite Verstaatlichungen oder dahingehende Überlegungen auf Grund sozial- und strukturpolitischer Erwägungen während der Finanzkrise.27 17
So aber BVerfGE 128, S. 226 (246). Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 113. 19 Sehr ausführlich dargestellt bei Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 113 ff. 20 So Stern, StaatR III/1, S. 1170, zu gemischtwirtschaftlichen Unternehmen. Es sei zu bedenken, dass die Unternehmen auch auf Grund ihrer Funktionsweise nicht zwingend der Verwaltung zuzuschlagen seien. Dieses Argument lässt sich ohne Weiteres auf die Eigengesellschaften übertragen. 21 Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 131. 22 Statt aller Spannowsky, ZGR 1996, S. 410. 23 Eingehend Vogel, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR II, § 30, Rn. 71. 24 Huber, Konkurrenzschutz, S. 314; Badura, Das Verwaltungsmonopol, S. 90. 25 Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR IV, § 71, Rn. 21. 26 Ronellenfitsch, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR IV, § 98, Rn. 40. 27 Darauf weist völlig zutreffend hin Heise, Deutsche Bahn AG, S. 172, die sich auf Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 106 und vor allem S. 113, stützt, der seinerseits strukturpolitische Maßnahmen als Beispiel heranzieht. Gurlit weist darauf hin, dass 18
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1. Teil, § 3 Materielle Kriterien für die Einordnung eines Unternehmens
Auf Grund der Eigenständigkeit von Träger und Gesellschaft dürfen also die Personen und deren Aufgabenerfüllung nicht miteinander identifiziert werden. Beide oben vorgestellten Begründungsansätze für die „automatische“ Zuordnung von Eigengesellschaften zur staatlichen Sphäre können nicht überzeugen. 2. Die gemischtwirtschaftlichen Unternehmen Bezüglich der gemischtwirtschaftlichen Unternehmen soll es nach der Rechtsprechung des BVerfG28 und der herrschenden Lehre29 in der Regel primär bzw. einzig30 auf die Eigentumsverhältnisse ankommen: Wenn ein Unternehmen zu mehr als der Hälfte der Anteile im Eigentum des Staates stehe, folge allein aus dieser Beteiligungsstruktur in Anlehnung an zivil- und konzernrechtliche Wertungen31 die Beherrschung des Unternehmens. Das BVerfG lässt lediglich offen, ob es in besonderen Fällen zusätzlicher Kriterien bedarf.32 Unabhängig vom Zweck oder Inhalt der Aktivitäten des Unternehmens handele es sich grundsätzlich immer um staatliche Aufgabenwahrnehmung.33 Die öffentliche Hand übernehme ungeachtet der Ausgestaltung der konkreten Einflussnahmemöglichkeiten, auf die es ausdrücklich nicht ankommen soll,34 die Gesamtverantwortung für das Unternehmen, so dass jenes zur Staatsgewalt im Sinne des Art. 1 Abs. 3 GG und damit staatlich werde. Kritiker bemerken, dass die Orientierung allein anhand der Beteiligungsverhältnisse dazu führe, dass ein „gleitender Grundrechtsschutz“ eingeführt werde,35 welcher der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit entgegenstehe und für die Praxis untauglich sei. Die Beteiligungsstruktur sei oft höchst dynamisch und gerade im Falle einer Vielstufigkeit schwer durchschaubar, so dass Veränderungen der Zu-
der Staat als Banker und die Länder als Aktionäre in Schiffsredereien tätig seien, und deutet damit denselben Gedanken an; vgl. Gurlit, NZG 2012, S. 250. 28 Vgl. die „Fraport-Entscheidung“, BVerfGE 128, S. 226 ff. = NJW 2011, S. 1201, insb. S. 1206. 29 Statt aller Scholz, FS Lorenz, S. 226 f.; Gurlit, in: NZG 2012, S. 252 ff. 30 Vgl. Krüger, der es bemerkenswert findet, dass das BVerfG im „Fraport-Urteil“ nunmehr „allein das Kriterium des Anteilseigentums der öffentlichen Hand heranzieht“; vgl. Krüger, DÖV 2012, S. 839. 31 Vgl. §§ 16, 17 AktG; Art. 2I lit. f Richtlinie 2004/109/EG v. 15. 12. 2004, ABl. L 390, S. 38. 32 BVerfG, NJW 2011, S. 1203, Rn. 53 = BVerfGE 128, S. 226 ff. 33 BVerfG, NJW 2011, S. 1203, Rn. 54 = BVerfGE 128, S. 226 ff. Früher hatte das BVerfG zum einen auf die Anteilsmehrheit, zum anderen auf die wahrgenommene öffentliche Aufgabe abgestellt; vgl. BVerfG, JZ 2009, S. 1070. Darüber hinaus hielt es das Maß der öffentlichrechtlichen Regulierung der Tätigkeit für entscheidend; vgl. BVerfG, JZ 1990, S. 335; vgl. auch BVerfGE 45, S. 63 (79 f.); BVerfG, NJW 1980, S. 1093; NJW 1990, S. 1783. 34 BVerfG, NJW 2011, S. 1203, Rn. 53 f. = BVerfGE 128, S. 226 ff. 35 Schmidt-Assmann, FS Niederländer, S. 393.
A. Das Eigentum als Abgrenzungskriterium
169
sammensetzung fast zufällig oder unbemerkt vonstattengehen könnten.36 Stelle man stur auf die Mehrheitsverhältnisse ab, könne der Staat durch den Verkauf einiger Aktien in Kürze alle öffentlich-rechtlichen Bindungen von dem Unternehmen abwerfen: Er müsse sich nur der Mehrheit entledigen.37 Veräußerten auf der anderen Seite bei einem zunächst mehrheitlich privat gehaltenen Unternehmen verschiedene Anteilseigner ihre Anteile an den Staat, der dadurch eine Mehrheit erhalte, werde mittelbar über den Grundrechtsschutz der anderen privaten Anteilseigner mitverfügt, was einen unzulässigen „Grundrechtsvertrag zu Lasten Dritter“ darstelle.38 Denn durch den Verkauf werde das Unternehmen seines Grundrechtsschutzes beraubt, so dass die Minderheitsaktionäre Schutz gegenüber dem Staat verlören. Die verbleibende Grundrechtsberechtigung der privaten Anteilseigner gegenüber dem Staat als Mehrheitsaktionär39 vermöge nicht zu rechtfertigen, dass die Grundrechtsfähigkeit oder -bindung des Unternehmens nicht nur wie zufällig, sondern über die Köpfe der Minderheitsaktionäre hinweg „geschenkt“ und genommen werden könne. Daher spricht jedenfalls der Schutz der Minderheitsaktionäre gegen ein Abstellen auf die Mehrheitsverhältnisse. Das Gegenargument, die Minderheitsaktionäre könnten schließlich auf die neuen Mehrheitsverhältnisse reagieren und hätten Risiken wie Chancen einer staatlichen Beteiligung gleichermaßen zu tragen,40 kann nicht überzeugen. Derartige „take-it-or-leave-it-Argumente“41 könnten ansonsten jede unangemessene Gestaltung rechtfertigen.42 Vermittelnd wird angedacht, den Grundrechtsschutz nicht entlang der 50 %Grenze der Aktienanteile entweder komplett zuzusprechen oder völlig zu versagen. Stattdessen soll der Grundrechtsschutz des gemischtwirtschaftlichen Unternehmens mit zunehmender staatlicher Beteiligung entsprechend abgeschwächt werden.43 Allerdings lässt Art. 19 Abs. 3 GG, der ein Subjekt – jedenfalls in einer konkreten Situation – der Grundrechtssphäre entweder zuschreibt oder aus dieser ausschließt, keinen Raum für derartige Abstufungen.44 Daher wird teilweise vorgeschlagen, Unternehmen bei jeglicher Beteiligung von Privaten gänzlich der gesellschaftlichen Sphäre zuzuordnen. Dieses Ergebnis sei bereits aus Gründen des effektiven Grundrechtsschutzes der privaten Aktionäre er36 Schmidt-Assmann, FS Niederländer, S. 394; die Beteiligungsverhältnisse von vornherein ablehnend auch Scholz, FS Lorenz, S. 224. 37 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 157. 38 Scholz, FS Lorenz, S. 227 f.; fraglich ist allerdings, wie schutzwürdig die Privaten sind, angesichts der Möglichkeit eines gesellschaftsvertraglichen Verbots derartiger Verkäufe an den Staat oder einer Vinkulierungsklausel, welche die Veräußerung von der Zustimmung der Gesellschaft abhängig macht; vgl. Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 156 f. 39 So BVerfG, NJW 2011, S. 1203, Rn. 55 = BVerfGE 128, S. 226 ff. 40 So BVerfG, NJW 2011, S. 1203, Rn. 55 = BVerfGE 128, 226 ff. 41 Zum Ausdruck siehe Pfeifer, LMK 2011, 322526. 42 So völlig zutreffend Pfeifer, LMK 2011, 322526. 43 Bull, Staatsaufgaben, S. 98. 44 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 158.
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1. Teil, § 3 Materielle Kriterien für die Einordnung eines Unternehmens
forderlich:45 Sie verwirklichten in ihrer wirtschaftlichen Betätigung Freiheitsrechte. Daher müssten sie grundrechtlichem Schutz unterliegen und dürften nicht der staatlichen Aufgabenwahrnehmung zugeordnet werden. Für private und öffentliche Anteilseigner würden ganz unterschiedliche Funktionsprinzipien gelten: Während der Staat der völligen demokratischen Kontrolle und Legitimation unterworfen sei, basiere das Handeln der Privaten auf grundrechtlich geschützter Freiheitsentfaltung. Zwar könnten die Anteilseigner der öffentlichen Hand ihre individuellen (Grund-) Rechtspositionen entgegenhalten; doch sei das Schutzniveau in bestimmten Konstellationen ohne die Grundrechtsberechtigung des ganzen Unternehmens selbst nicht ausreichend.46 Gesellschaftsrechtliche Regelungen oder Sonderbindungen des Unternehmens etwa würden den Aktienwert mittelbar beeinträchtigen, könnten aber von den einzelnen Aktionären nicht angegriffen werden.47 Selbst bei einem bestimmenden Einfluss des Staates dürften die gemischtwirtschaftlichen Unternehmen nicht der Staatsverwaltung zugeordnet werden, da ansonsten die privaten Aktionäre völlig vernachlässigt würden und unbeachtet bliebe, dass die Unternehmen „durchweg marktwirtschaftlich tätig“ seien.48 Grundrechtsverpflichtet seien demnach nur die öffentlichen Anteilseigner, nicht aber das Unternehmen als Ganzes.49 Ausnahmen könnten lediglich im Fall von privaten Alibi-Beteiligungen gemacht werden, d. h., wenn Private am Unternehmen ausschließlich mit dem Zweck beteiligt würden, die Staatlichkeit des Unternehmens zu verhindern.50 Insofern wird also eine Missbrauchsgrenze zugestanden. Allerdings kann die marktwirtschaftliche Betätigung der gemischtwirtschaftlichen Unternehmen keine entscheidende Rolle spielen, da auch gänzlich in staatlicher Hand befindliche Unternehmen teilweise marktwirtschaftlich tätig sind. Zudem vernachlässigt der Ansatz die staatliche Komponente des gemischtwirtschaftlichen Unternehmens. Auch wird das Schutzbedürfnis der Privatrechtssubjekte, die mit dem gemischtwirtschaftlichen Unternehmen als Konkurrenten, Kunden oder als Öffentlichkeit in Beziehung treten, nicht hinreichend beachtet. Für sie bietet der Einwirkungsanspruch gegen den staatlichen Aktionär in vielen Fällen keinen effektiven Rechtsschutz.51 Das alleinige Abstellen auf die Schutzwürdigkeit der privaten Aktionäre ohne Berücksichtigung aller anderen Beteiligten führt daher zu keinen überzeugenden Resultaten. Laut den Kritikern dieses Ansatzes sind die privaten Minderheitsaktionäre vor allem bereits ausreichend durch das Gesell45
Vgl. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 85; Koppensteiner, NJW 1990, S. 3109 ff.; Schmidt-Assmann, BB 1990, 34/27, S.12 f.; Scholz, FS Lorenz, S. 226 f. 46 Bleckmann, Staatsrecht II, § 9, Rn. 12. 47 Schmidt-Assmann, BB 1990, 34/27, S.13; ders, FS Niederländer, S. 395; eingehend Scholz, FS Lorenz, S. 226. 48 Stern, StaatsrechtR III/1, S. 1170. 49 Statt vieler Spannowsky, ZHR 160 (1996), S. 572. 50 Stern, StaatsrechtR III/1, S. 1170. 51 So ein wesentliches Argument des BVerfG NJW 2011, S. 1203, Rn. 52 = BVerfGE 128, S. 226 ff.
A. Das Eigentum als Abgrenzungskriterium
171
schaftsrecht geschützt.52 Allerdings kann das einfache Recht nicht ausschlaggebend für die Beurteilung der Grundrechtsfähigkeit einer Person sein. Die einfachrechtlichen Schutzmöglichkeiten sind – soweit sie keine Konkretisierung von grundrechtlichen Schutzpositionen darstellen – vom Gesetzgeber jederzeit aufhebbar. Überzeugend erscheint allein das Argument, der Schutz der privaten Aktionäre könne über die mittelbare Schutzwirkung der Grundrechte in ausreichendem Maße gestärkt werden. Die Intensivierung der Schutzwirkung der Grundrechte gegen mittelbare Grundrechtseingriffe erscheint in der Tat als dogmatisch möglicher und sauberer Weg.53 Seit dem sog. Mitbestimmungsurteil54 kann zudem nicht mehr bestritten werden, dass unternehmensinterne Regelungen grundsätzlich an Grundrechten zu messen sind.55 Weder die einseitige Betonung des „gesellschaftlichen Substrats“ bei gemischtwirtschaftlichen Unternehmen noch die starre Hervorhebung des staatlichen Anteils können im Ergebnis überzeugen. Auch bei gemischtwirtschaftlichen Unternehmen ist auf allgemeine Zuweisungskriterien zurückzugreifen, die sich nicht nur an Mehrheiten orientieren.
II. Die Situation in Russland 1. Das Eigentum als bestimmender Faktor in der russischen Gesetzgebung Auch in der russischen Gesetzgebung kommt der Gedanke zum Ausdruck, dass der Geldgeber und Finanzier einer juristischen Person Einfluss auf deren Politik hat und in gewisser Weise mit dieser identifiziert werden kann. Um ausländischen Einfluss zu begrenzen oder zumindest kontrollieren zu können, enthält das Gesetz über strategische Branchen daher verschiedene Vorschriften über ein Erlaubnisverfahren für ausländische Investoren und Gruppen, die sich an einer russischen Kapitalgesellschaft in einer strategischen Branche direkt oder indirekt mit über 25 % der Aktien beteiligen möchten.56 Noch deutlicher kommt der Ansatz, der eine Organisation als verlängerten Arm des Eigentümers und Finanzgebers erscheinen lässt, in den neuen Regelungen zum NKO-Gesetz zum Ausdruck:57 Wenn eine nichtkommerzielle Organisation Geld aus dem Ausland erhält, hat sie sich als ausländischer Agent registrieren zu lassen. Diese wegen ihres Anklangs an die stalinistische 52
Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 150. So Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 150. 54 BVerfGE 50, 290 (339, 351 f.). 55 Schmidt-Assmann, BB 1990, 34/27, S. 13; ders., FS Niederländer, S. 395. Das sagt allerdings noch nichts darüber aus, ob ein Unternehmen sich überhaupt auf Grundrechte berufen kann; vgl. Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 148. 56 Vgl. hierzu eingehend Telke, WiRO 2010, S. 108 ff.; Stoljarskij/Wedde, RiW 2009, S. 587 ff. 57 Vgl. hierzu Himmelreich, WiRO 2012, S. 341 ff. 53
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1. Teil, § 3 Materielle Kriterien für die Einordnung eines Unternehmens
Gesetzgebung stark umstrittenen Artikel über ausländische Agenten dienen dazu, die Beeinflussung und Lenkung durch ausländische Quellen im politischen Bereich offen zu legen.58 2. Die Bedeutung des staatlichen Eigentums a) Das staatliche Eigentum als die materielle Basis der Verwaltung In Russland wird ebenso wie nach dem Ansatz des deutschen BVerfG stark zwischen solchem Eigentum, das zur Freiheitsentfaltung natürlicher Personen dient, und staatlichem Eigentum differenziert. Allerdings stellt man nicht allein auf das staatliche Eigentum als solches, sondern vielmehr auf die damit verwirklichte staatliche Funktion ab: Nach der Rechtsprechung des VerfGRF bildet das staatliche Eigentum die materielle Basis für die Verwirklichung staatlicher Funktionen und der Befugnisse der Staatsorgane.59 Entsprechend muss das staatliche Eigentum immer mit einer staatlichen Kompetenz und Funktion korrelieren. Denn seit Aufgabe des staatlichen Wirtschaftsmonopols werden durch Staatskapital nicht vornehmlich wirtschaftliche, sondern gerade soziale, ökologische und sonstige Ziele verfolgt.60 So wurde in das sozial-ökonomische Programm von 2003 – 2005 erstmals aufgenommen, dass sich der Staat überflüssigen staatlichen Vermögens, das nicht der Erfüllung von Staatsfunktionen diene, zu entledigen habe.61 Dieser Kurs wurde im nachfolgenden Programm für die Jahre 2006 – 200862 sowie im Programm für die Jahre bis 202063 übernommen. Auch in föderalen Gesetzen64 ist festgelegt, dass nur solches Vermögen als föderales Eigentum gehalten werden darf, das zur Realisierung staatlicher Funktionen notwendig ist. Das öffentliche Eigentum der Subjekte der RF darf nach neueren Konzeptionen des Gesetzgebers65 ebenfalls nur noch zur Erfüllung von Verwaltungsaufgaben genutzt werden und bildet damit die materielle Basis der Verwaltung.66 b) Das staatliche Eigentum an juristischen Personen Wenn die materielle Basis von Verwaltungsaufgaben das staatliche Eigentum bildet, könnte daraus folgen, dass alle Organisationen, die in staatlichem Eigentum 58 59 60 61 62 63 64 65 66
Vgl. hierzu Fedotov, Trudy po intellektual’noj sobstvennosti 2012, Nr. 2, S. 4 ff. VerfGRF, U. v. 30. 06. 2006, Nr. 8, GSRF 2006/8/3117. Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 60. Abschnitt 3.4 SÖE-Programm 2003 – 2005. Abschnitt 6 SÖE-Programm 2006 – 2008. Abschnitt 4 SÖE-Konzeption 2020. Vgl. Art. 154 Abs. 11 ÄG-APOGUAOSGSGRF Nr. 122. Vgl. Art. 26.11 ÄG-APOGUAOSGSGRF Nr. 95. Eingehend hierzu Gadzˇiev, Civilist 2011, Nr. 3, S. 27 f.
A. Das Eigentum als Abgrenzungskriterium
173
stehen, Verwaltungsaufgaben erledigen müssen und bereits deshalb als Teil des Staates zu betrachten sind. Damit wäre das staatliche Eigentum hinreichendes Zuordnungskriterium zur staatlichen Sphäre. Des Weiteren könnte daraus folgen, dass nur die Organisationen zum Staat zählen, die – wenigstens zusätzlich – auf staatliches Eigentum zurückgreifen. Damit wäre jenes – je nachdem, darüber hinaus – ein notwendiges Kriterium der Staatlichkeit. aa) Das Eigentum an staatlichen Korporationen Ausweislich des Art. 7.1 Abs. 1 Unterabs. 3 NKOGRF und der einzelnen Gründungsgesetze der verschiedenen staatlichen Korporationen67 sind Letztere selbst Eigentümer ihres Vermögens. In Punkt 7.3.1 der Konzeption ZGBRF wurde konstatiert, dass sie daher keine staatlichen Organisationen darstellen.68 Literaturstimmen zufolge ist im Wege einer unentgeltlichen Privatisierung vielmehr staatliches Vermögen in das Eigentum der Korporationen überführt worden und nun als Eigentum Privater zu bezeichnen.69 Autoren, die in den staatlichen Korporationen juristische Personen des Öffentlichen Rechts erblicken, erklären deren Eigentum allerdings entgegen dem Wortlaut des NKOGRF meist zu staatlichem.70 Schließlich seien die Korporationen auf die Erfüllung öffentlicher Interessen beschränkt. Ihr Vermögen sei ihnen allein für diesen Zweck übertragen worden.71 Eigentum Privater dagegen sei zur Verwirklichung privater Interessen bestimmt,72 was dem Wesen der staatlichen Korporation widerspreche. In der Diskussion werden meist zwei Fragen vermischt: Wer ist Eigentümer des Vermögens und um welche Form des Eigentums handelt es sich: um privates,73 staatliches oder sonstiges Eigentum im Sinne von Art. 8 Abs. 2 VerfRF und Art. 212 Abs. 1 ZGBRF, etwa in der Form staatlich-kor67
Vgl. hierzu Kessler, Hand des Staates, S. 157. So die Konzeption des ZGB. 69 Entgegen dem gesetzlichen Wortlaut lehnen manche Autoren die Eigentumsrechte der staatlichen Korporationen aber ab und sehen eher eine Nähe zur operativen Verwaltung; vgl. Cˇ ernegi, in: Mozolin/Masljaev (Hrsg.), Grazˇ danskoe pravo I, S. 165; ähnlich Ljanin, Pravo sobstvennosti gosudarstvennych korporacij, Abs. 538, 968; die überwiegende Mehrheit der Literaturstimmen dagegen geht von Eigentumsrechten der Korporationen aus, die allerdings – wie jedermanns Eigentumsrechte auch – nicht uneingeschränkt gelten könnten; vgl. etwa statt aller Semenov/Seregina, Pravo i e˙ konomika, 2008, Nr. 2., ähnlich auch Nemesov, Reformy i pravo, 2008, Nr. 3. 70 So Sˇ cˇ uko,Grazˇ danskoe i predprinimatel’skoe zakonodatel’stvo 2013, Nr. 4, S. 41, 43; auch Mozolin, in: Gadizˇ iev (Hrsg.), Ocˇ erki konstitucionnoj e˙ konomiki: goskorporacii, S. 32 – 65, 57; vgl. insgesamt Belych, Bankovskoe pravo 2012, Nr. 4; Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 274 – 322. 71 So Kessler, Hand des Staates, S. 161, der neben formalen Aspekten zudem auf den besonderen Charakter der staatlichen Korporationen verweist. Auch wenn er selbst eine Zuordnung zur staatlichen Sphäre nicht vornimmt, deutet er doch in diese Richtung. 72 Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 283. 73 So etwa mit Verweis auf die ebenfalls privaten privatisierten Aktiengesellschaften in 100 % staatlichem Eigentum Semenov/Seregina, Pravo i e˙ konomika Nr. 2, S. 4 ff. 68
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1. Teil, § 3 Materielle Kriterien für die Einordnung eines Unternehmens
porativen Eigentums?74 Da nach russischer Vorstellung Privateigentum der staatlichen Korporationen mit ihrer Einordnung in die staatliche Sphäre schwer vereinbar ist, halten einige Autoren entgegen dem Gesetzeswort nicht die staatlichen Korporationen, sondern den Staat für den Eigentümer des Vermögens der staatlichen Korporationen.75 Andere Literaturstimmen wollen sowohl dem Staat als auch den staatlichen Korporationen die gemeinsame Eigentümerstellung zugestehen.76 Die Überzahl der Autoren spricht sich dabei in Anlehnung an Venediktovs ursprüngliche Vorstellung der Eigentumsverhältnisse zwischen dem sowjetischen Staat und den unitarischen Betrieben77 für ein komplex-strukturiertes, untergliedertes (razdelennaja sobstvennoct’) Eigentum aus:78 Zwischen dem Eigentümer Staat als oberem Eigentümer und der Korporation als untergeordnetem Eigentümer bestehe eine vertikale Verteilung.79 Andere gehen von einer zeitlichen Aufspaltung aus: Die Ausübung der Eigentümerrechte durch die staatliche Korporation lasse die Eigentümerstellung des Staates einfrieren und später wieder aufleben.80 Bei dem Eigentum der Korporation handle es sich nicht um Privateigentum, sondern um sonstiges Eigentum im Sinne des Art. 8 VerfRF.81 Die breit geführte Diskussion um das Eigentum der staatlichen Korporation zeigt, dass die Art der Eigentumsverhältnisse letztlich eine wesentliche Rolle für die Zuordnung eines Rechtssubjekts zur staatlichen oder gesellschaftlichen Sphäre spielt.82 Ein zumindest auch öffentlicher bzw. nicht-privater Charakter des Eigentums erweist sich als notwendiges Merkmal der Staatlichkeit. Ein staatliches Subjekt kann nämlich nicht über privates Eigentum verfügen. Offen bleibt dabei, ob das Eigentum des Staates am Vermögen einer Person (zwingend) zur Staatlichkeit des Subjekts führt.
74
So recht originell Kaplin, Gosudarstvennaja korporacija, Avtoreferat. Nachweise zu entsprechenden Literaturstimmen bei Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 282. 76 Vgl. die Theorie von Mozolin, Pravo sobstvennosti, S. 39 – 46; vgl. dazu auch Belych, Bankovskoe pravo 2012, Nr. 4. 77 Vgl. Venediktov, Pravovaja priroda, S. 80 ff. 78 Da diese Vorstellung dem römisch-germanischen Recht und auch dem russischen Recht fremd ist, sind auch Vorstellungen über ein Treuhandsverhältnis verbreitet; vgl. Kessler, Hand des Staates, S. 160; Vennickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 291. 79 Diese These vertreten prominente Autoren wie Tolstoj, in: Litovkina/Rachmilivicˇ a (Hrsg.), Razrabotka teorii juridicˇ eskogo lica, S. 87.; vgl. auch Mozolin, in: Zˇ urnal possijskovo prava, 2009, Nr. 1. 80 Mozolin, in: Gadizˇ iev (Hrsg.), Ocˇ erki konstitucionnoj e˙ konomiki: goskorporacii, S. 55 ff. 81 Kurbatov, Pravovoe regulirovanie; Kleandrov, in: Tuzova (Hrsg.), Vesˇcˇ nye prava; Zavoda, bankovskoe pravo 2009, Nr. 1. 82 Vgl. hierzu die Diskussion um die wesentlichen Merkmale der juristischen Person des Öffentlichen Rechts unter § 2 B. II. 3. f) cc) (2). 75
A. Das Eigentum als Abgrenzungskriterium
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bb) Das Eigentum an Aktiengesellschaften als Objekt der Verwaltung Klassischerweise tritt die Vermögensmasse als Objekt der staatlichen Vermögensverwaltung durch die Staatsorgane auf. Dabei geht die Verwaltung staatlichen Eigentums gerade im Zusammenhang mit Aktiengesellschaften über normale Eigentümerbefugnisse hinaus.83 Entweder steht die Aktie oder das über die Aktie vermittelte Einflussrecht im Vordergrund.84 Zum einen ist die Aktie als solche ein eigenständiges Objekt der Verwaltung,85 insbesondere wenn die Ausübung der Eigentümerbefugnisse keine Beteiligung in der Verwaltung der Gesellschaft nahelegen.86 Zum anderen stellt die Verwaltung der Aktien ein Mittel zur Teilhabe und Verwaltung der Gesellschaft selbst dar.87 Mit der Verwaltung der Eigentumsanteile an einer Aktiengesellschaft kann also auch die Verwaltung der Gesellschaft mit einhergehen.88 Es handelt sich um eine staatliche Befugnis, die durch die Gründung, Umstrukturierung und Liquidierung von Unternehmen und Einrichtungen sowie der Festlegung der Gegenstände, Ziele und der Tätigkeit dieser Unternehmen besteht.89 Der verwaltungsrechtliche Aspekt liegt gerade in der Lenkung der Unternehmen und ist darauf ausgelegt, die Arbeit der wirtschaftlichen Strukturen zu organisieren und zu steuern und die Effektivität der staatlichen Eigentumsobjekte unter den Bedingungen der Marktwirtschaft zu garantieren.90 Anders als bei den staatlichen Korporationen wird die Staatlichkeit der Aktiengesellschaft, ihre Anerkennung als staatliches Rechtssubjekt allerdings klassischerweise nicht erwogen. Durch das staatliche Eigentum an den Aktien wird die Gesellschaft selbst gerade nicht zum Teil des Staates. Es schimmert nicht etwa eine staatliche, personelle Substanz hinter dem Unternehmen hervor. Vielmehr wird zwischen den Rechtssubjekten Staat und Unternehmen unterschieden. Die Aktiengesellschaft ist ein privates Rechtssubjekt, das durch die über das Eigentum vermittelten Einflussrechte des Staates zum Objekt staatlicher Verwaltung werden kann. Lediglich die Aktien stellen staatliches Eigentum dar. Laut Gadzˇiev handle es sich bei dem Vermögen der Aktiengesellschaft juristisch um deren Privateigentum. Nur rein faktisch könne man von staatlichem Eigentum sprechen.91 Letztlich führt das staatliche Eigentum an den Anteilen eines Rechtssubjekts nicht zwingend zur Staatlichkeit des Rechtssubjekts selbst. Die Subordination des Un83
Vgl. hierzu die Diskussion zur Vermögensverwaltung unter § 2 C. II. 1. a) bb). Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 266. 85 Talapina, Upravlenie gosudarstvennoj sobstvennost’ju, S. 256. 86 Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 262 f. 87 Talapina, Upravlenie gosudarstvennoj sobstvennost’ju, S. 256. 88 Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 266. 89 Andreev, Pravo gosudarstvennoj sobstvennosti, S. 153. 90 Changel’dyev, Bacˇ ilo/Chamaneva (Hrsg.), Sbornik, S. 80 f. 91 Gadzˇiev, Izvestija vuzov, Pravovedenie 2009, Nr. 2. Allerdings ist faktisches Eigentum für Gadzˇiev nicht entscheidend. In diesen Aktiengesellschaften werde oft gerade nicht dem Allgemeinwohl gedient. 84
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1. Teil, § 3 Materielle Kriterien für die Einordnung eines Unternehmens
ternehmens unter die staatlichen Organe, welche die Unternehmensführung steuern, lässt die staatlich gehaltenen Aktiengesellschaften allerdings unter Umständen zu staatlichen Instrumenten werden und erinnert stark an die unitarischen Betriebe.92 Die Stellung des mit dem Staat nicht identischen privaten Rechtssubjekts und gleichzeitigen Objekts der staatlichen Verwaltung führt jedenfalls zu gewissen dogmatischen Schwierigkeiten.93
III. Zusammenfassung und Vergleich In Deutschland spielen die Vermögensverhältnisse einer juristischen Person eine wesentliche Rolle. Der Träger wird dabei fälschlicherweise mit der getragenen Person gleichgesetzt und identifiziert. Aus dem Vergleich zum russischen Recht sollte gelernt werden, dass zunächst vom Staat, der Anteile an einem Unternehmen besitzt, nur diese verwaltet werden. Erst wenn entsprechende Einflussrechte hinzutreten, verwaltet der Staat auch die Gesellschaft. Ob jene als staatliches Subjekt bezeichnet werden kann, hängt also nicht von der Anteilseignerschaft des Staates als solcher ab. Insbesondere der Streit um die gemischtwirtschaftlichen Unternehmen sollte nicht, wie das BVerfG es vorschlägt, allein anhand der Höhe der staatlichen Beteiligung entschieden werden. In Russland wird staatliches Eigentum als Objekt der staatlichen Verwaltung betrachtet. Die Staatsorgane verwalten das staatliche Eigentum, welches das Vermögen bestimmter Rechtssubjekte bildet. Kommen Einflussrechte auf die internen Unternehmensvorgänge hinzu, wird letztlich auch die entsprechende juristische Person zum Objekt staatlicher Vermögensverwaltung. Während in Deutschland die gemeinwohlorientierte Verwendung staatlichen Vermögens und die Gemeinwohlorientierung der Gesellschaft oft vermischt und damit der Einsatz der Aktien und die Einflussnahme auf die Gesellschaft irrtümlich undifferenziert gleichgesetzt werden, unterscheiden die russischen Autoren sehr genau zwischen der Verwaltung staatlichen Vermögens und der Verwaltung der Gesellschaft im Zuge von Einflussnahme. Zum einen ist die Einflussnahme auf die Gesellschaft lediglich eine Option, zum anderen wird aus der reinen Finanzierung nicht darauf geschlossen, dass die Unternehmen selbst Verwaltungsträger sind oder gemeinwohlorientierte Aufgaben erfüllen. Die Unternehmen bleiben Objekt staatlicher Verwaltung, nicht ihr Subjekt. Jedoch führt nach russischem Verständnis selbst die Steuerung eines Unternehmens 92 Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 271. Andreev, Pravo gosudarstvennoj sobstvennosti, S. 151. Nach hier vertretener Ansicht drängt es sich daher auf, gelenkte Rechtssubjekte nicht nur als Objekt staatlichen Einflusses zu begreifen, sondern auch als staatliche Subjekte, in denen sich staatlicher Wille verkörpert. 93 In Bezug auf die RZˇ D wird daher formuliert: „Wenn alle Aktien in staatlichem Eigentum sind und der Staat im Namen der RF die Befugnisse des Aktionärs ausübt, dann kann man die RZˇ D nicht als gewöhnliche Aktiengesellschaft betrachten, deren Vermögen ihr gehört“; vgl. Andreev, Pravo gosudarstvennoj sobstvennosti, S. 151.
B. Die staatliche Aufgabe als Abgrenzungskriterium
177
durch den Staat nicht zwingend zu dessen Stellung als staatlicher Akteur. Vielmehr wird die Aktiengesellschaft selbst – auch wenn sie sich zu 100 % in Staatseigentum befindet und dem Staat weitreichende Einflussrechte zustehen – meist als privatrechtliches Handlungssubjekt angesehen. Zwar kommt der Gedanke auf, dass der Staat der Gesellschaft durch die Verwaltung des Vermögens über die Eigentümerrechte seinen Willen aufzwingt. Doch verhindert der Einschlag der Fiskustheorie die Diskussion um die „Staatlichkeit“ der Aktiengesellschaften. Denn ihrer Rechtsform nach befassen sich Letztere mit dem Wirtschaftsverkehr, dienen kommerziellen Zwecken und gehören damit nicht dem Bereich der gemeinwohlorientierten Verwaltung an. Bei starker staatlicher Einflussnahme führt dies allerdings zu gewissen dogmatischen Schwierigkeiten und Widersprüchen. Denn die der Theorie nach bestehende völlig unterschiedliche Interessenlage des Unternehmens und des Staates als Eigentümer kann bei einer Willenssteuerung durch den Staat nicht gegeben sein. In diesem Zusammenhang ist die Einführung der öffentlich-rechtlichen Kompanie zu sehen: Bei ausschließlicher Eigentümerstellung des Staates sollen die kommerziellen Aktiengesellschaften in nicht-kommerzielle öffentlich-rechtliche Kompanien umgewandelt werden können. Dies trägt der Tatsache Rechnung, dass die zu 100 % gehaltene Aktiengesellschaft unter Umständen94 eben keine gewöhnliche kommerzielle Organisation darstellt. Wie die Diskussion um die juristische Person des Öffentlichen Rechts zeigt, soll der Übergang des Objekts staatlicher Verwaltung zu ihrem Subjekt jedenfalls durch einen Formwechsel möglich sein.
B. Die staatliche Aufgabe als Abgrenzungskriterium I. Die Situation in Deutschland 1. Die materielle Aufgabenbestimmung a) Die Position der Rechtsprechung Zeitweise stellte das BVerfG in funktionaler Betrachtungsweise auf die Art der von einem Unternehmen ausgeführten Aufgabe als Zeichen der Staatlichkeit ab.95 Privatrechtlich organisierte Personen wurden bei der Wahrnehmung einer gesetzlich zugewiesenen und geregelten Aufgabe der Daseinsvorsorge als nicht grundrechtsfähig und damit als staatlich angesehen.96 Zudem hat das BVerfG die Grundrechtsfähigkeit der öffentlich-rechtlichen juristischen Personen bei der Wahrnehmung
94
Nach hier vertretenen Ansatz kommt es auf die staatliche Fremdbestimmung des Unternehmens nach dem Maßstab des Demokratieprinzips an. Vgl. unter § 5 B. I. 95 BVerfG, JZ 1990, S. 335; vgl. auch BVerfG, NJW 1980, S. 1093 ff.; BVerfGE 45, S. 63 (79 f.); 68, S. 193 (212). 96 BVerfG, NJW 1987, S. 2501 f.; BVerfG, NJW 1990, S. 1783; BVerfG, NJW 1996, S. 584.
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1. Teil, § 3 Materielle Kriterien für die Einordnung eines Unternehmens
öffentlicher Aufgaben oder der Daseinsvorsorge verneint.97 Jedenfalls bis zur „Fraport-Entscheidung“ bildete die Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Aufgabe – meist der Daseinsvorsorge98– in der Rechtsprechung des BVerfG ein zentrales Kriterium für die Staatlichkeit einer Person.99 Dem folgend will vor allem der BGH die Grundrechtsbindung einer Person von der Art der Aufgabenerfüllung abhängig machen: Nach dem von ihm entwickelten Unmittelbarkeitskriterium können Unternehmen nur bei unmittelbarer Erfüllung öffentlicher Aufgaben als Staatsgewalt an Grundrechte gebunden sein.100 Dient eine Gesellschaft dagegen nur mittelbar einem öffentlichen Zweck und ist primär zur Gewinnerzielung bestimmt, so ist sie höchstens dem Willkürgebot unterworfen.101 b) Die Position der Literatur Viele Literaturstimmen ziehen das Kriterium der Wahrnehmung einer materiellen Verwaltungsaufgabe heran,102 um rein erwerbswirtschaftliches Handeln von der staatlichen Verwaltungstätigkeit abzugrenzen,103 die ein Unternehmen der staatlichen Sphäre angehören lässt. Anknüpfungspunkt ist dabei meist der Begriff der Daseinsvorsorge.104 Dem liegt die These zugrunde, dass der Staat die Verantwortung für die zum menschlichen Dasein unerlässlichen Güter und Leistungen zu tragen hat. Klassisch wurden hierzu insbesondere die öffentlichen Einrichtungen im Verkehrswesen und die damit verbundene Verpflichtung zu weitreichender Bedarfsdeckung gezählt.105 Nur wenn ein Unternehmen derartige öffentliche, dem Gemeinwohl dienende106 Aufgaben erfüllt, soll es der ausführenden Gewalt angehören.107 Es soll – gerade bei 97
BVerfGE 21, S. 363 (369); 68, S. 193 (206); 75, S. 192 196). 2009 wurde darauf verzichtet, die öffentlichen Aufgaben in dem aufgezeigten Zusammenhang als solche der Daseinsvorsorge zu beschreiben; vgl. BVerfG, JZ 2009, S. 1070. 99 So Heise, Deutsche Bahn AG, S. 171 f.; in seinem „Fraport-Urteil“, BVerfGE 128, S. 226 ff. = NJW 2011, S. 1204, Rn. 59 dagegen lehnt das BVerfG eine funktionale Sichtweise ab. 100 BGHZ 29, S. 76 (80) = NJW 1959, S. 432; BGHZ 91, S. 84 = NJW 1985, S. 200; BGHZ 36, S. 91 (96). 101 BGH, NJW 2004, S. 1031. 102 Vgl. Loeser, Der Staat 27 (1988), S. 454 f.; Gogos, Verwaltungseinheiten, S. 340; Schallemacher, Bndesunternehmen, S. 80 ff. 103 Vgl. etwa Rollenfitsch, HStR Bd. 3, § 84, Rn. 48. 104 Dieser Begriff wurde entwickelt von Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, S. 268 ff. 105 Vgl. Forsthoff, in: Berkenkopf/Forsthoff (Hrsg.), Verkehrsbedienung, S. 21 ff.; vgl. auch Kramer, in: Bayreuther (Hrsg.), Sozialeinrichtungen, S. 122 ff. Diese These erfährt derzeit eine gewisse Wiederbelebung; vgl. Ronellenfitsch, DVBl. 2008, S. 201; ders., in: Hochhuth (Hrsg.), Rückzug des Staates, S. 125. 106 Zu den Begrifflichkeiten vgl. hierzu Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 30 GG, Rn. 14 f. 107 Vgl. die Darstellung bei Gurlit, NZG 2012, S. 253 mit w.N. 98
B. Die staatliche Aufgabe als Abgrenzungskriterium
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staatlicher Beteiligung – darauf ankommen, ob sich der Staat der Unternehmen „als wirtschaftspolitische(r) Instrumente bedient“108 oder ob jene lediglich „als Gleiche unter Gleichen am Wettbewerb“ teilnehmen.109 Dieses materielle Kriterium der Wahrnehmung einer staatlichen Aufgabe wird teilweise dem Erfordernis einer staatlichen Anteilsmehrheit an die Seite gestellt, wobei beide Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssen.110 Auch hat das sog. Unmittelbarkeitskriterium des BGH111 in der Literatur112 Anhänger gefunden. c) Eigene Stellungnahme Diese Vorstellung ist primär vom Ergebnis her gedacht: Die Flucht ins Privatrecht soll in wichtigen Bereichen vermieden werden.113 Daher werden bestimmte Subjekte, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen, zu staatlichen erklärt, um eventuelle negative Privatisierungsfolgen zu kompensieren. Sinnvoller erscheint es jedoch, durch die Entwicklung einer klaren Staatsaufgabenlehre festzulegen, dass bestimmte Funktionen vom Staat selbst wahrgenommen werden müssen, der Staat sich also nicht von ihnen zurückziehen darf, sondern die Verantwortung stets behält. Zudem kann eine Flucht ins Privatrecht jedenfalls hinsichtlich der Grundrechtsbindung zusätzlich vermieden werden, indem auch Private dann, wenn sie aufgrund sozialer Macht eine grundrechtstypische Gefährdungslage für andere Private schaffen, ebenfalls an Grundrechte gebunden werden (siehe hierzu § 4 A. I. 2. b) dd) (2)). Das Abstellen auf die Aufgabe im materiellen Sinne steht letztlich in Zusammenhang mit dem Verwaltungsprivatrecht.114 Diesem Ansatz, der in seiner Konsequenz ursprünglich zwischen fiskalischem Handeln der Verwaltung einerseits und der unmittelbaren Erfüllung öffentlicher Aufgaben andererseits unterschied, wurde aber schon bald die Lehre der „umfassenden Fiskalgeltung der Grundrechte“115 entgegengestellt, bzw. wurde die Theorie des Verwaltungsprivatrechts hierdurch modifiziert. Auch erwerbswirtschaftliche Staatsgewalt ist Staatsgewalt, so dass es auf die Unterscheidung in Hinblick auf die Bindungen des Staates also nicht mehr ankommen kann.
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Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 93, in Fn. 223. Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 93, in Fn. 223. 110 Vgl. in diese Richtung Möstl, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 87e GG, Rn. 101. 111 BGHZ 29, S. 76 (80); 36, S. 91 (96). 112 Ronellenfitsch, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR IV, § 98, Rn. 48. 113 Das deutet auch Heise, Deutsche Bahn AG, S. 175 ff., an. 114 Zum Verwaltungsprivatrecht insgesamt, statt aller Frotscher/Kramer, Wirtschaftsverfassungs- und Wirtschaftsverwaltungsrecht, Rn. 45, 47. 115 Dieser Begriff geht wohl zurück auf Löw, DÖV 1957, S. 879; s. auch Evers, NJW 1960, S. 2075; Berkemann, Staatliche Kapitalbeteiligung, S. 33 ff.; Mallmann/Zeidler, VVDStRL 19 (1961), S. 201 ff.; jüngst bestätigt durch das BVerfG, NJW 2011, S. 2101, Rn. 47 = BVerfGE 128, S. 226 ff. 109
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1. Teil, § 3 Materielle Kriterien für die Einordnung eines Unternehmens
Selbst wenn man dennoch an dem Kriterium der öffentlichen Aufgabe festhalten wollte, stieße dies auf praktische Bedenken. Die Grenze zwischen unternehmerischer Leistungsverwaltung und echter Erwerbswirtschaft verschwimmt zunehmend.116 Eine klare Abgrenzung erlaubt auch das Unmittelbarkeitskriterium angesichts der Vielschichtigkeit der Zwecksetzung gerade öffentlicher Wirtschaftstätigkeit nicht.117 Noch unbestimmter ist der von Forsthoff geprägte Begriff der „Daseinsvorsorge“.118 So ist bereits fraglich, ob er nur lebensnotwendige Leistungen oder alle nützlichen Dienste erfassen soll.119 Die eher soziologische Kategorie, die keinen „Funktionsbegriff von verwaltungsrechtlicher, geschweige denn verfassungsrechtlicher Qualität“120 darstellt, ist nicht dogmatischer Natur, sondern rein deskriptiv-analytisch.121 Problematisch ist aber doch vor allem, dass zwischen der privatrechtsförmigen Verwaltung einerseits und der Verwaltung durch Private andererseits unterschieden werden muss.122 Letztere können nicht allein wegen der von ihnen wahrgenommenen Aufgabe per se als staatlich bezeichnet werden. Vielmehr kann der Staat private Unternehmen durch Vorschriften des Wirtschaftsverwaltungsrechts in die Pflicht bzw. in den Dienst nehmen und/oder vertraglich in die Erfüllung öffentlicher Aufgaben einbinden, ohne dass jene gleich wie ein Beliehener zum Teil der Verwaltung werden.123 Neben den staatlich veranlassten echten Privaten können zudem gesellschaftliche Stellen von sich aus öffentliche Aufgaben – der Daseinsvorsorge – wahrnehmen.124 116 Statt vieler Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 109; Klein, Teilnahme des Staates, S. 19. 117 So völlig zutreffend Heise, Deutsche Bahn AG, S. 179; kritisch hinsichtlich der Mehrschichtigkeit der Zwecksetzung ebenfalls Stern, StaatsR III/1, S. 1404; Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 109; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 67 f. 118 Vgl. zur Kritik am Begriff Ossenbühl, DÖV 1971, S. 517 f.; kritisch auch Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 109 mit w.N. 119 Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 110, mit w.N. und eingehender Auseinandersetzung mit dem Begriff. 120 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 106; Scholz, FS Lorenz, S. 216; Schmidt-Aßmann, BB 1990, 34/27, S.14. 121 Schmidt-Aßmann, FS Niederländer, S. 385. 122 Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 95. 123 Vgl. Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 96; zum Begriff der „Inpflichtnahme“ ders., S. 118 f.; Schuppert, Erfüllung öffentlicher Aufgaben, S. 167, möchte die Indienstgenommenen in der gesellschaftlichen Sphäre belassen; nach herrschender Lehre werden echte Private nur im Falle der Beleihung der Verwaltung zugeordnet; nach hier vertretenem Ansatz können auch Verwaltungshelfer unter bestimmten Umständen der Verwaltung angehören; vgl. unter § 2 C. I. 2. b) dd). 124 Vgl. statt vieler Scholz, FS Lorenz, S. 216; Klein, DÖV 1965, S. 758; Heise, Deutsche Bahn AG, S. 179, die in diesem Zusammenhang zurecht auf die Bemerkung des BVerfG hinweist, dass „in einer auf dem Prinzip des freien Unternehmertums beruhenden Wirtschaftsordnung die Versorgung der Gesamtwirtschaft auch mit lebensnotwendigen Gütern grundsätzlich zu den Funktionen der privaten Unternehmer gehört“; vgl. BVerfGE 30, S. 292 (311).
B. Die staatliche Aufgabe als Abgrenzungskriterium
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Dies beruht nicht zwingend auf einer vorausgegangenen Delegation durch den Staat; vielmehr kann die Aufgabe dem Privaten originär zustehen.125 Zwar muss jede staatliche Aufgabe eine öffentliche, dem Gemeinwohl dienende Aufgabe sein.126 Doch ist eben nicht jede öffentliche Aufgabe eine staatliche. Insofern ist die Wahrnehmung einer öffentlichen, dem Gemeinwohl dienenden Aufgabe zwar ein notwendiges Kriterium staatlicher Verwaltungstätigkeit; das Kriterium umschreibt aber nicht abschließend die staatliche Sphäre. Entscheidend muss also sein, ob es sich bei der öffentlichen Aufgabe um eine staatliche handelt. Dabei bereitet die Definition größte Schwierigkeiten; eine hinreichend ausgearbeitete Staatsaufgabenlehre fehlt bisher.127 Der Staat kann seinen Kompetenzrahmen erweitern und sich Aufgaben aneignen oder auch wieder abstoßen. Der Bereich der öffentlichen und damit der staatlichen Aufgaben ist also höchst dynamisch mit Ausnahme der Bereiche, die von Verfassungs wegen zwingend vom Staat selbst wahrgenommen werden müssen, und den Aufgaben, die er sich verfassungsrechtlich niemals aneignen darf. Diesen Aufgaben kommt eine gewisse Indizwirkung zu: Nimmt eine Person eine Aufgabe wahr, die von Verfassungs wegen der freiheitlichen Gesellschaft zugeordnet ist, ist darin ein Indiz für die fehlende Staatlichkeit der Person zu sehen. Nimmt eine Person eine Aufgabe wahr, die von Verfassungs wegen vom Staat wahrgenommen werden muss, spricht dies indiziell für die Staatlichkeit des Subjektes und die Zurechnung seines Handelns zum Staat. Jenseits der verfassungsrechtlich vorgegebenen Aufgaben werden Staatsaufgaben aber meist nur deskriptiv als diejenigen gefasst, die vom Staat tatsächlich ausgeführt werden.128 Dabei besteht die Gefahr einer zirkulären Argumentation: Von der Staatlichkeit des ausführenden Subjektes wird auf die Staatlichkeit der Aufgabe geschlossen; dann kann aber kein Rückschluss von der Wahrnehmung der – wegen des ausführenden Subjektes als staatliche Aufgabe identifizierten – Aufgabe zur Staatlichkeit des ausführenden Subjektes gezogen werden. Wie oben erwähnt kommt nur der Wahrnehmung einer verfassungsmäßig vorgegebenen staatlichen Aufgabe eine gewisse Indizwirkung zu. 2. Die formale Aufgabenbestimmung Gerade der Vergleich der privatrechtsförmigen Verwaltung mit den „echten Privaten“, die auch öffentliche Aufgaben wahrnehmen, zeigt, dass es für die Bestimmung der Staatlichkeit einer Person und der Zurechnung ihres Handelns zum 125 Vgl. Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 385; dabei ist der Staat gar nicht berechtigt, das Potenzial seiner Befugnisse und Kompetenzen voll auszuschöpfen, sondern muss der Gesellschaft genug Spielraum zur Entfaltung grundrechtlicher Freiheit belassen; vgl. ders., S. 105; Knieps, in: Hochhuth (Hrsg.), Rückzug des Staates, S. 77 ff., fordert den Rückzug des Staates im Bereich der Daseinsvorsorge. 126 Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 30 GG, Rn. 14 f. 127 Statt aller Schuppert, Erfüllung öffentlicher Aufgaben, S. 155 ff. 128 So Teichmann, Festgabe Knemeyer, S. 658.
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1. Teil, § 3 Materielle Kriterien für die Einordnung eines Unternehmens
Staat nicht nur auf die Wahrnehmung einer materiellen Aufgabe ankommen kann. Daher wollen einige Stimmen in der Literatur zwar an dem funktionalen Kriterium der öffentlichen Aufgabe festhalten,129 bestimmen die Verwaltungsaufgabe aber anhand formaler Kriterien.130 Der Staat müsse durch eine Art Kompetenzentscheidung, durch eine „Aufgabenübernahme“131 formal zum Ausdruck bringen, dass er sich einer Aufgabe als einer eigenen annehmen132 und diese tatsächlich an sich ziehen wolle.133 Entscheidend sei also, ob der Staat für die Aufgabe die Durchführungs- und Erfüllungsverantwortung nach außen erkennbar übernehmen wolle.134 Denn die Beteiligungsentscheidung der öffentlichen Hand an einem Unternehmen allein lasse nicht darauf schließen, dass das Unternehmen als „Werkzeug“ fungieren solle.135 Erst wenn die öffentliche Aufgabe mit dem Unternehmensgegenstand zusammenfalle,136 stelle das Unternehmen einen „Trabanten des Verwaltungssystems“137 dar. Während Scholz die Beleihung gemischtwirtschaftlicher Unternehmen als formalen Kompetenzentscheid, der die schlicht-öffentliche zur öffentlichrechtlichen Aufgabe erhebe, fordert, um die Unternehmen der öffentlichen Sphäre zuordnen zu können,138 wird eine Beleihung überwiegend für überflüssig und als zu weitgehend bezeichnet.139 Abgestellt werden solle vielmehr auf die Sonderbindungen des Unternehmens durch Gesetz, Satzung oder Vertrag,140 durch die jenes einer gewissen Zweckbindung und Fremdbestimmung unterworfen werde.141 Es solle darauf ankommen, ob und inwieweit die öffentliche Hand Einfluss nehmen und die juristische Person instrumentalisieren könne, wobei sowohl die Tätigkeit des Un-
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Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 103 ff., begründet sehr ausführlich die Notwendigkeit eines funktionalen Kriteriums. 130 Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 111; Lang, NJW 2004, S. 3603; Heise, Deutsche Bahn AG, S. 180 ff. 131 So Heise, Deutsche Bahn AG, S. 180. 132 Verbreitet ist der Ansatz, dass eine öffentliche Aufgabe, mit der sich der Staat befasst hat, eine staatliche ist; vgl. etwa Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), S. 153; Steiner, Öffentliche Verwaltung, S. 52; Löwer, Energieversorgung, S. 166 ff. 133 So Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 111. 134 So wohl Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 112; Lang, NJW 2004, S. 3601, 3603; Heise, Deutsche Bahn AG, S. 180. 135 Sehr überzeugend Heise, Deutsche Bahn AG, S. 177; Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 114; ähnlich Zimmermann, Schutzanspruch, S. 256. 136 Vgl. Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 114. 137 So Heise, Deutsche Bahn AG, S. 181; der Begriff des „Trabanten des Verwaltungssystems“ dagegen stammt von Schuppert, in: Ipsen (Hrsg.), Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 17, 29. 138 Scholz, FS Lorenz, S. 222. 139 Vgl. Heise, Deutsche Bahn AG, S. 185, Fn. 728. 140 Möstl, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 87e GG, Rn. 101; Lang, NJW 2004, S. 3605. 141 Lang, NJW 2004, S. 3603; Heise, Deutsche Bahn AG, S. 182, die in der Sache völlig richtig auf die Fremdbestimmung abstellt.
B. Die staatliche Aufgabe als Abgrenzungskriterium
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ternehmens als auch dessen Zweckbestimmung von Bedeutung seien.142 Da das Merkmal des „öffentlichen Zwecks“ ebenso unscharf bleibe wie der Begriff der „öffentlichen Aufgabe“, solle es auf die formale Bindung, irgendwelche öffentlichen Zwecke an sich,143 ankommen. Dabei müssten diese Sonderbindungen und Zweckbestimmungen über die allgemeinen, alle privatrechtlich organisierten Personen adressierenden, gesetzlichen Indienstnahmen hinausgehen.144 Während Heise allein auf die formale Aufgabe unabhängig von dem Aspekt der Eigentumsverhältnisse abstellen möchte,145 verbindet Möstl organisatorische und funktionale Kriterien, wobei er das funktionale Kriterium der öffentlichen Aufgabe ebenfalls formal bestimmt. Zumindest soll das Merkmal der Wahrnehmung einer staatlichen Aufgabe ergänzend zum Kriterium der Eigentumsverhältnisse herangezogen werden.146 3. Eigene Stellungnahme Der formale Aufgabenansatz kann weder in der Variante, die staatliche Anteilsmehrheit mit formaler Aufgabenbefassung verbindet, noch in der Modifikation, die ausschließlich auf eine Sonderbindung abstellt, überzeugen. Vertritt man die These, dass bei organisatorischer Verflechtung hinter dem Unternehmen der Staat stehe und ein Durchgriff auf Letzteren möglich sei,147 stellt sich die Frage, warum es zusätzlich auf die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben ankommen soll.148 Denn wenn die Verwaltung unabhängig von ihren Aufgaben immer gebundene Staatsgewalt darstellt, dann muss das Unternehmen, hinter dem der Staat steht, auch unabhängig von den wahrgenommenen Aufgaben oder der Befassung mit irgendwelchen staatlichen Aufgaben und Zwecken gebundene Staatsgewalt sein. Zwar ist zuzugeben, dass die Frage, ob ein privates Unternehmen der Verwaltung zuzurechnen ist, und die Frage, ob die Verwaltung umfassend an Grundrechte gebunden ist, zu un-
142 Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 13 f.; Lang, NJW 2004, S. 3605. 143 Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 116: „Die hierdurch vorgezeichnete Grenzlinie zwischen ,gebundener‘ – d. h. an staatlich gesetzte Zwecke gebundener und so in öffentliche Aufgabenwahrnehmung eingebundener – und ,freier‘ – d. h. privatautonom Zwecke setzender und folglich private Aufgaben verfolgender – Wirtschaft markiert zugleich die Abgrenzung zwischen den Bereichen der Grundrechtsbindung und der Grundrechtsberechtigung.“ Zur Nähe zu dem hier vertretenen Ansatz s. unten unter § 4 B. I. 3. b). 144 Lang, NJW 2004, S. 3603; Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 119 f. 145 Heise, Deutsche Bahn AG, S. 176. 146 Möstl, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 87e GG, Rn. 101. 147 Vgl. Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 94, 121. 148 Ein Zurückfallen in das ursprüngliche Verwaltungsprivatrecht deutet indirekt auch Heise, Deutsche Bahn AG, S. 178, an.
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1. Teil, § 3 Materielle Kriterien für die Einordnung eines Unternehmens
terscheiden sind.149 Daher ist es durchaus zulässig, für die erste Frage einen abweichenden, funktionalen Maßstab zu wählen. Nach der hier vertretenen Ansicht ist zur Beurteilung dieser „vorgelagerten Frage“ dennoch nicht auf die Aufgabe abzustellen, sondern ein Gleichklang mit der gebundenen Verwaltung herbeizuführen.150 Auch wenn die Autoren, die bei der Zuordnung der Unternehmen zur staatlichen Sphäre auf die formale Aufgabenbefassung bzw. institutionelle Aufgabeneinbindung eines Unternehmens abstellen wollen, die Fiskalbindung der Grundrechte anerkennen151 und die Fiskustheorie152 ablehnen, so verbleiben in ihrem Ansatz dennoch Spuren dieses Gedankenguts. Vor allem erscheint es inkonsistent, zunächst festzustellen, dass Art. 19 Abs. 3 GG und die Grundrechtsfähigkeit einer Gesellschaft den Ausgangspunkt der Überlegung bilden sollen, dann aber über den Spiegelbildgedanken letztlich auf Art. 1 Abs. 3 GG153 als kennzeichnendes Merkmal der Verwaltung zurückzugreifen154 und hier – entgegen der Vorstellung der Fiskalbindung – wieder nur auf die Aufgabe abzustellen. Auch wenn man einzig und allein die Sonderbindung als staatlichen Aufgabenbefassungsakt heranzieht, um ein Unternehmen der vollziehenden Gewalt zuzuordnen, ist fraglich, wie dieses Kriterium identifiziert wird. Schließlich spricht der Wortlaut des Art. 1 Abs. 3 GG von „vollziehender Gewalt“, ohne nach Aufgaben zu differenzieren.155 Zudem bietet die Theorie, die allein auf die formale Befassung mit einer Aufgabe abstellt, keinen hinreichenden Maßstab dafür, wann eine Person einer staatlichen Sonderbindung unterworfen ist und wann es sich lediglich um eine Indienstnahme handelt, die den Privaten in der gesellschaftlichen Sphäre belässt. Schließlich weist das BVerfG explizit darauf hin, dass auch Private ebenso wie staatliche Stellen in die Pflicht genommen werden können.156 Der Ansatz der formalen Aufgabenbefassung alleine kann nicht begründen, warum – wie von Möstl postuliert – der echte Private im Gegensatz zur Eigengesellschaft trotz Sonderbindung zusätzlich einer Beleihung bedarf.157 Nicht die herausgehobene Stellung des betroffenen Unternehmens oder ihm abverlangte Sonderopfer können entscheidend sein; vielmehr ist nach dem hier vertretenen Ansatz wesentlich, ob das Maß der Sonderbindung ausreicht, um das Unternehmen an den staatlichen Willen zu binden 149
Darauf weist Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 104, hin. Im Ergebnis genauso Mallmann/Zeidler, VVDStRL 19 (1961), S. 251. 151 Heise, Deutsche Bahn AG, S. 163 ff.; Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 76 ff. 152 Hierzu auch Heise, Deutsche Bahn AG, S. 164, insb. Fn. 638. 153 Noch deutlicher wird dies, wenn man als entscheidenden Ausgangspunkt für die Frage der Staatlichkeit nicht Art. 1 Abs. 3 GG als Gegensatz zu Art. 19 Abs. 3 GG heranzieht, sondern Art. 20 Abs. 2 GG; vgl. unter § 4 B. I. 2., 5. 154 So z. B. Heise, Deutsche Bahn AG, S. 173. 155 Heise, Deutsche Bahn AG, S. 163 mit w.N. 156 BVerfG NJW 2011, S. 1203, Rn. 56 = BVerfGE 128, S. 226 ff.; dies in seinem Sondervotum kritisierend Schluckebier, NJW 2011, S. 1210, Rn. 123 f. 157 Möstl, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 87e GG, Rn. 103. 150
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und zum staatlichen Instrument zu machen. Die privatrechtlich organisierten – und damit noch nicht dem Hierarchieprinzip der öffentlichen Verwaltung unterworfenen – Unternehmen müssen erst in den Legitimationskreis eingebunden werden, um der staatlichen Sphäre anzugehören.158
II. Die Situation in Russland 1. Das System der Staatsorgane im engeren Sinne In Russland könnte die Erbringung öffentlicher oder staatlicher Aufgaben ein entscheidendes Kriterium für die Zuordnung eines Rechtssubjekts zur staatlichen Sphäre sein. Als materielles Kriterium macht das Abstellen auf die Aufgabe nur Sinn, wenn öffentliche Aufgaben nicht nur von formalen Staatsorganen, sondern auch von funktionalen Verwaltungsträgern erbracht werden können, da sonst kein Mehrwert zu formalen Kriterien entsteht. Begrenzt aufschlussreich erscheint das Kriterium, wenn auch gesellschaftliche Akteure öffentliche oder sogar staatliche Aufgaben erfüllen, ohne zum Teil des Staates zu werden. Die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben, insbesondere die Funktionen der Erbringung staatlicher Dienstleistungen,159 obliegen grundsätzlich den Staatsorganen. Die Erbringung von Diensten meint dabei die unentgeltliche oder auch entgeltliche Erbringung von Diensten an Bürgern und Organisationen in den Bereichen Bildung, Gesundheitsschutz, Sozialschutz und in anderen gesetzlich festgelegten Gebieten. Auch wenn Verkehrsleistungen nicht explizit aufgezählt sind, ist wohl anerkannt, dass auch der Transport dazu zählt.160 Die Verwaltung staatlichen Vermögens als Aufgabe der Staatsorgane schließt die Verwirklichung der Eigentümerbefugnisse sowie die Verwaltung der staatlichen Aktien mit ein.161 Die Verwaltung wird in Russland also zunächst organisatorisch-institutionell definiert, d. h., sie ist die Summe der Staatsorgane, die ihr System, ihre Struktur und ihre Aufgabe haben.162 Immer häufiger spricht man von der „öffentlichen Administration“ (publicˇ naja administracija).163
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Dies zeigt auch die unterschiedliche Behandlung des auf legitimierender gesetzlicher Grundlage handelnden Beliehenen und der sonstigen in die öffentliche Aufgabenerfüllung eingebundenen Privaten; vgl. hierzu § 2 C. I. 2. b) dd). 159 Problematischerweise sind die Begrifflichkeiten in der Rezeption sowie im Präsidentenerlass Nr. 314 selbst nicht geklärt. Nicht differenziert wird zwischen „staatlichen Diensten“, „öffentlichen Diensten“ und „sozialen Diensten“. 160 Vgl. Vasil’eva, Servisnoe gosudarstvo, S. 91; vgl. auch Tichomirov, Administrativnaja reforma, S. 185 f. 161 Popov/Migacˇ ev/Tichomirov (Hrsg.), Gosudarstvennoe upravlenie. 162 Gricenko, Sravnitel’noe konstitucionnoe obozrenie 2013, Nr. 2. 163 Teresˇcˇ enko, in: Chabrieva/Marku (Hrsg.), Administrativnye procedury, S. 252.
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Die Verfassung spricht die Staatsorgane und Organe der ausführenden Gewalt in verschiedenen Artikeln an; ein konkreter Verwaltungsaufbau, konkrete Organe oder mögliche Arten der Verwaltung werden aber nicht vorgegeben.164 Für die Frage nach dem System der Organe der ausführenden Gewalt ist daher zunächst das Urteil des VerfGRF vom 27. 01. 1999, Nr. 2 heranzuziehen: Den Artikeln 71 P. „g“, 76 T. 1 der Verfassung der RF in Verbindung mit Artikel 5 (T. 3), 10, 11, 72 (P. „n“), 77, 78 (T. 1) und 110 sei zu entnehmen, so das VerfGRF, dass dem System der föderalen Verwaltungsorgane die Regierung, die Ministerien sowie weitere föderale Verwaltungsorgane angehörten. Der Begriff der „Struktur der föderalen Organe der ausführenden Gewalt“ umschließt eine Reihe von konkreten Organen.165 Grundlage für das Verwaltungssystem und die dazugehörigen Staatsorgane sind das Gesetz „über die Regierung der RF“ sowie andere föderale Gesetze und Erlasse des Präsidenten.166 Besondere Bedeutung hat der Präsidentenerlass Nr. 314, in dem die von der Regierung vorgeschlagene Verwaltungsstruktur bestätigt wurde. Ihm zufolge bestehen die föderalen Organe der ausführenden Gewalt nur aus Ministerien (ministerstva), Diensten (sluzˇ ba) und Agenturen (agenstva).167 Je nachdem, wem die Ministerien unterstellt sind, werden diese von der Regierung oder durch Präsidentenerlass bestätigt.168 Die staatlichen Korporationen und die staatlichen Kompanien finden ebenso wenig Eingang in die Liste der föderalen Verwaltungsorgane, die vom Präsidenten bestätigt wurden, wie die staatlichen Einrichtungen (ucˇ erezˇ denija).169 Auch die öffentlich-rechtlichen Kompanien sind derzeit nicht aufgeführt. Zum Zeitpunkt des Erlasses existierten die staatlichen Korporationen und Kompanien noch nicht und konnten daher im Wortlaut nicht bedacht werden. Allerdings wurden sie auch durch zahlreiche Änderungen und neue Erlasse nicht berücksichtigt. Selbst der Erlass vom 20. 03. 2008 Nr. 369, der die Agentur Rosatom aufgelöst und deren Befugnisse auf die staatliche Korporation Rosatom übertragen hat, integriert die Korporation nicht in das Verwaltungssystem. Auch die staatliche Korporation Rostech wird nicht in die Liste aufgenommen.170 Hierbei handelt es sich schwerlich um ein Versehen. Vielmehr bilden die Korporationen keinen Teil der unmittelbaren Staatsverwaltung.
164 165 166 167 168 169 170
Nr. 2.
Vgl. VerfGRF, U. v. 27. 01. 1999, Nr. 2. Vgl. VerfGRF, U. v. 27. 01. 1999, Nr. 2. Popov/Migacˇ ev/Tichomirov (Hrsg.), Gosudarstvennoe upravlenie. Punkt 1 des Präsidentenerlasses Nr. 314. Popov/Migacˇ ev/Tichomirov (Hrsg.), Gosudarstvennoe upravlenie. Präsidentenerlass Nr. 314 und Präsidentenerlass Nr. 724. Genaue Aufzählung der Befugnisse bei Bolkov/Dugenec, Administrativnoe pravo 2012,
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2. Das System der Verwaltung im weiteren Sinne a) Die funktionale Bestimmung der Staatlichkeit aa) Die Rechtslage Auch nach dem Präsidentenerlass Nr. 314 kann die Erbringung der öffentlichen Dienste entweder unmittelbar durch die staatlichen Organe selbst oder aber durch ihnen unterstellte staatliche Einrichtungen oder sonstige Organisationen erfolgen (Punkt 2 e). Damit ist eine gewisse Zweistufigkeit festgelegt. Auch wenn die Erbringung öffentlicher Dienste zur Kompetenz der Staats- bzw. Verwaltungsorgane gehört, so verantworten jene doch meist nur die Organisation der Erbringung, wobei die Erfüllung von anderen übernommen wird.171 Neben der klassischen Administration gibt es also selbstständige Subjekte, etwa Selbstverwaltungsorganisationen und staatliche Einrichtungen (ucˇ erezˇ denija), an die Verwaltungsfunktionen delegiert worden sind.172 Angesichts des gesetzlichen Zwecks der staatlichen Korporationen, Kompanien und der öffentlich-rechtlichen Kompanien, öffentliche Leistungen zu erbringen, liegt es nahe, sie als „sonstige Organisationen“ im Sinne des Erlasses zu qualifizieren.173 bb) Die Position der Literatur Nach Tresˇcˇ enko ist dem engen Begriff der „Verwaltungsorgane“ ein weiter Begriff an die Seite zu stellen: Das Kriterium, nach dem ein Subjekt zu dem System der Verwaltungsorgane im weiten Sinne gezählt werden solle, sei die Erfüllung einzelner staatlicher Funktionen, darunter eben auch die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen.174 Die Subjekte, denen einzelne Funktionen – auch im Bereich der Leistungserbringung – übertragen worden seien, würden mit dem engen System durch gewisse Abhängigkeiten und Einflussnahmen verbunden. Dabei gebe es ganz unterschiedliche Grade der Eingliederung und Nähe zu dem System. Er unterscheidet innerhalb des weiten Systems zwischen Subjekten, die den Staatsorganen direkt unterworfen sind, und solchen, auf die indirekt Einfluss genommen wird.175 Angesichts der Erfüllung staatlicher Aufgaben gerade im Bereich der Leistungserbringung durch nicht-staatliche Organisationen sei völlig neu zu überdenken, welche Subjekte der ausführenden Gewalt zuzurechnen seien.176 Auch Talapina 171
Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 302. Gricenko, Sravnitel’noe konstitucionnoe obozrenie 2013, Nr. 2. 173 So zählt auch die Datenbank ConsultantPlus in ihren eigens zusammengestellten Informationen zur „Struktur und den Funktionen der föderalen Organe der ausführenden Gewalt und Verwaltung“ die problematischen Korporationen und Kompanien sowie die Fonds zur Verwaltungsstruktur. 174 Teresˇcˇ enko, Administrativnaja reforma. 175 Teresˇcˇ enko, Administrativnaja reforma. 176 Teresˇcˇ enko, Administrativnaja reforma. 172
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1. Teil, § 3 Materielle Kriterien für die Einordnung eines Unternehmens
fordert, dass über die Verwaltung nachgedacht werden müsse, die durch nichtstaatliche Organisationen erfolge.177 Ein staatlicher Status sei letztlich nötig, um die Organisationen nicht der staatlichen Kontrolle und staatlichen Verantwortung zu entziehen.178 Schließlich wirkten hier verfassungsrechtliche Garantien, die erfüllt werden müssten, so dass Regulierung und Kontrolle nötig seien, was allerdings Aufgabe des Öffentlichen Rechts sei.179 Dies entspricht letztlich einem funktionsund aufgabenorientierten Ansatz der Staatsverwaltung. Gerade die staatlichen Korporationen180 und noch mehr die staatlichen Kompanien,181 die dazu bestimmt sind, öffentliche Dienstleistungen zu erbringen, ohne mit Hoheitsbefugnissen ausgestattet zu sein, werden auf Grund der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben und Funktionen häufig als „mittelbare und funktionale Staatsverwaltung“ bezeichnet.182 Dies muss in Zukunft erst recht für die öffentlichrechtlichen Kompanien gelten. Die Klassifizierung als juristische Person des Öffentlichen Rechts anhand der Aufgabenerfüllung führt ebenfalls zu ihrem Einschluss in die staatliche Sphäre.183 Auch Selbstverwaltungsorganisationen werden als verlängerter Arm der Staatsverwaltung wahrgenommen, weil sie öffentliche Funktionen erfüllen184 und beispielsweise die staatliche Lizenzierung ersetzen.185 Daher werden sie oft als juristische Personen des Öffentlichen Rechts bezeichnet,186 oder man spricht ihnen zumindest öffentlich-rechtliche Züge zu.187 cc) Die Position der Rechtsprechung Das VerfGRF stellt für die Anerkennung des öffentlich-rechtlichen Status einer Person auf deren „öffentlich bedeutsame […] Aufgaben“188 ab: Die Verfassung der RF verbiete es dem Staat nicht, einzelne Befugnisse der ausführenden Organe der Macht an nicht-staatliche Organisationen zu übergeben, die an der Erfüllung der
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Talapina, Gosudarstvo i pravo 2006, Nr. 5, S. 14. Talapina, Gosudarstvo i pravo 2006, Nr. 5, S. 15. 179 Talapina, Gosudarstvo i pravo 2006, Nr. 5, S. 16. 180 Dafür spricht auch, dass der Rechtsschutz gegen Akte von Rosatom in der Weise ausgestaltet ist, wie es für Akte von Föderalen Staatsorganen der Fall ist; vgl. Art. 8 Abs. 6 Rosatom-GRF; s. ferner Vasil’eva, Servisnoe gosudarstvo, S. 168. 181 Einziger bisheriger Vertreter dieser Kategorie ist die Kompanie Avtodor (Rossijskie avtomobil’nye dorogi); vgl. KAvtodor-GRF. 182 So Vasil’eva, Servisnoe gosudarstvo, S. 168; siehe auch Mickevicˇ , Spory c ucˇ actiem gosorganov S. 69 – 86. 183 Vgl. Vinnickij, Prvavo i politika 2011, Nr. 3. 184 Talapina, Publicˇ noe pravo i e˙ konomika, S. 242. 185 Talapina, Publicˇ noe pravo i e˙ konomika, S. 267. 186 ˇ Zurina, Advokat 2009, Nr. 6. 187 Vgl. Talapina, Publicˇ noe pravo i e˙ konomika, S. 255 ff. 188 VerfGRF, U. v. 19. 05. 1998, Nr. 15, GSRF 1998/22/2491. 178
B. Die staatliche Aufgabe als Abgrenzungskriterium
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öffentlichen Macht teilhätten,189 auch wenn diese Rechtssubjekte nicht im System der öffentlichen Macht angehörten.190 Schließlich könnten die Subjekte der RF zur Erfüllung von Befugnissen der Staatsorgane unitarische Betriebe, staatliche Einrichtungen (ucˇ erezˇ denija) und andere Organisationen gründen.191 Diese Rechtsprechung war ausschlaggebend für den Vorstoß einiger Literaturstimmen, die staatlichen Korporationen in das System der Verwaltung integrieren zu wollen.192 Doch ist mit der Übertragungsmöglichkeit öffentlicher Funktionen auf Private noch nicht gesagt, dass diese Einrichtungen und sonstigen Organisationen als mittelbare Staatsverwaltung bezeichnet werden können, sie also tatsächlich in den Staatsaufbau im weiteren Sinne integriert sind. Die echten Privaten könnten auch als Ausführungsgehilfen handeln, oder aber es könnte eine materielle bzw. funktionale Privatisierung vorliegen. Das VerfGRF schreibt den Personen, die öffentliche Aufgaben auf nicht-kommerzieller Basis wahrnehmen, aber einen besonderen „Charakter“ und eine besondere „Natur“ zu. Nicht nur die Erfüllung der Funktion, sondern der nicht-kommerzielle Charakter wird in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt und führt zu einem öffentlich-rechtlichen Status.193 Staatliche Einrichtungen und andere Organisationen, „deren Tätigkeit nicht losgelöst von den öffentlichen Funktionen ihrer Gründer, der öffentlich-rechtlichen Gebilde, gesehen werden kann“,194 können daher mit besonderen Pflichten versehen werden. Damit werden sie in die staatliche Sphäre gezogen. In diesem Sinne ist auch eine Entscheidung des VerfGRF aus dem Jahr 2008 zu verstehen: Dort zählt das VerfGRF unter Berufung auf die Rechtsprechung des EGMR die staatlichen Organe zu den öffentlich-rechtlichen Gebilden,195 weil sie gesellschaftlich bedeutsame Funktionen erfüllten.196 Gemeint ist aber wohl, dass sie Regierungsorgnisationen im Sinne des EGMR sind, also dem Staat zugerechnet werden müssen. Auch der EGMR hat schließlich in verschiedenen gegen die RF ergangenen Urteilen betont, dass bei dezentraler Verwaltungsstruktur jedes Rechtssubjekt, das
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VerfGRF, U. v. 19. 05. 1998, Nr. 15, GSRF 1998/22/2491. VerfGRF, U. v. 18. 07. 2012, Nr. 19; vgl. auch VerfGRF, B. v. 01. 06. 2010, Nr. 782; vgl. VerfGRF, U. v. 19. 05. 1998, Nr. 15, GSRF 1998/22/2491; VerfGRF, U. v. 23. 12. 1999, Nr. 18; VerfGRF, U. v. 19. 12. 2005, Nr. 12, GSRF 2006/3/335; VerfGRF, B. v. 1. 6. 2010, Nr. 782. 191 So VerfGRF, U. v. 18. 07. 2012, Nr. 19, Punkt 6; vgl. Art 26.11 P 3 APOGUAOSGSGRF. 192 So Leskova, administrativnoe i municipal’noe pravo 2012, Nr. 2, über den Ansatz von Romanovskaja, Avtoreferat, S. 25. 193 VerfGRF, U. v. 18. 07. 2012, Nr. 19; das entspricht der Rechtsprechungslinie, die im Bereich der Aufgabenerfüllung die Verbindung von Machtbefugnissen mit unternehmerischer Tätigkeit untersagt. 194 VerfGRF, U. v. 18. 07. 2012, Nr. 19. 195 Gemeint ist damit nicht die formale Einordnung, sondern die Zuerkennung der Staatlichkeit und der damit verbundenen Folgen; vgl. unter § 2 B. II. 2. a) bb). 196 VerfGRF, B. v. 03. 07. 2008, Nr. 734, GSRF 2009/5/678. 190
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öffentliche197 bzw. gesellschaftlich bedeutsame Funktionen erfülle,198 ein Organ der Macht darstelle.199 Als „staatliche Organisationen“ seien auch munizipale Stellen anzusehen, „wenn ihre Tätigkeit durch Normen des Öffentlichen Rechts geregelt wird und sie Funktionen erfüllen, die ihnen durch die Verfassung der RF bzw. Gesetze auferlegt wurden“,200 bzw. wenn sie staatliche Funktionen erfüllten.201 Leider zieht das VerfGRF aus dem Anknüpfen an die öffentlichen Funktionen für die Zuordnung eines Rechtssubjekts zu der staatlichen Sphäre nicht die entsprechenden Konsequenzen. Jene werden nicht an Grundrechte oder andere öffentlichrechtliche Normen gebunden. Dabei hatte das Gericht in dem Beschluss vom 02. 11. 2006 Nr. 540 verlauten lassen: „Die Bestimmung der RF und ihrer Subjekte als öffentlich-rechtliche Gebilde besteht in der Verwirklichng der Funktionen des Staates, was einen organisationsrechtlichen Mechanismus der Erreichung verfassungsrechtlich bedeutsamer Ziele einschließlich der Anerkennung, Beachtung und des Schutzes der Rechte und Freiheiten des Menschen und Bürgers nach Art. 2 VerfRF voraussetzt.“202 Daraus ist zu schließen, dass eigentlich alle Rechtssubjekte, die funktional zur Staatsmacht gezählt werden, an die Grundrechte zu binden sind.203 dd) Zwischenergebnis Insgesamt stellt die Erfüllung öffentlicher Funktionen ein entscheidendes Kriterium für die Abgrenzung zwischen staatlicher und gesellschaftlicher Sphäre dar. In Russland wird der Begriff der „Staatsverwaltung“ also durchaus auch funktional gebraucht.204 Auch für die Bestimmung der juristischen Person des Öffentlichen Rechts ist die Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe und die gemeinwohlorientierte Ausrichtung ein wesentliches Kriterium.205
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EGMR, U. 16. 09. 2004, Nr. 24669/02 (Galina Petrovna Gerasimova vs. RF). Die beiden Begriffe werden synonym verwendet. 199 EGMR, U. v. 21. 07. 2005, Nr. 34687/02 (Javorivskaja vs. RF). 200 So zuletzt EGMR, U. v. 15. 06. 2006, Nr. 35259/04 (Kujsa vs. RF). 201 EGMR, U. v. 16. 09. 2004, Nr. 24669/02 (Galina Petrovna Gerasimova vs. RF). 202 VerfGRF, B. v. 02. 11. 2006, Nr. 540, AVerfGRF 2007, Nr. 2. 203 Nach hier vertretenem Ansatz sind darüber hinaus alle Personen, die für Private eine grundrechtstypische Gefährdungslage schaffen, an Grundrechte zu binden. Vgl. § 4 A. I. 2. d). 204 So Vasil’eva, Servisnoe gosudarstvo, S. 168; s. auch Mickevicˇ , Spory c ucˇ actiem gosorganov, S. 69 – 86. 205 Vgl. unter § 2 A. II. 3. f) cc) (3). 198
B. Die staatliche Aufgabe als Abgrenzungskriterium
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b) Die Untauglichkeit des funktionalen Kriteriums für die Zuordnung zur Staatlichkeit aa) Die gesetzlichen Wertungen Die Bestimmung staatlicher Akteure anhand der ausgeführten Funktion ist sehr problematisch. Die Wahrnehmung öffentlicher, am Gemeinwohl orientierter Funktionen ist nach der gesetzlichen Wertung des ZGBRF und des NKOGRF gerade kein ausschließlich die staatliche Sphäre kennzeichnendes Merkmal. Vielmehr werden privatrechtliche Organisationen, die grundsätzlich der gesellschaftlichen Sphäre angehören, in kommerzielle und nicht-kommerzielle Organisationen eingeteilt. Letztere dienen insbesondere öffentlichen, allgemeinen Zwecken. Einen indirekten Beleg hierfür bietet die Passage des NKOGRF, welche die nicht-kommerziellen Organisationen zur Registrierung als ausländische Agenten verpflichtet, wenn sie unter Finanzierung aus dem Ausland politische Tätigkeiten betreiben. Der Begriff der „politischen Tätigkeit“ wird in der Praxis sehr weit ausgelegt und umfasst verschiedene öffentliche Interessen und gerade nicht individuelle Partikular-Anliegen.206 Schwerlich können aber all diese inländischen Organisationen – mit oder ohne Finanzierung aus dem Ausland – als staatliche Einheiten bezeichnet werden.207 Angesichts der Möglichkeit einer nicht-staatlichen, nicht-kommerziellen Organisation, die politische und öffentliche Aufgaben wahrnimmt, kann die öffentliche Aufgabe nicht das entscheidende Merkmal der Staatlichkeit sein. Die Unterstellung, Private verfolgten stets private Interessen,208 führt zu einer massiven Unterschätzung der zivilgesellschaftlichen Sphäre, die neben dem Staat Allgemeinwohlzwecke verfolgt und öffentliche Aufgaben wahrnimmt. Wenn der Gleichklang zwischen staatlicher Funktion und hoheitlicher, an Subordination orientierter Handlungsform aufgebrochen ist, ist auch die staatliche Funktion nicht leicht zu identifizieren. Die Abgrenzung der Leistungsverwaltung von rein fiskalischem Staatshandeln einerseits209 und von bürgerlichem Engagement andererseits fällt schwer.210 Allein das Abstellen auf die wahrgenommene Aufgabe oder das private oder öffentlich verfolgte Interesse reicht für eine Einordnung jedenfalls nicht aus. 206 Vgl. zur Unbestimmtheit des Begriffs der „politischen Aktivität“ Fedotov, Trudy po intellektual’noj sobstvennosti, 2012, Nr. 2, S. 7 ff. 207 ˇ Cirkin dagegen setzt öffentlich-rechtlich und nicht-kommerziell wohl in der Tat gleich (vgl. Cˇ irkin, Zˇ urnal rossijskogo prava 2010, Nr. 6) und legt damit die Gleichsetzung mit der staatlichen Sphäre nahe. 208 Schließlich wird vielfach vertreten, die Interessen des Staates und der Wirtschaft hätten unterschiedliche Richtungsvektoren; vgl. Zincˇ enko/Gallov, in: Rozˇ kov (Hrsg.), Korporacii i ucˇ rezˇ denija, S. 97. 209 Talapina, Gosudarstvo i pravo, 2006, Nr. 5, S. 14; vgl. vor allem den Präsidentenerlass Nr. 314, der zum ersten Mal die Erbringung öffentlicher Dienste als staatliche Funktionen beschreibt. 210 Auch Vasil’eva weist darauf hin, dass die fiskalische Tätigkeit schwer von der Verwaltungstätigkeit zu trennen sei; vgl. Vasil’eva, Zˇ urnal rossijskogo prava 2007, Nr. 12.
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1. Teil, § 3 Materielle Kriterien für die Einordnung eines Unternehmens
bb) Die Rechtsprechung des VerfGRF Die Entscheidungen des VerfGRF sind nicht zwingend so zu verstehen, dass alle Subjekte, denen staatliche Aufgaben übertragen sind, zum Teil des Staates werden. Der Verfassungsrichter Kononov weist in seinem Sondervotum zum Urteil vom 19. 12. 2005 Nr. 2 darauf hin, dass der Begriff des „Öffentlichen“ inflationär gebraucht und damit Eingriffe des Staates in die Wirtschaft und in Rechte und Freiheiten von natürlichen und juristischen Personen überspielt würden. Vor allem dürfe nicht auf die soziale Bedeutung der Tätigkeit einer Person oder die von ihr verfolgten öffentlichen Ziele und Interessen abgestellt werden. Denn jede Profession diene öffentlichen Zwecken, die des Hofkehrers/Hausmeisters ebenso wie die des Insolvenzverwalters.211 Auch das Plenum stellt fest, dass ebenso echte Private oft „öffentliche Funktionen“ verwirklichten und dem öffentlichen Interesse dienten, obwohl sie „auf kommerzieller Basis im Rahmen eines privatrechtlichen Vertrages, d. h. in privatrechtlicher Form“212 und im Rahmen unternehmerischer Tätigkeit, handelten.213 Weder ihre Aufgabe noch das öffentliche Interesse allein scheinen damit die Staatlichkeit zu begründen. cc) Kritische Literaturstimmen Vertreter eines formalen Ansatzes wenden sich gegen die Funktion als materielles Kriterium der Staatlichkeit eines Subjekts.214 Schließlich erfüllten fast alle juristischen Personen mehr oder weniger öffentliche Aufgaben oder Funktionen215 und dienten auch dem öffentlichen Interesse.216 Zudem sei völlig unklar, was unter öffentlichen oder staatlichen Funktionen zu verstehen sei.217 Teilweise wird auch auf die privatisierten bzw. staatlich beherrschten Unternehmen wie die RZˇ D oder die SBERBANK218 abgestellt. Privatrechtsförmige Personen wiesen manchmal öffentlich-rechtliche Elemente auf. Das sei der Fall, wenn ihre Tätigkeit von hoher allgemeiner, gesellschaftlicher Bedeutung sei, wie etwa bei Gesellschaften, an denen der Staat das Kontrollpaket oder aber gar 100 % der Aktien 211
Kononov, Sondervotum zu VerfGRF, U. v. 19. 12. 2005, Nr. 2. VerfGRF, U. v. 01. 04. 2003, Nr. 4. 213 VerfGRF, U. v. 01. 04. 2003, Nr. 4. 214 Vgl. Cygankov, E˙ Zˇ -Jurist 2012, Nr. 31. 215 So Cygankov, E˙ Zˇ -Jurist 2012, Nr. 31. 216 Zu der parallelen Diskussion um die Abgrenzung des Öffentlichen vom privaten Recht nach dem Maßstab des Handelns im öffentlichen bzw. privaten Interesse vgl. § 2 A. II. 217 Vgl. Cygankov, E˙ Zˇ -Jurist 2012, Nr. 31; auf die Umkehr des Regelverhältnisses durch die Einführung der öffentlichen Dienste weist auch Putilo, Zˇ urnal possijskogo prava 2007, Nr. 6, hin. 218 Das Beispiel der SBERBANK, die auch öffentliche Aufgaben wahrnehme, führt explizit Cygankov, E˙ Zˇ -Jurist 2012, Nr. 31, an. 212
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halte. Auf der anderen Seite würden auch juristische Personen des Öffentlichen Rechts wie juristische Personen des Privatrechts handeln, gerade wenn sie gegen Geld Leistungen an Bürger erbrächten.219 Der Übergang sei fließend. Allerdings spricht diese Argumentation eher dafür, die formal privatisierten Unternehmen auch der staatlichen Sphäre zuzuschreiben, anstatt die Brauchbarkeit des Kriteriums der Funktion zu widerlegen. Doch wird eingewandt, dass privatrechtliche Subjekte nicht allein durch die Erfüllung staatlicher Aufgaben automatisch zum Teil der Verwaltung würden. Sie erbrächten lediglich für die Organe Leistungen, ohne in den Staat integriert zu sein.220 Wie Leskova und Glazunova bemerken, seien diese zivilrechtlichen Institute nicht mit Organen gleichzusetzen und dürften mit diesen nicht vermischt werden. Als Teile der Gesellschaft handelten sie – im Rahmen der Gesetze und unter Kontrolle der Staatsorgane – vielmehr autonom und könnten daher niemals selbst zu Staatsorganen werden.221 3. Die Übertragung von Verwaltungsaufgaben222 auf „echte“ Private a) Der sowjetische Ansatz und seine Anwendung Selbst wenn man davon ausgeht, dass eine mittelbare, funktionale Staatsverwaltung existiert, deren Zugehörigkeit zur staatlichen Sphäre primär durch die Wahrnehmung einer öffentlichen oder staatlichen Aufgabe gekennzeichnet ist, ist fraglich, ob jedes Subjekt, das öffentliche Aufgaben erfüllt, staatlich ist. Wenn es nämlich private, gesellschaftliche Personen gibt, die nicht in den Staat eingegliedert sind und dennoch öffentliche Aufgaben erfüllen, ist das funktionale Kriterium der Aufgabe jedenfalls nicht als alleiniges Kriterium geeignet. Ihm kommt dann allenfalls indizielle Bedeutung zu. Das Thema der Übertragung von staatlichen Aufgaben und Funktionen wird in der russischen Literatur primär im Zusammenhang mit der Übertragung von Machtbefugnissen zwischen Staatsorganen verschiedener Stufen betrachtet, wofür rudimentäre gesetzliche Regelungen bestehen.223 Die Übertragung von Funktionen an ˇ irkin, Gosudarstvo i pravo 2010, Nr. 7, S. 23 – 30. C Bogdanova, Osusˇcˇ estvlenie gosudarstvom prava sobstvennosti, S. 79. 221 Glazunova, Sistema gosudarstvennogo upravlenija, S. 243; Leskova, Administrativnoe i municipal’noe pravo 2012, Nr. 2. 222 Gricenko, Zakon 2013, S. 117 ff. weist daraufhin, dass in der russischen Literatur nicht hinreichend zwischen Befugnissen und Aufgaben differenziert wird. Auch fehle es an einer entsprechenden Konzeption. 223 So können die föderalen Organe Aufgaben an Organe der Subjekte im Wege der Übereinstimmung übertragen, behalten aber die Verantwortung für die Erfüllung und tragen die Verantwortung; vgl. Art. 26.8 APOGUAOSGSGRF; ob hier, wie von Vasil’eva, Servisnoe gosudarstvo, S. 164, vorgeschlagen, von „Organleihe“ gesprochen werden kann, ist dagegen fraglich. 219 220
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Private dagegen ist wenig erforscht und entbehrt gesetzlicher Maßstäbe und Vorgaben. Schon zu Sowjetzeiten wurde die Delegation von staatlichen Funktionen auf gesellschaftliche Organisationen untersucht.224 Die Übertragung sollte nur unter den Voraussetzungen möglich sein, dass (1) die zu übertragende Funktion der Ausrichtung und Haupttätigkeit der gesellschaftlichen Organisation entsprach, (2) gemeinsam mit der Delegation der Funktion die Erfüllungsmethode verändert wurde, indem etwa auf hoheitliche Mittel verzichtet wurde, und (3) die Übertragung ökonomisch sinnvoll erschien und eine Qualitätssteigerung versprach. Wesentliche Voraussetzung für die Übertragung der Funktion war zudem die staatliche Kontrolle über die Erfüllung.225 Werden staatliche Funktionen übertragen, so führt dies entsprechend der sowjetischen Verwaltungsrechtslehre entweder zur Auflösung des Organs226 oder zur Verringerung der Kompetenzen des Organs.227 b) Die Delegation staatlicher Aufgaben auf Private Lange Zeit wurde überwiegend davon ausgegangen, dass die Sphäre der Erbringung insbesondere sozialer Leistungen dem Staat allein obliege, in dem keine privatrechtlichen Elemente geduldet würden.228 In der Literatur gibt es nur wenige Abhandlungen zu der Thematik.229 Nach neueren Stimmen ist streng zwischen einer vorübergehenden Delegation und einer echten Privatisierung zu unterscheiden.230 Faktisch werden allerdings sehr häufig staatliche Funktionen auf Private übertragen, auch wenn hierfür nicht immer die Bezeichnung „Privatisierung“ verwendet wird.231 Für die Auflösung eines Organs durch die Übertragung der Funktionen auf ein anderes Rechtssubjekt steht im heutigen Russland beispielhaft die staatliche Korporation für Atomenergie „Rosatom“. Ihr sind vollständig die Funktionen und Kompetenzen übergeben worden, die zuvor dem zuständigen Ministerium bzw. den entsprechenden Staatsorganen zu eigen waren.232 Von verschiedenen Autoren wird unter Berufung auf die Ausführungen von Teresˇcˇ enko behauptet, staatliche Organe könnten die Erfüllung ihrer Aufgaben durch kommerzielle und nicht-kommerzielle
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Vgl. Jampol’skaja, Pravovedenie 1961, Nr. 4, S. 45 – 51. Vgl. Jampol’skaja, Pravovedenie 1961, Nr. 4, S. 45 – 51. 226 Jampol’skaja, Obsˇcˇ estvennye organizacii, S.102. 227 Etwa Sˇ ejndlin, Pravovedenie 1960, Nr. 3, S. 115. 228 Vgl. Barkov, Social’noe i pensionnoe pravo 2006, Nr. 3. 229 So Artemova, Konstitutionoe i municipal’noe pravo 2017, Nr. 9. 230 Vajpan/Egrova, Problemy gosudarstvennogo regulirovanija e˙ konomiki, Kapitel: Peredacˇ a gosudarstvennych polnomocˇ ij ili. 231 Vgl. Vasil’eva, Servisnoe gosudarstvo, S. 165. 232 Vgl. den Präsidentenerlass Nr. 369; vgl. Art. 6 ff. Rosatom-GRF. 225
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Organisationen gewährleisten.233 Entsprechend geht man in der Literatur teilweise von der Zulässigkeit der „Privatisierung des Staates“, d. h. der wohl kompletten Übertragung einzelner staatlicher Funktionen auf den Privatsektor aus.234 Gerade in Bereichen, in denen dem Staat nicht durch die Verfassung, sondern durch einfache Gesetze Pflichten auferlegt sind, soll die Möglichkeit für den Staat bestehen, die Diensterfüllung insbesondere sozialer Dienste komplett in den nicht-staatlichen Sektor zu übergeben.235 Es wird vorgeschlagen, zwischen staatlichen und öffentlichen Diensten zu unterscheiden, wobei Erstere nur von den Staatsorganen selbst erbracht werden dürfen.236 Darüber hinaus bestehen für die Funktions- bzw. Aufgabendelegation keine Prinzipien, Regeln, Verfahren oder Kriterien, ob und unter welchen Umständen eine Funktion auf den Privatsektor übertragen werden kann.237 Zudem wird kein Maßstab geliefert, welche Aufgaben und Funktionen per se staatliche sein sollen. Für Verwirrung sorgen in diesem Zusammenhang außerdem auch die widersprüchlichen Terminologien in offiziellen Dokumenten.238 Einig ist man sich wohl nur darüber, dass die staatliche Kontrolle über die übergebenen Dienste sowie über die Qualität der Erfüllung eine unbedingte Voraussetzung der Übertragung darstellen soll.239 Zudem müsse bezüglich der Zulässigkeit der Übertragbarkeit einer staatlichen Funktion auf gesellschaftliche Organisationen zwischen kommerziellen und nicht-kommerziellen unterschieden werden.240
233 Teresˇcˇ enko, Administrativnaja reforma S. 74, unterscheidet hier die staatlichen von den öffentlichen Diensten, wobei die staatlichen nur von den staatlichen Organen selbst erbracht werden können; ihm folgend Belickaja, Predprinimatel’skoe pravo, 2010, Nr. 2; allerdings gehen andere einen Schritt weiter und nehmen das Zitat als Beleg dafür, der Staat könne seine Verwaltungsaufgaben einfach in privatrechtlicher Organisationsform erfüllen: Vasil’eva, Zˇ urnal rossijskogo prava 2007, Nr. 12; zum Problem, ob es hierbei nicht vielmehr um formelle Privatisierung und staatliches Handeln in Privatrechtsform geht, s. oben unter § 2 B. II. 4. 234 Talapina, Pravo i e˙ konomika 2003, Nr. 11, S. 29. 235 Teresˇcˇ enko, Administrativnaja reforma, S. 74. 236 Teresˇcˇ enko, Administrativnaja reforma, S. 74; ders., Zˇ urnal rossijskogo prava 2004, Nr. 10, S. 16: „Staatliche Dienste sind solche, die ausschließlich von staatlichen Organen erbracht werden.“ 237 So auch Cygankov, E˙ Zˇ -Jurist 2012, Nr. 31; vgl. Narysˇkina/Chabrievoj (Hrsg.), Administrativnaja reforma, S. 20. 238 Die Regierungsverordnung Nr. 679 etwa unterscheidet zwischen staatlichen Funktionen und Dienstleistungen, während der Präsidentenerlass Nr. 314 die Dienste als eine der staatlichen Funktionen begriffen hatte. 239 In diese Richtung jüngst Vajpan/Egrova, Problemy gosudarstvennogo regulirovanija e˙ konomiki, Kapitel: Peredacˇ a gosudarstvennych polnomocˇ ij ili. 240 Vgl. Garmaeva, Zˇ urnal rossijskogo prava 2012, Nr. 3, S. 15 – 22.
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c) Outsourcing im Sinne der Verwaltungsreform Im Rahmen der Verwaltungsreform, durch die insbesondere die staatlichen Dienstleistungen eingeführt wurden, wird aber gerade nicht von der Delegation einer staatlichen Funktion auf Private, sondern schlicht von „Outsourcing“241 gesprochen.242 Bestimmte Funktionen sollen ausgelagert und auf der Ebene von Ausschreibungen Privaten übertragen werden können.243 Nach Talapinas Vorstellung behält die ausführende Person ihren privatrechtlichen Charakter bei, soll aber während der Ausführung auf Vertragsbasis mit den Staatsorganen einen besonderen verwaltungsrechtlichen Status erlangen.244 Die Verantwortung für die Gewährleistung verbleibt hingegen bei den Staatsorganen,245 was auch der Präsidentenerlass Nr. 314 von 2004 nahelegt.246 Es ist also gerade nicht gemeint, dass die staatlichen Funktionen vollständig in den gesellschaftlichen Verantwortungsbereich übergeben werden. d) Die Furcht vor der Privatisierung der Verwaltung in der Literatur Die „Privatisierung der Verwaltung“247, die „Entstaatlichung“248, wird von verschiedenen Autoren mit Skepsis betrachtet249 und bleibt höchst umstritten.250 Die meisten Autoren bezeichnen diesen Vorgang als Reorganisation der föderalen Verwaltung und fürchten eine Zersplitterung und Auflösung des Staates durch die Übertragung staatlicher Funktionen nach unten auf gesellschaftliche Organisationen.251 Die Privatisierung öffentlicher, staatlicher Funktionen sei sehr gefährlich, da der Staat Gefahr laufe, seine Verantwortung einfach abzugeben.252 Das zeige schon das Gesetz über staatliche Leistungen (SLGRF), das einerseits neben den Staats241
Vgl. Hierzu auch Dement’ev, Konstitucionnoe i municipal’noe pravo 2016, Nr. 7. Zum Outsourcing statt aller Talapina, Publicˇ noe pravo i e˙ konomika, S. 277 ff. 243 Vgl. Talapina, Publicˇ noe pravo i e˙ konomika, S. 278. 244 Vgl. Talapina, Publicˇ noe pravo i e˙ konomika, S. 280. 245 Vgl. Talapina, Publicˇ noe pravo i e˙ konomika, S. 281. 246 Dabei werden die Begriffe „Aufgabe,“ „Befugnis“ und „Funktion“ unterschieden. Übertragen werden auf andere staatliche oder privatrechtliche Subjekte kann nur die Funktion. Die Kompetenz und damit die Aufgabe in diesem Sinne kann nicht übertragen werden, da es sich hier um „wesentliche Elemente des Status der öffentlich-rechtlichen Gebilde handelt“; vgl. Gricenko, Sravnitel’noe konstitucionnoe obozrenie 2013, Nr. 2. 247 Ginter, Pravo i politika 2005, Nr. 11, S. 51; von einer Privatisierung der Verwaltung spricht auch Talapina, Pravo i e˙ konomika 2003, Nr. 11, S. 29. 248 Diesen Begriff gebrauchen Vajpan/Egrova, Problemy gosudarstvennogo regulirovanija e˙ konomiki, Kapitel: Peredacˇ a gosudarstvennych polnomocˇ ij ili. 249 Vgl. Talapina, Rossijskij ezˇ egodnik sravnitel’nogo prava 2007, Nr. 1, S. 15, die auf den Verlust des staatlichen Monopols hinweist. 250 Vgl. Cygankov, E˙ Zˇ -Jurist 2012, Nr. 31. 251 Starostin, lex russica 2008, Nr. 4, S. 880. 252 Gricenko, Sravnitel’noe konstitucionnoe obozrenie 2013, Nr. 2. 242
B. Die staatliche Aufgabe als Abgrenzungskriterium
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organen andere Subjekte für zulässig erachte, dabei aber nur Erstere der Verantwortung unterwerfe. So formuliert Gricenko: „Angesichts der fehlenden notwendigen Gesetzesgrundlage verläuft die sich zunehmend entwickelnde Praxis der Übertragung öffentlicher Funktionen und Vollmachten durch öffentliche Gebilde an nicht staatliche Subjekte sehr widersprüchlich, es entsteht die Gefahr des Fortgangs des Staates von seiner Verantwortung gegenüber dem Bürger für die Verwirklichung dieser Funktionen ohne die Aufstellung adäquater kompensierender Maßnahmen der Verantwortlichkeit der privaten Personen, die auf der Seite des Staates auftreten und öffentliche Funktionen erfüllen.“253 Es wird angemerkt, dass der Erfindungsreichtum bezüglich neuer Rechtsformen nicht dazu dienen dürfe, wahre Absichten zu verschleiern, sich der staatlichen Kontrolle zu entziehen und (öffentlichen) Bindungen und Beschränkungen zu entgehen.254 Auch eine faktische Privatisierung an der Privatisierungsgesetzgebung und dem Vergaberecht vorbei sei nicht zulässig.255 Auch wenn Fragen der demokratischen Legitimation nicht direkt gestellt werden, wird erkannt, dass es sich um ein verfassungsrechtliches Problem handelt, wenn sich der Staat gänzlich aus der Erbringung sozialer Dienste in einem bestimmten Bereich zurückzieht.256 Entsprechend wird in überzeugender Weise eine Antwort in Zusammenschau mit der Verfassung gegeben: Wenn der Bürger Rechte habe, deren Realisierung der Staat garantiere, dann dürfe sich der Staat nicht – wie so oft befürchtet – völlig aus der Erfüllungsverantwortung zurückziehen.257 Die Schutzpflichten, mehr noch die positiven Pflichten des Staates, die sich aus den Grundrechten ergäben, bildeten also eine Delegierungs- bzw. Privatisierungsgrenze. Die Aufstellung verfassungsrechtlicher Prinzipien wird als unabkömmlich für die Entwicklung eines Verwaltungsrechts erkannt, das den Anforderungen der Gewährleistung der Rechte und Freiheiten der Bürger entspreche.258 Unklar bleibt vor allem, wie der Rechtsschutz der Bürger organisiert werden soll.259 In Zusammenhang mit dem Rechtsstaats- sowie dem Demokratieprinzip wurden häufig die mangelnde Verankerung der Gesetzlichkeit der Verwaltung und das Fehlen eines allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes angeprangert.260 Bisher erfolgte die Regelung unzureichend durch das Gesetz über die Bürgeranfragen261 und das speziellere262 Gesetz über staatliche Leistungen.263 253
Gricenko, Sravnitel’noe konstitucionnoe obozrenie 2013, Nr. 2. So Cygankov, E˙ Zˇ -Jurist 2012, Nr. 31. 255 Vgl. etwa Nemesov, Reformy o pravo 2008, Nr. 3; Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 280 ff. 256 Chabrieva, in: Chabrieva/Nozdracˇ ev/Tichomirov (Hrsg.), Administrativnaja reforma, S. 21 f.; vgl. auch Gricenko, Zakon 2013, S. 117 ff. 257 Teresˇcˇ enko, Administrativnaja reforma, S. 74. 258 Gricenko, Sravnitel’noe konstitucionnoe obozrenie 2013, Nr. 2. 259 Diese Fragen stellt überzeugend Vasil’eva, Servisnoe gosudarstvo, S. 166; vgl. auch Tichomirov, Teorija kompetencii, S. 306; Mickevicˇ , Spory s ucˇ actiem gosorganov, S. 82. 260 Gricenko, Sravnitel’noe konstitucionnoe obozrenie 2013, Nr. 2. 261 BAGRF. 254
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1. Teil, § 3 Materielle Kriterien für die Einordnung eines Unternehmens
4. Eigene Stellungnahme Problematisch ist der Status der Organisationen und Personen, die in die staatliche Aufgabenerfüllung eingebunden sind. Leider fehlt sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur meist eine Differenzierung danach, ob die privatrechtlichen Organisationen – vergleichbar dem klassischen deutschen Verständnis des Verwaltungshelfers264 – rein ausführende Hilfstätigkeiten erledigen oder ob staatliche Funktionen im Sinne echter Delegation bzw. materieller Privatisierung übertragen werden.265 Es müssen aber die echte Delegation an echte Private und die materielle Aufgabenprivatisierung von der bloßen Einbindung echter Privater in die staatliche Sphäre unterschieden werden. Angesichts der real vorgenommenen echten Übertragung staatlicher Funktionen auf nicht-staatliche Organisationen ist der Vorstoß, diese Personen als funktionale oder mittelbare Verwaltung in den Staatsapparat zu integrieren – etwa durch die Anerkennung der Figur der juristischen Person des Öffentlichen Rechts – grundsätzlich zu begrüßen. Denn die unbeschränkte und folgenlose Ausgliederung staatlicher Funktionen kann nicht zulässig sein. Zwar ist der Terminus der „Flucht ins Privatrecht“ der russischen Dogmatik nicht geläufig. Ähnliche Überlegungen werden aber sowohl bezüglich der Selbstverwaltungsorganisationen als auch der staatlichen Korporationen angestellt, die ihrer Rechtsform nach im gesellschaftlichen Bereich verortet sind und nicht oder nur sehr unzureichend der staatlichen Kontrolle unterliegen. Zudem muss zwischen privatrechtlichen juristischen Personen und echten Privaten unterschieden werden. Dies wird insbesondere an kommerziellen Organisationen deutlich. Bei der Übertragung einer Aufgabe an die RZˇ D wird in der russischen Literatur beispielsweise selbstverständlich von der Delegierung einer staatlichen Aufgabe auf „private Personen“266 gesprochen ohne zu erwägen, dass die zu 100 % staatliche gehaltene juristische Person dem Staat zugerechnet werden könnte. Bei staatlichen Korporationen hingegen ist umstritten, ob an sie übertragene Staatsfunktionen privatisiert wurden, oder ob die staatliche Korporation aufgrund ihrer Aufgabenwahrnehmung als Teil des Staates bzw. als juristische Person des Öffentlichen Rechts zu begreifen ist. Bezüglich der öffentlich-rechtlichen Kompanie bleibt die Einordnung und Bewertung durch Rechtsprechung und Literatur abzuwarten. 262
So Gricenko, Sravnitel’noe konstitucionnoe obozrenie 2013, Nr. 2. SLGRF. 264 Nach ganz herrschender Lehre wird der Verwaltungshelfer nicht zum Teil des Staates. Anders unter Umständen jedoch nach dem hier vertretenen Ansatz, vgl. § 2 C. I. 2. b) dd). 265 Damit ist nicht klar, ob in den oben zitierten und in der russischen Literatur oftmals rezipierten Entscheidungen des VerfGRF tatsächlich von echter Erfüllungsübertragung oder nur von „Einschaltung Privater“ die Rede ist. Vasil’eva, Servisnoe gosudarstvo, S. 91, unterscheidet zwischen den Organen, die für die Leistungserbringung verantwortlich sind, und den Subjekten, die lediglich Leistungen erbringen. 266 Vasil’eva, Servisnoe gosudarstvo, S. 91. 263
B. Die staatliche Aufgabe als Abgrenzungskriterium
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Die Einführung eines Verwaltungsverfahrensgesetzes, das sich nur an die offiziellen Staatsorgane richtet, erscheint angesichts der zunehmenden Übertragung von Verwaltungsaufgaben auf andere Organisationen, die ebenso die Freiheiten und Rechte der Bürger tangieren, obsolet. Vielmehr ist angezeigt, die Verfassungsprinzipien durch eine klare Dogmatik mit Leben zu erfüllen. Da die Verfassung unmittelbar gilt, können ihr direkt Grundsätze entnommen werden, die unabhängig von der Rechtsform einer Person unmittelbar auch für die funktionale Verwaltung267 Anwendung finden und die Grenzen der Privatisierung aufstellen. Trotz berechtigter kritischer Stimmen ist letztlich nicht zu leugnen, dass in Russland die wahrgenommene Funktion einer Person für deren Einordnung in die staatliche oder gesellschaftliche Sphäre wesentlich ist. Dabei kommt es – jedenfalls nach der Rechtsprechung des VerfGRF nicht nur auf die materielle Aufgabe an. Vielmehr ist entscheidend, ob das Unternehmen seinem Zweck und Wesen nach zur Erfüllung öffentlicher Interessen und Aufgaben geschaffen wurde. Insofern findet sich auch in der russischen Praxis der in Deutschland vertretene Ansatz der formalen Aufgaben- und Zweckbestimmung wieder. Dies zeigt insbesondere die neu eingeführte öffentlich-rechtliche Kompanie. Gerade aufgrund ihrer abstrakten nichtkommerziellen, gemeinwohlorientierten, auf die Erfüllung öffentlicher Aufgaben gerichteten Zweckbestimmung (vgl. Art. 21 ÖRKGRF) wird sie als juristische Person des Öffentlichen Rechts eingeordnet. Allerdings bleibt die Problematik bestehen, dass öffentliche Aufgaben durch alle Arten der nicht-kommerziellen, d. h. auch der nicht-staatlichen, Organisationen verfolgt werden können. Gleichzeitig nimmt der Staat seinerseits in wirtschaftlicher und unternehmerischer Weise staatliche Aufgaben wie die Vermögensverwaltung, d. h. insbesondere die Verwaltung von Aktienpaketen und Beteiligungen wahr. Insofern ist das Kriterium der rein formalen Aufgabenbestimmung und öffentlichen Zwecksetzung nur begrenzt für die Einordnung einer Person in eine der Sphären von Staat und Gesellschaft tauglich. So wünschenswert es wäre und so sehr die Verfassung es verlangt, dass staatliche Funktionen nicht an gesellschaftliche Akteure übertragen werden, so führt eine tatsächliche Übertragung jedenfalls nicht automatisch zur Staatlichkeit der entsprechenden Person. Ihr Verhalten kann nicht automatisch dem Staat zugerechnet werden. Konsequenz ist höchstens die Verfassungswidrigkeit der Aufgabenübertragung, der Privatisierung. Suchanov ist insofern Recht zu geben, dass gerade bezüglich der Korporationen ein gesetzgeberischer Fehler anzuerkennen ist268 und nicht das Rechtssystem uminterpretiert werden kann. Daher kann nicht von der Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe durch eine Person auf ihre Staatlichkeit geschlossen werden. Diese muss sich – ebenso wie in Deutschland – aus anderen Kriterien ergeben. 267
Nr. 2. 268
Diesen Begriff gebraucht auch Gricenko, Sravnitel’noe konstitucionnoe obozrenie 2013, Cygankov, E˙ Zˇ -Jurist 2012, Nr. 31.
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1. Teil, § 3 Materielle Kriterien für die Einordnung eines Unternehmens
III. Zusammenfassung und Vergleich In Deutschland spielen materielle Aspekte der von einer Organisation wahrgenommenen Aufgabe eine nicht unwichtige Rolle für ihre Einordnung in die staatliche Sphäre. Mangels einer klaren Staatsaufgabenlehre und wegen der verschwimmenden Aufgaben- und Funktionsbereiche angesichts von Privatisierung und Public Private Partnership stellt die Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe im Ergebnis jedoch jedenfalls kein Kriterium dar, das notwendigerweise und ausschließlich eine staatliche Person bzw. das Handeln einer Person charakterisiert, das dem Staat zugerechnet wird. Jüngere Ansätze stellen daher auf einen formalen Aufgabenbefassungsakt ab. In Russland werden funktionale Überlegungen immer wichtiger; von verschiedenen Literaturstimmen wird eine Abkehr von rein formalen Kriterien vertreten, und auch das VerfGRF bedient sich zunehmend der wahrgenommenen Aufgabe als entscheidenden Arguments für die Anwendung konkreter Rechtsfolgen. Doch ringt man sich kaum dazu durch, die Subjekte, die eine staatliche Aufgabe wahrnehmen, tatsächlich der staatlichen Sphäre zuzuordnen. Die Einführung der öffentlichrechtlichen Kompanie könnte aber in diese Richtung weisen. Sie zeichnet sich insbesondere durch die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben aus. Es wäre wünschenswert, in Fällen der Privatisierung und der Delegation von staatlichen Aufgaben auf öffentlich-rechtliche Kompanien, aber auch auf echte Private die öffentlichrechtlichen Bindungen zu erhalten. Für die Frage der Staatlichkeit selbst kann die wahrgenommene Aufgabe und Funktion höchstens ein notwendiges, nicht aber ein hinreichendes Kriterium darstellen, da auch die Zivilgesellschaft gesamtgesellschaftliche Aufgaben wahrnimmt. Zudem ist unklar, unter welchen Umständen es sich um eine derartige Funktion handeln soll. Doch wird auch in Russland in gewisser Weise in formaler Hinsicht auf die Aufgabe und die Zweckbestimmung einer Person abgestellt: Die staatliche Korporation und die öffentlich-rechtliche Kompanie dienen dem Gesetz nach der Erfüllung staatlicher Zwecke. Ihr Wesen wird daher in staatliche Nähe gebracht.269 Die Aktiengesellschaft dagegen zielt nach Art. 50 ZGBRF auf Gewinnmaximierung ab und kann nach Ansicht einiger Autoren daher nicht in der staatlichen Sphäre verortet werden. Die gesetzliche allgemeine Zweckbestimmung soll also ausschlaggebend sein.270 Der formale Ansatz ist höchst interessant, kann in der Gänze jedoch nicht überzeugen. Zwar ist nach der hier vertretenen Ansicht ebenfalls darauf abzustellen, ob eine juristische Person durch den Staat fremdbestimmt und instrumentalisiert wird. Doch reicht hierfür nicht aus, dass die Tätigkeit der Person durch Gesetz zur staatlichen erklärt wird. Das zeigen die staatlichen Korporationen: Alleine die gesetzliche Bestimmung zur Erbringung staatlicher Dienstleistungen lässt hinter der 269
Teilweise werden sie als Teil der Verwaltung eingestuft, weil sie rechtstatsächlich funktional Verwaltungsaufgaben wahrnehmen und dies auch zu ihrem Wesen gehört; in Bezug auf die staatliche Korporation so wohl Glusˇko, Reformy i pravo 2008, Nr. 3. 270 Vgl. unter § 2 B. II. 3. f) ee).
B. Die staatliche Aufgabe als Abgrenzungskriterium
201
Person noch nicht den Staat vermuten. Vielmehr bedarf es zusätzlich staatlicher Einflussnahme und Kontrolle, um dem Staat die Handlungen der staatlichen Korporation zurechnen zu können.
§ 4 Spezifisch verfassungsrechtliche Kriterien für die Einordnung eines Unternehmens in die staatliche oder gesellschaftliche Sphäre A. Die Grundrechte als Abgrenzungskriterium I. Die Situation in Deutschland 1. Die Grundrechtsberechtigung a) Die ausschließliche Grundrechtsberechtigung des gesellschaftlichen Substrats Sehr häufig werden die Grundrechte als Abgrenzungskriterium herangezogen. Die Diskussion um die Staatlichkeit von Unternehmen dreht sich in Deutschland letztlich immer um deren Grundrechtsbindung bzw. -berechtigung. Von der herrschenden Lehre werden Art. 19 Abs. 3 GG und Art. 1 Abs. 3 GG als striktes Gegensatzpaar, mehr noch, als sich gegenseitig ausschließende und bedingende Spiegelbilder gesehen. Dem entspricht der von Kempen betonte Dualismus von Staat und Gesellschaft, der „gerade in den Grundrechten sinnfällig Ausdruck“1 finde. Mit anderen Worten: Ist eine Person grundrechtsberechtigt, soll ihre Grundrechtsbindung ausgeschlossen sein und umgekehrt. Das heißt, aus der Grundrechtsgebundenheit kann auf die Staatlichkeit, aus ihrer Grundrechtsfähigkeit dagegen auf die Privatheit einer Person geschlossen werden. Diese These soll einer Prüfung unterzogen werden.2 Zum einen ist sehr fraglich, ob die Grundrechtsbindung bzw. -berechtigung der Staatlichkeit oder Gesellschaftlichkeit als Voraussetzung vorausgehen oder nicht vielmehr deren Folge darstellen. Zum anderen treten immer mehr Private in zuvor staatliche Aufgaben ein, und der Staat betätigt sich unabhängig von Gemeinwohlaufgaben in der Wirtschaft. Daher könnte angedacht werden, die öffentlich tätigen Privaten an Grundrechte zu binden und dagegen den rein fiskalisch handelnden Staat von der Bindung zu befreien.3 In einem ersten Schritt wird daher untersucht, ob das Kriterium der Grundrechtsberechtigung aus Art. 19 Abs. 3 GG geeignet ist, um Staat und Gesellschaft zu separieren. 1 2 3
Kempen, in: Merten/Papier (Hrsg.), HbdGR II, S. 1325. Diese Dichotomie in Frage stellend Goldhammer/Sieber, JuS 2018, S. 23. Diese Überlegung stellt Gurlit, NZG 2012, S. 249, an.
A. Die Grundrechte als Abgrenzungskriterium
203
Grundsätzlich lehnen das BVerfG und der überwältigende Anteil der Literatur die Grundrechtsberechtigung des Staates und der juristischen Personen des Öffentlichen Rechts ab. Dabei stützt sich die Argumentation im Wesentlichen auf folgende Hauptargumente: aa) Das Konfusionsargument Dem klassischen Konfusionsargument folgend kann der Staat nicht zugleich grundrechtsberechtigt und -verpflichtet sein. Dies gelte nicht nur für die unmittelbare Staatsverwaltung, sondern auch für die selbstständigen rechtlichen Personen des Staates. Aus Sicht des Bürgers handele „der Staat“ als eine Person.4 Der Argumentation liegt also die Vorstellung einer einheitlichen Staatsgewalt zugrunde. Kritiker bemerken, der Begriff der „Einheit der Staatsgewalt“ habe ab dem Spätkonstitutionalismus in totalitären oder zumindest zentralistischen Systemen dogmatische Relevanz gezeigt.5 Als eigenständiges Argumentationsgebilde seien die Einheit des Staates und damit das Konfusionsargument heute aber jedenfalls untauglich.6 Die Qualifizierung des Staates als eine einzige Person führe zu mangelnder Aufgliederung und verhindere die nötigen Binnendifferenzierungen. Letztlich sei der Staat als ein Gedankenkonstrukt zu verstehen, hinter dem viele pluralistische Organisationseinheiten verborgen seien.7 Entsprechend müssten die einzelnen Ebenen der Organisationskette betrachtet werden. Dabei könne ein Glied einem anderen durchaus unterworfen und damit schutzwürdig sein.8 bb) Das Handeln auf Grund von Kompetenzen Das BVerfG geht davon aus, dass der Staat nicht auf Grund von Grundrechten, sondern ausschließlich anhand seiner Kompetenzen handele. Eingriffe staatlicher Stellen in Rechte und Pflichten anderer Hoheitsträger stellten Kompetenzkonflikte im weiteren Sinne, nicht aber Grundrechtsstreitigkeiten dar,9 da kein unmittelbarer Bezug zu natürlichen Personen vorhanden sei.10
4 BVerfG, NJW 1967, S. 1411 (1412); BVerfGE 15, S. 256 (262) = NJW 1963, S. 899; vgl. statt vieler Schnapp, in: Merten/Papier (Hrsg.), HdbdGR II, S. 1244. 5 Schnapp, in: Merten/Papier (Hrsg.), HdbdGR II, S. 1247 f. 6 Stern, StaatsR III/1, S. 1113. 7 Schuppert, DÖV 1987, S. 757. 8 Schnapp, in: Merten/Papier (Hrsg.), HdbdGR II, S. 1248; so wohl auch Schmidt-Assmann, FS Niederländer, S. 391; zur Konstruktion der grundrechtstypischen Gefährdungslage siehe unter § 4 A. I. 1. c). 9 BVerfG, NJW 1967, S. 1411 (1412), Rn. 143; Schnapp, in: Merten/Papier (Hrsg.), HdbdGR II, S. 1244. 10 BVerfG, NJW 1967, S. 1411 (1412), Rn. 143.
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1. Teil, § 4 Verfassungsrechtliche Kriterien für Einordnung eines Unternehmens
Allerdings handelt es sich nach Ansicht der Kritiker bei Streitigkeiten verschiedener staatlicher Subjekte nicht zwingend um reine Kompetenzstreitigkeiten. Wenn ein Organ den eigenen Kompetenzrahmen überschreitet und in den Funktionskreis eines anderen eingreift, können nach der Gegenansicht neben dessen Kompetenzen auch grundrechtliche Positionen verletzt sein. Die Tatsache, dass normalerweise über Kompetenzen gestritten werde, schließe an sich zumindest nicht aus, dass auch Grundrechte zugestanden und verletzt werden könnten.11 cc) Der Durchgriffsgedanke12 Den Ausgangspunkt der Überlegungen des BVerfG bildet Art. 19 Abs. 3 GG, der die wesensgemäße Anwendbarkeit der Grundrechte voraussetzt. Zwar differenziert der Wortlaut der Norm nicht zwischen den juristischen Personen des Öffentlichen Rechts und des Privatrechts, doch verbietet nach Ansicht des Gerichts bereits das Wesen der Grundrechte ihre Anwendung auf Personen des Öffentlichen Rechts. Die Grundrechte seien am Schutz der Freiheit und der Würde des Menschen ausgerichtet und damit als Abwehrrechte gegen Übergriffe des Staates auszulegen.13 Die Einbeziehung einer Person in den Schutzbereich sei nur gerechtfertigt, „wenn ihre Bildung und Betätigung Ausdruck der freien Entfaltung der natürlichen Personen sind, besonders, wenn der ,Durchgriff‘ auf die hinter den juristischen Personen stehenden Menschen dies als sinnvoll und erforderlich erscheinen lässt.“14 Die individuelle Freiheit und Menschenwürde bilde die „Sinnmitte“ der Grundrechte.15 Nicht grundrechtsfähig soll eine juristische Person des Öffentlichen Rechts jedenfalls sein, soweit sie gesetzlich zugewiesene und geregelte öffentliche Aufgaben wahrnimmt.16 Mit dieser teleologischen Reduktion des Art. 19 Abs. 3 GG17 begibt sich das BVerfG18 in die Nähe des von Friedrich Carl Savigny vertretenen anthropozentrischen Rechtsverständnisses, das alles Recht auf die Freiheit des Menschen zurückzuführen versuchte und Rechtssubjekte und Menschen als Identität begriff.19 Dabei gehen das BVerfG und die sich ihm anschließenden Literaturstimmen bei der 11
Bettermann, NJW 1969, S. 1325; von Mutius, Jura 1983, S. 39. Zudem argumentiert das BVerfG dahingehend, dass die Grundrechtsfähigkeit der juristischen Person des Öffentlichen Rechts zu einer Erstarrung der Staatsorganisation führe, weil permanent mit Verfassungsbeschwerden zu rechnen sei; BVerfG, NJW 1967, S. 1413. 13 Schnapp, in: Merten/Papier (Hrsg.), HdbdGR II, S. 1243. 14 BVerfGE 21, S. 369; BVerfG, NJW 1967, S. 1412. 15 BVerfGE 61, S. 82 (101). 16 BVerfGE 68, S. 193 (207 f.); 70, S. 1 (20); 75, S. 192 (197); BVerfG, NJW 1997, S. 1634; Schnapp, in: Merten/Papier (Hrsg.), HdbdGR II, S. 1240. 17 Diese teleologische Reduktion befürwortend, da sie dem Differenzierungsbedarf entspreche, Schmidt-Assmann, BB 1990, 34/27, S. 7. 18 So Schnapp, in: Merten/Papier (Hrsg.), HdbdGR II, S. 1238, Fn. 17, in Bezug auf BVerfGE 61, S. 82 (101); 75, S. 192 (196). 19 Savigny, Römisches Recht, § 60, nach Schnapp, in: Merten/Papier (Hrsg.), HdbdGR II, S. 1238, Fn. 15. 12
A. Die Grundrechte als Abgrenzungskriterium
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wesensgemäßen Anwendbarkeit nicht von einzelnen Grundrechten, sondern von dem Wesen der Grundrechte schlechthin aus, das mit dem Menschenwürdekern eines jeden Grundrechts identisch sei. Entsprechend eröffnet Art. 19 Abs. 3 GG ihrer Ansicht nach keine neue Schutzrichtung, sondern führt lediglich die individuellen Freiheitsrechte in kollektiver Form fort. Sein Inhalt reduziert sich also auf die Verlängerung der Berufs-, Eigentums- und sonstigen Freiheitsgarantien der hinter einer Vereinigung stehenden natürlichen Personen. Letztlich wird Art. 19 Abs. 3 GG daher nur in diesem engen Zusammenhang mit der Vereinigungsfreiheit nach Art. 9 Abs. 1 GG gesehen.20 Ob eine sog. grundrechtstypische Gefährdungslage besteht, inwieweit das Unternehmen also in Staatsferne agiert, spielt anders als zeitweise vom BVerfG zunächst angedeutet,21 keine Rolle mehr als Indiz gegen die Staatlichkeit. Der anthropozentrische Ansatz des BVerfG ist starker Kritik ausgesetzt: Der Verfassungstext lege in keiner Weise eine Differenzierung zwischen juristischen Personen des privaten und des Öffentlichen Rechts nahe. Daher könne Art. 19 Abs. 3 GG bezüglich öffentlich-rechtlicher Personen nicht als Ausnahmevorschrift gelesen werden. Zudem dürfe es nicht auf das hinter der Person stehende personale Substrat ankommen. Der Ansatz der Durchgriffskonstruktion verkenne grundlegend, dass Art. 19 Abs. 3 GG gerade der Einsicht Rechnung trage, dass juristische Personen mit eigener Rechtspersönlichkeit losgelöst seien von „Dasein, Wechsel und Wegfall“22 natürlicher Personen.23 Das GG erhebe vielmehr die juristische Person selbst unabhängig von ihrer konkreten Rechtsform zum Grundrechtsträger und nicht zum Standschaftler oder „Sachwalter“24 für die natürlichen, sich vereinigenden Personen.25 Art. 19 Abs. 3 GG schütze die institutionengebundene Bedeutung der juristischen Person, die einen über die Einzelwillen hinausgehenden kollektiven Willen besitze, der geschützt sei.26 Auf die Mitglieder einer Organisation könne es gerade nicht ankommen.27 Auch privatrechtlich organisierte juristische Personen seien schließlich oft nicht mitgliedschaftlich konzipiert. Selbst wenn Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG die Sinnmitte des Grundgesetzes bilde und der Grundrechtsschutz um der Würde des Menschen willen gewährleistet werde,28 sei Art. 19 Abs. 3 GG nicht zwingend immanent, dass die menschliche Natur auch hierfür den dogmatischen Ausgangspunkt bilden müsse. Insofern wird der Rechtsprechung des BVerfG vorgeworfen, Anklänge 20
Vgl. Schmidt-Assmann, BB 1990, 34/27, S. 7. Vgl. BVerfGE 45, S. 63 (79). 22 Formulierung des Reichsgerichts, zitiert nach Schnapp, in: Merten/Papier (Hrsg.), HbdGR II, S. 1246. 23 Vgl. jüngst die Kritik von Ludwigs/Friedmann, NVwZ 2018, S. 23. 24 So aber BVerfGE 75, S. 192 (200) = NVwZ 1987, S. 879 ff. 25 Schnapp, in: Merten/Papier (Hrsg.), HbdGR II, S. 1246; Tettinger, in: Merten/Papier (Hrsg.), HbdGR II, S. 1222; a.A. Huber, BK, Art. 19 GG, Rn. 216 ff. 26 Schmidt-Assmann, BB 1990, 34/27, S. 8, der das BVerfG aber nicht grundsätzlich kritisiert, sondern in seinem Sinne interpretiert. 27 Tettinger, in: Merten/Papier (Hrsg.), HbdGR II, S. 1222. 28 So schon Maikofer, Rechtsstaat, S. 58. 21
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1. Teil, § 4 Verfassungsrechtliche Kriterien für Einordnung eines Unternehmens
an überpositives Recht anzuerkennen und sich anzumaßen, den Verfassungsgeber daran zu messen.29 Die Auffassung des BVerfG erinnere an die vor- und antistaatlichen Freiheitsverständnisse des 19. Jahrhunderts und deren Staatszwecktheorien30 und werde dem Freiheitsbegriff des GG nicht gerecht, der Freiheit nicht zwingend nur als Staatsferne sehe, sondern als „von der Verfassung in differenzierter Verteilung zugewiesene[n] Freiheitsraum“.31 Damit hänge die grundgesetzliche Freiheit nicht nur am personalen menschlichen Substrat, sondern sei rechtlich geordnet, normgeprägt. Auch wird vertreten, Art 19 Abs. 3 GG verlange nach einer Einzelbetrachtung. Die wesensgemäße Anwendbarkeit sei immer gesondert am Kriterium des Schutzzwecks jedes einzelnen Grundrechts zu prüfen.32 Eine „abstrakte Wesensschau der Grundrechte“33 sei nicht sinnvoll. Die „eigengewichtige korporative Grundrechtsträgerschaft“,34 die am Wesen des Einzelgrundrechts ausgerichtet sei, sowie der „schutzgutspezifische Mehrwert“35 der Erstreckung auf Personenvereinigungen müssten ausfindig gemacht werden. Werde die „Vorbehaltsklausel“ in Art. 19 Abs. 3 GG auf jedes einzelne Grundrecht angewendet, ohne auf das Wesen der Grundrechte als solcher abzustellen, und werde infolgedessen gefragt, ob eine juristische Person bezüglich eines konkreten Grundrechts berechtigt sei,36 dann könne Art. 19 Abs. 3 GG einen über den individuellen Grundrechtsschutz hinausgehenden Kern beinhalten und eine „systemsprengende“37 oder wenigstens „systemerweiternde“38 Schutzrichtung eröffnen. Wenn Art. 1 Abs. 1 GG die erste Linie des Grundrechtsschutzes allein um der Menschenwürde willen eröffnet, so begründe Art. 19 Abs. 3 GG eben gerade eine zweite Linie.39 b) Die Ausnahmentrias des BVerfG und deren Erweiterungsfähigkeit Nach der Rechtsprechung des BVerfG genießen bestimmte juristische Personen des Öffentlichen Rechts trotz der Wahrnehmung staatlicher Kompetenzen Grund29
Schnapp, in: Merten/Papier (Hrsg.), HbdGR II, S. 1245. Schnapp, in: Merten/Papier (Hrsg.), HbdGR II, S. 1244 f. 31 Erichsen, nach Schnapp, in: Merten/Papier (Hrsg.), HbdGR II, S. 1245, Fn. 58. 32 Schnapp, in: Merten/Papier (Hrsg.), HbdGR II, S. 1247; ebenso Ulsamer, FS Geiger, S. 214; Bettermann, NJW 1969, S. 1324. 33 Tettinger, in: Merten/Papier (Hrsg.), HbdGR II, S. 1225. 34 Tettinger, in: Merten/Papier (Hrsg.), HbdGR II, S. 1225. 35 Huber, BK, Art. 19 GG, Rn. 244. 36 Vgl. Kröger, JuS 1981, S. 29; Bettermann, NJW 1969, S. 1324, 1326 ff. 37 Huber, BK, Art. 19 GG, Rn. 208. 38 Remmert, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 19 Abs. 3 GG, Rn. 26. 39 Schnapp, in: Merten/Papier (Hrsg.), HbdGR II, S. 1252; Bettermann, NJW 1969, S. 1324. 30
A. Die Grundrechte als Abgrenzungskriterium
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rechtsschutz: Die sog. Ausnahmentrias umfasst die Universitäten, Fakultäten und staatlichen Forschungseinrichtungen, die sich auf Art. 5 Abs. 3 GG berufen können,40 die Rundfunkanstalten mit ihren Rechten aus Art. 5 Abs. 1 GG41 und die Religionsgemeinschaften42 sowie öffentlich-rechtlich organisierten Ordensgemeinschaften der katholischen Kirche,43 die sich nicht nur auf Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV,44 sondern auch auf andere Grundrechte berufen können.45 Ihr Grundrechtsschutz wird damit begründet, dass diese Rechtsträger „unmittelbar einem durch bestimmte Grundrechte geschützten Lebensbereich zugeordnet sind“,46 es sich um eine „eigenständige, vom Staat unabhängige oder jedenfalls distanzierte Einrichtung […]“47 handele, oder sie „kraft ihrer Eigenart ihm von vornherein zugehören.“48 Diese vom BVerfG gefundenen Ausnahmen legen eine Erweiterungsfähigkeit nahe.49 Unter analogen Voraussetzungen könnten juristische Personen des Öffentlichen Rechts deshalb als verselbstständigte staatliche Träger allgemein grundrechtsberechtigt sein. Nach Ansicht einiger Autoren handelt es sich auch bei Kirchen, Universitäten und dem Rundfunk um „Elemente der Herrschaftsordnung“.50 Staatliche Herrschaft werde in einem pluralistischen Verfassungsstaat in „unterschiedlicher Distanz zu den Individuen ausgeübt“,51 und je mehr das Dogma von der Einheit der Verwaltung aufgegeben werde, desto differenzierter müssten die verschiedenen Herrschaftsdistanzen widergespiegelt werden.52 Das bedeute aber gleichzeitig, dass auch ver40
BVerfGE 85, S. 360 (379). BVerfGE 31, S. 314 (322). 42 BVerfGE 19, S. 1 (5). 43 BVerfGE 70, S. 138 (161). 44 Letztere unterscheiden sich ohnehin sehr wesentlich von den anderen Körperschaften des Öffentlichen Rechts, „weil sie nicht vom Staat geschaffen sind, sondern im außerstaatlichen Bereich wurzeln und in ihrem Eigenbereich weder staatliche Aufgaben wahrnehmen noch staatliche Gewalt ausüben“; vgl. BVerfGE 21, S. 362 (374). 45 Der Umfang ist umstritten; vgl. etwa Gehm, NVwZ 2002, S. 1475 f.; sehr weit BVerfGE 102, S. 370 (387): „Die Religionsgemeinschaften mit öffentlich-rechtlichem Status sind in gleichem Umfang grundrechtsfähig wie Religionsgemeinschaften privatrechtlicher Rechtsform.“ 46 BVerfGE 75, S. 192 (196), zuvor ähnlich formuliert in BVerfGE 21, S. 362 (373); vgl. auch BVerfGE 15, S. 256 (262). 47 BVerfGE 31, S. 314 (322); 45, S. 63 (79); 61, S. 82 (103). 48 BVerfGE 75, S. 192 (196). 49 Darüber denkt auch Remmert, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 19 Abs. 3 GG, Rn. 54 ff., nach. 50 Schmidt-Assmann, FS Niederländer, S. 390 f. 51 Schmidt-Assmann, FS Niederländer, S. 390. 52 Schnapp, in: Merten/Papier (Hrsg.), HbdGR II, S. 1251; Schmidt-Assmann, FS Niederländer, S. 391. 41
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1. Teil, § 4 Verfassungsrechtliche Kriterien für Einordnung eines Unternehmens
schiedene Organisationsstufen einander in Grundrechten verletzen könnten.53 Trotz einer gewissen Nähe zur grundrechtlichen Sphäre gehörten sie letztlich zum Herrschaftsapparat.54 Wer – gerade im Sinne der am Zuweisungsgehalt der Rechtsform ansetzenden Herangehensweise – davon ausgeht, dass es sich bei den Ausnahmen des BVerfG um Instrumente der Herrschaftsstruktur handelt, muss letztlich wohl die Grundrechtsfähigkeit des „Staats“ für möglich halten. In dieser Konsequenz wären die Ausnahmen insbesondere der Art. 4 und 5 GG also erweiterungsfähig. Zudem kann man den Ausnahmen des BVerfG entnehmen, dass ein und dieselbe Person sehr wohl grundrechtsberechtigt und verpflichtet sein kann. Das Konfusionsargument wird in Frage gestellt, da der Staat nicht zwingend als Einheit gesehen werden muss. c) Das Gegenkonzept zur Grundrechtsdogmatik des BVerfG: Die grundrechtstypische Gefährdungslage Auch wenn die Ausnahmentrias nicht direkt verallgemeinerungsfähig sein mag, lehnt sich das von der Literatur entwickelte Gegenkonzept zur oben dargestellten ursprünglichen Linie des BVerfG an den Gedanken der Staatsferne der grundrechtsberechtigten juristischen Personen des Öffentlichen Rechts an. Dabei wird die sog. „grundrechtstypische Gefährdungslage“ in den Mittelpunkt gestellt.55 Wenn eine juristische Person des Öffentlichen Rechts (anderen) staatlichen Stellen derart ausgeliefert ist, dass ihre Lage der eines Privaten entspricht, dann sollen ihr Grundrechte zustehen.56 Zumindest bei rein fiskalischer Tätigkeit sei die öffentliche Hand anderen Hoheitsträgern gleichsam wie ein Bürger unterworfen und ausgeliefert.57 Dabei wird zwischen der Unterworfenheit von Verwaltungsträgern im Außenrechtsverhältnis, in dem staatliche Organe Grundrechtsschutz genießen sollen, einerseits und verwaltungsinterner, hierarchischer Subjektion auf Grund von Weisungsgebundenheit andererseits unterschieden.58 Denn die Subordination selbstständiger Träger der öf53
In diese Richtung Schmidt-Assmann, BB 1990, 34/27, S. 9. Schmidt-Assmann, BB 1990, 34/27, S. 9; von einer Bejahung der Grundrechtsträgerschaft juristischer Personen des Öffentlichen Rechts durch die Literatur gehen aus Erichsen/ Scherzberg, NVwZ 1990, S. 811 mit w.N. 55 Ausgangspunkt hierfür war wohl die Kommentierung von Mutius, BK, Art. 19 Abs. 3 GG, Rn. 114 ff.; vor dem Hintergrund des Atomausstiegsurteils des BVerfG (siehe unter § 4 A. I. 1. f) aa) jüngst erfährt der Ansatz wieder zunehmend Zustimmung; vgl. Ludwigs/Friedmann, NVwZ 2018, S. 27. 56 Hierbei kann zwischen der Theorie der Aussenrechtsbeziehungen und der Gewerbefreiheit der öffentlichen Hand unterschieden werden; vgl. eingehend Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 83 ff. 57 Bettermann, NJW 1969, S. 1326. 58 Bettermann, NJW 1969, S. 1326 f., von Mutius, Jura 1983, S. 35; Kröger, JuS 1981, S. 29; Erichsen/Scherzberg, NVwZ 1990, S. 11. 54
A. Die Grundrechte als Abgrenzungskriterium
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fentlichen Hand führe nicht automatisch zur Grundrechtsfähigkeit.59 Die Bindung gegenüber den Bürgern aus Art. 1 Abs. 3 GG solle weder beseitigt noch durch eigene Grundrechtspositionen eingeschränkt werden.60 Vor Gericht sei gerade keine praktische Konkordanz zwischen den Grundrechtspositionen des Staates und der Bürger zu erzielen. Bei der Involvierung Privater solle sich der Staat nicht auf Grundrechte berufen dürfen. Vielmehr schlage seine Grundrechtsbindung dann voll durch.61 Auch in Bezug auf die fiskalische Verwaltung seien Schutzsysteme denkbar, die eine freiheitsbedrohende Wirkung des Grundrechtsschutzes der erwerbswirtschaftlich tätigen Verwaltung verhindern können.62 Als „Spielart“ der grundrechtstypischen Gefährdungslage wurde teilweise die Grundrechtsfähigkeit für den wirtschaftlich tätigen Staat angenommen.63 Jener sollte sich auf eine Art „Gewerbefreiheit der öffentlichen Hand“ berufen können.64 d) Die Kritik an der Analogiefähigkeit der Ausnahmen und an dem Gegenkonzept aa) Die fehlende Analogiefähigkeit der Ausnahmentrias Eine Analogiefähigkeit der Ausnahmen des BVerfG wird durch die Literatur überwiegend abgelehnt. Die Eigenständigkeit und der staatsferne Freiheitsraum seien Folge, nicht aber Voraussetzung oder Begründung der Zugehörigkeit zur gesellschaftlichen Sphäre.65 Das Gericht könne bestimmten juristischen Personen des Öffentlichen Rechts nicht einfach Grundrechte zusprechen, weil jene eigenständig und staatsfern seien.66 Vielmehr resultiere die Unabhängigkeit aus der Zuerkennung von Grundrechten durch das GG. Entscheidend seien nicht tatsächlich stattfindende Verselbstständigungstendenzen, sondern die Frage, ob diese Eigenständigkeit aus demokratischer Sicht überhaupt zulässig sei.67 Insofern ist die oft verwandte Bezeichnung der „Ausnahmentrias“ missverständlich, als vom BVerfG zwar eine Ausnahme von der Vermutung der Grundrechtsunfähigkeit öffentlich-rechtlicher Organisationen gemacht wird, nicht aber von dem Durchgriffsgedanken. Denn hinter
59
Bettermann, NJW 1969, S. 1326. von Mutius, BK, Art. 19 Abs. 3 GG, Rn. 103. 61 Vgl. von Mutius, BK, Art. 19 Abs. 3 GG, Rn. 37. 62 von Mutius, BK, Art. 19 Abs. 3 GG, Rn. 104, 146; Bedenken dagegen äußert Dürig, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 19 Abs. 3 GG, Rn. 48. 63 Vgl. statt vieler Becker, DÖV 1956, S. 423; Hüttl, DÖV 1956, S. 483; Bettermann, FS Hirsch, S. 4., ders., NJW 1969, S. 1323. 64 Bettermann, FS Hirsch, S. 1 ff. 65 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 113. 66 BVerfGE 31, S. 314 (322); 45, S. 63 (79); 68, S. 193 (207). 67 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 113. 60
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1. Teil, § 4 Verfassungsrechtliche Kriterien für Einordnung eines Unternehmens
den aufgezählten Organisationen verbirgt sich gesellschaftliches Substrat.68 Zwar sind diese formell der mittelbaren Landesverwaltung69 zuzuordnen. Materiell handelt es sich aber bei den Kirchen, Universitäten bzw. Fakultäten und Rundfunkanstalten gerade nicht um Verwaltung, sondern um „gesellschaftliche Funktionssubstrakte“.70 Sie befassen sich von Verfassungs wegen mit einer genuin gesellschaftlichen Aufgabe, die dem staatlichen Zugriff nach dem GG entzogen ist.71 Wenn man diese Ausnahmen aber als Gesellschaft in staatlicher Rechtsform begreift, die vom Staat wie ein „Gefäß“72 zur Verfügung gestellt wurde, dann kann aus der Trias nicht durch Analogie auf die Grundrechtsfähigkeit des Staates allgemein geschlossen werden. bb) Der fehlende Grundrechtsschutz für die Außenrechtsbeziehungen Aus Rechtsschutzsicht wird eingewandt, die entsprechenden Verwaltungsträger stünden bei Streitigkeiten mit Bürgern dem Gericht gegenüber immer im Außenverhältnis, so dass die Grundrechte des Staates mit denen der Bürger in praktische Konkordanz gebracht werden müssten, was zu einer Schmälerung der Grundrechte der Bürger führen würde.73 Vor allem ist die Zuerkennung von Grundrechten des Staates in Außenrechtsverhältnissen vor dem Hintergrund des Rechts- und Demokratieprinzips zu sehen. Zu fragen ist, ob die verselbstständigten Verwaltungsträger im Verhältnis zu den Organen der unmittelbaren Staatsverwaltung in den hierarchischen Aufbau integriert sind, so dass es sich vielleicht schon gar nicht mehr um Außenrechtsbeziehungen handelt, oder ob ihnen wirklich ein autonomer Entscheidungsraum zukommt. Dann unterfielen sie nicht der Leitungsmacht. Eine Sonderstellung nehmen dabei die Außenrechtsbeziehungen ein, die verfassungsinstitutionell begründet sind, wie etwa das Verhältnis zwischen den Ländern und den kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften. Unterfällt ein Verwaltungsträger der mittelbaren Verwaltung, aber nicht der staatlichen Leitungsmacht und kommt ihm nicht von Verfassung wegen ein Autonomiebereich zu, so ist zu fragen, ob ihm derartige freiheitlich-autonome Außenrechtsbeziehungen, für die Grundrechte gelten sollen, überhaupt entstehen dürfen.74 Damit kann nicht das Vorliegen von faktischer Autonomie entscheidend 68
Vgl. Remmert, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 19 Abs. 3, Rn. 49 ff.; Ludwigs/Friedmann sehen in der Ausnahmentrias hingegen eine Durchbrechung des Durchgriffsgedankens; Ludwigs/Friedmann, NVwZ 2018, S. 25. 69 Eine Ausnahme bildet insofern die Bundesrundfunkanstalt Deutsche Welle. 70 Scholz, FS Lorenz, S. 215, 220 f. 71 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 125. 72 So Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 122. 73 So Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 93; s. auch Olshausen, Anwendbarkeit von Grundrechten, S. 133 ff. 74 Diesen Gedanken entwickelt Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 89, 92.
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sein.75 Diese demokratiestaatlichen Erwägungen werden bei den Vertretern der Grundrechtsträgerschaft juristischer Personen des Öffentlichen Rechts in Außenrechtsbeziehungen vermisst.76 Zwar wird man einwenden können, dass es auch bei der demokratischen Legitimation ein unterschiedliches Maß an Distanz und Kontrolle geben kann.77 Doch darf die Reichweite des Art. 19 Abs. 3 GG nicht zur Disposition der Verwaltungsträger der unmittelbaren Verwaltung oder des organisationsrechtlichen Gesetzgebers gestellt werden, indem die mittelbare Verwaltung entweder in die Weisungskette einbezogen oder aber trotz institutioneller Einbindung „einfach“ freigelassen wird. Vielmehr sind organisationsrechtliche Regelungen an den Grundrechten zu messen und nicht umgekehrt.78 cc) Der fehlende Grundrechtsschutz der gewerbetreibenden öffentlichen Hand Dem Ansatz des öffentlichen Gewerbe-Grundrechts liegen die Fiskustheorie und die Vorstellung eines Staats zugrunde, der sich, „wenn er fiskalisch handele, in eine andere Person, eine private Person“79 wandele. Die Fiskustheorie wurde ursprünglich zum Schutz der Bürger entwickelt: Da der Bürger nicht gegen die hoheitliche Staatsgewalt vorgehen konnte, wurde ihm in vermögensrechtlicher Hinsicht die Möglichkeit eröffnet, sich an den Fiskus als „eine Seite der staatlichen Medaille“ zu wenden.80 Der heutige umfassende Rechtsschutz lässt die Aufspaltung des Staates nicht nur obsolet werden.81 Die zum Schutz des Bürgers entwickelte Fiskustheorie oder deren Ausläufer nun gegen den Bürger einzusetzen, indem man dem Staat Grundrechte zugesteht, die im Konfliktfall in praktische Konkordanz mit den Freiheitsrechten natürlicher Personen gebracht werde können, erscheint geradezu als grotesk.82 Vor allem aber gelten für den Staat und den Privaten „divergierende Lebensgesetze“.83 Auch der fiskalisch handelnde Staat büßt nicht sein Wesen ein und ist daher nie mit dem Bürger auf eine Stufe zu stellen. Gegen die Grundrechtsberechtigung des Staates insgesamt spricht, dass jener der „Freiheit zur subjektiven Beliebigkeit und Willkür“84 in keinem Fall unterliegen 75
So wohl auch Zimmermann, Schutzanspruch, S. 125. Anders als bezüglich der Sparkassen fehlt bei von Mutius eine klare Aussage zu öffentlichen Unternehmen und ihren Trägern; vgl. von Mutius, BK, Art. 19 Abs. 3, Rn. 146; darauf weist auch Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 89, hin. 77 In diese Richtung Schmidt-Aßmann, BB 1990, 34/27, S. 8. 78 So vollkommen zutreffend Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 90. 79 Mallmann/Zeidler, VVDStRL 19 (1961), S. 197 f. 80 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 99. 81 Statt vieler Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 101. 82 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 98. 83 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 99. 84 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 94. 76
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1. Teil, § 4 Verfassungsrechtliche Kriterien für Einordnung eines Unternehmens
kann.85 Auch Art. 14 GG, der immer wieder Anknüpfungspunkt für die Grundrechtsberechtigung gerade der Fiskalverwaltung ist, steht in Zusammenhang mit der Entfaltung der Persönlichkeit.86 Er bildet die Grundlage privater und unternehmerischer Tätigkeit87 und soll primär ein autonomes, selbstverantwortliches Leben ermöglichen.88 Die Funktionsweise des Staates steht aber hierzu in diametralem Gegensatz: Er ist streng an die Volkssouveränität rückgebunden.89 e) Zwischenergebnis Trotz berechtigter Kritik an der Rechtsprechung des BVerfG sind subjektivrechtlich zugestandene Rechtspositionen gerade verselbstständigter Verwaltungsträger in Außenrechtsbeziehungen nicht mit grundrechtlichen Absicherungen gleichzusetzen.90 Die Grundsätze der Ausnahmentrias sind nicht erweiterungsfähig, und selbst der gewerbetreibenden öffentlichen Hand können keine Grundrechte zukommen. f) Die Grundrechtsberechtigung im europäischen Kontext aa) Die Grundrechtsberechtigung europäischer Unternehmen in staatlicher Hand In der Entscheidung zum Atomausstieg91 hat das BVerfG die Grundrechtsfähigkeit der Vattenfall GmbH, deren Anteile mittelbar zu 100 % vom schwedischen Staat gehalten werden, bejaht. Die Grundsätze, die für inländische juristische Personen des Öffentlichen Rechts und inländische juristische Personen des Privatrechts gelten, die ganz oder überwiegend vom deutschen Staat gehalten werden, sind nach dem Urteil nicht uneingeschränkt auf Gesellschaften übertragbar, die mehr- oder ganzheitlich von einem ausländischen Staat gehalten werden. Insbesondere soll das Konfusionsargument nicht eingreifen, da das ausländische Unternehmen nicht an die deutschen Grundrechte gebunden sei. Auch droht nach Ansicht des BVerfG keine Verringerung des Grundrechtsschutzes der Bürger, da das Unternehmen in Deutschland nicht mit Machtbefugnissen ausgestattet und kein mulitpolares Grundrechtsverhältnis betroffen sei. Zudem befinde sich das Unternehmen in einer spezifischen Gefährdungssituation. Denn verneinte man die Grundrechtsfähigkeit, 85
Vgl. statt vieler Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 62, 74 f. BVerfGE 79, S. 292 (304). 87 BVerfGE 7, S. 292 (303); 50, S. 290 (340 f., 348); 52, S. 1 (30 ff., 36); 79, S. 283 (289); 81, S. 29 (32). 88 BVerfGE 46, S. 325 (334); 79, S. 292 (304). 89 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 95; s. bereits Olshausen, Anwendbarkeit von Grundrechten, S. 139. 90 Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 74. 91 BVerfGE 143, S. 246 ff. = BVerfG, NJW 2017, S. 217 ff. 86
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könnte sich das Unternehmen – anders als andere private Marktteilnehmer – nicht mit der Verfassungsbeschwerde effektiv gegen staatliche Eingriffe in Form von Gesetzen zur Wehr setzen. Von deutschen staatlichen Rechtsträgern gehaltene Unternehmen seien dagegen auch ohne die Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde nicht schutzlos, da sich die hinter dem Unternehmen stehenden staatlichen Rechtsträger im Rahmen der Schutzmöglichkeiten für innerstaatliche Kompetenzstreitigkeiten wehren könnten. Insofern sei die Situation von Gesellschaften, die in der Hand eines ausländischen Staates liegen, eine besondere.92 Zwar betont das BVerfG, dass hinter dem Unternehmen gerade keine natürlichen Personen stehen, was eigentlich eine Voraussetzung für eine grundrechtstypische Gefährdungslage darstellt. Um Brüche mit der Rechtsprechung des EuGH in Bezug auf die Niederlassungsfreiheit zu vermeiden und in Hinblick auf das Erfordernis einer europarechtsfreundlichen Auslegung des Grundgesetzes und einer offenen Auslegung des Art. 19 Abs. 3 GG nimmt das BVerfG in der besonderen Konstellation aber dennoch die Grundrechtsfähigkeit der Vattenfall GmbH an.93 Auch wenn das Urteil dem besonderen europäischen Kontext geschuldet sein mag, bleibt festzuhalten, dass auf das personelle Substrat für die Bejahung der Grundrechtsfähigkeit verzichtet wurde. Zudem leistet das Urteil der Theorie der grundrechtstypischen Gefährdungslage Vorschub, die auch juristische Personen des Öffentlichen Rechts sowie staatliche Eigengesellschaften unter besonderen Umständen für grundrechtsberechtigt hält.94 bb) Die Grundrechte aus der EMRK (1) Das Verhältnis des GG zur EMRK Fraglich ist, ob der Einfluss der „europäischen“ Grundrechte der EMRK bzw. der GRCh etwas am Ergebnis ändert. Zunächst ist zu prüfen, inwiefern die dort verbürgten Rechtspositionen im nationalen Recht relevant sind. Sodann soll dargestellt werden, ob Personen der staatlichen Sphäre nach der EMRK und der GRCh grundrechtsberechtigt sind. Die EMRK bedarf in Deutschland der Umsetzung in nationales Recht95 und genießt damit dann gemäß Art. 59 Abs. 2 GG den Rang einfachen Bundesrechts. Der Normenhierarchie zufolge haben die Grundrechte des GG eindeutig Vorrang.96 Das BVerfG spricht der EMRK zwar Verfassungsrang ausdrücklich ab, verpflichtet die 92
BVerfGE 143, S. 246 ff. = BVerfG, NJW 2017, S. 219. BVerfGE 143, S. 246 ff. = BVerfG, NJW 2017, S. 219 f.; zur Bewertung des Urteils vgl. Ludwigs/Friedmann, NVwZ 2018, S. 25 f. 94 So etwa Ludwigs/Friedmann, NVwZ 2018, S. 27. 95 Dem entsprechenden Zustimmungsgesetz kommt lediglich der Rang von einfachem Bundesrecht zu; vgl. Art. 25 GG. 96 Kirchhof, NJW 2011, S. 3683. 93
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Gerichte aber, bei der Auslegung des GG den Inhalt und Entwicklungsstand der EMRK zu berücksichtigen, und erkennt Letzterer damit faktisch beschränkten Vorrang vor dem einfachen Gesetz zu.97 (2) Das Verhältnis zwischen der Rechtsprechung des BVerfG und des EGMR Entscheidungen des EGMR sind in Deutschland nur dann bindend, – und zwar inter partes –, wenn ein Urteil nach Art. 46 EMRK direkt gegen Deutschland ergeht. Die Entscheidungen werden – anders als etwa die Entscheidungen des BVerfG über § 31 Abs. 1 BVerfGG für den Staat insgesamt – nicht für die Konventionsstaaten für verbindlich erklärt. Das BVerfG hat in den zwei wegweisenden Entscheidungen „Görgülü“98 und „Sicherungsverwahrung II“99 das Verhältnis zum EGMR geklärt. Deutschland habe sich als souveräner Staat trotz der völkerrechtsfreundlichen Ausgestaltung100 des GG nicht vollständig fremder Hoheitsgewalt unterworfen.101 Die Bindungswirkung treffe nur das Außenverhältnis, wobei innerstaatlich die Verfassung Vorrang genieße.102 Insbesondere der absolute Kerngehalt der Verfassung nach Art. 79 Abs. 3 GG müsse unangetastet bleiben. Allerdings seien die Entscheidungen des EGMR zur Konvention auch als Auslegungshilfe der Gerichte heranzuziehen. Die Wertungen sollten übernommen werden, soweit dies methodisch vertretbar und mit dem GG vereinbar sei.103 Damit kommt den Entscheidungen des EGMR eine Leit- und Orientierungsfunktion und letztlich eine „faktische Präzedenzwirkung“ zu, auch wenn sie an andere Vertragsstaaten gerichtet ist.104 (3) Die Berechtigung staatlicher Organisationen im Sinne der EMRK nach der Rechtsprechung des EGMR Gegen eine Grundrechtsberechtigung des Staates aus der EMRGK spricht, dass Letztere zum Individualrechtsschutz geschaffen und gerade gegen die Hoheitsgewalt 97
Herrmann, Europarecht, S. 21, Rn. 58. BVerfGE 111, S. 307 = NJW 2004, 3407. 99 BVerfG, NJW 2011, S. 1931. 100 In der Literatur werden Stimmen laut, die eine weiter gehende Völkerrechtsfreundlichkeit fordern: Die EMRK solle nicht hinter der Verfassung zurücktreten, sondern vielmehr zu einer Korrektur der Rechtsprechung und damit der GG-Auslegung führen; vgl. statt vieler Meyer-Ladewig/Petzold, NJW 2005, S. 15, 17; andere vertreten, der die EMRK auslegende EGMR nehme eine ganz andere Funktion als nationalstaatliche Verfassungsgerichte ein und schütze lediglich einen gewissen Mindestmaßstab, gewähre aber nicht lückenlos Rechtsschutz, da angesichts der Fülle von Individualbeschwerden nach Art. 34 EMRK nur „Musterprozesse“ möglich seien; vgl. Kirchhof, NJW 2011, S. 3683. 101 BVerfG, NJW 2004, S. 3408. 102 BVerfG, NJW 2004, S. 3408. 103 BVerfG, NJW 2004, S. 3407; NJW 2011, S. 1936. 104 Schweitzer/Dederer, Staatsrecht III, Rn. 919. 98
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gerichtet ist.105 Dies folgt bereits aus Art. 1 EMRK. Der EGMR kann nach Art. 34 EMRK nur von nicht-staatlichen Organisationen angerufen werden. Es soll sichergestellt werden, dass vor dem Gerichtshof nicht ein und derselbe Staat als Kläger und Beklagter auftritt.106 Zwar ist der Schluss nicht zwingend, dass alle materiellen Garantien auch nur für die in Art. 34 EMRK genannten Personen und Personengruppen gelten. Doch zeigt der systematische Zusammenhang von Art. 1 EMRK und Art. 34 EMRK ganz deutlich, dass dem Staat und seinen Gliedern keine Konventionsrechte zustehen sollen.107 Fraglich ist aber, was unter staatlichen Organisationen im Sinne des Art. 34 EMRK zu verstehen ist. Angesichts der fehlenden Differenzierung zwischen juristischen Personen des Privatrechts und des Öffentlichen Rechts etwa bezüglich der Eigentumsgarantie108 kann man folgern, dass es jedenfalls nicht allein auf die formale Verfasstheit einer Person ankommen kann. Vielmehr werden funktionale Kriterien angelegt: Als staatlich gelten nach der Rechtsprechung des EGMR Organisationen, die an der Ausübung von Staatsgewalt teilhaben109 oder unter der Kontrolle der Regierung öffentliche Aufgaben wahrnehmen. Dabei werden sowohl die Natur der übertragenen Rechte als auch die Organisation mit in den Blick genommen. Ebenso spielen die Art der Tätigkeit und das Ausmaß der Unabhängigkeit von Behörden und politischen Instanzen eine wichtige Rolle für die Beurteilung.110 Ein Unternehmen wird dann als nicht-staatliche Organisation qualifiziert, wenn es im Wesentlichen dem Handelsrecht unterliegt, keine Regierungsbefugnisse und sonstigen staatlichen Befugnisse besitzt, keine staatlichen Dienstleistungen erbringt und kein Monopol auf einem Wettbewerbssektor hat. Zudem beachtet der Gerichtshof, ob das Unternehmen Handelsgeschäfte tätigt und der ordentlichen Gerichtsbarkeit und
105
Crones, Grundrechtlicher Schutz, S. 100. Vgl. EGMR, U. v. 15. 11. 2011, Nr. 28502/08 (Transpetrol vs. Slowakei) = NZG 2013, S. 75; vgl. auch EGMR, U. v. 13. 12. 2007, Nr. 40998/98 (Islamic Republic of Iran Shipping Lines vs. Türkei); U. v. 27. 01. 2009, Nr. 23938/05 (State Holding Company Luganksvugillya vs. Ukraine). 107 Im Ergebnis auch Remmert, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 19 Abs. 3 GG, Rn. 19 f.; Crones, Grundrechtlicher Schutz, S. 104. 108 Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK, der die Eigentumsgarantie beinhaltet, spricht von der Berechtigung juristischer Personen, ohne sich auf solche des Privatrechts zu beschränken oder Organisationen des Öffentlichen Rechts auszuschließen. Daher wird die Eigentumsgarantie auf Grund ihres offenen Wortlautes häufig bezüglich juristischer Personen des Öffentlichen Rechts für anwendbar gehalten; vgl. Tettinger, FS Börner, 1992, S. 634 f. Andere deuten die fehlende Berechtigung juristischer Personen des Öffentlichen Rechts an; vgl. Crones, Grundrechtlicher Schutz, S. 101; Remmert, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 19 Abs. 3 GG, Rn. 20. 109 Vgl. auch EGMR, U. v. 23. 09. 2003, Nr. 53984/00 (Radio France und andere vs. Frankreich); U. v. 03. 04. 2012, Nr. 54522/00 (Kotov vs. RF). 110 EGMR, U. v. 13. 12. 2007, Nr. 40998/98 (Islamic Republic of Iran Shipping Lines vs. Türkei); vgl. Meyer-Ladewig/Kulick, in: Meyer-Ladewig/Nettesheim/Raumer (Hrsg.), Art. 34 EMRK, Rn. 14. 106
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nicht den Verwaltungsgerichten unterliegt.111 Nicht entscheidend ist dagegen, ob das Unternehmen zu einer bestimmten Zeit komplett in staatlicher Hand war.112 Damit unterscheiden sich die Kriterien für die Staatlichkeit erheblich vom Maßstab des BVerfG. Jedenfalls können die Personen nicht als Grundrechtsträger eingestuft werden, „die der ,strikten Kontrolle‘ eines Grundrechtsverpflichteten unterliegen“.113 Auch wenn juristische Personen des Öffentlichen Rechts und Unternehmen der öffentlichen Hand bei fehlenden Hoheitsbefugnissen und staatlicher Kontrolle im Ergebnis grundrechtsberechtigt im Sinne des EMRK sind,114 so sollen der Staat und staatliche Organisationen insoweit nicht berechtigt sein. Die oben (§ 4 A. I. 1 a), e)) anhand der Grundgesetzes aufgestellte These der alleinigen Grundrechtsberechtigung der Gesellschaft wird damit durch die EMRK und die Rechtsprechung des EGMR, die von Teilen der Literatur in die Nähe des Ansatzes der grundrechtstypischen Gefährdungslage gesetzt wird,115 nicht zwingend in Frage gestellt. cc) Die Grundrechte aus der GRCh (1) Das grundsätzliche Verhältnis des EU-Rechts zum deutschen Recht Der EuGH geht von einem strengen Anwendungsvorrang des EU-Rechts aus. Das BVerfG nimmt hingegen sog. ausbrechende Akte, die über die Einzelermächtigung hinausgehen,116 vom Anwendungsvorrang aus. Zudem stellt es den Identitätsvorbehalt der Verfassung117 und den Wesensgehalt der Grundrechte118 auf.119 Allerdings ist zu beachten, dass das BVerfG in seiner „Honeywell-Entscheidung“ dem EuGH eine gewisse Fehlertoleranz zugesteht und sich damit bei der sog. ultra-vires-Kontrolle auf offensichtlich kompetenzwidriges Verhalten beschränkt, das zu einer 111
Vgl. EGMR, U. v. 15. 11. 2011, Nr. 28502/08 (Transpetrol vs. Slowakei) = NZG 2013, S. 75; U. v. 13. 12. 2007, Nr. 40998/98, Rn. 79 f. (Islamic Republic of Iran Shipping Lines vs. Türkei). 112 Vgl. EGMR, U. v. 15. 11. 2011, Nr. 28502/08 (Transpetrol vs. Slowakei) = NZG 2013, S. 75; U. v. 13. 12. 2007, Nr. 40998/98, Rn. 79 f. (Islamic Republic of Iran Shipping Lines vs. Türkei). 113 Jarass, Charta der Grundrechte, 2. Aufl., Art. 51, Rn. 62; EGMR, U. v. 13. 12. 2007, Nr. 40998/98, Rn. 79 f. (Islamic Republic of Iran Shipping Lines vs. Türkei). 114 EGMR, U. v. 09. 12. 1994, Nr. 13092/87, Rn. 49; U. v. 13. 12. 2007, Nr. 40998/98, Rn. 79 f. (Islamic Republic of Iran Shipping Lines vs. Türkei); Jarass, Charta der Grundrechte, 2. Aufl., Art. 51, Rn. 63. 115 Ludwigs/Friedmann, NVwZ 2018, S. 27. 116 BVerfGE 123, S. 273 = NJW 2009, S. 2267; 126, S. 286 (302 ff.) = NJW 2010, S. 3422. 117 BVerfGE 123, S. 267 (353 f.; 381 ff.) = NJW 2009, S. 2267; 126, S. 286 (301) = NJW 2010, S. 3422. 118 BVerfGE 102, S. 147 (164) = NJW 2000, S. 3124. 119 Preis/Temming, NZA 2010, S. 193; vgl. hierzu auch Kirchhof, NJW 2011, S. 3685.
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„strukturell bedeutsamen Verschiebung zu Lasten der Mitgliedstaaten führt“.120 Auch nach der „Solange II“- und der „Bananenmarkt-Entscheidung“121 will das BVerfG die Verletzung des GG im Anwendungsbereich des EU-Rechts nur prüfen, wenn der Grundrechtsschutz auf europäischer Ebene systematisch unter das Schutzniveau des GG sinkt.122 (2) Der Anwendungsbereich der GRCh Problematisch ist aber die Frage, wann EU-Grundrechte überhaupt anwendbar sind und in welchem Verhältnis das primäre EU-Recht zum nationalen Verfassungsrecht steht. Zeitweise wurde befürchtet, das BVerfG könnte angesichts des Anwendungsvorranges des Unionsrechts zu einem Gericht ohne Rechtsgebiet verkommen und die Stellung einnehmen, die den Verfassungsgerichten der Länder innerhalb der BRD zukommt.123 Aufgeworfen wurden diese Fragen in neuer Intensität in den Fällen Mangold,124 Kücükdeveci,125 Honeywell126 und AMS.127 Nach Art. 51 Abs. 1 GRCh gilt die Grundrechtecharta für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung von Unionsrecht.128 Wenn es um die legislative Umsetzung sowie den administrativen und judikativen Vollzug zwingender EUrechtlicher Vorgaben geht,129 nehmen die Mitgliedstaaten quasi den verlängerten Arm der EU ein.130 Deutschland ist damit insbesondere in den durch Richtlinien geregelten Bereichen an die Charta gebunden.131 Allerdings divergieren die Ansichten des BVerfG und des EuGH hinsichtlich der Reichweite des Anwendungsbereichs bei Richtlinien. Nach Ansicht des BVerfG scheidet eine Prüfung am Maßstab der deutschen Grundrechte zwar bei zwingend in nationales Recht zu transferierenden Vorschriften aus, es sei denn, der europäische Grundrechtsschutz fällt nicht nur im Einzelfall, sondern systematisch unter das 120
BVerfG, EuZW 2010, S. 828 (LS). BVerfGE 73, S. 339 = NJW 1987, S. 577 ff.; 102, S. 147 (164) = NJW 2000, S. 3124 ff. 122 Vgl. Herrmann, Europarecht, S. 82, Rn. 227. 123 In diese Richtung andeutend Preis/Temming, NZA 2010, S. 188. 124 EuGH, NJW 2005, S. 3695 ff. 125 EuGH, DÖV 2010, S. 323 ff. 126 BVerfG, EuZW 2010, S. 828; vgl. hierzu statt vieler Preis/Temming, NZA 2010, S. 185. 127 EuGH, NZA 2014, S. 193 ff. 128 Der Anwendungsbereich der EU-Grundrechte wird durch europäisches Primärrecht wie das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 Abs. 2 EUV) und das doppelte Subsidiaritätsprinzip für das Tätigwerden der EU-Organe (Art. 5 Abs. 3 EUV) begrenzt. Zudem findet die Kompetenzausübung in dem Verhältnismäßigkeitsprinzip des Art. 5 Abs. 4 EUVeine Beschränkung; vgl. eingehend Kirchhof, NJW 2011, S. 3684. 129 Streinz/Michl, EuZW 2011, S. 385. 130 Preis/Temming, NZA 2010, S. 187. 131 Die Bindung wird im Bereich der zwingenden Umsetzung ohne Spielraum verneint von Kingreen/Störmer, EuR 1998, S. 281; vgl. auch Preis/Temming, NZA 2010, S. 192. 121
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1. Teil, § 4 Verfassungsrechtliche Kriterien für Einordnung eines Unternehmens
Niveau des GG.132 Bei nicht zwingenden EU-Vorgaben geht das BVerfG jedoch von einer Bindung des nationalen Gesetzgebers an die deutschen Grundrechte aus und lehnt ein Verdrängen durch die europäischen Grundrechte damit ab.133 Hierfür spricht, dass bestehende Ermessensfreiräume gerade von EU-Vorgaben freigehalten sind.134 Der EuGH dagegen nimmt eine Bindung der Mitgliedstaaten auch dann an, wenn Letztere im Rahmen der Umsetzung zwischen obligatorischen Möglichkeiten wählen können oder wenn sie ausdrücklich in der Richtlinie vorgesehene Ausnahmetatbestände erfüllen. In diesen Fällen bestimme das EU-Recht den Regelungsrahmen.135 Auch Ermessensvorschriften stünden einem Anwendungsvorrang von EU-Recht nicht entgegen, da das Ermessen nicht die Wahl gebe, Unionsrecht und damit Unionsgrundrechte zu verletzen. Spielräume müssten vielmehr grundrechtskonform durch entsprechende Auslegung ausgefüllt werden.136 In der Mangold-Entscheidung führt der EuGH aus, dass all diejenigen nationalen Maßnahmen in den Anwendungsbereich des jetzigen Unionsrechts fielen, „die die Erreichung des mit der Richtlinie verfolgten Ziels gewährleisten sollen.“137 In seiner Kücükdeveci-Entscheidung geht er noch einen Schritt weiter und hält den Anwendungsbereich des primären Unionsrechts für eröffnet, wenn eine nationale Norm den Regelungsbereich einer Richtlinie berührt, selbst wenn die Norm lange vor der Richtlinie erlassen worden ist und eventuell keinerlei Bezug zur Richtlinie aufweist.138 Einer engen Auslegung der „Durchführung von Unionsrecht“ im Rahmen des Art. 51 GRCh erteilt der EuGH vor allem in der Entscheidung „Akerberg Fransson“ vom 26. 02. 2013 eine Absage.139 Denn in dem Urteil wird eine Anwendung der GRCh bereits dann bejaht, wenn die Mitgliedstaaten in Kontext von EURecht handeln, unabhängig davon, ob ihr Handeln auf einer Richtlinie beruht. In seiner Entscheidung zur Rechtssache AMS140 von 15. 01. 2014 schränkt der EuGH den Anwendungsbereich der EU-Grundrechte allerdings wieder ein und schiebt der
132
Vgl. hierzu Preis/Temming NJA 2010, S. 193. BVerfGE 121, S. 1 (15) = NVwZ 2008, S. 543; vgl. auch BVerfG, NVwZ-RR 2010, S. 585; BVerfG, NJW 2010, S. 833 (835). 134 Im Ergebnis wohl Kingreen, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Art. 51 GRCh, Rn. 14; explizit Kirchhof, NJW 2011, S. 3685. 135 Deutlich EuGH, EuZW 2006, S. 566; Streinz/Michl, EuZW 2011, S. 385. 136 EuGH, NVwZ 2006, S. 1033. 137 EuGH, NZA 2005, S. 1347, Rn. 51. 138 Fischinger, ZEuP 2011, S. 208; die Abgrenzung bereitet insbesondere bezüglich der Vorschriften Schwierigkeiten, die zwar im Zusammenhang mit EU-Recht stehen, selbst aber nicht von diesem abgeleitet und auch nicht beeinflusst sind; vgl. VGH Mannheim, EuGRZ 2011, S. 96, Rn. 113 ff.; für eine umfassende Bindung auch in diesem Bereich Generalanwalt Bot, Schlussanträge v. 05. 04. 2011 – C-108/10, BeckRS 2011, 80361, Rn. 119. 139 Vgl. hierzu Safferling, NStZ 2014, S. 545 ff. 140 EuGH, NZA 2014, S. 193. 133
A. Die Grundrechte als Abgrenzungskriterium
219
Effektivität des Europarechts „einen Riegel vor“.141 Durch eine Richtlinie kann zwar nach wie vor der Anwendungsbereich für die GRCh eröffnet werden. Doch muss das Grundrecht selbst konkret und hinreichend bestimmt ein subjektives Recht gewähren, um zur unmittelbaren Anwendbarkeit zu gelangen.142 Eingeschränkt wird die Anwendbarkeit der GRCh vor allem im Urteil zu „Siragusa“.143 Denn dem EuGH zufolge verlangt der Begriff der „Durchführung des Rechts der Union“ i.S.v. Art. 51 GRCh einen hinreichenden Zusammenhang von einem gewissen Grad, der darüber hinausgeht, dass die fraglichen Sachbereiche benachbart sind oder ein Sachbereich eine mittelbare Auswirkungen auf den anderen Sachbereich haben kann. Im Bereich von Umsetzungsspielräumen oder Ausnahmetatbeständen kommt es im Ergebnis zu einer doppelten Bindung sowohl an die Grundrechte des GG als auch die Grundrechte der GRCh.144 In diesen Fällen gilt die Günstigkeitsklausel des Art. 53 GRCh. Kommt es zu Konflikten der verschiedenen Grundrechtsstandards, stößt die Günstigkeitsklausel allerdings an ihre Grenzen.145 Dabei ist zu beachten, dass der EuGH die strikte Durchsetzung von EU-Grundrechten, deren Schutzniveau nicht durch nationale Grundrechte beschnitten werden darf, sowie den strengen Vorrang des Unionsrechts verlangt.146 Für ihn ist eine auf die Effektivität und Einheitlichkeit der Anwendung des Unionsrechts abzielende Stoßrichtung charakteristisch.147 Die EU-Grundrechte genießen im Konfliktfall daher wohl Vorrang.148 Angesichts des Anwendungsvorranges des EU-Rechts und der mehr an den Vertragszielen als am Vertragstext orientierten extensiven Auslegung der EU-Kompetenzen durch den EuGH ist in Zukunft jedenfalls mit einem starken Einfluss der EUGrundrechte zu rechnen.149 (3) Die Grundrechtsberechtigung des Nationalstaats und seiner Einrichtungen durch die GRCh Die EU und die Mitgliedstaaten können sich nicht auf die rechtlichen Verbürgungen der GRCh berufen. Auch juristische Personen, die in einem besonderen Bezug zu Trägern von Hoheitsgewalt stehen, sollen nicht berechtigt sein, wenn sie durch die EU konstituiert wurden.150 141 So Unseld, http://www.verfassungsblog.de/de/mangold-hat-grenzen-zur-horizontalwir kung-von-eu-grundrechten/#.Uu_R2WBbmZI [zuletzt aufgerufen am 09. 07. 2016]. 142 So Unseld, http://www.verfassungsblog.de/de/mangold-hat-grenzen-zur-horizontalwir kung-von-eu-grundrechten/#.Uu_R2WBbmZI [zuletzt aufgerufen am 09. 07. 2016]. 143 EuGH, NVwZ 2014, S. 575 ff. 144 Streinz/Michl, EuZW 2011, S. 386. 145 Ludwigs/Sikora, JuS 2017, S. 391. 146 Vgl. Schweitzer/Dederer, Staatsrecht III, Rn. 1287. 147 Preis/Temming, NZA 2010, S. 187. 148 Ludwigs/Sikora, JuS 2017, S. 391. 149 So auch Kirchhof, NJW 2011, S. 3684. 150 Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.) Art. 16 GRCh, Rn. 3.
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1. Teil, § 4 Verfassungsrechtliche Kriterien für Einordnung eines Unternehmens
Umstritten ist, ob dies auch für Staatsorgane und staatliche Einrichtungen der Nationalstaaten gilt. Ein Teil der Literatur spricht sich gegen deren Grundrechtsberechtigung aus.151 Dies gelte auch für staatliche und staatlich dominierte Unternehmen.152 Das Kompetenzgefüge zwischen Mitgliedstaaten und EU dürfe nicht verändert werden.153 Gegen die Grundrechtsträgerschaft staatlicher Stellen nach der GRCh wird zudem Art. 34 EMRK angeführt, demzufolge nur nichtstaatliche Organisationen und Personengruppen beschwerdebefugt sind.154 Denn nach Art. 52 Abs. 3 S. 1 GRCh sind inhaltsgleiche Grundrechte der GRCh entsprechend der EMRK auszulegen. Richtigerweise folgt aus Art. 34 EMRK und Art. 52 Abs. 3 S. 1 GRCh aber nicht, dass sich der Schutzbereich der Charta ebenso wie jener der EMRK in Einklang mit Art. 34 EMRK grundsätzlich nur auf nicht-staatliche Organisationen bezieht.155 Denn nach Art. 52 Abs. 3 S. 2 GRCh kann der Schutz der Charta über die Gewährleistungen der EMRK hinausgehen. Daher kommt eine Berechtigung juristischer Personen des Öffentlichen Rechts und staatlich gehaltener Gesellschaften insbesondere durch Art. 16 GRCh, der unternehmerische Freiheit gewährleistet, und durch die Eigentumsgarantie aus Art. 17 GRCh156 in Betracht.157 Soweit ein gewerblicher Zweck verfolgt158 und keine hoheitlichen Befugnisse ausgeübt werden,159 wird die Grundrechtsfähigkeit hinsichtlich Art. 16 GRCh vor allem mit dem systematischen Zusammenhang zur Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit aus Art. 54 Abs. 2 AEUV (i.V.m. Art. 62 AEUV) untermauert.160 Das Recht auf unternehmerische Betätigung aus Art. 16 GRCh stelle gewissermaßen eine logische Fortsetzung der genannten Freiheiten dar, sodass eine Übertragung der Kriterien für den persönlichen Anwendungsbereich naheliege.161 Allerdings sollte man vorsichtig sein, die Kriterien bezüglich der Grundfreiheiten einfach auf die Grundrechte der 151
Statt aller Jarass, Charta der Grundrechte, 2. Aufl., Art. 51, Rn. 61 mit w.N. Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.) Art. 16 GRCh, Rn. 3. 153 Dagegen wird eingewandt, die Verquickung von Grundrechtsberechtigung und -verpflichtung sei angesichts der unterschiedlichen Ebenen EU und Nationalstaat nicht bzw. weit weniger als auf nationaler Ebene zu befürchten; vgl. Wunderlich, Berufsfreiheit, S. 122; so auch Tettinger, FS Börner, S. 640. 154 Jarass, Charta der Grundrechte, 2. Aufl., Art. 51, Rn. 61. 155 In diese Richtung aber Jarass, Charta der Grundrechte, 2. Aufl., Art. 51, Rn. 61 f. 156 Nach Sasse erstreckt „eine wohl überwiegende Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum“ (Sasse, EuR 2012, S. 651) den Eigentumsschutz aus Art. 17 GRCh auf juristische Personen des Öffentlichen Rechts sowie öffentliche Unternehmen. 157 Wunderlich, Berufsfreiheit, S. 123; jene Subjekte seien schließlich denselben Eingriffen wie Private ausgesetzt. 158 Vgl. Sasse, EuR 2012, S. 652. 159 Bröhmer, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Art. 54 AEUV, Rn. 3; Müller-Graff, in: Streinz (Hrsg.), Art. 54 AEUV Rn. 2. 160 Wunderlich, Berufsfreiheit, S. 122. 161 Für eine Übertragung der Kriterien in Bezug auf den persönlichen Anwendungsbereich vgl. Crones, Grundrechtlicher Schutz, S. 177 f., 182; Wunderlich, Berufsfreiheit, S. 122. 152
A. Die Grundrechte als Abgrenzungskriterium
221
Charta zu übertragen. Denn zwischen beiden Instituten bestehen wesentliche Unterschiede: Die Grundfreiheiten dienen der Schaffung und Sicherung des Binnenmarkts und verpflichten in erster Linie die Mitgliedstaaten gegenüber der Union. Nur zweitrangig werden dem Einzelnen subjektive Rechte gegen die Mitgliedstaaten verliehen. Die Grundrechte dagegen verfolgen das primäre Ziel, den Einzelnen gegenüber der EU und auch den Mitgliedstaaten zu schützen.162 Soweit ersichtlich hat der EuGH zur Frage der Grundrechtsberechtigung des Staates, juristischer Personen des Öffentlichen Rechts sowie öffentlicher bzw. gemischtwirtschaftlicher Unternehmen noch nicht abschließend Stellung bezogen.163 Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten sollen jedenfalls auch nach dem EuGH vollumfänglich grundrechtsfähig sein.164 Damit ist aber noch keine Aussage über die Grundrechtsfähigkeit staatlicher Organisationen getroffen, da Rundfunkanstalten oft gerade der gesellschaftlichen Sphäre zugeschrieben werden können. Zwar hält das EuG auch Einrichtungen für Grundrechtsträger, „die als ,verlängerter Arm‘ eines Grundrechtsverpflichteten einzustufen sind“.165 Jedenfalls gegenüber Drittstaaten oder der Union gegenüber sollen Grundrechte wohl geltend gemacht werden können.166 Der EuGH hat die Frage bisher soweit ersichtlich noch nicht abschließend entschieden.167 Zu beachten für die Auslegung der Unionsgrundrechte sind nach Art. 52 Abs. 4 GRCh die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten. Während Deutschland, Frankreich, Italien, Tschechien, Griechenland und Slowenien die Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen des Öffentlichen Rechts zumindest überwiegend ablehnen,168 nehmen Österreich, Belgien, Luxemburg, Portugal und Spanien deren Grundrechtsberechtigung an.169 Der Schluss, die Tradition der Mitgliedstaaten spreche gegen eine Anerkennung der Grundrechtsberechtigung juristischer Personen des Öffentlichen Rechts,170 ist daher nicht nachvollziehbar. Vor allem aber ist die Frage bereits falsch gestellt, da es nicht darum geht, ob sich juristische Personen des Öffentlichen Rechts auf Grundrechte berufen können, sondern ob der Staat es kann und in welchem Fall eine Personenmehrheit mit dem Staat identifiziert werden muss.171 Mag unterschiedlich beurteilt werden, ob und 162 So Jarass, Charta der Grundrechte, 1. Aufl., Einleitung, Rn. 23; trotz der Betonung des Unterschieds spricht er sich jedoch für eine Übertragung aus; vgl. ders., Art. 51, Rn. 44. 163 Remmert, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 19 Abs. 3 GG, Rn. 19 ff.; Ludwigs/Friedmann, NVwZ 2018, S. 27. 164 EuGH, EuZW 2012, S. 635 ff., Rn. 57. 165 EuG, U. v. 05. 02. 2013, Rs. 494/10 = BeckRS 2013, 80245, Rn. 34. 166 EuG, U. v. 29. 01. 2013, Rs. T-496/10 = BeckRS 2013, 80169, Rn. 40. 167 Vgl, Jarass, Charta der Grundrechte, 3. Aufl., Art. 51, Rn. 57. 168 Nachweise bei Sasse, EuR 2012, S. 645 f. 169 Nachweise bei Sasse, EuR 2012, S. 647 ff. 170 So aber wohl Sasse, EuR 2012, S. 648 ff. 171 Dies kommt bisweilen nicht hinreichend zum Ausdruck; vgl. Sasse, EuR 2012, S. 650 ff.
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1. Teil, § 4 Verfassungsrechtliche Kriterien für Einordnung eines Unternehmens
unter welchen Vorzeichen „öffentliche Unternehmen“ und juristische Personen des Öffentlichen Rechts zum Staat gehören, so kann man dennoch letztlich davon ausgehen, dass in Übereinstimmung mit der EMRK staatliche Organisationen nicht grundrechtsberechtigt sind.172 dd) Zwischenergebnis zu den europäischen Einflüssen Allgemein ist fraglich, ob ein starres hierarchisches Verhältnis der verschiedenen Grundrechte gewährenden Akte und der entsprechenden über die verbürgten Grundrechte wachenden Gerichte sinnvoll erscheint. Zu bedenken ist, dass im europäischen Raum angelsächsische, romanische und deutschsprachige Rechtstraditionen aufeinandertreffen und der Umfang und die Einschränkbarkeit verschiedener Grundrechte ganz unterschiedlich in den europäischen Staaten gehandhabt werden. Angesichts von Art. 1, 20 und 79 Abs. 3 GG erscheint ein strenger Vorrang des europäischen Rechts problematisch. Andererseits können die deutschen Grundrechte in einem gemeinsamen Europa nicht prinzipiell gegenüber europäischen Grundrechten prioritär sein.173 Anzustreben ist daher ein Dialog unter den Gerichten.174 Der Blick auf die europäischen Grundrechte eröffnet keine wesentlichen neuen Aspekte. Der deutsche Nationalstaat selbst wird weder nach dem GG noch nach der EMRK bzw. der GRCh für grundrechtsberechtigt erachtet. Unter welchen Voraussetzungen eine staatliche Organisation vorliegt, wird dabei allerdings recht unterschiedlich betrachtet. Die Vorstellung des EGMR, der eine Grundrechtsberechtigung jedenfalls dann ausschließt, wenn eine Personenmehrheit der staatlichen Kontrolle unterliegt,175 kann insoweit überzeugen. Beachtlich ist auch, dass das BVerfG zumindest in Sonderkonstellationen bezüglich Unternehmen, die zu 100 % von einem ausländischen Staat gehalten werden, von dem Erfordernis eines personellen Substrats hinter der juristischen Person absieht. g) Eigene Stellungnahme zur Grundrechtsberechtigung in Deutschland Nach der hier vertretenen Ansicht sind allenfalls gesellschaftliche Akteure, niemals aber der Staat grundrechtsberechtigt. Zwar ermöglicht es der Wortlaut des Art. 19 Abs. 3 GG, unter dem „Wesen“ das Wesen der Grundrechte insgesamt zu verstehen, das im Menschenrechtskern gesehen wird. Allerdings lassen es der 172
Dabei kommt es ähnlich wie nach der Rechtsprechung des EGMR darauf an, „ob die Einrichtung öffentliche Gewalt ausüben kann oder ,unter Aufsicht der Behörden für einen im öffentlichen Interesse liegenden Dienst zuständig‘ und damit als ,verlängerter Arm‘ eines Grundrechtsverpflichteten einzustufen ist“; vgl. Jarass, Charta der Grundrechte, 2. Aufl., Art. 51 Rn. 62, mit Verweis auf EuG, U. v. 05. 02. 2013, Rs. 494/10 = BeckRS 2013, 80245, Rn. 40. 173 Vgl. Kirchhof, NJW 2011, S. 3682. 174 Vgl. Kirchhof, NJW 2011, S. 3682. 175 Siehe hierzu unter § 4 A. I. 1. f) aa) (3).
A. Die Grundrechte als Abgrenzungskriterium
223
Wortlaut und die Entstehungsgeschichte des Art. 19 Abs. 3 GG ebenso zu, bezüglich der wesensgemäßen Anwendbarkeit konkret am jeweiligen Grundrecht und nicht an den Grundrechten schlechthin anzusetzen.176 Der systematische Zusammenhang des Art. 19 Abs. 3 GG mit Art. 19 Abs. 2 GG könnte zwar nahe legen, dass der Begriff des „Wesens“ in beiden Absätzen mit dem Menschenrechtskern identifiziert werden muss. Doch ist eine gleichlaufende Inhaltsbestimmung nicht zwingend. Der systematische Standort des Art. 19 Abs. 3 GG als Abschluss der Grundrechte, denen Art. 1 GG vorangestellt ist, kann dahingehend interpretiert werden, dass auch Art. 19 Abs. 3 GG die freiheitliche Entfaltung innerhalb der gesellschaftlichen Sphäre schützen soll, was sich mit dem anthropozentrischen Ansatz verbinden lässt. Andererseits ist Art. 19 Abs. 3 GG den materiellen Grundrechten selbst nachgeordnet. Zudem ist die explizite Berechtigung juristischer Personen unabhängig und systematisch weit entfernt von Art. 9 GG verankert, der die Vereinigungsfreiheit beinhaltet. Dies spricht dafür, dass die Grundrechtsberechtigung juristischer Personen über die Freiheit der sich vereinigenden Individuen hinausgehen soll und Art. 19 Abs. 3 GG gerade nicht nur die Fortführung der individuellen Freiheiten darstellt. Zudem kann die im Hinblick auf Art. 19 Abs. 3 GG entwickelte177 Durchgriffsthese des BVerfG angesichts der gesellschaftsrechtlichen Eigenständigkeit juristischer Personen ebenfalls nicht überzeugen. Insbesondere bei der Aktiengesellschaft ist die Trennung von Kapital und Geschäftsführung in besonderem Maße gegeben und damit die Aufspaltung zwischen den unterschiedlichen Rechtspersönlichkeiten der Gesellschafter und der Gesellschaft. Es kann nicht darauf ankommen, ob natürliche Personen Mitglieder, d. h. Gesellschafter, der AG sind. Auch ist nicht entscheidend, ob die juristische Person zur Entfaltung der individuellen Freiheit gegründet wurde. Dies zeigt auch das Urteil des BVerfG zum Atomausstieg, in dem ausnahmsweise eine juristische Person in der Hand eines ausländischen Staates trotz fehlenden personellen Substrates für grundrechtsberechtigt erachtet wurde. Vielmehr ist es nach hier vertretenem Ansatz möglich, dass sich der Staat aus einer Eigengesellschaft zurückzieht und diese somit der gesellschaftlichen Sphäre anheimgibt,178 ohne dass das Unternehmen von natürlichen Personen zum Zweck der Entfaltung ihrer persönlichen Freiheit gegründet worden ist.179 Wenn man wie hier vertreten nicht an der Freiheit der hinter einer juristischen Person stehenden Individuen anknüpft, erscheint eine Grundrechtsberechtigung des Staates beziehungsweise der Personen, die der staatlichen Sphäre zuzurechnen sind, 176
Vgl. Remmert, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 19 Abs. 3 GG, Rn. 31. BVerfGE 21, S. 362 (369); Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 65 ff. 178 Vgl. etwa Kämmerer, Privatisierung, S. 193 f., 464 ff., 472 f. 179 Vgl. auch BVerwGE 114, S. 160 (189), in Bezug auf die Deutsche Telekom AG: „Von der Grundrechtsfähigkeit der Klägerin kann […] ausgegangen werden. Unerheblich ist dabei, dass die Klägerin aus dem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen Deutsche Bundespost bzw. dem öffentlich-rechtlichen Teilsondervermögen Deutsche Bundespost TELEKOM hervorgegangen ist und bis heute trotz der Veräußerung von Aktien an private Investoren mehrheitlich im Eigentum der Beklagten steht.“ 177
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1. Teil, § 4 Verfassungsrechtliche Kriterien für Einordnung eines Unternehmens
zwar möglich. Allerdings zeigen eine systematische Gesamtschau der relevanten Normen – insbesondere der Art. 1 ff. und 20 GG – sowie ein teleologischer Blick jedoch, dass mit Art. 19 Abs. 3 GG jedenfalls nicht der durch die Grundrechte gebundene Staat berechtigt werden soll. Die Grundrechte sind primär als Abwehrrechte gegen den Staat konstruiert, der sich nicht selbst auf diese berufen kann. Zudem kann der Staat keine grundrechtliche Freiheit genießen, da er nach dem Demokratieprinzip des Art. 20 GG an den Volkswillen rückgebunden ist. Insofern bleibt kein Raum für Willkür und Freiheit.180 Die Theorie der grundrechtstypischen Gefährdungslage, die durch das Atomausstiegsurteil wieder zunehmend Zuspruch erfahren könnte, fasst den Kreis potentieller Grundrechtsträger zu weit: Denn der Staat, d. h. ein Verwaltungsträger mit staatlichem Substrat, kann – auch wenn man nicht auf den Menschenrechtskern der Grundrechte insgesamt, sondern die einzelnen Grundrechte abstellt – in Hinblick auf viele Grundrechte wesensgemäß nicht grundrechtsberechtigt sein. Zudem wird letztlich primär von dem gewünschten Ergebnis her gedacht.181 Der Ansatz fragt nicht, wer „hinter der juristischen Person“ steht, sondern lediglich, wie der Staat „zu ihr“ steht, ohne den nötigen Zusammenhang zwischen der staatlichen Bindung einer Person und der Staatlichkeit einer Person herzustellen.182 Damit sind nur der Gesellschaft zugehörige Personen grundrechtsberechtigt. Ihre Grundrechtsberechtigung ist dabei die Folge davon, dass sie Teil der Gesellschaft sind. Ein Rückschluss von der Grundrechtsberechtigung auf die Verortung einer Person in der gesellschaftlichen Sphäre ist hingegen nur in Ausnahmefällen möglich, nämlich dann, wenn die Person einem direkt den Grundrechten zugeordneten Lebensbereich angehört. Denn wenn das GG ein Zugriffsverbot für den Staat aufstellt und einen Lebensbereich explizit zu einer grundrechtlich geschützten Aufgabe erklärt, ist der gesellschaftliche Bereich eröffnet. Jedenfalls ist das Handeln in einem von Verfassungs wegen grundrechtlich geschützten Lebensbereich ein Indiz dafür, die Staatlichkeit einer in diesem Bereich tätigen juristischen Person auszuschließen.183 Abgesehen von diesen Fällen fällt es hingegen sehr schwer, das gesellschaftliche Substrat einer juristischen Person auszumachen; denn dieses ist eben Voraussetzung und nicht Folge der Grundrechtsfähigkeit. 180 Das „Wesen der Grundrechte“ ist insbesondere im Zusammenhang mit dem Demokratieprinzip zu bestimmen. Wäre ein Verwaltungsträger gegenüber anderen Verwaltungsträgern, die demokratisch legitimiert sind, grundrechtberechtigt, dann würde das Band der eigenen demokratischen Legitimation durchtrennt. Zwar kann eine freiheitsbeschränkende Wirkung der Grundrechte des Staates verhindert werden. Nicht jedoch kann widerlegt werden, dass die Zuerkennung von Grundrechten an den Staat mit dem Demokratieprinzip in Widerspruch gerät. Vgl. auch Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 94. 181 Vgl. die Ausführungen von Heise, Deutsche Bahn AG, S. 175 ff. 182 Vgl. hierzu ausführlich unter § 6. 183 Dies bestätigt BVerfG, NVwZ 2014, S. 867: „Die Organisation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss als Ausdruck des Gebots der Vielfaltsicherung dem Gebot der Staatsferne genügen. Danach ist der Einfluss der staatlichen und staatsnahen Mitglieder in den Aufsichtsgremien konsequent zu begrenzen.“
A. Die Grundrechte als Abgrenzungskriterium
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Wenn die wesensgemäße Anwendbarkeit des Art. 19 Abs. 3 GG nicht positiv anhand des Durchgriffs auf ein schwer zu ermittelndes gesellschaftliches Substrat zu klären ist, kann aber jedenfalls negativ bestimmt werden, wann Grundrechte nicht wesensgemäß anwendbar sind. Dies ist der Fall, wenn hinter einem Subjekt der Staat steht. Anders als nach der herkömmlichen Durchgriffsthese des BVerfG wird nach dem hier vertretenen Ansatz daher nicht geprüft, ob sich hinter einer juristischen Person ein gesellschaftliches Substrat verbirgt, ob sie eine „solche ist, derer natürliche Personen bedürfen oder die natürliche Personen verwenden, um in ihr oder mit ihr ihre grundrechtliche Freiheit auszuüben“.184 Vielmehr soll nach dem hier vertretenen Ansatzes des „Durchgriffs auf den Staat“ die Grundrechtsberechtigung einer juristischen Person nur dann ausscheiden, wenn positiv festgestellt wird, dass hinter der juristischen Person der Staat steht. Entsprechend sind grundsätzlich alle Unternehmen grundrechtsberechtigt, es sei denn, es ist ein Durchgriff auf ein staatliches Substrat möglich. Der hier vertretene Ansatz unterscheidet sich von der These des BVerfG damit primär durch die Umkehr der Feststellungsregel bzw. des RegelAusnahme-Verhältnisses:185 Alles, was nicht Staat ist, ist Gesellschaft. Wenn die spezifische Staatlichkeit einer (Eigen-)Gesellschaft, ihr staatliches Substrat, nicht festgestellt ist, gehört die juristische Person im Zweifel der gesellschaftlichen und damit grundrechtsberechtigten Sphäre an. 2. Die Grundrechtsbindung Geläufigerweise werden Grundrechtsfähigkeit und Grundrechtsbindung in einem spiegelbildlichen Verhältnis gesehen. Wer nach Art. 1 Abs. 3 GG gebunden ist, soll nicht nach Art. 19 Abs. 3 GG berechtigt sein. Damit könnte Art. 1 Abs. 3 GG zusammen mit Art. 19 Abs. 3 GG Maßstab für die Abgrenzung der Sphären sein. Allerdings ist fraglich, ob Grundrechtsberechtigung und Grundrechtsbindung tatsächlich in einem derartigen Ausschließlichkeitsverhältnis stehen.186 Denn auch wenn die Grundrechtsberechtigung niemals den Staat treffen kann, ist bisher noch nicht dargelegt, dass der Private nicht auch gebunden sein kann. 184
Remmert, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), 2013, Art. 19 Abs. 3 GG, Rn. 58. Remmert stellt heraus, dass es bei der Bestimmung des personalen Substrates genau auf diese „Beweisregel“ ankommt: „Träfe es zu, dass der Staat die Möglichkeit hat, Teile seiner Tätigkeit […] ganz oder teilweise aus dem Verwaltungsbereich auszuklammern, dann […] änderte […] [dies] allerdings nichts daran, dass eine derartige Organisation jedenfalls dann, wenn es sich um eine staatliche Eigengesellschaft handelt, keine solche ist, derer natürliche Personen bedürfen oder die natürliche Personen verwenden, um in ihr oder mit ihr ihre grundrechtliche Freiheit auszuüben […]“; vgl. Remmert, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 19 Abs. 3 GG, Rn. 58. Selbst wenn für eine privatrechtsförmige staatliche Eigengesellschaft die privatwirtschaftliche Unternehmenstätigkeit und deren Rationalitäten bestimmend wären, „könnte dies nicht zu einem Grundrechtsschutz führen. Es würde auch dann der hierfür erforderliche Bezug zum Freiheitsraum natürlicher Personen fehlen […]“; dies., Rn. 58; BVerfGE 75, S. 192 (200). 186 Die Dichotomie kritisch betrachtend jüngst Goldhammer/Sieber, JuS 2018, S. 23. 185
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1. Teil, § 4 Verfassungsrechtliche Kriterien für Einordnung eines Unternehmens
Im Folgenden soll die These überprüft werden, dass allein aus der Grundrechtsgebundenheit eines Subjekts auf dessen Staatlichkeit geschlossen werden kann. Das wäre dann zutreffend, wenn gesellschaftliche Akteure nur dann an Grundrechte gebunden sind, wenn sie jedenfalls partiell zum Teil des Staates werden bzw. ihr Handeln dem Staat (jedenfalls partiell) zuzurechnen ist.187 Würden hingegen alle Unternehmen unabhängig von ihrer Zurechnung zur staatlichen Sphäre unter besonderen Voraussetzungen der Grundrechtsbindung unterliegen, dann wäre die Grundrechtsbindung kein zuverlässiges Kriterium für die Zuordnung zur staatlichen Sphäre. a) Die ausschließliche Grundrechtsbindung des Staates Die herrschende Lehre geht beinahe einhellig davon aus, dass nur der Staat unmittelbar an Grundrechte gebunden ist. Dies folge schon aus dem Wortlaut des Art. 1 Abs. 3 GG, der ausschließlich die Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung binde.188 Hierfür sprechen auch historische Interpretationen: Im 19. Jahrhundert und auch während der Weimarer Verfassung trugen die Grundrechte ganz klar den Charakter reiner Abwehrrechte gegen den Staat.189 Einem liberalen Staatverständnis entsprechend sollten sie dem Bürger einen staatsfreien Raum zur Entfaltung gewähren.190 Diese Funktion der Abwehr wurde im Zuge des Wandels zum Sozialstaat zwar um weitere Teilhabe und Schutzfunktionen ergänzt.191 Nichtsdestotrotz ist die Unterscheidung von berechtigten Privaten und verpflichteten öffentlichen Akteuren nach Kempen historisch gewachsen und stellt eine „Konstante der jüngeren Verfassungsgeschichte“192 dar. Wer sich auf den Schutz durch die Grundrechte berufen könne, könne denknotwendig nicht durch selbige verpflichtet werden.193 Dafür spreche auch die systematische Auslegung: Art. 1 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 3 GG seien als Spiegelbilder konzipiert. Zudem lege insbesondere Art. 9 Abs. 3 GG,194 der als nicht erweiterungsfähige Ausnahmeregelung die unmittelbare Wirkung der Grundrechte im Privatrechtsverhältnis vorsehe, den Schluss 187 Vgl. hierzu die geläufige Doktrin zum Beliehenen, der Teil der vollziehenden Gewalt wird und daher der Grundrechtsbindung unterliegt. Statt vieler Herdegen, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 1 Abs. 3 GG, Rn. 101. 188 Vgl. Herdegen, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 1 Abs. 3 GG, Rn. 59. 189 Kempen, in: Merten/Papier (Hrsg.), HbdGR II, S. 1332. 190 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 100, versteht die Grundrechte als Staatsfreiheit. 191 Zur Rolle der Schutzfunktion in Privatrechtsverhältnissen siehe unten unter § 4 I. 2. b) cc). 192 Kempen, in: Merten/Papier (Hrsg.), HbdGR II, S. 1326. 193 Die Gefahr einer Grundrechtskollision, die Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs mit eigenen grundrechtlichen Positionen, bildet wohl das Hauptargument gegen die unmittelbare Drittwirkung von Grundrechten; vgl. Gornik, NZA 2012, S. 1400. 194 Häufig wird auch Art. 1 Abs. 1 GG eine unmittelbare Drittwirkung zugeschrieben; s. statt vieler Herdegen, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 1 Abs. 1 GG, Rn. 74; Hillgruber, Beck’scher Online-Kommentar GG, Art. 1, Rn. 8; eingehend hierzu unter § 4 A. II. 2. d).
A. Die Grundrechte als Abgrenzungskriterium
227
nahe, dass die Grundrechte als Abwehrrechte gegen der Staat konzipiert seien und dieser alleiniger Adressat der grundrechtlichen Bindungen sei. Ebenso sei die bloße Einschränkbarkeit der Grundrechte durch und auf Grund eines staatlichen Gesetzes zu werten.195 Im Umkehrschluss wird die Grundrechtsverpflichtung einer Person als Beweis ihrer Staatlichkeit gewertet.196 b) Die Grundrechtsbindung gesellschaftlicher Akteure aa) Der Ansatz der unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte Im Laufe des 20. Jahrhunderts haben sich Entwicklungen ergeben, wodurch die Dichotomie zwischen Staat und Gesellschaft aus der Warte der Grundrechte zunehmend ins Wanken gerät.197 Die Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte198 stützt sich primär auf den Gedanken, dass nicht nur der Staat, sondern auch Private in einem von Über- und Unterordnung geprägten Machtgefüge gefangen sein können, das nach grundrechtlichem Schutz verlangt. Soziale und wirtschaftliche Macht – insbesondere der Verbände und Arbeitgeber – werden dabei auf Grund ihrer Strukturähnlichkeit über eine teleologische Erweiterung des Art. 1 Abs. 3 GG der staatlichen Macht gleichgestellt.199 Entwickelt wurde die Lehre von Hans Carl Nippedey.200 Zwischen Privatrechtsubjekten sollen die Grundrechte in ihrer Funktion als Eingriffsverbote unmittelbare Wirkung entfalten.201 Im vertraglichen Bereich führe die Privatautonomie zwar dazu, dass in paritätischen Vertragsverhältnissen Grundrechte wirksam beschränkt werden könnten. Bei ungleicher Verhandlungssituation – wie etwa im Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber – seien Vertragsverhältnisse allerdings als außervertragliche Beziehungen zu qualifizieren.202 In diesem Fall sei eine Abwägung zwischen den kollidierenden Grundrechten vorzunehmen.203
195
Canaris, AcP 184 (1984), S. 204 f. Nach Kramer etwa rückt mit der Frage nach der Eigentümerstellung des Bundes „fast unweigerlich auch das Problem der Grundrechtsbindung als möglicher ,Beweis‘ für die Zugehörigkeit der Eisenbahn des Bundes zum Staat ins Blickfeld“; vgl. Kramer, in: Bayreuther (Hrsg.), Sozialeinrichtungen, S. 121. 197 So auch Seifert, EuZW 2011, S. 696. 198 Vgl. Nipperdey, Grundrechte, S. 17 ff.; Leisner, Grundrechte, S. 356 ff.; Ramm, Willensbildung, S. 38 ff., 56 ff.; Gamillscheg, AcP 164, (1964), S. 386 ff., 419 ff. 199 Vgl. Gamillscheg, AcP 164, (1964), S. 407 ff. 200 Nipperdey, Grundrechte, S. 13 ff. 201 Im vertraglichen Bereich stellen sie Verbotsgesetze i.S.v. § 134 BGB, im Deliktsbereich sonstige Rechte i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB und Schutzgesetze i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB dar. 202 BAGE 1, 185 = NJW 1955, S. 606 (607); BAGE 4, 274 = NJW 1957, S. 1688 (1689). 203 Leisner, Privatisierung, S. 378 ff. 196
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1. Teil, § 4 Verfassungsrechtliche Kriterien für Einordnung eines Unternehmens
Das BAG folgte in ständiger Rechtsprechung lange dieser Linie auch und gerade im Individualarbeitsrecht.204 Zunächst hatte es bestimmte Grundrechte für privatwirtschaftliche Arbeitgeber als bindend erklärt, weil die Grundrechte „Ordnungsgrundsätze für das soziale Leben“205 seien und als Ordnungsgefüge bzw. „ordre public“ einer konkreten Staats- und Rechtsordnung zu bezeichnen seien.206 Auch das Sozialstaatsprinzip spreche für eine unmittelbare Wirkung der Grundrechte zwischen Privaten. Mittlerweile hat das BAG diese Rechtsprechung im Individualarbeitsrecht wieder aufgegeben.207 Allerdings hat es sich im kollektiven Arbeitsrecht nicht kategorisch von der unmittelbaren Drittwirkung abgewandt. Teilweise wird zwar in der Tarifnormsetzung eine kollektive Ausübung der Privatautonomie und der Rechte des Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG gesehen.208 Hinsichtlich der Tarifverträge vertritt das BAG zumindest209 in Bezug auf Art. 3 GG überwiegend noch die Lehre der unmittelbaren Drittwirkung.210 Den früheren Entscheidungen liegt aber der Gedanke zugrunde, autonom gesetzte Normen wie Tarifverträge beruhten auf abgeleiteter Staatsmacht, die wie die originäre Legislative an den Grundrechten zu messen sei.211 Einen weiteren Anwendungsfall unmittelbarer Drittwirkung hat das BAG im Dezember 2010 kreiert: Die Grundrechte wurden unmittelbar als Bewertungsmaßstab für tarifvertragliche Betriebsnormen mit Außenseiterwirkung im Sinne von § 3 Abs. 2 TVG herangezogen.212 Da diese Regelungen anders als tarifvertragliche Abschlussnormen keine mitgliedschaftliche Legitimierung aufwiesen, seien sie wie der ebenfalls „fremdbestimmende“ Gesetzgeber am grundrechtlichen Übermaßverbot zu messen.213 204
Grundlegend BAGE 4, 274. Nach Gornik, NZA 2012, S. 1399 ff. 206 BAGE 1, 185 (193). 207 Letztlich gab das BAG diese Position aber zugunsten der Lehre von der mittelbaren Wirkung der Grundrechte im Weiterbeschäftigungsurteil auf: Das BAG leitete einen Weiterbeschäftigungsanspruch während des Kündigungsschutzprozesses aus §§ 611, 613 BGB i.V.m. § 242 BGB her, wobei „die Generalklausel des § 242 BGB […] durch die Wertentscheidung der Art. 1 und 2 GG“ (BAGE 48, 122 = NZA 1985, 702 [703]) ausgefüllt werde. Noch deutlicher wurde das BAG in seiner Entscheidung zur Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung: „Bei strukturellen Ungleichgewichtslagen [sei] schützend ein[zu]greifen, um einen angemessenen Ausgleich der Grundrechtspositionen beider Vertragspartner zu ermöglichen“; vgl. BAGE 78, 56 = NZA 1994, S.1085. 208 BAG, NZA 2002, S. 917. 209 Letztlich vertreten verschiedene Senate unterschiedliche Begründungsansätze; eingehend hierzu Gornik, NZA 2012, S. 1403 ff. 210 Vgl. BAG, NZA 2002, S. 917; BAGE 133, 354 = NZA 2010, S. 830. 211 BAGE 1, 258 (262 ff.) = NJW 1955, S. 684; BAGE 4, 240 (252) = NJW 1957, S. 1376 L; BAGE 11, 135 (138) = NJW 1961, S. 1837; BAGE 20, 308 (317) = NJW 1968, S. 1396. Diesen Gedanken führt Schwabe fort: Ihm zufolge beruht jedes private Handeln auf staatlicher Normsetzung und sei daher der staatlichen Macht zuzuschreiben; vgl. Schwabe, Drittwirkung, S. 16 ff., 70 ff. 212 BAGE 136, 237 = NZA 2011, S. 751. 213 BAG NZA 2011, S. 757; hierzu eingehend Gornik, NZA 2012, S. 1399 ff. 205
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Teleologisch entgegnet wurde insbesondere von Dürig, dass die Lehre der unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte die Privatautonomie gefährde, indem Rechtsgeschäfte an dem Übermaßverbot gemessen würden.214 Zudem sei staatliche Macht, die auf Zwangsmitteln, verbindlicher Normsetzung und Strafverhängung beruhe, nicht mit der faktischen Macht Privater vergleichbar.215 Nach Dürig sieht die Konzeption des GG vor, dass man auch nachteilige Verträge schließen und von den eigenen Grundrechten abweichen dürfe. Die Norm des § 138 BGB sei andernfalls als äußerste Grenze überflüssig.216 Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei im Bereich der Privatautonomie viel zu streng. Zudem würden die permanenten Abwägungen im Einzelfall die Rechtssicherheit gefährden. Letztlich sprächen gerade im Vertragsrecht systematische Erwägungen gegen eine unmittelbare Anwendung, wie etwa die Konstruktion der Gesetzesvorbehalte zeige, die ansonsten zwischen Privaten ins Leere laufen würden.217 bb) Der Ansatz der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte als objektive Werteordnung Der Theorie Nipperdeys wurde von Dürig die Lehre von der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte entgegengesetzt.218 Er tritt dafür ein, dass das Recht aus Art. 2 Abs. 1 GG, „über individuelle Lebensbeziehungen zu anderen rechtlich autonom disponieren zu dürfen“,219 vom Grundrechtsschutz erfasst sei. Dieses Recht dürfe nicht durch unmittelbare Grundrechtsbindungen Privater relativiert werden.220 Der Schutz des Privatrechtsverkehrs könne – soweit spezielle Gesetze fehlten – mithilfe wertausfüllungsfähiger und -bedürftiger Generalklauseln hinreichend gewährleistet werden.221 In Bezug auf privatrechtliche Normen sollten die Grundrechte zunächst lediglich mittelbar beachtet werden, da sich das Privatrecht schließlich wesensgemäß von öffentlich-rechtlichen Normen unterscheide und gar ein „aliud“ zu diesen darstelle.222 Differenzierter werden die Einwirkungen durch Richtersprüche beurteilt, wenn sich zwei kollidierende privatrechtliche Positionen gegenüberstehen. Klassisch wird dem Richter aber nicht zugestanden, die Wertungen der Grundrechte maßgeblich mit einfließen zu lassen, wenn der Gesetzgeber seiner 214
Vgl. Dürig, FS Nawiasky, S. 158 ff., 167 ff.; Leisner, Privatisierung, S. 388 mit Fn. 213a. Canaris, AcP 184 (1984), S. 206. 216 Dürig, FS Nawiasky, S. 158 ff. 217 Canaris, AcP 184 (1984), S. 201, 204; ihm folgend Gurlit, NZG 2012, S. 249, 251. 218 Dürig, FS Nawiasky, S. 157 ff. 219 Dürig, FS Nawiasky, S. 176. 220 Dürig, FS Nawiasky, S. 176. 221 Vgl. Kempen, in: Merten/Papier (Hrsg.), HbdGR II, S. 1342; Dürig, FS Nawiasky, S. 176 f. 222 Mittlerweile werden auch Privatrechtsnormen als Akte der Legislative unmittelbar an den Grundrechten gemessen; schließlich macht es für den Bürger keinen Unterschied, ob seine Freiheit durch eine öffentlich-rechtliche oder eine privatrechtliche Norm eingeschränkt wird. 215
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1. Teil, § 4 Verfassungsrechtliche Kriterien für Einordnung eines Unternehmens
Pflicht nicht nachgekommen sei. Allein entscheidend sei, „welche Regelungen der Gesetzgeber zum Grundrechtsschutz in dem eröffneten Freiheitsraum getroffen hat oder hätte treffen müssen.“223 Dem Richter dagegen seien auf Grund des Wesentlichkeitsgrundsatzes die Hände gebunden.224 Das BVerfG folgte dieser Linie im Lüth-Urteil225 und sprach den Grundrechten eine lediglich mittelbare Wirkung auf das Privatrecht als solches zu. Dabei verstand das Gericht die Grundrechte aber nicht nur als Abwehrrechte gegen den Staat, sondern auch als objektive Wertordnung, die eben auch die Privatrechtsordnung beeinflusse.226 Doch führten Art. 1 bis 19 GG in Privatrechtsbeziehungen nicht zu einem Eingriffsverbot, sondern lediglich zu einer „Ausstrahlwirkung“ der Grundrechte.227 In dieser Konsequenz führt das BVerfG im Mephisto-Urteil bezüglich eines Eingriffs in die Kunstfreiheit durch Privatpersonen keine Verhältnismäßigkeitsprüfung,228 sondern lediglich eine Willkürkontrolle durch.229 Insbesondere in den Benetton-Entscheidungen bestätigte das BVerfG diese Rechtsprechung.230 Dabei ist zu beachten, dass verschiedene Institute des Zivilrechts im Wege mittelbarer Wirkung, d. h. über Klauseln des Privatrechts, so fortentwickelt wurden, dass eine direkte Grundrechtsbindung Privater faktisch bereits erreicht ist:231 Der BGH hat etwa bereits vier Jahre vor dem Lüth-Urteil des BVerfG das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG zu einem Recht im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB erhoben und somit gegenüber jedermann als absolut geschütztes Recht anerkannt.232 Darin kann letztlich eine zumindest partielle horizontale Wirkung der Grundrechte gesehen werden.233 223
Gornik, NZA 2012, S. 1400. Gornik, NZA 2012, S. 1404. 225 BVerfGE 7, S. 198 ff. 226 BVerfGE 7, S. 198 (205). 227 BVerfGE 7, S. 198 (207). 228 Am Übermaßverbot zu messen sind die Handlungen der unmittelbar an die Grundrechte Gebundenen. Im Falle einer nur mittelbaren Grundrechtsbindung ist der Staat verpflichtet, im Rahmen des Untermaßverbotes ein bestimmtes Schutzniveau nicht zu unterschreiten; vgl. hierzu Gornik, NZA 2012, S. 1400. 229 BVerfGE 30, S. 173 (199 f.). 230 BVerfGE 25, S. 256; 81, S. 242; 89, S. 1; 89, S. 214; 102, S. 347 (362); 107, S. 275 (280 f.). 231 Vgl. Canaris, AcP 184 (1984), S. 203. 232 BGHZ 13, S. 334 (338) = NJW 1954, S. 1404; vgl. auch BGHZ 15, S. 249; 24, S. 72 (76 f.); 27, S. 284 (285); 30, S. 308 (311); 33, S. 145 (149 ff.); vgl. hierzu auch Ossenbühl, NJW 2000, S. 2945. 233 Vgl. hierzu auch Ossenbühl, NJW 2000, S. 2945; zwar wird etwa von Unterreitmeier betont, dass das zivilrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht auf Grund der unmittelbaren Wirkung gegenüber Privaten nicht mit dem entsprechenden Grundrecht gleichgesetzt werden dürfe (JuS 2012, S. 926); doch kann diese Unterscheidung auf Grund der gemeinsamen Anspruchsgrundlage (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) und inhaltlichen Übereinstimmung nicht überzeugen. 224
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cc) Der Ansatz der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte über die Konstruktion der Schutzpflichten des Staates Letztlich kann eine Drittwirkung aber auch aus Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG abgeleitet werden, da der Staat verpflichtet ist, die Würde des Menschen zu schützen, die wiederum in den Grundrechten ihre Ausprägung findet. Damit ist der Staat verpflichtet, die Bürger insbesondere vor sozialen Mächten zu schützen.234 Im Sinne der Strömung, die sich auf diese Schutzpflicht des Staates konzentriert, ist jener verpflichtet, sich hinsichtlich der sozialen Mächte durch Gesetzgebung und Rechtsprechung schützend vor die Grundrechte des Bürgers zu stellen.235 Der Vorteil dieser Sicht ist, dass nicht nur Generalklauseln herangezogen werden können, sondern der Richter im Sinne seiner Schutzpflicht angewiesen ist, das gesamte Zivilrecht verfassungskonform auszulegen. Mit dieser Rechtsprechung des 6. Senats des BAG kann man daher – entgegen der klassischen Lehre von der mittelbaren Grundrechtswirkung über die Generalklauseln – materiell zu einer direkten Inhaltskontrolle bezüglich der Grundrechte und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kommen:236 Dem 6. Senat des BAG zufolge stehen sich nicht nur zwei Private gegenüber, deren Grundrechte einer diffusen Abwägung unterworfen sind, sondern es kommt ein direkt an die Grundrechte gebundener Richter hinzu, der seinerseits die Rechte der Parteien nicht verletzen dürfe.237 Dem Ansatz des BVerfG von der objektiven Wertordnung muss nicht widersprochen werden; er erfährt hier aber eine wesentliche Erweiterung.238 Die Schutzpflichtenkonstruktion führt über den Umweg der unmittelbaren Grundrechtsbindung des Richters zu einer Konstitutionalisierung des Privatrechts und wird von Teilen der Literatur als „Rechtspaternalismus“239 und „Verfassungszivilrecht“240 abgelehnt. Schließlich dürfe den Privaten kein Allgemeinwohlauftrag treffen.241
234
Kokott, in: Kokott/Rudolf (Hrsg.), Gesellschaftsgestaltung, S. 60. Vgl. hierzu Canaris, Grundrechte und Privatrecht, S. 33 ff.; Langner, Geltung der Grundrechte, S. 82 ff. 236 BAGE 133, 354 = NZA 2010, S. 827 f.; in diese Richtung auch Kempen, in: Merten/ Papier (Hrsg.), HbdGR II, S. 1323; für „verfassungsrechtlich nicht haltbar“ hält es dagegen Gornik, „aus der Bindung der Gerichte eine direkte Grundrechtsgeltung in den privatrechtlichen Rechtsbeziehungen zu folgern“; vgl. NZA 2012, S. 1404. 237 Kempen, in: Merten/Papier (Hrsg.), HbdGR II, S. 1325 f.; BAGE 133, 354 = NZA 2010, S. 827 f. 238 Vgl. Kempen, in: Merten/Papier (Hrsg.), HbdGR II, S. 1336; Guckelberger, Jus 2003, S. 1156; ähnlich Gurlit, NZG 2012, S. 251. 239 Enderlein, Rechtspaternalismus, S. 1388 ff.; vgl. auch Knieper, WiRO 2009, S. 131 mit w.N. 240 Diederichsen, AcP 198 (1998), S. 171, 214 ff. 241 Gurlit, NZG 2012, S. 251. 235
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In diesem Zusammenhang gilt es, die Rechtsprechung zu Handelsvertretern242 und Bürgschaftsverträgen243 zu erwähnen. In aufsehenerregender Weise werden beim Vorliegen „ungleicher Verhandlungsstärke“244 verfassungsrechtliche Korrekturen am Prinzip der Vertragsfreiheit, insbesondere dem Grundsatz „pacta sunt servanda“, vorgenommen. Nicht nur Eheverträge, selbst einseitig verpflichtende Testamente werden auf Grundrechtsverstöße hin überprüft, da der entscheidende Richter seinerseits verpflichtet wird, die Grundrechte zu beachten.245 Die Grundrechtsbindungen erfassen damit mittelbar die Willenserklärungen Privater. Denn sie werden in eine „Gerichtsentscheidung eingekleidet“246, die ihrerseits nicht gegen Grundrechte verstoßen darf. Private werden im Ergebnis – wenn auch über die mittelbare Drittwirkung und Schutzpflichtkonstruktionen – in weiten Bereichen staatlichen Institutionen gleichgestellt. Zu oft wird aber von kritischen Literaturstimmen übersehen, dass sich der Fokus der Grundrechtsproblematik etwa im Datenschutz verschoben hat und gerade das Verhältnis zwischen Privaten und damit die Schutzpflichten sowie die mittelbare Drittwirkung enorm an Bedeutung gewinnen.247 dd) Der Ansatz der Funktionsnachfolge (1) Die privatisierten Nachfolgeunternehmen in den Bereichen Post, Bahn und Telekommunikation Umstritten ist die Grundrechtsberechtigung der ehemaligen Staatsunternehmen in den Bereichen Post, Bahn und Telekommunikation. Nach der wohl herrschenden Ansicht in der Literatur können Grundrechtsberechtigung und Grundrechtsbindung denklogisch nicht in einer Person zusammentreffen.248 Vielmehr handele es sich um die zwei Seiten einer Medaille: Ein Grundrechtsträger könne nicht gleichzeitig durch Grundrechte verpflichtet sein, und eine gebundene Person dürfe sich nicht auf die Freiheiten der Art. 2 ff. GG berufen. Diese „Entweder-Oder-Argumentation“ wird in der Literatur flankiert von einem „Weder-Noch-Muster“ etwa bei den Infrastrukturunternehmen der DB AG: Auf Grund ihrer Eigentumsstruktur, d. h. der mehrheitlichen staatlichen Beteiligung, wird den Infrastrukturunternehmen eine Berufung
242
BVerfG, BB 1990, S. 440. BVerfGE 89, S. 214 ff. = NJW 1994, S. 36 ff. 244 BVerfGE 89, S. 214 = NJW 1994, S. 36. 245 Vgl. Staudinger, ZEV 2005, S. 136, ff.; zur von Staudinger kritisierten Rechtsprechung des EGMR s. unten § 4 A. I. 2. c) aa). 246 Staudinger, ZEV 2005, S. 142. 247 Vgl. Masing, NJW 2012, S. 2305, 2306. 248 Kramer, in: Bayreuther (Hrsg.), Sozialeinrichtungen, S. 122; Bethge, AöR 104 (1979), S. 67; Jestaedt, Demokratieprinzip, S. 579 ff. 243
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auf die Grundrechte versagt; angesichts ihrer Führung als Wirtschaftsunternehmen werden sie aber auch nicht für grundrechtsverpflichtet gehalten.249 Interessant sind nun Lösungsansätze, welche die DB AG bzw. die Infrastrukturunternehmen als partiell grundrechtsverpflichtet ansehen.250 Grundrechtsverpflichtung und -berechtigung könnten sehr wohl durch eine Person verlaufen. Nur in derselben Beziehung könne eine Person nicht gleichzeitig grundrechtsberechtigt und gebunden sein.251 Diese neueren Entwicklungen zeigen zumindest, dass strikte „Entweder-OderVorstellungen“ immer mehr in Zweifel gezogen werden und im Gegensatz dazu „Sowohl-als-auch-Lösungen“ im Vormarsch begriffen sind. Insbesondere gemischtwirtschaftliche Unternehmen erfordern eine differenzierte Lösung, die sowohl den staatlichen als auch den privaten Interessen und der neuartigen Struktur von gemischten Unternehmen gerecht werden muss.252 Schließlich verbinden sich in Letzteren zwei unterschiedliche Funktionsprinzipien: die Freiheit der Privaten auf der einen und die Bindung der staatlichen Anteilseigner auf der anderen Seite. Daher wird teilweise eine Abwägungsdogmatik für die widerstreitenden Interessen gefordert,253 die letztlich der mittelbaren Drittwirkungsdogmatik bzw. der praktischen Konkordanz nahekommt.254 (2) Die Funktionsnachfolge des „einfachen“ Privaten Bereits in der „Fraport-Entscheidung“ hat das BVerfG herausgestellt, dass auch echte Private im Wege der mittelbaren Drittwirkung von Grundrechten ähnlich oder genauso weit wie der Staat in die Pflicht genommen werden. Ihre Grundrechtsbindung könne der des Staates „nahe- oder auch gleichkommen“.255 In seinem „Nibelungen-Beschluss“ betont das BVerfG erneut, dass dies insbesondere dann der Fall sei, wenn die rein privaten Akteure „in tatsächlicher Hinsicht in eine vergleichbare Pflichten- oder Garantenstellung hineinwachsen wie traditionell der Staat“.256 Im Fall einer juristischen Person des Privatrechts ohne Beteiligung öffentlicher Anteilseigner wird dies insofern angenommen, als deren öffentlich zugängliches Pri249 Gersdorf, BK, 5. Aufl., Art. 87e GG, Rn. 52, 53 (differenzierend dagegen in der 6. Aufl., Rn. 53 f.); wie Gersdorf in der 5. Aufl. auch immer noch Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 69 ff. 250 Nur in Bezug auf bestimmte Aufgaben soll das Unternehmen als staatliches Instrument fungieren und daher an Grundrechte gebunden sein; vgl. Heise, Deutsche Bahn AG, S. 353 ff.; vgl. auch dies., S. 350 ff. 251 Vgl. Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 121 mit w.N. 252 So auch Pfeifer, LMK 2011, 322526. 253 So Pfeifer, LMK 2011, 322526. 254 Denn auch hier wird eine differenzierte Abwägung gefordert; vgl. Fischer-Lescano/ Maurer, NJW 2006, S. 1393, 1395 f. Auch bei privaten Betreibern sei eine Abwägung erforderlich. 255 BVerfG, NJW 2011, S. 1201, Rn. 59 = BVerfGE 128, S. 226 ff. 256 BVerfG, NJW 2015, S. 2485 [2486].
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vatgrundstück den Publikumsverkehr eröffnet und als Ort der allgemeinen Kommunikation dem Leitbild des öffentlichen Forums entsprechen soll.257 Folglich wurde im Eilverfahren das von Art. 14 GG untermauerte Hausverbot eines Privaten zugunsten der Versammlungsfreiheit anderer Privater aus Art. 8 GG aufgehoben.258 Dabei betont das BVerfG, dass die Modalitäten der praktischen Konkordanz zwischen den widerstreitenden Grundrechtspositionen noch ungeklärt seien und nicht im einstweiligen Rechtsschutz entschieden werden könnten. Entscheidend ist aber, dass die – zumindest im Rahmen der Folgenabwägung des einstweiligen Rechtsschutzes überwiegende – Grundrechtsbindung des privaten Eigentümers nicht nur mit der objektiven Werteordnung der Grundrechte oder mit den Schutzpflichten des Staates begründet wird. Vielmehr stützt das BVerfG die Inpflichtnahme des privaten Akteurs und seine staatsgleiche Grundrechtsbindung primär auf die Übernahme von Funktionen, die bisher klassischer Weise dem Staat zugewiesen waren.259 Auch von verschiedenen Literaturstimmen wird angedacht, den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit auf privaten Grundstücken zu eröffnen. Dabei wird die Diskussion gerade nicht mehr nur auf privatisierte, ehemals staatliche Unternehmen beschränkt. Denn öffentliche Räume werden zunehmend von (echten) Privaten betrieben,260 so dass in Hinblick auf Kommunikationsgrundrechte eine Inpflichtnahme Privater angezeigt ist.261 Damit ergebe sich eine neue Schutzrichtung.262 Im Zeitalter kultureller, informationeller und wirtschaftlicher Globalisierung wird zudem zunehmend über die Kommunikationsgrundrechte hinaus die grundrechtsgefährdende Wirkungsmacht gesellschaftlicher Akteure, insbesondere internationaler Unternehmen anerkannt.263 Entsprechend stellt sich die Frage, ob die grundsätzliche Beschränkung der unmittelbaren Grundrechtsverpflichtung auf den Staat und eine reine Ausstrahlwirkung der Grundrechte unter Privaten noch zeitgemäß ist.264
257
BVerfG, NJW 2015, S. 2485. Vgl. hierzu auch Schulenberg, DÖV 2016, S. 55 ff.; Schwabe, DÖV 2016, S. 1041 ff. 259 BVerfG, NJW 2015, S. 2485 (2486); so auch Smets, NVwZ 2016, S. 35 ff. 260 Eine Differenzierung findet hier gerade nicht statt; vgl. Krüger, DÖV 2012, S. 837, 838. 261 In diese Richtung BVerfG, NJW 2011, S. 1203, Rn. 56 = BVerfGE 128, S. 226 ff.; vgl. hierzu eingehend Fischer-Lescanao/Maurer, NJW 2006, S. 1393 ff.; Krüger, DÖV 2012, S. 837, 843, möchte das Problem über den Gesetzgeber lösen: Dieser sollte privat und öffentlich beherrschte öffentliche Foren gleich behandeln. 262 Wendt, NVwZ 2012, S. 606. Er spricht sich aus für eine „interpretative […] Rechtsanwendung“, eine „Weiterentwicklung des zivil- und verfassungsrechtlichen case law“; vgl. ders., S. 608; vgl. auch Fischer-Lescano/Maurer, NJW 2006, S. 1394 f. Auf die Anlehnung an die US-Amerikanische Rechtsprechung zur Bindung von Shopping Malls und multinationalen Unternehmen weist Gurlit, NZG 2012, S. 250 mit w.N., hin. 263 Knieper, WiRO 2009, S. 129. 264 Knieper, WiRO 2009, S. 131 mit w.N.; zu Überlegungen mit Bezug zu Entwicklungen auf europäischer Ebene vgl. Hess, JZ 2005, S. 540 ff. 258
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c) Die europäischen Tendenzen zur Drittwirkung der Grundrechte aa) Die Drittwirkung der Konventionsgrundrechte Die Anwendbarkeit und Relevanz der EMRK und der GRCh wurde oben dargestellt.265 Fraglich ist, inwieweit jene eine Drittwirkung der Konventionsrechte bzw. der europäischen Grundrechte der Charta vorsehen. Sowohl die EMRK als auch die GRCh sind immer im Kontext der nationalen Rechtsordnungen der jeweiligen Mitgliedstaaten zu sehen.266 In anderen europäischen Staaten ist zu beobachten, dass die Horizontalwirkung (einzelner) Grundrechtsbestimmungen anerkannt wird.267 Schwerpunkt der Grundrechtsgeltung unter Privaten bilden europaweit das Arbeitsrecht sowie der Schutz der Persönlichkeit. Zum einen wird dem Prinzip des Sozialstaats verstärkt Rechnung getragen, zum anderen tritt der Staat ein, wenn der Einzelne sich nicht mehr in der Lage sieht, einen Autonomieverlust – etwa im Bereich des Persönlichkeitsschutzes – zu verhindern. Seifert spricht hier von der „Konstitutionalisierung des Privatrechtsverkehrs“.268 Die EMRK sieht keine unmittelbare Geltung der Grundrechte im Privatrechtsverkehr vor.269 Die Konventionsgrundrechte richten sich nur an die Staaten: Nur deren Maßnahmen sind Gegenstand eines Verfahrens vor dem EGMR. Im Privatrechtsverhältnis wird das Handeln Privater entweder dem Staat zugerechnet,270 oder man knüpft an staatliches Handeln an.271 Über die Konstruktion der positiven Pflichten der Mitgliedstaaten272 wirkt der Grundrechtsschutz lediglich mittelbar auf den Privatrechtsverkehr: Die Mitgliedstaaten trifft demnach die Pflicht, dafür zu sorgen, dass auch unter Privaten die Rechte der EMRK Beachtung finden.273 Insbesondere Gerichtsentscheidungen dürfen nicht gegen Konventionsgrundrechte verstoßen, indem sie zivilrechtliche Verträge anerkennen, die ihrerseits nicht mit der Konvention in Einklang stehen.274 Trotz der umfangreichen Rechtsprechung des
265
Siehe unter § 4 A. I. 1. f) aa) (1) und § 4 A. I. 1. f) bb) (1). Umgekehrt hat die EMRK das Grundrechtsverständnis der Mitgliedstaaten stark beeinflusst; vgl. Seifert, EuZW 2011, S. 696. 267 So wird z. B. in Frankreich seit der Entscheidung des „Cour de cassation“ die grundsätzliche Horizontalwirkung der EMRK anerkannt; vgl. hierzu Seifert, EuZW 2011, S. 697. 268 Seifert, EuWZ 2011, S. 698. 269 Vgl. Kingreen, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Art. 51 GRCh, Rn. 21. 270 EGMR, U. v. 25. 03. 1993, Nr. 13134/87 (Costello-Roberts vs.Vereinigtes Königreich). 271 EGMR, U. v. 13. 08. 1981, Nr. 7601/76 (Young, James & Webster vs. Vereinigtes Königreich) = EuGRZ 1981, S. 559; s. hierzu auch Kingreen, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Art. 51 GRCh, Rn. 21. 272 Gemeint sind hier die Staaten, welche die Konvention unterzeichnet haben. 273 Grundlegend EGMR, U. v. 13. 06. 1979, Nr. 6833/74 (Marckx vs. Belgien) = NJW 1979, S. 2479. 274 Staudinger, ZEV 2005, S. 142. 266
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1. Teil, § 4 Verfassungsrechtliche Kriterien für Einordnung eines Unternehmens
EGMR zu den positiven Pflichten275 wurde bisher allerdings keine allgemeine Theorie entwickelt.276 So bleibt unklar, unter welchen Voraussetzungen die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, auch in Privatrechtsbeziehungen die Geltung der EMRK zu gewährleisten. Zu beachten ist hierbei, dass auf horizontaler Ebene immer Grundrechte miteinander abgewogen und im Sinne praktischer Konkordanz in einen Ausgleich gebracht werden müssen.277 Nur wenn ein strukturelles Machtgefälle besteht, dient es der Freiheitssicherung der Rechte des Einzelnen, wenn auf Privatrechtsebene die Vertragsfreiheit eingeschränkt wird. Nur dann liegt eine Situation vor, die mit der strukturellen Disparität von Staat und Bürger vergleichbar ist.278 Die Ausweitung der mittelbaren Geltung der Konventionsgrundrechte auf andere Vertragsverhältnisse über den Arbeitsvertrag hinaus erscheint hingegen problematisch, weil das Menschen- und Staatsverständnis wesentlich beeinträchtigt und verändert wird, wenn europäische Instanzen den Bürgern absprechen, mündige, gleichberechtigte Verträge zu schließen.279 Besonders bedenklich ist dies, wenn Diskriminierungsverbote nicht nur zweiseitig-verpflichtende, privatrechtliche Verträge, sondern sogar einseitig verpflichtende Verträge wie das Testament betreffen.280 Dennoch ist festzuhalten, dass die EMRK in Deutschland über Generalklauseln wie § 138 Abs. 1 BGB mittelbare Drittwirkung entfaltet.
275 Betroffen sind vor allem: das Arbeitsrecht, vgl. EGMR, U. v. 13. 08. 1981, Nr. 7601/76 (Young, James & Webster vs. Vereinigtes Königreich); das Mietrecht, vgl. EGMR, U. v. 16. 12. 2008, Nr. 23883/06 (Khurshid Mustafa & Tarzibachi vs. Schweden); das Deliktsrecht, vgl. EGMR, U. v. 24. 06. 2004, Nr. 59320/00 (Caroline von Hannover vs. Deutschland) = NJW 2004, S. 2647 ff.; das Familienrecht, vgl. EGMR, U. v. 23. 09. 1998, Nr. 100/1997/884/1096 (A. vs. Vereinigtes Königreich) und das Erbrecht, vgl. EGMR, U. v. 13. 07. 2004, Nr. 69498/01 (Pla & Puncernau vs. Andorra) = NJW 2005, S. 875 ff. 276 Vielmehr lehnte der EGMR dies ausdrücklich ab; vgl. EGMR, U. v. 21. 06. 1988, Nr. 10126/82 (Plattform Ärzte für das Leben vs. Österreich). 277 Seifert, EuWZ 2011, S. 699. 278 Seifert, EuWZ 2011, S. 699. 279 Problematisch ist hier gerade die Rechtsprechung des EGMR, welche die Konventionsgrundrechte auch auf andere als Arbeitsverhältnisse anwendet. Beispielhaft ist die Sache EGMR, U. v. 16. 12. 2008, Nr. 23883/06 (Khurshid Mustafa & Tarzibachi vs. Schweden) zu nennen, in der die Kündigung eines Mietrechtsverhältnisses auf Grund der Weigerung der Mieter, eine Parabolantenne vom Hausdach wieder zu entfernen, als Verstoß gegen Art. 10 EGMR gewertet wurde. Die Privatautonomie wurde in diesem Fall als nicht ausreichendes Mittel zum Mieterschutz erachtet. 280 Sehr problematisch ist insofern die Entscheidung EGMR, U. v. 13. 07. 2004, Nr. 69498/ 01 (Pla & Puncernau vs. Andorra) = NJW 2005, S. 875 ff., in welcher der Testierfreiheit strikte konventionsgrundrechtliche Grenzen gesetzt wurden, indem die Differenzierung zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern als Verstoß gegen Art. 14 EMRK i. V. mit Art. 8 EMRK gewertet wurde.
A. Die Grundrechte als Abgrenzungskriterium
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bb) Die Drittwirkung der GRCh281 Die wichtigste Erkenntnisquelle für die Bestimmung des Schutzbereichs der GRCh, die EMRK, spricht gegen eine unmittelbare Drittwirkung.282 Eine ausdrückliche Regelung der Horizontalwirkung fehlt in der GRCh.283 Nach Ansicht einiger Autoren sind Grundrechte wie Art. 3 Abs. 2, 5 Abs. 3, 32 GRCh dem Wortlaut nach offensichtlich auf eine Drittwirkung angelegt. Auch das Diskriminierungsverbot sowie das Gebot der Gleichbehandlung von Männern und Frauen in allen Bereichen weise eine horizontale Stoßrichtung auf.284 Rechte auf Kollektivverhandlungen und kollektive Maßnahmen aus Art. 28 GRCh wendeten sich ebenfalls primär an Privatrechtsubjekte.285 Vereinzelt wird daher eine Drittwirkung bejaht.286 Zumindest bleibt dann aber fraglich, ob die europäischen Grundrechte, wenn sie denn auf horizontale Wirkung ausgelegt sind, – ähnlich wie die Grundfreiheiten287 – auch unter Privaten im Sinne einer direkten Bindung eine unmittelbare Wirkung beanspruchen.288 Überwiegend wird eine unmittelbare Drittwirkung mit Verweis auf die Schutzpflichten des Staates jedoch abgelehnt:289 Durch die Grundrechte würde lediglich für die EU und die Mitgliedstaaten bei der Durchführung von Unionsrecht die Pflicht eröffnet, den Grundrechtsschutz in Zivilrechtsverhältnissen durchzusetzen. Dieser Pflicht habe der Unionsgesetzgeber beim Erlass von Sekundärrecht und der nationale Gesetzgeber insbesondere bei der Umsetzung von Richtlinien nachzukommen.290 Privatpersonen seien trotz der Schutzwürdigkeit im Privatrechtsverhältnis291 generell 281
Vgl. hierzu jüngst Jarass, ZeuP 2017, S. 310 ff. Nach Art. 5 Abs. 3 S. 1 GRCh müssen die Grundrechte der Charta, die der EMRK entsprechen, in Bezug auf die Bedeutung und die Tragweite so ausgelegt werden wie die der EMRK. Dies gilt insbesondere in Anbetracht des (bevorstehenden) Beitritts der EU zur EMRK nach Art. 6 Abs. 2 EUV. Folglich sind die Mitgliedstaaten auch hier an die „positiven Pflichten“ gebunden; so Seifert, EuZW 2011, S. 701 f. 283 Seifert, EuZW 2011, S. 700. 284 Vgl. Beutler, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), Art. 6 EUV, Rn. 66; Strunz, Strukturen, S. 130 ff. 285 Seifert, EuZW 2011, S. 700; andere Grundrechte wie das Asylrecht (Art. 18 GRCh), aber auch die Rechte aus Art. 19 und 39 ff. GRCh richten sich dagegen lediglich an den Staat. 286 Beutler, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), Art. 6 EUV, Rn. 66; vgl. auch SA Cruz Villalon, v. 18. 07. 2013, C-176/12 Rn. 28 ff. 287 Vgl. hierzu § 4 A. I. 2. c) bb) (1). 288 Vgl. Kirchhof, NJW 2011, S. 3682, der eine solche Wirkung zumindest befürchtet. Auch Seifert legt eine unmittelbare Wirkung stellenweise zumindest nahe, indem er die „auf Horizontalwirkung angelegt[en]“ Grundrechte der Charta denen gegenüberstellt, „die ausschließlich den Staat zum Adressaten haben“; vgl. Seifert, EuWZ 2011, S. 700, was zeigt, dass der Adressatenkreis Ersterer weiter ist. 289 Hatje, in: Schwarze/Becker (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 51 GRCh, Rn. 20. 290 Streinz/Michl, EuZW 2011, S. 387. 291 Streinz/Michl, EuZW 2011, S. 384. 282
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1. Teil, § 4 Verfassungsrechtliche Kriterien für Einordnung eines Unternehmens
nicht an diese Rechte gebunden.292 Dafür spreche der Wortlaut des Art. 51 Abs. 1 S. 1 GRCh; zudem sei das Erfordernis des Gesetzesvorbehaltes in Art. 52 Abs. 2 S. 2 GRCh nicht auf Private zugeschnitten.293 Dies gelte auch für das Datenschutzrecht aus Art. 8 GRCh, das zunächst ein klassisches Abwehrrecht gegen den Staat darstelle294 und nur mittelbar über die Konstruktion der Schutzpflicht Drittwirkung entfalte.295 Die Unterscheidung der mittelbaren und unmittelbaren Wirkung hänge mit der ganz grundlegenden Differenzierung zwischen Staat und Gesellschaft sowie zwischen privatem und Öffentlichem Recht zusammen und habe eine „freiheitssichernde Wirkung“.296 Grundrechte dürften nicht zu „beliebigen Abwägungspositionen“297 degenerieren, indem man sie im Privatrechtsverkehr unmittelbar heranziehe. (1) Die Wirkung der Grundrechte im Rahmen von Grundfreiheiten Den Grundrechten kann im Rahmen der Grundfreiheiten eine gewisse Horizontalwirkung zukommen. Letztere haben als Völkerrechtsnormen neuer Ordnung unmittelbare Geltung für Private.298 Ihre unmittelbare Wirkung im Privatrechtsverhältnis ist dabei umstritten. Nach der hier vertretenen Ansicht belegt die Rechtsprechung „Walrave/Union cycliste“, „Bosman“, „Angonese“, und „Viking Line“,299 dass eine unmittelbare Horizontalwirkung der Grundfreiheiten gewährt wird.300 Jene bestätigen nicht nur als Ausnahme die allgemeine Regel der rein vertikalen Geltung.301 Die Grundfreiheiten können ihrerseits durch die Grundrechte der GRCh eingeschränkt werden.302 Damit hat das entsprechende Grundrecht, das im Wege der 292
Vgl. Jarass, Charta der Grundrechte, 1. Aufl., Art. 51 GRCh, Rn. 24 mit w.N.; Streinz/ Michl, EuZW 2011, S. 384. 293 Jarass, ZeuP 2017, S. 332. 294 Jarass, Charta der Grundrechte, 1. Aufl., Art. 8 GRCh, Rn. 3. 295 Streinz/Michl, EuZW 2011, S. 387; von lediglich mittelbarer Drittwirkung der GRCh und der Rechtsprechung des EuGH etwa in Mangold II und Kücükdeveci gehen auch aus Preis/ Temming, NZA 2010, S. 191. 296 Huber, NJW 2011, S. 2390. 297 Huber, NJW 2011, S. 2389. 298 EuGH, BeckEuRS 1963, 3705 (Van Gend & Loos vs. Niederlande). 299 Dagegen stehen die Urteile des EuGH, BeckEuRS 1974, 40253 Rn. 17 (Walrave vs. Union cycliste); NJW 1996, S. 505, Rn. 82 (Bosman); NVwZ 2001, S. 901, Rn. 3 (Angonese); NZA 2008, S. 124, Rn. 53 (Viking Line). 300 Zur unmittelbaren Drittwirkung von Grundfreiheiten Streinz/Leible, EuZW 2000, S. 459 ff.; siehe vor allem die Kritik an der Rechtsprechung des EuGH. Diese stützt sich insbesondere auf den alten Art. 86 Abs. 2 EG, der nur Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind, erfasst und damit lediglich Unternehmen mit gewisser Staatsnähe in die Pflicht nimmt. Im Umkehrschluss sollten daher andere Unternehmen gerade nicht durch die Grundfreiheiten gebunden sein. 301 So aber nicht überzeugend Huber, NJW 2011, S. 2388. 302 Vgl. zu dieser Problematik, Herrmann, Europarecht, S. 53, Rn. 158 und S. 75, Rn. 254 ff.
A. Die Grundrechte als Abgrenzungskriterium
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Abwägung in Ausgleich mit der Grundfreiheit gebracht werden muss, Anteil an der unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten.303 Im Arbeitsrecht kann man sich Fälle vorstellen, in denen sich Arbeitnehmer gegenüber Unternehmen aus europäischen Nachbarländern, die sich ihrerseits auf die Niederlassungsfreiheit berufen, auf Grundrechte der Charta stützen, um gegen bestimmte Bewerbungs- oder Ausbildungsbedingungen vorzugehen.304 Ebenso könnten europäische Ausländer mit der Berufung auf europäische Grundrechte die Beschränkungen ihrer Grundfreiheiten durch Private angreifen.305 (2) Die Wirkung der Grundrechte im Rahmen der Umsetzung von Richtlinien Mittelbar wirksam sind die Grundrechte der GRCh im Privatrechtsverkehr über die GRCh-konforme Auslegung der EU-Richtlinien und die Richtlinien-konforme Interpretation der nationalen Umsetzungsnormen.306 Zudem können Richtlinien unter besonderen Voraussetzungen307 jedenfalls im vertikalen Verhältnis308 der Bürger zu staatlichen Organisationen – unter anderem „öffentlichen Unternehmen“309 – sogar bereits vor dem Ende der Umsetzungsfrist unmittelbar anwendbar 303
So ausdrücklich Streinz/Michl, EuZw 2011, S. 387, zum Recht aus Kollektivmaßnahmen im Rahmen des „viking Line“-Falls. 304 Diesen Fall bilden Streinz/Michl, EuZW 2011, S. 388, in Bezug auf Art. 8 GRCh. 305 Diesen Fall bilden Streinz/Michl, EuZW 2011, S. 388, in Bezug auf Art. 8 GRCh. 306 Nach dem „Quelle-Urteil“ des BGH können deutsche Gerichte in Zivilrechtsverfahren an die äußerste Grenze des methodisch Vertretbaren gehen und das Recht insbesondere auch richtlinienkonform fortbilden; s. BGHZ 179, S. 27 = EuZW 2009, S. 155; dazu Herrmann/ Michl, JuS 2009, S. 1669 f.; Thym, JZ 2011, S. 151. 307 Eine Richtlinie entfaltet unmittelbare Wirkung, wenn gegen die Umsetzungsverpflichtung verstoßen wurde, d. h. die Richtlinie vom Mitgliedstaat nicht oder nicht innerhalb der Frist umgesetzt wurde (1), die Richtlinie in Bezug auf Tatbestand und Rechtsfolge hinreichend bestimmt (2) und die Norm unbedingt ist sowie in ihrer Rechtsfolge nicht von einer Entscheidung des Mitgliedstaats abhängt (3); vgl. Herrmann/Michl, JuS 2009, S. 1666; s. auch EuGH, NJW 2004, S. 3547. 308 Zwischen Privaten ist die unmittelbare Wirkung von Richtlinien auf Grund der Umsetzungsbedürftigkeit grundsätzlich verboten; vgl. Art. 288 Abs. 2, 3 AEUV. Allerdings lässt der EuGH in bestimmten Fällen eine horizontale Wirkung zu; vgl. EuGH, EuZW 2001, S. 153, Rn. 50 f. (Unilever Italia). s. hierzu eingehend Herrmann/Michl, Jus 2009, S. 1667. Teilweise wollen Literaturstimmen in Privatrechtsverhältnissen zumindest die negative Wirkung anerkannt wissen (vgl. Herrmann, Europarecht, S. 19, Rn. 51 mit vertiefenden Hinweisen) bzw. unterscheiden danach, ob die unmittelbare Wirkung eine Pflicht für den Mitgliedstaat als Vorfrage zu der privatrechtlichen Streitigkeit begründet oder ob Pflichten für die Privaten begründet werden: Es soll also darauf ankommen, welchen Adressaten die Richtlinie bei korrekter Umsetzung zu einer Handlung verpflichten würde; vgl. Langenbucher, in: Langenbucher/Engert (Hrsg.), Europarechtliche Bezüge, § 1, Rn. 74. 309 Darunter fallen Unternehmen, die unabhängig von ihrer Rechtsform (1) kraft staatlichen Rechtsaktes (2) unter staatlicher Aufsicht (3) eine Dienstleistung im öffentlichen Interesse erbringen und (4) hierzu mit besonderen Rechten ausgestattet sind, die über das hinausgehen, was für die Beziehungen zwischen Privatpersonen gilt; vgl. EuGH, NJW 1991, S. 3086 (Foster vs. British Gas Corporation); Herrmann/Michl, JuS 2009, S. 1667.
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1. Teil, § 4 Verfassungsrechtliche Kriterien für Einordnung eines Unternehmens
sein. Höchst interessant ist nun die neuere Rechtsprechungslinie des EuGH, die sich seit der vielbeachteten Entscheidung „Mangold“ abzeichnet und nicht nur auf Gleichheits-, sondern auch auf Freiheitsrechte übertragen werden kann:310 Ohne auf die Anwendbarkeit der Richtlinie zurückgreifen zu müssen, finden die Grundrechte als Primärrecht in deren Regelungsbereich unmittelbar Anwendung. Insofern müssen nationale Normen im Privatrechtsverhältnis in Einklang mit den geschriebenen und ungeschriebenen Grundrechten der EU ausgelegt werden. Kann eine Norm nicht primärrechtskonform interpretiert werden, ist sie auch in horizontalen Beziehungen unangewendet zu lassen.311 Neben dieser mittelbaren Bindungswirkung für Private312 werden der Rechtsprechung „Mangold“ und „Kücükdeveci“ teilweise Anhaltspunkte für eine unmittelbare Wirkung der Grundrechte entnommen.313 Bisher hat der EuGH diese Frage aber offen gelassen.314 In der Rechtssache „Dominguez“ hatte die Generalanwältin Trstenjak die Frage 2011 aufgeworfen,315 die jedoch vom EuGH ignoriert worden war.316 Durch die jüngere Entscheidung „AMS“ hat der EuGH aber zumindest die Möglichkeit eröffnet, Grundrechte unmittelbar zur Wirkung gelangen zu lassen.317 Dies wird in der Urteilsbegründung mehr oder weniger explizit ausgesprochen: Die Grundrechtecharta finde „in allen unionsrechtlich geregelten Fallgestaltungen Anwendung“,318 wofür nur Voraussetzung sei, dass dem Einzelnen Rechte verliehen würden.319 In Anbetracht der Grundaussage von „van Gend & Loos“320 kann jede unionsrechtliche Norm Rechte und Pflichten für den Einzelnen eröffnen.321 Vorstellbar wäre beispielsweise, dass sich Bürger im weiteren Anwendungsbereich der Richtlinien direkt auf europäische Grundrechte berufen und damit auch den Privaten ein bestimmtes Handeln abverlangen können. 310
Preis/Temming, NZA 2010, S. 190 f. Vgl. Preis/Temming, NZA 2010, S. 192. 312 Vgl. Preis/Temming, NZA 2010, S. 190. 313 Huber, NJW 2011, S. 2388; die Ableitung unmittelbarer Drittwirkung der GRCh aus der Rechtsprechung des EuGH zu „Mangold II“ und „Kücükdeveci“ dagegen ablehnend Preis/ Temming, NZA 2010, S. 191. 314 Huber, NJW 2011, S. 2388. 315 Schlussanträge der Generalstaatsanwältin Verica Trstenjak vom 08. 09. 2011; vgl. http:// curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=109267&pageIndex=0&doclang =de&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=383339 [zuletzt aufgerufen am 09. 07. 2016]. 316 EuGH, EuZW 2012, S. 342 ff. 317 So Unseld als eine der ersten Stimmen zum Urteil; vgl. http://www.verfassungsblog.de/ de/mangold-hat-grenzen-zur-horizontalwirkung-von-eu-grundrechten/#.UvAzJGAhDsL [zuletzt aufgerufen am 19. 01. 2018]. 318 EuGH, NZA 2014, S. 193 (195). 319 EuGH, NZA 2014, S. 193 (195). 320 EuGH, BeckEuRS 1963, 3705. 321 So Unseld als eine der ersten Stimmen zum Urteil; vgl. http://www.verfassungsblog.de/ de/mangold-hat-grenzen-zur-horizontalwirkung-von-eu-grundrechten/#.UvAzJGAhDsL [zuletzt aufgerufen am 19. 01. 2018]. 311
A. Die Grundrechte als Abgrenzungskriterium
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Letztlich ist die Horizontalwirkung von Grundrechten in Europa anerkannt, wenngleich ein theoretisches Grundkonzept vermisst wird. Eine einheitliche Rechtsprechungslinie ist nicht erkennbar. Die Rechtsprechung ist vielmehr als offen anzusehen.322 Für die Zukunft sind daher unterschiedliche Urteile hinsichtlich der verschiedenen Grundrechte zu erwarten.323 Besonders ist darauf aufmerksam zu machen, dass eine unmittelbare horizontale Wirkung wohl nur da gerechtfertigt ist, wo die Privatautonomie versagt. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die horizontale Wirkung nicht mehr freiheitsverstärkend, sondern -beschränkend wirkt.324 d) Eigene Stellungnahme: Rechtsfolgenorientierter Ansatz der Schaffung einer grundrechtstypischen Gefährdungslage (durch Private für Private) Gegen die unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte wird neben dem Konfusionsargument der Wortlaut des Art. 1 Abs. 3 GG angeführt, der abschließend nur den Staat in die Pflicht nehme. Dabei wird meist außer Acht gelassen, dass Art. 1 Abs. 1 GG eine unmittelbare Drittwirkung gegenüber jedermann entfaltet.325 Die Unantastbarkeitsformel in Bezug auf die Menschenwürde führt zu einer unmittelbaren Bindung Privater in horizontalen Rechtsverhältnissen, wofür neben dem Wortlaut bereits die Entstehungsgeschichte spricht.326 Insofern ist es nicht fernliegend, auch das Persönlichkeitsrecht, das auf Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG zurückgeht, sowie die Gleichheitsrechte als unmittelbar horizontal wirkend anzusehen.327 Schließlich ist auch Art. 8 GRCh auf eine horizontale Wirkung ausgelegt. Andere Grundrechte könnten – etwa in ihrem Menschenwürdekern – ebenfalls bindend sein. Wortlaut- und Systemargumente gegen eine unmittelbare Drittwirkung könnten so überwunden werden.
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Vgl. Jarass, ZeuP 2017, S. 331. In diese Richtung auch Unseld; vgl. http://www.verfassungsblog.de/de/mangold-hatgrenzen-zur-horizontalwirkung-von-eu-grundrechten/#.UvAzJGAhDsL [zuletzt aufgerufen am 19. 01. 2018]. 324 So auch Seifert, EuZW 2011, S. 702. Die Gefahr einer Verringerung des Freiheitsniveaus sieht auch Kirchhof, wenn Private verpflichtet würden und ihre Grundrechtspositionen mit denen anderer abgewogen werden müssten; vgl. ders., NJW 2011, S. 3682. 325 So aber statt vieler Herdegen, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 1 Abs. 1 GG, Rn. 74. 326 Vgl. statt vieler Hillgruber, Beck’scher Online-Kommentar GG, Art. 1, Rn. 8. 327 So sprechen sich verschiedene Autoren für eine „größere Durchschlagskraft“ im Rahmen der mittelbaren Drittwirkung der Diskriminierungsverbote des Art. 3 Abs. 3 GG aus; vgl. Dürig/Scholz, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 3 Abs. 1 GG, Rn. 516. Dafür spreche bereits die Nähe zur Menschenwürdegarantie; vgl. Looschelders, JZ 2013, S. 573; s. auch Canaris, AcP 184 (1984), S. 201, 236; kritisch zur unmittelbaren Grundrechtsbindung Kirchhof, in: Maunz/ Dürig (Hrsg.), Art. 3 Rn. 291. 323
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1. Teil, § 4 Verfassungsrechtliche Kriterien für Einordnung eines Unternehmens
Freilich sind teleologische Argumente entscheidend: Es besteht ein tatsächliches Bedürfnis, nicht nur staatliche Stellen, sondern auch private Akteure stärker in die (grundrechtliche) Pflicht zu nehmen. Das liberale Grundrechtsverständnis, demzufolge die Art. 1 bis 19 GG nur vor den Gefahren durch die ausufernde Staatsmacht schützen, ist angesichts der Marktmacht weltweit agierender Konzerne sowie den neuen Herausforderungen des Technologiezeitalters nicht mehr sachgerecht.328 Der Einzelne scheint weitaus mehr übermächtigen Strukturen als nur dem Staat gegenüberzustehen. Je mehr sich die Räume des Privaten und des Öffentlichen durch infrastrukturelle und technologische Veränderungen vermischen, desto öfter nehmen Private auch ohne Privatisierung originär329 Aufgaben und Funktionen wahr, welche die grundrechtliche Sphäre der Bürger betreffen: Der private Betreiber einer Shopping-Mall etwa eröffnet öffentlichen Raum, der die klassische Fußgängerzone ersetzt und für die Wahrnehmung der Kommunikationsgrundrechte von immenser Bedeutung sein kann. Unternehmen wie Google verfügen über eine Flut von Daten, so dass das Persönlichkeitsrecht der Bürger in Frage steht. Privaten kommen hier faktische Machtpositionen zu.330 Angesichts vielfältiger privater Initiativen im Bereich des früher Staatlichen und angesichts der Privatisierungen kann das Schutzniveau für die Bürger nicht mehr von der Staatlichkeit oder Privatheit des die Grundrechte gefährdenden Subjekts abhängen. Werden öffentliche Funktionen in das Private überführt, so müssen bestimmte Bindungen dennoch bestehen bleiben.331 Das gilt insbesondere, wenn auch Private „in tatsächlicher Hinsicht in eine vergleichbare Pflichten- oder Garantenstellung hineinwachsen wie traditionell der Staat“.332 Fragwürdig erscheint es jedoch, in Konstellationen mit entsprechendem Schutzbedürfnis private Akteure künstlich zu staatlichen zu erklären, um eine Grundrechtsverpflichtung zu erreichen, ohne die unmittelbare Drittwirkung bejahen zu müssen. Genau diese Zielrichtung ist einigen oben aufgezeigten funktionalen Ansätzen aber zu entnehmen: Bei der Erfüllung bestimmter Aufgaben erklären sie 328 Auf die Bestimmung der freien Entfaltung der Menschen durch international tätige Unternehmen weist auch Kirchhof hin; vgl. Kirchhof, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 3 Rn. 291. 329 Die Grundrechtsbindung des Staates bei der Aufgabenerfüllung in privatrechtlicher Organisationsform und bei der Wahrnehmung rein fiskalischer Tätigkeit wird heute insbesondere mit der Angst vor der „Flucht des Staates ins Privatrecht“ begründet. Ansonsten könnte sich der Staat durch formelle Privatisierung seiner Bindungen und seiner Verantwortung entziehen. Dabei wird jedoch übersehen, dass sich der Staat auch durch eine materielle Aufgabenprivatisierung ins Privatrecht flüchten kann, da dann jedenfalls die Aufgabenerfüllung nicht mehr den Grundrechten unterworfen ist. Vor allem nehmen Private von sich aus Aufgaben wahr, welche die Grundrechte berühren. 330 Angesichts der massiven Menschenrechtsverletzungen durch nicht-staatliche Akteure im internationalen Kontext scheint eine neue Herangehensweise nötig, die über die bloßen zwischenstaatlichen Beziehungen hinaus denkt; so auch Teubner, ZaöRV 63 (2003), S. 5. 331 In diese Richtung auch Fischer-Lescano/Maurer, NJW 2006, S. 1395. 332 BVerfG, NJW 2011, S. 1203, Rn. 56 = BVerfGE 128, S. 226 ff.; das BVerfG spricht hier nicht von einem Bedürfnis nach der Bindung, sondern davon, dass die mittelbare der unmittelbaren oft gleichgestellt werde.
A. Die Grundrechte als Abgrenzungskriterium
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das ausführende Subjekt zur verlängerten Hand des Staates, um eine Flucht ins Privatrecht zu vermeiden, insbesondere den Grundrechtsschutz in bestimmten Bereichen für den Bürger zu erhalten. Die Staatlichkeit wird dem Unternehmen – so scheint es – nur zugeschrieben, weil man glaubt, die gewünschten Rechtsfolgen nicht an ein Gesellschaftssubjekt knüpfen zu können. Doch kann die Frage der Grundrechtsbindung eines Rechtssubjekts auch unabhängig von dessen Staatlichkeit betrachtet werden. Anstatt einem vom Staat unzureichend beeinflussten Unternehmen aber das Etikett der Staatlichkeit anzuheften, erscheinen zwei andere Lösungswege vorzugswürdig: Zum einen könnte im Sinne einer Staatsaufgabenlehre festgelegt werden, dass bestimmte Funktionen vom Staat selbst ausgeübt werden müssen, der Staat sich also nicht von ihnen zurückziehen darf. Zum anderen sollten grundrechtliche Bindungen nicht nur den Staat treffen, sondern alle Subjekte, die auf Grund der von ihnen wahrgenommenen Funktion und des damit einhergehenden Machtgefälles eine grundrechtstypische Gefährdungslage für Private schaffen. Denn aus teleologischer Sicht kann es durchaus sinnvoll sein, die Rechtsfolge der Grundrechtsbindung in besonderen Konstellationen auf private Akteure anzuwenden,333 die gerade auf Grund ihrer Aufgaben und Tätigkeit und der damit einhergehenden Machtfülle Strukturähnlichkeit zum Staat aufweisen. Dabei gilt es, die „privaten Verhaltensformen zu identifizieren, die in ihrer Gefährdungsrichtung strukturanalog zu gefährdenden Tendenzen politischer Machtausübung sind, gegen die die Grundrechte als Abwehrrechte ursprünglich konzipiert wurden.“334 Aus Art. 1 Abs. 3 GG folgt nämlich zunächst lediglich, dass der Staat immer gebunden sein muss. Nach der hier vertretenen Ansicht stellt die Grundrechtsbindung nur eine zwingende Rechtsfolge des Tatbestandes der Staatlichkeit dar,335 ist aber weder Beleg für das Vorliegen von Staatlichkeit noch zwingend an das Vorliegen von Staatlichkeit eines Rechtssubjekts gebunden.336 Dabei erfolgt keine Gleichsetzung der Person mit dem Staat auf Tatbestandsebene. Die private Person wird nicht dem Staat zugeordnet. Lediglich auf der Ebene der Rechtsfolge soll eine Übertragung stattfinden: Die Grundrechtsbindung als konkrete Folge der Staatlichkeit soll ausnahmsweise auf private Akteure anwendbar sein, wenn von den Privaten eine dem Staat vergleichbare Gefährdung ausgeht. Parallel zu den von anderen Autoren angestellten Überlegungen zur Grundrechtsberechtigung öffentlich-rechtlicher juristischer Personen bei Vorliegen einer grundrechtstypischen Gefährdungslage337 soll es nach hier vertretenem Ansatz für die Frage der Grundrechtsbindung Privater auf die 333 Durch die Lösung über die Rechtsfolge können Wertungswidersprüche vermieden werden, wie etwa die des BVerfG, das die Staatlichkeit der Fraport-AG bejaht, um die Folge der Grundrechtsbindung ableiten zu können, die Forderung nach demokratischer Legitimation dann aber übergeht; vgl. BVerfG, NJW 2011, S. 1201 = BVerfGE 128, S. 226 ff. 334 Fischer-Lescano/Maurer, NJW 2006, S. 1395; vgl. hierzu auch Teubner, Der Staat 44 (2006), S. 161 ff. 335 Insofern völlig zutreffend Jochum, NVwZ 2005, S. 781. 336 Anders verhält es sich beim Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip s. u. § 4 B. I. 2., 5. 337 Vgl. oben unter § 4 A. I. 1. c).
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1. Teil, § 4 Verfassungsrechtliche Kriterien für Einordnung eines Unternehmens
Schaffung einer grundrechtstypischen Gefährdungslage für Private durch Private ankommen. Eine solche kann beispielsweise vorliegen, wenn Persönlichkeitsrechte der Bürger durch andere Bürger oder Private in Gefahr stehen: Denn Art. 1 Abs. 1 GG zeigt, dass der Menschenwürdekern horizontal wirkt. Dafür spricht auch die Formulierung des Art. 8 GRCh. Eine Strukturähnlichkeit privater Rechtsverhältnisse zu dem Machtverhältnis zwischen Staat und Bürger kann zudem in klaren Abhängigkeitsverhältnissen wie im Arbeitsrecht anzunehmen sein. Auch hier decken sich Tendenzen der deutschen wie der europäischen Rechtsprechung. Dabei darf allerdings die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, die unserem Rechtssystem zugrunde liegt, nicht unterlaufen werden. Im Ergebnis sollten daher weder die unmittelbare noch die mittelbare Horizontalwirkung, die in ihrer Wirkung bisweilen der unmittelbaren Grundrechtsbindung gleichkommt, ausufernd angewandt werden. Zum einen sollte dem Richter im Rahmen der Rechtsprechung nicht zu große Verantwortung zukommen. Zum anderen darf die Privatautonomie der Bürger als Wertentscheidung nicht durch permanente Überlagerung der Grundrechte entwertet werden.338 So geht der BGH zutreffend davon aus, dass die mittelbare Drittwirkung des Art. 3 GG in Privatrechtsverhältnissen ein soziales Machtverhältnis voraussetze.339 Ein solches soll gerade bei Monopolstellungen und wirtschaftlicher Überlegenheit einer Vertragspartei gegeben sein, wenn die Leistung für die andere Seite existenzielle Bedeutung hat.340 Nur in diesen Fällen dürfe die Privatautonomie entsprechend eingeschränkt werden.341 Grundsätzlich kommt eine mittelbare Grundrechtsbindung in Betracht, die oft zu denselben Ergebnissen wie eine unmittelbare führt. Das Bedürfnis nach der Anerkennung der unmittelbaren Grundrechtsbindung angesichts der Schutzpflichtenkonstruktion schlicht abzuerkennen, erscheint hingegen problematisch.342 Denn ob der Staat seinen Schutzpflichten nachkommt, ist ungewiss, wie auch die Erfahrung mit den Umsetzungspflichten unionsrechtlicher Richtlinien zugunsten der Bürger zeigt. Nach hier vertretenem Ansatz sind auch die Bürger dann – und zwar nur dann – unmittelbar an Grundrechte gebunden, wenn sie eine grundrechtstypische Gefährdungslage im Sinne eines sozialen Machtverhältnisses mit Bezug zum Menschenwürdekern und den Persönlichkeitsrechten schaffen. Der betroffene Bürger kann sich aber nichtsdestotrotz auf seine Grundrechte als Abwägungsposition berufen. Der Unterschied zwischen dem Staat und einem Privaten bei Schaffung einer grundrechtstypischen Gefährdungslage für Private besteht also darin, dass nur Letzterer eigene Grundrechtspositionen entgegenhalten kann, die mit denen des Anspruchstellers in praktische Konkordanz gebracht werden müssen.
338 339 340 341 342
Vgl. hier zu Looschelders, JZ 2013, S. 570 ff. mit w.N. BGH, JZ 2013, S. 1519. Vgl. Looschelders, JZ 2013, S. 572 mit w.N. BGH, JZ 2013, S. 1519. In diese Richtung aber Gurlit, NZG 2012, S. 250.
A. Die Grundrechte als Abgrenzungskriterium
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3. Zwischenergebnis Nach der hier vertretenen Ansicht ist in Deutschland die Grundrechtsberechtigung ausschließlich der gesellschaftlichen Sphäre vorbehalten, während die Grundrechtsbindung nicht nur die staatliche Sphäre betrifft. Private können im Falle der Schaffung einer grundrechtstypischen Gefährdungslage durch Private für Private auch unmittelbar an Grundrechte gebunden sein. Insofern bilden Art. 1 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 3 GG gerade keine fixen Gegenpole, entlang derer die Grenzen von Gesellschaft und Staat verlaufen. Die schwer zu bestimmende wesensgemäße Anwendbarkeit des Art. 19 Abs. 3 GG kann nicht spiegelbildlich zur Grundrechtsbindung als Merkmal der Staatlichkeit bestimmt werden. Es bedarf eines anderen Kriteriums, um die Staatlichkeit eines Subjekts zu identifizieren und damit im Sinne des Ansatzes vom „Durchgriff auf den Staat“ im Umkehrschluss negativ auf die Grundrechtsfähigkeit und Gesellschaftlichkeit eines Subjekts zu schließen.
II. Die Situation in Russland 1. Die Grundrechtsberechtigung a) Die juristischen Personen als Grundrechtsträger aa) Der Verfassungstext als Ausgangspunkt Auch in Russland könnte die Zugehörigkeit einer juristischen Person zur gesellschaftlichen oder staatlichen Sphäre an ihrer Grundrechtsberechtigung festgemacht werden. Daher ist zunächst zu prüfen, ob und unter welchen Voraussetzungen sich juristische Personen auf Grundrechte berufen können. Zudem müsste ausgeschlossen werden, dass der Staat, seine Organe und die ihm zugehörenden Rechtssubjekte ebenfalls als Grundrechtsträger anerkannt sind. Die Verfassung von 1978 – in der Fassung von 1992343 – sah in Art. 10 als eine Form des Eigentums explizit das Privateigentum juristischer Personen vor. Zudem normierte das damalige Gesetz über das Verfassungsgericht in seinem Art. 2 Abs. 1 den Schutz der Rechte der juristischen Person als eine wesentliche Aufgabe des Verfassungsgerichts.344 Nach Art. 66 dieses Gesetzes konnten juristische Personen bei Geltendmachung einer Verletzung in eigenen Grundrechten eine individuelle Beschwerde erheben.345 Allerdings war weder durch die Verfassung noch durch die einfache Gesetzgebung festgelegt, auf welche konkreten Rechte sich die juristischen Personen berufen konnten.
343 344 345
VerfRSFSR 1978. VerfGGRSFSR. Nach Kuznecov, Rossijskaja justicija, 1997, Nr. 4.
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1. Teil, § 4 Verfassungsrechtliche Kriterien für Einordnung eines Unternehmens
Die aktuelle VerfRF von 1993 in der geltenden Fassung enthält keine allgemeine Vorschrift über die Grundrechtsfähigkeit von Personenvereinigungen oder juristischen Personen. In Art. 30 VerfRF, der die Handlungsfreiheit gesellschaftlicher Vereinigungen schützt, und auch in Art. 35 Abs. 2 VerfRF, der das Recht auf eine gemeinsame Veräußerung von Eigentum garantiert, werden kollektive Rechte lediglich angedeutet. Nach Art. 17 Abs. 2 VerfRF sind „[d]ie Grundrechte des Menschen […] unveräußerlich und gehören jedem von Geburt an“. Damit ist zuvörderst die natürliche Person Subjekt der Grundrechte, die als Freiheitsgaranten des Einzelnen im Sinne von Menschenrechten zu verstehen sind und Priorität gegenüber der staatlichen Macht genießen.346 Unter Berufung auf den Wortlaut und die Abkehr von der vorhergehenden Verfassung wurde der Grundrechtsschutz juristischer Personen durch die Rechtsprechung sowie die Literatur347 zunächst abgelehnt.348 Der fehlende ausdrückliche Grundrechtsschutz für juristische Personen in der geltenden Verfassung ist aber nicht zwingend als bewusste Absage an den Schutz von Personenvereinigungen zu sehen. Die Normen des zweiten Kapitels sind nicht nur nach ihrem Wortlaut („jedermann“ und die „Menschen und Bürger“) auszulegen. Vielmehr ist der systematische Zusammenhang der Rechte mit den Pflichten desselben Kapitels zu beachten. Spricht man den juristischen Personen die Grundrechte ab, entbindet man sie auch ihrer „Grundpflichten“. Doch sprechen Sinn und Zweck der Pflichten aus Art. 57 und 58 VerfRF, Steuern zu zahlen, die Natur zu schützen und die Naturschätze zu schonen, dafür, sie auch auf juristische Personen zu beziehen.349 Schließlich besteht das Telos des zweiten Verfassungskapitels im Schutz von Gemeingütern.350 Auch ist die Beziehung zwischen der Person (licˇ nost’) und dem Staat nach einer Gesamtschau der Verfassung so verfasst, dass der Bürger seine Rechte individuell oder kollektiv, also zusammen mit anderen ausüben kann.351 Daher kann das Fehlen der ausdrücklichen Grundrechtsberechtigung juristischer Personen auch als echte Regelungslücke, d. h. als Fehler der verfassungsgebenden Gewalt gesehen werden.352
346 347 348 349 350 351 352
E˙ ksˇtajn, Osnovnye prava, S. 53. Vgl. etwa Toporina, Kommentarij, S. 202 f. Vgl. Solotych, JOR 1996, S. 277 f. Vgl. hierzu Rybkin, Zˇ urnal rossijskogo prava 2007, Nr. 11, S. 30 – 39. Im Ergebnis so auch Kuznecov, Rossijskaja justicija 1997, Nr. 4. So VerfGRF, U. v. 18. 07. 2012, Nr. 19, Punkt 5. So Rybkin, Zˇ urnal rossijskogo prava 2007, Nr. 11, S. 30 – 39.
A. Die Grundrechte als Abgrenzungskriterium
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bb) Die wesensmäßige Anwendbarkeit der Grundrechte auf juristische Personen (1) Der anthropozentrische Ansatz Wie bereits in den Urteilen vom 24. 10. 1996 Nr. 17 und vom 17. 12. 1996 Nr. 20 zum Ausdruck kam, hat das VerfGRF letztlich die Grundrechtsberechtigung von Personenvereinigungen anerkannt, soweit353 bzw. wenn das in Frage stehende Grundrecht „seiner Natur nach“ auf sie anwendbar ist.354 Allerdings wurden weder von der Rechtsprechung noch der Literatur bisher Kriterien dafür entwickelt, wann eine juristische Person sich auf Grundrechte berufen kann.355 Auch wenn das VerfGRF nicht ausführt, was unter „wesensgemäßer Anwendbarkeit“ der Grundrechte auf Personenvereinigungen im Einzelnen zu verstehen ist, kommt doch zum Ausdruck, dass es sich hierbei um die Verlängerung der individuellen Rechte handelt. Die Rechte und Freiheiten des Menschen bzw. der Mensch selbst seien der höchste Wert der Verfassung gemäß Art. 2 VerfRF. Dabei bestimmten die Grundrechte nach Art. 64 VerfRF den Status des Menschen in der RF.356 Der Bürger könne seine Rechte aber auch kollektiv wahrnehmen. Die Vereinigungsfreiheit aus Art. 30 Abs. 1 VerfRF verankere das Recht des Einzelnen auf Vereinigung zur gemeinschaftlichen Realisierung von Verfassungsrechten.357 Darunter falle die Gründung selbstständiger Rechtsträger und damit auch der juristischen Personen.358 Auch diese müssten als Personenvereinigungen zwingend anerkannt werden; ansonsten seien der Gleichheits- und der Gerechtigkeitsgrundsatz verletzt.359 Damit ergibt sich die Grundrechtsfähigkeit der juristischen Person aus den Rechten der Mitglieder bzw. Gründer. Nicht nur gesellschaftliche Organisationen, die speziell zur kollektiven Verwirklichung von Menschenrechten gegründet wurden, fallen unter 353 Zum ersten Mal wurde dieser Ansatz in VerfGRF, U. v. 24. 10. 1996, Nr. 17, Vestnik KS RF 1996, Nr. 5, vertreten; vgl. auch VerfGRF, U. v. 17. 12. 1996, Nr. 20. Letzteres Urteil bezieht sich darauf, ob Grundrechte, d. h. Art. 35 VerfRF, auf juristische Personen Anwendung finden. Jedenfalls wenn die juristische Person die gemeinschaftliche Verwirklichung von Grundrechten darstellt, sollen jene nach Ansicht des VerfGRF wesensgemäß anwendbar sein. Die Entscheidung vom 24. 10. 1996, Nr. 17 dagegen bezieht sich auf die Frage, ob juristische Personen unter Art. 125 Abs. 4 VerfGRF fallen, also ob sie Verfassungsbeschwerde erheben können. Sie dürfen sich an das Verfassungsgericht wenden, wenn ihre Tätigkeit mit der Realisierung der Grundrechte der Mitglieder zu tun hat. Auch hier werden für wirtschaftliche Organisationen gerade Art. 34 und 35 VerfRF angeführt. In der Entscheidung vom 18. 07. 2012, Nr. 19 kommt zum Ausdruck, dass das VerfGRF die beiden Fragen nicht unterschiedlich behandelt haben möchte. 354 Jüngst VerfGRF, U. v. 18. 07. 2012, Nr. 19. 355 Dies beklagt Talapina, in: Gadzˇ iev (Hrsg.), Ocˇ erki konstitucionnoj e˙ konomiki, S. 339. 356 Abak’jan, Konstitucionnoe pravo, 1. Aufl., S. 172. 357 Vgl. VerfGRF, B. v. 22. 04. 2004, Nr. 213, auf den sich das VerfGRF in seiner Entscheidung v. 18. 07. 2012, Nr. 19, Punkt 5, beruft. 358 VerfGRF, U. v. 18. 07. 2012, Nr. 19. 359 So VerfGRF, U. v. 18. 07. 2012, Nr. 19, Punkt 5.
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1. Teil, § 4 Verfassungsrechtliche Kriterien für Einordnung eines Unternehmens
den Vereinigungsbegriff im Sinne des Art. 30 VerfRF. Auch kommerzielle Organisationen können Grundrechtsschutz beanspruchen,360 wenn die Tätigkeit der Vereinigung direkt mit der Verwirklichung der Rechte der Mitglieder, d. h. der Teilnehmer oder Gründer,361 verbunden ist. Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung werden nach Ansicht des VerfGRF zum Zwecke der gemeinschaftlichen Verwirklichung der verfassungsrechtlichen Rechte auf freie Verwendung des eigenen Vermögens und der eigenen Fähigkeiten zu wirtschaftlicher oder sonstiger, gesetzlich nicht verbotener Tätigkeit (Art. 34 Abs. 1 VerfRF) sowie auf das Recht, Vermögen in Eigentum zusammen mit anderen zu besitzen, zu gebrauchen und darüber zu verfügen (Art. 35 Abs. 2 VerfRF), gegründet.362 Sie dienen damit der Realisierung der Grundrechte der dahinterstehenden natürlichen Personen. Damit stellt das VerfGRF auf das menschliche Substrat ab, dass stets Menschen „hinter“ der juristischen Person stehen müssen, die gerade ihre Vereinigungsfreiheit realisieren. Die Würde des Menschen als höchster Verfassungswert beschreibt damit das Wesen der Grundrechte als solche. Dieser menschenbezogene Ansatz sieht die juristische Person als Verlängerung und Sachwalter der Rechte der natürlichen Person. Dafür spricht nicht zuletzt der Verweis auf die Rechtsprechung des EGMR. Denn dieser „geht [nach Ansicht der VerfGRF] ebenso davon aus, dass die Rechte, die natürlichen Personen zu eigen sind, in bestimmtem Maße im Lichte der Realisierung der Vereinigungsfreiheit zu sehen sind, und wertet den Verweis auf die Möglichkeit der gemeinsamen Wahrnehmung ihrer Rechte durch die natürlichen Personen als indirekte Garantie der Vereinigungsfreiheit“.363 Diesem menschenbezogenen Ansatz des VerfGRF entsprechend wurde von der Literatur lange gefordert, dass eine Verletzung der Rechte der Bürger selbst, nicht der Rechte der Vereinigung geltend gemacht werden müsse.364 Diese Herangehensweise wird in der russischen Literatur als universell bezeichnet365 und verabsolutiert, indem behauptet wird, die Rechte der juristischen Person könnten nicht von denen der
360
Zunächst wurden die Klagen verschiedener kommerzieller juristischer Personen nur vorläufig zugelassen; s. VerfGRF, U. v. 24. 10. 1996, Nr. 17, Vestnik KS RF 1996, Nr. 5; heute werden in ständiger Rechtsprechung Klagen von Personenvereinigungen bezüglich der Verletzung in Rechten der Vereinigung selbst für zulässig angesehen. 361 Das macht einen Unterschied bei den juristischen Personen, die zwar vom Staat gegründet, aber von der Gesellschaft ausgefüllt werden. 362 Bondar’, Vlast’ i svoboda, S. 56; vgl. auch Kuznecov, Rossijskaja justicija 1997, Nr. 4. Seit der Entscheidung v. 24. 10. 1996, Nr. 17 wurde vor dem VerfGRF eine Vielzahl von Fällen behandelt, welche die Geltendmachung der Verletzung in Rechten einer Personenvereinigung zum Gegenstand hatte; vgl. VerfGRF, U. v. 23. 03. 1999, Nr. 5; U. v. 14. 05. 1999, Nr. 8; w.N. bei Bondar’, Vlast’ i svoboda, S. 56 f. 363 VerfGRF, U. v. 18. 07. 2012, Nr. 19. 364 Soldatov, Avtoreferat, betont, dass die juristischen Personen bzw. Personenvereinigungen gegründet würden, um die Rechte der Bürger kollektiv zu verwirklichen. Diese Meinung findet sich auch bei Forel’son, Gosudarstvo i pravo 1996, Nr. 6, S. 38 f. 365 So Rybkin, Zˇ urnal rossijskogo prava 2007, Nr. 11, S. 30 – 39.
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(dahinter stehenden) Menschen unterschieden werden.366 Die juristische Person erhalte ihren Rechtsschutz nur durch die Realisierung der Bürgerrechte mit ihrer Tätigkeit.367 Schließlich werde jede juristische Person für eine wirtschaftliche Tätigkeit gegründet. Auch wenn sich die Person selbst mit einer nicht-kommerziellen Tätigkeit wie etwa Wissenschaft beschäftige, werde die Form der juristischen Person gerade aus wirtschaftlichen Gründen gewählt. Nach Art 34 VerfRF sei aber jede nicht verbotene wirtschaftliche Tätigkeit geschützt und damit sowohl die Gründung juristischer Personen als auch deren Tätigkeit. Nach Forel’son trägt damit das Eigentum der juristischen Person nur sachlichen, formalen Charakter. Wahrer Eigentümer seien die Bürger, die sich „hinter der juristischen Person verstecken“.368 Von deutschen Stimmen wie Plagemann wird das VerfGRF teilweise so interpretiert, dass jenes die Grundrechtsfähigkeit der juristischen Person ablehne und ihr stattdessen nur das Recht zugestehe, im Namen und in Vollmacht der die juristische Person bildenden Einzelpersonen Grundrechte geltend zu machen.369 Eindeutig seien Personenvereinigungen selbst nicht „jedermann“ und damit keine Grundrechtsträger.370 (2) Die Kritik am Abstellen auf das Wesen der Grundrechte als solcher Selbst Vertreter des anthropozentrischen Ansatzes geben zu, dass die Vermögensmassen der natürlichen und juristischen Personen formal-juristisch gerade getrennt und eben nicht identisch sind.371 Zudem erscheint die Klagemöglichkeit juristischer Personen bei unterstellter Rechtsidentität mit den teilnehmenden oder gründenden Bürgern nur unter der Bedingung sinnvoll, dass die hinter der Vereinigung stehenden Bürger keine eigenen Rechte geltend machen können.372 Die Interessen der Gründer und der Gesellschaft können sehr wohl auseinanderfallen. Daher wird die Position des Verfassungsgerichts dem Status der juristischen Person nicht gerecht. Vor allem aber sind eben nicht nur grundrechtsberechtigte Bürger die Gründer von juristischen Personen, sondern auch Ausländer und staatliche Stellen.373 Daher wird die Frage aufgeworfen, ob die Erhebung einer Klage von einer Personenmehrheit nicht doch auch unter der Berufung auf die Verletzung der Rechte der Personenvereinigung selbst und nicht nur der Rechte der einzelnen Mitglieder möglich sein solle.374 366 Prus, E˙ Zˇ -Jurist 2004, Nr. 1; für unlogisch hält dies Rybkin, Zˇ urnal rossijskogo prava 2007, Nr. 11, S. 30 – 39. 367 So wörtlich Rachmilovicˇ , Zˇ urnal rossijskogo prava 2001, Nr. 2. 368 Forel’son, Gosudarstvo i pravo, 1996, Nr. 6, S. 38 f. 369 So ausdrücklich Plagemann, in: Allenhöfer/Plagemann (Hrsg.), Eigentum, S. 41 f. 370 So ausdrücklich Plagemann, in: Allenhöfer/Plagemann (Hrsg.), Eigentum, S. 43. 371 Forel’son, Gosudarstvo i pravo 1996, Nr. 6, S. 38 f. 372 So Rybkin, Zˇ urnal rossijskogo prava 2007, Nr. 11, S. 30 – 39. 373 Gros’, E˙ konomicˇ eskoe pravosudie na Dal’nem Vostoke Rossii 2004, Nr. 3. 374 Bondar’, Vlast’ i svoboda, S. 55; vgl. auch Kuznecov, Rossijskaja justicija 1997, Nr. 4.
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1. Teil, § 4 Verfassungsrechtliche Kriterien für Einordnung eines Unternehmens
Nach der neueren Rechtsprechung des VerfGRF geht der Schutz der juristischen Personen über die Garantie der kollektiven Wahrnehmung individueller Rechte hinaus. Die Vereinigungen der Bürger „ermöglichen nicht nur die Verwirklichung und den Schutz der Rechte und Freiheiten der Bürger, sondern stellen in bestimmten Situationen selbst eine Form der Realisierung dar.“375 Daher sind durchaus ihre eigenen Rechte zu schützen. So wurde das Gesetz über die Behandlung von Bürgeranfragen an Staats- und Kommunalorgane376 teilweise für verfassungswidrig erklärt, da das Recht der Vereinigungen, auf dem Rechtsweg Maßnahmen anzugreifen, welche die Rechte und gesetzlichen Interessen der Vereinigungen selbst verletzten, im Gesetz nicht aufgeführt war.377 Ganz im Sinne der deutschen Kritik am anthropozentrischen Ansatz des deutschen BVerfG stellt das VerfGRF zunehmend auf die Natur des jeweils in Frage stehenden einzelnen Grundrechts („to ili innoe pravo“) und seine Anwendbarkeit auf juristische Personen ab.378 Entsprechend können sich Personenvereinigungen nach der Rechtsprechung des VerfGRF auf Grundrechte wie Art. 46, 29, 33 und 45 VerfRF379 sowie darüber hinaus auf Art. 34 und 35 VerfRF380 berufen. Lusˇnikov hält Art. 19, 23, 24, 29, 33, 34, 35, 36, 55 und 56 VerfRF für anwendbar, wobei die letzten beiden von besonderer Wichtigkeit seien.381 Ob juristische Personen den Schutz der Art. 47, 49, 50, 52 und 53 VerfRF genießen, müsse hingegen geklärt werden.382 Im Ergebnis sind Personenvereinigungen jedenfalls nicht hinsichtlich aller Grundrechte als Träger geschützt.383 Ob das VerfGRF allerdings – im Sinne deutscher Literaturstimmen – mit der Prüfung der wesensgemäßen Anwendbarkeit des einzelnen Grundrechts von seinem menschenbezogenen Ansatz abweichen will, ist mehr als fraglich. Der derzeitige Verfassungsrichter Gadzˇiev spricht sich allerdings explizit gegen die Vorstellung des „menschlichen oder sonstigen besonderen ,Substrates’“384 der juristischen Person aus. Die juristische Person sei unabhängig von den sie bildenden, hinter ihr stehenden Personen.385
375
VerfGRF, U. v. 18. 07. 2012, Nr. 19. BAGRF. 377 VerfGRF, U. v. 18. 07. 2012, Nr. 19. 378 VerfGRF, U. v. 18. 07. 2012, Nr. 19. 379 VerfGRF, B. v. 22. 04. 2004, Nr. 213; VerfGRF, U. v. 18. 07. 2012, Nr. 19. 380 VerfGRF, B. v. 01. 03. 2001, Nr. 67. 381 Lusˇnikov, E˙ Zˇ -Jurist 2006, Nr. 46. 382 Lusˇnikov, E˙ Zˇ -Jurist 2006, Nr. 46; er hält auch die Anwendung der Rechte aus Art. 45, 46 und 19 VerfRF für klärungsbedürftig, was jedoch bereits durch das VerfGRF entschieden wurde. 383 Forel’son, Gosudarstvo i pravo 1996, Nr. 6, S. 38 f. 384 Gadzˇiev, Civilist 2011, Nr. 3, S. 33. 385 Gadzˇiev, Civilist 2011, Nr. 3, S. 33. 376
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cc) Eigene Stellungnahme Die Rechtsprechung des VerfGRF ist nach der hier vertretenen Ansicht nicht so zu verstehen, dass juristischen Personen nur eine Prozessstandschaft zukommt. Vielmehr können sie sich selbst auf Grundrechte berufen.386 Dabei sind sie aber nicht um ihrer selbst willen berechtigt. Anders als im GG fehlt gerade eine Vorschrift wie Art. 19 Abs. 3 GG. Der Grund der Berechtigung juristischer Personen in Russland liegt vielmehr in ihrer Funktion begründet: Sie dienen den natürlichen Personen als Instrument zur Realisierung ihrer Grundrechte. Daher scheint es sinnvoll, in Anlehnung an die Rechtsprechung des BVerfG ein personelles Substrat, d. h. natürliche Personen hinter der juristischen Person zu fordern. Damit stünde nur der gesellschaftlichen, nicht aber der staatlichen Sphäre Grundrechtsschutz zu, so dass die Grundrechtsberechtigung auch in Russland zur Abgrenzung dienen könnte. Dem entspricht auch die einfachgesetzliche Regelung: Das Gesetz über das Verfassungsgericht sieht in seinem Art. 96 das Recht der Vereinigungen von Bürgern vor, sich wegen der Verletzung in Grundrechten an das Verfassungsgericht zu wenden.387 Unter „einer Vereinigung von Bürgern“ sind zunächst die in Verwirklichung des Rechts auf Bildung von Vereinigungen im Sinne von Art. 30 VerfRF gegründeten Zusammenschlüsse zu verstehen. Ob es sich bei der Norm des Art. 96 VerfGGRF um eine Erweiterung des Art. 125 Abs. 4 VerfRF handelt388 oder ob die Verfassungsnorm gar nicht den Kreis der potentiellen Kläger und Antragsteller, sondern nur den Antragsgrund regelt,389 kann hier letztlich dahinstehen. Art. 96 VerfGGRF könnte schließlich als zulässige Konkretisierung der Art. 30, 34 und 35 Abs. 2 VerfRF gesehen werden. b) Der Staat als Grundrechtsträger Falls das VerfGRF auch Subjekten des Staates Grundrechte zugesteht, obwohl diese durch den Staat gegründet werden, so dass sich in ihrer Gründung schwerlich die Grundrechte von Bürgern realisieren, so könnte die These über das personale Substrat und damit die ausschließliche Grundrechtsfähigkeit der Gesellschaft zu Fall gebracht werden.
386
So letztlich wohl im Ergebnis auch Kuznecov, Rossijskaja justicija 1997, Nr. 4; ebenso Dolinskaja, Rossijskaja justicija 2006, Nr. 2. 387 Eingehend zu der „Individualbeschwerde“ Plagemann, in: Allenhöfer/Plagemann (Hrsg.), Eigentum, S. 59 – 71. 388 Vgl. statt vieler Abrosimova, Vostocˇ no-evropejskoe obozrenie 2001, Nr. 3, S. 174. 389 So auch Romanovskaja, Rossijskij juridicˇ eskij Zˇ urnal 2009, Nr. 5, S. 196 – 205.
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aa) Die öffentlich-rechtlichen Gebilde und die munizipalen Organisationen (1) Die Rechtsprechung Bezüglich der Verwaltungen der Subjekte der RF ist die Rechtsprechungslinie des VerfGRF nicht eindeutig. Die Verwaltung der Region Tversk wurde ausdrücklich nicht für beschwerdebefugt vor dem VerfGRF erachtet, da ein Verwaltungsorgan grundsätzlich390 nicht zu den klagebefugten Organen in konkreten Verfahren, d. h. außerhalb der abstrakten Normenkontrolle gehöre.391 Daraus wurde in der Literatur gefolgert, dass der Staat und seine Organe nicht grundrechtsberechtigt seien. Allerdings gestand das VerfGRF der Administration des Tul’sker Oblast’ die Beschwerdebefugnis und Grundrechtsberechtigung zu.392 Dabei hatten beide Administrationen letzten Endes Verfahrensnormen angegriffen und sich unter anderem auf eine Verletzung in Art. 19 VerfRF berufen. Ebenso inkonsistent wirken verschiedene Entscheidungen, die sich mit dem Eigentumsrecht von Subjekten der RF beschäftigen. Die Berufung auf Grundrechte, das Recht auf öffentliches Eigentum und die Frage von Kompetenzstreitigkeiten werden vermischt. Die Beschwerdebefugnis der öffentlich-rechtlichen Gebilde wird ungeachtet des anthropozentrischen Ansatzes gar nicht erst thematisiert. In einer Entscheidung des VerfGRF aus dem Jahr 2006 heißt es: „Das Recht der Subjekte der RF auf Eigentum kann durch föderales Gesetz sowie normativen Rechtsakt allgemeiner Geltung in der Sphäre der gemeinsamen Kompetenz und zur Definition konkreter Befugnisse und der Kompetenz zwischen den Organen der staatlichen Macht der RF und den Organen der staatlichen Macht der Subjekte der RF beschränkt werden, wenn eine solche Beschränkung notwendig für den Schutz von verfassungsmäßigen Werten und seinem Charakter nach verhältnismäßig im Verhältnis zu den verfassungsmäßig bedeutsamen Zielen ist, derentwegen sie eingeführt wird.“393 Dabei betont das VerfGRF die Besonderheiten der Rechtsfähigkeit der Subjekte und die Bedeutung von deren Eigentum als Basis der Erfüllung öffentlicher Aufgaben. Vorliegend handele es sich um eine Kompetenzverteilung, mit der die Eigentumsverteilung als ökonomische Grundlage einhergehe. Doch aus verschiedenen Gründen394 stelle das Gesetz „keine Verletzung der verfassungsmäßigen Befugnisse und der Garantie des Eigentumsrechts der Subjekte der RF dar, die aus Art. 8 Abs. 2, Art. 35 Abs. 1 und Art. 55 Abs. 3 VerfRF fließen“.395 Ähnlich ist das Urteil vom 390 Im Sinne einer Ausnahme sind als „sonstige Organe“ die Generalstaatsanwalt und der Beauftragte für Menschenrechte gesetzlich antragsbefugt, nicht aber die Administration; vgl. VerfGRF, B. v. 25. 03. 2004, Nr. 143. 391 Vgl. VerfGRF, B. v. 25. 03. 2004, Nr. 143. 392 VerfGRF, U. v. 17. 11. 2005, Nr. 11. 393 VerfGRF, B. v. 02. 11. 2006, Nr. 540, AVerfGRF 2007, Nr. 2. 394 Unter anderem sei die Liste des Vermögens, das im Eigentum der Subjekte geführt werden dürfe, offen, und die Subjekte seien nicht gehindert, sich die für die Aufgabenerfüllung nötigen Geldmittel zu beschaffen. 395 VerfGRF, B. v. 02. 11. 2006, Nr. 540, AVerfGRF 2007, Nr. 2.
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30. 06. 2006, Nr. 8 formuliert; doch nimmt dort der Konflikt um das Grundrecht weniger Raum ein. Noch stärker wird betont, dass es sich nicht um zivilrechtliche Beziehungen, sondern um öffentlich-rechtliche Kompetenzstreitigkeiten handele. Die Befugnisse der Subjekte der RF und ihr Recht auf staatliches Eigentum gälten als nicht verletzt. Das Eigentum stelle die ökonomische Grundlage für die Verwirklichung der Staatsfunktionen und der Realisierung der Befugnisse der Staatsorgane dar.396 Auch wenn deutlich zum Ausdruck kommt, dass es sich in der Sache um einen Kompetenzkonflikt handelt, da das Eigentum nur die materielle, ökonomische Basis der Verwaltungstätigkeit darstellt, werden den Subjekten dennoch indirekt Grundrechtspositionen eingeräumt. Es mutet seltsam an, dass mit der Konstatierung der rechtmäßigen Beschränkung des Rechts aus Art. 35 VerfRF der Schutzbereich397 für den Staat zuvor eröffnet wird. Zudem wird mit dem Rückgriff auf Art. 55 Abs. 3 VerfRF der grundrechtliche Rechtfertigungsmaßstab von Erforderlichkeit, Angemessenheit und Proportionalität angelegt. Die grundsätzlich zu den Rechten aus Art. 8, 34, 35, 17 und 19 VerfRF getroffene Aussage, die Rechte basierten auf der Grundlage „[…] der Freiheit des Vertrages, welche die Gleichheit, die Privatautonomie und vermögensrechtliche Eigenständigkeit der Teilnehmer privatrechtlicher Beziehungen sowie die Unzulässigkeit irgendeiner willkürlichen Einmischung in private Dinge voraussetz[e]“,398 kann sich aber nicht auf die Subjekte als öffentlichrechtliche Gebilde beziehen und für diese gelten. Gemeinden wurde der Rechtsschutz vor dem VerfGRF zunächst mit der Begründung versagt, dass eine „Vereinigung von Bürgern“ den freiwilligen Zusammenschluss selbiger sowie deren kollektive Rechtsverwirklichung voraussetze. Die Gemeinden dagegen verwirklichten die Macht des Volkes und hätten auch in ihrer Entstehung ganz andere Ursprünge.399 Unter Verweis auf Art. 15 Abs. 2 VerfRF stellte das VerfGRF heraus, dass die Gemeinden vielmehr selbst an die Verfassung gebunden und daher verpflichtet seien, diese zu wahren.400
396
VerfGRF, U. v. 30. 06. 2006, Nr. 8, GSRF 2006/8/3117; vgl. auch VerfGRF, B. v. 01. 10. 1998, Nr. 168, Vestnik, KS RF 1999, Nr. 1. Das VerfGRF betont den besonderen öffentlichrechtlichen Status dieser Subjekte. Dabei stellt es fest, dass die angegriffene Norm des ZGBRF, die es öffentlich-rechtlichen Gebilden verbietet, als Vermögensverwalter aufzutreten, für die RF, deren Subjekte und munizipale Einrichtungen keine Verletzung des privaten Eigentums aus Art. 35 VerfRF darstelle. Gleichzeitig gibt das Gericht zu bedenken, dass dem Staat nur staatliches – gerade kein privates – Eigentum zustehe. Die Beschränkungen folgten aus der öffentlich-rechtlichen Natur der staatlichen Gebilde; VerfGRF, B. v. 01. 10. 1998, Nr. 168, Vestnik, KS RF 1999, Nr. 1. 397 Dieser Begriff ist allein der deutschen Dogmatik entlehnt. 398 VerfGRF, U. v. 01. 04. 2003, Nr. 4. 399 Vgl. nicht offiziell publiziert VerfGRF, B. v. 19. 03. 1997, Nr. 20, zitiert nach Romanovskaja, Rossijskij juridicˇ eskij Zˇ urnal 2009, Nr. 5, S. 196 – 205. 400 Vgl. nicht offiziell publiziert VerfGRF, B. v. 19. 03. 1997, Nr. 20, zitiert nach Romanovskaja, Rossijskij juridicˇ eskij Zˇ urnal 2009, Nr. 5, S. 196 – 205.
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Später hat das VerfGRF die „Gemeinden“ aber als mögliche Träger von Verfassungsrechten bestätigt, da die Kommunen eine territoriale Vereinigung von Bürgern seien, die gemeinsam ihre Rechte auf Selbstverwaltung verwirklichten.401 Auch Bürgermeister oder andere mit hoheitlichen Rechten ausgestattete Organe der kommunalen Gebilde seien für die Gemeinde beschwerdebefugt.402 Das VerfGRF lässt alle Varianten zu.403 Interessant ist im Gegensatz dazu das Verständnis des VerfGRF von der Grundrechtsberechtigung der Selbstverwaltungsorganisationen: In Anlehnung an die Entscheidung des EGMR vom 03. 04. 2001 zu Art. 11 der EMRK werden Selbstverwaltungsorganisationen als professionelle Zusammenschlüsse und gerade nicht als „Vereinigung von Bürgern“ anerkannt, obwohl sich in ihnen das Recht auf Teilhabe an der Staatsverwaltung aus Art. 32 VerfRF verwirkliche.404 (2) Die Literaturstimmen Die Literatur ist in dieser Frage gespalten. Ein Teil der russischen Literatur hält die munizipalen Gebilde grundsätzlich für grundrechtsberechtigte Personenvereinigungen im Sinne der Verfassung. Die Spezifika der kommunalen Selbstverwaltung stünden dem nicht entgegen.405 Die gleichzeitige Bindung der öffentlich-rechtlichen Gebilde an die Grundrechte wird dabei nicht als hinderlich empfunden. Schließlich ist das Konfusionsargument der russischen Doktrin nicht zu eigen.406 Andere beschreiten einen Mittelweg und halten die Kommunen zwar nicht für grundrechtsfähig, dafür aber für beschwerdebefugt. Als öffentlich-rechtliche Gebilde könnten sie sich nur auf das verfassungsrechtliche Recht der kommunalen Selbstverwaltung berufen.407 Gerade in der deutschen Literatur wurde anfangs davon ausgegangen, VerfGRF spreche den Gemeinden ebenso wie den Subjekten der RF weder Grundrechtsfähigkeit noch die Antragsberechtigung in Prozessstandschaft Rechte Dritter zu.408 Schließlich seien juristische Personen und Einrichtungen 401
das die für mit
Vgl. VerfGRF, U. v. 02. 04. 2002, Nr. 7; s.a. VerfGRF, U. v. 22. 11. 2000, Nr. 14. VerfGRF, U. v. 15. 05. 2006, Nr. 5, Buelleten KS RF 2006, Nr. 3; B. v. 07. 12. 2006, Nr. 542, BKSRF 2007, Nr. 2; Will/Gritsenko (Hrsg.), Rechtsschutzmöglichkeiten, S. 65 f. mit w.N. 403 So Will/Gritsenko (Hrsg.), Rechtsschutzmöglichkeiten, S. 65. 404 Interessant ist im Gegensatz dazu das Verständnis des VerfGRF von der Grundrechtsberechtigung der Selbstverwaltungsorganisationen: In Anlehnung an die Entscheidung des EGMR v. 03. 04. 2001, Nr. 44319/98 zu Art. 11 EMRK, werden Selbstverwaltungsorganisationen als professionelle Zusammenschlüsse und gerade nicht als „Vereinigung von Bürgern“ anerkannt, obwohl sich in ihnen das Recht auf Teilhabe an der Staatsverwaltung aus Art. 32 VerfRF verwirkliche; vgl. VerfGRF, U. v. 19. 12. 2005, Nr. 12, GSRF 2006/3/335. 405 Vgl. Bondar’, Mestnoe samoupravlenie. 406 Auch in der Rechtsprechung des VerfGRF ist das Konfusionsargument nicht zu finden. 407 In diese Richtung Will/Gritsenko (Hrsg.), Rechtsschutzmöglichkeiten, S. 70 ff. 408 Plagemann, in: Allenhöfer/Plagemann (Hrsg.), Eigentum, S. 43. 402
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öffentlich-rechtlichem Charakter grundsätzlich keine Träger von Grundrechten,409 da jene als Abwehrrechte gegen den Staat konzipiert seien.410 Die staatlichen Organe handelten auf Grund von Kompetenzen und nicht auf Grund von Freiheiten.411 Sie unterlägen selbst der Grundrechtsverpflichtung und könnten daher nicht gleichzeitig insoweit berechtigt sein.412 Auch verschiedene russische Stimmen in der Literatur betonen, dass die Gemeinde als öffentlich-rechtliches Gebilde selbst zum Zwecke der Machtausübung, zur Teilhabe an öffentlicher Macht, und nicht zur freiwilligen gemeinschaftlichen Verwirklichung der Bürgerrechte geschaffen worden sei. Dieser spezifische Zusammenschluss dürfe auf keinen Fall unter den Begriff „Vereinigung von Bürgern“ fallen, der Ausdruck der Zivilgesellschaft sei. Andernfalls würden auf öffentlichrechtliche Gebilde Normen angewandt, die auf die Bürger zugeschnitten seien.413 Denn die Gemeinde übe öffentlich-rechtliche, machtvolle Funktionen aus.414 Zumindest seien die Gemeindeorgane nicht zur Klage berechtigt, da sie sich wesentlich von den Bürgervereinigungen unterschieden.415 Erkenne man die Grundrechtsfähigkeit der Kommune als Bürgervereinigung an, müsse der Staat selbst als eine „Vereinigung von Bürgern“ begriffen werden.416 Nach Romanovskaja führe die Logik des VerfGRF deshalb in die Irre. In seiner Konsequenz müssten auch alle Staatsorgane durch die Verfassung berechtigt sein, sich an das VerfGRF zu wenden.417 bb) Die unitarischen Betriebe (1) Die Rechtsprechung Zwei Jahre, nachdem sich das VerfGRF zum ersten Mal mit der Grundrechtsfähigkeit bzw. Beschwerdefähigkeit der juristischen Personen befasst und hierbei bereits den oben skizzierten menschenbezogenen Ansatz vertreten hatte, erweiterte es den Kreis möglicher Antragsteller und zählte in einer Streitigkeit um das Eigentumsrecht aus Art. 35 VerfRF auch unitarische Betriebe zu den Klageberechtigten.418 Die klageabweisenden Urteile des VerfGRF thematisieren weder die BeSo explizit E˙ ksˇtajn, Osnovnye prava, S. 55. Dolzˇnikov, Sravnitel’noe konstitucionnoe obozrenie 2012, Nr. 6. 411 ˙ Eksˇtajn, Osnovnye prava, S. 55. 412 Plagemann, in: Allenhöfer/Plagemann (Hrsg.), Eigentum, S. 43. 413 So die Aussagen vom Runden Tisch in Moskau zu diesem Thema am 13. 10. 2005; vgl. Sovet Federacii, Gosudarstvennaja vlast’ i mestnoe samoupravlenie 2005, Nr. 12. 414 Vgl. Fadeev, Aktual’nye problemy reformy mestnogo samoupravlenija. Analiticˇ eskij vesti. Soveta Federacii Federal’nogo Sobranija RF 2004, Nr. 26, S. 18 – 27. 415 ˇ Captykov, Gosudarstvennaja vlast’ i mestnoe samoupravlenie 2005, Nr. 4. 416 Romanovskaja, Rossijskij juridicˇ eskij Zˇ urnal 2009, Nr. 5, S. 196 – 205. 417 Romanovskaja, Rossijskij juridicˇ eskij Zˇ urnal 2009, Nr. 5, S. 196 – 205. 418 VerfGRF, U. v. 12. 10. 1998, Nr. 24, Vestnik KS RF 1999, Nr. 1. 409 410
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schwerdebefugnis noch weisen sie auf eine fehlende Grundrechtsfähigkeit hin. Damit wird die Grundrechtsfähigkeit über die – in deutscher Dogmatik gedachte – Eröffnung des Schutzbereichs inzident bejaht.419 Mittlerweile werden unitarische Betriebe vom VerfGRF nicht nur indirekt in den Schutzbereich einbezogen, sondern sogar direkt zum Kreis möglicher Antragsteller bzw. Klageberechtigter gezählt.420 Sie können sich dabei nicht nur auf das Eigentumsrecht, sondern auch auf die unternehmerische Freiheit nach Art. 34 VerfRF und auf Art. 19 VerfRF berufen.421 Auch in den stattgebenden Urteilen werden die Problematik der „Beschwerdebefugnis“, ihre Grundrechtsberechtigung und der Zusammenhang mit Art. 30 VerfRF nicht thematisiert. Sie werden also als grundrechtsfähig erachtet, obwohl unitarische Betriebe nach Aussage des VerfGRF oftmals zu dem Ziel der Verwirklichung der Befugnisse von Staatsorganen gegründet werden.422 Ebenso steht es um Aktiengesellschaften, an denen der Staat einen wesentlichen Anteil423 oder die Mehrheit hält:424 Weder die Gründung durch die RF oder eines ihrer Subjekte noch die Anteilsmehrheit oder die Erfüllung bzw. Wahrnehmung einer öffentlich bedeutsamen Aufgabe stehen in der Rechtsprechung des VerfGRF der Bejahung von Grundrechten entgegen. (2) Die Literaturstimmen Für die Literaturstimmen war zunächst „offensichtlich“, dass sich unitarische Betriebe nicht wegen der behaupteten Verletzung in ihren Grundrechten an das VerfGRF wenden könnten.425 Schließlich seien sie ja gerade nicht für die Verwirklichung der Grundrechte der Bürger aus Art. 34 und 45 VerfRF gegründet,426 sondern unmittelbar vom Staat geschaffen worden.427 Nicht problematisiert wurde dagegen der Grundrechtsstatus staatlich beherrschter Aktiengesellschaften.428 419 So ausdrücklich Lusˇnikov, E˙ Zˇ -Jurist 2006, Nr. 46; vgl. VerfGRF, B. v. 17. 04. 2003, Nr. 136; B. v. 24. 11. 2005, Nr. 414; B. v. 16. 03. 2006, Nr. 71; B. v. 23. 05. 2006, Nr. 145. 420 VerfGRF, U. v. 12. 10. 1998, Nr. 24, Vestnik KS RF 1999, Nr. 1. 421 Dem unitarischen Betrieb „Poljarnyj naucˇ no-issledovatel’skij institut morskogo rybnogo choszjajstva i okeanografii im. N. M. Knipovicˇ a“, das eine Verletzung in Art. 8, 19, 30, 34, 35, 37, 55, 118 und 123 VerfRF rügte, wurde stattgegeben; vgl. VerfGRF, B. v. 17. 12. 2008, Nr. 1060. 422 VerfGRF, U. v. 18. 07. 2012, Nr. 9. 423 Vgl. VerfGRF, U. v. 20. 12. 2001, Nr. 29 (Klage von den Fluglinien „Sibir’“ und „Jute˙ jr“). 424 Vgl. VerfGRF, U. v. 18. 01. 2011, Nr. 8 (Klage von „Rosneft“). 425 So ausdrücklich Kuznecov, E˙ Zˇ -Jurist 2006, Nr. 46. 426 So auch Lusˇnikov, E˙ Zˇ -Jurist 2006, Nr. 46; er weist darauf hin, dass hier ein anderer Begründungsansatz notwendig sei. 427 So Efimov, Hadzornoe porizvodstvo, Kapitel 3 § 1: „Faktisch wurde auf den fehlenden Status anderer juristischer Personen, vor allem von staatlichen und munizipalen unitarischen Betrieben hingewiesen, die unmittelbar vom Staat gegründet wurden und daher keine Ziele verfolgen, die mit der Realisierung der Rechte einzelner Bürger zu tun haben. Anders gesprochen, unitarische Betriebe sind keine Vereinigungen von Bürgern.“
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Angesichts der Anerkennung der Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen in staatlicher Hand durch das VerfGRF wird nun betont, dass die russische Verfassung, die in komplexer Art und Weise das Modell der Marktwirtschaft festgeschrieben habe,429 nach Art. 8 Abs. 2 VerfRF den gleichen Schutz – und d. h. vor allem den gleichen gerichtlichen Schutz – für alle Formen des Eigentums garantiere. Entsprechend falle nicht nur privates, sondern auch munizipales und staatliches Eigentum unter den Schutz von Art. 35 VerfRF.430 Die mögliche Schlussfolgerung, dass Art. 35 VerfRF, d. h. das Eigentumsrecht, innerhalb der Grundrechte eine Sonderstellung einnimmt,431 wird durch Kommentierungen zur Verfassung gestützt, die aus der Zeit vor dem Urteil des VerfGRF von 1996 stammen.432 Zwar wurde der persönliche Anwendungsbereich der Grundrechte mit Blick auf den Wortlaut „jeder“ und „keiner“ grundsätzlich auf natürliche Personen beschränkt. Doch wurde schon damals wenigstens die Eigentumsfreiheit auf juristische Personen bezogen, da Art. 8 Abs. 2 VerfRF jedes Eigentum gleich schütze. Dieses systematische Argument kann jedenfalls die Entscheidung des VerfGRF zu Art. 35 VerfRF und zur Grundrechtsfähigkeit der unitarischen Betriebe tragen, ohne die grundsätzliche menschenzentrierte Begründung für die Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen aus dem Blick zu verlieren. Nach Ansicht anderer Autoren handelt es sich bei der Rechtsprechung zu Art. 35 VerfRF nicht um einen Sonderfall. Vielmehr habe sich das VerfGRF von seiner menschenbezogenen Formel bewusst abgewandt.433 Mit Blick auf Deutschland sehen sie in der Anerkennung der Grundrechtsfähigkeit der unitarischen Betriebe eher Parallelen zu dem vom BVerfG entwickelten,434 im Weiteren aber lediglich von der Literatur vertretenen Ansatz der grundrechtstypischen Gefährdungslage.435 Als Beispiel dient die Entscheidung vom 12. 10. 1998, Nr. 24: Da auch unitarische Betriebe von der Steuerpflicht als staatlichem Eingriff betroffen seien, müssten sich auf diese auch die anwendbaren Verfassungsprinzipien, insbesondere die Grundrechte erstrecken.436 Dieser Ansatz sei auf andere staatliche Einrichtungen übertragbar.437 Schließlich müsse angesichts der Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen in
428 Vgl. Dedov, Jurist 2003, Nr. 9. Durch die goldene Aktie würde in die Wirtschaft eingegriffen, und die korporative Verwaltung würde ernsthaft beschränkt. 429 Vgl. hierzu auch Barenbojm/Lafitskij/Mau (Hrsg.), Konstitucionnaja e˙ konomika. 430 In diese Richtung Bondar’, Vlast’ i svoboda, S. 58; s. auch VerfGRF, B. v. 13. 11. 2001 Nr. 225, Archiv KS RF 2001. 431 Dieser Schluss wird in der russischen Literatur soweit ersichtlich so nicht gezogen. 432 Vgl. Forel’son, Gosudarstvo i pravo 1996, Nr. 6, S. 38 f. 433 Rybkin, Zˇ urnal possijskogo prava 2007, Nr. 11, S. 30 – 39. 434 BVerfGE 95, S. 220 (242). 435 Rybkin, Zˇ urnal possijskogo prava 2007, Nr. 11, S. 30 – 39. 436 So argumentiert auch Lusˇnikov, E˙ Zˇ -Jurist 2006, Nr. 46. 437 Rybkin, Zˇ urnal possijskogo prava 2007, Nr. 11, S. 30 – 39.
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staatlicher Hand der Begründungansatz für die Grundrechtsträgerschaft juristischer Personen insgesamt verändert werden.438 In ähnlicher Weise wendet sich Rybkin von dem Gedanken des personellen Substrats ab und stellt auf die Ausübung von Hoheitsbefugnissen ab. Schließlich verbiete die EMRK (nur) den Schutz von Personen, die öffentliche Funktionen ausführten. Bei unitarischen Betrieben sei angesichts ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zu bezweifeln, ob sie überhaupt zu staatlichen Einrichtungen gezählt werden könnten. Entscheidend sei, ob eine juristische Person staatliche Macht ausübe bzw. staatliche Aufgaben erfülle.439 In eine ähnliche Richtung geht Lusˇnikov. Ob staatliche und munizipale Einrichtungen und damit auch die unitarischen Betriebe einen tauglichen Antragsteller vor dem VerfGRF darstellten, hänge davon ab, „ob diese juristischen Personen ausschließlich als Organisationen auftreten, deren Verfassungsrechte möglicherweise verletzt sind, oder als staatliche Organe, die das staatliche Interesse schützen.“440 Letztlich wurde in der russischen Literatur bisher nicht klar herausgearbeitet, welche juristischen Personen sich unter welchen Voraussetzungen nicht auf Grundrechte berufen können.441 c) Eigene Stellungnahme aa) Die öffentlich-rechtlichen Gebilde Unklar bleibt, ob den Subjekten der RF Grundrechte zugestanden werden und in den zitierten Entscheidungen nur deren Verletzung verneint wird oder ob die Formulierungen des VerfGRF unglücklich gewählt sind und bereits die Grundrechtsträgerschaft der Subjekte auf Grund ihres besonderen öffentlich-rechtlichen Status abgelehnt wird. In diesem Fall wäre es um der Rechtssicherheit willen vorzugswürdig, bereits deutlich die Grundrechtsfähigkeit und – in deutschen Kategorien – die Eröffnung des Schutzbereichs, nicht erst die Verletzung von Grundrechten zu verneinen. Schließlich formuliert das VerfGRF auch in anderen Fällen vorsichtiger, wenn die Rechte einer Person gar nicht „berührt sind“.442 Selbst wenn man in den zitierten Fällen von einer Grundrechtsfähigkeit der Subjekte der RF hinsichtlich ihres Eigentumsrechts ausgeht und nicht lediglich eine 438 Auch Lusˇnikov, E˙ Zˇ -Jurist 2006, Nr. 46, weist darauf hin, dass hier der klassische Begründungsansatz nicht trage. 439 Rybkin, Zˇ urnal possijskogo prava 2007, Nr. 11, S. 30 – 39. 440 Lusˇnikov, E˙ Zˇ -Jurist 2006, Nr. 46. 441 Rybkin, Zˇ urnal possijskogo prava 2007, Nr. 11, S. 30 – 39. 442 VerfGRF, B. v. 09. 11. 2010, Nr. 1483; in dieser Entscheidung lag allerdings die gegenteilige Situation vor: Nicht die Grundrechtsberechtigung des Antragsstellers, sondern die Grundrechtsverpflichtung des Antragsgegners wurde diesem abgesprochen.
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unglückliche Formulierung des VerfGRF unterstellt, kann daraus nicht auf die allgemeine Grundrechtsberechtigung der öffentlich-rechtlichen Gebilde geschlossen werden.443 Denn das Recht auf Eigentum stellt in diesem Zusammenhang einen Sonderfall dar. Nach Art. 8 Abs. 2 VerfRF sind privates wie öffentliches Eigentum gleichermaßen geschützt. Entsprechend können Zugeständnisse an die Subjekte der RF als Übertragung der Grundsätze des Schutzes privaten Eigentums auf staatliches Eigentum interpretiert werden. Daraus könnte sich eine Sonderstellung für die Subjekte hinsichtlich des Eigentumsrechts ergeben, die mit dem Eigentumsrecht der Gemeinden in Bayern vergleichbar ist: Art. 103 BV garantiert – nach der umstrittenen Rechtsprechung des BayVerfGH444 – den Schutz des Privateigentums und nicht nur des Eigentums Privater. Daher können sich auch Gemeinden auf dieses Grundrecht berufen.445 Dabei unterscheidet sich die russische Begründung hiervon dadurch, dass den öffentlichen Stellen gerade kein Privateigentum, sondern öffentliches Eigentum zusteht, das allerdings gleichermaßen wie privates Eigentum geschützt wird. Ob die Verfassungsväter und -mütter diese Konsequenz im Sinne hatten, ist allerdings fraglich. Es ist zu vermuten, dass die Bestimmung als Relikt446 bzw. Reaktion auf das sowjetische Denken zumindest primär bezweckt,447 das Privateigentum dem zu Sowjetzeiten privilegierten Staatseigentum448 gleichzustellen.449 Weiterhin fällt auf, dass gerade Verwaltungen unterschiedlich behandelt werden. Dies scheint zunächst einen Widerspruch darzustellen, handelt es sich doch um Rechtssubjekte, die staatliche Aufgaben erfüllen und zumindest nach dem funktionalen und organisationsrechtlich-formalen Ansatz zur staatlichen Sphäre, zum Staat selbst erklärt werden. Der Widerspruch kann aber vor dem Hintergrund der oben ausführlich dargelegten Erläuterungen aufgelöst werden: In der russischen Lehre und Rechtsprechung scheint ein der Fiskustheorie entspringendes Verständnis vorzuherrschen, das hier wie eine Art Gegenstück zur Beleihung betrachtet wird. Demnach kann der Staat bei fiskalischer Tätigkeit in eine gesellschaftliche Rolle, ein privates Gewand schlüpfen und sich gleichsam wie ein Königssohn in Arbeitstracht aus dem Palast schleichen
443
Dieselben Erwägungen gelten für Gemeinden, obwohl hier insgesamt zusätzlich eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit dem Wesen der Kommunen und deren Selbstverwaltungsrecht angezeigt erscheint, die hier nicht geleistet werden kann. 444 BayVerfGH, NVwZ 1985, S. 260 ff.; dagegen BVerfG, BVerfGE 61, S. 82 ff. = NJW 1982, S. 2173 ff. 445 Vgl. BayVerfGH, NVwZ 1985, S. 260. 446 So Fleck, Grundeigentum, S. 49. 447 Auch Berger, Osteuropa, Band 59, 2013, S. 329, bemerkt, dass die VerfRF als Reaktion auf die Umbruchsjahre zu verstehen sei. 448 Vgl. Gadzˇiev, in: Zor’kin (Hrsg.), Kommentarij, Art. 8 VerfRF, S. 109. 449 Vgl. hierzu VerfGRF, B. v. 08. 02. 2001, Nr. 33, GSRF 2001/14/1429; s. zum heutigen Verständnis Gadzˇiev, in: Zor’kin (Hrsg.), Kommentarij, Art. 8 VerfRF, S. 109 ff.
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und unters einfache Volk mischen. Im Falle der Klage des Tversker Oblast’450 war die Administration im Grundverhältnis machtvoll, d. h. hoheitlich aufgetreten und wollte einen Bürger zur Verantwortung ziehen. Die Prozessvorschriften des Kodexes über administrative Rechtsverletzungen hatten die Administration nicht zum Kreis derer gezählt, die Urteile über administrative Rechtsverletzungen angreifen können, wodurch sich die Administration in ihren Rechten verletzt gefühlt hatte. Im Fall des Tul’sker Oblast’451 dagegen hatte sich die Administration in einem privatrechtlichen Streit befunden und gegen zu kurze Klagefristen im Verfahren vor dem Arbitragegericht Verfassungsbeschwerde erhoben. Damit war die Administration zwar in beiden Fällen von staatlichen, insbesondere gerichtlichen Maßnahmen betroffen und davon abhängig wie in einer grundrechtstypischen Gefährdungslage. Dieses Ausgeliefertsein an den Staat war aber nicht entscheidend. Vielmehr geht es darum, in welcher Rolle, mit welchem Gewand die jeweilige Administration vor Gericht stand: einmal als hoheitliches Organ, einmal als gleichberechtigter Teilnehmer im Privatrechtsverkehr. In eine ähnliche Richtung geht Lusˇnikov. Er meint mit seiner Unterscheidung von Rechtssubjekten, deren Rechte verletzt seien, und staatlichen Organen, die dem Schutz öffentlicher Interessen dienten, zwar wohl zunächst nur, dass staatliche Organe grundsätzlich452 nicht ohne eigene Rechtsverletzung die Verfassungswidrigkeit einer Norm in konkretem Verfahren einklagen könnten. Das zeigt sein Verweis auf die Entscheidung vom 25. 03. 2004, Nr. 143, in der einem Subjekt der RF genau aus diesem Grund der Weg vor das VerfGRF versperrt worden war.453 Doch muss seine Aussage zusätzlich vor dem Hintergrund der Fiskustheorie und den beiden Rollen, die der Staat einnehmen kann, gesehen werden: Jener kann auf der Stufe der Gleichberechtigung wie ein Privater fiskalisch handeln und genießt dort Grundrechtsschutz und Freiheit. Andererseits kann er als hoheitliches Staatsorgan auftreten und ist dann an die Grundrechte gebunden. Damit kann man von zwei Gesichtern des Staates und damit auch von partieller Grundrechtsfähigkeit bzw. partieller Grundrechtsbindung ausgehen. Je nach Rolle handelt das Rechtssubjekt als gebundener Staat oder eben als berechtigter Privater. Wie früher in Deutschland vertreten, geht Lusˇnikov unausgesprochen von einer gewerblichen Freiheit für den Staat und seine Organe aus: „Das staatliche Organ ist nicht des Rechts verlustig, eine verfassungsrechtliche Beschwerde wegen behaupteter Verletzung seiner Verfassungsrechte zu erheben, wenn es im Rahmen der Rechtsbeziehung, in der das Staatsorgan als eine mit der anderen Seite gleichbe-
450
VerfGRF, B. v. 25. 03. 2004, Nr. 143. VerfGRF, U. v. 17. 11. 2005, Nr. 11. 452 Zu den „sonstigen Organen“, die im Sinne einer Ausnahme gesetzlich zugelassen sind, gehört der Generalstaatsanwalt und der Beauftragte für Menschenrechte, nicht aber die Administration; vgl. VerfGRF, B. v. 25. 03. 2004, Nr. 143. 453 VerfGRF, B. v. 25. 03. 2004, Nr. 143. 451
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rechtigte Partei aufgetreten ist, einen Platz hat.“454 Nur vor diesem Hintergrund wirkt die Rechtsprechung des VerfGRF konsistent. Sie bedeutet aber in der Tat eine gewisse Abkehr vom anthropozentrischen Ansatzpunkt, der im Jahr 2012 allerdings erst erneut bestätigt wurde.455 bb) Die unitarischen Betriebe Die Argumentation der Sonderstellung des Art. 35 VerfRF kann bezüglich unitarischer Betriebe nicht greifen: Die neue Rechtsprechung des VerfGRF zeigt, dass unitarischen Betrieben nicht nur die Rechte aus Art. 35 VerfRF, sondern auch andere Grundrechte zugestanden werden. Selbst wenn man, wie Rybkin nahelegt, die unitarischen Betriebe auf Grund ihrer kommerziellen Tätigkeit nicht zum Staat zählt, so verwirklicht sich in ihnen dennoch nicht die Freiheitsbetätigung natürlicher Personen.456 Doch scheint die kommerzielle Rechtsform der unitarischen Betriebe und ihr Handeln auf Gleichordnungsebene diesen Mangel zu kompensieren: Das Unternehmen wird dem Privaten und der gesellschaftlichen Sphäre gleichgestellt. Der Gedanke des Zivilgesetzbuches scheint sich hier fortzusetzen, bzw. es zeigt sich die zu Grunde liegende Haltung, die zwischen den fiskalisch-gesellschaftlich und den hoheitlich-staatlich handelnden Rechtssubjekten unterscheidet. Dabei kommt es weniger auf die grundsätzliche Funktion des Unternehmens – auch die unitarischen Betriebe erfüllen öffentliche Aufgaben457 – als auf die formale Rechts- und vor allem Handlungsform an. Zudem spielt die gesetzliche Zweckbestimmung der Kommerzialität eine wesentliche Rolle. So wird bei Luftfahrtunternehmen etwa, auch wenn sie zu einem Großteil in staatlichem Eigentum stehen, für die Grundrechtsberechtigung aus Art. 35 und 34 VerfRF für wesentlich erachtet, dass es sich um kommerzielle Organisationen handelt, die nach Art. 50 ZGBRF auf Gewinnerzielung ausgelegt sind und auf eigenes Risiko handeln.458 Doch selbst nicht-kommerzielle Organisationen (des Privatrechts), die zumindest auch über einen öffentlich-rechtlichen Status verfügen, sind mit Grundrechten ausgestattet.459 Ihr staatlicher Charakter führt nicht dazu, dass ihnen ihre Grundrechte
Lusˇnikov, E˙ Zˇ -Jurist 2006, Nr. 46. VerfGRF, U. v. 18. 07. 2012, Nr. 19. 456 So auch Lusˇnikov, E˙ Zˇ -Jurist 2006, Nr. 46, der für unitarische Betriebe daher einen eigenen Ansatz fordert. 457 Dies gilt jedenfalls für staatliche Stiftungen und Einrichtungen, deren prozessuale Grundrechtsfähigkeit das VerfGRF ebenfalls bestätigt hat; vgl. VerfGRF, B. v. 17. 04. 2003, Nr. 136; B. v. 16. 03. 2006, Nr. 71. 458 VerfGRF, U. v. 20. 12. 2011, Nr. 29. 459 VerfGRF, U. v. 01. 04. 2003, Nr. 4. 454
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abgesprochen werden.460 Nach russischem Ansatz werden sie nicht zum Teil des Staates; ihre Grundrechte unterliegen lediglich leichter der Einschränkbarkeit. cc) Ergebnis Insgesamt ist die Grundrechtsberechtigung „staatsnaher“ Organisationen nicht zwingend dahingehend zu interpretieren, dass auch der Staat und seine Rechtssubjekte sich auf Grundrechte berufen können. Nach der hier vertretenen Ansicht hängt es davon ab, ob das Rechtssubjekt in seiner staatlichen, hoheitlichen oder gesellschaftlichen, gleichberechtigten Rolle handelt. Dennoch ist in Rechtsprechung und Literatur eine gewisse Abkehr vom anthropozentrischen Ansatz des VerfGRF und eine Annäherung an die Theorie der grundrechtstypischen Gefährdungslage festzustellen.461 Allerdings mit einem Unterschied: Die unitarischen Betriebe werden in ihrer kommerziellen Rolle nicht als Staat begriffen, der – ausnahmsweise – Grundrechte geltend machen kann. Es geht auch nicht um das Ausgeliefertsein gegenüber der Staatsmacht. Vielmehr werden sie kraft ihrer Rolle der gesellschaftlichen Sphäre zugeordnet. d) Die europäischen Einflüsse auf die Frage der Grundrechtsberechtigung aa) Die Stellung der EMRK als völkerrechtlicher Vertrag in der RF bis 2015 (1) Die Rechtslage Die EMRK wurde in Russland mit föderalem Gesetz vom 30. 03. 1998, Nr. 54 ratifiziert und trat am 05. 05. 1998 in Kraft. Nach Art. 15 Abs. 4 VerfRF bilden die allgemein anerkannten Prinzipien und Normen des Völkerrechts sowie völkerrechtliche Verträge462 einen integrativen Bestandteil des rechtlichen Systems der RF. Sie gelten in der RF unmittelbar und bedürfen grundsätzlich keines Umsetzungsakts.463 Wenn einem völkerrechtlichen Vertrag durch Gesetz zugestimmt wurde,464 genießt er nach Art. 15 Abs. 4 VerfRF
460 Gleiches gilt für unitarische Betriebe: „Die Verpflichtung ist eine bestimmte Einmischung in ihre Tätigkeit als eigenständige Rechtssubjekte und dem Wesen nach eine Beschränkung ihrer Rechte und Freiheiten.“ Die Auferlegung von Pflichten sei aber nicht unverhältnismäßig; vgl. VerfGRF, U. v. 18. 07. 2012, Nr. 19. 461 Ob das VerfGRF damit eine Abkehr vom anthropozentrischen Ansatz und eine Hinwendung zur grundrechtstypischen Gefährdungslage einleitet, ist aber – angesichts der erneuten Bestätigung der Theorie des gesellschaftlichen Substrates im Jahr 2012 – mehr als fraglich. 462 Zu diese Begriffen vgl. Plenum OGRF, U. v. 10. 10. 2003, Nr. 5 i.d.g.F., RG 244/02. 12. 2003. 463 Nach Art. 5 Abs. 3 FZ v. 15. 07. 1995, Nr. 101 i.d.g.F., GSRF 1995/29/2757. 464 Plenum OGRF, U. v. 10. 10. 2003, Nr. 5 i.d.g.F., RG 244/02. 12. 2003.
A. Die Grundrechte als Abgrenzungskriterium
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Anwendungsvorrang gegenüber den föderalen Gesetzen der RF.465 Damit steht die EMRK im Rang über den Gesetzen der RF, was bedeutet, dass jene bei einem Widerspruch zwar nicht ihre Geltung verlieren, allerdings unangewendet bleiben müssen.466 Art. 17 Abs. 1 VerfRF legt fest, dass die Freiheiten und Rechte in Übereinstimmung mit den allgemein anerkannten Prinzipien und Normen des geltenden Völkerrechts garantiert werden. Auch Art. 55 Abs. 1 VerfRF weist noch einmal auf die anerkannten Rechte und Freiheiten des Völkerrechts hin, welche die Verfassung ergänzen können.467 Was die Entscheidungen des EGMR betrifft, so sind diese nach Art. 46 Abs. 1 der römischen Konvention in einer konkreten Sache, die gegen Russland entschieden wird, bindend.468 Nach dem Wortlaut der Verfassung fällt die Rechtsprechung des EGMR zwar nicht unter Art. 15 Abs. 4 VerfRF, doch erklärte das VerfGRF469 die Entscheidungen des EGMR ausdrücklich zum Bestandteil des Rechtssystems.470 Nach der für alle Gerichte verbindlichen Entscheidung des OGRF erkannte die RF die Juristidktion des EGMR jedenfalls dann als obligatorisch in Fragen der Auslegung der EMRK an, wenn sie sich auf mutmaßliche Konventions-Verletzungen durch die RF nach deren Ratifikation bezieht.471 (2) Die wissenschaftliche Diskussion und die Rechtsprechungspraxis Strittig war lange, welchen Rang die Verfassung gegenüber der EMRK einnimmt und welche Rolle die Rechtsprechung des EGMR dabei spielt.472 Ein Teil der Autoren räumte der Verfassung im Falle einer Kollision gegenüber der EMRK Priorität ein.473 Nach Ansicht anderer Autoren soll die EMRK im Ver-
465
Plenum OGRF, U. v. 06. 02. 2007, Nr. 5 i. d. F. v. 16. 04. 2013, Nr 9. E˙ bzeev, in: Zor’kin, (Hrsg.), Kommentarij, Art. 15, S. 158 ff.; zur Priorität der Konvention gegenüber einfachen Gesetzen s. auch Puzanov, E˙ Zˇ -Jurist 2011, 6. 467 Vgl. auch Nußberger (Hrsg.), Einführung, S. 63; Puzanov, E˙ Zˇ -Jurist 2011, S. 6. 468 Vgl. auch Art 1 REMRKGRF. 469 VerfGRF, U. v. 05. 02. 2007, Nr. 2. 470 Entsprechend müssen auch die nationalen Organe öffentlicher Gewalt die Rechtsprechung des EMRK bei der Rechtsanwendung beachten, auch wenn sich der Fall nicht gegen die RF richtet; vgl. Art. 1, Art. 31 Abs. 3 lit. b REMRKGRF. 471 Plenum OGRF, U. v. 10. 10. 2003, Nr. 5 i.d.g.F., RG 244/02. 12. 2003; vgl. hierzu auch Zor’kin, Zˇ urnal rossijskogo prava 2005, Nr. 3, S. 7. 472 Vgl. Lazarev/Murasˇeva, Zˇ urnal rossijskogo prava 2007, Nr. 9, S. 110 – 124; Kolosova, ˇZurnal rossijskogo prava 2012, Nr. 4. 473 So But’ko/Uletova, Praktika ispolnitel’nogo proizvodstva 2012, Nr. 3; ders., Sovremennoe pravo 2012, Nr. 8 m.w.N.; E˙ bzeev, in: Zor’kin, (Hrsg.), Kommentarij, Art. 15, S. 164; für die Wichtigkeit der EMRK und des EGMR s. VerfGRF, U. v. 25. 01. 2001, Nr. 1, GSRF 2001/ 7/700. 466
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1. Teil, § 4 Verfassungsrechtliche Kriterien für Einordnung eines Unternehmens
hältnis zur Verfassung Vorrang genießen,474 zumindest dann, wenn die EMRK den Grundrechtsstandard erhöhe.475 Während die Priorität der gegen Russland ergangenen Urteile nicht ernsthaft angezweifelt wurde, blieb strittig, welche Bedeutung den gegen andere Staaten erlassenen Urteilen des EGMR zukommen sollte. Manche Autoren fordern die absolute Priorität der Rechtsprechung des EGMR.476 Andere dagegen wollen im Konfliktfall die Entscheidungen des EGMR für unanwendbar halten, wenn das VerfGRF einen Widerspruch zu Verfassungsprinzipien annimmt. Zumindest widersprachen viele Literaturstimmen einer bedingungslosen Unterwerfung unter die Rechtsprechung des EGMR.477 Faktisch wurde die Rechtsprechung des EGMR jedenfalls als wichtige Rechtsquelle anerkannt,478 indem das VerfGRF in seinen Entscheidungen sehr oft Bezug auf die Rechtsprechung des EGMR nahm und die Positionen des EGMR jedenfalls indirekt die Rechtsprechung des VerfGRF beeinflussten.479 Allerdings fand kein echter Abgleich der Rechtspositionen statt, sondern die Verweise blieben plakativ an der Oberfläche.480 bb) Die Position des VerfGRF seit 2015 Praktische Relevanz und Brisanz erhielt die Frage wohl erst mit der Entscheidung des EGMR vom 07. 10. 2010 „Konstantin Markin v Russland“. Der Vorsitzende des VerfGRF Zor’kin sprach in einem Artikel von einer „kardinalen Veränderung“, da der EGMR zum ersten Mal die Rechtsprechung des VerfGRF bezüglich der Gleichstellung von Mann und Frau ernsthaften Zweifeln ausgesetzt habe. Auch fand er an der Haltung des EGMR bezüglich der russischen Rechtsprechung zu Paraden Homosexueller Anstoß. Nach Zor’kin besteht große Angst einer Politisierung durch die Entscheidungen des EGMR und eine Ausnutzung für „orangene Revolutionen“.481 Im Juli 2015 ließ eine Reihe von Dumaabgeordneten vom VerfGRF im Rahmen einer abstrakten Normenkontrolle die Vereinbarkeit verschiedener ProzessvorVgl. die Darstellung bei Kolosova, Zˇ urnal rossijskogo prava 2012, Nr. 4; Puzanov, E˙ Zˇ Jurist 2011, Nr. 6. 475 Bondar’, Zˇ urnal rossijskovo prava 2006, Nr. 6 mit w.N.; vgl. VerfGRF U. v. 30. 11. 2000, Nr. 15, GSRF 2000/50/4943. 476 Vgl. Kozlova/Kutafin (Hrsg.), Konstitucionnoe pravo. 477 Vgl. Lazarev/Murasˇeva, Zˇ urnal rossijskogo prava 2007, Nr. 9, S. 110 – 24. 478 Vgl. Zor’kin, Rol’ Konstitucionnogo Suda. 479 Vgl. VerfGRF, U. v. 24. 01. 2002, Nr. 3, GSRF 2002/7/745; U. v. 25. 01. 2001, Nr. 1, GSRF 2001/7/700; B. v. 08. 02. 2001, Nr. 15, GSRF 2001/15/1530; U. v. 17. 07. 2002, Nr. 13, GSRF 2002/31/3160; vgl. auch Bondar’, Zˇ urnal rossijskovo prava 2006, Nr. 6 mit w.N. 480 Vgl. Nußberger (Hrsg.), Einführung, S. 65; Nußberger, in: Keller/Stone (Hrsg.), A Europe of Rights, S. 603 – 674. 481 Zor’kin, Pered ustupcˇ ivosti. 474
A. Die Grundrechte als Abgrenzungskriterium
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schiften, welche die Priorität von Urteilen des EGMR anordneten, mit der Verfassung der RF überprüfen. In seiner Entscheidung vom 14. 07. 2015482 stellte das VerfGRF fest, dass die Verfassung Vorrang vor allen Normen, auch denen des Völkerrechts besitze. Entsprechend habe das VerfGRF vor der Umsetzung der Urteile des EGMR ihre Vereinbarkeit mit der Verfassung zu überprüfen. Damit hat das höchste Gericht der RF seine völkerrechtsfreundliche Auslegung revidiert. Es wird vermutet, dass Anlass für die Richtungsänderung das Urteil des EGMR gewesen sein dürfte, welches Russland zu einer Entschädigungszahlung in Höhe von 1,9 Milliarden Euro an die ehemaligen Jukos-Aktionäre wegen Verstoßes gegen ein faires Verfahren verurteilt hat.483 In Folge der Entscheidung erließ die Staatsduma im Dezember 2015 ein Gesetz, das es dem VerfGRF ermöglicht, Urteile des EGMR für nicht vollstreckbar zu erklären.484 Mit der Entscheidung vom 19. 05. 2016 hat das VerfGRF seinen Richtungswechsel bestätigt. Zum ersten Mal wurde ein direkt gegen die RF ergangenes Urteil des EGMR („Ancˇ ugov und Gladkov vs. RF“) wegen Widerspruchs mit der Verfassung der RF (Art. 32 VerfRF) für nicht vollstreckbar erklärt.485 In seinem Urteil vom 19. 01. 2017 erklärte das VerfGRF ein weiteres Urteil des EGMR („OAO Neftjanaja kompanija Jukos vs. RF“) ebenfalls für nicht vollstreckbar, da es nach Auffassung des VerfGRF nicht mit der höherrangigen VerfRF in Einklang steht.486 cc) Die Unanwendbarkeit der Grundrechte auf staatliche Organisationen nach der EMRK Wie bereits oben festgestellt, kann der EGMR nach Art. 34 EMRK nur von „nichtstaatlichen“ Organisationen angerufen werden. Den staatlichen Organisationen sollen keine Konventionsrechte zustehen.487 Als staatlich gelten nach der Rechtsprechung des EGMR Organisationen, die an der Ausübung von Staatsgewalt teilhaben.488 Jedenfalls können die Personen nicht als Grundrechtsträger eingestuft
482
VerfGRF, U. v. 14. 06. 2015, Nr. 29. Diesen Zusammenhang stellt auch Gall her, vgl. http://www.bpb.de/internationales/euro pa/russland/215139/analyse-russland-und-der-egmr-mitgliedschaft-mit-eigenen-regeln [zuletzt aufgerufen am 09. 07. 2016]. 484 FZ v. 14. 12. 2015 Nr. 7; vgl. https://rg.ru/2015/12/15/ks-site-dok.html [zuletzt aufgerufen am 09. 07. 2016]. 485 VerfGRF, U. v. 19. 04. 2016, Nr. 12. 486 VerfGRF U. v. 19. 01. 2017, Nr. 1. 487 Im Ergebnis auch Remmert, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 19 Abs. 3 GG, Rn. 19; Crones, Grundrechtlicher Schutz, S. 104. 488 Vgl. auch EGMR, U. v. 23. 09. 2003, Nr. 53984/00 (Radio France und andere vs. Frankreich); s. auch U. v. 03. 04. 2012, Nr. 54522/22 (Krotov vs. RF). 483
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1. Teil, § 4 Verfassungsrechtliche Kriterien für Einordnung eines Unternehmens
werden, „die der ,strikten Kontrolle‘ eines Grundrechtsverpflichteten unterliegen“.489 Ebenso wie das VerfGRF stellt der EGMR nicht auf die Eigentumsverhältnisse ab. Allerdings zählt er Gemeinden und unitarische Betriebe zu staatlichen Organisationen. Der persönliche Schutzbereich wird also enger definiert als von VerfGRF. e) Ergebnis Das VerfGRF geht nicht konsequent den zunächst eingeschlagenen Weg des personalen Substrats. Scheinbar nähert es sich der grundrechtstypischen Gefährdungslage an, die – nach deutscher Lesart – gerade auch staatliche Einheiten für grundrechtsberechtigt hält. Doch möchte das VerfGRF nach der hier vorgenommenen Interpretation nicht den „Staat als Staat“ für grundrechtsberechtigt halten, sondern – in Fortführung des anthropozentrischen Ansatzes – lediglich die gesellschaftliche Sphäre: Sobald der Staat eine juristische Person (des Zivilrechts) gründet und damit auf hoheitliche Maßnahmen verzichtet und sich auf eine Stufe mit dem Bürger stellt, ist diese Person – auch wenn sie nicht Ausdruck der Grundrechte von Menschen ist – Teil der Gesellschaft. „Privatrechtlich“ wird quasi mit „privat“ gleichgesetzt. Solange der Staat aber durch seine Organe handelt, ist zu unterscheiden: Entweder handelt dann „der Staat“ hoheitlich und ist an die Grundrechte gebunden. Oder aber die RF und ihre Subjekte begeben sich auf eine Stufe mit allen anderen Bürgern und verfügen – gleichgestellt den juristischen Personen – bei fiskalischem Handeln über Grundrechtsschutz. Dies folgt aus der Doppelnatur der Staatsorgane. Der anthropozentrische Ansatz und der Ansatz der grundrechtstypischen Gefährdungslage werden also nach der hier vertretenen Ansicht durch die „Ausläufer“ der Fiskustheorie überlagert. Dabei sind dem VerfGRF zwei Dinge vorzuhalten: Zum einen ist fraglich, ob die Gleichheit in Art. 8 VerfRF und auch im ZGBRF angesichts der faktischen Übermacht so verstanden werden darf, dass der Staat alle Rechte der Bürger genießt, wenn er fiskalisch handelt. Vielmehr sollen dem Staat wohl nur keine besonderen Vorteile entstehen, was durch die Grundrechtsberechtigung aber gerade passiert. Zum anderen erkennt das Gericht zwar, dass der öffentlich-rechtliche Status von Personen eine Rolle spielen muss, da bereits anerkannt ist, dass der Staat diesen nie ganz abschüttelt. So stellt das VerfGRF selbst den hinter den Grundrechten liegenden Kompetenzkonflikt öffentlich-rechtlicher Stellen sowie die erhöhte Einschränkbarkeit von deren Grundrechten immer wieder heraus. Doch führt dies lediglich zu einer leichteren Rechtfertigung der Eingriffe in die „Grundrechte“ des fiskalisch handelnden Staats, nicht dagegen zu der Verneinung von dessen Rechten.
489 Jarass, Charta der Grundrechte, 2. Aufl., Art. 51, Rn 62; EGMR, U. v. 13. 12. 2007, Nr. 40998/98 (Islamic Republic of Iran Shipping Lines vs. Türkei), Rn. 81.
A. Die Grundrechte als Abgrenzungskriterium
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Für die oben gestellte Frage gilt: Die Grundrechte gelten nur für die Gesellschaft, wobei sich der Staat gesellschaftlich organisieren darf oder aber sogar die staatlich organisierten Verwaltungsträger in ihre gesellschaftliche Rolle schlüpfen können. Zwar wird dieser Ansatz in Deutschland durch die Fiskalbindung der Grundrechte abgelehnt. Eine partielle Grundrechtsfähigkeit wird dem Staat nie zugestanden. Bekannt ist aber das Modell der partiellen Grundrechtsbindung echter Privater bzw. echter gesellschaftlicher Substanz. Dies gilt sowohl für den Beliehenen als auch für die Selbstverwaltungskörperschaften oder etwa die Kirchen. Sie sind partiell in Erfüllung einer bestimmten Aufgabe grundrechtsgebunden. In Russland wird quasi das umgekehrte Modell der partiellen Grundrechtsberechtigung für den Staat vertreten, der ein Stück Gesellschaft wird. Damit ist am Grundsatz festzuhalten, dass der Staat nicht grundrechtsberechtigt ist. Auch die Bedeutung der EMRK und der Rechtsprechung des EGMR sprechen dafür, nur der gesellschaftlichen Sphäre Grundrechtsschutz zuzugestehen, wobei die EMRK und die Rechtsprechung des EGMR innerhalb der RF deutlich an Bedeutung verloren haben dürften. 2. Die Grundrechtsbindung a) Die vertikale Bindung der öffentlich-rechtlichen Gebilde und ihrer Organe an die Grundrechte Fraglich ist, wer in Russland durch die Grundrechte gebunden ist. Anders als in Deutschland ist die Dogmatik in diesem Bereich nicht besonders ausgearbeitet. Erst recht hat sich kaum jemand mit Fragen der Drittwirkung befasst.490 Klassisch geht die Literatur davon aus, dass der Staat der Hauptadressat der grundrechtlichen Bindungen ist.491 Dies entspricht der Konzeption der Grundrechte als Menschen- und Bürgerrechte und deckt sich mit internationalen Abkommen. Ausgangpunkt der Überlegungen ist Art. 2 VerfRF, der in Satz 1 den Menschen und seine Rechte und Freiheiten zum höchsten Wert erklärt. Die Anerkennung, Einhaltung und der Schutz bzw. die Wahrung der Rechte und Freiheiten des Menschen und Bürgers sind nach Satz 2 die Pflicht des Staates.492 Damit stellt die Verfassung gleich zu Beginn zwei Grundrechtsdimensionen auf: Zum einen die Einhaltung durch den Staat, also die abwehrrechtliche Funktion, zum anderen den Schutz und damit die positiven Pflichten, die Grundrechtsentfaltung des Einzelnen aktiv vor Gefährdungen auch durch private Akteure zu schützen.493 490
Vgl. Dolzˇnikov, Sravnitel’noe konstitucionnoe obozrenie 2012, Nr. 6. Vgl. Dolzˇnikov, Sravnitel’noe konstitucionnoe obozrenie 2012, Nr. 6. 492 Art. 2 S. 2 VerfRF. 493 Vgl. zur Schutzpflicht als Grundlage der Dimension der subjektiven Rechte auch Berger, Osteuropa, Band 59 2013, S. 331 ff. 491
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1. Teil, § 4 Verfassungsrechtliche Kriterien für Einordnung eines Unternehmens
aa) Die positive Schutzfunktion Sowohl der Wortlaut als auch die Systematik der grundlegenden allgemeinen Grundrechtsbestimmungen stellen die Schutzfunktion des Staates in den Vordergrund:494 Nach Koslov ergibt sich aus den Art. 2, 17 und 19 VerfRF die Rolle des Staates als Hauptgarant der Rechte und Freiheiten des Menschen, die über das System der Staatsorgane verwirklicht werde.495 Der Staat sei verpflichtet, die entsprechenden Bedingungen – insbesondere durch ein Gesetz496 – zu schaffen, um die Realisierungsmöglichkeit der Rechte durch die Bürger zu gewährleisten.497 Die Verfassung und insbesondere die Schutz- und Garantiefunktion der Grundrechte bilde hierbei „die Basis der laufenden Gesetzgebung“,498 im Rahmen derer der Staat dem Untermaßverbot499 durch einen gewissen Grundrechtsstandard auch zwischen Privaten Rechnung tragen müsse. Diese Ausrichtung der Grundrechte hänge ebenso mit der historischen Patronage-Funktion des Staates gegenüber dem Einzelnen zusammen.500 Auch die einzelnen Grundrechte sprechen – soweit der Staat Erwähnung findet – davon, dass jener die Gleichheit (Art. 19 Abs. 1 VerfRF) garantiert, die Würde des Menschen vom Staat geschützt wird (Art 21 Abs. 1 VerfRF) oder der staatliche Schutz der Rechte und Freiheiten aufgestellt wird (Art. 45 Abs. 1 VerfRF).501 Während einige Artikel darauf verzichten, den Adressaten der Garantien zu benennen,502 richten sich Art. 24, 52 und 53 VerfRF in der positiven Dimension direkt an die Staatsorgane und Organe der örtlichen Selbstverwaltung. Insgesamt belegen auch die Formulierungen der konkreten Rechte, dass die positiven Pflichten des Staates im Vordergrund stehen.503 Dieser Wortlaut legt nahe, dass die Grundrechte insbesondere gegen Dritte – eben andere Bürger – verteidigt werden.
494
Auch Dedov, Sorazmernost’ ogranicˇ enija, S. 56 ff. weist drauf hin, dass die VerfRF weniger als Staatsabwehr, denn als eine Satzung für die Gesellschaft zu sehen sei; s. hierzu auch Berger, Osteuropa, Band 59, 2013, S. 329. 495 Kozlova/Kutafin (Hrsg.), Konstitucionnoe pravo. 496 So auch Berger, Osteuropa, Band 59, 2013, S. 332. 497 Vgl. Andrianov, Sovremennoe pravo 2006, Nr. 12; vgl. auch Kozlova/Kutafin (Hrsg.), Konstitucionnoe pravo Kapitel II, § 3. 498 Abak’jan, Konstitucionnoe pravo, 1. Aufl., S. 172. 499 Zu diesen der deutschen Dogmatik entstammenden Begriffen vgl. Gornik, NZA 2012, 1401 f. 500 In diese Richtung Kozlova/Kutafin (Hrsg.), Konstitucionnoe pravo, Kapitel X; auch Berger betont die Schutzpflichten des Staates; vgl. Berger, Die Bindung der Bürger, S. 221. 501 Nach Art. 38 VerfRF stehen Mutterschaft, Kinder und die Familie unter dem Schutz des Staates; Art. 40 VerfRF formuliert, dass die Staatsorgane den Wohnungsbau anregen und die Bedingungen für die Verwirklichung des Grundrechts schaffen. 502 Siehe etwa Art. 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 41, 42, 43, 46 und 48 VerfRF. 503 Vgl. hierzu auch Butylin/Goncˇ arov/Barbin (Hrsg.), Obespecˇ enie prav i svobod, Abschnitt II.
A. Die Grundrechte als Abgrenzungskriterium
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Allerdings sind die Fragen um die positive Wirkung der Grundrechte bisher wenig erforscht.504 Letztere drohen, auf ihre objektiv-rechtliche505 Schutz-Dimension beschränkt und damit zu reinen Programmsätzen und Deklarationen ohne subjektiven Anspruch des Bürgers reduziert zu werden.506 Ihr Wesen kann durch die einfachgesetzliche Konkretisierung verzerrt werden.507 Dabei pochen die Fachdisziplinen häufig auf ihre Eigenständigkeit und lehnen die Konstitutionalisierung des einfachen Rechts ab.508 bb) Die negative Abwehrfunktion Werden bei den einzelnen Grundrechten die positiven Pflichten, also die Garantien und Schutzpflichten des Staates betont, so kommt nach Ansicht Kozlovas in Art. 2 VerfRF gerade die abwehrrechtliche Funktion der Grundrechte zum Tragen.509 Hierdurch sei der ganze Staat gebunden und dürfe entsprechend nur innerhalb bestimmter Schranken tätig werden.510 Insbesondere die Befugnis der Staatsorgane zu hoheitlichem Handeln und ihre Überordnung im Verhältnis zum Bürger geböten besonderen Schutz vor Übergriffen.511 Nach Ansicht der Literatur besteht der Sinn und Zweck der Grundrechte daher in einer primär abwehrrechtlichen Funktion.512 Diese Schutzrichtung wird indirekt durch das VerfGRF bestätigt, indem es die Übertragung von Verwaltungs- und Kontrollbefugnissen an Selbstverwaltungsorganisationen wie die Notarkammer aus Gründen des Grundrechtsschutzes der Bürger nicht nur für zulässig, sondern sogar für erstrebenswert hält. Denn die Aussagen des VerfGRF legen nahe, nur von dem Staat und seinen Organen, nicht aber von den Selbstverwaltungsorganisationen seien Beeinträchtigungen der Rechte und Freiheiten zu erwarten, um derentwegen die hoheitlichen Befugnisse übertragen worden seien.513 504
Vgl. Dolzˇnikov, Sravnitel’noe konstitucionnoe obozrenie 2012, Nr. 6. E˙ bzeev, in: Zor’kin, (Hrsg.), Kommentarij, Art. 2, S. 72; a.A. Berger, Osteuropa, Band 59, 2013, S. 333 ff. 506 Vgl. etwa E˙ ksˇtain, Osnovnye prava, S. 52. 507 Vgl. Dolzˇnikov, Sravnitel’noe konstitucionnoe obozrenie 2012, Nr. 6. 508 Vgl. hierzu Lusˇevicˇ , Pravovedenie 2001, Nr. 2, S. 53 ff. 509 Vgl. auch Kozlova/Kutafin (Hrsg.), Konstitucionnoe pravo: „Der Zusammenhang zwischen der Anerkennung des Menschen und seiner Rechte und Freiheiten als höchsten Wert und den konkreten Rechten und Freiheiten des Menschen und Bürgers besteht darin, dass, soweit Art. 2 der Verfassung das Prinzip der Beziehungen zwischen dem Menschen und dem Staat lediglich „negativ“, d. h. vom Blickwinkel einer potenziellen Menschenrechtsverletzung her, darlegt und nur das Schutzobjekt im Blick hat, die Artikel der Verfassung, die den konkreten Grundrechten und Freiheiten des Menschen und Bürgers gewidmet sind, bereits von positiven Positionen her formuliert sind“. 510 Vgl. auch Kozlova/Kutafin (Hrsg.), Konstitucionnoe pravo. 511 Vgl. auch Kozlova/Kutafin (Hrsg.), Konstitucionnoe pravo. 512 Dolzˇnikov, Sravnitel’noe konstitucionnoe obozrenie 2012, Nr. 6. 513 VerfGRF, U. v. 19. 05. 1998, Nr. 15, GSRF 1998/22/2491. 505
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1. Teil, § 4 Verfassungsrechtliche Kriterien für Einordnung eines Unternehmens
cc) Die primäre Bindung des Gesetzgebers Die Schutzfunktion wird primär durch den Gesetzgeber verwirklicht.514 Es ist die gesamte Staatsgewalt von Art. 2 und 18 VerfRF betroffen. Die abwehrrechtliche Dimension hängt mit den positiven Pflichten des Staates zusammen: Insbesondere bei der Regelung von Allgemeinwohlbelangen muss jener die Grundrechte des Individuums wahren. Daher richtet sich die Abwehrfunktion der Grundrechte insbesondere an diesen, der nach Art. 55 Abs. 2 VerfRF keine Gesetze erlassen darf, durch welche die Rechte und Freiheiten der Bürger abgeschafft oder verkürzt werden. Grundrechte dürfen nur durch föderale Gesetze, nicht durch Gesetze der Subjekte der RF515 und nicht auf Grund eines Gesetzes516 eingeschränkt werden. Allerdings lässt das VerfGRF neben Gesetzen in einigen Entscheidungen517 ausdrücklich auch andere allgemeine Rechtsakte als taugliche Grundrechtsschranken zu. Insofern könnten auch diejenigen Vereinigungen direkt an das Übermaßverbot gebunden sein, die selbst derivative, von der staatlichen Macht abgeleitete, Rechtssetzungsmacht haben, wie die Selbstverwaltungsorganisationen.518 Dafür spricht auch, dass sie nach der Rechtsprechung des VerfGRF gewissermaßen an der Staatsmachtausübung teilhaben und ihnen staatliche Funktionen übertragen sind.519 Eine Einschränkung der Grundrechte (durch Gesetz) ist nur bei Erforderlichkeit für den Schutz der Grundlagen der verfassungsmäßigen Ordnung, für die Sittlichkeit, Gesundheit, die Rechte und gesetzlichen Interessen anderer oder für die Gewährleistung der Verteidigung und Sicherheit des Staates zulässig. Bestimmte Grundrechte unterliegen nach Art. 56 Abs. 3 VerfRF selbst in Notsituationen nicht der Einschränkung. In einem Erst-recht-Schluss könnte auf ihre absolute Gewährleistung auch in anderen Situationen geschlossen werden. Das VerfGRF differenziert diesbezüglich allerdings zwischen den einzelnen in Art. 56 Abs. 3 VerfRF genannten Rechten und erklärt nicht alle für uneinschränkbar und absolut.520 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das höchste Gericht oft über den Wortlaut der Verfassung hinausgeht und damit faktisch selbst die Grenzen der Beschränkbarkeit aufstellt.521 Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne522 ist beispielweise nicht ausdrücklich geregelt. Doch betont das VerfGRF in seinen 514
Ebenso Berger, Osteuropa, Band 59, S. 332 f. So VerfGRF, U. v. 18. 07. 2012, Nr. 19, Punkt 5. 516 Vgl. auch Stachov, Bezopasnoct’ biznesa 2006, Nr. 1. 517 VerfGRF, B. v. 02. 11. 2006, Nr. 540, AVerfGRF 2007, Nr. 2. 518 Vgl. zum deutschen Ansatz der derivativen Staatsmacht BAG, BAGE 1, 258 (262 ff.) = NJW 1955, 684. 519 Vgl. oben unter § 2 C. II. 2. b) bb) (1). 520 Taribo, in: Zor’kin, (Hrsg.), Kommentarij, Art. 56, S. 485. So soll etwa das Recht aus Art. 50 Abs. 3III VerfRF absoluten Charakter tragen, nicht dagegen das Recht aus Art. 34 VerfRF; vgl. ders., S. 485. 521 Vgl. Dolzˇnikov, Sravnitel’noe konstitucionnoe obozrenie 2012, Nr. 6. 522 Vgl. hierzu Eksˇtajn, Osnovnye prava, S. 31. 515
A. Die Grundrechte als Abgrenzungskriterium
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Entscheidungen immer wieder die wichtige Bedeutung des Prinzips der Proportionalität und Angemessenheit (proportional’nost’ und sorazmernost’).523 Allerdings ist meist eine eingehende Auseinandersetzung und eine echte Güterabwägung zu vermissen.524 Das VerfGGRF zeigt in Zusammenschau mit Art. 55 Abs. 2 VerfRF ebenfalls, dass sich die Abwehrfunktion der Grundrechte zumindest primär auf den Gesetzgeber bezieht: Eine Individualbeschwerde, also eine Verfassungsbeschwerde, ist nur gegen Gesetze zulässig. Geprüft wird die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes im formellen Sinn.525 Damit handelt es sich letztlich um ein konkretes Normenkontrollverfahren. Zwar steht in Art. 36 Abs. 2 VerfGGRF, der die mögliche Verfassungsverletzung als allgemeines Zulässigkeitserfordernis vorsieht, dass Grund für ein Verfahren eine Unsicherheit über die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen, anderen normativen Akten, eines Vertrages zwischen Staatsorganen oder eines noch nicht in Kraft getretenen Völkerrechtsvertrages ist. Für die Individualbeschwerde gilt aber grundsätzlich, dass nur ein formelles Gesetz und eben kein Einzelakt Prüfungsgegenstand sein kann.526 Zwar hat das VerfGRF den Beschwerdegegenstand auf andere Rechtsakte und auch die ständige Rechtsprechung erweitert. Doch gilt dies nur bei Vergleichbarkeit der angegriffenen Akte mit Gesetzen und nur, wenn der Verfassungsverstoß im Gesetz selbst und nicht etwa in der Anwendung durch die Gerichte begründet ist.527 dd) Die Bindung der Verwaltung Auch die Tätigkeit der Exekutive wird nach Art. 18 VerfRF von den Grundrechten bestimmt. Nach den verbindlichen Entscheidungen des OGRF unterliegt die Verfassung zum einen der direkten Anwendbarkeit, wenn eine Verfassungsnorm ihrem Sinn nach keiner weiteren Konkretisierung bedarf und keinen Verweis auf die Möglichkeit enthält, dass die Anwendung unter der Bedingung des Erlasses eines föderalen Gesetzes steht, welches Rechte, Freiheiten und Pflichten regelt; zum anderen wird der Fall genannt, dass das VerfGRF eine Lücke in der gesetzlichen Regulierung erkennt oder durch die Nichtigkeit einer Norm wegen festgestellten Widerspruchs mit der Verfassung eine Lücke entsteht.528
523
Vgl. statt vieler VerfGRF, U. v. 30. 10. 2003, Nr. 15. Das beklagt z. B. Gadzˇiev, Sondervotum zu VerfGRF, U. v. 20. 12. 2011, Nr. 29; Nussberger, in: Nussberger (Hrsg.), Einführung, S. 50, m.V. auf VerfGRF, U. v. 28. 06. 2007, AVerfGRF 2007, Nr. 4, S. 4 ff. 525 Plagemann, in: Allenhöfer/Plagemann (Hrsg.), Eigentum, S. 59. 526 Plagemann, in: Allenhöfer/Plagemann (Hrsg.), Eigentum, S. 64 f. 527 Berger, Bindung der Bürger, S. 110. 528 Plenum OGRF, U. v. 31. 10. 1995, Nr. 8, in: Rossijskaja Gazeta 247/28. 12. 1995; Plenum OGRF, U. v. 16. 04. 2013, Nr. 9. 524
272
1. Teil, § 4 Verfassungsrechtliche Kriterien für Einordnung eines Unternehmens
Nach der Rechtsprechung des VerfGRF folgt beispielweise das Recht des Verurteilten auf ein Strafmilderungsgesuch direkt bei Gericht unmittelbar aus den Grundrechten, da das Recht nicht im föderalen Gesetz verankert bzw. konkretisiert ist.529 Damit ist die Verwaltung direkt an die Verfassung gebunden.530 Entsprechend hat das VerfGRF in einigen Fällen für die Verwaltung eine „verfassungskonforme Auslegung“531 für allgemeinverbindlich erklärt.532 Indirekt überprüft das VerfGRF zudem auch die verfassungsgemäße Gesetzesanwendung: Für die Frage der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes spielen nicht nur dessen Wortlaut und Systematik eine Rolle, sondern auch der von der Rechtsanwendung beigefügte Sinn und damit die Verfassungsmäßigkeit einer bestimmten Interpretation durch die Verwaltung.533 Das Gericht konstatiert, dass zwar die Gesetzesanwendung nicht seiner Kontrolle unterliege; doch hält es die Beachtung der Rechtsanwendungspraxis für die Inhaltsermittlung eines Gesetzes nach Art. 74 Abs. 2 VerfGRF manchmal für unerlässlich.534 Damit wird letztlich die Überprüfung auch von Verwaltungshandeln möglich. b) Die Bindung der mittelbaren und funktionalen privatrechtlichen Staatsverwaltung an die Grundrechte aa) Die Ansicht der Literaturstimmen Wenn der Staat Garant der Grundrechte ist, folgt daraus, dass jede staatliche Stelle den Bindungen unterliegt. Auch wenn die Grundrechtsbindung in diesem Falle Folge und nicht Voraussetzung der Staatlichkeit wäre, so könnte man an der Bindung ablesen, welche Rechtssubjekte dem Staat angehören. Dies setzt in einem weiteren Schritt voraus, dass nicht gleich alle Privaten der Grundrechtsbindung unterliegen. Nach der Verfassung sind Personenvereinigungen und Staatsbedienstete mögliche Adressaten von grundrechtlichen Verpflichtungen.535 Sowohl die Rechtsprechung als auch Teile der Literatur erkennen an, dass es privatrechtliche Organisationen mit 529 VerfGRF, U. v. 26. 11. 2002, Nr. 16, in: GSRF 2002/49/4922: „[…] Das Fehlen eines Verweises in der genannten Norm auf das Recht des Verurteilten, sich mit der Bitte um Bewährung unmittelbar an das Gericht zu wenden, bedeutet jedoch nicht, dass er dieses Recht nicht hat. Dieses Recht folgt aus der Verfassung der RF […]“. 530 Der Übergang zwischen Abwehrfunktion und Schutzfunktion ist hier fließend. 531 Der Begriff entstammt der deutschen Dogmatik und ist so in der russischen Doktrin nicht verbreitet. 532 Vgl. VerfGRF, U. v. 25. 01. 2001, Nr. 1, GSRF 2001/7/700; VerfGRF, B. v. 04. 11. 2004, Nr. 430, in: AVerfGRF 2005 Nr. 2: „Der vom Verfassungsgericht der RF festgestellte verfassungsrechtliche Sinn der genannten Gesetzesbestimmungen […] ist allgemeinverbindlich und schließt jede andere Auslegung in der Praxis der Gesetzesanwendung aus.“ 533 Vgl. hierzu Hartwig, EuGRZ 1996, S. 184. 534 Vgl. VerfGRF, B. v. 15. 06. 1995, Nr. 29; U. v. 06. 06. 1995, Nr. 7. 535 Vgl. Art. 15 Abs. 2, 45 und 46 Abs. 2 VerfRF.
A. Die Grundrechte als Abgrenzungskriterium
273
hoheitlichen Befugnissen gibt, welche die Grundrechte der Bürger berühren und manchmal verletzen.536 Dennoch wird in der Literatur die Problematik um deren direkte Grundrechtsbindung kaum diskutiert. Auch die unmittelbare Bindung funktional in Verwaltungsaufgaben eingebundener Subjekte findet keine Aufmerksamkeit, sondern wird höchstens im Rahmen der Frage der Drittwirkung behandelt, wobei nicht zwischen echten Privaten und Rechtspersonen mit öffentlichrechtlichem Status oder öffentlichen Funktionen der Staatsorgane unterschieden wird. Auch wenn niemand „das Kind beim Namen nennt“, so deuten einzelne Stimmen wie Gricenko wenigstens an, dass die funktionale Verwaltung, d. h. die Privatrechtssubjekte, denen staatliche Aufgaben und Hoheitsbefugnisse übertragen wurden, sämtliche öffentlich-rechtliche Folgen treffen sollte.537 Dies würde die Grundrechte mit einschließen. Verfechter des Instituts der juristischen Person des ˇ irkin fordern ebenfalls die verfassungsrechtliche VerÖffentlichen Rechts wie C antwortlichkeit „staatlicher“ oder staatsnaher Rechtssubjekte. Indirekt fordern auch sie die Grundrechtsbindung dieser Personen.538 Schließlich seien die juristischen Personen des Öffentlichen Rechts oft für die Verletzung von Menschenrechten verantwortlich. Insbesondere juristischen Personen des Öffentlichen Rechts, die mit Hoheitsbefugnissen ausgestattet seien, könnten daher besondere Belastungen aufgebürdet werden. Das erfordere die „Kampfparität“ beider Parteien, wenn sich eine juristische Person des Öffentlichen Rechts und ein Privater gegenüberstünden. Die viel geforderte und deklarierte Gleichheit der Parteien sei faktisch kaum zu gewährleisten, wenn ein Individuum dem „Staat“ gegenüberstehe.539 Diese Stoßrichtung deckt sich mit Art. 18 VerfRF, der ausdrücklich davon spricht, dass die Tätigkeit der ausführenden Gewalt und nicht nur der Staatsorgane von den Grundrechten determiniert wird. bb) Die Ansicht der Rechtsprechung Das VerfGRF macht immer wieder deutlich, dass sich die Verpflichtungen aus den Grundrechten an die staatlichen Organe der RF, die Subjekte der RF und die Organe der kommunalen Selbstverwaltung richten.540 Offen bleibt, ob auch juristische Personen an Grundrechte gebunden sind. Nach dem Beschluss vom 02. 11. 2006, Nr. 540 besteht „die Bestimmung der RF und ihrer Subjekte als öffentlich-rechtliche Gebilde […] in der Verwirklichung der Funktionen des Staates, was einen organisationsrechtlichen Mechanismus der Erreichung verfassungsrechtlich bedeutsamer 536 Dolzˇnikov, Sravnitel’noe konstitucionnoe obozrenie 2012, Nr. 6; VerfGRF, U. v. 18. 07. 2012, Nr. 19. 537 So Gricenko, Sravnitel’noe konstitucionnoe obozrenie 2013, Nr. 2. 538 ˇ Cirkin, Gosudarstvo i pravo 2010, Nr. 7, S. 23 – 30; allerdings subsumiert Cˇ irkin neben staatlichen Einrichtungen etc. insbesondere die Staatsorgane unter die juristischen Personen des Öffentlichen Rechts. 539 ˇ Cirkin, Gosudarstvo i pravo 2010, Nr. 7, S. 23 – 30. 540 VerfGRF, U. v. 18. 07. 2012, Nr. 19.
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1. Teil, § 4 Verfassungsrechtliche Kriterien für Einordnung eines Unternehmens
Ziele einschließlich der Anerkennung, Beachtung und des Schutzes der Rechte und Freiheiten des Menschen und Bürgers nach Art. 2 VerfRF voraussetzt.“541 Daraus könnte man schließen, dass alle Rechtssubjekte, die funktional zur Staatsmacht gezählt werden, an die Grundrechte zu binden sind. Das VerfGRF hat vielfach betont, dass einzelne öffentlich bedeutsame Funktionen vom Gesetzgeber auch auf andere Subjekte übertragen werden können, die nicht Teil des Systems der öffentlichen Macht sind.542 In Verbindung mit Art. 33 VerfRF stellte es im Jahr 2010 fest, dass der Bürger sich an die Organisationen wenden könne, welche die Funktionen der Staatsgewalt erfüllten und auf die sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen der Anerkennung, der Achtung und des Schutzes der Rechte und Freiheiten des Menschen und Bürgers nach Art. 2 und 18 VerfRF erstreckten.543 Allerdings macht das Gericht klar, dass nur die Staatsorgane selbst gemeint sind.544 Die Verfassung selbst binde andere eigenständige Subjekte wie die staatlichen Einrichtungen, unitarischen Betriebe oder Massenmedien nicht. Auch werde durch die Verfassung keine entsprechende Verpflichtung des Gesetzgebers aufgestellt, den Grundrechtsschutz der Bürger auszuweiten. Dabei spricht das Gericht von „anderen eigenständigen wirtschaftlichen Unternehmen“ (chosjastvujusˇcˇ ie). Angesichts der „öffentlich-rechtlichen Bedeutung und der konkreten Bedingungen der Entwicklung des politisch-rechtlichen Systems der RF“545stehe dem Gesetzgeber zwar ein Spielraum zu, um zusätzlichen Grundrechtsschutz zu schaffen. Fehlten derartige Bestimmungen, würden die Rechte der Bürger mangels entsprechender Verfassungsbestimmung aber nicht beeinträchtigt. Diese Entscheidung von 2010 wird teilweise als Indiz für eine Absage an die mittelbare Drittwirkung gewertet.546 Auch nach der Entscheidung des VerfGRF vom 18. 07. 2012 sind auf der einen Seite die selbstständigen Rechtssubjekte, denen öffentlich bedeutsame Aufgaben der Staatsorgane übertragen wurden, nicht schon durch die Verfassung gebunden, da aus Art. 33 VerfRF „direkt […] nicht die Notwendigkeit der gesetzgeberischen Verankerung des Rechts von Bürgern, sich an andere Rechtssubjekte als die staatlichen Organe und deren Amtsträger zu wenden, [fließt]“.547 Auf der anderen Seite betont das VerfGRF, dass der föderale Gesetzgeber etwa die Verpflichtung, sich mit Beschwerden von Bürgern auseinanderzusetzen, die aus Art. 33 und Art. 45 VerfRF folgt, auf „eine bestimmte Kategorie von Organisationen legen kann unter der Be-
541
VerfGRF, B. v. 02. 11. 2006, Nr. 540, AVerfGRF 2007, Nr. 2. Vgl. VerfGRF, U. v. 19. 05. 1998, Nr. 15, GSRF 1998/22/249; U. v. 23. 12. 1999, Nr. 18; U. v. 19. 12. 2005, Nr. 12, GSRF 2006/3/335; B. v. 01. 06. 2010, Nr. 782. 543 VerfGRF, B. v. 09. 11. 2010, Nr. 1483. 544 VerfGRF, B. v. 09. 11. 2010, Nr. 1483. 545 VerfGRF, B. v. 09. 11. 2010, Nr. 1483. 546 Dolzˇnikov, Sravnitel’noe konstitucionnoe obozrenie 2012, Nr. 6. 547 VerfGRF, U. v. 18. 07. 2012, Nr. 19. 542
A. Die Grundrechte als Abgrenzungskriterium
275
dingung, dass sie öffentlich bedeutsame Funktionen erfüllen“.548 Nach Ansicht des VerfGRF steht die Verfassung einer entsprechenden gesetzlichen Erweiterung der Garantien für die Rechte der Bürger nicht entgegen. Organisationen könnten insbesondere unter Beachtung des Charakters der von ihnen ausgeführten Tätigkeit, ihrer öffentlich-rechtlichen Bedeutung und der konkreten Bedingungen des politisch-rechtlichen Systems der RF zusätzlichen Bindungen zum Schutz der Grundrechte der Bürger unterworfen werden.549 Die Tätigkeit dieser Organisationen berühre die Grundrechte der Bürger, sodass deren Bindung durch den föderalen Gesetzgeber nicht ihrer Natur als nicht-staatliche Organisationen widerspreche.550Auch dürfe der Gesetzgeber der Subjekte der RF spezielle Verpflichtungen für die Organisationen aufstellen, die speziell für die Erfüllung öffentlich bedeutsamer Funktionen gegründet würden. Das widerspreche nicht ihrem „Status“.551 Die Aufstellung der Verpflichtung ergebe sich vielmehr daraus, dass diesen Organisationen „die Erfüllung staatlicher oder kommunaler, öffentlich bedeutsamer Aufgaben übertragen [sei].“552 Letztlich ist der Gesetzgeber sogar gehalten, eine entsprechende Verpflichtung zu begründen.553 Dabei gesteht das VerfGRF diesen Organisationen aber Grundrechte zu, die in die Abwägung eingebracht werden müssen: Die Inpflichtnahme stelle „eine bestimmte Einmischung in ihre Tätigkeit als eigenständige Rechtssubjekte und, dem Wesen nach, eine Beschränkung ihrer Rechte und Freiheiten“554 dar. Nach Ansicht des VerfGRF vertritt der EGMR bei der Beantwortung der Frage nach der Verantwortung des Staates für nicht-staatliche Organisationen dieselbe Position, wenn jene öffentliche Funktionen ausführten.555 Doch geht es in den vom VerfGRF zitierten Entscheidungen des EGMR556 gerade nicht um funktionale Staatsverwaltung und Personen, die speziell zur Erfüllung von Verwaltungsaufgaben gegründet worden sind wie bei den in Frage stehenden unitarischen Betriebe, sondern um die Tätigkeit Privater in Aufgabenfeldern, die – teilweise privatisiert – der staatlichen Verantwortung nicht völlig entzogen werden dürfen. In diesen Bereichen bestehen positive Kontrollpflichten des Staates. cc) Eigene Stellungnahme Art. 33 VerfRF richtet sich nur an den Staat. Hier von einer Drittwirkung auszugehen, wäre angesichts des lediglich prozessualen und unterstützenden Charakters 548
VerfGRF, U. v. 18. 07. 2012, Nr. 19. Vgl. VerfGRF, B. v. 09. 12. 2002, Nr. 349, und B. v. 09. 11. 2010, Nr. 1483. 550 So VerfGRF, U. v. 18. 07. 2012, Nr. 19, Punkt 6. 551 VerfGRF, U. v. 18. 07. 2012, Nr. 19. 552 VerfGRF, U. v. 18. 07. 2012, Nr. 19. 553 VerfGRF, U. v. 18. 07. 2012, Nr. 19. 554 VerfGRF, U. v. 18. 07. 2012, Nr. 19. 555 So VerfGRF, U. v. 18. 07. 2012, Nr. 19, Punkt 6. 556 EGMR, U. v. 16. 06. 2005, Nr. 61603/00 (Storck vs. Deutschland) = NJW-RR 2006, S. 308; U. v. 25. 03. 1993, Nr. 13134/87 (Case of Costello-Roberts vs. Vereinigtes Königreich). 549
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1. Teil, § 4 Verfassungsrechtliche Kriterien für Einordnung eines Unternehmens
dieses Grundrechts fatal. Wichtige Aussagen können aber beiden Urteilen557 in Bezug auf die Grundrechtsbindung anderer als der klassischen Organe des staatlichen Systems entnommen werden. In beiden Entscheidungen werden die Rechtssubjekte der funktionalen Staatsverwaltung für grundrechtsberechtigt, nicht aber für unmittelbar grundrechtsverpflichtet gehalten. Während das Gericht im Jahr 2010 den Gesetzgeber ausdrücklich nicht für verpflichtet hielt, Subjekte mit staatlicher Aufgabenerfüllung der Bindung zu unterwerfen, ging es in der Entscheidung von 2012 genau von einer solchen Verpflichtung aus. Denn die Erweiterung der Adressaten des Pflichtenkreises entspreche dem Wesen und dem Status dieser Organisationen. In der Entscheidung von 2010 hatte das VerfGRF den kommerziellen Charakter der betroffenen Organisation hervorgehoben, während das Gericht im Jahr 2012 auf die funktionale Verwaltungsaufgabe des unitarischen Betriebs abstellte. Noch immer geht das VerfGRF formalistisch davon aus, dass zum Staat nur die Staatsorgane des offiziellen Systems gehören. Allerdings gesteht es, wie oben bemerkt, den Organisationen, die auf nicht-kommerzieller Basis öffentliche Funktionen erfüllen, einen öffentlich-rechtlichen Status zu und hält besondere Verpflichtungen auf Grund der Grundrechtsrelevanz ihrer Tätigkeit nicht nur für gerechtfertigt, sondern für erforderlich. Wenn öffentlich bedeutsame Funktionen übertragen werden, ist der Gesetzgeber also dazu aufgerufen, den Rechtskreis der entsprechenden Organisationen zu beschränken.558 Das VerfGRF nimmt aber auch kommerzielle Organisationen verstärkt in die Pflicht, wenn diese einem erhöhten staatlichen Interesse dienen. Gerade das Sozialstaatsprinzip dürfe große Opfer abverlangen.559 Wenn etwa eine Aktiengesellschaft auf Grund der Abhängigkeit der Bevölkerung von der angebotenen Dienstleistung den schwächeren Bürgern gegenüber in einer stärkeren Position sei, müsse eine Balance gefunden werden.560 Relevant ist in diesem Zusammenhang eine Entscheidung des VerfGRF, in der die Leistungserbringung im Luftverkehr durch privatrechtliche Gesellschaften auf Grund der Größe des Landes und der Unerschlossenheit bestimmter Gebiete für den Landverkehr als sozial erforderliche, öffentlich bedeutsame Aufgabe bezeichnet wird, durch die ein öffentliches Interesse verwirklicht werde.561 Die Grundrechtsverwirklichung der Bürger sei von der Tätigkeit der im Luftverkehr tätigen Aktiengesellschaften abhängig.562 Eine direkte Verpflichtung der Unternehmen wird zwar nicht ausgesprochen. Ihre Rechte sollen aber auf Grund ihrer Funktion durch gesetzliche Regulierungen erleichtert einschränkbar 557
VerfGRF, B. v. 09. 11. 2010, Nr. 1483; VerfGRF, U. v. 18. 07. 2012, Nr. 19. Vgl. die Rechtsprechung zu den Selbstverwaltungsorganisationen; s. oben unter § 2 C. II. 2. b) bb). 559 Ob es in dem Fall eine Rolle gespielt hat, dass die klagenden Unternehmen unter staatlicher Beteiligung gehalten wurden, ist unklar; vgl. VerfGRF, U. v. 20. 12. 2001, Nr. 29 (Klage der Fluglinien „Sibir’“ und „Jute˙ jr“); U. v. 18. 01. 2011, Nr. 8 (Klage von „Rosneft“). 560 Etwas freier übersetzt: VerfGRF, U. v. 20. 12. 2011, Nr. 29. 561 VerfGRF, U. v. 20. 12. 2011, Nr. 29. 562 VerfGRF, U. v. 20. 12. 2011, Nr. 29. 558
A. Die Grundrechte als Abgrenzungskriterium
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sein.563 Dabei ist zu vermuten, dass die staatliche Beteiligung an den klagenden Unternehmen eine nicht unwesentliche Rolle für deren soziale Inpflichtnahme gespielt haben dürfte.564 Hinsichtlich aller eigenständigen juristischen Personen wird letztlich also lediglich die Schutzpflichtenlösung gewählt. Keine Organisation wird zu einer Regierungsorganisation oder Person in der staatlichen Sphäre erklärt. Konsistenter wäre es, in Anlehnung an die deutsche Beleihungsdogmatik davon auszugehen, dass zumindest die privatrechtlichen Organisationen, denen öffentlich bedeutsame Aufgaben in Kombination mit hoheitlichen Befugnissen übertragen sind, partiell in die staatliche Sphäre integriert und als Folge dessen partiell grundrechtsverpflichtet werden müssen, was bedeutet, dass sie in diesem Bereich und in dieser Funktion auch keine Grundrechte beanspruchen können. Das VerfGRF dagegen will diese partiellen Verpflichtungen durch den einfachen Gesetzgeber regeln, was der Wortlaut der Verfassung, der die direkte Anwendbarkeit der Verfassung vorsieht, nicht zwingend nahelegt. Fraglich ist vor allem, was geschieht, wenn der Gesetzgeber seiner Schutz- und Regulierungspflicht nicht nachkommt. Wenigstens für diesen Fall wäre – parallel zu der Problematik der direkt und unmittelbar anwendbaren noch nicht umgesetzten EU-Richtlinien – zu überlegen, ob die Vorschriften der Verfassung direkt im Sinne einer Lücke gelten.565 Zu begrüßen sind zudem die Ansätze der Literatur zur Bindung derjenigen juristischen Personen, die auf Grund ihres öffentlichen Status die Grundrechte der Bürger gefährden. Unabhängig davon, ob diese Personen als staatliche anerkannt sind, sollten sie auf Grund der Schaffung einer grundrechtstypischen Gefährdungslage für Private der Grundrechtsverpflichtung unterworfen werden. In diese Richtung sind auch die Entscheidungen des VerfGRF bezüglich kommerzieller Organisationen zu verstehen. c) Die horizontale Bindung der Bürger an die Grundrechte aa) Die unmittelbare Grundrechtsbindung (1) Der Verfassungstext als Ausgangspunkt Daneben könnten die Bürger und sämtliche gesellschaftliche Organisationen an die Grundrechte gebunden sein. Damit jedenfalls stellte die Grundrechtsbindung kein ausschließlich staatliches Merkmal dar. 563 VerfGRF, U. v. 20. 12. 2011, Nr. 29; kritisch Gadzˇiev, Sondervotum zu VerfGRF, U. v. 20. 12. 2011, Nr. 29, GSRF 2012; die Kritik, private Unternehmen würden zu sehr „in die Mangel genommen“ und ihnen würden verfassungsrechtliche Pflichten aufgelastet, übersieht, dass die Luftfahrtunternehmen – ebenso wie die russische Eisenbahn – primär mit staatlicher Beteiligung betrieben werden. 564 Vgl. VerfGRF, U. v. 20. 12. 2001, Nr. 29 (Klage von den Fluglinien „Sibir’“ und „Jute˙ jr“); U. v. 18. 01. 2011, Nr. 8 (Klage von „Rosneft“). 565 Vgl. Plenum OGRF, U. v. 16. 04. 2013, Nr. 9.
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1. Teil, § 4 Verfassungsrechtliche Kriterien für Einordnung eines Unternehmens
Die Verfassung hat höchste juristische Kraft566 und direkte Geltung gemäß Art. 15 Abs. 1 VerfRF. Zudem gelten die Grundrechte nach Art. 18 VerfRF unmittelbar.567 Der Wortlaut dieser Verfassungsnormen könnte für eine unmittelbare Wirkung der Grundrechte im deutschen Verständnis sprechen. Doch ist dogmatisch sauber zu trennen zwischen der Möglichkeit der Bürger, sich dem Staat gegenüber direkt auf die Verfassungsnormen zu berufen (unmittelbare Geltung), und der direkten Bindung privater Rechtssubjekte in einem Privatrechtsverhältnis (unmittelbare Wirkung).568 Nach Art. 15 Abs. 2 VerfRF sind nicht nur die Staatsorgane, Organe der örtlichen Selbstverwaltung und Personen im öffentlichen Dienst, sondern auch die Bürger und Personenvereinigungen verpflichtet, die Verfassung einzuhalten. Schließlich ist die Verfassung weniger auf die Staatsabwehr als auf die Verankerung gesellschaftlicher Werte gerichtet, die jedem von Natur aus immanent sind.569 Der den einzelnen Grundrechten vorangestellte und sich nach systematischer Auslegung auf diese beziehende Art. 18 VerfRF dagegen nennt die Bürger und Bürgervereinigungen nicht als Verpflichtungsadressaten. Ihm zufolge bestimmen die Grundrechte vielmehr Sinn, Inhalt und Anwendung der Gesetze, die Tätigkeit der gesetzgebenden und ausführenden Macht sowie der örtlichen Selbstverwaltung und werden vom Staat garantiert. Diese Formulierung wird teilweise als Absage an eine unmittelbare Bindung auch der Bürger verstanden.570 Nach Art. 18 VerfRF, der als speziellere Norm dem allgemeinen Art. 15 VerfRF vorzuziehen sei, sei nur der Staat an Grundrechte gebunden.571 Doch schränkt Art. 18 VerfRF die Bindungen aus Art. 15 VerfRF nach seiner systematischen Auslegung nicht unbedingt ein. Der Kreis derer, welche die Grundrechte einhalten müssen, wird gar nicht genannt. Damit könnte Art. 18 VerfRF zumindest vom Wortlaut und der Systematik her als eine besondere Verpflichtung des Staates zur positiven Garantie derjenigen Rechte formuliert sein, die von jedermann beachtet und eingehalten werden müssen. Wortlaut und Systematik der Verfassung sind letztlich trotz einer Tendenz zur unmittelbaren Geltung der Grundrechte nicht eindeutig: Während Art. 15 Abs. 2, 566
(1).
Zur Diskussion um das Verhältnis zum Völkerrecht siehe oben unter § 4 A. II. 1. d) bb)
567 Während manche deutsche Autoren in beiden Fällen von unmittelbarer Wirkung sprechen, differenzieren andere nach direkter und unmittelbarer Wirkung, wobei Letztere auf den subjektiven Rechtsanspruch hinweisen soll; vgl. Berger, Osteuropa, Band 59, 2013, S. 334, 336. Allerdings sollte man angesichts des Sprachgebrauchs im Europarecht nicht von „unmittelbarer Wirkung“, sondern von „unmittelbarer Geltung“ sprechen, solange man keine Bindung der Subjekte im Privatrechtsverhältnis bejaht. 568 Vgl. die parallele Diskussion um die Wirkung bzw. Geltung von Richtlinien in Europa. In Russland ist die Möglichkeit des Bürgers, sich direkt auf Grundrechte zu berufen, angesichts der sowjetischen Tradition keine Selbstverständlichkeit; vgl. so auch Berger, Osteuropa, Band 59, 2013, S. 335. 569 Vgl. Berger, Osteuropa, Band 59, 2013, S. 331; zum Naturrecht, dies., Osteuropa, Band 59, 2013, S. 328 f. 570 So Dolzˇnikov, Sravnitel’noe konstitucionnoe obozrenie 2012, Nr. 6. 571 So Dolzˇnikov, Sravnitel’noe konstitucionnoe obozrenie 2012, Nr. 6.
A. Die Grundrechte als Abgrenzungskriterium
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Art. 17 Abs. 3 sowie Art. 46 Abs. 2 VerfRF für eine horizontale Wirkung und auch eine unmittelbare Grundrechtsbindung Privater sprechen, deuten Art. 2 sowie Art. 18 VerfRF eher auf das Gegenteil hin. Das Telos der Grundrechte ist sowohl auf den Schutz des Menschen vor Übergriffen durch den Staat als auch durch die Gesellschaft selbst gerichtet.572 Das Wissen um Machtverhältnisse im gesellschaftlichen Sektor, gerade im wirtschaftlichen Bereich das Verhältnis Arbeitgeber und Arbeitnehmer betreffend, ist schließlich ein tiefes Erbe der Sowjetzeit. Im Vordergrund steht die Verfassung als eine Art Satzung der Gesellschaft, die das kollektive Zusammenleben regelt.573 Dies spricht für eine Grundrechtsbindung Privater. (2) Die Rechtsprechung Das VerfGRF geht grundsätzlich nicht von einer direkten Bindung der Bürger an die Grundrechte aus.574 Allerdings deutet die Entscheidung vom 09. 11. 2009, Nr. 16 in eine andere Richtung. Eine politische Partei, die zivilrechtlich als gesellschaftliche nicht-kommerzielle Vereinigung organisiert ist, wurde verpflichtet, bei der Aufstellung bzw. dem Ausschluss von Kandidaten die verfassungsmäßigen Gleichheitsrechte zu wahren: „Dem Sinn der Art. 13, 30, 1 (1), 2, 15 (2), 19 (1, 2) VerfRF handeln die politischen Parteien, die eine der organisationsrechtlichen Formen der gesellschaftlichen Vereinigungen sind, auf der Grundlage der Prinzipien der Hoheit des Rechts, der Demokratie und des Pluralismus, und auf sie erstreckt sich in vollem Umfang die verfassungsmäßige Verpflichtung zur Anerkennung der verfassungsmäßigen Rechte und Freiheiten in der Beziehung zu Bürgern – Mitgliedern der Partei“.575
Willkür dürfe nicht zugelassen werden. „Ansonsten würde die Partei, welche die Kandidaten in die Liste der Kandidaten der Partei aufgenommen hat, damit Art. 19 (1, 2), 30, 32 (1, 2), 46, 55 (3) VerfRF verletzen und zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der Wahlrechte führen sowie der Freiheit auf Vereinigung in die politische Partei.“576
Fraglich ist allerdings, ob die Entscheidung tatsächlich als Indiz für die mittelbare oder horizontale Drittwirkung gewertet werden kann. Zwar wird die Partei als gesellschaftliche Vereinigung behandelt. Doch steht ihr öffentlicher Charakter in der
572
So auch Kozlova/Kutafin (Hrsg.), Konstitucionnoe pravo: „Wenn der Schutz des Menschen, seiner Rechte und Freiheiten vor Eingriffen von Seiten des Staates die Aufgabe der demokratisch konstituierten Gesellschaft ist, so ist der Schutz des Menschen, seiner Rechte und Freiheiten vor der Gesellschaft mit ihren unterschiedlichen Gruppen, die politischen Einfluss ausüben, der auch geeignet ist, in Rechte und Freiheiten einzugreifen, das wiederholen wir, die Verpflichtung des Staates.“ 573 So auch Berger, Die Bindung der Bürger, S. 102. 574 So auch Dolzˇnikov, Sravnitel’noe konstitucionnoe obozrenie 2012, Nr. 6. 575 VerfGRF, U. v. 09. 11. 2009, Nr. 16, GSRF 2009/47/5709. 576 VerfGRF, U. v. 09. 11. 2009, Nr. 16, GSRF 2009/47/5709.
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1. Teil, § 4 Verfassungsrechtliche Kriterien für Einordnung eines Unternehmens
zitierten Entscheidung stark im Vordergrund.577 Sie ist schließlich Teil des Verfassungslebens und auch in der Literatur wird ihre Doppelnatur betont.578 In jedem Fall ist aber von besonderem Interesse, dass das VerfGRF bei der Frage der direkten Bindung an die Grundrechte über die Rechtsform hinwegsieht und trotz der gesellschaftlichen Form eine direkte Bindung annimmt. Dabei werden der Partei ihre eigenen Grundrechte jedoch nicht abgesprochen. Das Problem einer Kollision aus Grundrechtsverpflichtung und -berechtigung wird nicht thematisiert. Für die Frage nach der Drittwirkung von Grundrechten werden von der russischen Literatur gerne Entscheidungen des EuGH zu staatlich beherrschten Unternehmen herangezogen.579 Diese sind aus verschiedenen Gründen wenig aussagekräftig. Zum einen handelt es sich bei diesen Unternehmen gerade nicht um einfache Private. Vielmehr steht die Frage im Raum, ob diese als staatliche Organisationen qualifiziert werden können.580 Daher behandeln die Urteile weniger die Frage, ob eine horizontale Wirkung gegeben ist, sondern wann ein privatrechtliches Subjekt dem Staat und damit dessen Bindungen zugeordnet wird. Zudem handelt es sich bei den zitierten Entscheidungen meist um Fragen nach der Wirkung von Richtlinien, nicht aber von Grundrechten. (3) Die Literaturstimmen Der Terminus der „Grundrechtsbindung“ oder „Grundrechtsverpflichtung“ ist in der russischen Literatur ungebräuchlich. Stattdessen befasst man sich mit der „verfassungsrechtlichen Verantwortung“,581 die sich auch aus Grundrechten ergeben kann und die grundsätzlich auch natürliche Personen erfasst.582 Allerdings darf hieraus nicht auf die Grundrechtsbindung der Bürger geschlossen werden, da der Begriff der „verfassungsrechtlichen Verantwortung“ mit Art. 15 Abs. 2 VerfRF in Zusammenhang steht und viel breiter gefasst ist als derjenige der „Grundrechtsbindung“.583 577
So auch Dolzˇnikov, Sravnitel’noe konstitucionnoe obozrenie 2012, Nr. 6. Vgl. etwa Erygin, Konstotucionnoe i municioal’noe pravo 2015, Nr. 12. 579 Dolzˇnikov, Sravnitel’noe konstitucionnoe obozrenie 2012, Nr. 6. 580 EuGH, BeckEuRS 1990, 165591. 581 Das klassische Lehrbuch von Kozlova/Kutafin (Hrsg.), Konstitucionnoe pravo, behandelt auf S. 33 – 57 ausschließlich die verfassungsrechtliche Verantwortung; vgl. auch Grosˇuljak, Konstitucionnoe n vunicipal’noe pravo 2009, Nr. 24. 582 Berger, Osteuropa, Band 59, 2013, S. 336 ff., stellt den Zusammenhang zwischen verfassungsrechtlicher Verantwortlichkeit und horizontaler Grundrechtsbindung her, lehnt im Ergebnis aber jedenfalls die Aktivlegitimation ab; vgl. S. 341. 583 Die russische Vorstellung von der Übertragung des allgemeinen Instituts des Rechts der Verantwortlichkeit stößt ohnehin an seine Grenzen. Insbesondere der dazu gehörende Schuldbegriff ist nicht anwendbar oder übertragbar, wenn etwa ein Gesetz der Duma für verfassungswidrig erklärt wird; vgl. hierzu Grosˇuljak, Konstitucionnoe n vunicipal’noe pravo 2009, Nr. 24. Auch wird selbst von den Vertretern dieses Ansatzes nicht die individuelle, sondern nur die massenhafte Grundrechtsverletzung vom Begriff der „verfassungsrechtlichen Verantwortung“ erfasst; vgl. Grosˇuljak, Konstitucionnoe n vunicipal’noe pravo 2009, Nr. 24. 578
A. Die Grundrechte als Abgrenzungskriterium
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Die Frage, ob Grundrechte auch Bürger binden können, d. h. die Frage der Drittwirkung, wird in der russischen Literatur584 typischerweise weder im Verfassungsrecht noch im Zivilrecht gestellt.585 Im internationalen Privatrecht wird ein gewisses Zusammenspiel verfassungsrechtlicher und privatrechtlicher Normen zwar teilweise begrüßt;586 eine unmittelbare horizontale Wirkung wird aber abgelehnt,587 und auch eine mittelbare Wirkung wird nur sehr begrenzt für zulässig erachtet.588 Gerade die Ausweitung des Kreises der Adressaten würde zu einer nicht gewollten Verwischung der Rechtsgebiete führen und die Autonomie und Freiheit der Bürger erheblich beschränken und bedrohen.589 bb) Die mittelbare Grundrechtsbindung Während einige Autoren in die Richtung einer mittelbaren Wirkung der Grundrechte zu tendieren scheinen590, lehnen viele Literaturstimmen sowie auch Richter eine Konstitutionalisierung des Privatrechts ab.591 Ein Verständnis der mittelbaren Wirkung nach deutscher Lesart, die in ihrer Intensität beinahe der unmittelbaren nahekommt, d. h. die Vorstellung eines Richters, der kein grundrechtswidriges Privatrechtsurteil aussprechen darf, ist der russischen Dogmatik bisher fremd. Hierfür spricht auch, was bereits oben festgestellt wurde: Die falsche Anwendung eines Gesetzes durch das Gericht ist nicht Gegenstand der individuellen Verfassungsbeschwerde. Die Schutzpflicht des Staates wird trotz der in Art. 18 VerfRF formulierten umfänglichen Verpflichtung des ganzen Staats geläufig fast ausschließlich auf den Gesetzgeber, aber nicht auf den Richter bezogen. Vereinzelte Stimmen sprechen sich jedoch dafür aus, dass die ordentlichen Gerichte bei ihren Entscheidungen die Grundrechte stärker beachten sollten.592 Das ZGBRF enthält bereits viele imperative Normen sowie Generalklauseln, die eine Öffnung für ver-
584 Siehe aber den rechtsvergleichenden Ansatz von Berger, die die Bindung der Bürger an die Grundrechte ausgehend von der Vorstellung der VerfRF als “einzig logische Folge“ bezeichnet; vgl. Berger, Die Bindung der Bürger, S. 212. 585 Als einziger formuliert Dolzˇnikov, Sravnitel’noe konstitucionnoe obozrenie 2012, Nr. 6, in Rezeption des deutschen und anglo-amerikanischen Rechts die Problematik der Drittwirkung und horizontalen Wirkung bzw. der state actions. 586 Muranov, Rossijskij ezˇ egodnik mezˇ dunarodnogo prava 2003, S. 162 – 186. 587 So auch Dolzˇnikov, Sravnitel’noe konstitucionnoe obozrenie 2012, Nr. 6. 588 Chodykin, in: Lebedev (Hrsg.), Aktual’nye problemy, S. 238 – 259, insbes. S. 251. 589 Vgl. hierzu das Sondervotum des Richters Kononov zu VerfGRF U. v. 19. 12. 2005, Nr. 12, GSRF 2006/3/335; vgl. auch Dolzˇnikov, Sravnitel’noe konstitucionnoe obozrenie 2012, Nr. 6. 590 Vgl. die Nachweise bei Berger, Bindung der Bürger, S. 108. 591 Vgl. das Sondervotum des Richters Aranovskij zu VerfGRF, U. v. 22. 11. 2011, Nr. 25, GSRF 2011/49/7333. 592 So Dolzˇnikov, Sravnitel’noe konstitucionnoe obozrenie 2012, Nr. 6.
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1. Teil, § 4 Verfassungsrechtliche Kriterien für Einordnung eines Unternehmens
fassungsrechtliche Wertungen bewirken können.593 Zudem wurde durch die Reform des ZGBRF der Grundsatz von Treu und Glauben aufgenommen, der Spielraum für die mittelbare Grundrechtsgeltung eröffnet.594 Allerdings entspricht dies – anders als in europäischen Ländern – bisher nicht der russischen Tradition.595 Für eine zumindest mittelbare Wirkung der Grundrechte spricht letztlich Art. 17 Abs. 3 VerfRF, der als verfassungsimmanente Schranke die Grundrechte anderer enthält. Faktisch soll also ein Gleichklang erzeugt, d. h. praktische Konkordanz hergestellt werden. Teilweise wird insofern von der Balance der Interessen und Rechte gesprochen.596 Zudem streitet die im Vordergrund stehende Schutzpflichtenfunktion des Staates, die in der Argumentation des VerfGRF sowie der Literaturstimmen bisweilen die Eingriffsfunktion überwiegt,597 dafür, dass die Grundrechte nicht nur dem Staat gegenüber zu verteidigen sind, sondern auch vor Übergriffen der Bürger geschützt werden müssen.598 Allerdings trägt der Staat allein Sorge dafür, dass die Grundrechte durchgesetzt und verwirklicht werden. Die entscheidende Rolle nimmt also der Gesetzgeber als Garant ein. Diese herausragende Position des Staates im Grundrechtsschutz könnte daher auch als Indiz dafür gewertet werden, dass die Bürger selbst nicht direkt auf Grundlage der Verfassung an die Grundrechte gebunden sind,599 sondern erst über konkretisierende Gesetze in Anspruch genommen werden. Jedenfalls gehen trotz der direkten Geltung der Grundrechte durch die Verfassung sowohl der russische Gesetzgeber als auch das VerfGRF den Weg der starken gesetzlichen Regulierung, um Grundrechten im Privatrechtsverhältnis zur Wirkung zu verhelfen.600
593 Vgl. etwa „die Grundlagen der Rechtsordnung und der Sittlichkeit“, Art. 169 ZGBRF; zu betrachten ist auch die Gesetzgebung zu Erbschaftsfragen; vgl. hierzu Dolzˇnikov, Sravnitel’noe konstitucionnoe obozrenie 2012, Nr. 6. 594 Vgl. Art. 1 Abs. 3 ZGBRF; vgl. hierzu S. 2: http://www.ostinstitut.de/documents/Re form_des_ZGB_Vers_31.1._fin.pdf [zuletzt aufgerufen am 09. 07. 2016]. 595 So auch Dolzˇnikov, Sravnitel’noe konstitucionnoe obozrenie 2012, Nr. 6. 596 Dolinskaja, Rossijskaja justicija 2006, Nr. 2. 597 Vgl. Ignatov/Belokovyl’skij, Advokat 2012, Nr. 5; Kudrjavcev, Rossijskij sledovatel’ 2012, Nr. 24. 598 So auch Berger, Die Bindung der Bürger, S. 105 f. 599 Schön zeigt sich der doppelte Auftrag des Staates bei den Prozessrechten: Zum einen muss er ungerechtfertigte staatliche Eingriffe unterlassen (Abwehrfunktion), zum anderen hat er seiner Schutzfunktion nachzukommen; VerfGRF, B. v. 18. 01. 2005, Nr. 131, GSRF 2005/2/ 2424. 600 In VerfGRF, U. v. 20. 12. 2011, Nr. 29, etwa betont das VerfGRF die Notwendigkeit starker gesetzlicher Regulierung in der die Allgemeinheit stark betreffenden Sphäre des Flugtransportes. Dabei geht es um staatliche dominierte Gesellschaften.
A. Die Grundrechte als Abgrenzungskriterium
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cc) Eigene Stellungnahme Im Ergebnis sind die Bürger unmittelbar aus der Verfassung verpflichtet, die Grundrechte einzuhalten und zu achten.601 Die Inpflichtnahme Privater über einfache, die Grundrechte konkretisierende Gesetze ist unzureichend. Dem Richter sollte die Verantwortung zukommen, die Grundrechte über Generalklauseln etc. zu berücksichtigen und der Schutzpflicht bei Urteilen nachzukommen. Es bleibt aber die Zweckbestimmung des Staates, den gesellschaftlichen Konsens und Frieden herzustellen.602 Daher sollte die Grundrechtsverpflichtung des Bürgers grundsätzlich nur als Schranke der eigenen Grundrechtsausübung verstanden werden. Ansonsten würden Art. 2 VerfRF und der Wert des Individuums und der Freiheit durch zu große Beschränkungen ausgehöhlt.603 Letztlich ist jedenfalls die unmittelbare Grundrechtsbindung der gesellschaftlichen Akteure auf die Situation der Schaffung einer grundrechtstypischen Gefährdungslage zu beschränken. Damit ist es für die Grundrechtsbindung als solche aber irrelevant, ob ein Subjekt dem Staat oder der Gesellschaft zuzuordnen ist, da die Frage der Verpflichtung – anders als die der Staatlichkeit oder Gesellschaftlichkeit – funktional bestimmt wird.604 d) Die Grundrechtsbindung im Zusammenhang mit der EMRK in Russland Die EMRK entfaltet – wie oben festgestellt – keine unmittelbare Wirkung für Private. Die Verpflichtung richtet sich nur an Regierungsorganisationen, die über positive Pflichten die Grundrechte auf Privatrechtsebene gewährleisten.605 Für die Frage der Einordnung eines Subjekts als staatlich, d. h. als Regierungsorganisation, und damit für die Frage nach der Grundrechtsgebundenheit setzt der EGMR dabei auf funktionale Kriterien.606 e) Zwischenergebnis Die funktionale Verwaltung wird in Russland nicht für unmittelbar grundrechtsgebunden erachtet. Fraglich ist daher, ob an der Grundrechtsbindung festgemacht werden kann, dass ein Subjekt der staatlichen Sphäre zugeordnet werden kann. Denn das gälte nur für die RF, ihre Subjekte, die Kommunen und die Staatsorgane bzw. die Organe der kommunalen Selbstverwaltung. Unabhängig davon scheidet die Grundrechtsbindung als Kriterium der Staatlichkeit jedenfalls aus, da die Bürger 601 So auch Abak’jan, Konstitucionnoe pravo, 4. Aufl., S. 797; vgl. auch Berger, die Bindung der Bürger, S. 105 f. 602 In diese Richtung wohl auch Berger, Osteuropa, Band 59, 2013, S. 336. 603 Siehe in diese Richtung Berger, Osteuropa, Band 59, 2013, S. 339 ff. 604 Die Frage der Staatlichkeit ist nur für die Grundrechtsberechtigung wichtig, also dafür, ob ein Subjekt eigene Grundrechte in der Abwägung entgegenhalten kann. 605 Siehe oben unter § 4 A. I. 2. c) bb). 606 Siehe oben unter § 4 A. I. 1. f) aa) (3).
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1. Teil, § 4 Verfassungsrechtliche Kriterien für Einordnung eines Unternehmens
nach Art. 15 Abs. 2, 17 Abs. 3, 18 Abs. 1 VerfRF Adressaten der Grundrechte sind.607 Im Ergebnis sollte die Frage der Grundrechtsbindung unabhängig von der Frage der Staatlichkeit anhand funktionaler Kriterien entschieden werden. Die in Russland praktizierte Grundrechtsbindung der Rechtssubjekte, die Rechte und Freiheiten anderer strukturell gefährden und daher eine grundrechtstypische Gefährdungslage schaffen, ist nach der hier vertretenen Ansicht nicht ausreichend über konkretisierende Gesetze allein zu gewährleisten.
III. Zusammenfassung und Vergleich In Deutschland sind nur Personen grundrechtsberechtigt, die der gesellschaftlichen Sphäre angehören. Der Staat kann sich nicht auf solche Freiheiten berufen. Damit kennzeichnet die Grundrechtsberechtigung die gesellschaftliche Sphäre. Allerdings ist ein Rückschluss von der Grundrechtsberechtigung einer juristischen Person auf ihre Gesellschaftlichkeit nur in Ausnahmefällen möglich, da die wesensgemäße Anwendbarkeit der Grundrechte auf juristische Personen ihrerseits von der Zuordnung einer Person zur Gesellschaft abhängt, so dass ein Zirkelschluss vorliegt. Das Merkmal der Grundrechtsgebundenheit eignet sich nicht zur Abgrenzung der Sphären voneinander. Denn nicht nur der Staat hat Grundrechte zu beachten, sondern auch Bürger sind mittelbar insbesondere durch die Schutzpflichten des Richters an sie gebunden. Zudem kann die Rechtsfolge der Gebundenheit auf Private übertragen werden, wenn diese aufgrund tatsächlichen Machtgefälles eine grundrechtstypische Gefährdungslage für andere Private schaffen. Mit anderen Worten ist an Grundrechte gebunden, wer staatlich ist, doch nicht zwingend staatlich, wer der Grundrechtsbindung unterliegt. In Russland erscheint die Rechtsprechung zur Grundrechtsberechtigung und -bindung des Staates und der Gesellschaft widersprüchlich. Eine Norm wie die des Art. 19 Abs. 3 GG existiert nicht. Zwar soll es für die Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen – ebenso wie nach der Rechtsprechung des BVerfG – auf die wesensgemäße Anwendbarkeit der Grundrechte ankommen, wobei auf die kollektive Grundrechtsentfaltung der natürlichen Personen abgestellt wird. Im Ergebnis kann sich jedoch auch der Staat oftmals auf Grundrechte berufen. Die Grundrechtsberechtigung scheint die gesellschaftliche Sphäre – anders als in Deutschland – nicht zu kennzeichnen. Dabei verzichtet der russische Ansatz auf die strenge Trennung zwischen Berechtigtem und Gebundenem. Vielmehr tritt der Staat in verschiedenen Rollen auf. Die Berechtigung erfasst ihn nur in seiner Rolle als gleichberechtigtes Wirtschaftssubjekt, das den anderen Subjekten gleichgestellt ist. Nur wenn der Staat „quasi“ Teil der Gesellschaft ist, sein gesellschaftliches Gewand überwirft, kann er sich auf Grundrechte berufen. Insofern lässt sich vertreten, dass auch in Russland nur 607 Berger, Osteuropa, Band 59, 2013, S. 340, verneint zwar die Aktivlegitimation, bejaht aber wohl die Grundrechtsbindung der Bürger; zumindest stellt sie dem vertikalen deutschen Verfassungsverständnis ein „flaches“ (S. 341) gegenüber.
A. Die Grundrechte als Abgrenzungskriterium
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die Gesellschaft grundrechtsberechtigt ist. Die Möglichkeit des Staates, sich als Teil der Gesellschaft zu gerieren – und damit die Möglichkeit seiner Grundrechtsberechtigung –, wird durch die Literatur immer mehr eingeschränkt. Dieser Tendenz gilt es ebenso zu folgen. Zur Identifikation der staatlichen Subjekte kann die unmittelbare Grundrechtsbindung aber auch in Russland nicht herangezogen werden. Wollte man diesen Maßstab anlegen, beschränkte sich die Staatlichkeit auf die öffentlich-rechtlichen Gebilde und deren Organe. Höchst interessant ist dabei, dass die Konstruktion der Schutzpflichten in Russland tief im Verfassungstext und der Tradition verankert ist. Die Grundrechte sind – anders als nach deutscher Tradition – nicht nur gegen Übergriffe des Staates gerichtet, sondern schützen auch die Bürger untereinander. Die Verfassung wird weniger als eine vertikale Regelung nur zwischen dem Staat und der Gesellschaft, sondern vielmehr als eine gesellschaftliche Satzung verstanden.608 Daher sind gesellschaftliche Akteure ebenfalls Adressaten der Grundrechte. Der Staat kommt seiner Schutzpflicht beinahe ausschließlich im Wege der Gesetzgebung nach, was dazu führt, dass die Grundrechtspflichten den Bürger nur in Formen „umgesetzten“ einfachen Rechts treffen. Entgegen der bisherigen Praxis, die auf gesetzliche Konkretisierungen setzt, sollten im Zweifel auch im Privatrechtsverhältnis unter Berufung auf Grundrechte die kollidierenden Positionen Privater vor Gericht abgewogen werden. Allerdings sollte die unmittelbare Wirkung der Grundrechte unter Privaten – ebenso wie in Deutschland – auf Fälle beschränkt werden, in denen von Privaten strukturelle Grundrechtsgefährdungen ausgehen. Ansonsten würde die Freiheit als primäres Merkmal der Gesellschaft zu sehr beschnitten. Daher sind Bestrebungen einiger Literaturstimmen, private Subjekte mit staatlichen Funktionen an Grundrechte zu binden, zu begrüßen. Dieser russische Ansatz erscheint gegenüber der deutschen Lehre, die Personen mit staatlichen Funktionen allein wegen des praktischen Bedürfnisses des Grundrechtsschutzes zum Teil des Staates erklären will, vorzugswürdig. Folgt man den einzelnen Literaturstimmen in Russland, welche die Gesellschaftlichkeit des Staates und damit seine Grundrechtsberechtigung ablehnen, dann kann nach hier vertretener Ansicht für Russland und Deutschland ein einheitlicher Ansatz gewählt werden: Die Grundrechtsberechtigung stellt ein notwendiges und hinreichendes Kriterium der Gesellschaftlichkeit einer Person dar. Welche Subjekte grundrechtsberechtigt sein sollen, ist aus sich heraus jedoch schwer zu beurteilen. Allein eine negative Bestimmung im Sinne des Ansatzes vom „Durchgriff auf den Staat“ erscheint sinnvoll: Auf Grundrechte kann sich berufen, wer nicht staatlich ist. Hierfür spricht auch der Ansatz des EGMR, der nicht-staatliche Organisationen in Abgrenzung zum Staat beschreibt. Damit gilt es, die Staatlichkeit zu identifizieren. Dies gelingt nicht anhand des Kriteriums der Grundrechtsbindung. Denn auch bezüglich der Grundrechtsbindung wird im Ergebnis in Deutschland wie in Russland unabhängig von der Staatlichkeit eines Rechtssubjekts auf die Schaffung einer 608
Vgl. Berger, Osteuropa, Band 59, 2013, S. 341.
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1. Teil, § 4 Verfassungsrechtliche Kriterien für Einordnung eines Unternehmens
grundrechtstypischen Gefährdungslage abgestellt. Somit gilt es, ein anderes Kriterium für die Staatlichkeit und – im Umkehrschluss – für die Gesellschaftlichkeit von Subjekten zu finden.
B. Das Demokratieprinzip und die demokratische Legitimation als Abgrenzungskriterium I. Die Situation in Deutschland Im Folgenden soll die These überprüft werden, dass die am Prinzip der demokratischen Legitimation orientierte Beherrschung eines Unternehmens nicht nur als ein verfassungsrechtliches Erfordernis Folge davon ist, dass das Verhalten bzw. Handeln des Unternehmens dem Staat zugerechnet werden soll. Nach der hier vertretenen These soll vielmehr die den Anforderungen des Demokratieprinzips entsprechende Beherrschung des Unternehmens durch den Staat Voraussetzung für dessen Staatlichkeit sein. Denn nach Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG geht alle Staatsgewalt vom Volke aus. Das heißt, dass nur ein Handeln, das auf den Volkswillen rückführbar und von diesem getragen ist, dem Staat zugerechnet werden kann. Der Handelnde ist nur dann als Teil des Staates zu begreifen, wenn er in seiner Willensbildung vom Souverän beherrscht wird. 1. Der bestimmende staatliche Einfluss als Abgrenzungskriterium In Literatur und Rechtsprechung findet sich mitunter die Auffassung, bei der Bestimmung der Staatlichkeit eines Unternehmens in Abgrenzung zur gesellschaftlichen Sphäre solle es auf den „bestimmenden Einfluss“ durch den Staat ankommen.609 Dieser wird meist durch das dem Wirtschaftsrecht entstammende Kriterium der Beherrschung konkretisiert. Mit der Beherrschung eines Unternehmens geht eine Beeinflussbarkeit einher und damit ein Durchblick auf das dahinterstehende staatliche „Muttergemeinwesen“.610 Besonders Schuppert hat die Vorstellung geprägt, dass die Bestimmungsmacht des Staates über die Einordnung eines gemischtwirtschaftlichen Unternehmens in die staatliche oder gesellschaftliche Sphäre entscheide.611 Die von der öffentlichen Hand beherrschten privatrechtlichen Orga-
609 So wohl auch BVerfG, NJW 1990, S. 1783; vgl. auch BGHZ 91, S. 84 = NJW 1995, S. 197 ff.; demnach begegnet die Verwaltung dem Bürger „[i]n Gestalt eines von der Verwaltung beherrschten, privatrechtlich verfassten Rechtssubjekts“; so BGHZ 84, S. 97; vgl. Storr, Staat als Unternehmer, S. 243 f.; Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 93 mit w.N. in Fn. 300. 610 Vgl. Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 94. 611 Schuppert, Erfüllung öffentlicher Aufgaben, S. 168 f., 173.
B. Demokratieprinzip und demokratische Legitimation als Abgrenzungskriterium 287
nisationen bezeichnet er als „quasi-staatliche Einheiten“.612 Wenn die öffentliche Hand ihre Interessen und Zielvorstellungen durchzusetzen in der Lage ist, kann nach diesem Ansatz das Unternehmen nicht dem gesellschaftlichen Wirkungsfeld zugeschrieben werden.613 Auch wenn externe Beeinflussungsmöglichkeiten etwa auf vertraglicher Basis diskutiert würden,614 so bewirke gerade die interne Bestimmungsmacht des Staates als entscheidendes Merkmal die Staatlichkeit eines Unternehmens.615 In diesem Zusammenhang wird teilweise ein institutionalisiertes Verflochtensein, also ein „Hineinwachsen in den staatlichen Bereich“616, gefordert, damit die Unternehmen als verselbstständigte Verwaltungsträger gelten können.617 Demnach soll die Beherrschung des Unternehmens dazu dienen, die „zureichende institutionelle Anbindung an das Muttergemeinwesen“618 herzustellen. Wird die interne Beherrschung in der Literatur zum Teil an starre Anteilsgrenzen wie 25 %619 oder erst 75 % der Aktien geknüpft,620 fordern andere Stimmen, im Rahmen einer Gesamtschau621 zu ermitteln, inwieweit der Staat tatsächlich Einfluss ausüben könne.622 Schließlich seien angesichts der Möglichkeit stimmrechtsloser Aktien auf der einen Seite und goldener Aktien auf der anderen nicht nur der Aktienanteil als solcher, sondern gerade die damit verbundenen Rechte ausschlaggebend.623 Bei einer Minderheitsbeteiligung wird erwogen, auf den gesetzlich oder satzungsrechtlich dokumentierten Willen abzustellen, bestimmenden Einfluss auszuüben. Hierfür könnten bereits Sonderrechte des Staates wie goldene Aktien sprechen.624 Nach Gurlit ist zu überlegen, ob „erst recht – oder nur – bei tatsächlichen Steuerungsmöglichkeiten von vollziehender Gewalt zu sprechen ist.“625 612
Vgl. hierzu Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 94. So Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 160, allerdings ausdrücklich nur für gemischtwirtschaftliche Unternehmen. 614 Schuppert, Erfüllung öffentlicher Aufgaben, S. 170. 615 Schuppert, Erfüllung öffentlicher Aufgaben, S. 167. 616 Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 95; vgl. auch Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 243 f.; vgl. vor allem Schuppert, Erfüllung öffentlicher Aufgaben, S. 167. 617 Vgl. Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 93; dagegen sprechen sich vor allem Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 119 ff., sowie Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 248 ff., aus. 618 Gurlit, NZG 2012, S. 249, 252. 619 Maser, Grundrechte, S. 158 ff., insb. S. 159. 620 Pfeifer, Steuerung, S. 20. 621 Krüger, DÖV 2012, S. 837, 841 mit w.N. 622 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 162 mit w.N.; dagegen vor allem Scholz, FS Lorenz, S. 213; Koppensteiner, NJW 1990, S. 3109; Kühne, JZ 1990, S. 336. 623 Vgl. Krüger, DÖV 2012, S. 837, 841 f. 624 Gurlit, NZG 2012, S. 253. 625 Gurlit, NZG 2012, S. 253, mit Verweis auf die Transparenzrichtlinie und den „,Entsprechungszusammenhang‘ von grundrechtsgebundener und legitimationsbedürftiger vollziehender Gewalt“. 613
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Das BVerfG verweist in seiner jüngeren „Fraport-Entscheidung“ zwar auf den Beherrschungsbegriff der §§ 16, 17 AktG sowie die Richtlinie 2004/109/EG.626 Dabei lässt es offen, ob zur Anteilsmehrheit in bestimmten Fällen weitere Kriterien hinzutreten müssen,627 lehnt ein Abstellen auf konkrete Einwirkungsbefugnisse der öffentlichen Hand aber explizit ab.628 Vielmehr soll es auf eine Gesamtverantwortung für das Unternehmen ankommen,629 wie auch immer sich diese äußern mag. Der BayVerfGH dagegen geht von der Verantwortung des Staates für ein Unternehmen im Falle konkreter Einflussmöglichkeiten aus und unterwirft ein derart beherrschtes gemischtwirtschaftliches Unternehmen der parlamentarischen Kontrolle.630 Damit stellt er einen Zusammenhang zwischen der Beherrschung und dem Demokratieprinzip her. 2. Das Demokratieprinzip als Maßstab des bestimmenden staatlichen Einflusses Ob das Unternehmen staatlich oder gesellschaftlich ist, hängt nach der hier vertretenen Position davon ab, wer den Willen des Unternehmens steuert. Wird das Handeln eines Unternehmens vom Willen des Volkes als dem Souverän gesteuert, so ist das Handeln der Staatsgewalt zuzurechnen und die handelnde Person in der staatlichen Sphäre zu verorten. Denn nach Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG geht alle Staatsgewalt vom Volke aus. Die Person wird zu dem fremdbestimmten Instrument des Souveräns. Insofern steht der hier vertretene Ansatz mit den Literaturstimmen in Einklang, die auf den realen bestimmenden Einfluss des Staates abstellen. Dafür sprechen schon ganz allgemeine Überlegungen und Anleihen aus anderen Rechtsgebieten: Für die Bestimmung der Verantwortlichkeit kommt es nicht so sehr darauf an, welche Person eine Handlung ausführt, sondern wessen Wille dabei zum Tragen kommt. So stellen die zivilrechtlichen Stellvertreterregeln bei der Frage eventueller Wissensund Willensmängel nicht auf den Vertreter, sondern den Hintermann ab, wenn der Abschluss eines Geschäfts auf der Entschließung des Letzteren beruht, der durch Weisungen den Vertreter steuert.631 Ebenso ist im Strafrecht die Figur des mittelbaren Täters bekannt, der den Vordermann insbesondere durch Willens- und Wissensüberlegenheit zu seinem Instrument macht.632 Anleihe wird auch bei der „Werkzeug626
Richtlinie 2004/109/EG v. 15. 12. 2004, ABl. L 390, S. 38. BVerfG, NJW 2011, S. 1203, Rn. 53 = BVerfGE 128, S. 226 ff. 628 BVerfG, NJW 2011, S. 1203, Rn. 54 = BVerfGE 128, S. 226 ff. 629 BVerfG, NJW 2011, S. 1203, Rn. 54 = BVerfGE 128, S. 226 ff.; auf die „Gesamtverantwortung“ für das Unternehmen stellt wie das BVerfG auch Gurlit, NZG 2012, S. 253, ab, ohne dies näher zu begründen. 630 BayVerfGH, NVwZ 2007, S. 204 ff. 631 Schubert, MüKo BGB, § 166 BGB, Rn. 56 ff. 632 Vgl. Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder (Hrsg.), § 25 StGB, Rn. 7 ff. 627
B. Demokratieprinzip und demokratische Legitimation als Abgrenzungskriterium 289
Konstruktion“ des BGH im Staatshaftungsrecht genommen, der für die Verantwortlichkeit des Amtsträgers für einen dazwischengeschalteten Privaten darauf abstellt, ob der Amtsträger in solchem Maße auf den Dritten Einfluss genommen hat, dass ihm die Handlungen zugerechnet werden können.633 Freilich geht es bei der hier behandelten Fragestellung nicht darum, die Verantwortlichkeit zwischen zwei Personen zu bestimmen. Die Konstellation ist aber insofern ähnlich, als ebenfalls fraglich ist, wann der Staat „hinter der AG steht“, sie zu seinem „verlängerten Arm“634 macht und die Maßnahmen der AG deswegen dem Staat zugeschrieben werden. Der Maßstab des „staatlichen“ Einflusses kann aber nicht frei gegriffen werden, sondern ist der Verfassung zu entlehnen. Der Begriff des „bestimmenden Einflusses“ ist im Lichte des Demokratieprinzips zu interpretieren, das als Organisationsprinzip die staatliche Sphäre durchzieht. Art. 20 Abs. 2 S. 1, 2 GG fordert, dass alle Akte staatlicher Gewalt vom Willen des Volkes ausgehen und diesem gegenüber verantwortet werden.635 Der demokratische Legitimationsbegriff bezieht sich nicht auf den Staat als solchen, sondern auf das staatliche Handeln aller drei Gewalten. Der Zurechnungszusammenhang zwischen dem Legitimationssubjekt Staatsvolk und dem Objekt der Legitimation, der staatlichen Machtausübung, wird bezüglich der Legislative durch direkte Wahlen erreicht. Eine konkrete Rückbindung der Exekutive an den Willen des Volkes kann durch organisatorisch-personelle und inhaltlichsachliche Legitimationsformen erreicht werden. Eine Einschränkung bezüglich der Handlungs- und Organisationsform besteht nicht. Nach der hier vertretenen Auffassung unterliegt auch privaterwerbswirtschaftliches, rein fiskalisches Handeln der Verwaltung der demokratischen Legitimation nach Art. 20 Abs. 2 GG,636 jedenfalls sofern es Entscheidungscharakter trägt.637 Denn das Demokratieprinzip knüpft nur an das Vorliegen von Staatsgewalt an. Diese liegt aber auch bei fiskalischem Handeln vor.638 Das heißt, dass das Handeln des Unternehmens nur dann dem Staat zugerechnet werden kann und das Unternehmen in der staatlichen Sphäre zu verorten ist, wenn das Handeln des Unternehmens auf den Willen des Volkes als den Souverän, von dem alle Staatsgewalt ausgeht (Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG), rückführbar ist. Entsprechend 633
Vgl. BGH, NJW 1994, S. 1468 ff.; Spannowsky überträgt diese Konstruktion ebenfalls auf öffentliche Unternehmen, kritisiert aber, dass es nicht darauf ankomme, wie viel Einfluss tatsächlich genommen wurde, sondern ob Ingerenzpflichten bestanden hätten, d. h., ob Einfluss genommen werden hätte müssen; vgl. Spannowsky, ZGR 1996, S. 416. 634 Vgl. zu diesem Ausdruck Spannowsky, ZGR 1996, S. 410. 635 Vgl. Voßkuhle/Kaiser, JuS 2009, S. 803. 636 Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR II, § 24, Rn. 13; Grzeszick, in: Maunz/ Dürig (Hrsg.), Art. 20 GG, Rn. 96. 637 Nach Gersdorf unterliegen rein beratende und vorbereitende Akte nicht der Legitimation; vgl. Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 48 f. 638 Vgl. eingehend Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 48.
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muss der „staatliche“ Einfluss, die „staatliche“ Bestimmung und Herrschaft über das Unternehmen ein Maß erreichen, das genügt, um das Handeln des Unternehmens als vom Willen des Volkes getragen und anzusehen. Dies bedeutet aber auch, dass das Handeln des Staates, wenn er entsprechenden Einfluss ausübt, vom Volkswillen getragen sein muss. Im Ergebnis ist das Unternehmen der staatlichen Sphäre zuzurechnen, wenn über demokratisch legitimierte Staatsgewalt derart Einfluss auf die Willensbildung und -betätigung des Unternehmens genommen wird, dass das Handeln des Unternehmens vom Volkswillen getragen wird und seine Entscheidungen über Legitimationsketten auf die Volksvertreter und letztlich den Volkswillen rückführbar sind. 3. Die Auseinandersetzung mit verwandten Literaturansätzen a) Der Ansatz der demokratischen Legitimationsbedürftigkeit gemischtwirtschaftlicher Unternehmen aa) Die Darstellung des Ansatzes Die hier vertretene Ansicht weist eine gewisse Nähe zu dem von Gersdorf entwickelten Ansatz auf. Dieser stellt für die Zuordnung gemischtwirtschaftlicher Unternehmen zur staatlichen Sphäre auf die bestimmende staatliche Einflussnahme ab. Seiner Ansicht nach, kann für die Einordnung eines Unternehmens in die staatliche Sphäre sehr wohl auf das Kriterium der bestimmenden Einflussnahme abgestellt werden. Dabei betont er wiederholt, dass der Staat verpflichtet sei, bestimmenden Einfluss auf die gemischtwirtschaftlichen Gesellschaften auszuüben und das Unternehmen so zu „einem demokratisch legitimationsbedürftigen Stück Staat werden zu lassen.“639 Das Demokratieprinzip verbiete es der öffentlichen Hand nämlich, „sich dem beherrschenden Einfluss Privater zu unterwerfen und damit die von Verfassungs wegen erforderliche ununterbrochene Legitimationskette zu durchbrechen. Nicht nur der Anteil der öffentlichen Hand, sondern das gemischtwirtschaftliche Unternehmen als solches ist – infolge der staatlichen oder kommunalen Beteiligung – Gegenstand des verfassungsrechtlichen Erfordernisses demokratischer Legitimation.“640 Dabei gehe das Legitimationsbedürfnis so weit, dass jede Einzelentscheidung auf dem demokratisch legitimierten Willen rückführbar sein müsse. Eigengesellschaften dagegen zählt er dagegen unabhängig von der konkreten staatlichen Einflussnahme bereits auf Grund staatlicher Trägerschaft per se zur staatlichen Gewalt. Denn eine nicht grundrechtsfähige Person könne niemals eine 639 640
Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 160. Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 161.
B. Demokratieprinzip und demokratische Legitimation als Abgrenzungskriterium 291
berechtigte Person erschaffen.641 Die nähere Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Unternehmen und Träger soll dabei ebenso unerheblich sein wie die Möglichkeit der Einflussnahme.642 Ein Entlassen einer Eigengesellschaft in die gesellschaftliche Sphäre sei nicht möglich. Die Pflicht des Staates zur Einflussnahme sei zwingende Folge der Staatlichkeit des Unternehmens, über die der Staat bei Eigengesellschaften nicht verfügen dürfe. bb) Die Kritik am Ansatz Problematisch ist die unterschiedliche Behandlung von gemischtwirtschaftlichen Unternehmen und von Eigengesellschaften. Die rein auf dem fragwürdigen anthropozentrischen Ansatz des BVerfG beruhende Begründung für die Staatlichkeit der Eigengesellschaften kann nicht überzeugen. Auf Grund der Wechselhaftigkeit der Anteilsverhältnisse erscheint es vielmehr sinnvoll, einen einheitlichen Ansatz zu wählen und alle Unternehmen auf hinreichende Fremdbestimmung durch den Staat zu überprüfen. Auch ein Entlassen der Eigengesellschaft in die gesellschaftliche Sphäre muss möglich sein, solange die Beteiligung als solche dem Rechtsstaatsprinzip entsprechend einen öffentlichen Zweck verfolgt und der Gesellschaftsgegenstand keine zwingende, d. h. verfassungsrechtlich vorgegebene Staatsaufgabe bildet. Wenn Gersdorf dem Staat zugesteht, öffentlich-rechtliche juristische Personen zu gründen und – auch losgelöst von einem verfassungsrechtlichen „Zugriffsverbot“ wie etwa bei Kirchen – diesen öffentlich-rechtlichen Personen einen „gesellschaftlichen Zweck zu implantieren und in die gesellschaftliche Sphäre autonomer Freiheitsentfaltung zu entlassen“643, dann muss dies erst recht für Eigengesellschaften gelten. Die Trägerschaft ist insoweit nicht entscheidend. Nicht überzeugen kann daher der Ansatz von Gersdorf, der Eigengesellschaften immer der staatlichen Sphäre zuordnet, in bestimmten Fällen (Art. 87e, f GG) allerdings eine verfassungsrechtliche Ausnahme vom Demokratieprinzip zulässt und den – angeblich – staatlichen Unternehmen einen Autonomiespielraum zugesteht.644 Konsequenterweise sind alle staatlichen Unternehmen an das Demokratieprinzip
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Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 111, 113. Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 114. 643 So Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 133. 644 So Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 212. Noch deutlicher wird dies angesichts der späteren Fortführungen des Ansatzes. Hatte Gersdorf zunächst die DB auf Grund ihrer staatlichen Trägerschaft für nicht grundrechtsberechtigt, auf Grund von Art. 87e Abs. 3 S. 1 GG aber auch nicht für grundrechtsverpflichtet gehalten (vgl. Gersdorf, BK, 4. Aufl., Art. 87e GG, Rn. 56; 5. Aufl., Art. 87e GG, Rn. 52), gesteht er mittlerweile der DB AG Grundrechte zu; vgl. Gersdorf, BK, 2010, Art. 87e GG, Rn. 53. Konsequenter wäre es, der DB die Staatlichkeit abzusprechen und den Ansatz zu verfolgen, der bezüglich gemischtwirtschaftlicher Unternehmen gelten soll. 642
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1. Teil, § 4 Verfassungsrechtliche Kriterien für Einordnung eines Unternehmens
gebunden.645 Sobald echte Autonomie gegeben wird, liegt keine Ausnahme vor, sondern das Unternehmen ist der gesellschaftlichen Sphäre anheimgegeben.646 Doch könnte für eine automatische, pauschale Einstufung von Eigengesellschaften als staatliche Akteure sprechen, dass die öffentliche Hand zumindest potentiell immer bestimmenden Einfluss nehmen kann. Daher könnten auch Eigengesellschaften bei reiner Erwerbstätigkeit ohne öffentliche Zweckverfolgung zur Verwaltung zu rechnen sein.647 Allerdings ist die juristische Person nur dann von dem Träger beherrscht, wenn dieser den Einfluss auch geltend macht. Es muss auf den Willen und die Willensbildung sowie Willensbetätigung der juristischen Person ankommen, nicht auf die Vermögenslage. Bei anteilsmäßiger Beherrschung durch den Staat ist es zwar sehr wahrscheinlich, dass eine Fremdbestimmung vorliegt. Jedenfalls ist sie möglich. Ob der staatliche Einfluss tatsächlich ausgeübt wird, ist dagegen eine Frage,648 die konkret untersucht werden muss. Auch bei Eigengesellschaften erübrigt sich diese Prüfung nicht automatisch. Denn die Vermögensbzw. Eigentumsverhältnisse sind allenfalls das Mittel zum Zweck und dem eigentlichen Kriterium der Fremdbestimmung nur vorgelagert. Im Ergebnis sind Eigengesellschaften und gemischtwirtschaftliche Unternehmen gleich zu behandeln.649 Nach Gersdorf folgt aus dem Demokratiegebot für den Staat als Aktionär, dass er das gemischtwirtschaftliche Unternehmen als solches unter „demokratische Kontrolle“ bringen und seinem Willen unterwerfen muss. Dies würde aber in letzter Konsequenz bedeuten, dass Minderheitsbeteiligungen des Staates, jedenfalls sofern der Staat nicht über einen hinreichenden Einfluss auf das Unternehmen verfügt, unzulässig wären. Der Staat dürfte sich nicht an Unternehmen beteiligen, wenn seine Beherrschung nicht gesichert wäre. Doch ist nicht nachvollziehbar, warum der Staat verpflichtet sein soll, alles Erdenkliche zu tun, um das Unternehmen „auf diese Weise zu einem demokratisch legitimierungsbedürftigen Stück Staat werden zu lassen.“650 Denn bis zur Beherrschung durch den Staat handelt es sich bei dem Unternehmen nicht um einen Teil des Staates. Folglich kann das Unternehmen auch nicht an das Demokratieprinzip gebunden sein. Gersdorf setzt leider in Tradition der Durchgriffsthese den staatlichen Anteil mit dem Unternehmen gleich und trennt nicht zwischen der legitimierungsbedürftigen staatlichen Beteiligungsentscheidung ei645 Auch nach Gurlit kann „[e]ine die Beherrschung ausschließende ,Privatautonomie‘ […] nicht durch Art. 87 Abs. 3 S. 1 oder 87e Abs. 3 S. 1 GG ,verliehen‘ werden“; vgl. Gurlit, NZG 2012, S. 253. 646 Eine andere Frage ist, ob immer derselbe Anspruch an das Legitimationsniveau zu stellen ist oder ob von Verfassungs wegen Abmilderungen vorgesehen sein können; vgl. hierzu gleich unter § 4 B. I. 6. b) bb). 647 In dieser Richtung wohl Mallmann/Zeidler, VVDStRL 19 (1961), S. 251. 648 Sehr ausführlich und überzeugend Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 122. 649 Im Ergebnis so auch Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 145; ebenfalls Becker, Verwaltungsprivatrecht, S. 66. 650 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 160.
B. Demokratieprinzip und demokratische Legitimation als Abgrenzungskriterium 293
nerseits und den Handlungen des Unternehmens mit Entscheidungscharakter andererseits. Die staatliche Entscheidung, sich an einem Unternehmen zu beteiligen, unterliegt dem Gebot der demokratischen Legitimation. Ob das Unternehmen als solches an Art. 20 Abs. 2 GG gebunden ist, muss hingegen erst geprüft werden. Es hängt davon ab, ob es staatlich ist, d. h., ob sich in ihm der Wille des Volkes widerspiegelt. Im Ergebnis muss bei gemischtwirtschaftlichen Unternehmen nicht wegen Art. 20 Abs. 2 GG hinsichtlich der Beteiligungsentscheidung sichergestellt werden, dass von Seiten des Staates auf das Gesamtunternehmen hinreichender Einfluss ausgeübt wird.651 Vielmehr soll es lediglich darauf ankommen, ob die Beteiligungsentscheidung als solche demokratisch legitimiert ist,652 da nur staatliches Handeln der Legitimation bedarf. Erst wenn der Staat bestimmenden Einfluss auf das Unternehmen ausübt und das Handeln des Unternehmens dadurch auf den Volkswillen rückführbar wird, ist das Unternehmen derart instrumentalisiert und fremdbestimmt, dass sein Handeln dem Staat zuzurechnen ist. In derselben juristischen Sekunde, in der das Unternehmen der staatlichen Sphäre zugeordnet wird, wird es erst legitimationsbedürftig. Wenn aber das ganze Unternehmen keinem hinreichenden Einfluss unterliegt, ist es nicht staatlich und damit nicht legitimierungsbedürftig. b) Der Ansatz des formalen Aufgabenbefassungsakts und der staatlichen Fremdbestimmung aa) Die Darstellung des Ansatzes Nach den Vertretern des Ansatzes der formalen Aufgabenbestimmung soll ein Unternehmen dann der staatlichen Sphäre zugeschrieben werden, wenn es als Instrument der staatlichen Aufgabenerfüllung fungiert.653 Für die Zuordnung zur Staatlichkeit wird insbesondere auf die Sonderbindung abgestellt.654 Dieser formale staatliche Aufgabenbefassungsakt wird zum entscheidenden Kriterium erhoben.655 Die Vertreter dieses Ansatzes betonen dabei den Autonomieverlust und halten ihn für entscheidend: Die Gesellschaft wird der staatlichen Sphäre zugerechnet, wenn „ihr Handeln Ausdruck staatlicher Fremdbestimmung“656 ist. Im Mittelpunkt steht die
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So aber Grzeszick, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 20 GG, Rn. 100. In diese Richtung Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), S. 342. 653 Siehe oben unter § 3 B. I. 2. 654 Vgl. statt aller Heise, Deutsche Bahn AG, S. 183. 655 Nach Lang ist auf die Aufgaben abzustellen, die „der Staat – (verfassungs-)rechtlich legitimiert – tatsächlich an sich gezogen hat“; vgl. Lang, NJW 2004, S. 3603. 656 Heise, Deutsche Bahn AG, S. 183; vgl. dies., S. 184; Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 115. 652
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Bindung an öffentliche Zwecke.657 Dabei wird auf die inhaltliche Bestimmung eines öffentlichen Zwecks verzichtet.658 Angesichts der Unmöglichkeit der Erarbeitung einer Staatsaufgabenlehre sei die Zweckbestimmung ebenso wenig erfolgreich in rechtliche Konturen zu bringen.659 Doch je konkreter ein Zweck vom Staat vorgegeben ist, desto enger wird der Entscheidungs- und Willensspielraum des Unternehmens,660 so dass die Gesellschaft „aus dem Bereich der privatrechtlichen Beliebigkeit ihres Tuns“661 herausfällt.662 Für Remmert ist entscheidend, ob einem gemischtwirtschaftlichen Unternehmen eine staatliche Aufgabe in der Art durch Kompetenzzuweisung übertragen wird, „dass das Unternehmen diese anschließend als staatliches Zuständigkeitssubjekt wahrnimmt, oder ob das Unternehmen lediglich als privates Rechtssubjekt an der Erfüllung der Aufgaben des staatlichen Kompetenzträgers mitwirkt, ohne dabei selbst ebenfalls zum staatlichen Kompetenzträger zu werden.“663 Ähnlich sieht Scholz nur beliehene Unternehmen, die durch ein Parlamentsgesetz legitimiert sind, als staatliche an.664
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Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 115 f.; Heise, Deutsche Bahn AG, S. 179 ff., 185 ff. 658 Vgl. zur Zweckbindung auch Badura: Ihm zufolge „kommt [es] auf den öffentlich gebundenen Unternehmenszweck an“; vgl. Badura, FS Odersky, S. 169; Köttgen spricht von „gebundene[r] Wirtschaft“; vgl. Köttgen, FS Deutscher Juristentag, S. 599; Püttner spricht von der „Bindung an einen öffentlichen Zweck“; vgl. Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 239. Ganz deutlich und überzeugend Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 116 mit w.N. auf S. 121, Fn. 439. 659 So Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 115 f. 660 Möstl stellt auf die Gebundenheit an öffentliche Zwecke ab, da damit eine Minderung selbstbestimmter, privatautonomer Zwecke einhergehe. Es sei entscheidend, ob „die Art der Aufgabenerfüllung durch das Unternehmen eher ,privat‘ (privatwirtschaftlich) – also vergleichbar mit derjenigen seiner privaten Konkurrenten als private Freiheitsbetätigung und Verfolgung autonom gesetzter Zwecke – oder aber als eher ,staatlich‘ (verwaltungsmäßig) – also an staatliche Vorgaben und staatliche Zwecksetzung in besonderer Weise gebunden und sich hierin von etwaigen privaten Konkurrenten unterscheidend – qualifiziert werden muss“; vgl. Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 116. 661 So Schuppert, Erfüllung öffentlicher Aufgaben, S. 93. 662 Vgl. Heise, Deutsche Bahn AG, S. 336: „[…] nicht mehr eigene Freiheit ausübt, sondern als der staatlichen Sphäre zugeordnetes Instrument öffentlicher Aufgabenerfüllung agiert.“ 663 Remmert, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 19 Abs. 3 GG, Rn. 71. 664 Scholz, FS Lorenz, S. 213, 220 ff.; allerdings geht es ihm selbst bei der Beleihung wohl weniger um das Moment der demokratischen Legitimation als eher um den Aspekt der öffentlich-rechtlichen Handlungsform, so dass man ihm zurecht vorwerfen kann, er umschiffe die eigentliche Problematik der Verwaltung in Privatrechtsform. So die Kritik von Heise, Deutsche Bahn AG, S. 184 f., Fn 728.
B. Demokratieprinzip und demokratische Legitimation als Abgrenzungskriterium 295
bb) Die Kritik am Ansatz Die dargestellten Ansätze entsprechen den Vorgaben des Demokratieprinzips insofern, als jenes ebenso formal zu verstehen ist. Der inhaltlich-sachliche Einfluss des Volkes muss gewährleistet sein und damit eine Bindung als solche, ungeachtet einer besonderen materiellen Bestimmung.665 Nach der hier vertretenen Ansicht steht die staatliche Fremdbestimmung nach Maßgabe des Demokratieprinzips im Vordergrund, so dass starke Ähnlichkeiten gegeben sind: Nach dem Ansatz der formalen Aufgabenbestimmung wird letztlich durch Sonderbindungen und insbesondere die Unterwerfung unter staatliche Zweckbestimmungen das Ermessen der Entscheidungsträger des Unternehmens in Ketten gelegt.666 Entscheidend ist aber nicht der staatliche Aufgabenzugriff, sondern der Autonomieverlust des Unternehmens. Dabei stellt die staatliche Sonderbindung lediglich ein mögliches Mittel dar, um der Gesellschaft den staatlichen Willen zu oktroyieren. Für die Frage, worin sich die spezifische Staatlichkeit der Fremdbestimmung ausdrückt, bedarf es keines Rückgriffes auf die Erfüllung einer staatlichen Aufgabe. Vielmehr hilft hier konsequent der Maßstab, der von der gesellschaftlichen Sphäre abgrenzt: das Demokratieprinzip, d. h. die durchgängige Rückführbarkeit der Entscheidungen des Unternehmens auf den Willen des Volkes in personeller wie vor allem in sachlich-inhaltlicher Form. Nach dem hier vertretenen Ansatz ist das Unternehmen aber nicht Instrument, weil es zur Aufgabenerfüllung instrumentalisiert wird,667 sondern weil es instrumentalisiert wird: und zwar durch die Willensbeherrschung von Seiten des Staates. Die Forderung von Möstl und Gurlit nach institutioneller Verflechtung lässt sich mit dem Postulat nach mehr demokratischer Legitimation sehr gut vereinbaren, ist doch eine institutionelle Verflechtung im Rahmen des Verwaltungsaufbaus diesem Verfassungsprinzip geschuldet. Im Ergebnis geht es aber entgegen Gurlit, die auf Schuppert und Möstl aufbaut, nicht primär um die institutionelle Einbindung des Unternehmens, sondern um das übergeordnete Prinzip der demokratischen Legitimation, dem zwar über eine institutionelle Verflechtung entsprochen werden kann, aber nicht muss. Vielmehr kommt es für den bestimmenden Einfluss nicht nur auf interne Einflussmöglichkeiten an.668 Auch eine externe Einflussnahme kann den 665 Vgl. Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 227; Jestaedt, Demokratieprinzip, S. 173; allerdings fließt eine Ausrichtung am Maßstab des Gemeinwohls als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips immer mit ein; vgl. Ronellenfitsch, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR IV, § 98, Rn. 40. 666 Vgl. Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 124: „Denn jedenfalls die Bindung durch Satzung, Gesetz oder Vertrag gewährleistet, dass die dahingehende Durchsetzung des Willens der öffentlichen Hand gelingt und sie eine hinreichende institutionelle Anbindung an die Verwaltung besteht“; im Ergebnis ebenso Heise, Deutsche Bahn AG, S. 183 ff. 667 So aber die Verfechter des Ansatzes der formalen Aufgabenbestimmung; vgl. oben unter § 3 B. I. 2. 668 Das deutet Gurlit auch an: NZG 2012, S. 253.
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Willen des Unternehmens i.S. des Art. 20 Abs. 2 GG binden, jedenfalls wesentlich zur Fremdbestimmung beitragen.669 Auch der Ansatz von Scholz lässt sich dem Gedanken der Legitimation durch den demokratisch gewählten Gesetzgeber zuordnen. Überzeugend an dem Ansatz von Remmert, die ebenfalls den Gegensatz von grundrechtlicher Freiheit und staatlicher Zuständigkeitszuweisung betont,670 ist das Abstellen auf Kompetenzübertragungen, also auf staatliche rechtliche Regelungen. Denn diese besitzen legitimatorische Wirkung. Leider konzentrieren sich beide genannten Autoren aber nicht auf das Moment der Fremdbestimmung an sich und vernachlässigen daher die Möglichkeit anderer Legitimation stiftender Instrumente neben dem parlamentarischen Gesetz.671 Diese Ansätze sind daher als zu eng abzulehnen. 4. Die Auseinandersetzung mit möglicher Kritik am Kriterium des Demokratieprinzips bzw. der demokratischen Legitimation a) Der bestimmende Einfluss als nicht operationalisierbares Kriterium Gegen das Kriterium des bestimmenden staatlichen Einflusses für die Zuordnung eines Subjekts zur staatlichen Sphäre wird von seinen Gegnern eingewendet, der bestimmende Einfluss sei schwer zu ermitteln und die entsprechenden Kennziffern alles andere als hinreichend nachprüfbar672 und damit für den Bürger zu undurchsichtig.673 Zudem stelle die entscheidende Beeinflussung des Staates bei öffentlichrechtlichen Organisationen kein Kriterium dar und könne daher auch bei privatrechtlich organisierten Unternehmen schwerlich über die Zugehörigkeit zur Verwaltung entscheiden.674 Problematisch seien darüber hinaus die Regelungen des Aktienrechts selbst. Der Vorstand handele in eigener Verantwortung (§ 76 Abs. 1 AktG), so dass beherrschender Einfluss in der AG nach Ansicht der Kritiker per se nicht möglich ist. Damit führe sich das Kriterium ad absurdum.675 Gegen eine institutionelle Verbindung spreche auch die Konstruktion der Aktiengesellschaft als solcher, die gerade kompetenzielle Distanz zwischen Gesellschaftern und Ge-
669 Allerdings ist diese Inanspruchnahme immer an Grundrechten zu messen, es sei denn, das Unternehmen wird bereits mit den Bindungen und damit in die staatliche Sphäre hinein geboren; vgl. Heise, Deutsche Bahn AG, S. 410. 670 Remmert, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 19 Abs. 3 GG, Rn. 70. 671 Vgl. hierzu § 4 B. I. 6. 672 Kühne, JZ 1990, S. 336; in diese Richtung Scholz, FS Lorenz, S. 213; Schmidt-Assmann, FS Niederländer, S. 393. 673 Spannowsky, ZHR 160 (1996), S. 560, 571. 674 Koch, Status kommunaler Unternehmen, S. 190 ff. 675 Vgl. Koppensteiner, NJW 1990, S. 3109; Scholz, FS Lorenz, S. 213; Kühne, JZ 1990, S. 336.
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schäftsführung vorsehe, um die Umlaufsfähigkeit der Aktien durch die Unabhängigkeit der Gesellschaftsverwaltung vom Anteilseigner zu steigern.676 Dabei wird verkannt, dass die öffentlich-rechtlichen Organisationen der Rechtsaufsicht unterliegen677 und damit auch in gewisser Weise institutionell mit der Muttergebietskörperschaft verflochten und daher legitimiert sind. Zudem knüpft der Gesetzgeber selbst an Begrifflichkeiten wie den herrschenden Einfluss an.678 Zwar mag ein bestimmender Einfluss nach der Konstruktion des Aktienrechts angesichts der Vorstandsautonomie schwierig sein. Eine Gesamtschau zeigt aber, dass demokratische Legitimation durch externe Bindung wie Gesetz und Satzung in Verbindung mit internen Steuerungsmitteln gerade des Konzernrechts durchaus möglich ist. b) Das Erfordernis demokratischer Legitimation des Handelns eines Unternehmens als Folge und nicht aus Voraussetzung seiner Staatlichkeit Man mag einwenden, das Erfordernis demokratischer Legitimation sei – ebenso wie die Grundrechtsbindung eines Unternehmens – die zwingende Folge der Einordnung eines Unternehmens in die staatliche Sphäre und nicht die Voraussetzung hierfür. Nach wohl herrschender Literaturmeinung kann ein Mangel an demokratischer Legitimation nicht zu einem Verlust der Grundrechtsbindung und damit der Staatlichkeit führen, sondern wirft lediglich die Frage auf, ob der Staat die gegebene Organisationsform habe wählen dürfen.679 Nach Ansicht von Heise etwa wird die Frage, welche Organisationseinheiten staatlich sind, „wer“ also demokratisch gebunden ist, gerade nicht durch Art. 20 Abs. 2 GG beantwortet.680 Nach hier vertretenem Ansatz ist das Handeln eines Subjektes der Staatsgewalt, die vom Volk ausgeht, aber nur zurechenbar, wenn es vom Willen des Volkes getragen und auf diesen zurückführbar ist. Voraussetzung und Folge der Staatlichkeit fallen zusammen. Jedenfalls erscheint es wenig überzeugend, für die Einordnung eines Unternehmens den bestimmenden Einfluss des Staates zu fordern und dabei auf rein konzernrechtliche Maßstäbe abzustellen. Sinnvoll erscheint es vielmehr, an die Verfassung selbst anzuknüpfen und zu fordern, dass als Staatsgewalt nur ein solches Verhalten qualifiziert wird, das gewissermaßen vom Volke ausgeht und aufgrund von Legitimationsketten auf den Willen des Volkes rückführbar ist. Dabei müssen die Voraussetzung der Eingliederung in die staatliche Sphäre, d. h. die bestimmende Einflussnahme im Sinne der demokratischen Legitimation, und die verfassungs676
Vgl. Hommelhoff/Schmidt-Aßmann, ZHR 160 (1996), S. 543 ff. Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 95. 678 § 17 AktG etwa, die für das Konzernrecht wesentliche Vorschrift, spricht von abhängigen Unternehmen. Allerdings kommt es dabei nicht allein auf die Mehrheitsverhältnisse an. 679 So Gurlit, NZG 2012, S. 249, 253. 680 Vgl. Heise, Deutsche Bahn AG, S. 169; Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 104. 677
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rechtlich zwingende Folge der Eingliederung – die demokratische Legitimationsbedürftigkeit – zeitlich zusammenfallen, wenn die staatliche Einheit nicht wenigstens für eine juristische, logische Sekunde verfassungswidrig nicht legitimiert sein soll. Ergänzend soll der Gedanke der formellen „Bemächtigung“, des formalen Befassungsakts681 aufgegriffen und fruchtbar gemacht werden: Wenn der Staat ein Unternehmen, insbesondere in verrechtlichter Form682, derart fremdbestimmt, dass der verbleibende Freiheitsraum unbedeutend ist, dann bringt der Staat den dokumentierten Willen683 zum Ausdruck, dass das Unternehmen dem Funktionsprinzip des Staates unterworfen sein soll. Dieses Funktionsprinzip äußert sich gerade in der Bindung des Handelns an den Willen des Volkes. Zwar ist richtig, dass Art. 20 Abs. 2 GG nur das „Wie“ der Bindung, also deren Umfang bestimmt. Allerdings entscheidet der Staat bei den Einrichtungen, die nicht bereits auf Grund institutioneller Einbindung oder verfassungsrechtlichen Auftrages legitimiert und damit staatlich sind, durch das Maß der Einflussnahme und der Fremdbestimmung eben über das „Wer“ der Staatlichkeit und der Bindungsadressaten, d. h. die Zugehörigkeit zu den Rechtssubjekten des Staates. Selbst wenn man dem nicht folgen und daran festhalten wollte, dass die Bindung an das Demokratieprinzip lediglich Folge der Staatlichkeit eines Unternehmens ist, kann aus der tatsächlichen Fremdbestimmung eines Unternehmens durch den Staat, die so weit reicht, dass alle wesentlichen Entscheidungen des Unternehmens auf den Volkswillen rückführbar (und damit demokratisch legitimiert) sind, jedenfalls indiziell auf die Staatlichkeit des Unternehmens rückgeschlossen werden. Denn wenn alle wesentlichen Entscheidungen vom Staat fremdgesteuert sind, dann verbleibt kein Raum mehr für Freiheitsentfaltung, die die gesellschaftliche Sphäre kennzeichnet. c) Die verfassungsmäßige Eingliederung eines Unternehmens in die staatliche Sphäre als vermeintlich willkürliche Disposition des Staates über seine Bindungen Wenn das Maß staatlicher Einflussnahme über die Staatlichkeit eines Unternehmens entscheidet, besteht die Gefahr, dass der Staat willkürlich die Grundrechtsberechtigung einer Person disponieren kann, indem er willkürlich entweder Einfluss nach Maßgabe demokratischer Legitimation auf das Unternehmen ausübt und es damit in die staatliche, nicht grundrechtsberechtigte Sphäre zieht oder eben mangels Fremdsteuerung in der gesellschaftlichen Sphäre belässt oder es in diese entlässt. 681
Siehe oben unter § 3 B. I. 2. Die Verrechtlichung des staatlichen Einflusses fordert auch Gurlit, NZG 2012, S. 253; hierzu gleich unter § 4 B. I. 6. b) cc). 683 Hierauf stellt Gurlit, NZG 2012, S. 253, ab. 682
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Unterliegt eine Organisation staatlicher Fremdbestimmung, die das Maß demokratischer Legitimation erfüllt, kann der Staat seine Fremdbestimmung aber gerade nicht willkürlich in die gesellschaftliche Sphäre entlassen. Vielmehr ist im Einzelfall zu prüfen, ob eine derartige Privatisierung zulässig ist. Nach hier vertretener Ansicht scheidet eine Privatisierung allerdings nicht in Hinblick darauf aus, dass in bestimmten Bereichen die Grundrechtsbindung nicht umgangen werden darf. Denn nach dem hier vertretenen Ansatz der Schaffung einer grundrechtstypischen Gefährdungslage können auch echte Private, d. h. auch privatisierte Organisationen und natürliche Personen, der Grundrechtsbindung unterliegen. Als Gegenpol zu Privatisierung ist es dem Staat grundsätzlich möglich, eine eigenständige juristische Person in den staatlichen Aufbau zu integrieren. Solange kein verfassungsrechtliches „Zugriffsverbot“ besteht, kann sich der Staat nicht nur Bereiche und Aufgaben aneignen und zu eigen machen, sondern auch Personen. Der Staat kann allerdings nicht „einfach“684 ein bereits bestehendes, vormals nicht staatlich fremdgesteuertes Unternehmen in die staatliche Sphäre eingliedern. Denn dies stellte einen Eingriff in die Grundrechte des Unternehmens dar, der gerechtfertigt sein müsste.685 Allerdings bleibt es der öffentlichen Hand unbenommen, ein Unternehmen in seiner „Geburtsstunde“ sofort nach Maßgabe des Prinzips der demokratischen Legitimation fremdzubestimmen, so dass das Unternehmen in die staatliche Sphäre „hineingeboren“ wird.686 Im Ergebnis ist die Entlassung einer Person in die grundrechtliche Freiheit an verschiedenen Grenzen der Privatisierung zu messen. Eine Unterwerfung unter die staatliche Beeinflussung muss hingegen einer Grundrechtsprüfung standhalten. Von willkürlicher Disposition über die Zuordnung einer Person zur staatlichen oder grundrechtlich geschützten freiheitlichen Sphäre kann also keine Rede sein. 5. Der unauflösbare Gegensatz der Grundrechtsberechtigung einer Person und der gleichzeitigen demokratischen Legitimation ihres Handelns Es wurde bereits festgestellt, dass sich die positive Bestimmung des gesellschaftlichen Substrats hinter einer juristischen Person im Rahmen des Art. 19 Abs. 3 GG als sehr schwierig gestaltet.687 Daher wird meist die grundrechtliche Bindung als 684
Die „HWE-Entscheidung“, BVerfG, NJW 1990, S. 1783, ist kritisiert worden, weil die Formulierung des Gerichts nahelege, dass der Staat durch das Auferlegen staatlicher Bindungen eine Person „einfach“ aus dem grundrechtlichen Bereich herausziehen könne; vgl. Heise, Deutsche Bahn AG, S. 179 f. 685 Das zeigt der Vergleich zum Beliehenen: Es kommt hier nicht so sehr auf die Ausstattung mit öffentlich-rechtlichen Befugnissen als vielmehr auf die Kompetenzentscheidung als Unterwerfung des Privaten unter ein formales Gesetz und damit auf die demokratische Legitimation an. Dieser Akt ist immer an den Grundrechten zu messen. 686 Zu der Idee des „Hineingeborenwerdens“ in eine staatliche Bindung grundlegend Heise, Deutsche Bahn AG, S. 350 ff., 410. 687 Vgl. oben unter § 4. A. III.
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Gegenpol herangezogen, um Art. 19 Abs. 3 GG auszufüllen: Wer grundrechtsverpflichtet ist, kann nicht gleichzeitig aus Grundrechten derselben Rechtsordnung berechtigt sein. Das BVerfG entzieht in seinem „Fraport-Urteil“ – unter Zugrundelegung des vermeintlichen Gegensatzpaares der Grundrechtsbindung und der Grundrechtsträgerschaft – ein Unternehmen dann der grundrechtlich geschützten gesellschaftlichen Sphäre, wenn es an Grundrechte gebunden ist. Dabei legt das BVerfG für die Überlegung, ob neben den öffentlich-rechtlichen Trägern das Unternehmen selbst der Grundrechtsverpflichtung unterstellt werden müsse, unter anderem die folgende Überlegung zugrunde: Die Bindung des Unternehmens sei notwendig, um effektiven Schutz der Bürger zu gewährleisten. Denn insbesondere wegen der beschränkten Einflussmöglichkeiten der staatlichen Eigentümer auf die Unternehmen reichten die Einwirkungsmöglichkeiten des Staates nicht aus, um hinreichenden Grundrechtsschutz zu gewährleisten.688 Diese Überlegungen sind jedoch zu sehr von den Rechtsfolgen her gedacht. Vor allem aber wird verkannt, was das Sondervotum des Richters Schluckebier trefflich auf den Punkt bringt: Wenn das Unternehmen selbst der Grundrechtsbindung nach Art. 1 Abs. 3 GG unterworfen wird, dann unterliegt das Handeln des Unternehmens – sofern man anders als hier vertreten eine zwingende Korrelation zwischen Grundrechtsbindung und Staatlichkeit eines Rechtsträgers voraussetzt – wegen der Einordnung in die staatliche Sphäre auch dem Gebot demokratischer Legitimation.689 Wenn die staatlichen Einflussmöglichkeiten aber derart beschränkt sind, dass die Durchsetzung effektiven Grundrechtsschutzes nicht möglich ist, dann kann mangels hinreichender Einflussinstrumentarien auch den Anforderungen des Demokratieprinzips gerade nicht entsprochen werden,690 es sein denn, demokratischer Einfluss wird extern durch die Satzung oder ein Gesetz erreicht, wovon im Regelfall nicht auszugehen ist.691 688
Vgl. BVerfG, NJW 2011, S. 1203 Rn. 52 = BVerfGE 128, S. 226 ff. Zwar ist fraglich, ob zwingend eine Parallele zwischen Art. 1 Abs. 3 GG und Art. 20 Abs. 2 GG zu ziehen ist, da die wortlautgleichen Begriffe „Staatsgewalt“ an verschiedenen Stellen des GG nicht zwingend inhaltsgleich sein müssen. Für eine Parallelwertung aber Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 99; Jestadt, Demokratieprinzip, S. 235 f., S. 238 ff. 690 Sondervotum, NJW 2011, S. 1201, 1209, Rn. 117. 691 Daher geht die Kritik von Gurlit an Schluckebier, NZG 2012, S. 253, leicht an der Sache vorbei: Richtig ist zwar, dass demokratische Legitimation auch extern erreicht werden kann und interne Einflussmöglichkeiten nicht allein hinreichend sein müssen. Allerdings ist es kaum zulässig, eine unmittelbare Grundrechtsbindung eines Unternehmens mit der Begründung zu fordern, dass der Staat intern nicht genug Einfluss nehmen könne. Denn es ist davon auszugehen, dass in diesem Fall gerade keine gesetzlichen Sonderbindungen oder satzungsmäßigen Beschränkungen des Unternehmens gegeben sind, da sonst einfachgesetzliche Regelungen eine Berufung auf Grundrechte hinfällig werden lassen würden oder die Satzung den Entscheidungsspielraum des Unternehmens stark einschränken würde. Schließlich werden diese Möglichkeiten – jedenfalls für sich betrachtet – meist als unzulänglich eingestuft; vgl. Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 298 ff., 334 ff.; Mann, Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft, S. 189, 227. 689
B. Demokratieprinzip und demokratische Legitimation als Abgrenzungskriterium 301
Richtigerweise bilden nicht Art. 19 Abs. 3 GG und Art. 1 Abs. 3 GG das entscheidende Gegensatzpaar. Vielmehr stehen die grundrechtliche Freiheit gesellschaftlicher Organisationen und die Bindung der Staatsgewalt durch demokratische Legitimation nach Art. 20 Abs. 2 GG in einem Spiegelbildverhältnis. Die Grundrechte können zwar nicht mit Staatsfreiheit gleichgesetzt werden,692 sondern schützen auch vor anderen Gefährdungen, so dass Grundrechtsberechtigung und Bindung situations- und rollenbedingt in einer Person zusammenfallen können. Grundrechte bedeuten aber in jedem Falle zumindest auch Staatsferne und „damit auch Demokratiefreiheit.“693 Denn in der freiheitlichen Sphäre der Gesellschaft ist kein Raum für demokratische, staatliche Fremdbestimmung. Damit kann der Schutzbereich des Art. 19 Abs. 3 GG negativ anhand des Art. 20 Abs. 2 GG bestimmt werden: Wenn demokratisch zu legitimierende Staatlichkeit vorliegt, dann bleibt kein Raum für grundrechtliche Freiheit und Willkür694 und damit für die wesensgemäße Anwendbarkeit der Grundrechte. Freiheit und Entfaltung einer Person stehen in diametralem Gegensatz zu demokratisch legitimierter Machtausübung ihr gegenüber.695 Inwieweit man das Grundrechtsverständnis auch anthropozentrisch begründen und primär als Abwehr gegen den Staat sehen mag oder nicht – die Abgrenzung zwischen Gesellschaft und Staat entspricht der Unterscheidung der für die jeweiligen Sphären entscheidenden Funktionsprinzipien, die sich gegenseitig ausschließen: der grundrechtlichen Freiheit einer Person einerseits und ihrer Bindung an und durch das Demokratieprinzip andererseits. Dahingehend können letztlich auch einige Ausführungen des BVerfG interpretiert werden. Das Gericht zieht eine Grenze zwischen grundrechtlich geschützter Persönlichkeitsentfaltung einerseits und grundrechtsloser staatlicher Machtausübung andererseits, wobei die Machtausübung auf Kompetenzen beruhe, die durch positives Recht zugewiesen und inhaltlich bestimmt sowie begrenzt seien.696 Entscheidend sei also nicht nur die fehlende Grundrechtsberechtigung des Staates, sondern seine umfassende Bindung durch das Demokratieprinzip. Der Staat handele „in treuhänderischer Aufgabenwahrnehmung für die Bürger und ist ihnen rechenschaftspflichtig“,697 während Private sich in ihrer Freiheitsentfaltung nach persön692 In diese Richtung aber Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 60; Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 131 f.; missverständlich Heise, Deutsche Bahn AG, S. 169. 693 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 61. 694 Vgl. hierzu auch Jestaedt, Demokratieprinzip, S. 581. 695 Die Vertreter des Ansatzes der formalen Aufgabenbestimmung erkennen, dass demokratische Legitimation und grundrechtliche Freiheit ein Gegensatzpaar darstellen, entlang dessen die Zuteilung zur staatlichen und gesellschaftlichen Sphäre verlaufen sollte; vgl. Heise, Deutsche Bahn AG, S. 169. Dennoch fließt das Demokratieprinzip nicht in die Überlegungen zur Bestimmung der wesensgemäßen Anwendbarkeit i.S. des Art. 19 Abs. 3 GG ein bzw. wird nicht hinreichend berücksichtigt; vgl. etwa Lang, NJW 2004, S. 3603. 696 BVerfG, BVerfGE 68, S. 193 (206); NVwZ 1994, S. 262. 697 BVerfG, BVerfGE 128, S. 226 (245) = NJW 2011, S. 1201 ff.
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1. Teil, § 4 Verfassungsrechtliche Kriterien für Einordnung eines Unternehmens
lichen Präferenzen richteten.698 Daher sei zur Einordnung eines Unternehmens in die staatliche oder die gesellschaftliche Sphäre zu fragen, ob „die Unternehmenstätigkeit selbst eher als autonome Freiheitsbetätigung oder eher staatlicher Kompetenzvollzug durch das insoweit fremdbestimmte Unternehmen darstellt.“699 6. Die Klarstellung des Kriteriums der demokratischen Legitimation a) Die grundsätzlichen Implikationen des Demokratieprinzips für die Legitimation Dem Demokratieprinzip nach geht die Gewalt vom Volk aus und wird entweder durch Wahlen und Abstimmungen unmittelbar oder aber mittelbar durch repräsentative Organe ausgeübt. Das Volk muss einen entsprechend großen Einfluss auf die Handlungen und Entscheidungen der Verwaltung ausüben: „Deren Akte müssen sich daher auf den Willen des Volkes zurückführen lassen und ihm gegenüber verantwortet werden.“700 Insbesondere durch den Einfluss des formalen Gesetzes, das von dem direkt legitimierten Parlament ausgeht, auf die Verwaltung, wird der Zurechnungszusammenhang zwischen Volk und Exekutive hergestellt. Auch Weisungen der vom direkt gewählten Parlament eingesetzten Regierung spielen eine entscheidende Rolle. Insgesamt muss ein hinreichendes Legitimationsniveau erreicht werden, wobei sowohl personelle als auch inhaltliche Aspekte zusammenspielen.701 In personeller Hinsicht wird grundsätzlich verlangt, dass jeder Amtswalter durch eine ununterbrochene Legitimationskette auf den Willen des Volkes rückführbar ist. D. h., der einzelne Amtswalter muss mittelbar über die Einschaltung verschiedener Glieder an das direkt legitimierte Parlament rückgekoppelt sein, wobei jedes Glied seinerseits hinreichend legitimiert sein muss.702 Die inhaltliche Legitimation betrifft den (Entscheidungs-)Inhalt des staatlichen Handelns. Eine Rückbindung an den Willen des Volkes wird zunächst über das Prinzip von Vorbehalt und Vorrang des parlamentarischen Gesetzes aus Art. 20 Abs. 3 GG bewirkt. Angesichts des Ermessens- und Beurteilungsspielraums der Verwaltung einerseits und der Unterworfenheit jedermanns unter die Gesetze andererseits kann es für die inhaltliche Legitimation der Verwaltung nicht nur auf den Gesetzesvorbehalt und -vorrang ankommen. Daher wird demokratische Legitimation in inhaltlicher Hinsicht zusätzlich über verschiedene Verantwortlichkeiten und 698
BVerfG, BVerfGE 128, S. 226 (244) = NJW 2011, S. 1201 ff. Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 146. 700 Becker, DÖV 2004, S. 911. 701 Vgl. BVerfG, BVerfGE 93, S. 37 ff. = DÖV 1996, S. 74 ff. 702 Vereinfacht kann man auf Bundesebene von folgender Legitimationskette der Exekutive sprechen: Das Volk wählt den Bundestag, der seinerseits den Bundeskanzler wählt. Dieser bestimmt seine Bundesminister, die wiederum die Bundesbeamten berufen bzw. über personell legitimierte Personen berufen lassen; vgl. Voßkuhle/Kaiser, JuS 2009, S. 803. 699
B. Demokratieprinzip und demokratische Legitimation als Abgrenzungskriterium 303
Kontrollmöglichkeiten erreicht. Die Minister z. B. sind dem Parlament gegenüber für sich und alle nachgeordneten Behörden verantwortlich.703 Im Rahmen der unmittelbaren hierarchisch strukturierten Verwaltung bestehen Weisungsrechte, welche die Verantwortlichkeit und Kontrolle sicherstellen. Die mittelbare Verwaltung ist zwar nicht in diesen hierarchischen Aufbau eingegliedert; doch besteht eine strenge staatliche Aufsicht, die ein hohes Maß an Kontrolle garantiert. Allerdings unterliegen stark regulierte Wirtschaftsbereiche auch einem hohen Maß an staatlicher Aufsicht und Kontrolle, ohne dadurch Teil des Staates zu werden. Daraus wird deutlich, dass erst das Zusammenwirken der verschiedenen Formen demokratischer Legitimation in personeller und inhaltlicher Hinsicht darüber entscheidet, ob ein ausreichendes Legitimationsniveau besteht, um den effektiven Einfluss des Volkes auf das staatliche Handeln zu gewährleisten. Grundsätzlich müssen sowohl personelle als auch inhaltliche Merkmale erfüllt sein.704 Im Jahr 1995 ging das BVerfG so weit zu betonen, dass Amtsträger im Auftrag und nach der Weisung der Regierung handeln müssten, ohne auf den Willensentschluss von Stellen angewiesen zu sein, die außerhalb parlamentarischer Verantwortung stünden. Jede Handlung mit Entscheidungscharakter müsse auf den Volkswillen rückführbar sein.705 b) Die Bestimmung des Legitimationsniveaus bei Kapitalgesellschaften aa) Die Herabsetzung des Legitimationsniveaus Zur Bestimmung der Staatlichkeit soll nach dem hier vertretenen Ansatz der die Legitimation vermittelnde Einfluss des Staates entscheidend sein. Fraglich ist, wie das Legitimationsniveau für den privatrechtlich organisierten und agierenden Staat zu ermitteln ist. Einige Literaturstimmen gehen davon aus, dass das Gesellschaftsrecht einen Vorbehalt für die Aufgabenerfüllung des Staates in Privatrechtsform vorsehe und die Anforderungen des Demokratieprinzips überlagere. Daher sei ein striktes Letztentscheidungsrecht des Staates entbehrlich.706 Allerdings steht dem entgegen, dass das Gesellschaftsrecht niemals die höherstehende Verfassung modifizieren kann.707 Daher wird in der Literatur vorgeschlagen, in Übertragung der Rechtsprechung des BVerfG zur personalvertretungsrechtlichen Mitbestimmung im öffentlichen Dienst708 das geforderte Legitimationsniveau von der jeweils übertragenen Aufgabe 703 704 705 706 707 708
Vgl. insbesondere die Art. 43 Abs. 1, 44, 67 und 69 Abs. 2 GG. Vgl. Voßkuhle/Kaiser, JuS 2009, S. 803. BVerfG, BVerfGE 93, S. 37 ff. = DÖV 1996, S. 74 ff. Schmidt-Assmann, AöR 116 (1991), S. 329, 385 ff. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 166. BVerfG, BVerfGE 93, S. 37 ff. (70 ff.) = DÖV 1996, S. 74 ff.
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1. Teil, § 4 Verfassungsrechtliche Kriterien für Einordnung eines Unternehmens
abhängig zu machen.709 Wenn Entscheidungen der Verwaltung „für die Erfüllung der typischen Amtsaufträge der Verwaltung nahezu keine oder nur eine sehr unerhebliche Bedeutung haben“,710 dann soll mit der Bedeutung für das Gemeinwesen auch das verfassungsrechtliche Legitimationsniveau sinken. Allerdings kann die wahrgenommene Aufgabe nicht entscheidend sein: Wie bei den grundrechtlichen Bindungen so kann es ebenso bei den Bindungen aus den Staatsstrukturprinzipien nicht auf die wahrgenommene Aufgabe ankommen. Die Staatsgewalt ist grundsätzlich immer gleichermaßen zu binden. Andere wollen die Rechtsprechung des BVerfG zur Mitwirkung Privater in den Personalräten bei Wasserverbänden auf privatrechtlich organisierte Verwaltungseinheiten übertragen und entsprechend auf die Offenheit des Demokratieprinzips für andere Legitimationsformen rekurrieren.711 Lückenlose personelle Legitimation sei nur bezüglich unmittelbarer Staatsverwaltung notwendig. Für die mittelbare Staatsverwaltung werden hingegen Abweichungen zugelassen. Bei funktionaler Selbstverwaltung sei es dem Staat gestattet, ein wirksames Mitspracherecht der Betroffenen zu schaffen und externen Sachverstand einzuholen, um so der effektiven Erreichbarkeit der staatlichen Ziele Vorschub zu leisten.712 Die Anforderungen an die funktionale Selbstverwaltung stimmten im Grunde mit denen für Beliehene überein713 und könnten letztlich auf alle „Privaten“ mit Verwaltungsaufgaben übertragbar sein:714 Hinreichend sei die gesetzliche Übertragung von Aufgaben und Befugnissen sowie die Aufsicht durch personell legitimierte Personen. Allerdings kann schwerlich die Organisationsform für den Maßstab des Demokratieprinzips maßgeblich sein. Die mittelbare Verwaltung übt ebenso wie die unmittelbare Verwaltung Staatsgewalt aus und ist daher grundsätzlich in gleichem Maße legitimationsbedürftig.715 Zwar ist der Zusammenhang zwischen Beleihung und funktionaler Selbstverwaltung tatsächlich vorhanden und zeigt, dass sich alle Privaten, die als Teil des Staates begriffen werden, gerade durch ihre demokratische 709
Grzeszick, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 20 GG, Rn. 226. Grzeszick, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 20 GG, Rn. 143; auch Teichmann, Festgabe Knemeyer, S. 659, stellt darauf ab, ob die zu treffende Entscheidung mit der Aufgabenerfüllung zu tun hat. 711 Die in der sog. Personalvertretungsentscheidung – BVerfG, BVerfGE 93, S. 37 ff. = DÖV 1996, S. 74 ff. – zur Frage der Mitwirkung Privater an der Erfüllung öffentlicher Aufgaben getroffenen Grundsätze wurden durch die Wasserverbandentscheidung, – BVerfG, BVerfGE 107, S. 59 ff. = DÖV 2003, S. 678 ff. – deutlich eingeschränkt, indem die Anforderungen nur auf die unmittelbare Staatsverwaltung bezogen wurden. Die mittelbare Staatsverwaltung sei hingegen offener hinsichtlich des Demokratieprinzips. 712 Becker, DÖV 2004, S. 911 f. 713 Vgl. Becker, DÖV 2004, S. 915. 714 So explizit Becker, der zutreffend auf die parallelen Wertungen des BVerfG hinweist; vgl. DÖV 2004, S. 915. 715 So auch Becker, DÖV 2004, S. 910, 912. Allerdings stimmt er im Ergebnis doch mit dem BVerfG überein, ohne zu begründen, warum der Maßstab des Demokratieprinzips eingeschränkt werden kann. 710
B. Demokratieprinzip und demokratische Legitimation als Abgrenzungskriterium 305
Legitimation auszeichnen. Die von der Lehre und Rechtsprechung entwickelten Übereinstimmungen sind aber wohl eher als Mindestanforderungen an die Staatlichkeit zu sehen denn als minimierte Anforderungen an die Legitimationsbedürftigkeit des Staates in privatem Gewande. Bei entsprechend inhaltlich-sachlicher Lenkung können Defizite der personellen Legitimation jedoch ausgeglichen werden, sofern eine Staatsaufsicht besteht. Ist diese wie bei Unternehmen nicht gegeben, muss geprüft werden, inwieweit der personellen Legitimation Rechnung getragen wird und ob Formen der inhaltlichen Legitimation bestehen, die geeignet sind, für einen Ausgleich zu sorgen. Nach dem hier vertretenen Ansatz soll das geforderte Legitimationsniveau nicht nur Aussagen über die Einwirkungspflichten des Staates716 auf „seine“ Unternehmen treffen, sondern bereits über die vorgelagerte Einordnung eines Unternehmens zur staatlichen Sphäre entscheiden.717 Sollte man – abweichend von der oben vertretenen Meinung – in Übertragung der Rechtsprechung des BVerfG zum für die mittelbare und funktionale (Selbst-)Verwaltung geforderten Legitimationsniveau zur Erfüllung der Vorgaben des Art. 20 Abs. 2 GG bei privatrechtlich organisierten und handelnden Personen ein niedriges Maß an Einflussnahme ansetzen, so gilt Folgendes: Hilfsweise ist dann anzunehmen, dass die beiden Fragen, unter welchen Umständen ein Unternehmen zum Staat gezählt wird und wie es als staatliche Einheit zu behandeln ist, streng zu trennen sind. Insofern gilt für das Maß an demokratischer Legitimation für die Ingerenzpflicht einerseits und für die Zuordnung zur staatlichen Sphäre andererseits jeweils ein anderer Maßstab, so dass letztlich jedenfalls für die Frage, ob ein Unternehmen zum Staat zu zählen ist, ein strenger Maßstab zu wählen ist. Dies gilt umso mehr, wenn man – anders als hier vertreten – hilfsweise nur eine Korrelation zwischen staatlicher Fremdbestimmung eines Unternehmens und dessen Staatlichkeit annimmt (vgl. unter § 4 B. I. 4. b)). Denn bei einem abgeschwächten Legitimationsniveau ließe sich nicht mehr eindeutig von der staatlichen Fremdbestimmung auf die Staatlichkeit der gesteuerten Person schließen. bb) Die Einschränkbarkeit des Demokratieprinzips Das Demokratieprinzip, dessen Anforderungen zunächst auch für die privatrechtlich organisierte öffentliche Hand volle Geltung beanspruchen, unterliegt der Einschränkbarkeit durch verfassungsimmanente Schranken. Eine Differenzierung zwischen der unmittelbaren und der mittelbaren oder der öffentlich-rechtlich organisierten und privatrechtlich organisierten Verwaltung muss nach hier vertretener
716
Unter diesem Stichwort werden geläufig die Einflussnahmepflichten des Staates zusammengefasst; vgl. Spannowsky, ZGR 1996, S. 403 mit w.N.; einen Hinweis auf Konfliktpotential mit dem politischen Willen, die Kontrollen zu lockern, gibt Schön, ZGR 1996, S. 430. 717 Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 104.
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1. Teil, § 4 Verfassungsrechtliche Kriterien für Einordnung eines Unternehmens
Ansicht damit durch einen Grund mit Verfassungsrang gerechtfertigt werden. Jenseits dieser expliziten Gebiete sind die allgemeinen Grundsätze zu beachten.718 Für die funktionale Selbstverwaltung ergibt sich eine verfassungsrechtliche Schranke des Demokratiegebots aus Art. 86, 87 Abs. 2, 3 und 130 Abs. 2 GG.719 An die Stelle der strikten personellen Legitimation durch die Rückführung auf eine Volkswahl tritt eine autonome Legitimation qua Sachnähe, Betroffenheit und Sachverstand durch die an der Selbstverwaltung mitwirkenden Bürger.720 Die Rechtsprechung des BVerfG, die funktionale Selbstverwaltung sei darüber hinaus grundsätzlich mit dem Demokratieprinzip vereinbar, da sich Autonomie und Legitimation ergänzten und verstärkten,721 kann aber nicht überzeugen.722 Denn Selbstbestimmung durch das Gesamtvolk oder durch das betroffene Teilvolk stehen durchaus in einem Gegensatz.723 Unabhängig davon, ob es eines spezifischen grundgesetzlichen Vorbehalts für die Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung bedarf,724 können die Grundsätze der funktionalen Selbstverwaltung jedenfalls nicht einfach auf Wirtschaftsunternehmen übertragen werden. Vielmehr bedarf es eines gesonderten verfassungsrechtlichen Grundes zur Einschränkung des erforderlichen Legitimationsniveaus für Wirtschaftsunternehmen. Eine Begrenzung könnte das Demokratieprinzip bei der Einschaltung Privater allerdings durch den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz erfahren, der nach Ansicht von Literaturstimmen Verfassungsrang genießt (Art. 114 Abs. 2 S. 1 und 20 Abs. 2).725 Er widerspricht dem staatlichen Steuerungsanspruch und fordert einen möglichst großen Autonomiefreiraum für die Entscheidungen der Unternehmensleitung.726 Das Spannungsverhältnis der beiden Prinzipien727 kann durch einen schonenden Ausgleich aufgelöst werden, bei dem beide Prinzipen bestmöglich zum Tragen kom718
Emde, Legitimation, S. 359; Jestaedt, Demokratieprinzip, S. 489 f. Grzeszick, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 20 GG, Rn. 178, 181; BVerfG, BVerfGE 107, S. 59 (90) = DÖV 2003, S. 678 ff. 720 Grzeszick, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 20 GG, Rn. 175. 721 Vgl. BVerfG, BVerfGE 107, S. 59 (91) = DÖV 2003, S. 678 ff. 722 So auch Grzeszick, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 20 GG, Rn. 179; zu alternativen Legitimationskonzepten vgl. statt vieler Musil, DÖV 2004, S. 118 ff. 723 Becker, DÖV 2004 S. 913. 724 Vgl. hierzu eingehend Grzeszick, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 20 GG, Rn. 181 ff. 725 Vgl. hierzu eingehend Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 425 ff. 726 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 489. 727 Leisner, WiVerw 1983, S. 225: „Das ,Privatrecht‘ wird gegen die Volksvertretung ausgespielt – letztlich aber ,Effizienz‘ gegen ,Demokratie‘.“ Vgl. hierzu auch Spannowsky, ZGR 1996, S. 412; Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 490 f.; nach Ansicht einiger Autoren können die Anforderungen des Demokratieprinzips durch das Wirtschaftlichkeitsprinzip nicht überwunden werden; vgl. Teichmann, Festgabe Knemeyer, S. 659; ebenso Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 476 ff.; von manchen Autoren wird Art. 20 Abs. 2 GG in diesem Zusammenhang wegen der Bestimmung in Art. 79 Abs. 3 GG prinzipiell ein höherer Rang eingeräumt; vgl. Huber, Maastricht – ein Staatsstreich?, S. 27. 719
B. Demokratieprinzip und demokratische Legitimation als Abgrenzungskriterium 307
men.728 Eine Abwägung führt zwar letztlich dazu, dass einer tiefgreifenden Einschränkbarkeit des Demokratieprinzips durch das Wirtschaftlichkeitsprinzip die Erforderlichkeit fehlt. Denn anstatt den Staat „an der langen Leine zu halten“, könnte die Wirtschaftlichkeit gebührend berücksichtigt werden, indem eine Aufgabe durch Private wahrgenommen und externer Regulierung sowie Kontrolle durch den Staat unterstellt wird.729 Allerdings muss das Demokratieprinzip nicht völlig ungeschmälert zur Entfaltung kommen. Die Forderung nach Rückführbarkeit aller konkreten Einzelentscheidungen auf den demokratischen Willen,730 d. h. nach demokratischer Legitimation in jedem Einzelfall,731 kann durch schonenden Ausgleich zwischen Demokratieprinzip und Wirtschaftlichkeitsgrundsatz dahingehend abgemildert werden, dass zwar nicht jede konkrete, zumindest aber alle wesentlichen richtungsweisenden Entscheidungen auf den Volkswillen zurückgehen müssen und dem Staat in allen wichtigen Fragen ein Letztentscheidungsrecht zukommt.732 cc) Der tatsächliche und verrechtlichte Einfluss Spannend ist nun die Frage, ob staatlicher Einfluss und Steuerung nur potentieller oder tatsächlicher, rechtlicher oder rein faktischer Natur sein müssen. Nur potentielle Einflussmöglichkeiten erscheinen nicht ausreichend, um demokratische Legitimation zu gewähren.733 Sie lassen ein Unternehmen nur als möglichen tauglichen Verwaltungsträger erscheinen.734 Ein Entgleiten öffentlicher Unternehmen in Privatrechtsform ist auch nicht unbedingt auf einen Mangel an Steuerungsmöglichkeiten zurückzuführen. Vielmehr fehlt es oft an der Ausübung tatsächlicher Steuerung.735 Daher kann nur im Fall tatsächlicher Einflussnahme von staatlicher Fremdbestimmung und Instrumentalisierung gesprochen werden.
728 Auch das Lissabon-Urteil zeigt, dass das Demokratieprinzip in gewissem Maße eingeschränkt werden kann; vgl. BVerfG, NJW 2009, S. 2267 ff. 729 Vgl. hierzu Gersdorf, Öffentliche Unternehmen S. 499. Die Kontrolle würde dann aber gerade nicht das Maß demokratischer Legitimation annehmen. 730 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 477. 731 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 273. 732 Teichmann, Festgabe Knemeyer, S. 660; das Erfordernis des staatlichen Letztentscheidungsrechts wird wohl aus dem Beschluss des BVerfG, BVerfGE 93, S. 37 ff. = DVBl. 1995, S. 1291 ff., abgeleitet; vgl. hierzu Spannowski, ZGR 1996, S. 412; zum Erfordernis des Letztentscheidungsrechts siehe auch Heise, Deutsche Bahn AG, S. 189; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 137; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 131; Mann, Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft, S. 67. 733 So in seiner Kritik völlig zutreffend Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 122. 734 So recht überzeugend Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 107. 735 Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 29 f.
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Problematisch ist die Frage, ob faktische staatliche Einflussnahme und informelle Absprachen als ausreichend angesehen werden können736 oder ob eine rechtlich gesicherte Basis der staatlichen Steuerung verlangt werden muss.737 Stellt man allein auf die Fremdbestimmung als Merkmal der Staatlichkeit ab, so könnte die Qualität der konkreten Mittel irrelevant sein; auch informelle Instrumentarien vermitteln schließlich staatlichen Einfluss. Gegen die hinreichende Legitimationswirkung von informeller Einflussnahme spricht zudem, dass die Unverbindlichkeit schwerlich dauerhaft konkrete Gewährleistungsmaßnahmen verspricht.738 Wenn man sich zudem auf die Zusatzüberlegung stützen möchte, dass der Staat ein Unternehmen auch formal und nach außen erkennbar seinem Funktionsprinzip unterstellt, indem er so sehr auf das Unternehmen einwirkt, dass alle wesentlichen Entscheidungen als von ihm gesteuert erscheinen, dann scheiden rein faktische Einflussnahmen ohne rechtliche Basis aus. Schließlich geht es darum, dass der Staat durch seine Einflussnahme gleichsam in einem Befassungsakt zum Ausdruck bringt, dass das Unternehmen von ihm beherrscht wird und Teil des Staates sein soll. Hierfür eigenen sich insbesondere gesetzliche und satzungsmäßige Bestimmungen bzw. Zweckbindungen.739 Art. 20 Abs. 2 GG gibt in diesem Zusammenhang ein IndizWerkzeug an die Hand: Die Bundesrepublik ist ein demokratischer Rechtsstaat. Die Rechtsstaatlichkeit fordert damit eine Bindung an das Gemeinwohl. Auch wenn das Demokratieprinzip sich völlig neutral verhält und nicht vorgibt, in welche Richtung der Staat beeinflussen muss, so stellt sich aus dem Zusammenspiel mit dem Rechtsstaatsprinzip die Orientierung am Gemeinwohl als Indiz der Staatlichkeit dar. Zwar kann auch privates Handeln am Gemeinwohl orientiert sein. Allerdings ist eine öffentliche Zwecksetzung privaten Wirtschaftsunternehmen eher wesensfremd. Zumindest kann ein Unternehmen ohne Gemeinwohlbindung als nicht hinreichend staatlich beeinflusst gelten. Ist das Unternehmen fremdbestimmt und instrumentalisiert, so spiegelt sich das zwangsläufig in einer gewissen Gemeinwohlorientierung wider. Im Ergebnis ist auf den verrechtlichten, nach außen hin dokumentierten staatlichen Willen, das Unternehmen seiner Herrschaft zu unterwerfen und verlässlich an den Volkswillen rückzukoppeln, abzustellen. Andererseits kommt es letztendlich darauf an, wer den Willen des Unternehmens tatsächlich bestimmt. Wenn die faktische Einflussnahme auch ohne Verrechtlichung ein Maß erreicht, das den Anforderungen der demokratischen Legitimation gerecht wird, der Verzicht auf formelle Regelungen der Steuerung sich nach den Augen eines objektiven Betrachters le736
Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 99. Vgl. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 132; Gurlit, NZG 2012, S. 253. 738 Vgl. Kramer, in: Bayreuther (Hrsg.), Sozialeinrichtungen, S. 121. 739 Auch Gurlit fordert eine Verantwortungsübernahme. Erforderlich sei der gesetzlich oder satzungsrechtlich dokumentierte Wille, auf die Geschäftspolitik des Unternehmens bestimmenden Einfluss nehmen zu wollen; vgl. Gurlit, NZG 2012, S. 253. 737
B. Demokratieprinzip und demokratische Legitimation als Abgrenzungskriterium 309
diglich als Umgehung der Verrechtlichung darstellt – z. B. um den Vorschriften der EU nicht zuwiderzulaufen oder um andere negative Pflichten zu vermeiden –, dann muss das Unternehmen als staatliches qualifiziert werden. Ansonsten wäre eine Umgehung der Kategorisierung als Teil des Staates und damit eine Flucht ins Privatrecht möglich.
II. Die Situation in Russland Fraglich ist, ob der für Deutschland entwickelte Ansatz zur Abgrenzung der gesellschaftlichen von der staatlichen Sphäre auf Russland übertragen werden kann. Dabei wird auf der in Russland umstrittenen These aufgebaut, dass das Verfassungsrecht die Basis für alle weiteren speziellen Rechtsgebiete bildet. 1. Das Demokratieprinzip als verfassungsrechtliches Kriterium a) Die Verfassungsprinzipien als Maßstab für die Abgrenzung der Sphären Sowohl Literaturstimmen, neuere Gesetzgebungsprojekte als auch die Rechtsprechung setzen zur „Zähmung“ der zur staatlichen Sphäre gehörenden juristischen Personen auf einfachgesetzliche Ausgestaltungen. Insbesondere wird die Kodifizierung eines russischen Pendants zum deutschen VwVfG gefordert.740 Viele öffentlich-rechtliche Beschränkungen werden zudem der Privatisierungsgesetzgebung und den Grundsätzen über die Verwaltung öffentlichen Eigentums entnommen.741 Dies führt zu Schwierigkeiten. Denn die Privatisierungsgesetzgebung findet nur Anwendung, wenn der Staat öffentliches Eigentum privatisiert, nicht dagegen, wenn er über Budgeteinlagen Anteile erwirbt. Auch die Grundsätze über öffentliches Eigentum sind nur bedingt anwendbar auf Unternehmen, da es sich bei Aktiengesellschaften und staatlichen Korporationen nach umstrittener Ansicht um – privatisiertes – Privateigentum handelt.742 Sinnvoller erscheint es deshalb, an den universellen Prinzipien der VerfRF anzusetzen. Die Verfassung selbst gibt mit ihren wegweisenden Prinzipien die Abgrenzung vor. Die Grundrechtsberechtigung kennzeichnet die gesellschaftliche Sphäre, die demokratische Bindung die staatliche.
740
Statt vieler Gricenko, Sravnitel’noe konstitucionnoe obozrenie 2013, Nr. 2. Hierzu gleich unter § 6 C. II. 1. 742 Hierauf weist Gadzˇiev, Izvestija vuzov. Pravovedenie 2009, Nr. 2, bezüglich der staatlich gehaltenen AktGRF hin; zum Streit bezüglich der Korporationen s. oben unter § 3 A. II. 2. b) aa). 741
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1. Teil, § 4 Verfassungsrechtliche Kriterien für Einordnung eines Unternehmens
Dabei ist die Rolle der Verfassung in der russischen Literatur alles andere als unumstritten.743 Einige Autoren wollen der Verfassung in sowjetischer Tradition lediglich programmatische Wirkung zusprechen. Andernfalls drohe eine Konstitutionalisierung allen Rechts.744 Mitunter wird zwar angenommen, dass der Status der Verfassung als Basis des Rechts derart selbstverständlich sei, dass man sie als Rechtsquelle gar nicht nennen müsse;745 doch führt dies dazu, dass auch eine Auseinandersetzung mit der Verfassung ausbleibt und konkrete Folgerungen nicht aus ihr abgeleitet werden. Dabei verfolgt die Verfassung von 1993 das Ziel, gerade nicht nur deklaratorischen Charakter aufzuweisen, sondern als funktionierende Rechtsnorm das ganze Rechtssystem, jeden Rechtszweig und jedes Rechtsinstitut zu beeinflussen.746 Sie ist insbesondere um des Schutzes der Grundrechte willen als universale Rechtsquelle zu begreifen.747 Auf Grund der direkten Geltung der Verfassung nach Art. 15 VerfRF spielt ihr Wertesystem eine regulative Rolle.748 Der gesamten wirtschaftlichen Ordnung liegen Verfassungsprinzipien zu Grunde. Insbesondere ist die Wirtschaftspolitik daher an den Ideen und Prinzipien der Verfassung auszurichten.749 Entsprechend ist nach Ansicht des Verfassungsrichters Gadzˇiev etwa die Verstaatlichung bzw. die zentrale Kontrolle über die Bodenschätze Russlands aus der Verfassung abzuleiten. Schließlich seien jene „nationaler Besitz“, was durch die Präambel der Verfassung zum Ausdruck komme.750 Entsprechend müsse das Volk die Kontrolle ausüben.751 Auch das VerfGRF erklärt unter Berufung auf Art. 9 Abs. 1 VerfRF Güter wie Wälder oder Ölvorräte explizit zu nationalem Eigentum des Volkes752 und hat damit einen „spezifisch verfassungsrechtlichen Begriff“753 geprägt, der „die Kontrolle des Volkes vertreten durch den Staat“754 widerspiegelt. 743 Auch hierzu But’ko/Uletova, Praktika ispolnitel’nogo proizvodstva 2012, Nr. 3; dies., Sovremennoe pravo 2012, Nr. 8. 744 Überlegungen in diese Richtung wirft etwa Sˇ isˇkin, Predprinimatel’sko-pravovye osnovy, § 3, auf. 745 So Jarkovyj, V.V., nach But’ko/Uletova, Praktika ispolnitel’nogo proizvodstva 2012, Nr. 3; dies., Sovremennoe pravo 2012, Nr. 8. 746 Vgl. hierzu auch Lucˇ in, Konstitucija RF, S. 43. 747 So But’ko/Uletova, Praktika ispolnitel’nogo proizvodstva 2012, Nr. 3. 748 Vgl. Berger, Osteuropa, Band 59, 2013, S. 335. 749 Gadzˇiev, Izvestija vuzov. Pravovedenie 2009, Nr. 2. 750 Gadzˇiev, Izvestija vuzov. Pravovedenie 2009, Nr. 2. 751 Auch Mazaev lässt das Konzept des Volkseigentums, das in der Sowjetzeit gebraucht wurde – vgl. Art. 5, 6 Verf USSR 1936; Art. 11, 11.1 Verf USSR 1977 –, wieder aufleben, vgl. Mazaev, Publicˇ naja sobstvennost’, S. 152 – 155, 190 – 198, 58 – 64. Denn leider sei bei staatlichem Eigentum nicht immer gewährleistet, dass es dem nationalen, dem allgemeinem Wohl diene; vgl. Mazaev, Ponjatie i konstitucionnye principy, S. 16. 752 Vgl. auch VerfGRF, U. v. 09. 01. 1998, Nr. 1, GSRF 1998/3/429. 753 Gadzˇiev, Izvestija vuzov. Pravovedenie 2009, Nr. 2.
B. Demokratieprinzip und demokratische Legitimation als Abgrenzungskriterium 311
Dieser Ansatz trifft inhaltlich den Kern des Problems des Demokratieprinzips. Die Bemängelung des Einsatzes staatlichen Eigentums im Interesse des Volkes zielt einmal auf eine stärkere Kontrolle durch das Volk, was den Grundsätzen des Demokratieprinzips entspricht. Zum anderen wird auf Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips, das den Staat zum Allgemeinwohl verpflichtet, abgestellt. In Bezug auf das Rechtstaatsprinzip spricht sich der Verfassungsrichter Gadzˇiev bereits für eine Durchdringung des einfachen Gesetzes aus. Der Grundsatz der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes müsse zivilrechtliche Entscheidungen prägen und die strenge Auslegung und Bewertung des Sachverhalts am Maßstab des Gesetzlichkeitsprinzips überlagern bzw. zurückdrängen.755 In ähnlicher Weise sollten nach der hier vertretenen Ansicht das Demokratieprinzip und die Grundrechte als universelle Maßstäbe herangezogen werden. Insbesondere muss eine systematische sowie verfassungskonforme, am Telos orientierte Auslegung die am Gesetzlichkeitsprinzip756 orientierte wörtliche Auslegung757 zugunsten grundlegender Verfassungsprinzipien verdrängen.758 Daher soll im Folgenden der anhand von Verfassungsprinzipien erarbeitete Ansatz auch auf die russischen Unternehmen, insbesondere die RZˇ D, übertragen werden. b) Die demokratische Legitimation Das in der VerfRF verankerte Demokratieprinzip schließt auch den Grundsatz demokratischer Legitimation mit ein. Art. 1 Abs. 1 VerfRF erklärt Russland zum demokratischen Rechtsstaat.759 Die Volksherrschaft wird daneben noch einmal in Art. 3 VerfRF hervorgehoben. Demzufolge verwirklicht das Volk seine Macht durch direkte und indirekte demokratische Elemente sowie die Staatsorgane oder Organe der Selbstverwaltung (Art. 2 Abs. 2 VerfRF). Eine eigenmächtige Machtanhäufung oder Ergreifung ist ausgeschlossen, d. h., Macht muss durch Gesetz übertragen werden (Art. 3 VerfRF). Nach Ansicht einiger Autoren manifestiert sich die Demokratie insbesondere in der Volksherrschaft, der Gewaltenteilung, der politischen Vielfalt und der örtlichen 754
Gadzˇiev, Izvestija vuzov. Pravovedenie 2009, Nr. 2. Gadzˇiev, Izvestija vuzov. Pravovedenie 2009, Nr. 2. 756 Gadzˇiev selbst spricht davon, dass dieses der Sowjetzeit entstammende Prinzip noch heute als das wichtigste gelte, indes aber zu schwerwiegenden Problemen führe; vgl. Gadzˇiev, Izvestija vuzov. Pravovedenie 2009, Nr. 2; s. auch VerfGRF, U. v. 09. 01. 1998, Nr. 1, GSRF 1998/3/429. 757 Vgl. hierzu Nußberger (Hrsg.), Einführung, S. 8. 758 Vgl. hierzu Plenum OGRF, U. v. 31. 10. 1995, Nr. 8, Rossijskaja Gazeta 247/28. 12. 1995. 759 Erst durch die Auslegung des hierin zum Ausdruck kommenden Prinzips wurde die – im Verhältnis zu der ,allgemeinen‘ Verpflichtung der Bürger und Personenvereinigungen aus Art. 15 Abs. 2 VerfRF – besondere Pflichtenstellung der Verwaltung entwickelt; vgl. VerfGRF, U. v. 14. 07. 2003, Nr. 12, GSRF 2003/30/3100; U. v. 23. 12. 2009 Nr. 20, GSRF 2010/1/128. 755
312
1. Teil, § 4 Verfassungsrechtliche Kriterien für Einordnung eines Unternehmens
Selbstverwaltung, so dass die Formulierung des Art. 3 VerfRF über die Volksherrschaft mit dem Demokratiebegriff gleichgesetzt wird. Das Volk sei dabei das physische Substrat des Staates und – anders als noch zu Sowjetzeiten – gleichbedeutend mit den Bürgern. Letztere übten die Macht ungeteilt und kontinuierlich aus, legitimierten und kontrollierten sie.760 Dem Organisationsprinzip der Volksherrschaft zufolge bedarf jede Entscheidung über Staatsaufgaben und die Realisierung von Machtbefugnissen der Legitimation, die vom Volk auszugehen habe. „Die Vorstellung vom Volk als Anfangs- und Schlusspunkt der demokratischen Legitimation bildet die Basis unserer Demokratie.“761 Dabei fließen das Demokratie- und Rechtsstaatprinzip ineinander. Denn das Erfordernis, dass alle Macht vom Volk, den Bürgern, auszugehen habe und der Staat und seine Organe die Interessen der Bürger vertreten müssten, wird ebenso auf das Rechtsstaatsprinzip zurückgeführt.762 Legitimationssubjekt ist in jedem Falle das Volk.763 Der Legitimationsakt, die Ausstattung des Staates und seiner Organe mit Befugnissen, kann dabei primär, sekundär, direkt und indirekt erfolgen.764 Dieses Demokratieverständnis von Volksherrschaft im Sinne der Kongruenz von Lenkern und Gelenkten findet seinen Ausdruck auch in der Entscheidung des VerfGRF vom 11. 6. 2003 Nr. 10.765 Nach seiner Rechtsprechung bedürfen die Organe der öffentlichen Gewalt der Legitimierung.766 Mittel sind vor allem die Institute der direkten Demokratie. Neben den Wahlen wird zu den höchsten Formen zwar das Referendum als unmittelbare Sachentscheidung durch das Volk gezählt.767 Primär geht es aber darum, Staatorgane durch Wahlen in persönlicher Hinsicht zu legitimieren.768 Demokratie wird insofern vor allem als Formierung und Funktionsweise der staatlichen Macht und ihrer Institute verstanden769 und weniger als inhaltliche Kontrolle der Staatsmacht durch das Volk. Legitimationsobjekt ist nicht die einzelne Staatshandlung, sondern das Organ als solches,770 das Legitimation weitervermittelt.771
E˙ bzeev, in: Zor’kin (Hrsg.), Kommentarij, Art. 3 VerfRF, S. 75. E˙ bzeev, in: Zor’kin (Hrsg.), Kommentarij, Art. 3 VerfRF, S. 75. 762 Gunija, Organizationno-pravovoe obespecˇ enie gosudarstvennych interesov, S. 27. 763 ˇ Sustrov, Konstitucionnoe i municipal’noe pravo 2012, Nr. 2. 764 ˇ Sustrov, Konstitucionnoe i municipal’noe pravo 2012, Nr. 2. 765 VerfGRF, U. v. 11. 06. 2003 Nr. 10, GSRF 2003/25/2564. 766 Vgl. VerfGRF, U. v. 10. 05. 1998, Nr. 17, Abs. 2 Punkt 1 der Urteilsbegründung, GSRF 1998/25/3002; U. v. 16. 07. 2006, Nr. 7, Abs. 2, Punkt 2 Urteilsbegründung, GSRF 2006/27/ 2970; U. v. 18. 05. 2011, Nr. 9, Abs. 2 Punkt 3.2 Urteilsbegründung, GSRF 2011/22/3239; U. v. 07. 07. 2011, Nr. 15, Abs. 5 Punkt 2.2 Urteilsbegründung, GSRF 2011/29/4557. 767 VerfGRF, U. v. 21. 05. 2007, Nr. 3, GSRF 2007/14/1741. 768 Vgl. VerfGRF, U. v. 21. 3. 2007, Nr. 3, Abs. 3 Punkt 5 Urteilsbegründung. 769 ˙ Ebzeev, in: Zor’kin (Hrsg.), Kommentarij, Art. 3 VerfRF, S. 74 ff. 770 VerfGRF, U. v. 07. 07. 2011, Nr. 15, Abs. 5 Punkt 2.1 Urteilsbegründung, GSRF 2011/29/ 4557. 760
761
B. Demokratieprinzip und demokratische Legitimation als Abgrenzungskriterium 313
Im repräsentativen System äußert sich die demokratische Einwirkung des Volkes primär in den Wahlen des Präsidenten. Das Parlament ist zwar ebenfalls direkt personell legitimiert; die Gesetzgebung ist aber sehr stark von der vom Präsidenten bestellten Regierung abhängig. Besondere Macht genießt auch die Verwaltung des Präsidenten, die in der Verfassung aber kaum angesprochen wird und keiner Kontrolle durch das Volk unterliegt.772 Schließlich werden wichtige Fragen nicht durch Gesetz, sondern durch untergesetzliche Verordnungen nicht direkt legitimierter Organe geregelt.773 Im Ergebnis sind in sachlicher Hinsicht aber nur die Referenden wirklich entscheidend. Insofern wird oft die fehlende inhaltliche Rückbindung der Verwaltung an den Volkswillen bemängelt.774 Eine effektive Staatsaufsicht der Wirtschaft wird ebenfalls weniger durch gesetzliche Vorgaben als durch personelle Beeinflussung sicherzustellen versucht. Manager- und Direktorenratsposten werden mit Politikern oder anderen engen Vertrauten der Staatsführung besetzt, die staatliche Interessen verfolgen sollen.775 Die rein personelle Verflechtung ohne inhaltliche, gesetzliche Kontrollmöglichkeiten führt aber zu einem großen Transparenzverlust.776 Gerade die sachlich-inhaltliche Komponente der demokratischen Legitimation sollte daher direkt der Verfassung und nicht etwa der umgehbaren Privatisierungsgesetzgebung oder den Regelungen über die Verwaltung staatlichen Eigentums entnommen werden.
771 ˇ Sustrov, Konstitucionnoe i municipal’noe pravo 2012, Nr. 2; vgl. hierzu VerfGRF, B. v. 19. 11. 2009, Nr. 1344, Abs. 4 Punkt 6 Urteilsbegründung, GSRF 2009/48/5867. Auch die Praxis der Organe der ausführenden Gewalt hat demnach legitimierende Wirkung. 772 Hierzu Kessler, Hand des Staates, S. 103 f. 773 Die Erlasse des Präsidenten spielen ebenfalls eine große Rolle, sind aus legitimatorischer Sicht auf Grund der direkten Wahl des Staatsoberhauptes durch das Volk aber nicht problematisch. 774 Hierzu eingehend Kessler, Hand des Staates, S. 119. 775 Kessler/Levin, Beitrag, S. 7. 776 Kessler/Levin, Beitrag, S. 7, die insbesondere die negativen Auswirkungen für das Investitionsklima beleuchten. Nichtsdestotrotz bindet die Rechtsprechung die Verwaltung an den Willen des Staates, der in formalen Gesetzen niedergelegt sei. Bei der Veräußerung eines Gebäudes hätten die staatlichen Organe in Übereinstimmung mit dem Willen des Staates (des Eigentümers) zu handeln, der in den Privatisierungsgesetzen Ausdruck finde; vgl. Präsidium OArbGRF, U. v. 20. 08. 2002, Nr. 4466/02, AOArbGRF RF 2002, Nr. 12. Das VerfGRF erkennt an, dass in der repräsentativen Demokratie auch andere Legitimationsformen existieren, insbesondere über den „Willen des Gesetzgebers“; vgl. VerfGRF, U. v. 29. 11. 2006, Nr. 9. Abs. 2 Punkt 4.2 Urteilsbegründung; vgl. auch U. v. 16. 11. 2004, Nr. 16, GSRF 2004/47/4691.
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1. Teil, § 4 Verfassungsrechtliche Kriterien für Einordnung eines Unternehmens
2. Der Zusammenhang zwischen dem Demokratieprinzip und der Verwaltung staatlichen Eigentums a) Die Grundsätze der Verwaltung staatlichen Eigentums: Das Spannungsverhältnis zwischen öffentlichem Zweck und Effizienzgrundsatz Die Grundsätze für die Verwaltung staatlichen Eigentums weisen starke Anklänge an das Rechtsstaats- und an das Demokratieprinzip auf. So kommt bei der Verwaltung staatlichen Eigentums das Prinzip „der Gesetzlichkeit und der Gewährleistung eines öffentlich-rechtlichen Regimes“777 zur Geltung. Dazu zählen unter anderem die Kontrolle der Verwaltung sowie die Errichtung eines optimalen personellen Verwaltungssystems.778 Beides erinnert an die personelle Legitimation. Die Vermögensverwendung muss vor allem immer dem Allgemeinwohl bzw. dem öffentlichen Interesse dienen.779 Problematisch ist der sehr weit gefasste und von geschichtlichen und sozialen Faktoren abhängige Begriff des öffentlichen Interesses.780 Oft wird diese Vorgabe deshalb dahingehend heruntergebrochen, dass das Eigentum dem dafür gesetzlich vorgesehenen, d. h. demokratisch legitimierten, (öffentlichen) Zweck zu dienen hat. Inhaltliche Eingrenzungen werden nicht vorgenommen, so dass es sich letztlich um eine formale Vorgabe handelt. Hierin spiegelt sich primär der Gedanke der staatlichen Willensbildung und Fremdbestimmung wider, der keine Freiheit, geschweige denn Willkür, zulässt. Auch wenn nicht von demokratischer Legitimation gesprochen wird, stellt der vorgegebene Zweck bzw. die gesetzliche Zweckbindung einen Aspekt der sachlich-inhaltlichen demokratischen Legitimation dar. Um dem Verfassungsprinzip gerecht zu werden, bedürfte es allerdings weiter gehender Steuerung, wie gerade die staatlichen Korporationen zeigen. Da auch die russische Literatur erkennt, dass materielle Kriterien wie öffentliche Interessen oder das Gemeinwohl sehr schwer fassbar sind und auch nicht den Staat allein kennzeichnen, wie bereits der gemeinnützige Verein in Deutschland und die „nekommercˇ eskaja organizacija“ in bestimmten Ausprägungen zeigen, ist es vorzuziehen, nach wie vor auf das abzustellen, was die Staatlichkeit auszeichnet: Den Mangel an Freiheit durch Fremdbestimmung des Staates, die sich unter anderem in den dem Rechtsstaatsprinzip geschuldeten Allgemeinwohlbindungen ausdrücken kann, aber nicht muss. So wie nach dem deutschen GG das Demokratieprinzip in einem Spannungsverhältnis zum Wirtschaftlichkeitsgrundsatz steht, gerät der Ansatz der gesetzlich 777
Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 89. Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 89. 779 Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 71. 780 Der Begriff wird aber sowohl von der Rechtsprechung als auch von der Gesetzgebung verwendet; vgl. Art. 53 ArbPORF. 778
B. Demokratieprinzip und demokratische Legitimation als Abgrenzungskriterium 315
festgelegten Allgemeinwohlorientierung781 des staatlichen Eigentums in Konflikt mit dem Effektivitätsgrundsatz bei der Vermögensverwaltung.782 Letzterer wird in Lehre und Gesetzgebung in einen starken Zusammenhang mit dem Wirtschaftlichkeitsprinzip gerückt. Dies wird daran deutlich, dass die Effektivität bei unitarischen Unternehmen, ausgehend von den reinen Aktiva, den Umsätzen und dem Gewinn, letztlich anhand der Abgabe an das Staatsbudget, bei Aktiengesellschaften anhand der Dividenden gemessen wird,783 was angesichts der sozialen Orientierung vieler betroffener Unternehmen zu niedrigen Effektivitätskennzahlen führt. Doch wird allzu oft vergessen, dass Gewinnerzielung nicht das einzige Ziel der staatlichen Beteiligung an einem Unternehmen darstellt.784 Da das staatliche Unternehmertum kein Selbstzweck sei, entspreche reine Gewinnmaximierung nicht den staatlichen Funktionen sowie den öffentlichen Interessen und kann nach Ansicht einiger Verwaltungsrechtler zumindest nicht allein kennzeichnend für die Effektivität sein.785 Vielmehr seien ökonomische und soziale Wirtschaftlichkeitsfaktoren in praktischer Konkordanz auszugleichen.786 Im Ergebnis kann man festhalten, dass das Spannungsverhältnis zwischen Demokratieprinzip und Wirtschaftlichkeitsprinzip und der in Einklang zu bringende Gegensatz von wirtschaftlicher Effektivität und Gemeinwohlorientierung, die letztlich im Rechtstaats- und Demokratieprinzip wurzeln, auf eine gleichgelagerte Problemlage hindeuten. b) Die staatliche Fremdbestimmung als Folge der Staatlichkeit eines Objekts öffentlicher Verwaltung Die staatlich gehaltenen Aktiengesellschaften werden grundsätzlich nicht als staatliche Rechtssubjekte und Teil des Staates, sondern als Objekte der Verwaltung betrachtet.787 Dabei geht die Verwaltung staatlichen Eigentums über normale Ei781
Dabei wird das staatliche Eigentumsrecht durch die Allgemeinwohlverpflichtung nicht etwa eingeschränkt; vielmehr ist die Orientierung an öffentlichen Zielen dem Eigentum immanent und liegt in seiner Natur; vgl. Vinnickij, Gosudarstevennaja Sobtvennost’, S. 71; Talapina, Upravlenie gosudarstvennoj sobstvennostju, S. 68; Mazaev, Publicˇ naja sobstvennost’, S. 66, 78, 128 ff.; vgl. hierzu den Ansatz von Heise, die davon spricht, dass den Infrastrukturunternehmen der Bahn der öffentliche Zweck quasi angeboren sei; vgl. Heise, Deutsche Bahn AG, S. 410. 782 Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobtvennost’, S. 71. 783 Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobtvennost’, S. 74 f. 784 Vgl. Molotnikov, Predprinimatel’skoe pravo 2009, Nr. 3; in diese Richtung auch Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobtvennost’, S. 75. 785 Gunija, Organizationno-pravovoe obespecˇ enie gosudarstvennych interesov, S. 143, will die Effektivität an zwei Maßstäben gemessen wissen: einmal der wirtschaftlichen und einmal der sozialen, nicht-kommerziellen Effektivität. 786 Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobtvennost’, S. 75. 787 „Der Gedanke des in der geltenden Gesetzgebung weit verbreiteten Ausdrucks der ,Verwaltung der in staatlichem Eigentum befindlichen Aktien‘ fällt in der Realität mit der
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1. Teil, § 4 Verfassungsrechtliche Kriterien für Einordnung eines Unternehmens
gentümerbefugnisse hinaus788 und umfasst auch die Verwaltung der Gesellschaft.789 Der verwaltungsrechtliche Aspekt liegt dabei gerade in der Lenkung der Unternehmen, wobei das über die Aktie vermittelte Einflussrecht im Vordergrund steht.790 Im Rahmen der Vermögensverwaltung werden die Gegenstände, Ziele und die Tätigkeit der Unternehmen festgelegt.791 Daher können diese letztlich nicht als gewöhnliche Unternehmen gesehen werden,792 sondern wirken auf Grund der Subordination unter die staatlichen Organe, welche die Unternehmensführung betreiben, wie staatliche Instrumente.793 Die Unternehmen sind also mehr als Verwaltungsobjekte; sie werden Instrumente und der verlängerte Arm des Staates. Aus dieser Instrumentenfunktion wird aber grundsätzlich – anders als in Deutschland – nicht der Schluss gezogen, dass die Unternehmen selbst Teil der staatlichen Sphäre sind. Der Gedanke der demokratischen Legitimation wird trotz der massiven Durchsetzung des staatlichen Willens über sachliche und personelle Einflussnahmen auf die Verwaltung der Unternehmen nicht aufgebracht. Vielmehr werden diese juristischen Personen als Objekte des Staates, nicht als seine Subjekte betrachtet.
Verwaltung der entsprechenden Aktiengesellschaften zusammen […]“; so Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobtvennost’, S. 266. Denn „die Aktie stellt zum einen ein eigenes Objekt der Verwaltung dar und zum anderen ein Mittel zur Teilhabe und Verwaltung der Gesellschaft“; vgl. Talapina, Upravlenie gosudarstvennoj sobstvennost’ju, S. 256. Nicht nur die Aktien müssten zu öffentlichen Interessen eingesetzt werden. Es wird behauptet, „den Beamten ist klar, dass die Unternehmen, an denen der Staat Aktienpakete hält, bestimmte staatliche Aufgaben erfüllen. Die Beamten verstehen gut die Rolle dieser Unternehmen und das staatliche Interesse“; so Verbickij, Predprinimatel’skoe pravo 2009, Nr. 3. Auch wenn es gesetzlich nicht festgeschrieben ist, so ist dennoch eine deutliche Tendenz in die Richtung zu erkennen, dass der Staat nur noch Aktien an Unternehmen halten möchte, die selbst unmittelbar der Erfüllung öffentlicher Funktionen dienen. Dies zeigen bereits der Präsidentenerlass Nr. 1009 aus dem Jahr 2004 sowie das SÖE-Programm 2006 – 2008. Auch bestimmt die Regierungsverordnung Nr. 1024 zur Verwaltung staatlichen Vermögens, dass sichergestellt werden müsse, dass die Wirtschaftsunternehmen, an denen sich der Staat beteilige, gesamtstaatliche Funktionen erfüllten. Die Finanzkrise hat das Blatt aber gewendet. Es wurden staatliche Einlagen auch in anderen Gesellschaften notwendig. So haben der Präsident und die Regierung der RF erklärt, den russischen Aktienmarkt unterstützen zu wollen; vgl. Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 261. Entsprechend wurde der Haushalt geändert; vgl. ÄGHGRF 2008, ÄGHGRF 2009. 788 Vgl. hierzu die Diskussion zur Vermögensverwaltung unter § 3 A. II. 2. 789 Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 266. 790 Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 266. 791 Andreev, Pravo gosudarstvennoj sobstvennosti, S. 153. 792 Andreev, Pravo gosudarstvennoj sobstvennosti, S. 151. 793 Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 271; Andreev, Pravo gosudarstvennoj sobstvennosti, S. 151.
B. Demokratieprinzip und demokratische Legitimation als Abgrenzungskriterium 317
c) Die staatliche Fremdbestimmung als Merkmal der Staatlichkeit einer juristischen Person In der Literatur spielt das Moment der staatlichen Fremdbestimmung allerdings auch in der Diskussion um die juristische Person des Öffentlichen Rechts eine nicht unwesentliche Rolle. Ausnahmsweise werden juristische Personen angesichts staatlicher Beeinflussung also nicht nur als Objekt, sondern als Subjekt des Staates begriffen.794 Gerade die öffentlich-rechtliche Kompanie sollte sich von der staatlichen Korporation durch verstärkte staatliche Kontrolle auszeichnen. Diese Überlegungen können in ihrem grundsätzlichen Charakter auf die Einordnung der Aktiengesellschaft übertragen werden, auch wenn die Diskussion diese Rechtsform bisher kaum erreicht hat.795 Obgleich dies nicht benannt wird, geht es in der Sache um die staatliche Fremdbestimmung einer „Person in Staatseigentum“, um deren demokratische Legitimation. Bei der Behandlung der juristischen Person des Öffentlichen Rechts, insbesondere der staatlichen Korporation, bemängelt eine Vielzahl der Autoren die unzureichende staatliche Kontrolle in inhaltlicher Hinsicht. Im Ergebnis werden eine sachliche Fremdbestimmung durch den Staat und eine Verflechtung mit der staatlichen Organisation gefordert. Zudem kommt in verschiedenen Aufsätzen die Forderung nach der Unterwerfung der öffentlich-rechtlichen juristischen Person als der mittelbaren Staatsverwaltung unter die öffentlich-rechtlichen Bindungen zum Ausdruck. So fordert Talapina die Anerkennung der Staatlichkeit von Selbstverwaltungsorganisationen, gerade um die Anwendbarkeit öffentlich-rechtlicher Norˇ irkin strebt besondere Belasmen wie etwa der Rechnungslegung zu sichern.796 C tungen für die juristischen Personen des Öffentlichen Rechts an.797 Es sollen die Beschränkungen wie für Staatsorgane gelten.798 Insbesondere wird die Versagung von Autonomiespielräumen799 und damit letztlich die demokratische Legitimation für staatliche Organisationen gefordert.
794 Vgl. insbesondere Lauts, Bankovskoe pravo 2011, Nr. 6; s. auch Cˇ irkin, Zˇ urnal rossijskogo prava, 2005, Nr. 5. 795 Siehe oben unter § 2 A. II. 3. f). 796 Statt aller Talapina, Gosudarstvo i pravo 2006, Nr. 5, S. 18. 797 ˇ Cirkin, Civilist 2013, Nr. 2, S. 33; er spricht sich insbesondere für Erschwernisse vor Gericht aus. Zu bedenken ist hierbei, dass Cˇ irkin vor allen Dingen Staatsorgane bei der Figur der juristischen Person des Öffentlichen Rechts vor Augen hat. Damit wendet er sich letztlich gegen den Ansatz der Fiskustheorie und will den besonderen Status und die besonderen Verpflichtungen hervorkehren. 798 Vinnickij, Pravo i politika 2011, Nr. 3. Nach Talapina/Jakovlev, Zˇ urnal rossijskogo prava 2012, Nr. 2, kann der Staat niemals volle Privatautonomie genießen. Vielmehr müsse das Ermessen der Staatsbediensteten kontrolliert werden, um der Korruption Einhalt zu gebieten. 799 Vinnickij, Pravo i politika 2011, Nr. 3.
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1. Teil, § 4 Verfassungsrechtliche Kriterien für Einordnung eines Unternehmens
Nach Lauts dagegen unterstehen juristische Personen mit öffentlich-rechtlichem Status der strengen staatlichen Kontrolle.800 Die Fremdbestimmung ist für ihn wohl nicht nur zu fordernde Folge, sondern Kennzeichen der Staatlichkeit. Die Art der staatlichen Kontrolle soll ihrerseits vom Ziel der Beteiligung abhängen: Wenn die wirtschaftliche Effektivität des Unternehmens gesteigert werden soll, sind indirekte, wenig eingreifende Maßnahmen zu wählen. Zur Erreichung anderer Allgemeinwohlziele sind folglich andere Kontrollmechanismen angebracht, wobei zwischen interner und externer Kontrolle unterschieden wird.801 Dies spricht dafür, dass durch die staatliche Einflussnahme entschieden wird, ob ein Unternehmen der freien Wirtschaft oder dem Staat angehört. Vor allem wird hervorgehoben, dass die juristische Person des Öffentlichen Rechts nicht nur Regulationen von außen unterliege, sondern ihr ureigener Wille staatlich gelenkt sei.802 Für Insˇakova kommt es bei der Zuteilung des öffentlichrechtlichen Status und der Gleichstellung der AG ROSNANO mit einer juristischen Person des Öffentlichen Rechts, der staatlichen Korporation ROSNANO, vor allem darauf an, dass die Gesellschaft „Träger des staatlichen Willens“803 sei. Vinnickij betont das Moment der Willensbildung und Willensäußerung. Die staatlichen Vertreter bringen ihm zufolge in verschiedenen Organisationen den Willen des Staates zum Ausdruck, der durch hoheitliche Direktiven vorgegeben werde.804 Diese würden damit zu einem wichtigen Instrument der demokratischen Legitimation.805 Der Verwirklichung des staatlichen Willens durch die hierzu bestimmte juristische Person könne aber das Eigeninteresse des Managements entgegenstehen,806 wobei durch rechtliche Regulatorien dafür zu sorgen sei, dass sich der Wille des Staates durchsetze.807 Gerade die Formulierung des Willens des staatlichen Aktionärs wird neuerdings als öffentlich-rechtlicher bzw. administrativ-prozessualer Vorgang verstanden.808 Auch Levin stellt fest, dass von einer privaten im Gegensatz zu einer staatlichen Person nur gesprochen werden könne, wenn jener „eine von verfassungsrechtlichen Bindungen […] losgelöste und damit unabhängige Bestimmung über [ihr] ,eigenes Schicksal’“809 zukomme. Zudem sei die innere Struktur einer 800 Lauts, Bankovskoe pravo 2011, Nr. 6, S. 57 f.; nach Gunija, Organizationno-pravovoe obespecˇ enie gosudarstvennych interesov, S. 81, muss die Gewährleistung des öffentlichen Interesses durch organisationsrechtliche Art und durch Kontrollmechanismen erreicht werden. 801 Gunija, Organizationno-pravovoe obespecˇ enie gosudarstvennych interesov, S. 170 f. 802 Jastrebov, Problema otraslevoj prinadlezˇ nosti, stellt für die Einordnung der juristischen Person insgesamt darauf ab, welche Instanz die Willensentscheidungen wirklich trifft. 803 Insˇakova, Vlast’ 2011, Nr. 9, S. 111. 804 Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’. 805 Konkret siehe dazu unter § 6 D. II. 1. b) und 2. c). 806 Zu diesem Principal-Agent-Problem siehe eingehend Kessler, Hand des Staates, S. 35, 310. 807 Gunija, Organizationno-pravovoe obespecˇ enie gosudarstvennych interesov, S. 30. 808 Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’. 809 Levin, Socˇ i, S. 28.
B. Demokratieprinzip und demokratische Legitimation als Abgrenzungskriterium 319
Organisation mitentscheidend für ihre Staatlichkeit.810 Auch wenn Levin davon ausgeht, dass der Staat vom hierarchischen Aufbau und von demokratischer Rückkoppelung geprägt sei, die er fälschlicherweise in der Aktiengesellschaft deutschen und russischen Rechts pauschal für unmöglich hält,811 stellt er unter Eingestehung mangelnden staatlichen Einflusses auf die staatliche Korporation Olimpstoj für deren Einordnung in die staatliche Sphäre letztlich auf die öffentliche Zwecksetzung ab.812 Nichtsdestotrotz benennt er – jedenfalls indirekt bzw. am Rande – doch die demokratische Legitimation als entscheidendes Abgrenzungskriterium. Auf der anderen Seite ist zu beachten, dass bezüglich der öffentlich-rechtlichen Kompanie die unzureichende Kontrolle zwar als Problem thematisiert wird; doch wird kritisch bemerkt, dass die Einführung des Rechts des Staates, die öffentlichrechtlichen Kompanie zu lenken, jedenfalls nicht sinnvoll sei, da derartige Mechanismen in der Vergangenheit nicht garantiert hätten, dass die Unternehmensleitung rechtmäßig handelt.813 d) Zwischenergebnis Ohne hinreichende staatliche Fremdbestimmung handelt es sich bei Unternehmen nicht um den Staat. Gerade die staatlichen Korporationen zeigen, dass die Auferlegung von Sonderbindungen und die abstrakte Formulierung von hehren Zielen und öffentlichen Zwecken allein nicht die Kraft besitzen, eine Organisation dem Staat einzuverleiben.814 Es bedarf zumindest in gewissem Rahmen der echten Kontrolle – in personeller wie sachlich-inhaltlicher Hinsicht. Hierfür spricht, dass sich Staatsorgane gerade dadurch auszeichnen, dass sie nicht ihren eigenen Willen verwirklichen, sondern den des Staates.815 Sie handeln im Namen des Staates, der demokratisch legitimiert ist, und damit im Namen des Volkes. Juristische Personen haben als eigenständige Rechtssubjekte freilich eine eigene Willensbildung. Wenn diese aber wesentlich – das heißt den Anforderungen des Demokratieprinzips entsprechend – fremdbestimmt und gesteuert ist, wird die juristische Person zum Teil des Staates. In das Kriterium der demokratischen Legitimation i.S. staatlicher Fremdbestimmung, die sich auf den Wähler zurückführen lässt, fügt sich der Entwurf des Wirtschaftsministeriums zu den öffentlich-rechtlichen Kompanien ein.816 810
Levin, Socˇ i, S. 93 f. Levin, Socˇ i, S. 95; auch wenn der Hinweis auf § 76 AktG seine Berechtigung hat, so gelten die Feststellungen gerade nicht für das russische Recht, das erhebliche Besonderheiten aufweist. 812 Levin, Socˇ i, S. 109. 813 Serova u. a., Kommentarij, Art. 7. 814 Die staatlichen Korporationen sind der gesellschaftlichen Sphäre zuzuschreiben und sollen gerade deswegen in eine öffentlich-rechtliche Organisation umgewandelt werden. 815 Bogdanova, Osusˇcˇ estvlenie gosudarstvom prava sobstvennosti, S. 65. 816 Das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung hatte in seiner „pojasnitel’naja zapiska zum Entwurf 2011“ festgestellt, dass sich die staatlichen Korporationen von den Staatsorganen 811
320
1. Teil, § 4 Verfassungsrechtliche Kriterien für Einordnung eines Unternehmens
Ebenso wird bei Aktiengesellschaften mit staatlicher Mehrheitsbeteiligung die Frage aufgeworfen, ob der Staat durch klare Kontrollen dafür Sorge tragen müsse, dass das Unternehmen den staatlichen Interessen entsprechend agiere.817 Es soll nach Ansicht jüngerer Literaturstimmen nach dem Prinzip der strengen Kontrolle der laufenden Tätigkeit sowie der klaren Zielvorgabe und damit der Fremdbestimmung organisiert werden.818 In diesem Zusammenhang weisen manche Autoren darauf hin, dass die Aktiengesellschaft besser geeignet sei, den staatlichen Bedürfnissen zu dienen als die staatlichen Korporationen, da sie stärkeren gesetzlichen, d. h. inhaltlichen Kontrollen unterliege.819 Andere sprechen den Aktiengesellschaften die Möglichkeit, demokratisch legitimiert zu sein, grundsätzlich ab. 3. Der Ansatz vom „Durchgriff auf den Staat“: Der unauflösbare Gegensatz von der Grundrechtsberechtigung einer Person und der gleichzeitigen demokratischen Legitimation ihrer Handlungen Problematischerweise ist der Gegensatz zwischen Grundrechtsfähigkeit und demokratischer Legitimation in der Rechtsprechung des VerfGRF jedenfalls auf den ersten Blick – insbesondere angesichts der Grundrechtsfähigkeit staatlicher Stellen – nicht erkennbar. Dabei ist aber zu beachten, dass der grundrechtsberechtigte Staat gerade nicht in seiner Funktion als Hoheitsträger auftritt, sondern als der gesellschaftlichen Sphäre zuzuordnender Fiskus (die umgekehrte Beleihung). Das Spannungsverhältnis von Grundrechten und rechtsstaatlicher Bindung wird zwar durch die Rechtsprechung in Russland gerade nicht aufgezeigt. Allerdings bezieht sich das VerfGRF immer wieder auf den EGMR, der seinerseits die Unterworfenheit unter die staatliche Kontrolle neben den Machtbefugnissen als höchst wesentlich für die Einordnung eines Subjekts zur staatlichen Sphäre ansieht und den so bestimmten Regierungsorganisationen die Berufung auf Grundrechte abspricht.820 Die Konzeption der Verfassung legt durchaus nahe, dass nur die Gesellschaft durch primär durch den hohen Grad an Autonomie auszeichneten; auch wird festgestellt, dass die Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Funktionen von starker staatlicher Kontrolle begleitet werden müsse; bisher hat eine solche sich aber gerade nicht auf die staatlichen Korporationen erstreckt; vgl. Art. 32 Abs. 3, 5, 7, 10, 11 und Art. 4 Abs. 3 SBOOESS-GRF; Art. 4 Abs. 2 Rostech-GRF; Art. 6 Abs. 2 Rosatom-GRF. Hierin liegt der wesentliche Unterschied zur neu angedachten öffentlich-rechtlichen Kompanie: Die Funktionen dieser Rechtsform differieren nur marginal von denen der staatlichen Korporationen. Allerdings ist Erstere viel stärker reglementiert und unterliegt der staatlichen Kontrolle bezüglich ihrer Finanzen. Durch die Festschreibung der Tätigkeit in der Satzung wird auch inhaltlich der Freiraum beschränkt. Die direkte Einflussnahme der Regierung der RF auf die höchsten Gesellschaftsorgane führt darüber hinaus zu personeller Einwirkung. 817 Gunija, Organizationno-pravovoe obespecˇ enie gosudarstvennych interesov, S. 33. 818 Gunija, Organizationno-pravovoe obespecˇ enie gosudarstvennych interesov, S. 33. 819 Kirsanov/Sever’janova, Vestnik RUDN Serija Juridicˇ eskoj nauki 2013, Nr. 2. 820 EGMR, U. v. 03. 04. 2012, Nr. 54522/00 (Kotov vs. RF); vgl. hierzu Petrov, Grazˇ danskoe pravo 2013, Nr. 1.
B. Demokratieprinzip und demokratische Legitimation als Abgrenzungskriterium 321
Grundrechte berechtigt, der Staat hingegen umfänglich durch den Volkswillen gebunden sein soll. Trotz der Unvollkommenheit der Rechtspraxis ist an diesem Maßstab festzuhalten.
III. Zusammenfassung und Vergleich Deutschland und Russland sind nach ihren Verfassungen demokratische Rechtsstaaten. Ihr entscheidendes Merkmal ist die umfassende Bindung durch den Willen des Volkes. Die vermittelte Legitimität muss bezüglich aller Entscheidungsträger gewährleistet sein. Während in Deutschland sowohl auf personelle als auch auf inhaltlich-sachliche Aspekte abgestellt wird, konzentriert sich die Legitimation in Russland auf ein rein personelles Element: Die Wahlen stehen im Vordergrund. Kontrolle und inhaltliche Bestimmung des Handelns der Verwaltung durch die Bindung an das vom demokratisch gewählten Parlament erlassene Gesetz rücken in den Hintergrund. Dessen ungeachtet umfasst die verfassungsrechtlich verankerte Volksherrschaft auch die inhaltliche Herrschaft des Souveräns. Nach dem hier vertretenen Ansatz ist eine (juristische) Person sowohl in Russland als auch in Deutschland dann staatlich, wenn sie durch den staatlichen Einfluss821 derart fremdbestimmt ist,822 dass sie aus dem Bereich freiheitlicher Autonomie enthoben und in den kompetenzgebundenen Bereich demokratischer Legitimation eingeschlossen wird. Völlig folgerichtig scheint es zu sein, als Maßstab nicht willkürlich auf eine besondere Aufgabenbefassung, Zweckbindung oder staatliche Bestimmung, sondern auf den Maßstab des Art. 20 Abs. 2 GG bzw. Art. 3 VerfRF abzustellen. Es kommt nicht darauf an, ob sich hinter einer juristischen Person die Freiheitsentfaltung natürlicher Personen verbirgt, sondern es wird negativ mit Hilfe des Demokratieprinzips bestimmt, wann sich explizit nicht die gesellschaftliche Entfaltung in der Gründung oder Tätigkeit der juristischen Person ausdrückt. Das Regel- und Ausnahmeverhältnis, die positive und negative Bestimmung der Grundrechtssphäre juristischer Personen, wird also umgekehrt: Grundrechte sind dann nicht wesensgemäß anwendbar, wenn sich hinter der Person der Staat verbirgt. Dies ist der Fall, wenn die Willensbildung und Willensbetätigung der juristischen Person in der konkreten Rechtsbeziehung derart durch den Staat fremdbestimmt ist, dass über Legitimationsketten eine Rückführbarkeit auf den Volkswillen möglich ist. Im Sinne des Ansatzes vom „Durchgriff auf den Staat“ sollen die Grundrechte ihrem Wesen nach nicht anwendbar sein, wenn ein Unternehmen durch staatlichen Einfluss nach Maßgabe der demokratischen Legitimation fremdbestimmt ist. 821 Auch Kramer, in: Bayreuther (Hrsg.), Sozialeinrichtungen, S. 119, hält den Einfluss des Staates für relevant: „Dann stellt sich jedoch die Frage, ob die Eisenbahn damit auch immer noch sozusagen Teil des Staates in dem Sinne ist, dass es nach wie vor die Möglichkeit der staatlichen Einflussnahme auf die DB AG als so bezeichnete ,Eisenbahn des Bundes‘ gibt.“ 822 Explizit auf die Fremdbestimmung rekrutiert auch Lang, NJW 2004, S. 3603.
322
1. Teil, § 4 Verfassungsrechtliche Kriterien für Einordnung eines Unternehmens
Der Maßstab der demokratischen Legitimation ist für privatrechtlich organisierte Personen nicht per se niedriger anzusetzen als für die unmittelbare Verwaltung. Auch etwaige Einschränkungen des Demokratieprinzips führen zu keinen wesentlichen Veränderungen. Damit ist ein Rechtssubjekt dann als staatlich anzusehen, wenn es hinreichend in personeller wie inhaltlich-sachlicher Hinsicht legitimiert, staatlich beeinflusst und gesteuert wird und damit dem Prinzip der demokratischen Legitimation unterworfen wird.
Zweiter Teil
Die Anwendung des Kriteriums der demokratischen Legitimation auf die Beispielsunternehmen „DB AG“ und „RZˇ D OAGRF“ zur Einordnung in die staatliche bzw. gesellschaftliche Sphäre
§ 5 Die Eisenbahnen als Beispielsunternehmen A. Kurzer geschichtlicher Überblick I. Die deutsche Eisenbahn1 1. Das Sondervermögen „Deutsche Bundesbahn“ Das Vermögen der Deutschen Bundesbahn wurde von 1951 bis zur Bahnreform im Jahr 1993 als nicht rechtsfähiges Sondervermögen geführt.2 Durch das Gesetz über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Deutschen Bundesbahn (BahnVermG)3 und das Bundesbahngesetz (BBahnG)4 war geregelt, dass das Sondervermögen getrennt vom sonstigen Haushalt mit eigener Wirtschaftsführung unter Wahrung der Interessen der deutschen Volkswirtschaft nach kaufmännischen Grundsätzen vom Bund zu verwalten war.5 Das Gebot der kaufmännischen Führung beschränkte sich aber letztlich auf die Wirtschafts- und Rechnungslegung. Verfassungsrechtlich gab Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG a.F. die bundeseigene Verwaltung der Bundeseisenbahnen vor. Letztere sollten das Verkehrsnetz entsprechend den Bedürfnissen und zum Wohl der Allgemeinheit ausbauen und ergänzen.6 Auch der Güter- und Reiseverkehr war an den Verkehrsbedürfnissen auszurichten. Die Übernahme der Kosten für unrentable Leistungen durch den Bund war dabei aber nur in Ausnahmefällen vorgesehen:7 Nach § 28 Abs. 1 BBahnG sollte die Deutsche Bundesbahn ihre Aufgaben mit eigenen Mitteln erfüllen, d. h. sie war aufgerufen, volkswirtschaftliche bzw. gemeinwohlorientierte Ausgaben durch Gewinne quer zu finanzieren. Dies war in der Realität aber schwer möglich, so dass die Deutsche Bundesbahn zunächst stetig Verluste einfuhr. Es bestand ein verkehrspolitischer Auftrag, der mit einem Gewinnstreben schwer zu vereinbaren war.8 An dem Spagat
1 Auf die Reichsbahn der DDR wird in der vorliegenden Untersuchung nicht näher eingegangen. 2 Vgl. eingehend Heise, Deutsche Bahn AG, S. 62 f., 64 ff. 3 BGBl. I, S. 155. 4 BGBl. I, S. 955. 5 Vgl. § 4 Abs. 1 S. 1 BBahnG. 6 Hierzu insgesamt Kramer, Eisenbahninfrastruktur. 7 Vgl. § 28 Abs. 2, 4, 5, 6 BBahnG; eingehend vgl. Heise, Deutsche Bahn AG, S. 65. 8 Vgl. insgesamt Teichmann, Festgabe Knemeyer, S. 664; Menges, Strukturreform, S. 48 ff., 84.
326
2. Teil, § 5 Die Eisenbahnen als Beispielsunternehmen
zwischen Gemeinwohlauftrag und wirtschaftlicher Orientierung scheiterte letztlich das Modell der Bundesbahn.9 Durch die „kleine Bahnreform“ von 1961 wurde die volkswirtschaftliche Verantwortung teilweise an den Bund abgetreten.10 § 4 Abs. 1 S. 1 BBahnG wurde durch die Formulierung des § 28 Abs. 1 S. 1 BBahnG ersetzt, der den Rahmen der gemeinwohlorientierten Geschäftspolitik vorgab. Die Deutsche Bundesbahn war demnach „unter Verantwortung ihrer Organe wie ein Wirtschaftsunternehmen mit dem Ziel bester Verkehrsbedienung nach kaufmännischen Grundsätzen so zu führen, dass die Erträge die Aufwendungen einschließlich der erforderlichen Rückstellungen decken.“11 Damit wurde die Verantwortung der Deutschen Bundesbahn für gemeinwirtschaftliche Aufgaben insofern beschränkt, als Letztere nur im Rahmen der erwirtschafteten Erträge zu erfüllen waren. Gleichzeitig war die Gewinnmaximierung durch die Gemeinwohlaspekte begrenzt. Daher kann man am besten von einer Leistungsmaximierung sprechen.12 Intern war die Deutsche Bundesbahn mit eigenen Organen ausgestattet, die nicht der Weisungsgewalt des Verkehrsministeriums unterstanden.13 Der Verwaltungsrat war das wichtigste interne Organ.14 Die Mitglieder wurden von der Regierung bestellt. Zwar sollte15 der Rat nicht mit Regierungsmitgliedern des Bundes oder der Länder, sondern mit Eisenbahnsachverständigen und Wirtschaftsfachleuten besetzt werden. Doch saßen zumindest auch Vertreter des Bundesrats im Verwaltungsrat,16 so dass für eine gewisse Nähe zur Politik gesorgt war. Geleitet und nach außen vertreten wurde die Deutsche Bundesbahn vom Vorstand, der im Einvernehmen mit dem Verwaltungsrat vom Bund ins Amt gebracht wurde.17 Der Vorstand handelte gerade nicht in eigener Verantwortung nach §§ 76, 78 AktG, sondern war an die Beschlüsse des Verwaltungsrats gebunden.18 Extern wurde die Deutsche Bundesbahn durch den Bund mithilfe aufsichtsrechtlicher Instrumentarien gesteuert.19 So verfügte der Bundesverkehrsminister etwa über zahlreiche Genehmigungsvorbehalte,20 konnte bis zu einer Gesetzesän9
Ähnlich Teichmann, Festgabe Knemeyer, S. 665. Heise, Deutsche Bahn AG, S. 66. 11 Zu den Veränderungen der Ausgleichspflicht für gemeinschaftliche Ausgaben gerade durch die zweite Änderung des BBahnG 1969 s. eingehend Heise, Deutsche Bahn AG, S. 66. 12 Finger, Eisenbahngesetz, S. 180; Schmidt-Assmann/Fromm, Deutsche Bundesbahn, S. 111 f.; eingehend s. Heise, Deutsche Bahn AG, S. 67. 13 Vgl. § 10 Abs. 4 2 BBahnG für den Verwaltungsrat. 14 Vgl. § 12 BBahnG; Heise, Deutsche Bahn AG, S. 63. 15 Vgl. die Soll-Vorschrift des §10 Abs. 3 BBahnG. 16 Vgl. zur Zusammensetzung § 10 Abs. 3 BBahnG. 17 Vgl. § 9 Abs. 1 S. 1, 2 BBahnG. 18 Heise, Deutsche Bahn AG, S. 65. 19 Vgl. §§ 14 ff. BBahnG. 20 Vgl. § 14 Abs. 3 BBahnG, § 17 BBahnG. 10
A. Kurzer geschichtlicher Überblick
327
derung 1969 bei Gefährdung wichtiger Interessen des Bundes, der Länder oder der Deutschen Bundesbahn den Entscheidungen des Verwaltungsrats widersprechen21 und allgemeine Anordnungen erlassen, um politischen Grundsätzen insbesondere im Bereich der Verkehrs-, Finanz- Wirtschafts- und Sozialpolitik zur Geltung zu verhelfen.22 2. Die DB AG Am 1. Januar 1994 trat die „große“ Bahnreform23 durch Änderung des GG in Kraft. Mit dem DBGrG24 wurde die DB AG gegründet. Im Vorfeld spielte das Europarecht eine prägende Rolle für die Bahnreform. Zwar hatte das Sondervermögen der Deutschen Bundesbahn den unionsrechtlichen Anforderungen, die Bahn als ein vom Staatshaushalt abgesondertes Vermögen mit eigenem Haushaltplan und eigener Rechnungslegung zu führen (Art. 4 Abs. 1 RL 91/440/EWG),25 genügt.26 Doch entsprach das Sondervermögen der Deutschen Bundesbahn schwerlich den marktorientierten Führungsmaximen, die das Europarecht zusätzlich vorsah.27 Denn die Deutsche Bundesbahn war immer noch dem Ziel bester Verkehrsbedienung verpflichtet.28 Mit Schaffung der rechtsfähigen juristischen Person wurde beabsichtigt, die Verantwortung dem Unternehmen selbst aufzuerlegen, das aus eigener Kraft wachsen und am Markt agieren sollte.29 Zudem war intendiert, die Politik explizit aus den unternehmerischen Überlegungen herauszuhalten.30 Das Wirtschaftsunternehmen wurde von der Behördenstruktur getrennt.31 Heute ist die DB AG als Konzern organisiert: Unter dem Dach der DB AG sind zum einen infrastrukturbezogene Gesellschaften (u. a. die DB Netz AG), zum an-
21
Vgl. § 14 BBahnG. Siehe hierzu eingehend Heise, Deutsche Bahn AG, S. 64. 23 Zur Bahnreform eingehend Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 50 ff.; Heise, Deutsche Bahn AG, S. 76. 24 Vgl. hierzu eingehend Teichmann, Festgabe Knemeyer, S. 668. 25 RL 91/440/EWG v. 29. 07. 1991, ABl. L 237 v. 24. 08. 1991, S. 25 ff. 26 Heise, Deutsche Bahn AG, S. 70; a.A. Weiß, AöR 128 (2003), S. 125, der von der Erforderlichkeit einer rechtlichen Verselbstständigung ausgeht. 27 Art. 5 Abs. 1 RL 91/440/EWG. 28 Vgl. § 28 Abs. 1 BBahnG; s. auch Heise, Deutsche Bahn AG, S. 73. 29 Bericht der Regierungskommission Bundesbahn, S. 15; vgl. insbesondere die Begründung der Bundesregierung, BT-Drucks. 12/5015, S. 5 ff. 30 Vgl. Bericht der Regierungskommission Bundesbahn S. 14. 31 Dazu, dass der Staat als Quasiunternehmer zum Scheitern verurteilt ist, etwa Reinhard, ZGR 1996, S. 376; Dürr, Bahnreform, S. 9, 10. 22
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2. Teil, § 5 Die Eisenbahnen als Beispielsunternehmen
deren die Verkehrsunternehmen (u. a. die DB Cargo AG, die DB Fernverkehr AG und die DB Regio AG) als eigene Tochtergesellschaften zusammengefasst.32 Erstere sind über Ergebnis-, Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträge mit der Mutter verbunden.33 Ausgenommen hiervon sind allerdings die Bereiche, die auf Grund von § 8 ERegG eine Unabhängigkeit des Schienenwegebetreibers von den Verkehrsunternehmen verlangen. Eine weitere Entkoppelung der Infrastrukturunternehmen von der Mutter bzw. von Netz und Verkehr ist derzeit nicht geplant34 und zumindest nicht aufgrund der unionsrechtlichen Entflechtungsvorgaben gefordert. Zwar besteht „stets eine Missbrauchsgefahr […], wenn der Infrastrukturbetreiber als Inhaber eines natürlichen Monopols mit den größten Eisenbahnverkehrsunternehmen des Markts in einem Konzern verbunden ist“.35 Doch hat der EuGH in dem von der Europäischen Kommission eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland entschieden, dass weder die Finanzierungsvorgänge zwischen der DB Netz AG und dem Mutterkonzern noch das Holdingmodell gegen EU-Recht verstießen. 36
II. Die russischen Eisenbahnen (Rossijskie zˇ eleznye dorogi) 1. Die unitarischen Betriebe der russischen Eisenbahnen Lange Zeit wurde der Eisenbahnverkehr in Russland von verschiedenen regionalen unitarischen Betrieben ausgeführt, d. h. kommerziellen juristischen Personen des Privatrechts, die starker Kontrolle und starkem Einfluss durch den staatlichen Gründer unterlagen.37 Insbesondere waren die unitarischen Betriebe nicht Eigentümer ihres Vermögens und entsprechend in ihren Verfügungsrechten beschränkt. Sie waren zu gesamtstaatlichen Zwecken gegründet worden. Ihr Gewinn floss in den 32 Hierzu Jochum, NVwZ 2005, S. 779 ff.; vgl. auch http://www.deutschebahn.com/de/kon zern/Konzernunternehmen/ [zuletzt aufgerufen am 09. 07. 2016]. 33 Vgl. Kramer, in: Bayreuther (Hrsg.), Sozialeinrichtungen, S. 116 f. mit Fn. 15. 34 Vgl. den Koalitionsvertrag CDU, CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode: „Wie stehen zum integrierten Konzern des DB AG“; vgl. https://www.bundesregierung.de/Content/ DE/_Anlagen/2013/2013-12-17-koalitionsvertrag.pdf?__blob=publicationFile&v=2 [zuletzt aufgerufen am 09. 07. 2016]. Anders noch die Pläne einer weiteren Entflechtung im Koalitionsvertrag CDU, CSU und FDP für die 17. Legislaturperiode; vgl. https://www.bmi.bund.de/ SharedDocs/Downloads/DE/Ministerium/koalitionsvertrag.pdf?__blob=publicationFile [zuletzt aufgerufen am 09. 07. 2016]; zu den ergangenen Entflechtungsvorhaben siehe auch Heise, Deutsche Bahn AG, S. 320; Böttger, Bahn-Report 2/2011, S. 6 f. 35 So wörtlich Kramer, in: Bayreuther (Hrsg.), Sozialeinrichtungen, S. 117; s. auch das Sondergutachten der Monopolkommission „Bahn 2009: Wettbewerb erfordert Weichenstellung“, 2009, Rn. 65 (S. 48); vgl. http://www.monopolkommission.de/index.php/de/gutachten/ sondergutachten/250-sondergutachten-55 [zuletzt aufgerufen am 09. 07. 2016]. 36 EuGH, EuZW 2013, S. 666 ff.; vgl. hierzu auch Berndt/Lerche/Remmert, EuZW 2013, 647 ff. 37 Vgl. zu den unitarischen Betrieben als Rechtsform allgemein § 2 B. II. 2. b) aa).
A. Kurzer geschichtlicher Überblick
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Staatshaushalt. Nichtsdestotrotz waren sie auf Gewinnmaximierung angelegt.38 Nach der Gründung durch die Subjekte der RF unterstanden die unitarischen Betriebe jeweils einem Exekutivorgan, das die Gründerrechte wahrnahm. Die Satzung fungierte als Gründungsdokument. Geleitet wurden die Betriebe von einem Einzelorgan, dem Direktor oder Generaldirektor, der vom Gründer bestellt, abberufen und kontrolliert wurde.39 Weitere Organe weist der unitarische Betrieb nicht auf.40 Es wurde nicht zwischen den Transportunternehmen und den Infrastrukturunternehmen unterschieden: Die Unternehmen betrieben den Verkehr und nutzen dabei die Infrastrukturobjekte, die ihnen nach dem Recht der wirtschaftlichen Führung (chozjaijstevennoe vedenie) oder der operativen Verwaltung (operativnoe upravlenie) zustanden.41 Die damaligen unitarischen Betriebe wurden sodann privatisiert und werden heute als Filialen der RZˇ D geführt. 2. Die RZˇ D OAGRF Die RZˇ D OAGRF (im Folgenden RZˇ D) wurde auf Grundlage der Regierungsverordnung Nr. 585 vom 18. 9. 2003 durch die RF gegründet.42 Dabei wurde das Vermögen der unitarischen Betriebe in das Grundkapital der Aktiengesellschaft RZˇ D eingebracht.43 Letztlich wurden so mehr als 1000 juristische Personen vereinigt. Die Umwandlung der verschiedenen unitarischen Betriebe in die RZˇ D sollte den Übergang des echten Monopols des Eisenbahntransports zu einem Konkurrenzmarkt vorantreiben.44 Primär sollte die wirtschaftliche Effektivität erhöht und der Einfluss des Staates zurückgedrängt werden. Auch wenn die RZˇ D als Absage an den Staat und als Abkehr von der Monopolstellung im Eisenbahnverkehr gedacht war, so finden sich in der Satzung etliche Widersprüche bezüglich dieser Ziele.45 Zu beachten ist, dass das Ziel der Steigerung von Konkurrenz und Wettbewerb lediglich im Bereich des Transports, nicht dagegen im Bereich der Infrastruktur verwirklicht ist,46 wobei die RZˇ D als Unternehmen beide Geschäftsbereiche47 in sich vereinigt und mit ihren 38
Vgl. zu den unitarischen Betrieben als Rechtsform allgemein § 2 B. II. 2. b) aa). Vgl. zu den unitarischen Betrieben allgemein Kessler, Hand des Staates, S. 187. 40 Vgl. hierzu auch Kessler, Hand des Staates, S. 188. 41 Kalpin, Gosudarstvo i pravo 2003, Nr. 10, S. 48. 42 Regierungsverordnung Nr. 585; vgl. Art. 4 Abs. 1 BVUVVEBVGRF. Die Satzung wurde auf Grundlage des ZGBRF, des Gesetzes „über Aktiengesellschaften“ (AKTGRF), des Gesetzes „über Privatisierung staatlichen und munizipalen Vermögens“ (PSMVGRF), des Gesetzes „über die Besonderheiten der Verwaltung und der Vermögensverfügung des Eisenbahntransports“ (BVUVVEBVGRF) errichtet. 43 Vgl. Art. 3 BVUVVEBVGRF. 44 Kalpin, Gosudarstvo i pravo 2003, Nr. 10, S. 48. 45 Vgl. Chodyrev, Transportnoe pravo 2007, Nr. 1. 46 Zu Einzelheiten vgl. Niku’bnikova/Bnukova/Burjak (Hrsg.), Kommentarij. 47 Im Art. 4 EBVGFZ wird zwischen dem „Besitzer der Infrastruktur“ und dem „Transporteur“ unterschieden. 39
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2. Teil, § 5 Die Eisenbahnen als Beispielsunternehmen
Tochtergesellschaften in beiden Rollen auftritt.48 Tochtergesellschaften wurden bei der RZˇ D erst im Jahre 2006 gegründet.
III. Zusammenfassung und Vergleich Die heutige DB AG und die RZˇ D sind sich sehr ähnlich. Beide Unternehmen sind als Aktiengesellschaft und Holding organisiert, umfassen sowohl Transport- als auch Infrastrukturunternehmen, stehen zu 100 % in Staateigentum und nehmen beinahe identische Aufgaben wahr. Gemeinsamkeiten bestehen insbesondere hinsichtlich der Entstehung der Aktiengesellschaften. Das ursprüngliche Sondervermögen an der Deutschen Bundesbahn ähnelt strukturell stark der Konstruktion des unitarischen Betriebes: In beiden Fällen handelte es sich um abgesondertes staatliches Eigentum, das nach kaufmännischen Grundsätzen und unter starkem staatlichen Einfluss verwaltet wurde. Im Unterschied zur nicht rechtsfähigen Deutschen Bundesbahn, die zentral geführt wurde, war die Russische Eisenbahn jedoch in einer Vielzahl unitarischer Betriebe mit jeweils eigener Rechtspersönlichkeit organisiert. Motivation für die Umwandlung der Eisenbahn in Aktiengesellschaften war in beiden Ländern die Steigerung der wirtschaftlichen Effektivität sowie die Entkoppelung von staatlichen Strukturen.
B. Die Anwendung geläufiger Abgrenzungskriterien auf die DB AG und die RZˇ D I. Die Einordnung der DB AG 1. Die formalen Kriterien Die DB AG ist als Aktiengesellschaft organisiert. Würde man die Rechtsform als Zuordnungskriterium der Staatlichkeit bzw. Gesellschaftlichkeit anlegen, so wäre die DB AG in der Gesellschaft zu verorten. Dabei ist zu bedenken, dass der Staat mit der Entscheidung für die AG eine gewisse Vorentscheidung für die Staatsferne getroffen hat. Denn die grundgesetzlich zulässige Wahl der GmbH als Rechtsform hätte weit mehr Spielraum für eine staatliche Einflussnahme ermöglicht.49 Zum selben Ergebnis kommt man, sofern man auf die Ausstattung mit hoheitlichen Befugnissen abstellt. Durch die Verfassungsänderung und die Einführung des Art. 87e GG wurden hoheitliche und wirtschaftliche Aufgaben im Eisenbahnbereich 48 Regierungsverordnung Nr. 703; vgl. Niku’bnikova/Bnukova/Burjak (Hrsg.), Kommentarij; Art. 1 Abs. 1 EBVGFZ. 49 Vgl. Teichmann, Festgabe Knemeyer, S. 660.
B. Anwendung geläufiger Abgrenzungskriterien auf die DB AG und RZˇ D
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strikt getrennt.50 Auch der Bundesgerichtshof betont, dass die DB AG in ihrem Tun stets privatrechtlich handele.51 Eine Beleihung ist nicht gegeben, d. h., der DB AG sind keine hoheitlichen Aufgaben übertragen. 2. Die materiellen Kriterien Die Mehrzahl der Autoren schließt allein aus der Eigentümerstellung des Bundes auf die Staatlichkeit der DB AG.52 Dabei beziehen sie sich häufig auf das „FraportUrteil“ des BVerfG,53 wobei die im Gegensatz zu anderen staatlich gehaltenen Aktiengesellschaften bestehenden verfassungsrechtlichen Besonderheiten der DB AG meist außer Acht gelassen werden.54 Umstritten ist, inwieweit die heutige DB AG noch dem Daseinsvorsorgekonzept entspricht und auf Grund der von ihr wahrgenommenen Aufgaben der staatlichen Sphäre zuzuordnen ist. Historisch wurde der Staat immer für das öffentliche Verkehrswesen als verantwortlich erachtet.55 Teilweise wird darauf verwiesen, dass sich lediglich die Rolle des Staates verändert habe. Er sei zwar nicht mehr verpflichtet, als Leistungserbringer selbst tätig zu werden, dafür habe er aber die Erfüllung zu gewährleisten.56 Diese unveräußerlichen Pflichten für die Daseinsvorsorge im Bereich der Eisenbahnen machten ihn zu einem Erfüllungsgaranten.57 Andere betonen dagegen die Notwendigkeit einer (weiteren) Zurückdrängung des Staates aus seiner Verantwortung und stellen die Daseinsvorsorge-Konstruktion im Bereich des Eisenbahnwesens damit in Frage.58 Nach Art. 87e Abs. 4 1 GG trägt jedenfalls der Staat die Verantwortung für den Erhalt und den Ausbau der Schienennetze sowie für einen bedarfsgerechten Verkehr. Einiges spricht dafür, dass bei der DB AG keine Leistungs-Verwaltungstätigkeit (mehr) gegeben ist, sondern die staatlichen Aufgaben klar von denen des Unternehmens getrennt sind. Nach Ansicht 50
Vgl. Jochum, NVwZ 2005, S. 779. BGH, NJW 1997, S. 744. 52 Statt vieler Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 69, der von „der Staatsnähe der Bahn“ spricht. Vor der „Fraport-Entscheidung“ für die Staatlichkeit bereits Burger, Aufgaben des Bundes, S. 72 ff.; Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 69 f.; Jochum, NVwZ 2005, S. 781; Grupp, DVBl. 1996, S. 594. 53 Vgl. unter Berufung auf BVerfGE 128, 226 (245 f.) = NJW 2011, S. 1201 ff., etwa Hammer, DÖV 2011, S. 765; Gurlit, NZG 2012, S. 254; Kupfer, NVwZ 2012, S. 789 f.; Enders, JZ 2011, S. 577; wohl auch Kramer, in: Bayreuther (Hrsg.), Sozialeinrichtungen, S. 121 f.; kritisch hinsichtlich dieser „Übertragung“ allerdings Heise, Deutsche Bahn AG, S. 324 f. 54 Darauf weist auch Heise, Deutsche Bahn AG, S. 324 f., hin. 55 Ausführlich zur Begrifflichkeit der „Daseinsvorsorge“ im Sinne Forsthoffs vgl. Knauff, Gewährleistungsstaat, S. 38 ff. 56 So Knauff, Gewährleistungsstaat, S. 246; ähnlich Teichmann, Festgabe Knemeyer, S. 653 ff. 57 Ronellenfitsch, in: Hochhuth (Hrsg.), Rückzug des Staates, S. 125 ff. 58 Knieps, in: Hochhuth (Hrsg.), Rückzug des Staates, S. 77 ff. 51
332
2. Teil, § 5 Die Eisenbahnen als Beispielsunternehmen
einiger Autoren ist die Erfüllungsverantwortung damit vollständig in den Bereich der Privatwirtschaft entlassen,59 so dass von einer Aufgabenprivatisierung ausgegangen wird.60 Schließlich wird die DB AG „als Wirtschaftsunternehmen“ (Art. 87e Abs. 3 GG) geführt. Dies kann dahingehend interpretiert werden, dass sie wie jedes andere Privatunternehmen zu behandeln ist, das grundsätzlich gerade nicht der Gemeinwohlbindung, sondern dem Prinzip der Gewinnorientierung unterliegt.61 Jedenfalls lassen sich die reine grenzüberschreitende Auslandstätigkeit wie der von der DB AG betriebene Personenverkehr in Großbritannien und der Güterverkehr unter anderem in Spanien nicht unter den Daseinsvorsorgebegriff des GG subsumieren.62 3. Die Grundrechte als verfassungsrechtliches Kriterium Auf der Grundlage der Rechtsprechung des BVerfG zum personalen Substrat juristischer Personen und der Durchgriffsdogmatik sind Eisenbahnverkehrsunternehmen solange nicht grundrechtsberechtigt, als der Bund die Mehrheit der Anteile hält.63 Die Infrastrukturunternehmen können auf Grund des Verbotes der vollständigen Privatisierung des Art. 87 e Abs. 2 S. 2, 3 GG nach diesem Ansatz nicht grundrechtsberechtigt sein. In der Literatur ist das Meinungsspektrum groß und reicht von der Bejahung64 der Grundrechtsfähigkeit über vermittelnde65 bzw. nach Verkehrs- und Infrastrukturunternehmen differenzierende66 Ansätze bis zu deren Verneinung.67 Teilweise wird der DB AG ein spezielles, abschließendes und die Grundrechtsberechtigung ausschließendes68 verfassungsmäßiges Recht69 zugesprochen, das mit der kommunalen Selbstverwaltung verglichen werden könne.70 Vermehrt soll der DB AG jedenfalls Privatautonomie zustehen.71 59 Vgl. auch BT-Drucks. 12/5051, S. 5; in diese Richtung Möstl, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 87e GG, Rn. 102; vgl. parallel zur Telekommunikation: BVerwG, BVerwGE 114, S. 160 (189) = NVwZ 2001, S. 1399; s. auch BVerfG, NVwZ 2006, S. 1041 ff.; JuS 2006, S. 837 ff. 60 Vgl. Kramer, in: Bayreuther (Hrsg.), Sozialeinrichtungen, S. 70, 122 ff., der trotz echter Aufgabenprivatisierung von der Staatsnähe der DB ausgeht. Allerdings spricht er richtigerweise nur von einer „Staatsnähe“ und betont die Garantenstellung des Staates. 61 Möstl, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 87e GG, Rn. 102. 62 Vgl. Teichmann, Festgabe Knemeyer, S. 663. 63 So Gersdorf, BK, 5. Aufl., Art. 87e GG, Rn. 52; ähnlich Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 69. 64 Lang, NJW 2004, S. 3601. 65 Wilkens, Wettbewerbsprinzip, S. 141 ff., 180 ff.; Kühling, Netzwirtschaften, S. 470 ff.; Menges, Strukturreform, S. 145 ff. 66 Heise, Deutsche Bahn AG, S. 409 f. 67 Jochum, NVwZ 2005, S. 779; Battis/Kersten, WuW 2005, S. 493; Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 69. 68 Kramer, in: Bayreuther (Hrsg.), Sozialeinrichtungen, S. 122. 69 Hammer, DÖV 2011, S. 767 f. 70 Jochum, NVwZ 2005, S. 779, 781.
B. Anwendung geläufiger Abgrenzungskriterien auf die DB AG und RZˇ D
333
Ebenfalls umstritten ist die Grundrechtsbindung der DB AG. Einige Literaturstimmen vertreten die These, die DB AG sei auf Grund der verfassungsrechtlichen Vorgabe ihrer Führung als Wirtschaftsunternehmen (Art. 87e Abs. 3, 1 GG) nicht grundrechtgebunden.72 Der Wille des verfassungsändernden Gesetzgebers, das Unternehmen von Gemeinwohlaufgaben zu befreien, führe zu einer Sonderstellung, auf welche die Rechtsprechung des BVerfG zur AG im Alleinbesitz der öffentlichen Hand nicht anwendbar sei.73 Schließlich weist das BVerfG darauf hin, dass die DB AG gerade nicht in die öffentliche Verwaltung integriert werden solle,74 was zumindest Zweifel daran aufwirft, ob die DB AG angesichts ihrer Führung als Wirtschaftsunternehmen problemlos als grundrechtsgebundene Staatsmacht i.S. des Art. 1 Abs. 3 GG angesehen werden kann. Andere Autoren sehen in Art. 87e GG keine (oder zumindest keine zulässige) Ausnahme von der Grundrechtsbindung eines Unternehmens in Staatshand.75 Schließlich könne der Staat nicht einfach von Grundrechten freigestellt werden. Denn nach dem unveränderlichen Art. 1 Abs. 3 GG sei der Staat grundrechtsgebunden, was auch durch eine Verfassungsänderung wie die Einfügung des Art. 87e GG nicht beseitigt werden könne.76 Dabei wird aber fälschlicherweise für unverrückbar gehalten, dass die DB AG der staatlichen Sphäre zuzuschreiben ist. Teilweise wird zwischen nicht gebundenen Verkehrs- und gebundenen Infrastrukturunternehmen unterschieden, wobei bei Letzteren neuerdings vermehrt eine partielle Grundrechtsverpflichtung angenommen wird.77
ˇD II. Die Einordnung der RZ 1. Die formalen Kriterien Die RZˇ D wird als privatrechtliche, kommerzielle Aktiengesellschaft geführt und in der Literatur nicht den staatsnahen „juristischen Personen des Öffentlichen Rechts“ oder öffentlich-rechtlichen juristischen Personen zugeordnet. Ihre Rechtsform spricht für ihre Zugehörigkeit zur Gesellschaft.
71 Vgl. Jarass, MMR 2009, S. 227; Ronellenfitsch, DVBl. 2008, S. 208; Windthorst, VerwArch 95 (2004), S. 398. 72 Statt vieler Gersdorf, BK, 4. Aufl., Art. 87e GG, Rn. 56; 5. Aufl., Art. 87e GG, Rn. 53. 73 In diese Richtung Gersdorf, BK, 5. Aufl., Art. 87e GG, Rn. 52; Vesting, in: Denninger/ Hoffmann-Riem/Schneider/Stein (Hrsg.), Art. 87e GG, Rn. 41, spricht gar von „hybriden Beziehungsnetzwerken“ bei der DB AG. 74 Vgl. BVerfG, BVerfGE 129, S. 356 = NVwZ 2012, S. 294. 75 Jochum, NVwZ 2005, S. 781; vgl. auch Gurlit, NZG 2012, S. 253. 76 Jochum, NVwZ 2005, S. 781. 77 Vgl. Möstl, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 87e GG, Rn. 103; Heise, Deutsche Bahn AG, S. 409 f.
334
2. Teil, § 5 Die Eisenbahnen als Beispielsunternehmen
Als Aktiengesellschaft ist die RZˇ D auch nicht ermächtigt, hoheitlich zu handeln. Anderslautende Sondervorschriften, wie sie bei den staatlichen Korporationen üblich sind, existieren nicht. Auch die zur Verfügung stehenden Handlungsformen sprechen also gegen die Einordnung des RZˇ D als Teil des Staates. 2. Die materiellen Kriterien Die RZˇ D steht im alleinigen Eigentum der RF. Da es sich bei den Aktien um staatliches Eigentum handelt, wird zunehmend bezweifelt, dass man im Falle der RZˇ D wirklich von gewöhnlichen, privaten Aktiengesellschaften sprechen könne.78 Der Verfassungsrichter Gadzˇiev dagegen geht gerade nicht von öffentlichem Eigentum, sondern von Privateigentum aus, da das Eigentum formal der privaten Aktiengesellschaft gehöre.79 Fraglich ist, ob die RZˇ D eine öffentliche oder gar staatliche Aufgabe wahrnimmt. Nach Literaturstimmen zählt der Eisenbahnverkehr klassisch zu einer Daseinsvorsorgeaufgabe.80 Das Gesetz über staatliche Dienstleistungen81 geht sowohl von einem breiten Begriff der Dienste als auch von einem großen Kreis möglicher Erbringer aus und schließt nicht nur Staatsorgane, sondern auch unitarische Betriebe mit ein.82 In der russischen Doktrin wird unter staatlicher bzw. kommunaler Dienstleistung „jede Tätigkeit zur Realisierung von Verwaltungsfunktionen und der Bereitstellung öffentlicher Güter auf Nachfrage der Antragsteller“83 verstanden. Vasil’eva bezeichnet die Erbringung der Dienste der RZˇ D als öffentliche Dienstleistungen, die allerdings privatisiert worden seien.84 Damit sei die RZˇ D ein Subjekt der staatlichen Verwaltung.85 Relevant ist in diesem Zusammenhang eine Entscheidung des VerfGRF, das die Leistungserbringung im Luftverkehr durch privatrechtliche Gesellschaften als sozial erforderliche, öffentlich bedeutsame Aufgabe bezeichnet, die ein öffentliches Interesse verwirkliche.86 Anders als im Luftverkehr, der von verschiedenen Unternehmen betrieben wird, handelt es sich bei den Infrastrukturunternehmen aber sogar um natürliche Monopole. Die Aussagen des 78
In diese Richtung Borisova, Transportnoe pravo 2012, Nr. 3, S. 16. Gadzˇiev, Izvestija vuzov, Pravovedenie 2009, Nr. 2. 80 Klassisch wird nicht zwischen der Leistungs- und Eingriffsverwaltung unterschieden. Allerdings kommt diese Differenzierung zunehmend auf, wobei unklar bleibt, was im Einzelnen unter „Leistungsverwaltung“ zu verstehen ist; vgl. Gricenko, Sravnitel’noe konstitucionnoe obozrenie 2013, Nr. 2. 81 SLGRF. 82 Problematisch ist nur, dass diese weiteren Subjekte nach dem Gesetz über staatliche Dienstleistungen anders als Staatsorgane nicht zur Verantwortung gezogen werden können; vgl. auch Gricenko, Sravnitel’noe konstitucionnoe obozrenie 2013, Nr. 2. 83 Gricenko, Sravnitel’noe konstitucionnoe obozrenie 2013, Nr. 2. 84 Vasil’eva, Servisnoe gosudarstvo, S. 171. 85 Vasil’eva, Servisnoe gosudarstvo, S. 172. 86 VerfGRF, U. v. 20. 12. 2011, Nr. 29. 79
B. Anwendung geläufiger Abgrenzungskriterien auf die DB AG und RZˇ D
335
VerfGRF müssen also erst recht für die RZˇ D gelten, die beispielsweise gerade in Sibirien für die Mobilität der Bevölkerung größte Bedeutung beansprucht. Ihr Aufgabenbereich hat damit staatliche Bedeutung. 3. Die Grundrechte als verfassungsrechtliches Kriterium Als kommerzielles Unternehmen ist die RZˇ D grundrechtsberechtigt und nach derzeitiger Rechtsprechung des VerfGRF jedenfalls nicht unmittelbar grundrechtsgebunden. Sie wird wie ein privates Unternehmen behandelt.87
III. Zusammenfassung und Vergleich Sowohl die DB AG als auch die RZˇ D sind nach formellen Kriterien der gesellschaftlichen Sphäre zuzuordnen. Das materielle Kriterium der Eigentumsverhältnisse spricht demgegenüber für die Staatlichkeit beider Unternehmen. Uneinigkeit besteht bezüglich der DB AG hinsichtlich der Frage, ob ihr Aufgabenbereich ihre Staatlichkeit belegt. Ebenfalls umstritten sind die Grundrechtsberechtigung und -bindung der DB AG. Bezüglich der RZˇ D könnte auf Grund der Wahrnehmung einer staatlich bedeutsamen Aufgabe von ihrer Staatlichkeit auszugehen sein. Als grundrechtsberechtigtes und nur über einfache gesetzliche Instrumente gebundenes Unternehmen ist die RZˇ D nach den typischen Kriterien als Teil der Gesellschaft zu begreifen.
87
Vgl. parallel für die Luftverkehrsunternehmen, VerfGRF, U. v. 20. 12. 2011, Nr. 29.
§ 6 Die Anwendung des Kriteriums der demokratischen Legitimation auf die Eisenbahnunternehmen A. Der völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Rahmen für die Einflussnahme des Staates auf „seine“ Eisenbahnen nach Maßgabe des Demokratieprinzips I. Der unionsrechtliche und verfassungsrechtliche Rahmen für den staatlichen Einfluss auf die DB AG 1. Die unionsrechtlichen Determinanten des staatlichen Einflusses Das Europarecht, das bereits für die Bahnreform eine wesentliche Rolle spielte,1 determiniert, inwieweit der Staat auf die DB AG Einfluss nehmen und sie instrumentalisieren darf. Entsprechende Einwirkungsverbote sind ein Anhaltspunkt dafür, dass der Bund – dem eine unionsrechtsfreundliche und -konforme Zielsetzung zu unterstellen ist – die heutige DB AG nicht dem Prinzip demokratischer Legitimation unterwerfen möchte. a) Das Primärrecht aa) Die Vorgaben für die öffentlichen Unternehmen im Verkehrsbereich Das Ziel der europäischen Integration kann ohne eine gemeinsame Verkehrspolitik nur schwer gelingen.2 Daher erfasst das Europarecht auch den Bereich der Eisenbahnen (Art. 90, 100 AEUV). Der EuGH stellte bereits in seinem „SeeleuteUrteil“ fest, dass die allgemeinen Vorschriften für diesen Bereich gelten würden und Art. 74 EWG (heute 90 AEUV) gerade keine Ausnahme vorsehe.3 Im Jahr 1986 erklärte er noch einmal ausdrücklich, dass die Wettbewerbsvorschriften, insbesondere die heutigen Art. 101 – 106 AEUV, auf den Verkehrsbereich anwendbar seien.4 Allerdings seien besondere Vorschriften wie Art. 93 AEUV zu beachten. 1
Vgl. § 5 A. I. 1. Zur Entwicklung und Bedeutung der gemeinsamen Verkehrspolitik Ronellenfitsch, in: Hochhuth (Hrsg.), Rückzug des Staates, S. 140 ff. 3 EuGH, BeckEuRS 1974, 40184. 4 EuGH, GRUR Int. 1986, S. 542 ff., insbesondere Rn. 42. 2
A. Einflussnahme des Staates auf „seine“ Eisenbahnen
337
Das Europarecht ermöglicht grundsätzlich eine öffentliche Wirtschaftstätigkeit.5 Ein direktes Privatisierungsgebot besteht nicht.6 Zudem enthält Art. 106 AEUV eine Sondervorschrift für „öffentliche Unternehmen“, die implizit für die Zulässigkeit einer internen wie externen Einflussnahme des Mitgliedstaats auf „seine“ Unternehmen spricht. Unter den Begriff des „öffentlichen Unternehmens“ im Sinne des Art. 106 AEUV werden unter Zuhilfenahme der Transparenzrichtlinie7 Unternehmen subsumiert,8 denen nicht grundsätzlich die Marktfähigkeit wegen hoheitlicher,9 rein sozialer oder solidarischer Art10 fehlt und „auf das die öffentliche Hand auf Grund Eigentums, finanzieller Beteiligung, Satzung oder sonstiger Bestimmungen, die die Tätigkeit des Unternehmens regeln, unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann.“11 Art. 106 AEUV verbietet den Mitgliedstaaten in Bezug auf ihre Unternehmen mit Sonderstatus, Maßnahmen zu treffen, die den Verträgen zuwiderlaufen und zu mittelbaren Vertragsverletzungen führen. Insbesondere sollten Wettbewerbsverzerrungen12 aufgrund missbräuchlicher Handhabung „öffentlicher Unternehmen“ durch die Mitgliedstaaten verhindert werden.13 Verboten ist dabei nicht die Instrumentalisierung der Unternehmen mit Sonderstatus als solche, sondern Vertragsverletzungen durch eine solche Instrumentalisierung.14 Im Umkehrschluss steht Art. 106 Abs. 1 AEUV einer grundsätzlichen Steuerung der Unternehmen durch den Staat nicht entgegen, sondern setzt die Zulässigkeit eines bestimmenden staatlichen Einflusses vielmehr voraus. bb) Die Grundfreiheiten Von großer Bedeutung sind im Rahmen des Primärrechts die Grundfreiheiten, insbesondere die Kapitalmarktfreiheit aus Art. 63 AEUV: Alle Maßnahmen des Staates, die geeignet sind, den Anteilserwerb an einem Unternehmen zu verhindern, 5
Vgl. Weiß, AöR 128 (2003), S. 94. Weiß, Privatisierung, S. 351; vgl. auch Art. 345 AEUV und Art. 106 AEUV sowie die Erwägungsgründe der VO (EG) Nr. 1370/2007 v. 23. 10. 2007, Abl. L 315 v. 03. 12. 2007, S. 1. 7 Auch wenn die Definition des Art. 2 der Transparenzrichtlinie (RL 2006/111/EG v. 16. 11. 2006, ABl. L 318, S. 17) nach der Feststellung des EuGH nicht unbedingt verallgemeinerbar ist, bildet sie doch einen gewissen Anhaltspunkt für den Begriff des „öffentlichen Unternehmens“; vgl. hierzu Jung, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Art. 106 AEUV, Rn. 12. 8 D. h. „jede wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung“; vgl. EuGH, NJW 1991, S. 2891 ff. 9 EuGH, EuZW 1997, S. 312 ff. 10 EuGH, NJW 1993, S. 2597 (2598), Rn. 18 f. 11 Art. 2 lit. b) RL 2006/111/EG. 12 Hierfür spricht die Hervorhebung des Diskriminierungsverbotes (Art. 18 AEUV) sowie der Wettbewerbs- und Beihilfevorschriften (Art. 101 – 109 AEUV); vgl. EuGH, NJW 1979, S. 2460 ff. 13 Jung, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Art. 106 AEUV, Rn. 17. 14 Kühling, in: Streinz (Hrsg.), Art. 106 AEUV, Rn. 1. 6
338
2. Teil, § 6 Anwendung des Kriteriums der demokratischen Legitimation
zu beschränken oder Investoren der Mitgliedstaaten davon abzuhalten, Investitionen in das Unternehmen zu tätigen, sind grundsätzlich unzulässig.15 Besonders relevant ist dies für staatliche Sonderrechte wie goldene Aktien,16 die unabhängig von dem Aktienanteil Einflussrechte sichern. Sie machen private Investitionen in die entsprechende Gesellschaft unattraktiv und beschränken damit die Kapitalmarktfreiheit.17 Neben geschriebenen Rechtfertigungsgründen in Art. 64 und 65 AEUV bestehen zusätzlich ungeschriebene Möglichkeiten, Eingriffe in die Kapitalmarktfreiheit zu rechtfertigen: Die Maßnahme muss nach der Rechtsprechung des EuGH in nicht diskriminierender Weise angewendet werden, muss zwingenden Gründen des Allgemeinwohls dienen und zur Zweckerreichung geeignet sowie erforderlich sein.18 Zudem darf keine gemeinschaftsrechtliche Harmonisierung bezüglich des Schutzes der entsprechenden Interessen existieren.19 Bisher werden die Aktien der DB AG nicht gehandelt, so dass die Kapitalmarktfreiheit (noch) keine große Rolle spielt. Jedenfalls wenn es zu einer Teilprivatisierung kommen sollte,20 können eventuelle Sonderrechte als Verstöße gegen Art. 63 AEUV nicht gerechtfertigt werden. Zwar kommen Allgemeinwohlinteressen als Rechtfertigung in Betracht; doch reichen wirtschaftspolitische Ziele im Zusammenhang mit dem Arbeitsmarkt und der Wettbewerbsstruktur gerade nicht aus.21 Für den Fall einer Teilprivatisierung der DB AG sind die Möglichkeiten des Staates zu demokratischer Legitimation damit stark beschränkt. b) Das Sekundärrecht22 und seine Umsetzung durch den nationalen Gesetzgeber Bereits im Jahr 1961 drängte die Kommission auf die Intensivierung marktwirtschaftlicher und wettbewerblicher Grundsätze im Bereich des Eisenbahnverkehrs.23 Zur Regulierung der Eisenbahnunternehmen wurden mehrere Eisenbahn15 Vgl. EuGH, EuZW 2002, S. 437 ff.; NJW 2003, S. 2663 (2664), Rn. 61; NJW 2007, S. 3481 (3482), Rn. 19. 16 Eingehend hierzu statt vieler Ruge, EuZW 2002, S. 421 ff.; Stöber, NZG 2010, S. 977 ff.; Wellige, EuZW 2003, S. 427. 17 Vgl. Oechsler, NZG 2006, S. 942; ders. NZG 2007, S. 162. 18 Vgl. EuGH, NJW 2007, S. 3481 (3485), Rn. 72. 19 EuGH, NJW 2007, S. 3481 (3485), Rn. 72. 20 Zu evtl. Möglichkeiten vgl. Heise, Die Deutsche Bahn AG, S. 378 ff. 21 Vgl. dazu den EuGH im VW-Prozess, NJW 2007, S. 3481 (3485), Rn. 71. 22 Einen Überblick zum Sekundärrecht gibt Brandenberg, EuZW 2009, S. 359. Vorliegend sollen nur die Vorschriften kurz beleuchtet werden, die sich mit der Einflussnahme durch den Staat beschäftigen. Zu der unionsrechtlichen Frage der Trennung von Netz und Betrieb, dem sog. Unbundeling, das durch Art. 7 RL 2012/34/EU und § 9 AEG vorgeschrieben sind, vgl. die eingehenden Ausführungen von Heise, Die Deutsche Bahn AG, S. 115 f. und 118 ff. 23 Siehe hierzu Krauss, ZfVerkWiss 47 (1976), S. 2.
A. Einflussnahme des Staates auf „seine“ Eisenbahnen
339
pakete verabschiedet.24 Im Dezember 2012 wurde die Richtlinie 2012/34/EU25 erlassen, welche die bisherigen Regelungen – insbesondere die Richtlinie 91/440/ EWG26 und 2001/14/EG27 – vereinheitlichte und neu fasste. aa) Die Verkehrsunternehmen In Bezug auf Eisenbahnverkehrsunternehmen28 verlangt die Richtlinie vor allem, dass diejenigen Verkehrsunternehmen, die in direktem oder indirektem Eigentum oder unter der Kontrolle von Mitgliedstaaten stehen, so organisiert sind, dass ihre Leitung, Geschäftsführung und Verwaltung sowie ihre Verwaltungs-, Wirtschaftsund Rechnungsführungskontrollen derart vom Staat unabhängig sind, dass sie über ein von der öffentlichen Hand getrenntes Vermögen sowie über einen eigenen Haushaltsplan und eine eigene Rechnungsführung verfügen.29 Zudem müssen die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass die Eisenbahnverkehrsunternehmen ihre Tätigkeit den Marktverhältnissen anpassen und unter Verantwortlichkeit ihrer Leitungsorgane die Geschäfte so führen, dass sie effiziente und angemessene Leistungen zu den bei der geforderten Qualität dieser Leistung geringstmöglichen Kosten anbieten.30 Selbst bei der Erbringung von gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen gelten die Grundsätze, die für Wirtschaftsunternehmen gelten.31 Ausgenommen sind hiervon Verkehrsunternehmen, die ausschließlich im Stadt-, Vorort oder Regionalverkehr tätig sind.32 Damit sieht die Richtlinie eine gewisse organisatorische und personelle Unabhängigkeit der Führungsebene vor und legt inhaltlich die Marktausrichtung fest. Die deutsche Umsetzung der genannten Richtlinie findet sich im AEG33 bzw. im ERegG. § 5 ERegG (ehemaliger § 8 Abs. 1 AEG) und bestimmt, dass öffentliche Eisenbahnen in Leitung, Geschäftsführung und Verwaltung sowie hinsichtlich der verwaltungstechnischen und wirtschaftlichen Kontrolle sowie interner Rechnungslegung von staatlichen und kommunalen Gebietskörperschaften unabhängig sein müssen. Dabei fordert § 5 ERegG (ehemaliger § 8 Abs. 1 AEG) sowohl die personelle als auch die organisatorische Unabhängigkeit der Leitungsebene:34 Diese muss 24
Eingehend hierzu Boeing/Kotthaus//Rusche, Grbitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Recht der EU, Rn. 134 ff. 25 RL 2012/34/EU v. 21. 11. 2012, ABl. L 343 v. 14. 12. 2012, S. 32. 26 RL 91/440/EWG v. 29. 07. 1991, ABl. L 237 v. 24. 08. 1991, S. 25 ff. 27 RL 2001/14/EG v. 27. 07. 2001, ABl. Nr. L 202 v. 15. 03. 2001, S. 51. 28 D. h. Eisenbahnunternehmen i.S.d. Richtlinie. 29 Art. 4 Abs. 1 RL 2012/34/EU v. 21. 11. 2012, ABl. L 343 v. 14. 12. 2012, S. 32. 30 Art. 5 Abs. 1 RL 2012/34/EU v. 21. 11. 2012, ABl. L 343 v. 14. 12. 2012, S. 32. 31 Art. 5 Abs. 1 S. 1, 2 RL 2012/34/EU v. 21. 11. 2012, ABl. L 343 v. 14. 12. 2012, S. 32. 32 Vgl. Art. 2 Abs. 1 RL 2012/34/EU v. 21. 11. 2012, ABl. L 343 v. 14. 12. 2012, S. 32. 33 Vgl. BT-Drucks. 12/4609. 34 Vgl. Suckale, in: Hermes/Sellner (Hrsg.), § 8 AEG, Rn. 8.
340
2. Teil, § 6 Anwendung des Kriteriums der demokratischen Legitimation
staatsfrei besetzt sein. Kein Amt im Vorstand einer der Konzerngesellschaften darf von einer Person bekleidet werden, die ein Amt beim Bund innehat.35 Die Kontrolle im Aufsichtsrat dagegen darf von Personen ausgeübt werden, die staatlichen Stellen angehören.36 In organisatorischer Hinsicht muss die Unternehmensstruktur derart ausgestaltet sein, dass „eine staatliche Einflussnahme auf sämtlichen Ebenen der unternehmerischen Tätigkeit“37 ausgeschlossen ist. Schließlich soll die innere Entscheidungsfindung des Unternehmens und der Unternehmensleitung auch im Falle staatlichen Alleinbesitzes der Aktien frei von staatlicher Steuerung sein.38 Fraglich ist, inwieweit § 5 ERegG (ehemaliger § 8 Abs. 1 AEG) damit die sachlich-inhaltliche Unabhängigkeit der Führungsebene vorsieht. Wenn der Staat nämlich in keiner Weise die Führung der DB AG steuern darf, verbleibt kein Raum für demokratische Legitimation. Dabei fordern Literaturstimmen, dass auch in inhaltlicher Hinsicht in den im Gesetz genannten Bereichen die staatliche Einflussnahme ausgeschlossen sein müsse.39 Zwar bezieht sich diese Forderung wohl nur auf öffentlich-rechtliche Instrumentarien. Doch plädieren auch andere Autoren für ein Verbot beherrschenden Einflusses,40 was dafür sprechen könnte, dass die deutsche Umsetzung in § 5 ERegG (ehemaliger § 8 Abs. 1 AEG) sämtliche gesellschaftsrechtlichen Einflussnahmen auf die Geschäftsführung verbietet.41 Im Ergebnis ist jedenfalls die Einführung unmittelbarer staatlicher Weisungsrechte bezüglich Geschäftsführungsfragen mit § 5 ERegG (ehemaliger § 8 Abs. 1 AEG) unvereinbar.42 Auch ansonsten muss sowohl die externe als auch die interne gesellschaftsrechtliche Steuerung der Geschäftsführung durch den Staat eine unverbindliche, nicht verrechtlichte bleiben.43 Unproblematisch sind hingegen nach den Vorgaben des EU-Rechts und des AEG bzw. des ERegG unverbindliche Veranlassungen i.S.d. § 311 AktG.44 Faktischer Einfluss ist zumindest insoweit zuläs-
35
Vgl. Suckale, in: Hermes/Sellner (Hrsg.), § 8 AEG, Rn. 12. Vgl. Suckale, in: Hermes/Sellner (Hrsg.), § 8 AEG, Rn. 13. 37 Suckale, in: Hermes/Sellner (Hrsg.), § 8 AEG, Rn. 8. 38 Suckale, in: Hermes/Sellner (Hrsg.), § 8 AEG, Rn. 8. 39 Kramer, in: Kunz (Hrsg.), § 8 AEG, Rn. 2; indirekt auch noch Kramer, § 8 AEG, Rn. 2. 40 Indirekt Suckale, in: Hermes/Sellner (Hrsg.), § 8 AEG, Rn. 13. 41 Vgl. hierzu Menges, Strukturreform, S. 67. Nach Heise, Deutsche Bahn AG, S. 308, ist hingegen nicht jede gesellschaftsrechtliche Einflussnahme verboten. 42 So auch Heise, Deutsche Bahn AG, S. 308. 43 So Heise, Deutsche Bahn AG, S. 365, die das Verbot sowohl der Richtlinie als auch deren Umsetzung entnimmt. 44 Auch gegen die VO (EG) Nr. 1370/2007 v. 23. 10. 2007, Abl. L 315 v. 03. 12. 2007, S. 1 wird nicht verstoßen, da die Veranlassungen der „Auferlegung gemeinschaftsrechtlicher Verpflichtungen im Sinne des Art. 3 VO 1370/2007/EG durch die zuständige Behörde gleichsam ,vorgelagert‘ [sind]“; vgl. Heise, Deutsche Bahn AG, S. 365. 36
A. Einflussnahme des Staates auf „seine“ Eisenbahnen
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sig,45 als die Vorschriften der Richtlinie und des § 5 ERegG (ehemaliger § 8 Abs. 1 AEG) nicht umgangen werden. Allerdings reicht dieses erlaubte Maß inhaltlicher Beeinflussung nicht aus, um die verbotene personelle Legitimation der Geschäftsführung in sachlicher Hinsicht auszugleichen. Eine Fremdbestimmung der Verkehrsunternehmen nach Maßgabe des Demokratieprinzips, der zufolge alle wesentlichen Entscheidungen auf den Volkswillen zurückführbar sind, ist bereits nach unionsrechtlichen Vorschriften und deren Umsetzung unzulässig. Daher verwundert, dass sich, soweit ersichtlich, außer Gersdorf, der eine verfassungsrechtliche Ausnahme für die DB AG annimmt, kaum ein Verfechter der Staatlichkeit der Verkehrsunternehmen mit der Frage nach der fehlenden, ja unzulässigen demokratischen Legitimation auseinanderzusetzen scheint.46 bb) Die Infrastrukturunternehmen Fraglich ist, wie viel Einfluss auf die Infrastrukturunternehmen47 ausgeübt werden darf. Diese sind nach Art. 4 Abs. 2 RL 2012/34/EU unter Beachtung der Rahmenbedingungen betreffend die Entgelterhebung und die Kapazitätszuweisung sowie der von den Mitgliedstaaten festgelegten Einzelvorschriften für ihre eigene Geschäftsführung, Verwaltung und interne Kontrolle verantwortlich. Die Richtlinie 2001/12/ EG48 dagegen wollte die Unabhängigkeit der Netzbetreiber vom Staat gewährleisten und ihnen die Möglichkeit der selbstständigen Regelung von internen Angelegenheiten geben.49 Dieser historische Aspekt stützt die Auslegung, dass die interne Selbstständigkeit der Infrastrukturunternehmen gewahrt werden muss, wofür auch der Wortlaut der Richtlinie („eigene Geschäftsführung“) spricht. Der systematische Zusammenhang mit Art. 8 Abs. 3 S. 1 RL 2012/34/EU deutet aber darauf hin, dass eine staatliche Einflussnahme möglich bleibt. Schließlich kann der Mitgliedstaat die allgemeine Politik festlegen, eine Strategie entwickeln und Finanzmittel bereitstellen. Das heißt, dass bei interner Unabhängigkeit der Unternehmen die externe Steuerung durch die Mitgliedstaaten diesen offen steht.50 Die systematische Auslegung spricht also für eine Unterscheidung zwischen der Einflussnahme auf Verkehrsunternehmen einerseits und Infrastrukturunternehmen andererseits bezüglich des Maßstabs des erlaubten Einflusses. Zu diesem Ergebnis gelangt auch eine teleologische Auslegung: Schließlich will das Europarecht den 45 Zu weit insofern Menges, Strukturreform, S. 67, die davon ausgeht, dass die Verkehrsunternehmen „dem Einflussbereich des Staates künftig entzogen sind“. 46 Vgl. Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 425 ff. 47 Infrastrukturbetreiber i.S.d. RL 2012/34/EU v. 21. 11. 2012, ABl. L 343 v. 14. 12. 2012, S. 32. 48 RL 2001/12/EG v. 26. 02. 2001, ABl. L 75 v. 15. 03. 2001, S. 1 ff. 49 Erwägungsgrund 8 der RL 2001/12/EG; vgl. auch Heise, Deutsche Bahn AG, S. 110. 50 Vgl. eingehend wie hier Heise, Deutsche Bahn AG, S. 110 und 111.
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Wettbewerb stärken. Daher müssen Verkehrsunternehmen weitgehend unabhängig agieren können. Die Infrastruktur dagegen unterliegt als natürliches Monopol keinem Wettbewerb. Aus volkswirtschaftlicher Sicht kann staatlicher Einfluss hier sogar sinnvoll sein. Die deutsche Umsetzung in § 8 Abs. 1 AEG unterschied zunächst nicht zwischen Verkehrs- und Infrastrukturunternehmen, sofern diese dem Staat gehören. Auch Infrastrukturunternehmen mussten organisatorisch und personell vom Staat unabhängig sein. Damit waren zwar nicht sämtliche gesellschaftsrechtlichen Einflussnahmen verboten; ein beherrschender Einfluss jedenfalls sollte aber auch hier untersagt sein.51 Der neue § 5 ERegG bezieht sich hingegen nur auf Verkehrsunternehmen. 2. Die verfassungsrechtlichen Determinanten des staatlichen Einflusses Durch die Bahnreform im Jahr 199352 wurden die Verfassungsbestimmungen bezüglich der deutschen Eisenbahnen maßgeblich verändert.53 Die heutige Fassung des Art. 87e GG stellt einen Kompromiss zwischen den Interessen der Bundesregierung und der Regierungsfraktionen auf der einen und den entgegenstehenden Bedenken des Bundesrats auf der anderen Seite dar. Während die Regierungsvertreter die Eisenbahn gänzlich von ihrem Allgemeinwohlauftrag befreien und sie gerade nicht als privatrechtsförmige Verwaltung gestalten, sondern als echtes Wirtschaftsunternehmen mit rein ökonomischer Ausrichtung organisieren wollten, sprach sich der Bundesrat für das Bundeseigentum an den Infrastrukturunternehmen und eine Gemeinwohlbindung aus, die insbesondere über die Zementierung der Mehrheitseigentümerstellung gesichert werden sollte.54 Nach Art. 87e Abs. 3 S. 1 GG werden die Eisenbahnen des Bundes „als Wirtschaftsunternehmen in privatrechtlicher Form“ geführt. In Satz 2 dieser Norm ist die Stellung des Bundes als Mehrheitseigentümer an den Infrastrukturunternehmen festgeschrieben. Art. 87e Abs. 3 S. 1 GG steht dabei in einem Spannungsverhältnis zu Art. 87e Abs. 4 S. 1 GG, der einen Gewährleistungsauftrag des Bundes für das Wohl der Allgemeinheit, insbesondere die Verkehrsbedürfnisse, beim Ausbau und
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Kramer, in: Kunz (Hrsg.), § 8 AEG, Rn. 2 f.; so auch Kramer, § 8 AEG, Rn. 2. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 20. 12. 1993, BGBl. I, S. 2089. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben hat der einfache Gesetzgeber damals im Zuge der Reform im Deutsche Bahn Gründungsgesetz (DBGrG) konkretisiert (BGBl. I, S. 2378, 2386). 53 Vgl. eingehend Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 50 ff. 54 Das ursprünglich von den Ländern geforderte unmittelbare Bundeseigentum am Schienennetz sollte dazu dienen, „dem Bund Vorgaben für die Ausfüllung seiner Eigentümerfunktion bei den Eisenbahnen des Bundes [zu geben]“; vgl. Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 12/5015, S. 11. Nach Kramer kann diese Haltung auch auf das Mehrheitseigentum an den Aktien übertragen werden; so Kramer, in: Bayreuther (Hrsg.), Sozialeinrichtungen, S. 120. 52
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Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz normiert. Im Folgenden soll geprüft werden, inwieweit die interne und externe Instrumentalisierung der DB AG durch staatliche Einflussnahme, d. h. demokratische Legitimation des Agierens der DB AG von Verfassungs wegen zulässig ist. Dabei ist zwischen Infrastrukturunternehmen und Verkehrsunternehmen zu differenzieren. a) Die verfassungsrechtlichen Aussagen über den staatlichen Einfluss auf die Infrastrukturunternehmen aa) Der Art. 87e Abs. 3 S. 1 GG als Verbot staatlicher Einflussnahme auf die DB AG Nach Art 87e Abs. 3 S. 1 GG ist die DB AG nicht nur „wie ein Wirtschaftsunternehmen“, sondern „als Wirtschaftsunternehmen“ zu führen, wobei die Formulierung bewusst gewählt wurde.55 Nach dem ursprünglichen Regierungsentwurf zur Bahnreform sollte die DB AG ausdrücklich nicht in die öffentliche Verwaltung integriert sein. Vielmehr sollten deren finanzielle und organisatorische Selbstständigkeit befördert56 sowie unternehmerische Verantwortung und staatliche Aufgabenerfüllung getrennt werden.57 Mit der kommerziellen Ausrichtung der DB AG sowie ihrer unternehmerischen Selbstbestimmung58 sollte ausweislich des ursprünglichen Regierungsentwurfes die Allgemeinwohlverpflichtung der Bahn aufgehoben werden.59 Ausgehend von Art. 87e Abs. 3 S. 1 GG wird daher in der Literatur teilweise trotz der Eigentümerstellung des Bundes eine echte Aufgabenprivatisierung angenommen.60 Die DB AG sei auf Grund ihrer garantierten Entscheidungsautonomie Privaten gleichgestellt61 und vom Gemeinwohlauftrag befreit. Dies gelte für Verkehrs- wie Infrastrukturunternehmen gleichermaßen.62 Infolgedessen
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Zur Bedeutung des Wörtchen „als“ in der Eisenbahnhistorie Menges, Strukturreform, S. 62 ff.; Teichmann, Festgabe Knemeyer, S. 666. 56 Vgl. BT-Drucks. 12/5015, S. 16. 57 BT-Drucks. 12/5015, S. 14. 58 Vgl. BT-Drucks. 12/1015, S. 7. 59 BT-Drucks. 12/5015, S. 5. 60 Uerpermann-Wittzack, in: Münch/Kunig (Hrsg.), Art. 87e GG, Rn. 10; Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 70. 61 Uerpermann-Wittzack, in Münch/Kunig (Hrsg.), Art. 87e GG, Rn. 10. 62 Gersdorf, BK, 6. Aufl., Art. 87e GG, Rn. 53; Vesting, in: Denninger/Hoffmann-Riem/ Schneider/Stein (Hrsg.), Art. 87e GG, 40 f.; zusätzlich sprechen sich die Autoren für die Grundrechtsfähigkeit der DB aus und wenden sich teilweise grundsätzlich von der menschenzentrierten Dogmatik des BVerfG ab; vgl. Windthorst, in: Sachs (Hrsg.), Art. 87e GG, Rn. 49; andere halten die Rechtsprechung für diesen besonderen Fall nicht für anwendbar; vgl. Vesting, in: Denninger/Hoffmann-Riem/Schneider/Stein (Hrsg.), Art. 87e GG, Rn. 41; zwischen Verkehrs- und Infrastrukturunternehmen wird insofern nicht unterschieden; vgl.
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wird Art. 87e Abs. 3 S. 1 GG teilweise ein grundsätzliches Verbot inhaltlicher staatlicher Einflussnahme entnommen.63 Das externe Einwirkungs- oder Zugriffsverbot ergebe sich für den Staat jedenfalls aus dem Zugeständnis von Grundrechten für die DB AG bzw. aus Art. 87e Abs. 3 S. 1 GG selbst, welches der DB ein eigenständiges subjektives, grundrechtsähnliches Recht gewähre, eine grundrechtstypische Gefährdungslage begründe bzw. als Eingriffsverbot in den Rechtsraum der DB AG zu sehen sei.64 Auch die interne Einwirkung des Staates über das Gesellschafts- und Konzernrecht sei stark begrenzt.65 Eine interne Steuerung der DB AG, die einem weisungsunterworfenen hierarchischen Verwaltungsaufbau im Sinne des Demokratieprinzips nach Art. 20 Abs. 2 GG gleichkomme, sei mit Art. 87e Abs. 3 S. 1 GG jedenfalls unvereinbar.66 Der Staat dürfe die DB AG gerade nicht zu außerökonomischen Gewährleistungszwecken instrumentalisieren, wenn die Wirtschaftsinteressen des Unternehmens beeinträchtigt würden.67 Nach dieser Lesart des Art. 87e Abs. 3 S. 1 GG muss die DB AG konsequenterweise mangels der Zulässigkeit hinreichender staatlicher Einflussnahme und der Gewähr eines Autonomiespielraumes der gesellschaftlichen Sphäre zugeordnet werden. Allerdings wird sie teilweise dennoch als Teil des Staates angesehen. Art. 87e Abs. 3 S. 1 GG stelle eine verfassungsrechtliche Sonderregelung für die „Abweichungen vom Regelmodell der demokratischen Legitimation“68 dar, durch welche die Einwirkungspflicht des Staates modifiziert sei. Das Prinzip, dass sich der Staat durch eine Organisationsprivatisierung nicht seiner öffentlich-rechtlichen Bindungen entziehen dürfe, gelte gerade nicht für die DB AG.69 Doch kann Art. 87e Abs. 3 S. 1 GG weder die Absage an das Demokratieprinzip noch dessen Einschränkung entnommen werden. Der unveränderliche Art. 20 Abs. 2 GG genießt schon wegen Art. 79 Abs. 3 GG in jedem Falle Geltung und Vorrang. Wenn man Art. 87 e Abs. 3 S. 1 GG ein staatliches Einwirkungsverbot und die Garantie eines Autonomiespielraums für die DB AG entnehmen will, so muss Letztere konsequenterweise der gesellschaftlichen Sphäre zugeordnet werden. Windthorst, in: Sachs (Hrsg.), Art. 87e GG, Rn. 49; Gersdorf, BK, 6. Aufl., Art. 87e GG, Rn. 53. 63 In diese Richtung Kramer, Eisenbahninfrastruktur; s. dort S. 72. Er spricht von einer inhaltlichen ,Befreiung‘ der Eisenbahnen des Bundes von staatlichem Einfluss, schränkt dies für die Infrastrukturunternehmen aber wieder ein; vgl. ebd., S. 72 ff. 64 In diese Richtung Heise, Deutsche Bahn AG, S. 333 ff.; für ein eigenständiges Recht Hammer, DÖV 2011, S. 761, 766 ff.; Möstl, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 87e GG, Rn. 175. 65 So Gersdorf, BK, 6. Aufl., Art. 87e GG, Rn. 53, 59. 66 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 212. 67 Gersdorf, BK, 6. Aufl., Art. 87e GG, Rn. 80. Dabei weist er darauf hin, dass Veranlassungen i.S. des § 311 AktG angesichts der Ausgleichspflicht zulässig seien. Auch Kramer betont, dass Wirtschaftlichkeit und Gemeinwohlverantwortung dank § 311 AktG nicht so unvereinbar seien, wie oftmals behauptet werde; vgl. Kramer, in: Bayreuther (Hrsg.), Sozialeinrichtungen, S. 121. 68 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 212. 69 Gersdorf, BK, 6. Aufl., Art. 87e GG, Rn. 80.
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Allerdings gilt es zu bedenken, dass die Entbindung vom Gemeinwohlauftrag, so wie sie ursprünglich von der Bunderegierung angedacht war, einem Gesetzesentwurf zugrunde lag, der niemals Gesetzeskraft erlangt hat. Er sah weder den Gesetz gewordenen Gewährleistungsauftrag noch das zwingende Bundesmehrheitskapital an den Infrastrukturunternehmen vor. Insofern ist zu fragen, inwieweit die Zweckbestimmung der Bundeseisenbahnen durch den in das GG eingegangenen Kompromiss zwischen Bundesregierung und Bundesrat70 modifiziert wurde.71 Der politische Wille, der auf die absolute Eigenverantwortlichkeit des Unternehmens gerichtet war, hat in der Verfassung zumindest keinen unmittelbaren Ausdruck gefunden.72 Vielmehr legen Art. 87e Abs. 3 S. 1 i. V. mit Art. 87e Abs. 3 S. 2 und 3 (und Abs. 4 S. 1) nahe, dass für den Bund die dauerhafte Möglichkeit geschaffen werden sollte, die Gewährleistungspflichten über die Mehrheitseigentümerstellung der Infrastrukturunternehmen verwirklichen zu können.73 Selbst wenn man der DB AG einen verfassungsrechtlichen Autonomiespielraum zugestehen wollte und externe Einwirkungsbefugnisse des Staates damit erschwert wären, würde dadurch keine Aussage bezüglich bestimmter interner Einflussnahmemöglichkeiten getroffen. Das Konzernrecht belegt in Zusammenschau mit der Rechtsprechung des BGH, der auch den Staat als beherrschendes und damit weisungsgebendes Unternehmen einstuft, dass die Führung „als Wirtschaftsunternehmen“ eine interne Einflussnahme des Staates nicht ausschließt.74 Einschränkungen sind höchstens hinsichtlich der Möglichkeit denkbar, die DB AG durch Satzungsbestimmungen dem Gemeinwohl zu verpflichten. Denn damit könnte die verfassungsrechtliche Festschreibung der Führung als Wirtschaftsunternehmen konterkariert werden. Allerdings zeigt die Diskussion um Corporate Social Responsibility und die Möglichkeit einer Festschreibung entsprechender Gemeinwohlbelange in den Satzungen von Wirtschaftsunternehmen,75 dass eine entsprechende Satzungsbestimmung zwar (noch) ungewöhnlich sein mag. Sie ist einem Wirtschaftsunternehmen aber gerade nicht wesensfremd. Insgesamt ist Art. 87e Abs. 3 S. 1 GG nicht zu entnehmen, dass die Möglichkeit der staatlichen Steuerung ausgeschlossen ist – weder intern noch extern. bb) Die Notwendigkeit interner Einflussnahme des Staates aus Art. 87e Abs. 4 S. 1 GG i.V. mit Art. 87 Abs. 3 S. 2, 3 GG Teilweise wird vertreten, die privatrechtliche Organisation der DB AG stelle lediglich die „Form, in der die Bundeseisenbahnen ihre Gemeinwohlverpflichtung 70
Dazu eingehend Heise, Deutsche Bahn AG, S. 303; 198 ff. Vgl. zu dieser Fragestellung auch Heise, Deutsche Bahn AG, S. 339. 72 So Heise, Deutsche Bahn AG, S. 322; anders Gersdorf, BK, 6. Aufl., Art. 87e GG, Rn. 59. 73 Gersdorf, BK, 6. Aufl., Art. 87e GG, Rn. 59. 74 BGHZ 69, S. 334 (337); 15, 107 ff.; ähnlich Kramer, in: Bayreuther (Hrsg.), Sozialeinrichtungen, S. 121. 75 Vgl. Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 76 Rn. 39. 71
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wahrnehmen“,76 dar. Die Gewährleistungsverantwortung77 des Bundes hinsichtlich der Infrastruktur in Verbindung mit der Perpetuierung der Bundesmehrheit der Anteile erstrecke den Beteiligungszweck des Bundes auf die Unternehmensinteressen und binde alle Gesellschaftsorgane hieran.78 Eine gewisse interne Einflussnahme des Staates erscheint nach dieser Interpretation notwendig. Allerdings spricht der Wortlaut der Norm des Art. 87e GG gegen diese These: Art. 87e Abs. 3 S. 1 GG hat gegenüber seiner ursprünglichen Fassung des Regierungsentwurfes, der die DB AG von ihrem Gemeinwohlauftrag befreien wollte, keine Änderung erfahren. Auch bezieht sich der Schienenwegevorbehalt mit „diese“ Eisenbahnen auf Art. 87e Abs. 3 S. 1 GG und bestärkt noch einmal, dass es sich um „Wirtschaftsunternehmen“ handelt.79 Der Gewährleistungsauftrag verpflichtet zudem ausdrücklich nur den Bund (Art. 87e Abs. 4 S. 1 GG). Der Wortlaut spricht somit deutlich gegen eine Verpflichtung der DB AG. Doch auch wenn die DB AG selbst nicht durch Art 87e Abs. 4 S. 1 GG gebunden ist, wird aus dieser Norm i. V. mit Art. 87e Abs. 3 S. 2, 3 GG die interne Einwirkungspflicht des Staates abgeleitet.80 Ansonsten sei die Sinnhaftigkeit des sog. Schienenwegevorbehalts81 des Art. 87e Abs. 3 S. 2 und 3 GG vor allem in seiner historischen Interpretation fraglich. Der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme zur Grundgesetzänderung schließlich vorgebracht, dass Art. 87e Abs. 4 GG dem Bund „Vorgaben zur Ausfüllung seiner Eigentümerfunktion bei den Eisenbahnen des Bundes“ mache.82 Doch wies der Bundesrat ebenso auf die allgemeine Pflicht der Allgemeinwohlwahrung in der Verkehrspolitik sowie die Möglichkeit der externen Bestellung von Verkehrsleistungen hin,83 maß mithin der Eigentümerstellung des Bundes nicht die alleinige Bedeutung bei der Verwirklichung des Gewährleistungsauftrags bei. Vor allem aber ist zu beachten, dass sich die Aussage des Bundesrats auf eine Fassung 76 So Jochum, NVwZ 2005, S. 781; dagegen explizit Heise, Deutsche Bahn AG, S. 338, Fn. 1319. 77 Ausgenommen von der Gewährleistungsverantwortung ist der Schienenpersonennahverkehr, der vom Reformgesetzgeber den Ländern anvertraut wurde; vgl. Art. 87e Abs. 4 GG. 78 Vgl. Burger, Aufgaben des Bundes, S. 79. 79 Vgl. hierzu Heise, Deutsche Bahn AG, S. 339, und Möstl, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 87e GG, Rn. 120. 80 So wohl Menges, Strukturreform, S. 59 ff., S. 140 ff.; Fehling, in: Hochhuth (Hrsg.), Rückzug des Staates, S. 93, 108; andere dagegen wollen die Einwirkungspflicht aus dem Demokratieprinzip ableiten. S. etwa Wieland, in: Dreier (Hrsg.), Art. 87e GG, Rn. 31; Spannowsky, ZGR 1996, S. 400, 402 f.; Burger, Aufgaben des Bundes, S. 73 f. Allerdings setzt dies die Staatseigenschaft des Unternehmens voraus. Gegen eine Einwirkungspflicht Gersdorf, BK, 6. Aufl., Art. 87e GG, Rn. 79. 81 Der Begriff wurde geprägt von Hommelhoff/Schmidt-Aßmann, ZHR 160 (1996), S. 521/ 527. 82 BT-Drucks. 12/5015, S. 11. 83 BT-Drucks. 12/5015, S. 11.
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des Art. 87e Abs. 4 GG bezog, die niemals Gesetzeskraft erlangt hat und der eine völlig abweichende Vorstellung zugrunde lag:84 Es ging gerade nicht um die Zementierung der Mehrheitseigentümerstellung des Bundes an den Aktien der Infrastrukturunternehmen, die im heutigen Art. 87e Abs. 3 S. 2, 3 GG Gesetzeskraft erlangt hat. Vielmehr sah die Stellungnahme des Bundesrats die unmittelbare Eigentümerschaft des Bundes am Schienennetz vor.85 Zwar ist es plausibel, die Forderung des Bundesrats auf die Eigentümerstellung hinsichtlich der Aktien zu übertragen.86 Doch darf die historische Auslegung der Gesetzesmaterialien nicht überschätzt werden,87 da die Stellungnahmen zu den Entwürfen und Vorschlägen eben nicht die letztendliche Kompromisslösung betrafen. Schließlich fehlte in der Version des Bundesrats auch der Satz 2 des Art. 87e Abs. 4 GG, der den Gewährleistungsauftrag dem Wortlaut nach gerade nicht auf die Eigentümerstellung, sondern auf externe Regulierungsmöglichkeiten bezieht. Sollte der Gewährleistungsauftrag auch nach der endgültigen, heutigen Fassung des Art. 87e GG intern über das Mehrheitseigentum des Bundes an den Infrastrukturunternehmen durchgesetzt werden, so ist aus systematischer Sicht sehr fraglich, warum der Gewährleistungsauftrag nicht zusammen mit der Eigentümerstellung in Abs. 3 verortet worden ist oder sich die Regelung des Mehrheitseigentums an den Gewährleistungsauftrag anschließt. Vielmehr folgen Art. 87e Abs. 3 S. 2, 3 GG direkt der Konstatierung der Führung der DB AG als Wirtschaftsunternehmen, was zugunsten der Auffassung interpretiert werden kann, dass die Eigentümerstellung des Bundes gerade nichts an der ursprünglichen Absicht, die DB AG völlig in die gesellschaftliche Freiheit zu entlassen, ändern sollte. Schließlich bringen die Gesetzesmaterialien, sofern man ihnen eine wegweisende Bedeutung beimessen möchte, am ehesten zum Ausdruck, dass mit der Reform die Staatsferne der DB AG angestrebt wurde.88 Schließlich ist zu bedenken, dass das GG nicht eine 75 %-ige Mehrheit vorschreibt und es damit nicht für zwingend erachtet, dass der Staat als Aktionär in der Hauptversammlung Satzungsänderungen bestimmen kann.89 Die „Ewigkeit“ der Bundesmehrheit an den Anteilen ergibt darüber hinaus auch ohne die Pflicht zu interner Einflussnahme und
84 Auch Teichmann, Festgabe Knemeyer, S. 666, weist darauf hin, dass die ursprünglich geplante „Koppelung von Eigentum [des Bundes] und Gemeinwohlauftrag“ wieder entfallen sei. 85 BT-Drucks. 12/5015, S. 11. 86 So überzeugend Kramer, in: Bayreuther (Hrsg.), Sozialeinrichtungen, S. 120. 87 Auch Ronellenfitsch, in: Hochhuth (Hrsg.), Rückzug des Staates, S. 146, betont, dass die subjektive Auslegung bei der Verfassungsinterpretation nur geringes Gewicht habe. 88 Vgl. Kramer, in: Bayreuther (Hrsg.), Sozialeinrichtungen, S. 122: „Bei [der] Beantwortung [der Frage nach der Staatsnähe der DB] hilft der nahe liegende Blick in die Gesetzesmaterialien der ,Bahnreform‘ zunächst wenig weiter, werden hier doch hauptsächlich die Gründe und Erwägungen deutlich, wieso die (staatlichen) Eisenbahnen eben aus der Staatsverwaltung entlassen werden sollten.“ 89 Darauf weist auch Heise, Deutsche Bahn AG, S. 317, Fn. 1256, hin.
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Steuerung durch den Aktionär Staat Sinn:90 Sie verhindert z. B. eine Zerschlagung des Konzerns und einen Ausverkauf des Schienennetzes.91 Zudem kann das Telos des Art. 87e Abs. 3 S. 2, 3 GG auch allein darin gesehen werden, dass es dem Bund verwehrt wird, sich seines Gewährleistungsauftrags aus Art. 87e Abs. 4 S. 1 GG, der sich auf die Eisenbahnen des Bundes bezieht, die nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 6a GG nur die im Mehrheitseigentum des Bundes befindlichen Unternehmen bilden, durch Privatisierung komplett zu entledigen.92 Insofern dient Art. 87e Abs. 3 S. 2, 3 GG als Garantie für die Verantwortlichkeit des Staates, hat aber nichts mit interner Einflussnahme zu tun. Selbst wenn man dem nicht zustimmt, kann angesichts der Kompromissfindung im Gesetzgebungsverfahren aus der Existenz des Art. 87e Abs. 3 S. 2, 3 GG allein nicht auf die Pflicht zur internen Einwirkung des Staates auf die DB AG geschlossen werden.93 Denn der Verfassungstext des Art. 87e GG erlaubt insgesamt die Unterstellung, dass nicht jeder einzelne Punkt der Reform bis ins letzte Detail zu Ende gedacht wurde.94 cc) Die Argumente aus Art. 87e Abs. 4 S. 2 GG gegen eine interne Einflussnahme Während Art. 87e Abs. 3 S. 2, 3 GG eine interne Einflussnahme des Staates nahe legt, spricht Art. 87e Abs. 4 S. 2 GG eher für eine externe staatliche Beeinflussung der Infrastrukturunternehmen.95 Denn bezüglich des Gewährleistungsauftrags, der sich explizit nicht auf die DB AG als Unternehmen bezieht, wird nicht auf den Staat als Eigentümer, sondern als Gesetzgeber verwiesen.96 Hierfür spricht auch die Systematik der Norm: Sollte der Gewährleistungsauftrag zwingend intern über gesellschaftsrechtliche Mechanismen verwirklicht werden, läge es nahe, ihn syste90
So aber Menges, Strukturreform, S. 60; Fehling, in: Hochhuth (Hrsg.), Rückzug des Staates, S. 93; 108. 91 So auch Heise, Deutsche Bahn AG, S. 302 ff. Zudem wird darüber hinaus die – bloße – Möglichkeit der internen Einflussnahme eröffnet. Siehe dazu gleich unter § 6 A. I. 2. a) ee). 92 So auch Gersdorf, BK, 6. Aufl., Art. 87e GG, Rn. 81. 93 Vgl. auch Gersdorf, BK, 6. Aufl., Art. 87e GG, Rn. 60. 94 Vgl. auch Kramer, in: Bayreuther (Hrsg.), Sozialeinrichtungen, S. 116: „Zum Teil sind die dabei getroffenen Regelungen allerdings erkennbar mit heißer Nadel gestrickt und offenbar auch nicht immer wirklich zu Ende gedacht worden“. 95 Zudem wird diskutiert, inwieweit dem Art. 87e Abs. 4 S. 2 GG ein Regelungs- und Parlamentsvorbehalt entnommen werden kann; vgl. eingehend Heise, Deutsche Bahn AG, S. 243 f.; siehe dazu auch § 6 B. I. 1. 96 Fraglich ist, ob der Bund durch Gesetz besondere gesellschaftsrechtliche Vorschriften, d. h. eine gesetzliche Regelung der internen Einflussnahme des Staates auf die Gesellschaft, vorsehen darf oder ob sich der Regelungsvorbehalt nur auf Außenrechtsbeziehungen, d. h. die gesetzliche Regulierung etwa durch das AEG, erstreckt. Art. 87e GG lässt die Möglichkeit der Führung der Bahn als GmbH und damit Weisungsrechte i.S.d. § 37 GmbHG zu. Daher wird ihm im Wege teleologischer Auslegung de maiore ad minus entnommen, er müsse für die Einführung von Sonderregeln wie Weisungsrechten auch bei der AG offen stehen; vgl. auch Heise, Deutsche Bahn AG, S. 311 f.
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matisch in der Nähe des staatlichen Eigentums zu verankern. Der gewählte Weg des auf die Allgemeinwohlgarantie bezogenen Regelungsvorbehalts in Art. 87e Abs. 4 S. 2 GG scheint dagegen vortrefflich zu der mit Art. 87e Abs. 3 S. 1 GG verbundenen Idee zu passen: Sämtliche Allgemeinwohlaspekte können dem regulierenden Gesetzgeber überlassen sein, wohingegen die DB AG unbeeinflusst wirtschaftlich agieren kann.97 Schließlich war es bei der Bahnreform maßgeblich darum gegangen, unternehmerische Verantwortung auf der einen und staatliche Aufgabenstellung auf der anderen Seite strikt zu trennen.98 Art. 87e Abs. 4 S. 2 GG könnte somit ein Gebot der externen und ein Verbot innergesellschaftlicher Einflussnahme entnommen werden.99 Auch das BVerfG spricht dem Bundestag unter Verweis auf Art. 87e Abs. 4 S. 2 GG Einflussmöglichkeiten jenseits der gesetzgeberischen Möglichkeiten, insbesondere „Beteiligungsrechte an unternehmerischen Einzelentscheidungen“,100 ab. Allerdings bezieht sich das Gericht dabei lediglich auf direkte Zustimmungsrechte des Parlaments. Die Möglichkeit, das Gesellschaftsrecht für die Erreichung von Allgemeinwohlaspekten im Wege der innergesellschaftlichen Steuerung, etwa durch die Festlegung von Gemeinwohlzielen in der Satzung zu nutzen, ist davon nicht betroffen. Eine interne Steuerung wird im Ergebnis durch Art. 87e Abs. 4 S. 2 GG nicht ausgeschlossen, allerdings auch nicht nahegelegt. dd) Die Ableitung des Gesellschaftszwecks der Infrastrukturunternehmen aus Art. 87e Abs. 4 S. 1 GG In der jüngeren Literatur wird vertreten, Art. 87e Abs. 4 S. 1 GG bringe – zwar „denkbar unklar“,101 aber nichtsdestoweniger – zum Ausdruck, dass die Verfassung selbst den Gesellschaftszweck der Infrastrukturunternehmen regeln und damit indirekt Aussagen über eine innergesellschaftliche Einflussnahme treffen wolle. Aus Art. 87e GG sei abzuleiten, dass die Infrastrukturunternehmen zumindest auch dem Zweck dienten, als Instrument für die Erfüllung des staatlichen Gewährleistungsauftrags zur Verfügung zu stehen.102 Das Gesellschaftsziel der Eisenbahnen sei allein und ausschließlich aus der Verfassung zu entwickeln. Dies sei eine unausgespro97 Keineswegs ist dem Art. 87e Abs. 4 S. 2 GG zu entnehmen, dass der Gesetzgeber Entscheidungen des Unternehmens selbst treffen darf oder muss; vgl. hierzu BVerfGE 129, S. 356 ff. 98 BT-Drucks. 12/5015, S. 14. 99 Auf diese Frage geht Heise leider nicht ein, obwohl sie sich detailliert mit der Problematik auseinandersetzt, ob der Gesetzgeber konkrete Unternehmensentscheidungen treffen darf; vgl. Heise, Deutsche Bahn AG, S. 251 ff. In die Richtung der hier aufgeworfenen Frage wohl Wilkens, Wettbewerbsprinzip, S. 127. 100 BVerfG, NVwZ 2012, S. 294 (296); BVerfGE 129, S. 356. 101 Heise, Deutsche Bahn AG, S. 310. 102 Vgl. Heise, Deutsche Bahn AG, die auf S. 350 die Frage aufwirft und auf S. 351 ff. beantwortet.
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chene Übereinkunft innerhalb der Fachliteratur.103 Zur Untermauerung dieser These wird die historische Entstehung der Vorschrift des Art. 87e GG ins Feld geführt:104 Die letztlich erzielte Kompromisslösung des GG, d. h. die Festschreibung des Mehrheitskapitals des Bundes bezüglich der Infrastrukturunternehmen sowie der Gewährleistungsauftrag in Hinblick auf den Erhalt des Schienennetzes, könne vor diesem Hintergrund nur als eine verbindliche Regelung des gemeinwohlorientierten Unternehmensziels der Infrastrukturunternehmen gedeutet werden.105 Dies kann nicht überzeugen. Weder die Gewährleistung des diskriminierungsfreien Netzzuganges106 noch die potenzielle Instrumenteneigenschaft des Unternehmens für die Erfüllung des staatlichen Gewährleistungsauftrags gehen als verfassungsimmanenter Unternehmenszweck der Infrastrukturunternehmen aus Art. 87e GG hervor.107 Nicht begründet wird zudem, weshalb die Verfassung diesbezüglich eine abschließende Regelung enthalten sollte. Wenn man der Verfassung überhaupt die Beschreibung eines Unternehmensgegenstandes oder -zwecks entnehmen wollte, dann ergäbe sich dieser am ehestens aus Art. 87e Abs. 3 S. 1 GG, der die Wirtschaftsrationalität festschreibt.108 Doch ist in Art. 87e Abs. 3 S. 1 i. V. mit Abs. 4 S. 1 GG nicht der Gesellschaftszweck, sondern der potenzielle109 Zweck der staatlichen Beteiligung umschrieben: Diese kann darauf gerichtet sein, das Unternehmen durch Beherrschung zu instrumentalisieren. Es erscheint aber alles andere als zwingend, in Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG die Festlegung des Gesellschaftszwecks zu erblicken. Keineswegs ist dies jedoch hinsichtlich 87e Abs. 4 S. 1 GG angebracht. Vielmehr ermöglicht die Festschreibung der Anteilsmehrheit an den Infrastrukturunternehmen beim Bund lediglich den Weg der potenziellen innergesellschaftlichen Einflussnahme und damit die Festschreibung der Gemeinwohlziele und des Unternehmenszwecks in der Satzung des Unternehmens.
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So Heise, Deutsche Bahn AG, S. 301, Fn. 1233. Schließlich war es den Ländern zunächst darum gegangen, das Eigentum an der Infrastruktur beim Bund zu belassen und dem Bund damit „Vorgaben bei der Ausfüllung seiner Eigentümerfunktion“ mit dem Gemeinwohlauftrag machen; vgl. auch BT-Drucks. 12/5015, S. 11. 105 So Heise, Deutsche Bahn AG, S. 310. 106 So aber mit sehr interessanten Überlegungen Möstl, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 87e GG, Rn. 123 ff. 107 Zu Recht kritisiert Heise, Deutsche Bahn AG, S. 342 f., dass der Zweck der Gewährleistung diskriminierungsfreien Wettbewerbs in keiner Weise verfassungsrechtlich verankert wurde. Allerdings findet auch der von ihr propagierte verfassungsimmanente Unternehmenszweck keinen Ausdruck im Verfassungstext. 108 So Gersdorf, BK, 6. Aufl., Art. 87e GG, Rn. 80. 109 Auf den potenziellen Zweck des Unternehmens stellt Heise, Deutsche Bahn AG, in einem sehr innovativen Ansatz ab, der den Infrastrukturunternehmen eine doppelte Natur zuschreibt. Einerseits seien sie ,normale‘ private Unternehmen, andererseits seien sie potenzielle Instrumente staatlicher Aufgabenerfüllung, die entsprechend einen zweifachen Zweck verfolgten; vgl. Heise, Deutsche Bahn AG, S. 346. 104
A. Einflussnahme des Staates auf „seine“ Eisenbahnen
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ee) Zusammenfassende Stellungnahme Bei historischer Betrachtung drängt sich die Vermutung auf, dass man sich in einer Kompromisslösung lediglich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt hat: Das Ziel der Gemeinwohlorientierung, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen gerecht zu werden und Schienennetz sowie Verkehrsangebote zu erhalten, wurde – schon dem Wortlaut nach – explizit als Aufgabe des Staates normiert, nicht dagegen der Infrastrukturunternehmen. Diese sollen als unabhängige Wirtschaftsunternehmen geführt werden. Der Staat verbleibt als Mehrheitsaktionär, um die Verantwortlichkeit für „seine“ Bahnen zu behalten, den Ausverkauf des Schienennetzes zu verhindern und um eventuell im Rahmen des Gesellschaftsrechts intern Einfluss nehmen zu können. Daneben kann er seinem Gewährleistungsauftrag durch Regulierungsmaßnahmen nachkommen.110 Das Mehrheitseigentum (Art. 87e Abs. 3 S. 2,3 GG) bewahrt die Option der internen Einflussnahme; der Regelungsvorbehalt (Art. 87e Abs. 4 S. 2 GG) sichert die Möglichkeit spezieller Gesetze. Auch der Wortlaut legt damit nahe, dass die DB AG – ebenso wie die deutsche Telekom – zunächst „in die Freiheit entlassen“ wurde.111 Indem die Rechtsform nicht auf die AG festgelegt wird und somit auch eine GmbH mit Weisungsrechten in Frage käme, ist aber die potenzielle Möglichkeit staatlicher Fremdbestimmung der DB AG in der Verfassung verankert.112 Konkrete Ausgestaltungen, eine Pflicht des Staates zur Einwirkung oder gar die Festschreibung eines Unternehmenszwecks legt der Wortlaut dagegen nicht nahe. Auch die Systematik, insbesondere das Zusammenspiel von Art. 87e Abs. 4 S. 1 und 2 GG mit Art. 87e Abs. 3 S. 1 GG spricht vielmehr dafür, dass die in Art. 87e Abs. 4 S. 1 GG genannten Gemeinwohlbelange primär durch Bundesgesetz und nicht unbedingt durch den staatlichen Einfluss auf die Infrastrukturunternehmen gesichert werden sollen. Zudem wurde das zwingende Mehrheitseigentum nicht in Art. 87e Abs. 4 GG verortet, sondern in Abs. 3 eingefügt. Dies spricht dafür, dass das Mehrheitseigentum nichts an der Führung als Wirtschaftsunternehmen in der zunächst von der Bundesregierung intendierten Weise ändern soll, was wiederum bedeutet, dass die DB AG gerade von Gemeinwohlaufgaben entbunden sein soll.113 Auch der Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen für ein weites Verständnis: Auf welche Weise der Staat die Gemein-
110 So die Gedanken zum ursprünglichen Entwurf der Regierungsfraktionen, BT-Drucks. 12/4609, S. 56. 111 Möstl, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 87e GG, Rn. 104, 122; ebenso Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 179; Gersdorf, BK, 6. Aufl., Art. 87e GG, Rn. 53; dagegen Heise, Deutsche Bahn AG, S. 353. 112 Allerdings liegen die Vorteile zusätzlicher interner Steuerung, die durch Informationsvorsprung passgenauer und schneller reagieren kann, gegenüber nur externem Vorgehen auf der Hand; vgl. Fehling, in: Hochhuth (Hrsg.), Rückzug des Staates, S. 102, ferner Burgi, VerwArch 93 (2002), S. 275. 113 Hierauf weist Teichmann, Festgabe Knemeyer, S. 666 f., hin.
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2. Teil, § 6 Anwendung des Kriteriums der demokratischen Legitimation
wohlzwecke erreicht, ist offen.114 Art. 87e Abs. 4 S. 1 GG schreibt grundsätzlich nur das Ergebnis, nicht aber die Mittel vor.115 Zudem sind Verfassungsnormen im Zweifel „als bloße Rahmenordnung zugunsten politischer Gestaltungsräume auszulegen.“116 Damit verpflichtet das GG nicht zur staatlichen Einwirkung auf die DB AG, eröffnet aber die Möglichkeit einer gewissen Fremdbestimmung durch ein externes Gesetz oder aber eine interne Einflussnahme im Rahmen des Gesellschaftsrechts,117 wobei der Fokus der DB AG als Wirtschaftsunternehmen nicht außer Acht gelassen werden darf. In keinem Fall darf Art. 87e Abs. 3 S. 1 GG jedoch als Absage oder Einschränkung des Demokratieprinzips gewertet werden. Er stellt lediglich ein Indiz für die Zugehörigkeit der DB AG zur gesellschaftlichen Sphäre dar. b) Die verfassungsrechtlichen Aussagen über den staatlichen Einfluss auf die Verkehrsunternehmen Die Verkehrsunternehmen des Bundes werden „als Wirtschaftsunternehmen“ ohne zwingende Mehrheitsbeteiligung des Bundes118 und unabhängig von einem staatlichen Gewährleistungsauftrag119 geführt. Da sich die Kritik des Bundesrats an dem ursprünglichen Regierungsentwurf zur Bahnreform nur auf die Infrastrukturunternehmen bezog, ist davon auszugehen, dass die Verkehrsunternehmen auch nach der in Kraft getretenen Kompromisslösung vom historischen verfassungsändernden Gesetzgeber als „echte Wirtschaftsunternehmen“ konstruiert sind, die gerade keine Verwaltung in Privatrechtsform darstellen.120 Teilweise wird eine staatliche interne 114
Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat sich nicht einmal festgelegt, ob die DB als AG oder GmbH geführt werden soll. Hätte man sich für die GmbH entschieden, wären interne Weisungsrechte möglich nach § 37 GmbHG möglich, bei der AG sind diese dagegen nicht vorgesehen. 115 Vgl. auch Heise, Deutsche Bahn AG, S. 315 f.; wohl im Ergebnis auch Wilkens, Wettbewerbsprinzip, S. 162 ff.; Fehling, in: Hochhuth (Hrsg.), Rückzug des Staates, S. 93, betont, dass Regulierung und staatliche Selbsterfüllung sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern ergänzen. 116 Fehling, in: Hochhuth (Hrsg.), Rückzug des Staates, S. 113, in Bezug auf Art. 90 GG; Böckenförde, NJW 1976, S. 2091. 117 So auch Gersdorf, BK, 6. Aufl., Art. 87e GG, Rn. 82. Ein gewisser Einfluss ist zumindest über die staatliche Aufsicht nach Art. 87e Abs. 1, 2 GG gegeben. 118 In der Begründung des Regierungsentwurfs zu Art. 87e Abs. 3 GG, BT-Drucks. 12/5015, S. 7, heißt es: „Absatz 3 beinhaltet keine institutionelle Garantie in dem Sinne, dass der Bund dauerhaft Eigentümer einer Eisenbahn sein und diese betreiben muss“. Der tatsächliche Beteiligungszweck des Staates erschöpft sich also tatsächlich in dem Halten des Kapitals, um eine Zerschlagung des Konzerns durch Finanzinvestoren zu verhindern; vgl. Heise, Deutsche Bahn AG, S. 363. 119 Der Bundesrat sah auch keine Bedeutung des Bundeseigentums für den verkehrsbezogenen Gewährleistungsauftrag vor. Vielmehr sollte der Bund als Besteller auftreten können; vgl. BT-Drucks. 12/5015, S. 7. 120 Vgl. BT-Drucks. 12/5015, S. 6.
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Einflussnahme auf die Verkehrsunternehmen mit Hilfe eines Gegenschlusses aus dem Schienenwegevorbehalt121 sogar für unzulässig erklärt; die Transportunternehmen sollten „dem Einfluss des Staates künftig entzogen“122 werden. Eine gemeinnützige Beteiligungsverwaltung sei bei den Verkehrsbetrieben nicht zulässig.123 Allerdings ist der Verfassung kein Verbot interner Einflussnahme zu entnehmen. Man kann nur davon ausgehen, dass eine interne Einflussnahme zur Zeit der Bahnreform nicht geplant war.124 Zumindest wird eine Pflicht des Staates, intern auf die Unternehmen einzuwirken, in der Literatur größtenteils verneint.125 Auch der Sinn und Zweck stünden einer derartigen staatlichen Verpflichtung entgegen: Nur die Infrastrukturunternehmen agierten im Schienennetz als einem Bereich enormer Gemeinwohlverantwortung; die Infrastruktur sei die „,Lebensader […]‘ einer modernen Gesellschaft“126 „ökonomischer und sozialer Aktivität“127 oder „einer arbeitsteiligen Gesellschaft“128. Die Verkehrsunternehmen trügen dagegen keine solche Allgemeinwohlbedeutung. Jedenfalls könne, wie es auch der Bundesrat zum Ausdruck gebracht habe, den Verkehrsbedürfnissen Rechnung getragen werden, indem Leistungen von außen durch den Bund bestellt würden. Zwar spielen auch bei den Verkehrsunternehmen Aspekte wie die Gleichbehandlung, Diskriminierungsfreiheit etc. eine Rolle. Diese öffentlichen Anliegen haben aber keinerlei Ausdruck im Verfassungstext gefunden. Art. 87e GG sieht dagegen keine besonderen Einflussmöglichkeiten oder Pflichten vor, sondern legt es eher nahe, die Verkehrsunternehmen von staatlicher Steuerung freizuhalten. Schließlich lag darin das primäre Ziel der Bahnreform. Ein Einwirkungsverbot ist dem Verfassungstext aber nicht zu entnehmen.
121 Der Begriff des „Schienenwegevorbehaltes“ wurde geprägt durch Hommelhoff/SchmidtAßmann, ZHR 160 (1996), S. 527. Bezeichnet wird damit die Regelung des GG, die einer materiellen Privatisierung der Infrastrukturunternehmen Schranken setzt: Die Mehrheit der Anteile von Gesellschaften, die mit dem Bau, der Unterhaltung und dem Betreiben von Schienenwegen befasst sind, muss beim Bund verbleiben; vgl. Art. 87e Abs. 3 S. 2, 3 GG. 122 Menges, Strukturreform, S. 67; im Ergebnis ebenso Delbanco, in: Foos (Hrsg.), Eisenbahnrecht, S. 19, 35 f. 123 So Gersdorf, BK, 5. Aufl., Art. 87e GG, Rn. 75. 124 So auch Heise, Deutsche Bahn AG, S. 364. 125 Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, S. 577, 585; Fehling, in: Hochhuth (Hrsg.), Rückzug des Staates, S. 93; 108; Heise, Deutsche Bahn AG, S. 363 f.; a.A. Wieland, in: Dreier (Hrsg.), Art. 87e GG, Rn. 31. 126 So Kramer, in: Bayreuther (Hrsg.), Sozialeinrichtungen, S. 116. 127 Gärditz, GewArch 2011, S. 275. 128 Steiner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 81, Rn. 1.
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2. Teil, § 6 Anwendung des Kriteriums der demokratischen Legitimation
II. Der völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Rahmen für den staatlichen Einfluss auf die RZˇ D 1. Die völkerrechtlichen Determinanten des staatlichen Einflusses im Rahmen der Eurasischen Zoll- und Wirtschaftsunion129 Im Jahr 2000 gründeten die RF, Belarus, Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan die Eurasische Wirtschaftsgemeinschaft (EurAsEC). Am 6. Oktober 2007 wurde zwischen der RF, Belarus und Kasachstan mit der Unterzeichnung des Abkommens zur Zollunion eine weiter gehende Integration begründet. Ein gemeinsamer Zollkodex in den Unterzeichnerländern ist seit Juli 2011 in Kraft.130 Im Hinblick auf den Eisenbahnverkehr ist ein Abkommen „über die Regulierung des Zugangs zu Leistungen des Eisenbahnverkehrs, einschließlich der Grundlagen der Tarifpolitik“ (ARZLEVGTP)131 unterzeichnet worden. Am 01. 01. 2015 wurde mit der Schaffung der supranationalen Eurasischen Wirtschaftsunion eine weitere Integrationsstufe vollzogen.132 Die Marktteilnehmer erhalten nach europäischem Vorbild vier einklagbare Wirtschaftsfreiheiten:133 die Waren-, die Kapital-, die Dienstleistungs- und die Arbeitnehmerfreiheit.134 Bisher wurde die Warenverkehrsfreiheit realisiert. Die Umsetzung der restlichen Marktfreiheiten ist bis 2025 vorgesehen.135 Im Rahmen dieser Freiheiten, insbesondere der Kapitalmarktfreiheit, kann es zu Einschränkungen für staatliche Monopole und somit für die Eisenbahnen kommen. Gerade der Verkehr soll harmonisiert werden.136 Im Detail wird man abwarten müssen, wie sich die Wirtschaftsunion im Einzelnen tatsächlich entwickelt. Auch wenn sich die Eurasische Wirtschaftsunion an der Europäischen Union zu orientieren scheint,137 ist dabei nicht zu erwarten, dass es zu 129 Vgl. zu den neuesten Entwicklungen Belozerov, Eurasische Wirtschaftsunion (in Erscheinung). 130 Vgl. zur geschichtlichen Entwicklung Schadebach/Kim, WiRO 2015, S. 161. 131 Vgl. http://www.eurasiancommission.org/ru/Lists/EECDocs/635049316561807590.pdf [zuletzt aufgerufen am 19. 01. 2018]. 132 Vertrag über die Eurasische Wirtschaftsunion (VEWU); vgl. https://docs.eaeunion.org/ docs/ru-ru/0023611/itia_05062014_doc.pdf [zuletzt aufgerufen am 07.012018]. 133 Belozerov/Brovka/Wolffgang, Außenwirtschaftliche Praxis – Zeitschrift für Außenwirtschaft in Recht und Praxis 2013, S. 244 ff. 134 Evrazijskaja e˙ konomicˇ eskaja komissija 2013: Evrazijskaja e˙ konomicˇ eskaja Integracija: Cifry i fakty, S. 18; vgl. http://www.eurasiancommission.org/ru/Documents/broshuraEEC_2 6–1.pdf [zuletzt aufgerufen am 19. 01. 2018]. 135 Umsetzungsprogramm der Kommission der Eurasischen Union, S. 60 ff.; vgl. http:// www.eurasiancommission.org/ru/Documents/EEC_ar2015_preview.pdf [zuletzt aufgerufen am 19. 01. 2018]. 136 Evrazijskaja e˙ konomicˇ eskaja komissija 2013: Evrazijskaja e˙ konomicˇ eskaja Integracija: Cifry i fakty, S. 18; vgl. http://www.eurasiancommission.org/ru/Documents/broshuraEEC_2 6–1.pdf [zuletzt aufgerufen am 19. 01. 2018]. 137 Vgl. zum Vergleich mit der EU Steininger/Schramm/Olejnik, WiRo 2017, S. 293 ff.
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wesentlichen Einschränkungen der staatlichen Einflussnahme auf die Eisenbahnunternehmen der Mitgliedstaaten kommen wird. 2. Die verfassungsrechtlichen Determinanten des staatlichen Einflusses Die Verfassung enthält keine materiellen Vorgaben für die Eisenbahnen. In Art. 71i VerfRF ist lediglich die Gesetzgebungskompetenz der RF festgelegt.
III. Zusammenfassung und Vergleich Die unionsrechtlichen Vorgaben und deren Umsetzung widersprechen einer personellen wie sachlich-inhaltlichen demokratischen Legitimation der Verkehrsunternehmen der DB AG im Wege staatlicher Steuerung. Bezüglich der Infrastrukturunternehmen stehen zumindest unionsrechtlich externe Mechanismen offen. Zwar besteht generell die Möglichkeit faktischer Einflussnahme. Doch ist diese, zumindest wenn sie nicht das Ausmaß eines Umgehungstatbestandes erreicht, zur demokratischen Legitimation ungenügend. In Russland werden in Zukunft wohl die Vorgaben der Eurasischen Wirtschaftsunion eine Rolle für den staatlichen Einfluss auf die RZˇ D spielen. Allerdings ist nicht von der Regelungsdichte des Europarechts auszugehen. Ebenfalls ist nicht zu erwarten, dass die Möglichkeit des staatlichen Einflusses auf die Eisenbahnen wesentlich begrenzt werden wird. Führt das Unionrecht für Deutschland faktisch bereits zu einem Verbot der Staatlichkeit der DB AG, ist die RF bisher nicht durch Völkerrecht daran gehindert, die RZˇ D dem staatlichen Demokratiegebot zu unterwerfen. Das GG sieht keine Einwirkungspflicht des Staates auf die Infrastruktur- oder Verkehrsunternehmen vor, eröffnet aber die Möglichkeit externer wie interner Einflussnahme nach Maßgabe des Demokratieprinzips. Anders als das GG trifft die VerfRF – abgesehen von Kompetenznormen – keinerlei Aussagen über das Verhältnis von Staat und Eisenbahn.
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2. Teil, § 6 Anwendung des Kriteriums der demokratischen Legitimation
B. Die externen Regulierungsmittel als staatliche Einflussnahme auf die Eisenbahnunternehmen I. Die externe staatliche Einflussnahme auf die DB AG 1. Die Regulierung durch und auf Grund des AEG als externes Steuerungsmittel Der Staat ist Gesellschafter und Gesetzgeber zugleich. Er kann regulierend tätig werden138 und entweder alle privaten und öffentlichen Unternehmen einer Branche behördlichen Eingriffen unterwerfen139 oder einzelne Eigengesellschaften an spezielle Handlungspflichten binden.140 Entsprechend kann der Bund im Rahmen seines Gewährleistungsauftrags die DB AG mit Sonderbindungen an öffentliche Zwecke knüpfen. Durch das AEG werden keine generellen Handlungspflichten oder Zweckbindungen für die DB AG aufgestellt. Die aktuelle Gesetzeslage sieht allerdings Einflussmöglichkeiten auf die DB AG im Rahmen der Staatsaufsicht vor. Nach Art. 87e Abs. 1 und Abs. 2 GG obliegt dem Bund die Aufsicht über seine Eisenbahnen.141 Die Aufsicht wird durch das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) und die Landeseisenbahnaufsichtsbehörden ausgeführt, wobei Aufgaben der Länder auch dem EBA übertragen werden können (§ 5 Abs. 2 S. 2 – 4 AEG). Zudem agiert als Regulierungs- und Aufsichtsbehörde die Bundesnetzagentur für die Überwachung und Gewährleistung des diskriminierungsfreien Netzzuganges.142 Insofern wird eine gewisse personelle Legitimation erreicht. Damit wird die DB AG aber keinen Sonderbindungen unterworfen, da die Aufsicht für alle Eisenbahnen gilt. Zwar erfordert der Maßstab der demokratischen Legitimation auch kein Sonderopfer, sondern lediglich hinreichenden Einfluss. Doch sind die gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten, wesentliche Unternehmensentscheidungen durch Verwaltungsakt anzuordnen, insgesamt sehr beschränkt.
138 Auf die Wichtigkeit der Einwirkung des Staates auf die DB über das Wirtschaftsverwaltungsrecht angesichts der eingeschränkten Einflussmöglichkeiten im Gesellschaftsrecht weist auch Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 69, hin. Allerdings stehe § 8 AEG einer öffentlich-rechtlichen Einflussnahme seiner Meinung nach insgesamt entgegen (Kramer, Kunz, § 8 AEG, Rn. 2 ff.), so dass die Einflussnahmemöglichkeit auf das Unternehmen sehr beschränkt sei. 139 Vgl. die alte Regelung des Energiewirtschaftsgesetzes; hierzu Schön, ZGR 1996, S. 431. 140 Die Bestimmungen des § 65 Abs. 1 Nr. 1 BHO binden dagegen den Staat als Aktionär, der mit seiner Beteiligung ein wichtiges Interesse verfolgen muss, nicht dagegen die Gesellschaft als solche. 141 Dabei gibt es zum einen das Eisenbahn-Bundesamt, zum anderen die Landeseisenbahnaufsichtsbehörden; vgl. auch Kramer, in: Bayreuther (Hrsg.), Sozialeinrichtungen, S. 118. 142 Vgl. hierzu Kramer, in: Bayreuther (Hrsg.), Sozialeinrichtungen, S. 118.
B. Die externen Regulierungsmittel als staatliche Einflussnahme
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Nach § 11 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 AEG hat der Bund die Möglichkeit, den Weiterbetrieb einer Strecke oder eines für die Betriebsabwicklung wichtigen Bahnhofs anzuordnen und damit dem Gewährleistungsauftrag ein Stück weit nachzukommen, wenn der Betreiber nicht darlegt, dass ihm der Betrieb der Infrastruktureinrichtung nicht mehr zugemutet werden kann, und Verhandlungen mit Dritten, denen ein Angebot für die Übernahme der Infrastruktureinrichtung durch Verkauf oder Verpachtung zu in diesem Bereich üblichen Bedingungen gemacht wurde, erfolglos geblieben sind. Allerdings kann eine verkehrspolitisch unerwünschte Stilllegung gemäß § 11 Abs. 2, 5 AEG nicht dauerhaft, sondern lediglich für ein Jahr untersagt werden.143 Damit kann der Staat inhaltlich nur in Ausnahmefällen im Sinne eines Letztentscheidungsrechts über die wesentliche Frage der Stilllegung einer Strecke entscheiden.144 Der Bund scheint sich – zumindest vorläufig – für den Weg der externen Regulierung entschieden zu haben, auch wenn zuzugeben ist, dass er hier eine gewisse „Zurückhaltung“145 zeigt und seinem Gewährleistungsauftrag bei der Anordnung des Weiterbetriebes einer Strecke qua Versagung einer Stilllegungsgenehmigung nur ungenügend nachkommt.146 Nach § 15 AEG kann der Bund in Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben147 entsprechende (Fern-)Verkehrsdienstleistungen bestellen. Dabei ist fraglich, ob diese Inpflichtnahme eine Sonderbindung darstellt. Schließlich können auch private Unternehmen über § 15 AEG in Anspruch genommen werden. Ob diese als Verwaltungshelfer zu sehen sind, die durch die Erfüllung einer staatlichen Aufgabe unter Hauptverantwortung des Staates nach herrschender Lehre nicht in die Staatlichkeit hineinwachsen,148 soll hier dahingestellt bleiben.149 Eine Unterscheidung, wie sie in der Literatur im Rahmen des § 15 AEG vorgenommen wird, zwischen der DB AG, die wegen ihres staatlichen Alleinbesitzes bereits eine organisatorische Nähe zum Staat aufweise und daher funktional in die Staatlichkeit eingebaut werden könne, und
143
Vgl. Kramer, in: Bayreuther (Hrsg.), Sozialeinrichtungen, S. 117 f. Auch die Freistellung der bahngenutzten Grundstücke von Bahnbetriebszwecken nach § 23 AEG oder das Bundesschienenwegeausbaugesetz sind als gesetzliche Ausgestaltungen des staatlichen Gewährleistungsauftrags zu nennen; vgl. Kramer, in: Bayreuther (Hrsg.), Sozialeinrichtungen, S. 117. 145 So Kramer, in: Bayreuther (Hrsg.), Sozialeinrichtungen, S. 118. 146 In diese Richtung auch Fehling, in: Hochhuth (Hrsg.), Rückzug des Staates, S. 115. 147 Ursprünglich Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 vom 26. 06. 1969, ABl. L 156 vom 28. 06. 1969, S. 1. Jetzt Verordnung (EG) Nr. 1370/2007/EG vom 23. 10. 2007 (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70, ABl. L 315 vom 03. 12. 2007, S. 1. 148 Vgl. in diese Richtung Möstl, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 87e GG, Rn. 103. 149 Nach dem hier vertretenen Ansatz dagegen kann auch der Verwaltungshelfer bei entsprechender Fremdbestimmung und Unterwerfung unter das Demokratieprinzip partiell wie der Beliehene in die staatliche Sphäre integriert werden. Auch bei Letzterem kommt es auf die gesetzliche Grundlage als Ausdruck demokratischer Legitimation an. 144
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Privaten, die einer Beleihung bedürften,150 überzeugt nicht. Wird eine Leistung ausgeschrieben, bestellt und vergütet, liegt keine Maßnahme vor, die hinreichend inhaltliche Legitimation vermittelt. Nur weil die Gewinnorientierung des Unternehmens durch eine öffentliche Zweckbindung ergänzt wird, besitzt die DB AG entgegen einigen Literaturstimmen151 nicht auf Grund des § 15 AEG partielle Staatlichkeit. Doch können derartige Inpflichtnahmen, sofern sie auferlegt werden, zu einer Fremdbestimmung des Unternehmens beitragen. Allerdings hat der Bund – anders als die Länder – bisher noch keinen Gebrauch von der Möglichkeit der Bestellung einer Verkehrsleistung nach § 15 AEG gemacht und diese Gewährleistungsoption nie mit Leben gefüllt,152 obwohl die Betrauung eines Bahnunternehmens mit einer gemeinwirtschaftlichen Dienstleistung in Art. 2 lit. i) 2. Halbsatz der Verordnung EG Nr. 1370/2007 durch Verwaltungsakt ausdrücklich vorgesehen ist. 2. Sonstige externe Regulierungsmöglichkeiten Zu überlegen ist, ob der Staat die DB AG auch in anderen Fällen als den durch das AEG vorgesehenen durch Verwaltungsakt einer inhaltlich-sachlichen Beeinflussung durch die Auferlegung von Sonderbindungen unterwerfen kann. Allerdings fehlt hierfür bisher – mit Ausnahme der oben angesprochenen gesetzlichen Möglichkeiten, die durch Verwaltungsakt konkretisiert werden können – die entsprechende Ermächtigungsgrundlage.153 Verschiedene Reformvorschläge, insbesondere bezüglich der Einführung eines umfassenden Fernverkehrsgewährleistungsgesetzes, das sich nicht nur auf die Eisenbahnen des Bundes beziehen, sondern alle Eisenbahnen miteinschließen soll, haben jedenfalls noch keine Gesetzeskraft erlangt.154 Wenn es sich um ein staatliches Unternehmen ohne Grundrechtsberechtigung handelte, könnte zwar zumindest eine detaillierte Ermächtigungsgrundlage entbehrlich sein,155 da eine Verletzung von Grundrechtspositionen der DB AG nicht in Betracht käme. 150 Möstl, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 87e GG, Rn. 103; Scholz, FS Lorenz, S. 224, dagegen will gemischtwirtschaftliche Unternehmen erst dann der Staatsgewalt zurechnen, wenn sie beliehen sind. 151 Möstl, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 87e GG, Rn. 103, geht hier von einer partiellen Grundrechtsbindung aus. 152 Kramer, in: Bayreuther (Hrsg.), Sozialeinrichtungen, S. 118; Heise, Deutsche Bahn AG, S. 272; BT-Drucks. 13/4777, S. 2 (Antwort 1.a) und b) der Bundesregierung auf die kleine Anfrage des Abgeordneten Schmidt u. a. der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). 153 Auch für einen subordinationsrechtlichen öffentlich-rechtlichen Vertrag besteht keine entsprechende Ermächtigungsgrundlage, da der Vertrag nach § 54 S. 2 VwVfG an Stelle eines Verwaltungsaktes geschlossen würde, wobei für Letzteren eben die Ermächtigungsgrundlage fehlt. Ein nicht-subordinationsrechtlicher öffentlicher Vertrag kommt aber wegen der dann gegebenen Autonomie der DB AG nicht als probates Mittel in Frage; vgl. auch Heise, Deutsche Bahn AG, S. 369, 184. 154 Zu verschiedenen Reformvorschlägen vgl. Heise, Deutsche Bahn AG, S. 275 ff. 155 Auf Grund des Rechtsstaatsprinzips darf die Verwaltung aber nie ohne jegliche Ermächtigungsgrundlage tätig werden; vgl. Heise, Deutsche Bahn AG, S. 243 mit w.N.
B. Die externen Regulierungsmittel als staatliche Einflussnahme
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Doch wird aus der verfassungsrechtlichen Verankerung der Führung des DB AG als Wirtschaftsunternehmen (Art. 87e Abs. 3 S. 1 GG) ein positives Recht abgeleitet, das unabhängig von Grundrechten eine gesetzliche Eingriffsgrundlage erfordern soll.156 Vor allem aber verlangt Art. 87e Abs. 4 S. 2 i.V. mit Art. 87e Abs. 5 GG danach, dass die wesentlichen Entscheidungen in Bezug auf die Gewährleistungsverantwortung vom Gesetzgeber getroffen werden, insbesondere soweit bei Relevanz für die Länderinteressen (Art. 87e Abs. 5 S. 2 GG)157 nur dadurch die Mitwirkungsrechte der Länder über das Zustimmungserfordernis des Bundesrats gewahrt werden können.158 Insofern kommen Verwaltungsakte über die gesetzlich im AEG vorgesehenen Fälle hinaus kaum in Betracht, um die nötige sachliche Legitimation zu vermitteln. 3. Vertragliche Verpflichtungen als externes Steuerungsmittel Für den Gewährleistungsauftrag sind die in Form von (nicht subordinationsrechtlichen) öffentlich-rechtlichen Verträgen zwischen dem Bund, den Infrastrukturunternehmen und der DB AG geschlossenen Leistungs- und Finanzierungsvereinbarungen Schiene LuFV (von 2009 – 2013) und LuFV II (2015 – 2019)159 von Bedeutung. Gegen eine Finanzierungszusage vom Bund sind die Infrastrukturunternehmen insbesondere verpflichtet, ihre Schienennetze in einem qualitativ hochwertigen Zustand vorzuhalten.160 Allerdings kann die LuFV II, die gerade nicht subordinationsrechtlich ausgestaltet ist, aufgrund des in ihr verwirklichten Vertragsprinzips der Gleichberechtigung der Parteien jedenfalls nicht wesentlich zur sachlich-inhaltlichen Fremdbestimmung und damit zur demokratischen Legitimation der DB AG beitragen.161
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Vgl. eingehend Heise, Deutsche Bahn AG, S. 243 mit w.N. Vgl. hierzu eingehend Heise, Deutsche Bahn AG, S. 244 f., die sauber zwischen den zustimmungsbedürftigen und nicht zustimmungsbedürftigen Maßnahmen trennt. 158 Eingehend zu der Diskussion um einen aus Art. 87e Abs. 4 S. 2 GG abzuleitenden Gesetzesvorbehalt Heise, Deutsche Bahn AG, S. 243 ff. 159 Leistungs- und Finanzierungsvereinbarungen Schiene 2015 – 2019 (LuFV II); vgl. http://www.eba.bund.de/DE/HauptNavi/Finanzierung/LuFV/lufv_node.html [zuletzt aufgerufen am 09. 07. 2016]. 160 Vgl. eingehend Heise, Deutsche Bahn AG, S. 267 f. 161 Auch Heise, Deutsche Bahn AG, S. 184, geht davon aus, dass ein nicht-subordinationsrechtlicher Vertrag nicht Ausdruck einer staatlichen Fremdbestimmung sein könne; a.A. Lang, NJW 2004, S. 361, 3603. 157
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2. Teil, § 6 Anwendung des Kriteriums der demokratischen Legitimation
ˇD II. Die externe staatliche Einflussnahme auf die RZ 1. Die gesetzlichen162 Einflussnahmemöglichkeiten des Staates durch Regulierung und Kontrolle Nach Art. 1 Abs. 1 EBVGRF163 ist der Bahnverkehr dazu bestimmt, die Entwicklung der Wirtschaft zu fördern und einen einheitlichen Wirtschaftsraum im russischen Territorium zu gewährleisten. In Art. 1 Abs. 3 EBVGRF werden die Beständigkeit der Arbeit des Systems, die Zugänglichkeit, die Sicherheit und Qualität der erbrachten Leistungen, die Entwicklung von Konkurrenz und eines funktionsfähigen Markts im Bereich des Eisenbahnverkehrs sowie die Abgestimmtheit der Funktionsfähigkeit des Transportsystems als Prinzipien des Eisenbahnwesens genannt. Nach Art. 1 Abs. 4 EBVGRF garantiert dabei die RF die Erfüllung der vor dem Eisenbahnwesen stehenden Aufgaben durch eine effektive Regulierung und Kontrolle im Bereich des Eisenbahntransports und mittels der Teilnahme an der Entwicklung des Eisenbahntransports. Durch das EBVGRF wird damit zunächst nicht die RZˇ D, sondern der Staat in Anspruch genommen, wobei sich dies ohne Beteiligung der Subjekte der RF164 auf die föderale Ebene beschränkt.165 Die Staatsaufsicht im Eisenbahnbereich obliegt der Föderalen Sluzˇ ba für Transportaufsicht (Rostransnadzor).166 Die Regulierung ist im zweiten Kapitel in den Art. 4 ff. EBVGRF geregelt. Unter anderem können den Infrastruktur- und Transportunternehmen besondere Verpflichtungen wie etwa der Transport von bestimmten Frachten unter der Voraussetzung einer bestimmten Gefahrenlage oder anderen unvorhersehbaren Umständen auferlegt werden.167 Zudem besteht eine Staatsaufsicht, und die staatliche Politik besitzt Priorität im Eisenbahnverkehr.168 Die Infrastrukturunternehmen unterliegen darüber hinaus nach dem Gesetz über echte Monopole (EMGRF) zusätzlicher staatlicher Kontrolle und zusätzlichen Pflichten.169 Nach Art. 4 Abs. 1 EMGRF fällt das Eisenbahnwesen in den Tätigkeitsbereich der echten Monopole. Durch Art. 7 EMGRF wird eine weite Staatsaufsicht begründet. Von einer Aufgabenprivatisierung im Sinne der Abgabe der Gewährleistungsverantwortung kann damit nicht die Rede sein. Vielmehr scheint sich die RF für eine externe Fremdbestimmung der RZˇ D entschieden zu haben. Schließlich sieht das Programm zur Strukturentwicklung des Eisenbahntransports (SEEBT-Programm) 162 Die Bestimmungen des Eisenbahnrechts sollen hier nur sehr knapp dargestellt werden; eingehend vgl. etwa Vajpan, Pravo i e˙ konomika, 2012, Nr. 6. 163 Die wesentlichen Vorschriften des FEBVGRF verloren dagegen ihre Geltung. 164 Bevzjuk, in: Morozova (Hrsg.), Kommentarij. 165 Vgl. Art. 71 i VerfRF, Art. 1 Abs. 5 EBVGRF. 166 Regierungsverordnung Nr. 398. 167 Für daraus entstehende Verluste wird ein bestimmter Schadensersatz gezahlt. 168 Art. 4 Nr. 2, 11 ff. EBVGRF. 169 Vgl. Art. 6 f. EMGRF.
B. Die externen Regulierungsmittel als staatliche Einflussnahme
361
die Trennung der Funktionen der staatlichen Regulierung und der Leitung wirtschaftlicher Tätigkeit in diesem Bereich vor und setzt mit dem EBVGRF auf eine externe Regulierung.170 Letztlich normiert das EBVGRF die Gewährleistungspflicht des Staates und gibt ihm eine Reihe von Instrumentarien an die Hand, um sowohl die Transport- als auch die Infrastrukturunternehmen mit Sonderpflichten auszustatten und sachlicher Legitimation durch den demokratisch gewählten Gesetzgeber zu unterwerfen. Einzelheiten zu dem Verhältnis zwischen den Infrastruktur- und Transportunternehmen regelt zudem das SEBTGRF. Teilweise werden die Vorschriften des EBVGRF aber als Zeichen für die Entstaatlichung im Eisenbahnwesen gewertet: Während der Staat früher die führende Rolle eingenommen habe, obliege ihm heute nur noch die Regulierung und Kontrolle.171 Es wird bemängelt, dass die Aufsichtsbefugnisse mit der Bahnreform abgenommen hätten und einige Funktionen intern in dem Konzern ausgeübt würden.172 Dabei wird vergessen, dass staatliche Verantwortung und Beeinflussung nicht nur im Wege der allgemeinen und speziellen Staatsaufsicht stattfinden, sondern auch durch die Kontrolle des Aktionärs ausgeübt werden können.173 Die Übertragung von vormals staatlichen Aufgaben auf die RZˇ D ist aber insofern problematisch, als im Eisenbahnverkehr Wettbewerb hergestellt werden soll.174 Dabei ist zu bedenken, dass sich das Ziel, den Wettbewerb zu verbessern und einen funktionierenden Markt zu errichten, zwar nur auf den Bereich des Transports und nicht auf den monopolisierten Bereich der Infrastruktur bezieht.175 Die RZˇ D vereint aber beide Bereiche unter ihrem Dach. Ein echtes „Unbundling“ hat bisher nicht stattgefunden. 2. Die gesetzlichen Einflussnahmemöglichkeiten des Staates durch Zweckbindungen des Unternehmens Das föderale „Gesetz über Besonderheiten der Verwaltung und Veräußerung des Vermögens des Eisenbahnverkehrs“ (BVUVVEBVGRF) regelt die Besonderheiten der Privatisierung der Eisenbahnen sowie der Verwaltung und Veräußerung des Eisenbahnvermögens (Art. 1 BVUVVEBVGRF). In Art. 6 Abs. 1 BVUVVEBVGRF sind die Unternehmensgegenstände der RZˇ D aufgelistet, die
170 Dabei hat der Staat teilweise von der direkten Regulierung Abstand genommen und eigene Subjekte für diese Tätigkeit gegründet; vgl. Borisova, Transportnoe pravo 2012, Nr. 3. 171 Bevzjuk, in: Morozova (Hrsg.), Kommentarij. 172 Chusainov, Vestnik transporta 2011, Nr. 4. 173 Bevzjuk, in: Morozova (Hrsg.), Kommentarij, der die interne Kontrolle der externen gleichstellt. 174 Bevzjuk, in: Morozova (Hrsg.), Kommentarij. 175 Vgl. Niku’bnikova/Bnukova/Burjak (Hrsg.), Kommentarij (nach Art. 1 Abs. 1).
362
2. Teil, § 6 Anwendung des Kriteriums der demokratischen Legitimation
durch Satzung erweitert werden können. Für den Personenverkehr wurden von der Regierung zudem ausführliche Regeln (Pravila) erlassen.176 In Art. 6 Abs. 2 BVUVVEBVGRF sind die grundlegenden Prinzipien für die Tätigkeit der RZˇ D aufgestellt, die durchaus mit den Gewährleistungsgarantien des GG bezüglich der DB AG vergleichbar sind. Nach Art. 6 Abs. 2 BVUVVEBVGRF sollen etwa die Einheit und die zentrale Verwaltung der Infrastruktur zum allgemeinen Gebrauch, die sich im Eigentum der RZˇ D befindet, erhalten bleiben. Darüber hinaus muss die Dienstleistungserbringung qualitativ hochwertig sein, der soziale Schutz der Arbeitnehmer muss verbessert werden,177 der Zugang zum Schienennetz muss diskriminierungsfrei erfolgen,178 und es müssen Lieferungen für den staatlichen Gebrauch sowie Kriegs- und Speziallieferungen erfolgen. Zudem müssen die nachhaltige Arbeit der RZˇ D und die Sicherheit des Schienenverkehrs, unter anderem unter Kriegs- oder Notstandsbedingungen, gewährleistet sein. Gerade aus den letztgenannten Prinzipien wird die Priorität staatlicher Interessen gegenüber den wirtschaftlichen Interessen der RZˇ D abgeleitet.179 Anders als in Art. 87 e Abs. 4 S. 1 GG richtet sich der Gemeinwohlauftrag des Art. 6 Abs. 2 BVUVVEBVGRF gerade nicht an den Staat, sondern verpflichtet die RZˇ D direkt.180 Dabei stellen die genannten Prinzipien die grundlegende Ausrichtung der Gesellschaft dar.181 Anders als andere kommerzielle Unternehmen solle die RZˇ D nach dieser Literaturmeinung nicht nur nach Gewinnmaximierung streben, sondern auch die Erfüllung staatlicher Interessen fördern, selbst wenn dies wirtschaftlich für die RZˇ D nachteilig sei.182 Insbesondere was den unrentablen Passagierverkehr angehe, erfülle die RZˇ D teilweise die soziale Funktion des Staates.183 Durch das Art. 6 Abs. 1, 2 BVUVVEBVGRF wird die RZˇ D also nicht nur hinsichtlich ihres Unternehmensgegenstandes, sondern auch bezüglich des Unternehmenszwecks durch den Gesetzgeber fremdbestimmt. Dies erklärt sich daraus, dass die RZˇ D für Russland eine große strategische Bedeutung einnimmt:184 Sie spielt nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht, sondern auch aus Sicherheitsgründen im Zusammenhang mit Transporten von Kriegstechnologie eine wichtige Rolle. Daher
176
Vgl. Regierungsverordnung Nr. 111. Hierin zeigt sich ganz besonders die Verfolgung der Ziele des Sozialstaats; vgl. Batjaev/ Vnukova (Hrsg.), Kommentarij. 178 In diesem Sinne handelt es sich bei den Verträgen der RZˇ D um öffentliche Verträge i.S. des Art. 426 ZGBRF. 179 Batjaev/Vnukova (Hrsg.), Kommentarij. 180 Nach Art. 2 BVUVVEBVGRF ist „das eine Wirtschaftssubjekt“, das seine Tätigkeit ausgehend von den folgenden Grundprinzipien i.S. des Art. 6 verwirklicht, die OAGRF RZˇ D. 181 Batjaev/Vnukova (Hrsg.), Kommentarij. 182 Batjaev/Vnukova (Hrsg.), Kommentarij. 183 Batjaev/Vnukova (Hrsg.), Kommentarij. 184 Batjaev/Vnukova (Hrsg.), Kommentarij. 177
B. Die externen Regulierungsmittel als staatliche Einflussnahme
363
werden der RZˇ D nach einer Literaturmeinung immer „besondere Verpflichtungen auferlegt werden.“185 Die Aktien der RZˇ D befinden sich nach Art. 7 BVUVVEBVGRF im Eigentum der RF und dürfen nur auf der Grundlage eines föderalen Gesetzes veräußert werden. Ähnlich wie in Art. 87e Abs. 3 S. 2 GG wird also ein Gesetzesvorbehalt aufgestellt. Doch ist das Mehrheitseigentum im Bereich der Infrastruktur – anders als durch Art. 87e Abs. 3 S. 2, 2. HS GG – nicht für die Zukunft zementiert. Der Gedanke des Erhalts des Schienennetzes ist aber als Handlungsprinzip der Gesellschaft festgeschrieben.186 Zudem darf die Aktiengesellschaft weitgehend nicht über ihr Eigentum verfügen, das in das Grundkapital als Sacheinlage eingebracht wurde, und unterliegt nach Art. 8 BVUVVEBVGRF zahlreichen weiteren Beschränkungen.
III. Zusammenfassung und Vergleich Von der Möglichkeit externer Regulierung und Inpflichtnahme, welche die DB AG im Sinne staatlicher Fremdbestimmung inhaltlich-sachlich legitimieren könnte, wurde in Deutschland bisher nur unzureichend Gebrauch gemacht. Insbesondere wurden keine abstrakten Zweckbindungen aufgestellt, die den Unternehmenszweck der DB AG bestimmen. Damit spricht die einfach-gesetzliche Regelung gegen die These, dass der Gesellschaftszweck dem GG zu entnehmen ist. Denn für diesen Fall wäre es sinnvoll, den Gesellschaftszweck deklaratorisch im einfachen Gesetz deutlich zu formulieren. Mit dem Verzicht auf die Festlegung des Gesellschaftszwecks durch gesetzliche Zweckbindungen wird auf eine wesentliche Möglichkeit der staatlichen Einflussnahme verzichtet, die unionsrechtlich nicht zu beanstanden wäre. Dabei ist zu beachten, dass eine Regelung durch die Satzung der DB AG weiterhin offen steht. Vertragliche Instrumente sind in ihrer Bedeutung für die demokratische Legitimationswirkung hingegen zu vernachlässigen. In Russland – so scheint es auf den ersten Blick – hat man sich für den Weg der externen Regulierung entschieden, die dem Staat eine Gewährleistungsverantwortung auferlegt und ihm eine Vielzahl von Möglichkeiten an die Hand gibt, die RZˇ D in sachlicher Hinsicht durch Verpflichtungen und in personeller Hinsicht durch verstärkte Kontrollen fremdzubestimmen. Doch hat sich der Gesetzgeber gerade nicht nur für den Weg der externen Beeinflussung entschieden. Vielmehr wird die RZˇ D durch gesetzliche Normen gemeinwohlorientierten Zweckbindungen unterworfen. Das Ziel des Erhalts des Schienennetzes wird nicht etwa nur in die Gewährleistungsverantwortung des Staates, sondern der RZˇ D selbst gestellt. Hier zeigt sich ein wesentlicher Unterschied 185 186
Batjaev/Vnukova (Hrsg.), Kommentarij. Vgl. Art. 6 Abs. 2 BVUVVEBVGRF.
364
2. Teil, § 6 Anwendung des Kriteriums der demokratischen Legitimation
zur Konzeption des GG, das nur den Staat für verantwortlich hält, das Unternehmen selbst zunächst aber von jeglichem Gemeinwohlauftrag freistellt. Die russische Variante wählt dabei den Weg des einfachen Gesetzes und nicht der Verfassung, um den Gesellschaftszweck staatlich vorzugeben. In Deutschland ist ein Gesellschaftszweck hingegen weder dem GG noch dem einfachen Gesetz zu entnehmen. Zwar sollte in Russland die wirtschaftliche Ausführung und die staatliche Regulierung ebenso wie in Deutschland getrennt werden. Doch bleibt das Unternehmen ganz klar in der Verantwortung des Allgemeinwohls und ist durch diese zusätzliche Zweckbestimmung in inhaltlicher Hinsicht wesentlich fremdbestimmt und damit demokratisch legitimiert.
C. Die gesellschaftsrechtlichen Sonderregeln für den Staat als Mittel staatlicher Einflussnahme I. Das Verwaltungsgesellschaftsrecht in Deutschland Fraglich ist, ob der Staat auf Gesellschaften in seinem Alleinbesitz nur im Rahmen des „gewöhnlichen“ Gesellschaftsrechts intern Einfluss nehmen kann oder ob um der demokratischen Legitimation willen Sonderregeln gelten bzw. spezielle Vorschriften zur stärkeren Einflussnahme erlassen werden können. Eine verfassungskonforme Auslegung des Gesellschaftsrechts bzw. eine Modifikation könnte die staatlichen Einflussmöglichkeiten auf das Maß der demokratischen Legitimation erweitern.187 So soll die Geschäftsführung der Aktiengesellschaft an Weisungen der Trägerkörperschaft gebunden werden188 bzw. sollen wenigstens die entsandten Aufsichtsratsmitglieder Weisungen unterworfen sein.189 Nach Ansicht seiner Befürworter stellt das Verwaltungsgesellschaftsrecht eine logische Fortsetzung des Verwaltungsprivatrechts dar.190 Wie das Verwaltungsprivatrecht die privatrechtlichen Vorschriften modifiziere, die das staatliche Handeln bestimmten, solle das Verwaltungsgesellschaftsrecht die gesellschaftsrechtlichen Normen überlagern, um ebenfalls verfassungsrechtlichen Vorgaben nachzukommen und die Flucht ins Privatrecht zu verhindern. Allerdings hinkt der Vergleich bzw. der Fortsetzungsgedanke: Im Verwaltungsprivatrecht werden die privatrechtlichen Vorschriften mit 187 Diesen Gedanken hatten bereits Ipsen, JZ 1955, S. 593, 598, Berkemann, Staatliche Kapitalbeteiligung, S. 209 ff., und Quack, DVBl 1965, S. 345, 347 ff., entwickelt. Kraft, Verwaltungsgesellschaftsrecht, S. 231 ff., formulierte ein eigenständiges Konzept, das von Danwitz, AöR 120 (1995), 595 ff., aufgegriffen wurde. Diese Autoren gehen davon aus, dass der Staat bereits auf Grund der Eigentumsverhältnisse Ingerenzpflichten habe, deren Erfüllung gesichert werden müsse. 188 Kraft, Verwaltungsgesellschaftsrecht, S. 252, 254. 189 von Danwitz, AöR 120 (1995), S. 595, 626 f. 190 Vgl. Kraft, Verwaltungsgesellschaftsrecht, S. 253; von Danwitz, AöR 120 (1995), S. 595, 617.
C. Die gesellschaftsrechtlichen Sonderregeln für den Staat
365
öffentlich-rechtlichen Bindungen „überlagert“. Dies führt dazu, dass der Staat gerade nicht alle Möglichkeiten der Privatrechtsordnung nutzen darf: Die „Freiheit subjektiven Beliebens“191 ist ihm verschlossen. Die Privatrechtsordnung an sich bleibt dabei – anders als in der Konzeption des Verwaltungsgesellschaftsrechts192 – unverändert.193 Eine konsequente Fortsetzung des Verwaltungsprivatrechts bestünde daher darin, der öffentlichen Trägerkörperschaft die Gründungsfreiheit einer AG zu versagen, wenn die entsprechenden gesellschaftsrechtlichen Vorschriften den öffentlich-rechtlichen Bindungen und verfassungsrechtlichen Pflichten entgegenstehen.194 Modifizierungen des Gesellschaftsrechts zugunsten etwaiger Ingerenzpflichten stoßen in der Literatur auf Bedenken.195Aus den bestehenden Sonderregelungen des Aktienrechts (§§ 394 f. AktG) und des Haushaltsrechts (§§ 53, 54 HGrG, 65 BHO) könne nach dem Grundsatz „singularia ne extendunt“ und einem „argumentum e contrario“ geschlossen werden, dass der öffentlichen Hand darüber hinaus keine Sonderrechte eingeräumt werden sollten.196 Der Gesetzgeber bringe vielmehr zum Ausdruck, dass die allgemeinen Regeln Geltung beanspruchten und der Staat seine Ingerenzpflichten mit Hilfe des Gesellschaftsrechts erfüllen müsse.197 Dies spricht zwar gegen eine Einführung des Verwaltungsgesellschaftsrechts qua verfassungskonformer Auslegung des Gesellschaftsrechts. Es bedeutet aber nicht, dass zusätzliche gesellschaftsrechtliche Einflussrechte des Staates nicht vom Gesetzgeber eingeführt werden könnten. Dem stünden jedoch bei börsennotierten Aktiengesellschaften die Kapitalmarktfreiheit und jedenfalls bei den Verkehrsunternehmen der DB AG der Art. 4 Abs. 1 RL 2012/34/EU und der § 5 ERegG (ehemaliger § 8 Abs. 1 AEG) entgegen.198 Vorliegend spielt dies keine Rolle, denn bisher wurden in Bezug auf die DB AG gerade keine Sonderregeln des Gesellschaftsrechts erlassen. 191
Dreier, Art. 1 Abs. 3 GG, Rn. 66. Dieses soll nämlich das Gegenteil, die Aufweichung der gesellschaftsrechtlichen Schranken, bewirken; vgl. Mann, Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft, S. 285. 193 Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 275. 194 So Heise, Deutsche Bahn AG, S. 192 f.; vgl. sehr überzeugend Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 262; Engellandt, Einflussnahme, S. 27. 195 Gerade im Hinblick auf die Eigenständigkeit des Vorstandes der AG (§ 76 Abs. 1 AktG) handelt es sich bei den Modifizierungen um wesentliche Veränderungen, die „krasser kaum denkbar“ sind; vgl. Heise, Deutsche Bahn AG, S. 190, Fn. 738. Kritisch insgesamt die herrschende Meinung; s. dazu statt vieler Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 260 ff., Spannowsky, ZGR 1996, S. 400, 422; Mann, die öffentlich-rechtliche Gesellschaft, S. 279 ff. 196 Vgl. im Ergebnis Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 164 f.; Heise, Deutsche Bahn AG, S. 191. 197 Vgl. Mann, Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft, S. 280; Spannowsky, ZGR 1996, S. 400, 423; Heise, Deutsche Bahn AG, S. 191. 198 Der EuGH entschied bereits 2002, dass die „goldene Aktie“ die Kapitalmarktfreiheit unzulässig einschränke; vgl. eingehend m.w.N. der Rechtsprechung Ruge, EuZW 2002, S. 421 ff.; zur russischen Rezeption der Rechtsprechung des EuGH vgl. Dedov, Jurist 2003, Nr. 9. 192
366
2. Teil, § 6 Anwendung des Kriteriums der demokratischen Legitimation
II. Das Verwaltungsgesellschaftsrecht in Russland Grundsätzlich steht der Staat in Russland in privatrechtlichen Beziehungen auf einer Ebene mit den anderen Rechtssubjekten.199 Allerdings ist er zugleich Träger hoheitlicher Macht und Gesetzgeber: Er schafft die rechtliche Basis, auf Grundlage derer er selbst und alle anderen Teilnehmer der zivilrechtlichen Beziehungen handeln.200 Oben wurde erörtert, dass in Russland die Theorie des Verwaltungsprivatrechts, also die Beschränkung des privatrechtlichen Staatshandelns durch öffentlichrechtliche Vorschriften, noch nicht weiter entwickelt wurde. Zwar werden einzelne staatliche Befugnisse durch das Verwaltungsrecht beschränkt, wie etwa die freie Wirtschaftsbetätigung der Staatsorgane und Rechtsgeschäfte durch das Vergaberecht. Doch findet sich nach deutschem Verständnis an dieser Stelle keine einheitliche systematisch-gesetzliche oder dogmatische Überlagerung im bürgerlichen Recht.201 Die korporativen Regelungen werden bei der Teilnahme des Staates hingegen systematisch durch öffentlich-rechtliche Vorschriften modifiziert.202 Schließlich regeln die gesellschaftsrechtlichen Normen auch Verwaltungsbeziehungen und enthalten nach der Ansicht einiger Autoren daher eine staatliche Komponente.203 Dabei ist die Überlagerung des Gesellschaftsrechts weniger einer Angst vor der Flucht des Staates ins Zivilrecht im Sinne eines Verzichts auf Bürger schützende Vorschriften geschuldet als vielmehr einer Angst vor der völligen Entstaatlichung und des ungesteuerten Ausverkaufs des Staatseigentums.204 Die Sonderbehandlung des Staates im Gesellschaftsrecht trägt der Tatsache Rechnung, dass staatliches Eigentum verwaltet werden muss und öffentlich-rechtlichen Prinzipien unterworfen ist.205 1. Das Verwaltungsgesellschaftsrecht als Privatisierungsfolgenrecht Im ZGBRF existieren nur wenige Normen zur Aktivität des Staates im Privatrecht. Auch das Aktiengesetz enthält nur vereinzelte Regelungen, was in der LiteSˇ itkina, Korporativnoe pravo 2011, S. 756. Vgl. etwa Suchanov, Grazˇ danskoe pravo (2004), S. 374. 201 Anders als in Deutschland wird in Russland nicht zwischen bürgerlichem Recht und Handels- und Gesellschaftsrecht differenziert; vgl. Oda, Russian Commercial Law, S. 67 ff. 202 Auch Lomakin, Korporativnye pravootnosˇenija, S. 511, hält Regelungen des Privatisierungsrechts wie das Recht der goldenen Aktie für eine Ausnahme von der Gleichstufigkeit des Staates und anderer Beteiligter im Wirtschaftsverkehr. 203 ˇ Sitkina, Korporativnoe pravo, S. 749. 204 Damit soll eine Flucht vor dem Privatisierungs- bzw. Privatisierungsfolgenrecht vermieden werden, wie auch die Diskussion um die ,versteckte Privatisierung‘ der staatlichen Korporationen zeigt. 205 Allerdings sind die öffentlich-rechtlichen Mechanismen der Verwaltung staatlicher Aktien unzureichend erforscht; vgl. Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 262. 199
200
C. Die gesellschaftsrechtlichen Sonderregeln für den Staat
367
ratur auf starke Kritik stößt.206 In Art. 1 Abs. 5 AKTGRF wird auf das Gesetz über die Privatisierung staatlichen und munizipalen Vermögens (PSMVGRF) verwiesen, das eine Vielzahl von Sonderbestimmungen für die Beteiligung des Staates an kommerziellen Gesellschaften enthält. Von besonderem Interesse ist dabei Kapitel VII über die „Besonderheiten der Gründung und der rechtlichen Stellung offener Aktiengesellschaften, deren Aktien in staatlichem oder munizipalem Eigentum sind“207 (Art. 37 – 41 PSMVGRF). Diese Sonderregeln richten sich nicht an das Unternehmen, sondern an den Staat als Aktionär.208 Laut der Regierungskonzeption zur Verwaltung staatlichen Eigentums und der Privatisierung209 verfolgt die Verwaltung staatlicher Aktien neben der Ertragsfunktion das Ziel der Erfüllung gesamtstaatlicher Funktionen durch die entsprechenden Unternehmen.210 Mit der besonderen Verantwortung für die Verfolgung öffentlicher, gesamtgesellschaftlicher Zwecke und Aufgaben211 werden gewisse Sonderrechte des Staates als Teilnehmer an korporativen Beziehungen begründet, die allerdings nicht auf die Minderung der Rechte anderer Aktionäre gerichtet sind.212 Problematischerweise ist nirgends festgelegt, wie der Interessenkonflikt zwischen der Gemeinwohlorientierung des Aktionärs und der Gewinnerzielung der kommerziellen AG213 aufzulösen ist. Zudem ist mit Blick auf das Rechtsstaatsprinzip kritisch zu beurteilen, dass die Sonderrechte des Staates überwiegend durch untergesetzliche Normen geregelt sind, die sich teilweise stark widersprechen.214 Die Vorschriften des Privatisierungsgesetzes werfen indes Probleme auf, da sich jenes eigentlich nur auf privatisierte Unternehmen bezieht, der Staat aber auch außerhalb des Privatisierungsrechts durch die Einlage von Haushaltsmitteln Aktionär werden kann und auch in diesen Fällen oft Sonderrechte für sich beansprucht. Ob er auch hierbei weiteren öffentlich-rechtlichen Bindungen wie der Verfolgung öffentlicher Zwecke unterliegt,215 ist fraglich. Zudem ist das Privatisierungsrecht in seiner 206
Gunija, Organizationno-pravovoe obespecˇ enie gosudrstvennych interesov, S. 148, etwa fordert die Regelung der Aktiengesellschaften mit staatlicher Beteiligung im AktG sowie ein einheitliches Gesetz anstelle der vielen teilweise widersprüchlichen untergesetzlichen Normen. 207 ˇ Sitkina, Korporativnoe pravo, 2011, S. 749. 208 So ist von Besonderheiten des Aktionärs die Rede; vgl. Sˇ itkina, Korporativnoe pravo, 2011, S. 767. 209 Regierungsverordnung Nr. 1024. 210 Molotnikov, Predprinimatel’skoe pravo 2009, Nr. 3. 211 ˇ Sitkina, Korporativnoe pravo, S. 757, 768. 212 ˇ Sitkina, Korporativnoe pravo, S. 757 ff.; Molotnikov, Predprinimatel’skoe pravo 2009, Nr. 3. 213 Vgl. Art. 50 ZGBRF. 214 ˇ Sitkina, Korporativnoe pravo, S. 748; so auch ausdrücklich Gubin, Predprinimatel’skoe pravo 2009, Nr. 3; die „goldenen Aktien“ etwa, die der RF Sonderrechte beim Einfluss auf die Führung der Gesellschaft einräumen, werden durch die Regierungsverordnung Nr. 738 geregelt; auch die Agentur zur Verwaltung staatlichen Vermögens wird durch eine untergesetzliche Regierungsverordnung Nr. 432 reglementiert. 215 Vgl. Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 71.
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2. Teil, § 6 Anwendung des Kriteriums der demokratischen Legitimation
Wirkung zeitlich begrenzt und jedenfalls als vorübergehendes Instrument angelegt.216 Zu kurz greift daher die Forderung nach einer vereinheitlichenden Privatisierungsgesetzgebung. Es sollte versucht werden, das „Verwaltungsgesellschaftsrecht“ sowie den Sinn und Zweck der Sonderregeln aus allgemeinen verfassungsrechtlichen Erwägungen abzuleiten und auf allgemeine Rechtsgrundsätze wie das Demokratieund Rechtsstaatsprinzip zurückzuführen. 2. Die außerordentlichen Rechte des Staates als Verwaltungsgesellschaftsrecht a) Das Recht der „goldenen Aktie“ Die sog. „goldene Aktie“ ist ein besonderes korporatives Recht des Staates. Sie hat keinen nominellen Wert und spiegelt nicht das Stammkapital wieder.217 Dem Staat, der öffentliche Interessen verfolgt, steht zum Schutz der Wehrfähigkeit des Landes, der Staatssicherheit, zum Schutz der Moral, der Gesundheit sowie der Rechte und gesetzlichen Interessen der Bürger218 der RF die Möglichkeit offen, in offenen Aktiengesellschaften nach Art. 38 Abs. 1 PSMVGRF von der „goldenen Aktie“ Gebrauch zu machen. Dies gilt insbesondere bei der Umwandlung unitarischer Betriebe in offene Aktiengesellschaften oder beim Ausschluss einer AG aus der Liste der strategischen Unternehmen unabhängig von der Höhe des staatlichen Anteils (Art. 38 Abs. 1 S. 2 PSMVGRF). Auf Veranlassung der Regierung ist dies nach Art. 12 Abs. 4 AKTGRF ohne Durchführung einer Hauptversammlungssitzung in die Satzung und in das Aktionärsregister einzutragen. Allerdings kann das Recht erst ausgeübt werden, wenn 75 % der Aktien vom Staat veräußert wurden (Art. 38 Abs. 5 PSMVGRF).219 Falls der Staat seinen Anteil später wieder erhöht, büßt er im Gegenzug die Rechte der goldenen Aktie ein.220
216
Gunija, Organizationno-pravovoe obespecˇ enie gosudarstvennych interesov, S. 175 f. Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 259. 218 Die Ziele sind sehr weit und abstrakt formuliert. Dedov kritisiert daher, dass die breite Liste staatlicher Ziele dazu führe, dass „die Corporate Governance stark eingeschränkt wird, der Staat ernsthaften Druck auf die Wirtschaft ausüben kann und Voraussetzungen für willkürliche Einmischung in die Wirtschaft geschaffen werden.“ Vgl. Dedov, Jurist 2003, Nr. 9. 219 Dedov, Jurist 2003, Nr. 9, kritisiert zu Recht, dass der Text des Privatisierungsgesetzes zweideutig formuliert ist und nicht klar daraus hervorgeht, ob die Umwandlung eines unitarischen Unternehmens in eine Aktiengesellschaft eine Voraussetzung für die Goldene Aktie ist. Dies spielt vorliegend jedoch keine Rolle, da die RZˇ D zuvor als unitarischer Betrieb geführt wurde. 220 Vgl. ArbGRF Uraler Gebiet, U. v. 18. 12. 2008, Nr. F09-2666/08-S4 zur Sache Nr. A0710565/2007 -G- ADM. 217
C. Die gesellschaftsrechtlichen Sonderregeln für den Staat
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Das Recht der goldenen Aktie ermächtigt die Regierung, auf Vorschlag des Ministeriums für wirtschaftliche Entwicklung221 im Direktorenrat und der Revisionskommission des entsprechenden Unternehmens jeweils einen staatlichen Vertreter zu benennen, der auf eine Entscheidung der Regierung hin jederzeit nach Art. 38 Abs. 2 PSMVGRF ersetzt werden kann. Dabei können nach Art. 38 Abs. 2 PSMVGRF als staatliche Vertreter nur Staatsbedienstete berufen werden. Der staatliche Vertreter des Direktorenrats kann an Hauptversammlungssitzungen teilnehmen und im Falle einer Satzungsänderung, der Reorganisations- oder Liquidationsentscheidung, der geplanten Veränderung des Grundkapitals oder anstehenden großen Geschäften sowie Geschäften mit Interessenskonflikten ein Vetorecht ausüben.222 Das Vetorecht beschränkt sich in jedem Fall auf Fragen, die in die Kompetenz der Hauptversammlung fallen. Zudem haben die Staatsvertreter das Recht, Vorschläge für die Tagesordnung einzubringen und eine außerordentliche Hauptversammlung einberufen zu lassen. Im Direktorenrat haben die staatlichen Vertreter dieselben Rechte wie auch andere Direktoren inne. Auf die täglichen Geschäfte und die laufende Tätigkeit der Geschäftsführung können sie damit keinen Einfluss nehmen. Somit wird klar, dass die „goldene Aktie“ darauf ausgelegt ist, nur die strategischen Entscheidungen zu beeinflussen.223 Die Aussage, die goldene Aktie verschaffe dem Staat „volle Kontrolle über die Aktiengesellschaft“,224 ist daher unzutreffend. Dennoch dient das besondere Recht der Sicherung staatlicher Interessen225 und stellt ein Instrument zur Leitung und Kontrolle eines privatisierten Unternehmens dar.226 Gerade das Vetorecht verschafft zumindest negative Entscheidungsmacht, auch wenn die positiven Möglichkeiten beschränkt sind, da die Mehrheit des Direktorenrats angesichts der Beschränkung der goldenen Aktie auf Gesellschaften mit 25 % und weniger staatlichen Aktienbesitzes nie staatlich beeinflusst sein kann.227 Problematisch ist die Beurteilung der staatlichen Maßnahmen durch die Literatur. Einige Autoren kritisieren, dass das heutige Privatisierungsgesetz dem Staat bei der Ausübung der goldenen Aktie weniger Rechte einräume als das Privatisierungsgesetz von 1997. Die Kontrollmöglichkeiten gegenüber dem Direktorenrat und den ausführenden Organen seien zu gering.228 Andere sehen im Recht der goldenen Aktie 221
Die Vorbereitung erfolgt durch die föderale Agentur für die Verwaltung staatlichen Vermögens („Rosimusˇcˇ estvo“). 222 Vgl. Sˇ itkina, Korporativnoe pravo, S. 759 f. 223 Molotnikov, Imusˇcˇ estvennye otnosˇenija s Rossijskoj Federacii 2012, Nr. 7. 224 So aber Molotnikov, Imusˇcˇ estvennye otnosˇenija s Rossijskoj Federacii 2012, Nr. 7. 225 So auch Molotnikov, Imusˇcˇ estvennye otnosˇenija s Rossijskoj Federacii 2012, Nr. 7. 226 Celoval’nikov, Zakony Rossii: Opyt, analiz, praktika 2007, Nr. 7; vgl. auch Skvorcob, Privationnoe pravo, S. 140. 227 Vgl. Kopytov, Akcionernoe obsˇcˇ estvo: Voprosy korporativnogo upravlenija 2010, Nr. 4, S. 26, Fn. 4, mit einem anschaulichen Rechenbeispiel. 228 In diese Richtung Celoval’nikov, Zakony Rossii: Opyt, analiz, praktika 2007, Nr. 7.
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2. Teil, § 6 Anwendung des Kriteriums der demokratischen Legitimation
einen Widerspruch zu den Zielen der Privatisierung229 und verlangen, die Voraussetzungen der Entstehung und Beendigung des speziellen Rechts gesetzlich präziser zu regeln. Ansonsten sei die Freiheit der unternehmerischen Tätigkeit der Aktiengesellschaften beschränkt.230 Zudem müssten die öffentlichen Ziele, zu deren Gunsten die goldene Aktie ausgeübt werden dürfe, konkretisiert werden, da andernfalls sowohl die Rechte sonstiger Aktionäre als auch die Corporate Governance beschnitten und Korruptionsanreize geschaffen würden.231 Bei der Ausübung des Rechts müsse darüber hinaus dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit Rechnung getragen werden, wie der EuGH in Europa festgestellt habe. Das Recht sei – wenn überhaupt – nur bei strategisch bedeutsamen Unternehmen zu gebrauchen.232 Die im Privatisierungsgesetz angegebenen Ziele seien jedenfalls zu breit, um im Sinne der Rechtsprechung des EuGH eine verhältnismäßige Beschränkung herbeizuführen.233 Was Rechtsverletzungen der Aktiengesellschaft als solcher angeht, ist allerdings fraglich, ob sich jene überhaupt auf Grundrechte berufen darf. Nach der Rechtsprechung des VerfGRF ist zumindest von einer erleichterten Einschränkbarkeit ihrer Rechte auszugehen.234 Bezüglich anderer Investoren stehen deren Rechte aus Art. 34 und 35 VerfRF im Raum. Allerdings ist zu bedenken, dass sich die im Privatisierungsgesetz aufgeführten Ziele weitgehend mit den in Art. 55 Abs. 3 VerfRF aufgeführten Rechtfertigungsgründen decken. Insgesamt fällt auf, dass sowohl im Hinblick auf das Recht der goldenen Aktien als auch bezüglich der Verwaltung staatlichen Eigentums – ähnlich wie bei der Frage der juristischen Person des Öffentlichen Rechts – von der Literatur konkrete detailreiche Regelungen erwartet werden, anstatt die Dogmatik zu erschließen.235 Der Gesetzgeber versucht zunehmend, die Sonderregeln für Aktiengesellschaften mit staatlichem Anteil an die allgemeinen Vorschriften des AKTGRF anzupassen. Einige Besonderheiten werden dennoch nicht entfallen.236
229
Gunija, Organizationno-pravovoe obespecˇ enie gosudarstvennych interesov, S. 176. So Molotnikov, Imusˇcˇ estvennye otnosˇenija s Rossijskoj Federacii 2012, Nr. 7. 231 Dedov, Jurist 2003, Nr. 9; so auch Kalinina, Kommentarij, S. 376; Gunija, Organizationno-pravovoe obespecˇ enie gosudarstvennych interesov, S. 173. 232 Vgl. Molotnikov, Predprinimatel’skoe pravo 2009, Nr. 3; ders., Imusˇcˇ estvennye otnosˇenija s Rossijskoj Federacii 2012, Nr. 7; Dedov, Jurist 2003, Nr. 9. 233 Vgl. Dedov, Jurist 2003, Nr. 9. 234 Dabei ist fraglich, ob dies nur an ihrer Funktion oder (auch) der staatlichen Beteiligung liegt. 235 So fordert etwa Molotnikov, Predprinimatel’skoe pravo 2009, Nr. 3; ders., Imusˇcˇ estvennye otnosˇenija s Rossijskoj Federacii 2012, Nr. 7, gesetzgeberische Regelungen für die Verwaltung des staatlichen Eigentums. Er will vor allem die Ziele, Aufgaben und Prinzipien normiert wissen. Dabei erscheint eine Zusammenführung der vielen untergesetzlichen Regelungen sehr sinnvoll. 236 So in seinem Urteil auch Celoval’nikov, Zakony Rossii: Opyt, analiz, praktika 2007, Nr. 7. 230
C. Die gesellschaftsrechtlichen Sonderregeln für den Staat
371
b) Die Haltung eines Anteils im Stammkapital der Aktiengesellschaft Wenn der Staat in einer privatisierten Aktiengesellschaft mehr als 25 % der Aktien hält, hat er das Recht bei der Ausgabe neuer Aktien seinen prozentualen Anteil zu erhalten, soweit hierfür staatliches Vermögen eingebracht oder die Aktien bezahlt werden und nichts anderes durch Gesetz oder einen Präsidentenerlass vorgesehen ist (Art. 40 PSMVGRF).237 Hält der Staat mehr als 25 %, aber weniger als 50 % der Aktien, kann der Staatsanteil durch die Ausgabe neuer Aktien – auf die Entscheidung der Regierung hin auch in einem strategischen Unternehmen – gesenkt werden, solange der Staat 25 % und eine Aktie hält. Ein Staatsanteil von über 50 % der Aktien kann auf die Entscheidung der Regierung hin durch die Ausgabe neuer Aktien gesenkt werden, solange 50 % und eine Stimmaktie erhalten werden.238 Damit stellen Art. 40 f. PSMVGRF Garantien für die Beibehaltung des entscheidenden Staatsanteils dar. Dabei geht es primär um den Erhalt wesentlicher Einflussmöglichkeiten.
III. Zusammenfassung und Vergleich In Deutschland spielen gesellschaftsrechtliche Sonderregeln für den Staat insbesondere aus unionsrechtlichen Gründen keine Rolle. Die verfassungskonforme Auslegung des Gesellschaftsrechts bzw. dessen Modifikation nach den Prinzipien des sog. Verwaltungsgesellschaftsrechts sind dogmatisch abzulehnen. Eine andere Situation ist in Russland anzutreffen. Aus der Privatisierungsgesetzgebung ergeben sich spezifische Sonderrechte für den Staat als Aktionär, die darauf angelegt sind, den staatlichen Einfluss auf wesentliche strategische Entscheidungen zu erhalten. Zum einen werden über das – anders als in Europa – zulässige Recht der goldenen Aktie insbesondere Veto- und Stimmrechte im Direktorenrat gesichert. Zum anderen ist der Staat berechtigt, seinen prozentualen Anteil an privatisierten Unternehmen auch bei der Aktienneuausgabe zu sichern. Ein Absinken des Staatsanteils unter eine Sperrminorität ist insofern nicht zulässig. Solange sich sämtliche Aktien an der RZˇ D in staatlichem Eigentum befinden, spielen die angesprochenen Normen zwar keine Rolle; sie werden aber relevant, sobald die RF die angedachten Privatisierungs- und Veräußerungspläne bei der RZˇ D umsetzt.
237
Vgl. hierzu eingehend Celoval’nikov, Zakony Rossii: Opyt, analiz, praktika 2007, Nr. 7. Vgl. OArbGRF Informationsbrief v. 05. 02. 2008, Nr. 124, AOArbGRF 2008, Nr. 4; s. auch Sˇ itkina, Korporativnoe pravo, S. 761 ff. 238
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2. Teil, § 6 Anwendung des Kriteriums der demokratischen Legitimation
D. Die staatliche Einflussnahme im Rahmen des geltenden Gesellschaftsrechts I. Die gesellschaftsrechtliche staatliche Einflussnahme auf die DB AG 1. Die personellen Einflussmöglichkeiten des Staates als Eigentümer a) Die personelle Einflussnahme des Staates über die Hauptversammlung Der Bund steuert als alleiniger Aktionär der DB AG die Hauptversammlung umfassend. Er wird durch den Verkehrsminister vertreten, der seinerseits personell demokratisch legitimiert ist. b) Die personelle Einflussnahme des Staates über den Aufsichtsrat Im Aufsichtsrat der DB AG werden sieben von 20 Mitgliedern239 mit einfacher Mehrheit von der Hauptversammlung – also durch den seinerseits indirekt legitimierten Minister – bestellt240 und sind damit ebenfalls indirekt demokratisch legitimiert. Nach § 103 Abs. 1 S. 1 AktG können sie nach freiem Ermessen der Hauptversammlung auf Grund eines Vertrauensentzuges241 wieder abberufen werden und unterliegen damit einer starken Kontrolle durch die Hauptversammlung. Die übrigen drei Aufsichtsräte auf Aktionärsseite werden vom Staat entsandt.242 Dabei stellen die entsandten Aufsichtsratsmitglieder einen Sonderfall dar: Gemäß § 101 Abs. 2 S. 1, 4 AktG kann bestimmten Aktionären durch die Satzung das Sonderrecht eingeräumt werden, Mitglieder in den Aufsichtsrat zu entsenden, wobei jene maximal ein Drittel aller Mitglieder ausmachen dürfen. Der Gesetzesbegründung zufolge dient das Entsendungsrecht gerade dazu, der öffentlichen Hand bei gemischtwirtschaftlichen Unternehmen intensivere Einflussnahmerechte – durch direkt dem Staat verantwortliche Aufsichtsräte – zu verschaffen.243 Diese unmittelbare Besetzungsmöglichkeit erhöht die staatliche Steuerungsmöglichkeit enorm, da die 239 Vgl. § 9 Abs. 3 Satzung in der von der Hauptversammlung am 15. 07. 2016 beschlossenen Fassung, abrufbar auf https://www1.deutschebahn.com/resource/blob/1046118/57f8 ffcf07d44cb49c9dc4260fb14e98/satzung_dbag_de-data.pdf [zuletzt aufgerufen am 07. 01. 2018]. 240 Vgl. §§ 119 Abs. 1 Nr. 1, 133 Abs. 1 AktG; durch die Satzung kann eine qualifizierte Mehrheit festgelegt werden, was im Falle der DB aber nicht geschehen ist. 241 Habersack, MüKo AktG, § 103 AktG, Rn. 12. 242 Vgl. § 9 Abs. 2 Satzung in der von der Hauptversammlung am 15. 07. 2016 beschlossenen Fassung abrufbar auf https://www1.deutschebahn.com/resource/blob/1046118/57f8 ffcf07d44cb49c9dc4260fb14e98/satzung_dbag_de-data.pdf [zuletzt aufgerufen am 07. 01. 2018]. 243 So die amtliche Begründung zum Regierungsentwurf zu § 101 Abs. 2 AktG, abgedruckt bei Kropff, Aktiengesetz. Textausgabe, S. 138; vgl. auch BGHZ 36, S. 296 (307).
D. Staatliche Einflussnahme im Rahmen des geltenden Gesellschaftsrechts
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entsandten Aufsichtsratsmitglieder ihrem Entsender angesichts der jederzeitigen Abberufungsmöglichkeit nach § 103 Abs. 2 S. 1 AktG sehr nahe stehen.244 Eine kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag vom 08. 03. 2012 zeugt davon, dass das Vertrauensverhältnis zwischen dem Staat und den von ihm ernannten oder gewählten Aufsichtsratsmitgliedern und daraus fließende informelle Einflussmöglichkeiten in der Praxis eine wichtige Rolle spielen: Angesichts unerwünschter Äußerungen eines Aufsichtsrats zur Klimapolitik wurde Druck auf die Bundesregierung aufgebaut, die das Gespräch mit dem vom Verkehrsministerium bestellten Aufsichtsrat suchen sollte.245 Ungeachtet enger persönlicher Verflechtungen haben die vom Staat als Alleinaktionär in Person des Verkehrsministers bestellten und entsandten Aufsichtsräte aber ein eigenes Mandat inne. Sie vertreten nicht etwa nur die Gebietskörperschaft, die ihrerseits nach § 100 Abs. 1 AktG gerade nicht Mitglied des Aufsichtsrats sein kann.246 Weitere zehn Aufsichtsräte der DB AG werden entsprechend § 9 Abs. 3 der Satzung der DB AG von den Arbeitnehmern nach den Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes gewählt. Bezüglich dieser Personen ist die Kette personeller demokratischer Legitimation unterbrochen. Von besonderem Interesse ist der Aufsichtsratsvorsitzende. Psychologisch kommt ihm in der Praxis häufig eine enorm große Bedeutung als Meinungsführer zu. Für seine Wahl aus der Mitte des Aufsichtsrats ist bei Mitbestimmungsgesellschaften im ersten Wahlgang eine Zweidrittelmehrheit nötig.247 Im zweiten Wahlgang wird er nur von der Anteilseignerseite,248 sein Stellvertreter dagegen von der Arbeitnehmerseite gewählt. Da fast alle Unternehmen abgesehen von Familienbetrieben und Tendenzbetrieben den Regeln der Mitbestimmung unterliegen, richten sich diese Vorschriften auch an die Unternehmen der öffentlichen Hand.249 Die „hinkende Parität“250 bei der Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden, die den Interessen der Anteilseigner251 Rechnung trägt, kommt auch dem Einfluss des Staates zu Gute.
244
Wohl im Ergebnis so auch Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 290; Klein, Aktionärin, S. 63. 245 BT-Drucks. 17/8944. 246 Schwintowsky, NJW 1995, S. 1316, 1318. 247 § 27 Abs. 1 MitbestG. 248 § 27 Abs. 2 MitbestG. 249 Vgl. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 146; Klein, Aktionärin, S. 75 f. 250 Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 491. 251 Darüber hinaus berücksichtigt der Gesetzgeber mit dieser Regelung vor allem auch das Interesse an der Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrates; vgl. Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 291.
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2. Teil, § 6 Anwendung des Kriteriums der demokratischen Legitimation
c) Die personelle Einflussnahme des Staates über den Vorstand Der Vorstand wird vom Aufsichtsrat nach § 84 Abs. 1 AktG auf höchstens fünf Jahre bestellt252 und kann danach wiedergewählt werden. Zudem kann der Vorstand vorzeitig aus einem wichtigen Grund durch den Aufsichtsrat abberufen werden.253 In Betracht kommt hierfür etwa der Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung, der allerdings nicht auf unsachlichen Gründen beruhen darf, gemäß § 84 Abs. 3 S. 2 AktG254. Die Möglichkeit der Abberufung und Verkürzung der Amtszeiten führen zu einem engen Geflecht zwischen Aufsichtsrat und Vorstand. Auch wenn der Vorstand der DB AG nach § 5 ERegG (ehemaliger § 8 Abs. 1 AEG) „staatsfrei“ besetzt werden muss255 und damit das Druckmittel der „Doppelmandatschaft“ für die faktische Einflussnahme abgeschnitten ist,256 verschafft die Legitimations- und Abhängigkeitskette über den Aufsichtsrat dem Aktionär zumindest mittelbar ein informelles Steuerungspotenzial.257 Faktische Einflussmöglichkeiten stehen dem Staat als Aktionär aber auch ohne den Umweg über den Aufsichtsrat zu. In der Bahnpraxis werden oft ehemalige Spitzenpolitiker oder regierungsnahe Personen direkt nach ihrem Ausscheiden aus Amt und Würden mit Vorstandsposten oder Ähnlichem versehen.258 Damit sind personelle Verflechtungen zur Politik gewährleistet, ohne mit gesetzlichen Vorschriften in Konflikt zu geraten. 2. Die inhaltlich-sachlichen Einflussmöglichkeiten des Staates als Eigentümer a) Die inhaltlich-sachliche Einflussnahme des Staates über die Satzung Die Satzung der DB AG wird durch die Hauptversammlung beschlossen, ergeht also weder in Gesetzesform noch als Regierungsverfügung, sondern als zivilrechtlicher Gesellschaftsvertrag, der in seinen Wirkungen wie objektives Recht behandelt wird.259 Da im Falle der DB AG der Staat als alleiniger Aktionär auftritt, wird die 252
Eine hiervon abweichende Regelung ist unzulässig nach § 23 Abs. 5 S. 1 AktG. § 84 Abs. 3 S. 1 AktG; vgl. Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 84 AktG, Rn. 99 ff. 254 Vgl. Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 84 AktG, Rn. 109 ff.; Spindler, MüKo AktG, § 84 AktG, Rn. 137 ff. 255 Suckale, in: Hermes/Sellner (Hrsg.), § 8 AEG, Rn. 12. 256 Vgl. zum Begriff im Zusammenhang mit der Beeinflussung der Tochtergesellschaft durch die Konzernmutter Telke, Konzernrecht, S. 56. 257 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 296; vgl. Dierdorf, Aktiengesellschaft, S. 46 f., für die Abhängigkeit des Aufsichtsrates vom Mehrheitsaktionär; vgl. auch Heise, Deutsche Bahn AG, S. 140. 258 Otto Wiesheu wurde nach 12 Jahren als bayerischer Verkehrsminister Mitglied des Bahnvorstandes; zahlreiche andere Politiker wurden Berater der Bahn; vgl. dazu http://www. spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/pofalla-wechselt-zur-deutschen-bahn-ex-politiker-beimstaatskonzern-a-941591.html [zuletzt aufgerufen am 07. 01. 2018]. 259 Vgl. eingehend Limmer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 23 AktG, Rn. 3. 253
D. Staatliche Einflussnahme im Rahmen des geltenden Gesellschaftsrechts
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Satzung durch eine einseitige nicht-empfangsbedürftige Willenserklärung errichtet, die der notariellen Beurkundung bedarf (§ 23 Abs. 1 S. 1 AktG).260 Der Einfluss der öffentlichen Hand als Aktionär zeigt sich vor allem in der Macht, den Gesellschaftszweck bzw. das Gesellschaftsziel zu bestimmen, auf den alle Organe verpflichtet werden.261 Insofern besitzen Satzungen und die hierüber festgelegten Zweckbindungen der unternehmerischen Tätigkeit grundsätzlich mit ihrer abstrakt-generellen und nicht jeden Einzelfall beherrschenden Funktionsweise legitimatorische Wirkung.262 aa) Der Unternehmensgegenstand Der Gegenstand des Unternehmens muss nach § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG in der Satzung bestimmt werden. Hierdurch wird die Unternehmenspolitik verpflichtend in bestimmte Bahnen gelenkt.263 Dieser zwingend satzungsmäßig zu treffende Rahmen kann von den Leitungsorganen nicht einfach verändert, erweitert oder überschritten werden.264 Eine gewisse staatliche Fremdbestimmung des Unternehmens ist also gegeben. Der Unternehmensgegenstand der DB AG umfasst nach § 2 Abs. 1 ihrer Satzung265 die Leitung einer Gruppe von Unternehmen, die insbesondere auf den Geschäftsfeldern des Betreibens und Vermarktens der Eisenbahninfrastruktur, der Verkehrsleistungen zur Beförderung von Gütern und Personen, der Logistikleistungen sowie Beratungs- und Dienstleistungen tätig sind. Allerdings dürfte es verfehlt sein zu behaupten, der Staat könne durch die Festlegung des Unternehmensgegenstandes eine am Gemeinwohl orientierte Unternehmenspolitik garantieren.266 Denn der Unternehmensgegenstand, der vom Unternehmenszweck bzw. vom Unternehmensziel zu unterscheiden ist,267 legt lediglich 260 Vgl. Drescher, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 2 AktG, Rn. 4; Heider, MüKo AktG, § 2 AktG, Rn. 33. 261 So auch Heise, Deutsche Bahn AG, S. 317. 262 So Grzeszick, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 20 GG, Rn. 223, der auf die Verwirklichung durch die Staatsaufsicht hinweist; Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 271 ff., hält die Satzung als solche für nicht ausreichend. 263 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 267; Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 69. 264 Klein, Aktionärin, S. 85 f. 265 Satzung in der von der Hauptversammlung am 15. 07. 2016 beschlossenen Fassung, abrufbar auf https://www1.deutschebahn.com/resource/blob/1046118/57f8ffcf07d44cb49c9dc 4260fb14e98/satzung_dbag_de-data.pdf [zuletzt aufgerufen am 07. 01. 2018]. 266 So aber Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 268; nach ihm so auch Klein, Aktionärin, S. 85 f. 267 Diese Unterscheidung ist gesetzlich zwar nur für die BGB-Gesellschaft (§ 705 BGB) und die GmbH (§§ 1, 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG) normiert, doch handelt es sich um ein allgemeines alle Gesellschaften betreffendes Prinzip; zur Diskussion um Unternehmenszweck und Unternehmensziel vgl. Pentz, MüKo AktG, § 23 AktG, Rn. 70 ff., insbesondere Rn. 76.
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2. Teil, § 6 Anwendung des Kriteriums der demokratischen Legitimation
das Betätigungsfeld fest. Er kann mit der Zielvorgabe der Gewinnmaximierung ebenso betrieben werden wie unter dem Primat der Gemeinwohlorientierung.268 bb) Der Unternehmenszweck bzw. das Unternehmensziel Die Gemeinwohlorientierung kann durch den Unternehmenszweck bzw. das Unternehmensziel gewährleistet werden. Anders als der Unternehmensgegenstand ist er in der Satzung nicht zwingend festzulegen. Soll ein dem Unternehmensgegenstand nach wirtschaftlich handelndes Unternehmen spezielle Ziele verfolgen, muss dies aber in der Satzung niedergelegt und einstimmig beschlossen werden.269 Fehlt eine explizite Formulierung des Unternehmenszwecks bzw. -ziels, wird vermutet, dass das Unternehmen die Gewinnerzielung verfolgt.270 Denn ungeschriebene Gemeinwohlverpflichtungen wohnen den aktienrechtlichen Vorschriften bezüglich des Vorstandes – insbesondere § 76 AktG – nicht inne.271 Sie lassen sich auch nicht aus dem Berichtspflichten nach §§ 289b ff. HGB zu Corporate Social Responsibility (CSR) in Umsetzung der CSR-Richtlinie272 ableiten.273 Zwar darf die Unternehmensführung auch ohne satzungsmäßige Gemeinwohlverpflichtung im Einzelfall Gemeinwohlbelange im Rahmen ihrer Eigenverantwortung berücksichtigen. Umstritten ist aber insbesondere vor dem Hintergrund der (CSR)-Richtlinie und ihrer Umsetzung, die gemeinwohlorientiertes Vorstandshandeln fördern sollen,274 ob bzw. inwieweit eine damit einhergehende Beeinträchtigung der Gewinninteressen der Aktionäre zulässig ist, ohne Letzteren gegenüber sogleich nach § 93 Abs. 1, 2 AktG schadensersatzpflichtig zu werden. Fraglich ist also, inwieweit sich ethisches Vorstandshandeln „lohnen“ muss.275 Eine wesentliche Ausrichtung am Gemeinwohl ohne entsprechende Satzungsbestimmung ist und bleibt sicherlich unzulässig.276 Enthält die Satzung eine Gemeinnützigkeitsklausel, darf die Geschäftsführung Verlustgeschäfte eingehen, solange und soweit zwingende Kapitalerhaltungsvorschriften nicht gebrochen werden.277 Denn der Gesellschaftszweck bzw. das Ge268
Mann, Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft, S. 184. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 68; Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 269. 270 Statt aller Mann, Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft, S. 184. 271 Spindler, MüKo AktG, § 76 AktG, Rn. 61 mit eingehender Auseinandersetzung mit der historischen Entwicklung. 272 RL 2013/34/EZ in der Fassung der RL 2014/95/EU v. 22. 10. 2014, Abl. 2014 Nr. L 330, S. 1. 273 Vgl. zur Diskussion, ob den §§ 289b ff. HGB über Berichtspflichten hinausgehende Pflichten zu entnehmen sind, Hommelhoff, NZG 2017, S. 1361 ff. 274 Vgl. zu den Zielen der CSR-Richtlinie und ihrer Umsetzung Rubner/Leuering, NJWSpezial 2017, S. 719 ff. 275 Die Frage: „Muss sich Ethik lohnen?“ wirft in diesem Zusammenhang etwa Kort auf; vgl. Kort, NZG 2012, S. 929. 276 So wohl auch Spindler, MüKo AktG, § 76 AktG, Rn. 44. 277 Engellandt, Einflussnahme, S. 32. 269
D. Staatliche Einflussnahme im Rahmen des geltenden Gesellschaftsrechts
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sellschaftsziel stellt einen verbindlichen Orientierungsmaßstab für die Ausübung von Mitgliedsrechten dar. Er legt aber vor allem auch die Wahrnehmung der Organfunktionen in Ketten,278 was für die rechtlich selbstständige Gesellschaft höchst relevant ist: Ihr Eigenleben279 und Eigeninteresse wird maßgeblich durch den Gesellschaftszweck bzw. das Gesellschaftsziel bestimmt.280 Insbesondere wird die Geschäftsführungsautonomie aus § 76 Abs. 1 AktG begrenzt.281 Hierüber kann die öffentliche Hand sachlich-inhaltliche demokratische Legitimation vermitteln, ihren Ingerenzpflichten nachkommen282 sowie nach der hier vertretenen Meinung dazu beitragen, ein Unternehmen der Staatlichkeit zuzuordnen. Dabei kommt der Satzung umso größere Steuerungswirkung zu, je genauer sie gefasst ist. Vor allem sollte sie die Lösung von Zielkonflikten vorstrukturieren, damit diese Aufgabe nicht dem Vorstand zukommt, was den Einfluss des Mehrheitsaktionärs wieder mindern würde.283 Dabei ist zu beachten, dass die Satzungsautonomie der Hauptversammlung nach § 23 Abs. 5 AktG insofern beschränkt ist, als nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen vom Aktiengesetz abgewichen werden darf. Sie steht mit der Geschäftsführungsautonomie des Vorstands, deren Grenzen durch die Satzung festgelegt werden, in einem Spannungsverhältnis,284 wobei der Spielraum des Vorstands so weit geht, dass davon eine „grundsätzliche unternehmenspolitische Autonomie“ getragen ist.285 Fest steht jedenfalls, dass durch die Satzung die Eigenverantwortlichkeit des Vorstandes nicht beschnitten werden kann.286 Im Ergebnis gewährt die Satzung damit nur eingeschränkte Einflussmöglichkeiten, worin teilweise ein Problem bezüglich der demokratischen Legitimation erblickt wird.287 Die Satzung der DB AG sieht weder einen besonderen Unternehmenszweck bzw. ein Unternehmensziel noch eine Gemeinwohlorientierung vor. Insbesondere der im 278
Vgl. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 65; Habersack, ZGR 1996, S. 544, 552. Nicht gemeint ist die Diskussion um die soziale Interessenseinheit des Unternehmens losgelöst vom Träger; vgl. Überblick zur Diskussion bei Zöllner, AG 2003, S. 2, 12. 280 Vogel, Wirtschaftseinheiten, S. 189 ff. 281 Vgl. Martens, FS Kellermann, S. 274, in Bezug auf den notwendig festzulegenden Unternehmensgegenstand. 282 So Gersdorf, Öffentliche Unternehmen bezüglich des Unternehmensgegenstandes, S. 268 f. Dieser Gedanke kann aber auf den Unternehmenszweck übertragen werden. Teilweise geht die Literatur einen Schritt weiter. Es gehe nicht nur um die Festlegung des Unternehmenszwecks, sondern um „eine Unternehmensführung nach Maßgabe der (politischen) Zielvorgaben der jeweiligen Träger- oder Beteiligungskörperschaft“; vgl. Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 270. Wenn eine Satzung nicht das gesamte Tätigkeitsfeld des Unternehmens in der Satzung umreiße, könne die Körperschaft ihrer Ingerenzpflicht nicht nachkommen; so Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 270. 283 Vgl. Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 272. 284 So Martens, FS Kellermann, S. 274. 285 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 275. 286 Vgl. Martens, FS Kellermann, S. 275. 287 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 275. 279
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2. Teil, § 6 Anwendung des Kriteriums der demokratischen Legitimation
GG für den Bund formulierte Gewährleistungsauftrag wurde nicht in die Satzung der DB AG übernommen.288 Dabei ist umstritten, ob dem Bund die Disposition über den Gesellschaftszweck bzw. das Gesellschaftsziel nicht ohnehin durch die Formulierungen in Art. 87e Abs. 4 S. 1 GG289 oder Art. 87e Abs. 3 S. 1 GG290 von Anfang an entzogen gewesen ist. Eine Gemeinwohlverpflichtung in der Satzung der BD AG würde nach hier vertretener Ansicht die Führung als Wirtschaftsunternehmen aber nicht konterkarieren.291 Auch die Satzung des hier maßgeblichen Infrastrukturunternehmens, der DB Netz AG, enthält keinen besonderen Unternehmenszweck bzw. kein Unternehmensziel.292 Dabei hatte der SPD-Parteitag im Jahr 2007 beschlossen, sich dafür einzusetzen, „in der Satzung der Eisenbahninfrastrukturunternehmen als Grundsatz der Unternehmensführung die grundgesetzlich vorgegebenen Maßgaben festzuschreiben.“293 Allerdings hat der Staat von dieser potenziellen Einflussmöglichkeit gerade keinen Gebrauch gemacht. Zwar ist Heise darin zuzustimmen, dass die Festlegung der DB-Infrastrukturunternehmen auf einen am Gewährleistungsauftrag orientierten Gesellschaftszweck (bzw. ein entsprechendes Gesellschaftsziel) stark für die Staatlichkeit zumindest der DB-Infrastrukturunternehmen sprechen würde. Insbesondere eine Verpflichtung der 288 Satzung der Deutsche Bahn Aktiengesellschaft in der von der Hauptversammlung am 15. 07. 2016 beschlossenen Fassung, abrufbar unter https://www1.deutschebahn.com/resource/ blob/1046118/57f8ffcf07d44cb49c9dc4260fb14e98/satzung_dbag_de-data.pdf [zuletzt aufgerufen am 07. 01. 2018]. 289 In diese Richtung Heise, Deutsche Bahn AG, S. 318, die in dem Gewährleistungsauftrag den abschließenden Unternehmenszweck der Infrastrukturunternehmen erblickt. 290 Nach Gersdorf erklärt Art. 87e Abs. 3 S. 1 GG die Wirtschaftlichkeit zum bestimmenden Unternehmenszweck und steht nicht zur Disposition; vgl. Gersdorf, BK, 6. Aufl., Art. 87e GG, Rn. 80. 291 Vgl. oben § 6 A. I. 2. a) aa). 292 Allein der Unternehmensgegenstand ist aufgeführt; vgl. dazu die Satzung der DB Netz Aktiengesellschaft, Stand 28. 11. 2007: „§ 2 Gegenstand des Unternehmens (1) Gegenstand des Unternehmens der Gesellschaft sind folgende Tätigkeiten: 1. Betreiben und Vermarkten eigener oder fremder Eisenbahninfrastruktur; Betriebsführung von Schienenwegen einschließlich Betriebsleit- und Sicherheitssystemen; 2. Planung, Errichtung und Instandhaltung von Anlagen der Eisenbahninfrastruktur; 3. Führen von Betrieben verwandter Unternehmen für deren Rechnung sowie Erbringen von Beratungsleistungen für Dritte; 4. Die Gesellschaft ist zu allen Geschäften und Maßnahmen berechtigt, die geeignet erscheinen, dem vorbezeichneten Unternehmensgegenstand zu dienen und damit in Zusammenhang stehen. Dies gilt auch für das Erbringen von Dienstleistungen für Dritte. (2) Die Gesellschaft kann sich an Unternehmen gleicher oder verwandter Art beteiligen sowie solche Unternehmen gründen oder erwerben. Sie kann ihren Betrieb ganz oder zum Teil in solche Unternehmen ausgliedern und sich auf Leitungsaufgaben beschränken.“ 293 Initiativantrag 6.3.5 des SPD-Parteitags im Oktober 2007, der angenommen wurde; abrufbar unter http://www.spd.de/linkableblob/1800/data/beschlussbuch_bundesparteitag_ham burg_2007.pdf [zuletzt aufgerufen am 23. 6. 2013].
D. Staatliche Einflussnahme im Rahmen des geltenden Gesellschaftsrechts
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DB AG und all ihrer Organe in der Satzung auf die Ziele, die durch die Verfassung in die Gewährleistungsverantwortung des Staates gestellt sind, würde eine Instrumentalisierung und Fremdbestimmung der DB AG durch den Bund indizieren.294 Solange die Satzung derartige Ausführungen indes nicht enthält, sprechen Gesellschaftszweck bzw. Gesellschaftsziel der DB AG und der Infrastrukturunternehmen jedenfalls nicht dafür, dass der Staat sich die DB AG zu eigen machen und gerade zur Erfüllung des Gewährleistungsauftrags instrumentalisieren will. b) Die inhaltlich-sachliche Einflussnahme des Staates über die Hauptversammlung In der Aktiengesellschaft, die durch das Prinzip der Fremdorganschaft geprägt ist, kann der Aktionär als reiner Geldgeber auftreten. Ihm obliegen keine Verwaltungspflichten. Allerdings kann nach § 118 Abs. 1 AktG jeder Aktionär mit Hilfe einer entsprechenden Beschlussfassung die Willensbildung prägen, wobei der Vorstand an die im Rahmen der Zuständigkeit der Hauptversammlung getroffenen Beschlüsse gebunden ist und sie ausführen muss (§ 83 Abs. 2 AktG). Außerhalb dieser Vorbehaltssachen besteht kein Weisungsrecht der Hauptversammlung. Die Rechte der Aktionäre sind insoweit abschließend durch das Aktienrecht geregelt, d. h., die Schaffung neuer Kompetenzen etwa durch die Satzung ist – anders als in der GmbH – nicht möglich. In die Kompetenz der Hauptversammlung fallen insbesondere Grundlagen- und Strukturentscheidungen. Zu den Grundlagenentscheidungen zählen insbesondere Satzungsänderungen, Maßnahmen der Kapitalbeschaffung und -herabsetzung (§§ 119 Abs. 1 Nr. 6, 182 ff. AktG) sowie die Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens (§ 179a AktG). Die Unternehmenspolitik wird von der Hauptversammlung durch die Zustimmung von Unternehmensverträgen beeinflusst (§ 293 Abs. 1 AktG). Geschäftsführungsmaßnahmen fallen grundsätzlich nicht in die Entscheidungskompetenz der Hauptversammlung. Die Hauptversammlung entscheidet hierüber grundsätzlich nur, wenn der Vorstand dies verlangt nach § 119 Abs. 2 AktG. Insofern sind die inhaltlichen Einwirkungsmöglichkeiten der Hauptversammlung auf die Leitung der Gesellschaft beschränkt.295 Allerdings hat die Rechtsprechung in der sogenannten „Holzmüller“Entscheidung,296 die durch das „Gelatine“-Urteil präzisiert wurde,297 eine Vorlage294
Vgl. Heise, Deutsche Bahn AG, S. 182 ff., 336 ff., 353 ff. So ausdrücklich das BVerfG, NJW 2011, S. 1203, Rn. 52 = BVerfGE 128, S. 226 ff. 296 BGHZ 83, S. 122 ff. 297 Nach weitreichender Kritik an der als zu unbestimmt angesehenen „Holzmüller“-Entscheidung (vgl. Heinsius, ZGR 1984, S. 383, 388; Semler, BB 1983, S. 1566, 1571) präzisierte der BGH seine Rechtsprechung durch das „Gelatine“-Urteil. Ungeschriebene Zuständigkeiten der Hauptversammlung in grundlegenden Entscheidungen seien dann anzuerkennen, wenn eine vom Vorstand in Aussicht gestellte Umstrukturierung der Gesellschaft an die Kernkompetenz der Hauptversammlung, über die Verfassung der AG zu bestimmen, rühre, weil sie Veränderungen nach sich ziehe, „die denjenigen zumindest nahe kommen, welche allein durch eine Satzungsänderung herbeigeführt werden können“ (BGHZ 159, S. 30, 1. LS). Dies soll insbe295
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pflicht des Vorstands an die Hauptversammlung für Geschäftsführungsmaßnahmen entwickelt, die „so tief in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im Alleineigentum verkörpertes Vermögensinteresse eingreifen, dass der Vorstand vernünftigerweise nicht annehmen kann, er dürfe sie in ausschließlich eigener Verantwortung treffen, ohne die Hauptversammlung zu beteiligen.“298 Zudem darf die Kompetenz der Hauptversammlung, über eine Gewinnausschüttung und Dividenden zu entscheiden, in ihrer Steuerungswirkung nicht unterschätzt werden: Nach der Meinung einiger Spitzenpolitiker der SPD haben etwa der von der Bundesregierung der DB AG verordnete Sparzwang und die Zwangsdividende dazu geführt, dass die Personal- und Infrastrukturpolitik zu kurz gekommen sei, was in den Engpässen am Mainzer Hauptbahnhof im Sommer 2013 gegipfelt habe.299 Allerdings erfährt die Steuerungswirkung der Hauptversammlung insofern eine Einschränkung, als sie an den Jahresabschluss des Vorstandes gebunden ist und nur auf dieser Grundlage über die Verwendung des Bilanzgewinns entscheiden kann (§§ 119 Abs. 1 Nr. 2, 174 AktG). Insgesamt ist die Einflussmöglichkeit des Staates auf die Unternehmenspolitik über die Hauptversammlung mithin sehr begrenzt, sodass hierüber kaum hinreichende demokratische Legitimation bzw. Steuerung erreicht werden kann. Zwar können Grobziele der Unternehmenspolitik vorgegeben werden. Doch liegt die Umsetzung in den Händen des eigenverantwortlich agierenden Vorstandes. Insofern können konkrete Entscheidungen im Einzelfall schwerlich auf den verrechtlichten Willen der öffentlichen Hand zurückgeführt werden.300 c) Die inhaltlich-sachliche Einflussnahme des Staates über den Aufsichtsrat aa) Die Befugnisse des Aufsichtsrats Der Aufsichtsrat hat keine Befugnisse, um konkret die Unternehmenspolitik zu leiten. Schließlich dürfen ihm entsprechende Geschäftsführungsbefugnisse nicht – auch nicht durch die Satzung (§ 23 Abs. 5 AktG) – übertragen werden (§ 111 Abs. 4 S. 1 AktG), da die Leitungsfunktionen allein Aufgaben des Vorstands sind (§ 76
sondere bei Ausgliederungen und Konzernumstrukturierungen der Fall sein; vgl. BGHZ 159, S. 30, 2. LS. Umstritten war lange die Frage, ob die Veräußerung von Beteiligungen der Zustimmung der Hauptversammlung bedarf; vgl. etwa Habersack, AG 2005, S. 137, 144 ff. Nach einer neueren Entscheidung des BGH bedarf es dann nicht der Zustimmung der Hauptversammlung, wenn keine Mediatisierung des Einflusses der Muttergesellschaft und deren Aktionären gegeben ist, BGH, ZIP 2007, S. 24. 298 BGHZ 83, S. 122 (131). 299 Vgl. Florian Pronold nach http://www.zeit.de/politik/deutschland/2013-08/bahn-brueder le-boerse; [zuletzt aufgerufen am 19. 01. 2018]. 300 So auch Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 299 f.
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AktG). Damit kann die öffentliche Hand – anders als in Russland301 – über den Aufsichtsrat also zunächst nicht auf diesem Weg aktiv gestaltend Einfluss nehmen.302 Der Aufsichtsrat ist vielmehr als Kontrollorgan der Geschäftsführung konzipiert.303 Entsprechend ist der Vorstand verpflichtet, Ersterem auf eigene Initiative über die in § 90 Abs. 1 AktG aufgeführten Gegenstände zu berichten. Der Katalog des § 90 Abs. 1 AktG kann zudem auf die Einhaltung einer satzungsmäßig vorgegebenen Bindung an einen öffentlichen Zweck erweitert werden.304 Zudem besteht nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG die Möglichkeit, bestimmte Arten von Geschäften – nicht dagegen ein ganzes Tätigkeitsfeld305 – durch Satzung oder Beschluss des Aufsichtsrats von der Zustimmung des Letzteren und – bei entsprechender faktischer Einflussnahme auf diesen – mittelbar der öffentlichen Hand abhängig zu machen. Geschäfte, welche die Gewährleistungsverantwortung des Staates nach Art. 87e Abs. 4 1 GG bedrohen, könnten so durch eine Zustimmungsverweigerung des Aufsichtsrats verhindert werden. Nach § 8 Abs. 2 der Satzung der DB AG306 bedürfen Geschäfte von grundlegender Bedeutung, auch soweit diese Tochter- oder Beteiligungsunternehmen der Gesellschaft betreffen, der vorherigen Zustimmung des Aufsichtsrats. Darunter fallen die Aufnahme wesentlicher neuer Tätigkeitsgebiete oder die Aufgabe vorhandener wesentlicher Tätigkeitsgebiete, grundlegende Änderungen in der Unternehmensund Konzernorganisation und Veränderungen der Geschäftsverteilung des Vorstandes der Gesellschaft sowie Änderungen bei den Generalbevollmächtigten der Gesellschaft. Der Aufsichtsrat kann darüber hinaus weitere Geschäfte bestimmen, deren Abschluss seiner Zustimmung unterliegt. Dabei dürfen jedoch nicht alle wesentlichen Entscheidungen unter Zustimmungsvorbehalt gestellt werden, da die aktienrechtliche Kompetenzverteilung die Entscheidungen der Geschäftsführung bei dem Vorstand, nicht aber bei dem Aufsichtsrat ansiedelt.307 Wenn Letzterer die Zustimmung verweigert, kann der Vorstand nach § 111 Abs. 4 S. 3 AktG verlangen, dass die Hauptversammlung über die Zustimmung beschließt. Da der Staat bei der DB AG als Alleinaktionär die Hauptversammlung bildet, kommt ihm in diesem Fall das Letztentscheidungsrecht zu.308 Verlangt der Vorstand keine Entscheidung der Hauptversammlung, kann die öffentliche Hand nur über den Aufsichtsrat Einfluss 301
Siehe unter § 6 D. II. 2. c). Vgl. Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 302 f. 303 Vgl. etwa § 111 Abs. 1 AktG; umstritten ist, auf welche Felder sich die Überwachungsfunktion erstreckt, vgl. die Darstellung des Streits bei Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 127. 304 Vgl. Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 110 mit w.N. 305 Hierzu Pfeifer, Steuerung, S. 124. 306 Abrufbar unter https://www1.deutschebahn.com/resource/blob/1046118/57f8ffcf07d44 cb49c9dc4260fb14e98/satzung_dbag_de-data.pdf [zuletzt aufgerufen am 07. 01. 2018]. 307 So aber Kraft, Verwaltungsgesellschaftsrecht, S. 156. 308 Vgl. Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 303. 302
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auf die Geschäftspolitik des Vorstandes nehmen. Damit ist der Zustimmungsvorbehalt im Ergebnis potenziell ein wichtiges Instrument zur Vermittlung demokratischer Legitimation.309 Doch können damit zum einen nur bestimmte Entscheidungen verhindert, nicht aber positiv herbeigeführt werden.310 Zum anderen stellt der Zustimmungsvorbehalt durch die Aufsichtsräte allein kein verbindliches und hinreichendes Mittel zur staatlichen Instrumentalisierung dar, wenn der Aufsichtsrat – wie im Falle der DB AG – durch die Satzung gerade nicht auf spezielle, von Gewinnmaximierung abweichende Gesellschaftsziele verpflichtet wird. bb) Die staatliche Einflussnahme auf die Entscheidungen des Aufsichtsrats Faktisch kann auf Grund der persönlichen Bindung der Aufsichtsräte eine gewisse Einflussnahme erreicht werden. Schließlich sind die gewählten bzw. entsandten Aufsichtsratsmitglieder dem Mehrheitsaktionär persönlich verpflichtet und streben eine Wiederwahl an.311 Dabei ist zu beachten, dass dem Aufsichtsratsvorsitzenden nach § 29 Abs. 2 MitbestG bei Stimmengleichheit im Aufsichtsrat eine Zweitstimme zusteht. Das heißt, dass sich die Anteilseignerseite, nämlich die von staatlicher Seite eingesetzten und persönlich legitimierten Aufsichtsratsmitglieder, im Zweifel durchsetzen können. Dies führt aber nur dann zu einem inhaltlichen Letztbestimmungsrechts des Staates über den Aufsichtsrat, wenn dem Bund als Aktionär verrechtlichte Steuerungsmöglichkeiten der von ihm eingesetzten Aufsichtsratsmitglieder zustehen. Insbesondere ist fraglich, ob den Aufsichtsräten Weisungen erteilt werden können und somit inhaltlich demokratische Legitimation vermittelt werden kann. Denn angesichts fehlender satzungsmäßiger Zweckbindung ist ohne entsprechende Weisungsrechte nicht garantiert, dass die Befugnisse, die den Aufsichtsräten zustehen, überhaupt im Sinne des Aktionärs ausgeführt werden. Grundsätzlich unterliegen die Aufsichtsräte – mögen sie auch Vertrauenspersonen der Gesellschafter sein – keinem imperativen Mandat, sondern handeln in eigener Verantwortung. Zwar ist ihre Unabhängigkeit anders als die des Vorstands nicht ausdrücklich im Aktiengesetz normiert.312 Doch ergibt sich ihre Unabhängigkeit bereits aus ihrer Kontrollfunktion, die sich nicht mit Weisungsrechten verträgt.313
309 Dies gilt, obwohl Gersdorf darin zuzustimmen ist, dass die Legitimationsvermittlung durch zwei Aspekte begrenzt ist. Zum einen vermittelt § 111 Abs. 4 S. 2 AktG nur negative, keine positiven Einflussmöglichkeiten. Zum zweiten bezieht sich das Zustimmungserfordernis lediglich auf bestimmte Fragen, wobei der Vorstand in wesentlichen Fragen ein Autonomiespielraum verbleiben muss; vgl. Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 306. 310 Hierauf weist Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 311, hin. 311 Vgl. § 102 Abs. 1 AktG; darauf weist auch Heise, Deutsche Bahn AG, S. 139 f., hin. 312 Vgl. Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 308. 313 Schwintowski, NJW 1995, S. 1318.
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Nach der wohl herrschenden Lehre314 spricht § 111 Abs. 6 AktG, der die Wahrnehmung der Aufgaben des Aufsichtsrats durch andere Organe verbietet, systematisch und teleologisch gegen eine Weisungsgebundenheit.315 Auch den §§ 93 und 116 AktG ist zu entnehmen, dass den Aufsichtsräten keine Weisungen erteilt werden dürfen. Denn die dort niedergelegte Verantwortlichkeit ist mit Weisungen durch die öffentliche Hand nicht zu vereinbaren.316 Die Gegenansicht bejaht eine Weisungspflicht insbesondere unter Hinweis auf §§ 394 ff. AktG. Nach Heidel legen die dort verankerten und auf eine Berichterstattung zielenden Sonderrechte der öffentlichen Hand die Einflussmöglichkeit des Staates auf die Aufsichtsräte nahe.317 Andernfalls wären die Berichtspflichten in §§ 394 ff. AktG, die ihm zufolge gerade keine abschließende Regelungen darstellen318, sinnentleert.319 Andere Literaturstimmen differenzieren danach, ob es sich um entsandte oder gewählte Aufsichtsräte handelt. Daneben wird vertreten, dass nur Alleingesellschaftern ein Weisungsrecht zustehen soll, das allerdings der eigenverantwortlichen Prüfung durch den Aufsichtsrat auf die Vereinbarkeit mit dem Unternehmenswohl unterliege.320 Die „etablierte“321 Rechtsprechung des BGH lehnt Weisungsrechte ab. Das Gericht geht davon aus, dass die Aufsichtsratsmitglieder – ebenso wie der Vorstand – allein dem Interesse der Gesellschaft verpflichtet sind.322 In eine andere Richtung weist zwar die jüngere verwaltungsrechtliche Judikatur in Hinblick auf fakultative Aufsichtsräte bei der GmbH. Denn das OVG Münster hatte in einer umstrittenen Entscheidung geurteilt, dass die Verpflichtung des Aufsichtsrates auf das Unternehmensinteresse einem Weisungsrecht nicht entgegenstehe.323 Dieses Urteil wurde vom BVerwG im Ergebnis mit dem „Kniff“324 der ergänzenden Vertragsauslegung 314 So nach Heise, Deutsche Bahn AG, S. 139, die wohl herrschende Meinung; statt aller Lutter/Krieger (Hrsg.), Rechte, Rn. 822 mit w.N. 315 Spindler, in: Spindler/Stilz, § 111 AktG, Rn. 79. 316 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 308 mit w.N. Etwas anderes soll auch nicht für die entsandten Aufsichtsräte gelten; s. hierzu näher Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 309. 317 Heidel, NZG 2012, S. 51 ff. 318 So aber Fischer, AG 1982, S. 90. 319 Heidel, NZG 2012, S. 53. 320 Vgl. den Überblick des Meinungsstandes bei Heidel, NZG 2012, S. 51 ff. 321 So Heidel, NZG 2012, S. 49. 322 BGH 169, S. 98 = NZG 2006, S. 945, Rn. 18; s.a. BGHZ 36, S. 292 (306) = NJW 1962, S. 738. 323 OVG Münster, GmbHR 2010, S. 92 = ZIP 2009, S. 1718; vgl. hierzu Heidel, NZG 2012, S. 48 ff.; gegen den Ansatz des Gerichts, die gesellschaftsrechtlichen Vorschriften seien abbedungen, wird zurecht eingewendet, dass es hierfür zumindest einer gesellschaftsvertraglichen Regelung bedurft hätte; vgl. Altmeppen, NJW 2003, S. 2564. Zudem kann ein Weisungsrecht nicht unabhängig vom Gemeinwohl der Gesellschaft bestehen; vgl. Weckerling/Wilhelm/ Mirtsching, NZG 2011, S. 327. 324 Zu dieser Wortwahl vgl. Noack, Handelsblatt Rechtsboard v. 19. 09. 2011.
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des Gesellschaftsvertrages bestätigt. Doch wurde dabei ein Bekenntnis zum Weisungsrecht vermieden.325 Zudem ist zweifelhaft, ob die Rechtsprechung zum fakultativen Aufsichtsrat der GmbH tatsächlich auf die AG übertragen werden kann. Letztlich ist zuzugeben, dass der heutige § 111 Abs. 6 AktG nach historischer Auslegung lediglich die persönliche Erfüllung beabsichtigt326 und zumindest nicht direkt Aussagen über ein Weisungsverbot trifft. Grund für die Einführung des § 111 Abs. 6 AktG war aber wohl, den Aufsichtsrat – gerade aus haftungsrechtlicher Sicht – nicht nur zu einem bloßen Schein verkommen zu lassen.327 Diese Argumentation spricht dafür, § 111 Abs. 6 AktG gerade auch gegen Weisungsrechte heranzuziehen, da jene den Aufsichtsrat letztlich auch zu einem „Strohmann“ werden ließen. Gebietskörperschaften, die als juristische Personen nicht Mitglieder des Aufsichtsrats sein dürfen, sollen nicht einfach einen weisungsgebundenen Vertreter vorschicken können.328 Zwar setzen die §§ 394 ff. AktG eine gewisse Einflussnahmemöglichkeit der öffentlichen Hand voraus, da Auskunftsrechte ohne eine Einwirkungsmöglichkeit wirkungslos bleiben. Doch lässt sich hieraus nicht die Steuerungsintensität in Form von Weisungen ableiten. Letztlich fordert die Verantwortlichkeit der Aufsichtsräte gegenüber dem Unternehmen ein Weisungsverbot,329 das auch im Fall von Entsendungen Geltung beansprucht.330 Allenfalls können demnach unverbindliche Richtlinien und Empfehlungen erlassen werden.331 Bezüglich der entsandten Aufsichtsratsmitglieder ist zudem zu bedenken, dass sie anders als die gewählten Aufsichtsräte nach § 103 Abs. 2 S. 1 AktG jederzeit abberufen werden können, wobei allerdings die mitgliedschaftliche Treuepflicht gewisse Schranken setzt.332 Dies führt zu einer gewissen tatsächlichen Abhängigkeit vom Staat. Allerdings sind in der DB AG derzeit nur drei Mitglieder entsandt.
325 Brötzmann, GmbHR 2011, 1208 f., nimmt an, dass das BVerwG jedenfalls keine Weisungsunabhängigkeit zumindest des fakultativen Aufsichtsrates bei der GmbH vertrete. 326 Heidel, NZG 2012, S. 53. 327 Vgl. hierzu Schubert/Hommelhoff (Hrsg.), Aktienrecht, S. 463. 328 So auch Heise, Deutsche Bahn AG, S. 139. 329 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 309; jüngst im Ergebnis auch Grunewald, NZG 2015, S. 610. 330 Vgl. Heise, Deutsche Bahn AG, S. 139. 331 Lutter/Krieger (Hrsg.), Rechte, Rn. 822. 332 Vgl. Habersack, MüKo, § 103 AktG, Rn. 25.
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d) Die inhaltlich-sachliche Einflussnahme des Staates über den Vorstand aa) Der „verrechtlichte“ Einfluss Entscheidend für die Beurteilung der Gesellschaft als Ganzes ist, von wem ihre Willensentscheidungen herbeigeführt werden. Nach dem deutschen Aktienrecht trifft der Vorstand die wesentlichen Entscheidungen. Ihm obliegt die Geschäftsführung, die anderen Organen wie dem Aufsichtsrat nicht per Satzung übertragen werden kann.333 Vor allem unternimmt der Vorstand die Gestaltung der Unternehmenspolitik. Dabei verfügt der Vorstand über einen weitreichenden Autonomiespielraum: Nach § 76 Abs. 1 AktG handelt er eigenverantwortlich. Diese Stellung des Vorstandes kann zur „Selbstverwirklichung“334 genutzt werden und widerspricht insoweit dem Demokratieprinzip.335 Denn wenn der Vorstand unbeeinflusst von staatlichen Vorgaben „frei“ entscheidet, dann kann bezüglich des Unternehmens nicht von demokratischer Legitimation und Instrumentalisierung gesprochen werden. Zwar agiert der Vorstand grundsätzlich nicht völlig frei, sondern ist an die Beachtung der Gesetze und vor allem der Satzung, der Geschäftsordnung sowie der Beschlüsse der Hauptversammlung und des Aufsichtsrats gebunden. Damit kann er insbesondere durch die Festlegung des Unternehmensgegenstandes und eines besonderen Unternehmenszweckes inhaltlich beschränkt werden. Doch sieht die Satzung der DB AG gerade keinen besonderen Zweck oder ein besonderes Ziel vor. Zudem darf der Vorstand niemals zum „Befehlsempfänger des satzungsregelnden Aktionärs“336 gemacht werden: Er unterliegt keinen Weisungen – weder des Aufsichtsrats noch der Hauptversammlung oder eines Einzelaktionärs wie der öffentlichen Hand.337 Denn dies widerspräche fundamental der aktienrechtlich fixierten Vorstandsautonomie und Eigenverantwortlichkeit nach § 76 Abs. 1 AktG. Die Konzeption der Aktiengesellschaft zielt schließlich darauf ab, dass die Eigentümer kaum Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen können. Dem liegt der Gedanke zu Grunde, dass eine große korporative Gesellschaft nur von wenigen Fachleuten und nicht von einer Vielzahl der teilweise kurzfristig denkenden, in ihrem Bestand wechselnden Aktionäre gelenkt werden soll.338 Auf Grund der „rein kapitalistischen Prägung der Aktiengesellschaft, die ein personales Substrat der Gesellschaft nur in stark mediatisierter Form und in nur blassen Konturen erkennen 333
Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 310. So Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 312. 335 So vehement Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 312, der eine „Rettung“ für die Wahl der Aktiengesellschaft für Eigengesellschaften nur im Konzernrecht erblickt; vgl. auch ebenda, S. 275. 336 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 310; Martens, FS Kellermann, S. 275. 337 Vgl. hierzu Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 76 AktG, Rn. 56 ff. 338 Vgl. Teichmann, Festgabe Knemeyer, S. 661. 334
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lässt“,339 erscheint diese Rechtsform zur Durchsetzung des staatlichen Willens wenig geeignet.340 Trotz staatlicher Anteilsmehrheit sind Unternehmen in Form der AG vielmehr qua Gesetz „auf Staatsferne angelegt“.341 Denn die Autonomie des Vorstandes lässt eine echte demokratische Legitimation nicht zu.342 Der Bund hat sich im Fall der DB AG aber ganz bewusst für die AG entschieden. Die gesetzlich verankerte Vorstandsautonomie soll nach dem Entwurf der Regierungsfraktionen zur Durchsetzung unternehmensinterner und marktbezogener Entscheidungen führen, die ein wichtiger Aspekt für die Gründung der DB AG darstellten.343 Der Politik sollten gerade keine unmittelbaren Eingriffe in die Geschäftsführung der DB AG möglich sein.344 Die Form der AG wurde also absichtlich gewählt, um „eine gleichsam natürliche Distanz gegenüber unternehmensexternen Einflüssen“345 zwischen der DB AG und dem Eigentümer aufzubauen.346 bb) Der faktische Einfluss Mag auch der rechtliche Einfluss des Aufsichtsrats und des Mehrheitseigentümers auf den Vorstand begrenzt sein, so darf doch die faktische Einflussnahme nicht unterschätzt werden.347 Die personelle „Abhängigkeitskette“ führt dazu, dass weder der Aufsichtsrat noch der Vorstand daran interessiert sind, mit der Hauptversammlung, d. h. mit dem hier alleinigen Aktionär, in Konflikt zu geraten. Vielmehr werden sie jede Konfrontation scheuen und bei ihren Entscheidungen versuchen, so gut wie möglich den Interessen des Aktionärs zu entsprechen.348 Dabei ist zudem zu beachten, dass der Aufsichtsrat auch „durch ständige Diskussion mit dem Vorstand“349 die zukünftige Entwicklung des Unternehmens durch Ratschläge mitbeeinflusst.350
339
Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 284. Teichmann, Festgabe Knemeyer, S. 656. 341 Teichmann, Festgabe Knemeyer, S. 656. 342 Vgl. Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 275; so auch Teichmann, Festgabe Knemeyer, S. 662; Levin, Socˇ i, S. 95 f. 343 Vgl. BT-Drucks. 12/4609, S. 55 f. 344 So der ehemalige Vorstandsvorsitzende Dürr, Bahnreform S. 15, nach Schön, ZGR 1996, S. 430. 345 Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 68. 346 Kramer bezeichnet die Bedeutung der Eigentümerstellung für die Erfüllung des Gewährleistungsauftrags daher als „eher ,mageren’“ Befund; vgl. Kramer, in: Bayreuther (Hrsg.), Sozialeinrichtungen, S. 121. 347 Vgl. auch Heise, Deutsche Bahn AG, S. 141, und Kramer, in: Bayreuther (Hrsg.), Sozialeinrichtungen, S. 121. 348 Vgl. Klein, Aktionärin, S. 83. 349 So BGHZ 114, S. 127, 130. 350 Lutter/Krieger (Hrsg.), Rechte, Rn. 94 ff.; gegen die Funktion der Mitgestaltung durch Beratung Theisen, AG 1995, S. 193, 199 ff. 340
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Die Steuerungs- und Einflussmöglichkeiten der öffentlichen Hand auf den Vorstand, d. h. die Geschäftsführung, hängen also unter anderem von der Möglichkeit der Hauptversammlung, auf den Aufsichtsrat Einfluss zu nehmen, ab.351 Die Vorstellung einer dauerhaften Beobachtung und Beeinflussung des Vorstandes, um ihn „auf Linie zu halten“,352 erscheint indes wenig aussichtsreich. Doch können Politiker und Vertreter des Bundes auch direkt Einfluss auf den Vorstand nehmen. Im Rahmen der Personalengpässe am Mainzer Hauptbahnhof im August 2013 entbrannte eine rege Diskussion um die Einflussnahmemöglichkeiten und -notwendigkeit durch den Bund. Nicht nur in diesem Zusammenhang forderten einige Politiker einen stärkeren Einfluss des Bundes auf die Politik der DB AG.353 Eine ähnliche Diskussion entstand im Zusammenhang mit angekündigten Preiserhöhungen der DB AG im deutschen Bundestag im Jahr 2008. Während die einen den Wettbewerbskurs der DB AG verteidigten,354 forderten andere den „kundenunfreundlichen Wahn“ zu beenden,355 der angesichts der Ertragslage auch nicht nötig sei.356 Am deutlichsten formulierte die Bundestagsabgeordnete Sabine Stüber in einer parlamentarischen Anfrage, dass ihr bestimmte Streichungen des Regionalangebots missfielen. Mit ihrer Meinung, die DB AG sei ein Staatsunternehmen, das der parlamentarischen Kontrolle unterliegen müsse, stand sie ganz in der Tradition der Partei DIE LINKE.357 Deren Fraktion hatte im Jahr 2012 einen Antrag im Bundestag gestellt, die Bundesregierung solle als Vertreterin der Eigentümerin der DB AG darauf hinwirken, dass die Preiserhöhungen aus dem Jahre 2011 zurückgenommen würden und das Preissystem insgesamt sozial ausgewogener und familienfreundlicher gestaltet werde.358 Letztlich lehnte der nach Überweisung durch den Bundestag federführend zuständige Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung den Antrag in seiner Beschlussempfehlung jedoch ab. Unter anderem 351
Hierauf weist Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 296, hin. So aber wohl Menges, Strukturreform, S. 66 f. 353 Vgl. etwa Steinbrück, Pronold, nach Zeit online vom 13. 08. 2013, abrufbar unter http:// www.zeit.de/politik/deutschland/2013-08/bahn-bruederle-boerse, [zuletzt aufgerufen am 18. 08. 2013]. 354 Herrmann Scheer, Fritz Kuhn zitiert nach der Berichterstattung der FAZ 20. 08. 2008. 355 Herrmann Scheer, zitiert nach der Berichterstattung der FAZ 20. 08. 2008. 356 Wolfgang Tiefensee, zitiert nach der Berichterstattung der FAZ 20. 08. 2008. 357 Deren Antrag auf eine Zustimmung durch den Bundestag zu Veräußerungen von Liegenschaften der DB AG war vom BVerfG bereits verworfen worden, da es mit dem Ziel der Einräumung unternehmerischer Selbstbestimmung unvereinbar sei, einzelne wirtschaftliche Entscheidungen der parlamentarischen Kontrolle zu unterstellen; vgl. BVerfG, BeckRS 2011, 56911. Dazu näher Teichmann, Festgabe Knemeyer, S. 655. In eine andere Richtung weist allerdings die Entscheidung des BayVerfGH, NVwZ 2007, S. 204 ff.: Zwar unterliegen staatlich beherrschte Unternehmen nach der Rechtsprechung des BayVerfGH der parlamentarischen Kontrolle. Doch wurden in dieser Entscheidung die Besonderheiten der DB AG nicht berücksichtigt, da es sich nicht konkret um dieses Unternehmen handelte; vgl. BayVerfGH, NVwZ 2007, S. 204, 206. 358 BT-Drucks. 17/8570, S. 1, 3. 352
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wurde die Entscheidung mit Art. 87e GG begründet, demzufolge die Eisenbahnen des Bundes als Wirtschaftsunternehmen zu führen seien. Zudem habe „das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die Fähigkeit der Deutschen Bahn AG zum verfassungsrechtlich gewollten Handeln nach marktwirtschaftlicher Handlungsrationalität in erheblichem Maße beeinträchtigt werde, wenn man dem Deutschen Bundestag jenseits der legislativen Mitgestaltungsmöglichkeit Beteiligungsrechte an unternehmerischen Einzelentscheidungen der Deutsche Bahn AG einräumte.“359 Letztlich habe man der DB AG rechtliche Unabhängigkeit verliehen, was auch die bedauerliche Preiserhöhung einschließe.360 Damit hat sich der Ausschuss ganz klar gegen die typischen Ingerenzpflichten ausgesprochen. Es ist zweifelhaft, ob der Bund, vertreten durch den Bundestag sowie die Regierung, seinen informellen Einfluss überhaupt „ausspielen“ will. Die bloße theoretische Möglichkeit, faktisch die DB AG zu beeinflussen, reicht jedenfalls nicht für die demokratische Legitimation aus. Dabei zeigt die Praxis, dass der Bund im Ernstfall etwaige Einflussmöglichkeiten gerade nicht nutzt, um den Vorstand und damit das Unternehmen für seinen Gewährleistungsauftrag zu instrumentalisieren. Als es um die Streichung der Interregios ging, hätte der Bund darauf hinwirken können, das Angebot um der Allgemeinheit Willen zu erhalten; standen doch bei der Entscheidung allein wirtschaftliche Interessen im Vordergrund.361 Unabhängig von der Stilllegungsproblematik sehen sich die Länder zudem oftmals „einem ,rabiaten‘ – vom Bund völlig unbeeinflussten – Wirtschaftsunternehmen gegenüber […]“.362 So waren die Personalengpässe am Mainzer Bahnhof im Jahr 2013 ebenfalls dem Gewinnstreben geschuldet; gemeinwohlorientierte Bestrebungen waren hintangestellt worden.363 Auch wenn einzelne Politiker immer wieder die DB AG für „ihr“, d. h. staatliches Terrain halten, dürfte die tatsächliche Einflussnahme jedenfalls zu gering sein. Ob hinter verschlossenen Türen informell entsprechender Einfluss auf die Geschäftsführung der DB AG ausgeübt wird, kann in diesem Forschungsvorhaben aber freilich nicht abschließend geklärt werden. Es wäre aber mangels einer „Garantie“ insoweit ohnehin unbeachtlich. Weder kann die Umsetzung des Gewährleistungsauftrags durch informelle Steuerung erreicht werden364 noch kann von einer Instrumentalisierung der DB AG 359
BT-Drucks. 17/8570, S. 3. BT-Drucks. 17/8570, S. 3. 361 Kramer, in: Bayreuther (Hrsg.), Sozialeinrichtungen, S. 116, 120, 121; Knecht, NVwZ 2003, S. 935. 362 Heise, Deutsche Bahn AG, S. 360. 363 So zumindest Florian Pronold, nach Zeit online vom 13. 08. 2013, abrufbar unter http:// www.zeit.de/politik/deutschland/2013-08/bahn-bruederle-boerse, [zuletzt aufgerufen am 18. 08. 2013]. 364 Zweifelnd an der Eignung des bloß faktischen Einflusses zur Erreichung konkreter Gewährleistungsmaßnahmen auch Kramer, in: Bayreuther (Hrsg.), Sozialeinrichtungen, S. 121. Trotz dieser Bedenken setzt er insgesamt auf informelle Veranlassungen des Staates gegenüber der ,staatsnahen‘ DB; vgl. Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 69; Kramer, in; 360
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durch den Staat und ihrer demokratischen Legitimation gesprochen werden, selbst wenn man unterstellt, dass der Staat seine informellen Möglichkeiten nutzt, um die DB AG staatlich zu lenken. Denn nach der hier vertretenen Ansicht bedarf es dazu einer Unterwerfung des Unternehmens unter das Demokratieprinzip. Willkürlich auftretende informelle Steuerung kann dem aber nicht gerecht werden. Eine Ausnahme hiervon wäre allenfalls dann denkbar, wenn der informelle Einfluss ein derartiges Ausmaß annähme, dass er sich faktisch als eine reine Umgehungspraxis verrechtlichter Weisungsverbote darstellte. 3. Die Erweiterung der staatlichen Einflussnahmemöglichkeiten durch das Konzernrecht Gewisse Modifikationen für den Einfluss des Staates ergeben sich aber durch das Konzernrecht. Wenn sich der Staat konzernrechtlicher Mittel bedienen darf, kann er den Steuerungsverlust, der insbesondere aus der Unabhängigkeit des Vorstandes rührt, ausgleichen.365 Das Konzernrecht privilegiert ein herrschendes Unternehmen i.S.d. § 17 AktG gegenüber sonstigen Mehrheitsaktionären, indem es Ersteren die Möglichkeit einräumt, Einfluss wie etwa Weisungsrechte auch zum Nachteil der beherrschten Gesellschaft auszuüben. Dabei unterliegt das herrschende Unternehmen aber eventuell Ausgleichspflichten, da die Leitungsmacht und Verantwortlichkeit einflussreicher Aktionäre harmonisiert werden sollen.366 a) Die öffentliche Hand als herrschendes Unternehmen i.S.d. § 17 AktG Um als herrschendes Unternehmen i.S.d. § 17 AktG qualifiziert zu werden, muss der Alleinaktionär Bund ein Unternehmen i.S.d. § 15 AktG darstellen.367 Abzustellen Bayreuther (Hrsg.), Sozialeinrichtungen, S. 118, 122. Obwohl die gesellschaftsrechtlichen Mittel bei der AG, die auch noch als Wirtschaftsunternehmen geführt wird, begrenzt (vgl. Kramer, in; Bayreuther (Hrsg.), Sozialeinrichtungen, S. 121, Fn. 55, Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 69) und wirtschaftsverwaltungsrechtliche Vorgänge angesichts des § 8 AEG (a.F.) unzulässig sind, räumt seiner Meinung nach das staatliche Mehrheitseigentum an den Infrastrukturunternehmen dem Staat eine verstärkte Einflussmöglichkeit ein (vgl. Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 70), was sich aber letztlich nur auf unverbindliche Veranlassungen beziehen kann; auch Heise, Deutsche Bahn AG, S. 325 ff., setzt auf die faktischen Veranlassungen des Staates i.S. des § 311 AktG und hält diese für mehr als geboten; a.A. aber wohl Fehling, in; Hochhuth (Hrsg.), Rückzug des Staates, S. 115. 365 Über die grundsätzliche Möglichkeit zum Abschluss eines Beherrschungsvertrags wurde im öffentlich-rechtlichen Schrifttum nachgedacht; vgl. etwa Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 137 ff.; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 236. 366 s. hierzu die Regierungsbegründung, Kropff, Aktiengesetz. Textausgabe, S. 374. 367 Wird ein Mehrheitsaktionär als Unternehmen i.S. des § 15 AktG eingestuft, wird seine beherrschende Stellung i.S. des § 17 AktG vermutet; vgl. Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 33. Auf die tatsächliche Einflussnahme kommt es nicht an: Die reine Möglichkeit genügt; vgl. Engellandt, Einflussnahme, S. 39.
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ist diesbezüglich auf eine besondere Gefährdungslage, den sog. Konzernkonflikt:368 Nur der einflussreiche (Mehrheits-)Aktionär, der auf Grund von potentiellen Interessenskonflikten bzw. einer nicht mit seiner Beteiligung identischen wirtschaftlichen Interessenlage Gefahr läuft, die Gesellschaft zu gesellschaftsfremden Zielen zu instrumentalisieren und ihr damit zu schaden, ist Adressat des Konzernrechts.369 Auf die Rechtsform der Person soll es dagegen nicht ankommen; ein Einzelkaufmann kommt ebenso in Betracht wie die öffentliche Hand.370 Letztere wurde auf Grund ihrer spezifisch öffentlich-rechtlichen Aufgabenstellung mehrfach vom BGH als Unternehmen i.S. des §§ 15, 17 AktG anerkannt.371 Denn wenn der Staat einseitig öffentliche Belange fördere, könne die Gesellschaft aus wirtschaftlicher Sicht zu Schaden kommen.372 Bezüglich der nach Sinn und Zweck des Konzernrechts geforderten anderweitigen Interessenbindung des Mehrheitsaktionärs ist bei der öffentlichen Hand gerade nicht zwischen wirtschaftlichen und öffentlichen Interessen zu differenzieren.373 Für das Maß der zulässigen Instrumentalisierung des beherrschten Unternehmens kommt es auf die Art der Beherrschung an. Zum einen gibt es den Vertragskonzern nach § 18 Abs. 1 S. 2 AktG, der sich durch den Abschluss eines Beherrschungsvertrages i.S.d. § 291 AktG auszeichnet, zum anderen den faktischen Konzern, der hierauf gerade verzichtet (vgl. § 311 AktG). b) Die Einflussmöglichkeiten des Staates im Vertragskonzern nach § 291 AktG Wird ein Beherrschungsvertrag i.S.d. § 291 Abs. 1 AktG zwischen dem abhängigen und dem herrschenden Unternehmen geschlossen, ist Letzteres berechtigt, dem beherrschten Unternehmen Weisungen zu erteilen, die vom Vorstand gemäß § 308 Abs. 1 S. 2 AktG ausgeführt werden müssen. Dies gilt auch für nachteilige Weisungen, solange nicht die Existenz des beherrschten Unternehmens gefährdet ist.374
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Bayer, MüKo AktG, § 15 AktG, Rn. 7. Vgl. Schall, Spindler/Stilz, § 15 AktG, Rn. 13; vgl. zum teleologischen Unternehmensbegriff auch Vetter, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), § 15 AktG, Rn. 32, 38; BGHZ 69, S. 334, 337; im Regelfall verbinden den Aktionär und die Aktiengesellschaft dieselben Interessen, so dass ein Konflikt gerade nicht vorliegt; vgl. Heise, Deutsche Bahn AG, S. 142. 370 Bayer, MüKo AktG, § 15 AktG, Rn. 7, 38 ff. 371 BGHZ 69, S. 334, 337; BGHZ 135, S. 107. 372 Mittlerweile gilt die Unternehmenseigenschaft des Staates als sichere Rechtsprechung; vgl. OLG Köln, B. v. 22. 12. 1977 – 2 W 32/76 = AG 1978, S. 171; OLG Hamburg, B. v. 17. 08. 1979 – 11 W 2/79 = AG 1980, S. 163; OLG Hamburg, U. v. 24. 07. 1987 – 11 U 182/86 =AG 1988, S. 22. 373 Vgl. zum weiten Verständnis der anderweitigen Interessensbindung im Falle der öffentlichen Hand Vetter, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), § 15 AktG, Rn. 70. 374 Vgl. Koch, in: Hüffer/Koch (Hrsg.), § 308 AktG Rn. 15, 18. 369
D. Staatliche Einflussnahme im Rahmen des geltenden Gesellschaftsrechts
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Im Vertragskonzern tritt an die Stelle der Autonomie des Vorstandes also die Weisungsmacht des beherrschenden Unternehmens gemäß § 308 Abs. 2 S. 1 AktG375 und damit die Priorität der Interessen des Konzerns.376 Insofern könnte durch ihre vertragliche Konzernierung die DB AG in sachlichinhaltlicher Hinsicht demokratisch legitimiert werden: Das durch die Unabhängigkeit des Vorstandes bedingte Steuerungsdefizit kann grundsätzlich überwunden377 und die dem Demokratieprinzip als „Fremdkörper“ geltende Autonomie des Vorstandes beseitigt werden.378 Die Rechtsprechung hat die Möglichkeit eines Beherrschungsvertrages durch die öffentliche Hand bisher offen gelassen;379 die Literatur hält diese Konstruktion überwiegend für zulässig.380 Doch wurde zwischen der DB AG und dem Staat kein Konzernierungsvertrag geschlossen.381 Nach unionsrechtlichen Vorgaben müssen Infrastrukturunternehmen zwar nicht komplett staatsfrei geführt werden; doch schreibt § 5 ERegG (ehemaliger § 8 Abs. 1 AEG) die Unabhängigkeit der öffentlichen Eisenbahnen in Leitung und Geschäftsführung von staatlichen Gebietskörperschaften vor, so dass Weisungsrechte i.S. eines Vertragskonzerns ohnehin unzulässig wären.382 c) Die Einflussmöglichkeiten des Staates im faktischen Konzern nach §§ 311 ff. AktG Zwischen dem Bund und der DB AG liegt aber ein faktischer Konzern gemäß §§ 311 Abs. 1, 17 Abs. 1 AktG vor.383 Die § 311 ff. AktG sind grundsätzlich auch auf Gebietskörperschaften anwendbar.384 Aus dem Normtext des § 311 Abs. 1 AktG folgt, dass im faktischen Konzern eine Einflussnahme auch jenseits der aktien375
Vgl. Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 276. Vgl. Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 335. 377 So auch Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 335. 378 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 336. 379 BGHZ 69, S. 334 = NJW 1978, S. 104; BGHZ 135, S. 107 = NJW 1997, S. 1855; BGHZ 175, S. 365 = NJW 2008, S. 1583 mit Anm. Altmeppen NJW 2008, S. 1553 ff. 380 Vgl. statt aller Altmeppen, MüKo AktG, § 291 AktG, Rn. 22; mögliche Konflikte mit haushaltsrechtlichen Vorschriften, insbesondere der Verpflichtung des Bundes gemäß § 65 Abs. 1 Nr. 2 BHO, eventuelle Einzahlungspflichten auf einen bestimmten Betrag zu begrenzen, können entweder gelöst werden, indem man die pauschale Verlustübernahme aus § 302 AktG nicht als unbegrenzte Zahlungspflicht begreift (vgl. Hohrmann, Konzernunternehmer, S. 86 f.) oder indem man die haushaltsrechtliche und damit verwaltungsinterne Vorschrift hinten anstehen lässt, zumindest soweit dies durch wichtige Interessen gerechtfertigt ist (dafür Kropff, ZHR 144 [1980], S. 74, 97). 381 Vgl. dazu Teichmann, Festgabe Knemeyer, S. 663. 382 So auch Heise, Deutsche Bahn AG, S. 323. 383 So ausdrücklich Heise, Deutsche Bahn AG, S. 313. 384 Vetter, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), § 311 AktG, Rn. 39. 376
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2. Teil, § 6 Anwendung des Kriteriums der demokratischen Legitimation
rechtlichen Kompetenzordnung vom Gesetzgeber vorausgesetzt und akzeptiert wird.385 Letztlich darf das herrschende Unternehmen seinen Einfluss geltend machen, um eine abhängige Gesellschaft zu nachteiligen Geschäften bzw. zur Unterlassung vorteilhafter Geschäfte zu veranlassen, wenn es den verursachten Nachteil ausgleicht. Kommt das herrschende Unternehmen seiner Ausgleichspflicht nicht bis zum Ablauf des entsprechenden Geschäftsjahres nach, macht es sich nach § 317 Abs. 1 AktG schadensersatzpflichtig. Im faktischen Konzern ist der Vorstand des beherrschten Unternehmens – anders als bei einer Weisung im Vertragskonzern – jedoch nicht verpflichtet, der Veranlassung zu folgen und die nachteilige Maßnahme durchzuführen.386 Damit ermöglicht der faktische Konzern zwar nachteilige Veranlassungen, die Gemeinwohlzwecken folgen können, ohne dass diese in der Satzung festgeschrieben sind.387 Doch fehlt es an deren rechtlicher Verbindlichkeit.388 Vor allem aber bleibt die Autonomie des Vorstandes bestehen.389 Damit trägt der faktische Konzern nur sehr begrenzt zur demokratischen Legitimation der DB AG bei. Eine Ausnahme wäre – analog zur nur informellen Einflussnahme des Staates auf ein Unternehmen – nur dann gegeben, wenn der Bund auch ohne den Abschluss eines Konzernierungsvertrages einen derartigen beherrschenden Einfluss auf die DB AG ausüben würde, dass seine Leitungsmacht „straff, intensiv und umfassend“390 wäre und ein extremer Autonomieverlust des beherrschten Unternehmens vorläge, was gerade dem Demokratieprinzip entspricht.391 Unabhängig davon, dass die Figur des sog. qualifizierten faktischen Konzerns392 teilweise für überholt gehalten wird,393 widerspräche eine solche tatsächliche Einflussnahme wohl dem § 5 ERegG (ehemaliger § 8 Abs. 1 AEG). Jedenfalls ist eine straffe Leitungsmacht der öffentlichen Hand i.S. eines qualifizierten faktischen Konzerns in Bezug auf die DB AG zudem nicht erkennbar.
385 Altmeppen, MüKo AktG, § 311 AktG, Rn. 31; Vetter, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), § 311 AktG, Rn. 6. 386 Heise, Deutsche Bahn AG, S. 146. 387 Vgl. oben unter § 6 D. I. 2. a) bb); eine Ausgleichspflicht entfiele dabei nur, wenn die Satzung der DB Gemeinwohlziele beinhalten würde. Andernfalls würde eine einseitige Ausrichtung als Schädigung der Gesellschaft gewertet werden können; vgl. Mann, Die öffentlichrechtliche Gesellschaft, S. 224; Möstl, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 87e GG, Rn. 92. 388 Vgl. Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 343. 389 Vgl. hierzu Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 143; Kraft, Verwaltungsgesellschaftsrecht, S. 170. 390 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 349. 391 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 349 f. 392 Vgl. zu den Voraussetzungen des qualifizierten faktischen Konzerns Bayer, MüKo AktG, § 18, Rn. 11. 393 Vgl. Altmeppen, MüKo AktG, § 317 AktG, Rn. 13, mit w.N.; a.A. Bayer, MüKo AktG, § 18, Rn. 11.
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4. Zwischenergebnis Zwar stehen dem Staat von Verfassungs wegen externe Einflussmöglichkeiten zu. Doch sind diese angesichts verfassungsrechtlich verankerter subjektiver Rechtspositionen der DB AG und vor allem durch Unionsrecht sowie die entsprechenden Umsetzungsnormen stark begrenzt. Die vorhandenen Möglichkeiten externer Steuerung nutzt der Bund unzureichend. Einer starken internen staatlichen Kontrolle des Aufsichtsrats und des von ihm gewählten Vorstandes stehen in persönlicher Hinsicht sowohl unionsrechtliche Vorschriften und deren Umsetzung in deutsches Recht als auch die Regelungen der Mitarbeiterbeteiligung im Wege. Auch die sachlich-inhaltlichen Möglichkeiten, die sich aus der Eigentümerstellung ergeben, sind rechtlich stark begrenzt. Zum einen erlaubt die Konstruktion der AG mit der gesetzlich normierten Autonomie des Vorstandes nur einen sehr beschränkten Einfluss auf die Geschäftsführung. Zum anderen stehen verfassungsrechtliche und unionsrechtliche Vorschriften sowie deren Umsetzung in einfaches Recht einer starken Einwirkungsmöglichkeit durch den Staat, wie sie etwa durch einen Konzernierungsvertrag in Betracht käme, entgegen. Zudem hat der Bund etwaigen Gemeinwohlzielen in der Satzung der DB AG keinen Ausdruck verliehen und insofern keine Fremdbestimmung ausgeübt. Es bleibt somit nur die Möglichkeit faktischer Einflussnahme im Wege von Veranlassungen i.S.d. § 311 AktG. Doch bleibt zu bezweifeln, ob die faktische Einflussnahme ein Maß erreicht, das der demokratischen Legitimation nahe kommt. Selbst wenn dem so wäre, stellte sich diese Art der Einwirkung quasi als eine Umgehung der aufgezeigten Vorschriften dar und wäre jedenfalls unions- und bundesrechtlich unzulässig. Damit wird kein hinreichender Einfluss auf die DB AG ausgeübt. Ihr Wille wird nicht demokratisch legitimiert. Folglich kann nicht von der Staatlichkeit der DB AG ausgegangen werden.
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II. Die gesellschaftsrechtliche staatliche Einflussnahme auf die RZˇ D 1. Die personellen Einflussmöglichkeiten des Staates als Eigentümer a) Die personelle Einflussnahme des Staates über die Hauptversammlung Der Staat ist einziger Aktionär der RZˇ D.394 Zwar obliegt die Ausübung der Eigentumsrechte der RF und damit der Aktionärsrechte grundsätzlich der föderalen Agentur für die Verwaltung staatlichen Vermögens („Rosimusˇcˇ estvo“), die dem Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung angeschlossen ist.395 Die Eigentumsrechte an Aktien bestimmter Unternehmen, die in einem speziellen Verzeichnis gelistet sind,396 übt aber die Regierung der RF aus.397 Nach Art. 5 BVUVVEBVGRF und Art. 37 der Satzung der RZˇ D werden die Aktionärsrechte bezüglich der RZˇ D direkt von der Regierung wahrgenommen. Die personelle Legitimation ist damit noch höher als bei einer Wahrnehmung durch eine „entferntere“ Behörde wie „Rosimusˇcˇ estvo“. Bei Beteiligung des Staates an einer Aktiengesellschaft wird die Position des Aktionärs in der Hauptversammlung grundsätzlich durch einen Vertreter ausgeübt, der auf der Grundlage von schriftlichen Direktiven und einer Vollmacht handelt.398 Gehören dem Staat 100 % der Aktien, werden die Vorschriften des Aktiengesetzes über die Vorbereitung und Durchführung der Hauptversammlung nicht angewendet.399 Vielmehr ersetzen hier schriftliche Verfügungen des Aktionärs die Entscheidungen der Hauptversammlung.400 Grundsätzlich erlässt die föderale Agentur Art. 37 Satzung der RZˇ D. Vgl. P. 1 Regierungsverordnung Nr. 738; vgl. auch die Regierungsverordnung Nr. 432 mit den Bestimmungen über die Agentur in Art. 1 Abs. 2 Art. 2, Art. 5.3; die Willensäußerungen des Aktionärs RF, unter anderem Anträge in der Tagesordnung, Aufstellung von Kandidaten für die Unternehmensführung und die Revisions- und Rechnungskommission etc., verwirklicht grundsätzlich die föderale Agentur für die Verwaltung staatlichen Vermögens („Rosimusˇcˇ estvo“); vgl. Sˇ itkina, Korporativnoe pravo, S. 769. Dabei hat „Rosimusˇcˇ estvo“ seine Positionen mit den entsprechenden sachlich kompetenten Behörden entweder abzustimmen oder diese zumindest zur Kenntnis zu nehmen; vgl. Molotnikov, Imusˇcˇ estvennye otnosˇenija s Rossijskoj Federacii 2012, Nr. 7. Allerdings erfolgt die Verwaltung des staatlichen Eigentums nicht immer zentralisiert. So gelten die Regeln nach der Regierungsverfügung Nr. 831 nicht für Aktien, die der staatlichen Korporation „Rostech“ übertragen wurden. Zudem können die Befugnisse im Ausnahmefall auch einem anderen Organ der ausführenden Gewalt übertragen sein; vgl. P. 1 Regierungsverordnung Nr. 432. Das Verfahren der Ausübung der Aktionärsrechte wird dabei insbesondere durch die Regierungsverordnung Nr. 738 geregelt. 396 P. 3 Regierungsverordnung Nr. 738 i. d. F. der Regierungsverordnung Nr. 831. 397 P. 3, 4 Regierungsverordnung Nr. 738. 398 P. 2 Abs. 2 der Regierungsverordnung Nr. 738; Sˇ itkina, Korporativnoe pravo, S. 771. 399 Art. 39 Abs. 2 PSMVGRF, Art. 47 Abs. 3 AKTGRF, P. 3 Regierungsverordnung Nr. 738. 400 Art. 67 Satzung RZˇ D. 394 395
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für die Verwaltung staatlichen Vermögens (Rosimusˇcˇ estvo) die Verfügungen.401 Im Falle der RZˇ D werden diese hingegen direkt von der Regierung erlassen. Nach Literaturansicht bündelt der staatliche Alleinaktionär durch die schriftlichen Anweisungen „alle Verwaltungs- und Leitungsfunktionen und verkörper[e] die Organe der Gesellschaft.“402 Dabei wird vernachlässigt, dass den übrigen Organen der Gesellschaft ebenfalls eine große Bedeutung zukommt. Unabhängig davon ist der Einfluss der RF auf die RZˇ D über die Ersetzung der Hauptversammlung aber jedenfalls nicht unwesentlich und damit die demokratische Legitimation in personeller Hinsicht. b) Die personelle Einflussnahme des Staates über den Direktorenrat Bei Aktiengesellschaften, die durch die Privatisierung staatlichen Eigentums entstanden sind, ist ein Direktorenrat unabhängig von der Anzahl der Gesellschafter vorgeschrieben.403 Die Direktoren werden grundsätzlich durch die Hauptversammlung gewählt bzw. bei der RZˇ D durch die Regierung bestimmt.404 Die Vorschläge hierfür erarbeitet das Ministerium für Vermögensbeziehungen in Abstimmung mit dem Ministerium für Kommunikationswege und dem Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Handel.405 Die Amtszeit der Direktoren beträgt ein Jahr, wobei die Möglichkeit ihrer Wiederwahl nicht beschränkt ist.406 Ihre Amtszeit kann jederzeit vorzeitig beendet werden.407 Sie sind insbesondere vorzeitig abrufbar, wenn ihre Handlungen den Interessen der Gesellschaft schaden.408 Dabei kann der Direktorenrat nur als gesamtes Organ aufgelöst werden.409 Mit Verfügung vom 27. 10. 2011, Nr. 1888, beispielsweise hat die Regierung der RF den Direktorenrat der RZˇ D vorzeitig abberufen und neue Direktoren bestellt. Um die Rolle der Direktoren zu stärken, wird daher vorgeschlagen, die Auflösung des Direktorenrats an das Vorliegen wichtiger, gesetzlich konkret normierter Gründe zu binden.410 401
P. 3 Regierungsverordnung Nr. 738. So Borisova, Transportnoe pravo 2012, Nr. 3. 403 Art. 37 Abs. 6 PSMVGRF; nach den allgemeinen Regeln des Aktienrechts ist bei einer Gesellschaft mit weniger als 50 stimmberechtigten Aktionären die Bildung des Direktorenrates fakultativ; vgl. Art. 64 Abs. 1 AKTGRF. 404 Im Falle der Unanwendbarkeit der Regeln über die Hauptversammlung bei 100 % Aktienbesitz in öffentlicher Hand werden die Direktoren grundsätzlich von der föderalen Agentur für die Verwaltung staatlichen Vermögens („Rosimusˇcˇ estvo“) bestimmt. Im Falle einer Wahl, d. h. wenn nicht alle Aktien an der Gesellschaft der RF gehören, werden die Kandidaten von „Rosimusˇcˇ estvo“ auf Vorschlag der Ministerien oder föderalen Organe aufgestellt; vgl. P. 8 Regierungsverfügung Nr. 738. 405 P. 5 der Regierungsverordnung Nr. 585 zur Satzung RZˇ D. 406 Art. 66 Abs. 1 Unterabs. 2 AKTGRF. 407 Art. 66 Abs. 1 Unterabs. 3 AKTGRF. 408 Art. 11 Regierungsverfügung Nr. 265. 409 Telyukina, Kommentarij, S. 417. 410 So Telke, Konzernrecht, S. 51. 402
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Besonderheiten bestehen bei der Ausübung der sog. „goldenen Aktie“, die dem Staat das nicht handelbare Sonderrecht einräumt, einen an schriftliche Verfügungen gebundenen staatlichen Vertreter in den Direktorenrat zu entsenden.411 Nach Art. 38 Abs. 2 S. 2 PSMVGRF muss dieser Vertreter im Staatsdienst beschäftigt sein. Die RF kann das Recht der goldenen Aktie gegenüber allen Unternehmen ausüben, die durch Privatisierung ehemaliger unitarischer Betriebe entstanden sind, also auch gegenüber der RZˇ D. Doch wird das Recht erst wirksam, wenn dem Staat weniger als 25 % der Aktien am Unternehmen gehören.412 Da die RF Alleinaktionär der RZˇ D ist, spielt Art. 38 PSMVGRF bei ihr keine Rolle. Unabhängig vom Recht der goldenen Aktie kann die RF nach Art. 39 PSMVGRF staatliche Vertreter in den Direktorenrat der durch Privatisierung entstandener Aktiengesellschaften entsenden. Anders als nach Art. 38 können gemäß Art. 39 PSMVGRF sowohl Beamte als auch andere Personen die Interessen des Staates im Direktorenrat vertreten. Letztere handeln auf vertraglicher Basis.413 Bis zu den Jahren 2008/2009 waren dennoch fast alle staatlichen Vertreter im Direktorenrat Staatsbedienstete, wobei die meisten in föderalen Ministerien oder Behörden beschäftigt waren.414 Die Bestellung erfolgte dabei „in intransparentem und informellem Verfahren.“415 Faktisch wurden in den Aufsichtsrat enge Vertraute der politischen Führung oder Regierungsmitglieder gesetzt, die teilweise mehrere Posten in unterschiedlichen Direktorenräten innehatten.416 Die Interaktion zwischen Wirtschaft und Politik sowie die hohe Bedeutung der persönlichen Beziehungen, die traditionell ein starkes Gewicht haben, wurden so gefördert.417 Daher wurden mit dem Kodex über Corporate Governance die sog. unabhängigen Direktoren eingeführt und in Punkt 16 der Regierungsverordnung Nr. 738418 integriert. Das Verfahren ihrer Wahl und die Kriterien ihrer Unabhängigkeit etc. wurden durch die Regierungsverordnung vom 31. 12. 2010 Nr. 1214 konkretisiert.419 Diese Direktoren dürfen unter anderem gerade keine Beamte oder Staatsbedienstete sein. Auch sie werden im Falle der RZˇ D von der Regierung durch Verfügung ernannt.420 Im Jahr 2011 waren 411 Zudem kann ein Vertreter in die Revisionskommission geschickt werden; vgl. Art. 38 PSMVGRF. 412 Siehe hierzu auch Kessler, Hand des Staates, S. 181 f. 413 Vgl. P. 16 Regierungsverordnung Nr. 738. 414 ˇ Zilinskij, Predprinimatel’skoe pravo, S. 443, 444. 415 Kessler, Hand des Staates, S. 115, der diesen Befund auch heute noch so sieht. 416 Kessler, Hand des Staates, S. 116, der diesen Befund auch heute noch so sieht. 417 Kessler, Hand des Staates, S. 114, 116, der diesen Befund auch heute noch so sieht. 418 Vgl. hierzu VerfGRF, B. v. 04. 04. 2003, Nr. 421. 419 Vgl. Molotnikov, Imusˇcˇ estvennye otnosˇenija s Rossijskoj Federacii 2012, Nr. 7; zur Diskussion um die Sinnhaftigkeit des Direktorenrates bei zu 100 % staatlich gehaltenen Aktiengesellschaften vgl. ebenfalls Molotnikov, Imusˇcˇ estvennye otnosˇenija s Rossijskoj Federacii 2012, Nr. 7. 420 Zum herkömmlichen Verfahren vgl. P 8 Regierungsverordnung Nr. 738. Das Ministerium der Vermögenbeziehungen bringt Vorschläge für die Besetzung des Direktorenrates vor,
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sechs von elf Direktoren der RZˇ D als unabhängige Vertreter bestellt. Im Jahr 2017 sind nur drei der insgesamt 13 Direktoren als unabhängige ausgewiesen.421 Während die Literaturstimmen, die vom Zivilrecht her argumentieren, die Einführung der Kategorie der unabhängigen Direktoren befürworteten, wenden sich Verwaltungsrechtler gegen die Einbeziehung von Nicht-Beamten. Schließlich könnten Letztere nur auf Grund zivilrechtlicher Verträge verpflichtet werden und nicht durch Öffentliches Recht. Auch seien sie nicht den disziplinarischen Maßnahmen wie Beamte unterworfen.422 Tatsächlich sind die Direktorenräte, die in der AG grundsätzlich als professionelle Experten konzipiert sind, in gewisser Weise von dem Eigentümer getrennt.423 In persönlicher Hinsicht bleibt die Legitimationskette dennoch erhalten. Denn auch die unabhängigen Direktoren werden von der RF bestellt und sind vertraglich gebunden. Letztlich ist zu beachten, dass die Entflechtung von Beamten und Aufsichtsräten politisch vor allem für die Sphären angestrebt wird, die in Konkurrenzmärkten tätig sind. Die echten Monopole, zu denen zumindest die Infrastrukturunternehmen der RZˇ D gehören, fallen nicht darunter. In der RZˇ D verblieben demgemäß zumindest auch behördliche Vertreter.424 c) Die personelle Einflussnahme des Staates über die Geschäftsführung Grundsätzlich wird das geschäftsführende Organ entweder von der Hauptversammlung oder – wenn die Satzung es vorsieht – vom Direktorenrat bestimmt.425 Hierbei sind die Direktiven der Aktionäre an die Direktoren bezüglich der zu wählenden Kandidaten von größter Bedeutung. Anders als bei unitarischen Betrieben sind ein Wettbewerb oder eine Ausschreibung gesetzlich nicht vorgesehen.426 Die Satzung der RZˇ D sieht eine besondere Regelung vor. Geschäftsführende Organe der Gesellschaft sind nach P. 58 der Satzung der Generaldirektor und die Leitung der Gesellschaft (pravlenie), welcher der Generaldirektor vorsitzt.427 Letzterer wird von der Regierung direkt auf fünf Jahre bestellt und kann beliebig oft die mit dem Ministerium für Kommunikationswege und dem Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Handel abgestimmt werden; vgl. P. 5 Regierungsverordnung Nr. 585 zur Satzung RZˇ D. 421 Vgl. http://www.rzd.ru/ent/public/ru?STRUCTURE_ID=5185&layer_id=5554&referer LayerId= 5553&id=5408#6060 [zuletzt aufgerufen am 07. 01. 2017]. 422 Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 269. 423 Darauf weist Mozolin, in: Gadizˇ iev (Hrsg.), Ocˇ erki konstitucionnoj e˙ konomiki: goskorporacii, S. 63, hin. 424 Makarova, Izvestija vuzov. Pravovedenie 2011, Nr. 1. Vgl. auch die Aussagen des Ministeriums für wirtschaftliche Entwicklung: http://corp-gov.ru/smi/smi.php3?smi_id=2944 [zuletzt aufgerufen am 10. 04. 2011]. 425 Vgl. Art. 65 Abs. 1 Nr. 9, 69 Abs. 3, 4 AKTGRF. 426 Vgl. der Wortbeitrag von Dobrovol’skij, Predprinimatel’skoe pravo 2009, Nr. 3. 427 P. 80 Satzung RZˇ D.
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wiederbestellt werden.428 Die Leitung der Gesellschaft wird von dem Direktorenrat bestimmt.429 Die demokratische Legitimation ist in personeller Hinsicht also gesichert. 2. Die inhaltlich-sachlichen Einflussmöglichkeiten des Staates als Eigentümer a) Die inhaltlich-sachliche Einflussnahme des Staates über die Satzung Nach Art. 11 AKTGRF bildet die Satzung das Gründungsdokument einer AG. Für den Fall der Privatisierung eines ehemals unitarischen Betriebs sieht Art. 37 Abs. 3 PSMVGRF in Ergänzung zu Art. 11 AKTGRF vor, dass in der Satzung der Unternehmensgegenstand und die Unternehmensziele aufgeführt sein müssen. Dies impliziert, dass neben der in Art. 50 ZGBRF vorgesehenen Gewinnerzielung auch weitere Unternehmensziele festgesetzt werden können. Damit hat der Staat die Möglichkeit, direkten Einfluss auf den Unternehmenszweck zu nehmen. Wichtig sind hierbei vor allem die Ziele, anhand derer das Unternehmen gesteuert wird und damit die Aktien am Unternehmen verwaltet werden.430 Laut Art. 1, 2 ihrer Satzung wurde die RZˇ D von der RF als eine kommerzielle Organisation gegründet.431 Das impliziert nach Art. 50 ZGBRF, dass ihr Hauptziel in der Gewinnerzielung liegt. Allerdings bestehen nach Art. 9 der Satzung die Hauptziele der Tätigkeit der RZˇ D in der Gewährleistung der Bedürfnisse des Staates und juristischer wie natürlicher Personen bezüglich des Eisenbahntransports und bezüglich der Arbeiten und Dienstleistungen durch die Gesellschaft sowie in der Gewinnerzielung. Das öffentliche Ziel der Bedürfniserfüllung steht also – wenn vielleicht auch nicht gleichrangig – neben der kommerziellen Ausrichtung. Zwar geht das ZGBRF der Satzung der RZˇ D vor, die Art. 50 ZGBRF nicht einfach abbedingen kann. Doch ist nicht klar, ob die Ergänzung der Hauptziele überhaupt einen Widerspruch darstellt. Zudem ist die Modifikation, die wohl auch auf Art. 37 PSMVGRF gestützt werden kann, durch die im Zivilgesetzbuch vorgesehenen Besonderheiten bei der Privatisierung staatlichen Eigentums gedeckt.432
428 Vgl. auch Art. 5 Abs. 2 FZ Nr. 29, GSRF 2003/9/805. Auf diese Besonderheit bei der RZˇ D weist Celoval’nikov, Zakony Rossii: Opyt, analiz, praktika 2007, Nr. 7, hin. 429 P. 89 Satzung RZˇ D. 430 Nach Ansicht einiger Autoren soll der Staat auch bei indirektem Aktienbesitz die Ziele der Unternehmen vorgeben; so Molotnikov, Predprinimatel’skoe pravo 2009, Nr. 3. 431 Die Satzung wurde durch die Regierungsverordnung Nr. 585 bestätigt und ist dieser beigefügt. 432 Vgl. Art. 96 Abs. 3 ZGBRF.
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In Art. 10 der Satzung werden die Aufgaben der RZˇ D aufgezählt. Diese weisen meist einen sozialen Charakter auf und dienen der Erfüllung staatlicher Interessen.433 Die Hauptaufgaben liegen unter anderem im Erhalt des Schienennetzes (Nr. 2) und dem diskriminierungsfreien Netzzugang (Nr. 5).434 Auch das Staatsgeheimnis muss gewahrt (Nr. 12) und der soziale Schutz der Arbeiter der Gesellschaft gesteigert werden (Nr. 14). Diese Aufgabenbeschreibung bewirkt eine zusätzliche Zweckbindung. Letztlich wird das Unternehmen durch die Verpflichtung aller Organe auf die gemeinwohlorientierten Ziele und Aufgaben staatlich fremdbestimmt, was zur demokratischen Legitimation in sachlicher Hinsicht erheblich beiträgt.435 b) Die inhaltlich-sachliche Einflussnahme des Staates über die Hauptversammlung Grundsätzlich sind die staatlichen Vertreter in der Hauptversammlung von Aktiengesellschaften mit staatlicher Beteiligung an schriftliche Direktiven der föderalen Agentur für die Verwaltung staatlichen Vermögens („Rosimusˇcˇ estvo“) gebunden, die vorgeben, wie in der Hauptversammlung abzustimmen ist.436 Da der Staat 100 % der Aktien an der RZˇ D hält, kann er in Person der Regierung der RF437 nicht nur indirekten Einfluss auf die Hauptversammlung nehmen. Vielmehr gibt er alle Entscheidungen, die in die Kompetenz der Hauptversammlung fallen, unmittelbar mittels des verwaltungsrechtlichen Instruments der Verfügung vor.438 In Wahrnehmung der Kompetenzen der Hauptversammlung kann die Regierung der RZˇ D also ihren Willen aufzwingen,439 weshalb die Verwaltung der RZˇ D oft in die Nähe der Verwaltung staatlicher (unitarischer) Betriebe gerückt wird.440 433
Batjaev/Vnukova (Hrsg.), Kommentarij. Dieses Ziel will Möstl für Deutschland dem in Art. 87e GG verwirklichten Schienenwegevorbehalt entnehmen; vgl. Möstl, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 87e GG, Rn. 124. 435 Der Unternehmensgegenstand wird erst in Art. 11 der Satzung umschrieben. 436 Vgl. P. 2 II Regierungsverordnung Nr. 738. 437 Gewöhnlich fällt das der föderalen Agentur für die Verwaltung staatlichen Vermögens („Rosimusˇcˇ estvo“) zu; vgl. P. 2 Regierungsverordnung Nr. 738. Für besondere Unternehmen, zu denen auch die RZˇ D zählt, übernimmt diese Tätigkeit die Regierung allerdings selbst; vgl. P. 3 Regierungsverordnung Nr. 738. 438 Vgl. Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 271. 439 Bei Ausübung des Rechts der goldenen Aktie steht der RF zudem das Recht zu, einen staatlichen weisungsgebundenen Vertreter an den Sitzungen der Hauptversammlung teilnehmen zu lassen. Dem staatlichen Vertreter steht dann bei Fragen der Satzungsänderung, Reorganisation und Liquidation der Gesellschaft, Veränderungen des Grundkapitals sowie beim Abschluss bedeutsamer Geschäfte und bei Geschäften mit Interessenskonflikten ein Vetorecht zu; vgl. Art. 38 PSMVGRF. Doch spielt das Recht der goldenen Aktie im Falle der RZˇ D angesichts der staatlichen Alleineigentümerstellung keine Rolle. Dazu schon oben unter § 6 C. II. 2. a). Auch auf die relativ neue Möglichkeit von Aktionärsvereinbarungen, d. h. von 434
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Als höchstes Organ der AG441 fällt in die Kompetenz der Hauptversammlung die Änderung des Staatkapitals, die Wahl bzw. Abberufung des Direktorenrats sowie der Revisionskommission, die Bestätigung der Jahresabrechnung und die Entscheidung über die Liquidierung und Reorganisation der AG. Die weiteren Kompetenzen sind in Art. 48 AKTGRF aufgelistet, wobei die Aufzählung in Hinblick auf nicht-öffentliche Aktiengesellschaften nach Art. 48 Abs. 4 AKTGRF nicht mehr abschließend ist; in der Satzung einer nicht-öffentlichen Aktiengesellschaft können der Hauptversammlung weitere Kompetenzen eingeräumt werden. Damit fallen wie in Deutschland Geschäftsführungsbefugnisse zwar grundsätzlich nicht in die Kompetenz der Hauptversammlung. Doch kann die Hauptversammlung und damit der Staat Geschäftsführungsbefugnisse an sich ziehen und somit inhaltlich Einfluss auf die Geschäfte der Aktiengesellschaft nehmen. c) Die inhaltlich-sachliche Einflussnahme des Staates über den Direktorenrat In den letzten Jahren hat sich die russische Rechtswissenschaft verstärkt mit den Fragen der Unternehmensverwaltung befasst. Besondere Aufmerksamkeit erfuhren dabei der Direktorenrat und das Zustandekommen seiner Entscheidungen.442 Der Direktorenrat trifft wesentliche Entscheidungen der Gesellschaft. Ihm obliegt nicht nur die Kontrolle der Geschäftsführung als vielmehr die Vorgabe der wegweisenden Entscheidungen nach Art. 65 Abs. 1 Nr. 1 AKTGRF.443 Anders als der deutsche Aufsichtsrat ist er damit nicht nur Kontroll-, sondern Leitungsorgan. Unter anderem entscheidet der Direktorenrat zudem über die Zustimmung zu bedeutenden Geschäften und Geschäften mit Parteilichkeit und Interessenkonflikten eines Mitglieds des Direktorenrats, eines Verwaltungsorgans oder einer die Gesellschaft kontrollierenden Person bzw. einer Person, die der Gesellschaft verbindliche Weisungen geben kann.444 Stimmbindungsverträgen i.S.d. Art. 32 Abs. 1 AKTGRF, wird mangels ihrer Relevanz für die RZˇ D vorliegend nicht weiter eingegangen. 440 Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 271; vgl. auch Andreev, Pravo gosudarstvennoj sobstvennosti, S. 151: „Wenn alle Aktien in staatlichem Eigentum sind und der Staat im Namen der RF die Befugnisse des Aktionärs ausübt, dann kann man die AG RZˇ D nicht als gewöhnliche Aktiengesellschaft betrachten, deren Vermögen ihr gehört.“ 441 Art. 47 Abs. 1 AKTGRF, P. 61 Satzung RZˇ D. 442 Kopytov, Akcionernoe obsˇcˇ estvo: Voprosy korporativnogo upravlenija 2010, Nr. 4, S. 24. 443 Nach Art. 91 Abs. 2 AKTGRF verfügen die Direktoren daher über ein Einsichtnahmerecht in alle Dokumente der AG. 444 Vgl. Art. 65 Abs. 1 Nr. 15, 79 Abs. 1, 81 Abs. 1, 83 Abs. 1 AKTGRF, Art. 6 Abs. 14 Regierungsverfügung Nr. 265; vgl. auch Kopytov, Akcionernoe obsˇcˇ estvo: Voprosy korporativnogo upravlenija 2010, Nr. 4, S. 27. Fraglich ist, ob der Staat als Aktionär in Interessenskonflikte geraten kann, d. h. parteiisch und befangen („zainteressovan“) sein kann im Sinne des Art. 81 ff. AKTGRF. Für die Möglichkeit der Befangenheit und Parteilichkeit wird angeführt,
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Der Staat nimmt dabei in vielfältiger Weise inhaltlichen Einfluss auf den Direktorenrat. Zum einen wird dessen Arbeit durch Bestimmungen geprägt, die von der Hauptversammlung, d. h. der Regierung, bestätigt werden (P. 79 Satzung RZˇ D). Zum anderen werden in Art. 3 der Regierungsverfügung Nr. 265 die wichtigsten Aufgaben und Ziele des Direktorenrats aufgezählt, wodurch ebenfalls eine inhaltliche Beeinflussung stattfindet. Eine dynamische Entwicklung der Gesellschaft, die Nachhaltigkeit der Arbeit der Gesellschaft und die Einhaltung der Grundprinzipien zur Reformierung des Eisenbahntransports sowie die Erhöhung der Gewinnerzielung der Gesellschaft stehen im Mittelpunkt. Dabei handelt es sich aber allenfalls mittelbar um Gemeinwohlbelange. Rein faktisch stehen hinter den Entscheidungen der staatlichen Vertreter im Aufsichtsrat auf Grund der personellen Verflechtungen meist politische Motivationen, die im Interessenkonflikt mit den Belangen der Unternehmen regelmäßig dominieren.445 Von größter Bedeutung ist allerdings die Möglichkeit von Weisungsrechten des Alleinaktionärs Staat an den Direktorenrat oder dessen Mitglieder. Zwar besteht kein gesetzliches Weisungsverbot.446 Doch hat die Hauptversammlung grundsätzlich selbst nicht die Befugnis, durch Weisungen auf den Direktorenrat einzuwirken, und damit auch nicht die Regierung der RF in Wahrnehmung der Hauptversammlungskompetenzen.447 aa) Die Weisungsrechte im Rahmen der „goldenen Aktie“ Durch die Regierungsverordnung Nr. 738 wird dem Staat – nach hier vertretener Auffassung auf Grundlage des Art. 38 PSMVGRF – das Recht der goldenen Aktie eingeräumt, das unter anderem das Recht beinhaltet, staatliche Vertreter in Aktiengesellschaften mit staatlicher Beteiligung zu entsenden und diesen Weisungen zu erteilen. Der staatliche Vertreter ist nach Art. 38 Abs. 2 Unterabs. 2 PSMVGRF ein Staatsbeamter. Er stimmt über die einzelnen Tagesordnungspunkte auf der Grundlage schriftlicher Direktiven von der föderalen Agentur für die Verwaltung staatlichen Vermögens („Rosimusˇcˇ estvo“) bzw. der Regierung oder anderer staatlichen
dass gemäß Art. 124 ZGBRF auf die RF die Normen über juristische Personen angewendet werden. Der Staat, dessen Eigentum nach Art. 8 VerfRF gleichermaßen wie privates Eigentum geschützt sei, müsse auch in dieser Frage gleich behandelt werden. Schließlich sehe das Aktiengesetz keine Ausnahme für den Staat vor; vgl. die Darstellung bei Plotnikov, E˙ Zˇ -Jurist 2007, Nr. 34, S. 12 f. Dagegen wird eingewendet, Parteilichkeit und Befangenheit i.S.d. Art. 81 ff. AKTGRF widersprächen dem Wesen des Staates. Auch wenn er privatrechtlich handele, bleibe sein Interesse stets ein öffentliches, das den Eintritt des Staates in die Aktiengesellschaft, d. h. die Einlage staatlichen Vermögens in das Stammkapital, erst rechtfertige; vgl. Plotnikov, E˙ Zˇ Jurist 2007, Nr. 34 S. 12 f.; Sˇ itkina, Korporativnoe pravo, S. 766. 445 Kessler, Hand des Staates, S. 116; OECD 2009, S. 135 f. 446 Telke, Konzernrecht, S. 46. 447 So Korytov, Akcionernoe obsˇcˇ estvo: Voprosy korporativnogo upravlenija 2010, Nr. 4, S. 24.
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Stellen ab.448 Beim Fehlen schriftlicher Weisungen für die staatlichen Vertreter kann der Beschluss des Direktorenrats für ungültig erklärt werden.449 Direktiven werden insbesondere für die Wahl des Vorsitzenden des Direktorenrats oder die Bestätigung der Tagesordnung gegeben. Im Regelfall sind im Ergebnis beinahe alle wesentlichen Fragen reglementiert, so dass von einer (wenigstens teilweisen) Weisungsgebundenheit auszugehen ist.450 bb) Die Direktiven an staatliche Vertreter außerhalb der „goldenen Aktie“ Fraglich ist, ob dem Direktorenrat abgesehen von den Rechten auf Grund der goldenen Aktie Weisungen erteilt werden können. Auch wenn kein gesetzliches Weisungsverbot besteht, wird dennoch vertreten, Weisungen seien grundsätzlich unzulässig, es sei denn, sie würden im Rahmen einer Holdingstruktur auf Grund eines vertraglich oder satzungsmäßig schriftlich fixierten451 Weisungsrechts getroffen.452 Dieser Grundsatz ergebe sich sowohl aus der teleologischen Konzeption des Aktienrechts als auch aus der Gesetzessystematik.453 Nach verschiedenen Literaturstimmen umgehen Weisungen die gesetzlich vorgeschriebene Kompetenzordnung und höhlen das Aktienrecht aus. Das gelte auch für Weisungen, die auf der Grundlage der Rechte der goldenen Aktie erteilt würden. Nach Art. 71 Abs. 1 AKTGRF seien die Direktoren den Interessen der Gesellschaft verpflichtet und müssten ihre Rechte und Pflichten der Gesellschaft gegenüber redlich und vernünftig ausüben. Entsprechend könnten die Entscheidungen des Direktorenrats vom Aktionär nur gerichtlich überprüft werden, was zu einer gewissen Trennung und Unterbrechung der Kette führe.454 Der gesetzlichen Konzeption des Aktienrechts zufolge handele es sich also um unabhängige Organe.455 Daher 448
Vgl. P. 17 Regierungsverordnung Nr. 738. So wurde ein Beschluss des Direktorenrates der OAGRF „Avtokolonna 1595“ für ungültig erklärt, weil schriftliche Direktiven für den staatlichen Vertreter im Direktorenrat fehlten und die RF somit ihres Rechts auf Teilhabe an der Verwaltung des Gesellschaft verlustig wurde; vgl. ArbGRF des Permsker Gebietes, U. v. 02. 03. 2006, Nr. A50-31187/2005-G-26; ferner Sipko, Akcionernoe obsˇcˇ estvo: voprosy korporativnogo upravlenija 2009, Nr. 12, S. 15. 450 Vgl. Korytov, Akcionernoe obsˇcˇ estvo: Voprosy korporativnogo upravlenija 2010, Nr. 4, S. 25, der davon spricht, dass die Mehrheit bzw. der Großteil der Entscheidungen des Direktors auf Direktiven zurückzuführen sei. 451 Ob eine schriftliche Fixierung nötig ist, ist wohl umstritten; vgl. Molotnikov, Otvetstvennost’ v akcionernych obsˇcˇ estvach, S. 146, mit einer Übersicht zur Rechtsprechung, die überwiegend eine schriftliche Fixierung ablehnt. 452 Vgl. Telke, Konzernrecht, S. 47 ff.; Korytov, Akcionernoe obsˇcˇ estvo: Voprosy korporativnogo upravlenija 2010, Nr. 4, S. 27; Lysenko, Akcionernyj vestnik 2010, Nr. 3, S. 20. 453 Vgl. Korytov, Akcionernoe obsˇcˇ estvo: Voprosy korporativnogo upravlenija 2010, Nr. 4, S. 27. 454 Mozolin, in: Gadzˇ iev (Hrsg.), Ocˇ erki konstitucionnoj e˙ konomiki: goskorporacii, S. 62. 455 Kopytov, Akcionernoe obsˇcˇ estvo: Voprosy korporativnogo upravlenija 2010, Nr. 4, S. 24. 449
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verstoße die Verordnung Nr. 738 gegen höherrangiges Recht, indem sie der austarierten Kompetenzzuweisung des Aktienrechts widerspreche456 und damit die gesetzlichen Zuständigkeiten der einzelnen Organe missachte.457 Als untergesetzliche Norm müsse die Regierungsverordnung daher zurücktreten. Allerdings kann Art. 39 Abs. 1 Unterabs. 5 Privatisierungsgesetz (PSMVGRF) nach hier vertretener Auffassung dahingehend interpretiert werden, dass er zum Verordnungserlass ermächtigt. Art. 38 f. PSMVGRF wiederum können als speziellere, prioritäre Sonderregeln für privatisierte Unternehmen gesehen werden. Art. 96 Abs. 3 Unterabs. 2 und Art. 98 Abs. 5 ZGBRF sowie auch Art. 1 Abs. 5 AKTGRF verweisen darauf, dass für Aktiengesellschaften, die durch Privatisierung entstanden sind, Besonderheiten durch das Privatisierungsgesetz vorgesehen werden können.458 Auch wenn Art. 38 und 39 PSMVGRF bzw. die darauf beruhende Verordnung Nr. 738 in einem Spannungsverhältnis zu Art. 71 Abs. 1 AKTGRF stehen, der eine gewisse Unabhängigkeit der Direktoren nahelegt, kann die Aussage, die Erteilung von Direktiven an Direktoren großer Unternehmen wie der RZˇ D, die durch Privatisierung entstanden ist, seien ungesetzlich und daher nichtig,459 zumindest angezweifelt werden. Als weiteres Argument gegen Weisungsrechte des Staates als Alleinaktionär wird das Konzernrecht ins Feld geführt. Die Möglichkeit einer Muttergesellschaft, an die Tochtergesellschaft Weisungen nach Art. 6 Abs. 3 Unterabs. 2 AKTGRF zu erteilen, wenn dies in der Satzung der Tochtergesellschaft oder im Vertrag mit der Muttergesellschaft vorgesehen ist, soll im Umkehrschluss zur Folge haben, dass in anderen Fällen gerade kein Weisungsrecht gegeben sei.460 Dabei wird jedoch außer Acht gelassen, dass Art. 6 Abs. 3 Unterabs. 2 AKTGRF nur den Fall von Weisungen einer herrschenden Aktiengesellschaft an abhängige Gesellschaften betrifft. Eine Aussage über Weisungen von Mehrheitsaktionären gegenüber einzelnen Organen der eigenen Gesellschaft folgt hieraus in keiner Weise,461 so dass ein Umkehrschluss diesbezüglich nicht zulässig erscheint. Vielmehr könnte die Vorschrift darauf hinweisen, dass dem russischen Gesetzgeber das Institut des Weisungsrechts grundsätzlich nicht fremd ist. Zudem wird teilweise aus dem Recht des Staates bezüglich der goldenen Aktie ein Umkehrschluss gezogen: Nur in der Sonderkonstellation der goldenen Aktie dürfe Sˇ cˇ itkina, Chozjajstvo i pravo 2006, Nr. 7, S. 47. Lysenko, Akcionernyj vestnik 2010, Nr. 3, S. 20. 458 Dabei gilt zu beachten, dass die meisten Aktiengesellschaften mit staatlichem Anteil durch Privatisierung entstanden sind; vgl. Celoval’nikov, Zakony Rossii: Opyt, analiz, praktika 2008, Nr. 4. 459 So aber explizit Kopytov, Akcionernoe obsˇcˇ estvo: Voprosy korporativnogo upravlenija 2010, Nr. 4, S. 26. 460 Telke, S. 46 f. 461 Zu weiteren Unklarheiten in diesem Zusammenhang vgl. Kopytov, Akcionernoe obsˇcˇ estvo: Voprosy korporativnogo upravlenija 2010, Nr. 4, S. 28. 456
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der Staat als Aktionär den Organen der Gesellschaft Weisungen erteilen. Bestünde auch ansonsten ein Weisungsrecht, hätte es der besonderen Regelung im Rahmen der goldenen Aktie nicht bedurft.462 Da der Staat gegenüber Unternehmen wie der RZˇ D das Recht der goldenen Aktie nicht ausüben könne, dürfe er auch keine Direktiven erteilen.463 Dagegen wird von manchen Autoren allerdings wiederum die Vorschrift des Art. 124 ZGBRF angeführt, welche die Gleichheit des Staates und der Bürger fordert.464 Folglich müsste auch ein privater Mehrheits- oder Alleinaktionär berechtigt sein, ebenso wie der Staat Weisungen zu erteilen. Dies kann vor dem Hintergrund der Sonderregeln zur Privatisierungsgesetzgebung systematisch aber nicht überzeugen. Weder der Sinn und Zweck noch die Systematik des PSMVGRF haben es jeher erlaubt, das Weisungsrecht des Staates auf den Fall der goldenen Aktie zu beschränken.465 Vor allem sieht bereits der Wortlaut des Art. 39 PSMVGRF unabhängig von der in Art. 38 PSMVGRF geregelten goldenen Aktie für Gesellschaften mit staatlicher Beteiligung staatliche Vertreter in den Gesellschaftsorganen vor. Auch die Regelungen zu Direktiven in P. 16, 17 der Regierungsverordnung Nr. 738 beziehen sich nach ihrem Wortlaut nicht nur auf das Recht der goldenen Aktie. Die gesamte Systematik der Regierungsverordnung 738 spricht für eine Anwendbarkeit auch bei Aktiengesellschaften im alleinigen Besitz der öffentlichen Hand, für welche die goldene Aktie gerade nicht gilt:466 In der Verordnung wird bezüglich der Formierung des Willens des Aktionärs in P. 2 und 3. zwischen Aktiengesellschaften, deren Anteile zu 100 % in staatlicher Hand liegen, und Aktiengesellschaften, an denen der Staat nur eine Mehrheit hält, unterschieden. In P. 16 und 17, die sich – parallel zur Formierung der Positionen des Aktionärs in P. 2 und 3 – mit der Bildung der Positionen des Direktorenrats befassen, wird hingegen nicht nach dem staatlichen Aktienanteil differenziert. Vielmehr beziehen sich die Vorschriften über die Erteilung der Direktiven an staatliche Vertreter auf alle Aktiengesellschaften, an denen die RF beteiligt ist. Zudem finden sich P. 16 und 17 in dem Abschnitt, der sich auf die 462 ˇ Sitkina, Chozjajstvo i pravo 2010, Nr. 8, S. 41 f.; Telke verkennt, dass der Staat nicht nur beim Gebrauch der goldenen Aktie Weisungen erteilen darf, sondern allen seinen Direktoren nach der Regierungsverordnung Nr. 738. Die goldene Aktie vermittelt nur zusätzliche nicht dem Aktienanteil entsprechende Vertretungsrechte sowie ein Vetorecht. 463 So aber explizit Korytov, Akcionernoe obsˇcˇ estvo: Voprosy korporativnogo upravlenija 2010, Nr. 4, S. 26. 464 Semenov, Akcionernoe obsˇcˇ estvo: Voprosy korporativnogo upravlenija 2009, Nr. 3, S. 12. 465 Denn in missverständlicher Weise wird in der russischen Literatur immer wieder geäußert, Weisungsrechte würden nur in Zusammenhang mit der goldenen Aktie greifen, die aber bei zu 100 % staatlich gehaltenen Aktiengesellschaften gerade keine Anwendung findet; vgl. Korytov, Akcionernoe obsˇcˇ estvo: Voprosy korporativnogo upravlenija 2010, Nr. 4, S. 25. 466 Allerdings ist die RZˇ D als offene Aktiengesellschaft registriert, was die Möglichkeit eröffnet, ihre Anteile in Zukunft zu veräußern. Daher kann die goldene Aktie in Zukunft auch für die RZˇ D relevant werden. Darauf weisen auch Batjaev/Vnukova (Hrsg.), Kommentarij, Art. 6, hin.
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Vertreter staatlicher Interessen allgemein bezieht. Für den Direktorenrat im Falle der Ausübung des Rechts der goldenen Aktie gibt es mit den Punkten P. 21 und 22 hingegen einen gesonderten Abschnitt, der sich aber gerade nicht mit den Weisungen der Direktoren befasst. Für diese Wortlaut und Systematik getreue Auslegung sprechen auch der Sinn und Zweck der Norm: In zu 100 % staatlichen Aktiengesellschaften entfällt das Gremium der Hauptversammlung. Daher bedarf es bezüglich dieses Organs im Gegensatz zu gemischtwirtschaftlichen Aktiengesellschaften in diesem Zusammenhang einiger Sonderregelungen. Die Willensbildung und Beeinflussung der staatlichen Vertreter im Direktorenrat differieren aber nicht in Abhängigkeit vom Aktienpaket des Staates. Vielmehr kann ein „erst-recht Schluss“ gezogen werden: Privatisiert der Staat über 75 % seiner Aktien an einem Unternehmen, schreibt er diesem keine strategische Bedeutung zu. Dennoch werden dem Staat das Recht der goldenen Aktie und ein Weisungsrecht hinsichtlich der Direktoren eingeräumt. Erst recht muss dies für die Direktoren in 100 % staatlichen Aktiengesellschaften gelten, die als strategisch eingestuft werden. Schließlich hat die RF hier von einer Anteilsprivatisierung abgesehen, weil sie ihren Einfluss gerade sichern will. Bezüglich dieser strategischen Unternehmen muss also ein Weisungsrecht der Regierung gegenüber den staatlichen Vertretern im Direktorenrat bestehen. Unklar ist, ob sich dieses Weisungsrecht nur auf privatisierte Unternehmen bezieht oder für alle Unternehmen mit staatlicher Beteiligung Anwendung findet. Die russische Literatur geht überwiegend davon aus, dass den staatlichen Vertretern im Direktorenrat aller Unternehmen mit staatlicher Beteiligung Weisungen erteilt werden könnten, da die Regierungsverordnung Nr. 738 ihrem Wortlaut nach nicht zwischen privatisierten Unternehmen und sonstiger staatlicher Beteiligung differenziere.467 Wenn man aber – wie hier vertreten – davon ausgeht, dass die Verordnung auf dem Privatisierungsgesetz als gesetzlicher Grundlage beruht, kann die untergesetzliche Norm nicht weiter gehen als das Gesetz und ist gesetzeskonform dahingehend auszulegen, dass Weisungsrechte, d. h. Direktiven, durch den Staat nur an Direktoren in Unternehmen erteilt werden dürfen, die durch Privatisierung und gerade nicht durch den Ankauf von Aktienpaketen durch den Staat entstanden sind.468 Nur für privatisierte Unternehmen ist aufgrund des gesetzlichen Vorbehalts in Art. 96 Abs. 3 Unterabs. 2, 98 Abs. 5 ZGBRF und Art. 1 Abs. 5 AKTGRF eine Abweichung von der Grundkonzeption des AKTGRF zu rechtfertigen. cc) Die Vorteile der Direktiven aus öffentlich-rechtlicher Sicht Direktiven stellen ein wichtiges Instrument der demokratischen Legitimation dar. Wie Vinnickij völlig richtig bemerkt, ist es für das Aktienrecht unerheblich, wie der 467
Die Frage wird aufgeworfen von Molotnikov, Predprinimatel’skoe pravo 2009, Nr. 3; vgl. auch Molotnikov, Imusˇcˇ estvennye otnosˇenija s Rossijskoj Federacii 2012, Nr. 7; bei ihm findet sich auch ein Überblick zum Streitstand. 468 Zu dieser Unterscheidung siehe oben unter § 2 B. II. 2. b) dd).
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Aktionär seinen Willen bildet. Daher findet sich im Aktiengesetz keine Regelung zur Unabhängigkeit oder Weisungsgebundenheit der Direktoren. Die russische Gesetzgebung sieht aber Regelungen außerhalb des Aktienrechts vor, die genau diesen Prozess reglementieren und auf den demokratischen Willen zurückführen.469 Insofern wird die Formulierung des Willens des staatlichen Aktionärs zunehmend als öffentlich-rechtlicher, d. h. administrativ-prozessualer Vorgang verstanden.470 Dabei stellt Vinnickij auf die Willensbildung und Willensäußerung ab und betont, dass die staatlichen Vertreter den Willen des Staates zum Ausdruck brächten, der durch hoheitliche Direktiven vorgegeben werde.471 Schließlich sei es die Aufgabe der verwaltungs-rechtlichen Regelung, die Tätigkeit der staatlichen Vertreter zu lenken. Dabei stelle die schriftliche Direktive das wichtigste Instrument dar.472 Eine Verringerung der Kontrolle der staatlichen Vermögensverwaltung bezüglich der Aktienpakete könne schließlich das Erreichen staatlicher strategischer und sozialer Ziele erschweren.473 dd) Die Probleme der Weisungsgebundenheit Problematisch erscheint, dass die staatlichen Vertreter einerseits dem staatlichen Interesse und den gegebenen Direktiven verpflichtet sind, andererseits der Gesellschaft zur Gewinnmaximierung verhelfen und den Zielen der Gesellschaft dienen müssen.474 Interessenskonflikte sind damit beinahe unausweichlich, da die Interessen des Unternehmens den staatlichen Interessen zuwiderlaufen können.475 Umstritten ist daher die Verantwortlichkeit der weisungsgebundenen Direktoren. Dem Wortlaut nach haften sie mangels einer Ausnahmeregelung nach Art. 71 Abs. 6 AKTGRF für Schäden, die der Gesellschaft durch ihr Handeln entstanden sind. In der Literatur wird aber oftmals vorgeschlagen, die Verantwortlichkeit der staatlichen Vertreter des Direktorenrats auf die Fälle zu beschränken, in denen sie die Grenzen der Direktiven überschritten hätten.476 Denn es sei nicht sachgerecht, denjenigen zur Verantwortung zu ziehen, der die relevante Entscheidung nicht getroffen habe. Die Rechtsprechungspraxis hält den staatlichen Vertreter ebenfalls nicht für verantwortlich, wenn er entsprechend den Direktiven abgestimmt hat.477 Interessant ist vor diesem Hin469 470 471 472 473
w.N. 474
Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 269. Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 267 f. Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 269. Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 269. Gunija, Organizationno-pravovoe obespecˇ enie gosudarstvennych interesov, S. 146 mit
Art. 71 AKTGRF. Zelenskij, Predprinimatel’skoe pravo 2009, Nr. 3; Bandurina, Administrativnoe i municipal’noe pravo 2011, Nr. 10. 476 Vgl. Molotnikov, Imusˇcˇ estvennye otnosˇenija s Rossijskoj Federacii 2012, Nr. 7; Sˇ itkina, Korporativnoe pravo, S. 777. 477 OGRF, B. v. 10. 06. 2009, Nr. 32-G09-7. 475
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tergrund der Änderungsentwurf für den ZGBRF: In Art. 53.1 Abs. 3 wurde die Verantwortlichkeit von „Schatten-Direktoren“ vorgesehen, die – ohne selbst Mitglied des Verwaltungsorgans zu sein – die faktische Einflussmöglichkeit auf Entscheidungen des Direktorenrats durch unverbindliche Weisungen oder Empfehlungen besitzen.478 Neben den Haftungsfragen wird die fehlende Effektivität staatlicher Direktoren thematisiert.479 Wie in der Literatur gezeigt wurde, vollzogen die staatlichen Vertreter ihre Tätigkeit in der Vergangenheit meist ohne Beachtung der wirtschaftlichen oder finanziellen Lage der Gesellschaft und ihrer spezifischen Besonderheiten oder Entwicklungsperspektiven.480 Obwohl die Strategieplanung den Aufgabenbereich der Direktoren bildet, erschöpfte sich deren Tätigkeit oft in den Kontrollen.481 Daher wurde die Passivität der staatlichen Vertreter im Direktorenrat beklagt, die auf die Doppelfunktion als Staatsbediensteter,482 ihre Mehrfachtätigkeit in verschiedenen Direktorenräten483 sowie vor allem auf die Abhängigkeit von Direktiven zurückgeführt wurde.484 Auf Grund der zu beobachtenden Praxis485 forderte die Literatur, die Direktoren sollten nicht nur blind die Direktiven der föderalen Agentur für die Verwaltung staatlichen Vermögens („Rosimusˇcˇ estvo“) bzw. der Regierung befolgen, sondern kritisch der Entwicklung der Gesellschaft gegenüberstehen und vor allem Rückmeldung geben, wie effektiv die Strategien des Staates umgesetzt würden.486 Es wurde vorgeschlagen, diese Tätigkeiten unabhängigen Experten zu übertragen, also den Direktorenrat487 mit externen Spezialisten zu besetzen.488 Zudem sollten als Sˇ itkina, Jurist 2012, Nr. 17. Hierauf wurde bereits in der Regierungsverordnung Nr. 1024 hingewiesen. Die Erhöhung der Effektivität des staatlichen Einflusses auf die Unternehmen war Thema vieler Fachkonferenzen; vgl. Varbarin, Predprinimatel’skoe pravo 2009, Nr. 3. 480 Gavrilin, Upravlenie gosudarstvennymi aktivami, S. 117. 481 Varbarin, Predprinimatel’skoe pravo 2009, Nr. 3. 482 Vgl. Bandurina, Administrativnoe i municipal’noe pravo 2011, Nr. 10. Tatsächlich waren fast alle staatlichen Vertreter Staatsbedienstete. Nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 3 ZDGRF dürfen Staatsbedienstete nicht wirtschaftlich tätig sein und sich nicht an der Leitung einer kommerziellen oder nicht-kommerziellen Organisation beteiligen, es sei denn, ein föderales Gesetz erlaubt dies oder die Beteiligung an der Leitung einer Organisation erfolgt in Übereinstimmung mit dem Gesetz im Namen eines staatlichen Organs. 483 ˇ Zilinskij, Predprinimatel’skoe pravo, S. 443, 444. 484 Schließlich kann die Entscheidung des Direktorenrates in vielen Fällen für ungültig erklärt werden, wenn die staatlichen Vertreter ohne entsprechende Direktiven abgestimmt haben; vgl. z. B. ArbGRF des Uraler Gebietes, U. v. 24. 5. 2006, Nr. F09-4083/06-S5 zur Sache Nr. A50-31187/2005-G-26. 485 Mit Erfahrungen aus der Praxis des Rechnungshofes RF Vorob’ev, Predprinimatel’skoe pravo 2009, Nr. 3. 486 Vorob’ev, Predprinimatel’skoe pravo 2009, Nr. 3. Vor der Verwaltungsreform gab es auch interessante Vorschläge für ein Institut unabhängiger Direktoren, d. h., es sollte eine Gesellschaft gegründet werden, die alle Aktien verwaltet und immer das Interesse des Staates vertritt, da sie die staatliche Strategiepolitik kennt. 487 Bzw. Nabljudatel’nyj sovet – die Begriffe können synonym verwendet werden. 478 479
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Vertreter des Staates nicht Beamte, sondern Fachleute ernannt werden, die auf vertraglicher Basis im Namen des Staates handelten.489 ee) Die unabhängigen Direktoren Bereits im Jahr 2008 verkündete Präsident Medwedew, dass „die Praxis der Vertretung staatlicher Interessen durch unabhängige Direktoren anstelle von Staatbeamten ausgeweitet“490 werden müsse. Daneben forderte er Privatisierungen der großen staatlichen Aktienpakete und die „Entflechtung“ von Beamten der entsprechenden Regulierungsbehörden und Direktoren in den regulierten Unternehmen, die zu Marktbedingungen funktionieren.491 Nach Art. 39 PSMVGRF können – anders als nach Art. 38 PSMVGRF492 – nicht nur Beamte, sondern auch andere Personen die Interessen des Staates im Direktorenrat vertreten. Entsprechend wurde das Institut der unabhängigen Direktoren in die Regierungsverordnung Nr. 738493 integriert. Nach russischem Recht494 wird ein unabhängiger Direktor mangels gesetzlicher Definition meist als Person beschrieben, „die mit der Gesellschaft ausschließlich über ihre Mitgliedschaft im Direktorenrat verbunden ist.“495 Der CGKRF definiert die unabhängigen Direktoren als Personen, die nicht nur nicht geschäftsführende Direktoren sind, sondern auch von dem Führungspersonal der Gesellschaft, ihren wesentlichen Aktionären, den mit ihr verbundenen Personen, den von ihr kontrollierten Personen und wichtigen Vertragspartnern unabhängig sind und die auch ansonsten mit der Gesellschaft in keinen Beziehungen stehen, die Einfluss auf ihre Unabhängigkeit haben können.496 Der Sinn und Zweck des Instituts des unabhängigen Direktors besteht zum einen in der Akquise von Fachwissen erfahrener Experten, welche die Gesellschaft pro-
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Vorob’ev, Predprinimatel’skoe pravo 2009, Nr. 3. Vgl. Varbarin, Predprinimatel’skoe pravo 2009, Nr. 3. 490 Budget-Ansprache des Präsidenten der RF „über die Budget-Politik 2009 – 2011“. 491 Budget-Ansprache des Präsidenten der RF „über die Budget-Politik 2009 – 2011“, ebenso am 30. 03. 2011 in Magnitogorsk bei der Sitzung des Komitees für Modernisierung und technologischer Entwicklung, zitiert nach Bandurina, Administrativnoe i municipal’noe pravo 2011, Nr. 10. 492 Art. 38 PSMVGRF bezieht sich auf das Recht der goldenen Aktie. 493 VerfGRF, B. v. 04. 04. 2003, Nr. 421. 494 Der Begriff des „unabhängigen Direktors“ wird je nach Rechtsordnung unterschiedlich interpretiert und reicht von ,non-interested‘, ,independent‘, ,outside‘, ,non-executive‘ bis zu ,non employee‘; vgl. Grisˇcˇ enko, Predprinimatel’skoe pravo 2012, Nr. 3. 495 Vgl. http//www/cii/org/independent_director.asp [zuletzt aufgerufen am 20. 08. 2014]. 496 Vgl. den Erlass des Ministeriums für Vermögensbeziehungen vom 21. 11. 2013, Nr. 357; vgl. auch die Definition in Punkt 2.4.1 des Briefes des Bank Russlands Nr. 06-52/2463; dazu auch ausführlich Molotnikov, Imusˇcˇ estvennye otnosˇenija s Rossijskoj Federacii 2012, Nr. 7. 489
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fessionell beraten497 und als Business begreifen.498 Durch die Unabhängigkeit der Direktoren allein ist aber nicht zwingend eine Steigerung von Qualität und Professionalität gewährleistet.499 Zum anderen sollen die unabhängigen Direktoren objektiv und in ihrer Meinungsbildung unbeeinflusst von „ihrem“ Aktionär und sonstigen Umständen allein im Interesse des Unternehmens handeln.500 Es wird daher die absolute Unabhängigkeit des Direktorenrats gefordert.501 Eine derartige völlige Freiheit von staatlichem Einfluss schmälert allerdings die demokratische Legitimation des Direktorenrats in sachlicher Hinsicht erheblich. Zwar werden die unabhängigen Direktoren durch die staatliche Agentur als Vertreter des Staates ausgewählt, was nahe legt, dass sie im Interesse des Letzteren handeln sollen.502 Nach P. 16 der Regierungsverordnung Nr. 738 unterliegen sie aber keinen Direktiven und dienen – anders als die sonstigen staatlichen Vertreter im Direktorenrat – in erster Linie nicht den Interessen des Staates. Gemäß Art. 71 Abs. 1 AKTGRF handeln sie vielmehr im Interesse der Aktiengesellschaft. In der RZˇ D wurden bereits in einer frühen Phase im Juli 2008 die ersten unabhängigen Direktoren eingeführt.503 Im Jahr 2011 überstieg die Zahl der unabhängigen Direktoren die der weisungsgebundenen. Im Jahr 2017 sind nur drei der insgesamt 13 Direktoren als unabhängige ausgewiesen.504 Dabei ist zu beachten, dass die Tätigkeit der RZˇ D durch die Satzung und föderale Gesetze an Gemeinwohlziele gebunden ist. Auch unabhängige Direktoren sind damit diesen staatlichen Vorgaben verpflichtet. Dennoch können zumindest faktisch Interessenkonflikte entstehen, da die Zielsetzungen des Unternehmens und des Staates nicht zwangsweise identisch sind.505 So wird es im Interesse der Staates und damit wohl auch der staatlichen Vertreter liegen, nicht wettbewerbsfähige Zweige aus arbeitsplatzpolitischen oder sonstigen Gründen zu erhalten oder die Steuerlast großer Unternehmen zu erhöhen,506 was nicht den wirtschaftlichen Interessen der Unternehmen entspricht. Gerade im Zusammenhang mit einer indirekten staatlichen Beteiligung, die rechtlich nicht reguliert ist, wird auf 497
Vgl. Molotnikov, Imusˇcˇ estvennye otnosˇenija s Rossijskoj Federacii 2012, Nr. 7. Letztlich ist die Einführung unabhängiger Direktoren auch den Anforderungen internationaler Aktienmärkte geschuldet; vgl. Varbarin, Predprinimatel’skoe pravo 2009, Nr. 3. 498 Verbickij, Predprinimatel’skoe pravo 2009, Nr. 3. 499 Kritisch insofern Varbarin, Predprinimatel’skoe pravo 2009, Nr. 3. 500 Vgl. Osipenko, Rossijskie choldingi; Grisˇcˇ enko, Predprinimatel’skoe pravo 2012, Nr. 3. 501 Dmitriev, Pravovoe polozˇ enie nezavisimych direktorov, Avtoreferat, S. 3. 502 Vgl. Molotnikov, Imusˇcˇ estvennye otnosˇenija s Rossijskoj Federacii 2012, Nr. 7; ders., Predprinimatel’skoe pravo 2009, Nr. 3. 503 So Grisˇcˇ enko, Predprinimatel’skoe pravo 2012, Nr. 3. 504 Vgl. http://www.rzd.ru/ent/public/ru?STRUCTURE_ID=5185&layer_id=5554&referer LayerId= 5553&id=5408#6060 [zuletzt aufgerufen am 07. 01. 2017]. 505 Vgl. Molotnikov, Imusˇcˇ estvennye otnosˇenija s Rossijskoj Federacii 2012, Nr. 7. Er weist auch auf weitere Probleme, wie die Missbrauchsgefahr auf Grund ungenauer Auswahlmechanismen und Motivationsprobleme, hin. 506 Zelenskij, Predprinimatel’skoe pravo 2009, Nr. 3.
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2. Teil, § 6 Anwendung des Kriteriums der demokratischen Legitimation
informelle Absprachen zwischen Staatsbediensteten und Verwaltungsorganen der Gesellschaft hingewiesen, die auf Grund ihrer Unverbindlichkeit und korruptiven Anfälligkeit ungenügend seien.507 In der Literatur wird daher gefordert, das Verhältnis von Staatsbediensteten und unabhängigen Direktoren auf der Gesetzesebene zu regeln.508 Andere weisen darauf hin, dass nicht alle Direktoren unabhängig sein sollten.509 Zumindest aus demokratischer Sicht sollte man bei der Bestellung unabhängiger Direktoren Vorsicht walten lassen. ff) Die faktische Einflussnahme des Staates auf den Direktorenrat und die Entscheidungen der Gesellschaft In der Realität wird die Unabhängigkeit der Direktoren oft missachtet. Ihre Beeinflussung durch die Aktionäre wird in der Literatur als Tatsache angesehen.510 Faktisch stehe der Direktor unter dem Einfluss des Aktionärs und realisiere keine eigenständige Politik.511 Unter den Direktoren herrsche das Selbstverständnis vor, der Person verpflichtet zu sein, welche die eigene Kandidatur vorangetrieben habe.512 Die informelle und persönliche Einflussnahme spielt – historisch und kulturell bedingt – eine große Rolle.513 So können „Empfehlungen“ ausgesprochen werden, bei deren Missachtung der Direktorenrat als Ganzes vorzeitig aufgelöst werden kann.514 Zum Teil werden Direktiven daher für völlig überflüssig gehalten. Denn der Direktor „handelte und wird praktisch auch in Zukunft immer ausschließlich im Interesse der Person handeln, die ihn eingesetzt hat.“515 Trotz der Erkenntnis dieser Tatsache ist der Gesetzgeber bisher allerdings nicht tätig geworden.516 Dies könnte auch dahingehend interpretiert werden, dass – wie Vinnickij aus öffentlich-rechtlicher Sicht argumentiert517 – es für das Aktienrecht völlig unerheblich ist, wie eine Entscheidung bzw. die Willensbildung innerhalb eines Organs zustande kommen, solange die Kompetenzen zwischen den Organen nicht vermischt werden. 507
Molotnikov, Predprinimatel’skoe prava 2009, Nr. 3. Vgl. Molotnikov, Imusˇcˇ estvennye otnosˇenija s Rossijskoj Federacii 2012, Nr. 7. 509 Vgl. Varvarin, Predprinimatel’skoe pravo 2009, Nr. 3; Bandurina, Administrativnoe i municipal’noe pravo 2011, Nr. 10. 510 Vgl. Kopytov, Akcionernoe obsˇcˇ estvo: Voprosy korporativnogo upravlenija 2010, Nr. 4, S. 24. 511 ˇ Sitkina, I. S., Interview, Jurist 2012, Nr. 17, Consultant. 512 ˇ Sitkina, Chozjajstvo i pravo 2006, Nr. 7. Sie bezieht sich zwar auf die Direktoren der Tochtergesellschaft, die dem Aktionär der Muttergesellschaft verpflichtet sind. Erst recht gilt dies aber für die Direktoren der Muttergesellschaft. 513 In diese Richtung auch Kessler, Hand des Staates, S. 114 ff. 514 Vgl. Telke, Konzernrecht, S. 49 mit w.N. 515 Kopytov, Akcionernoe obsˇcˇ estvo: Voprosy korporativnogo upravlenija 2010, Nr. 4, S. 26. 516 Korytov, Akcionernoe obsˇcˇ estvo: Voprosy korporativnogo upravlenija 2010, Nr. 4, S. 26. 517 S. Vinnickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 268. 508
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Andere halten eine faktische Einflussnahme des Aktionärs per se für einen unzulässigen Rechtsmissbrauch i.S.d. Art. 10 ZGBRF, wenn kein derartiges gesetzliches, vertragliches oder satzungsmäßiges Recht gegeben ist.518 Die starken Eigeninteressen der Gesellschaft lassen nach dieser Ansicht keine herrschende Einflussnahme auf die Organe durch einen Mehrheitsaktionär zu. Die Verweise auf die entsprechende Rechtsprechung, die diese These untermauern sollen, vermögen allerdings nicht zu überzeugen: Zwar spricht das OArbGRF im Zusammenhang mit beherrschendem Einfluss von Rechtsmissbrauch; doch liegt in den behandelten Fällen zusätzlich ein durch unredliches Verhalten entstandener Schaden vor.519 Die Aussage des Verfassungsgerichts, nicht nur bei verbindlichen Weisungen der Muttergesellschaft i.S.d. Art. 6 Abs. 3 Unterabs. 2 AKTGRF, sondern auch bei sonstigen Einflussnahmen der Muttergesellschaft auf die Entscheidungen der Tochtergesellschaft (z. B. bei beherrschendem Kapitalanteil) könne der Tochtergesellschaft ein Schadensersatzanspruch gegen die Mutter zustehen,520 kann keinesfalls dahingehend verstanden werden, „herrschende Einflussnahme, welche nicht in Form einer Weisung erfolgt, [werde] als unzulässig angesehen.“521 Im Gegenteil: Indem das Verfassungsgericht in bestimmten Fällen die Schadensersatzpflicht für eine beherrschende Einflussnahme annimmt, die nicht durch Verträge oder Satzung festgeschrieben ist, akzeptiert es implizit die Möglichkeiten faktischer Einflussnahme und zwar nicht nur in Konzernstrukturen.522 Die These, außerhalb von Konzernierungsverträgen gebe es keine legale Art der Einflussnahme auf die Gesellschaft bzw. die Gesellschaftsorgane,523 ist – zumindest anhand der Rechtsprechung des VerfGRF – nicht belegbar. Auch die Entscheidungen anderer Gerichte sind nach der hier vertretenen Meinung anders zu deuten: Zwar ist zutreffend, dass verschiedene OAGRF beim Fehlen einer schriftlichen Fixierung von Weisungsrechten in der Satzung oder im Vertrag einen beherrschenden Einfluss verneint haben.524 Dies führte aber nur dazu, dass eine gemeinschaftliche Haftung der Tochter- und Muttergesellschaft verneint wurde. Über die Zulässigkeit der Einflussnahme, die tatsächlich stattfand, wurde dagegen nichts ausgesagt.
518
Telke, Konzernrecht, S. 48. Vgl. OArbGRF, U. v. 8. 8. 2008, Nr. 8207/08; Präsidium OArbGRF, Informationsbrief v. 25. 11. 2008, Nr. 127. 520 VerfGRF, B. v. 08. 04. 2010, Nr. 453, P 2.1. 521 So aber wörtlich Telke, Konzernrecht, S. 48, unter Verweis auf VerfGRF, B. v. 08. 04. 2010, Nr. 453. 522 Zu den Konzernstrukturen siehe gleich unter § 6 D. II. 3. 523 So aber Telke, Konzernrecht, S. 49. 524 Vgl. zur Gerichtspraxis eingehend Sˇ itkina, Jurist 2012, Nr. 17. 519
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d) Die inhaltlich-sachliche Einflussnahme des Staates über die Geschäftsführung Nach Art. 69 Abs. 1 AKTGRF und P. 81 der Satzung RZˇ D sind der Generaldirektor und das Kollektivorgan der Leitung der RZˇ D der Hauptversammlung und dem Direktorenrat gegenüber rechenschaftspflichtig. Damit ist auch die laufende Tätigkeit der Gesellschaft, die nach P. 83 der Satzung RZˇ D in den Kompetenzbereich des Generaldirektors fällt, inhaltlich durch den Staat beeinflussbar. Zumindest besteht ein großer Unterschied zur Geschäftsführung der DB AG. Denn eine Norm wie die des § 76 Abs. 1 AktG, die dem Vorstand der DB AG einen Autonomiefreiraum ausdrücklich einräumt, existiert gerade nicht. Generaldirektor und Leitung der RZˇ D können zwar eigenständig Geschäfte abschließen. Gewichtige Vorhaben unterliegen aber entweder der Zustimmung durch den Direktorenrat oder aber direkt der Zustimmung der Regierung nach P. 83 Nr. 9 der Satzung RZˇ D. Insbesondere sind bestimmte Verkäufe von Aktien der Gesellschaft ohne Zustimmung durch die Regierung nichtig.525 Zu erinnern ist auch an die Beschränkungen des Generaldirektors der RZˇ D, die sich aus Art. 8 BVUVVEBVGRF für Verfügungen und Gebrauchsüberlassungen ergeben.526 Die Tätigkeit der Leitung wird zudem durch die Polozˇ enie bestimmt, die durch die Hauptversammlung, d. h. die Regierung, bestätigt wird.527 3. Die Erweiterung der staatlichen Einflussnahmemöglichkeiten durch das Konzernrecht Fraglich ist, wie das Konzernrecht in Russland ausgestaltet ist und ob es dem Staat besondere Einflussmöglichkeiten auf die RZˇ D verschafft. Falls die RF als herrschendes Unternehmen i.S. des Konzernrechts angesehen werden kann, könnte sie insbesondere als Mutterkonzern berechtigt sein, der RZˇ D als abhängigem Unternehmen verbindliche Weisungen zu erteilen. a) Die Begrifflichkeiten Der Präsidentenerlass Nr. 1392 vom 16. 11. 1992 gibt als Ziel bei der Gründung einer Holding neben der Ordnung der Privatisierungsprozesse vor allem den Schutz nationaler Interessen an.528 Ursprünglich handelte es sich also um eine staatliche Struktur, die in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts bei der Umwandlung 525
Art. 39 Abs. 3 PSMVGRF; näher dazu Celoval’nikov, Opyt, analiz, praktika 2007, Nr. 7. Vgl. hierzu oben unter § 6 B. II. 2. 527 Vgl. P. 91 Satzung RZˇ D; Gunija, Organizationno-pravovoe obespecˇ enie gosudarstvennych interesov, S. 147, weist noch einmal der Sache nach auf das „Principle-AgentProblem“ hin. 528 Nach dem Erlass v. 30. 6. 2012, Nr. 932 ist eine Reihe von Aktiengesellschaften ausgenommen. Die RZˇ D ist in dieser Liste aber nicht enthalten, so dass der Erlass von 1992 bei ihr Wirkung entfaltet. 526
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unitarischer Betriebe in Aktiengesellschaften eine wichtige Rolle spielte. Mittlerweile ist die Holding-Struktur aber vom Privatisierungsprozess unabhängig.529 Der Konzernbegriff ist dem russischen Recht fremd. Prägend ist vielmehr der Begriff des „Tochterunternehmens“.530 Nach 6 AKTGRF ist unter einer Tochtergesellschaft eine Gesellschaft zu verstehen, deren Entscheidungen auf Grund von Mehrheitsbeteiligung, Vertrag oder sonstigem Einfluss von der Muttergesellschaft (osnovnoe obsˇcˇ estvo) bestimmt werden. Eine abhängige Gesellschaft zeichnet sich laut Art. 6 Abs. 4 AKTGRF dagegen dadurch aus, dass eine andere Gesellschaft mehr als 20 Prozent der Stimmaktien an ihr hält. Der „Konzernierungsvertrag“ ist gesetzlich nicht geregelt.531 Sämtliche Verträge, die auf Grund ihrer konkreten Ausgestaltung die Bestimmung von Entscheidungen des abhängigen Unternehmens erlauben, werden von der Rechtsprechung als entsprechende Verträge eingestuft.532 Weit verbreitet sind Gesellschaftervereinbarungen nach Art. 32.1 AKTGRF.533 Sie erlauben es, ein bestimmtes Abstimmungsverhalten zu steuern, insbesondere bei der Wahl der Gesellschaftsorgane.534 Inwieweit Vetorechte der Vereinbarung unterliegen, ist umstritten.535 Zumindest ein vollständiger Abstimmungsrechtsverzicht dürfte aber unzulässig sein.536 Wann eine Mehrheitsbeteiligung im Einzelnen vorliegt, ist durch die Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur noch nicht geklärt.537 Es ist im Einzelfall zu untersuchen, ob auf Grund aller Umstände der betreffende Gesellschaftsanteil eine beherrschende Einflussnahme zulässt.538 In der Praxis konstatieren die russischen Gerichte bei einem Anteil von 50 Prozent und einer Aktie bereits ein MutterTochterverhältnis. Ist der Aktienanteil eines Aktionärs niedriger, so wird eine Fülle von Umständen herangezogen, um gegebenenfalls ein Beherrschungsverhältnis, d. h., die Möglichkeit, Entscheidungen zu beeinflussen, festzustellen.539
529 Belych (Hrsg.), Pravovoe polozˇ enie sub’’ektov predprinimatel’skoj dejatel’nosti, S. 24; Vennickij, Gosudarstvennaja Sobstvennost’, S. 271. 530 Mereminskaja, Haftungsbeschränkung, S. 58. 531 Mozolin/Yudenkov, in: Abova/Kabalkin (Hrsg.), Kommentarij k GK, S. 323. 532 Vgl. ArbGRF Moskauer Gebiet, B. v. 25. 11. 1998, Nr. KG-A40/2857-98. 533 Telke, Konzernrecht, S. 54. 534 Vgl. hierzu Vavulin, Akcionernoe obsˇcˇ estvo: Voprosy korporativnogo upravlenija 2009, Nr. 10, S. 76. 535 Telke, Konzernrecht, S. 54. 536 ˇ Sitkina, Predprinimatel’skoe pravo 2005, Nr. 2, S. 13. 537 Telke, Konzernrecht, S. 45. 538 Teljukina, Kommentarij, S. 43. 539 ˇ Sitkina, Jurist 2012, Nr. 17.
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Eindeutig bestimmt ist auch nicht, wann eine Beherrschung auf sonstige Weise vorliegt. Hierunter fallen insbesondere die Einflussnahme durch eine personelle Verflechtung sowie die Einräumung von Sonderrechten und der faktische Einfluss.540 b) Die Weisungsrechte Der Begriff der „verbindlichen Weisung“, die Anforderungen und Voraussetzungen sowie Verfahren sind rechtlich nicht normiert.541 Art. 6 AKTGRF sieht implizit die Möglichkeit verbindlicher Weisungen der Muttergesellschaft vor, indem sie an die vertragliche oder satzungsmäßige Verankerung solcher Rechte der Muttergesellschaft Haftungsfolgen knüpfen. Das faktische Vorliegen von Weisungen lassen die Gerichte – anders als vor 2005542 – nicht mehr genügen, um die Konsequenzen aus 6 AKTGRF zu ziehen.543 Dabei wird jedoch das Wesen der Holding, das nach Sˇ itkina auf wirtschaftlicher Abhängigkeit und Unterworfenheit der Tochtergesellschaft unter den Willen der Muttergesellschaft beruht,544 verkannt. Schließlich zeichnet sich jede Muttergesellschaft per definitionem durch die Fähigkeit, die Entscheidungen der Tochter zu bestimmen, aus und sollte daher auch entsprechend in die verschuldensunabhängige Haftung genommen werden. In der neuen Fassung des Art. 6 Abs. 3 AKTGRF wird nun klargestellt, dass verbindliche Weisungen nur erteilt werden dürfen, wenn dies per Vertrag oder Satzung der Tochtergesellschaft festgelegt ist.545 Dies ist wohl der Überlegung geschuldet, dass die Haftung und Bestimmungsmacht im Gleichklang stehen sollen. Im Umkehrschluss werden bei Beherrschungsverhältnissen, die auf Grund einer Mehrheitsbeteiligung oder sonstiger Einflussnahme bestehen, juristisch verbindliche Weisungsrechte überwiegend verneint.546 Teilweise wird der Gesetzessystematik des Art. 6 AKTGRF gar entnommen, faktischer herrschender Einfluss des Mehrheitsaktionärs auf den Direktorenrat der Tochtergesellschaft sei per se unzulässig.547 Dies wird jedoch Art. 6 AKTGRF, 540
Vgl. Mereminskaja, Haftungsbeschränkung, S. 63 ff. Dabei kennt nicht nur das Aktienrecht sondern auch das Antimonopolrecht den Begriff der „verbindlichen Weisung“ (objazatel’nye ukazanija). Dort wird der Begriff in der Praxis sehr weit im Sinne jeder wirtschaftlichen Einflussnahme oder Marktmacht sowie die Einflussnahme der Muttergesellschaft auf die Tochter durch Beeinflussung der Personalentscheidungen verwendet. Dies hat zur Folge, dass der Weisungsgeber und der Weisungsempfänger zu einer Gruppe gezählt werden; vgl. Art. 9 KSGRF; Sˇ itkina, Jurist 2012, Nr. 17. 542 Vgl. ArbGRF Moskauer Gebiet, B. v. 25. 11. 1998, Nr. KG-A40/2857-98; s. auch Sˇ itkina, Chozjajstvo i pravo 2006, Nr. 7. 543 Vgl. etwa die Entscheidung des VAS des Moskauer Gebietes v. 3. 6. 2005 zur Sache NKG-A40/3973-05, nach Sˇ itkina, Chozjajstvo i pravo 2006, Nr. 7. 544 ˇ Sitkina, Chozjajstvo i pravo 2006, Nr. 7. 545 Zuvor schon Tichomirova, Kommentarij, Art. 6 AktGRF. 546 Bajanin, Rossijskij juridicˇ eskij Zˇ urnal, 2011, Nr. 4. 547 So aber Telke, Konzernrecht, S. 119. 541
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welcher die sonstige Beherrschung explizit vorsieht, nicht gerecht. Jedenfalls werden derartige Verbote in der Praxis nicht gelebt. Um negative Haftungsfolgen zu vermeiden, wird in der Praxis auf die Fixierung von faktischen Weisungsrechten meist verzichtet.548 c) Der Staat als Mutterkonzern Auf Grund ihrer alleinigen Aktionärsstellung könnte die RF – parallel zur DB AG in der BRD – als Muttergesellschaft der RZˇ D eingestuft werden. Allerdings müsste die RF als eine „Gesellschaft“ i.S.d. Art. 6 AKTGRF zu qualifizieren sein.549 Gegen eine Einordnung der RF als herrschendes Unternehmen spricht, dass überwiegend nur juristische Personen als Konzernteil anerkannt werden550, der Status des Staates in dieser Hinsicht aber höchst ungeklärt ist. Andererseits wird der Staat den juristischen Personen im Rahmen des Zivilrechts nach Art. 124 ZGBRF gleichgestellt. Zudem fordern Literaturstimmen, auch natürliche Personen als herrschende Gesellschaften anzuerkennen, um die Haftungsfolgen auf sie erstrecken zu können.551 Dieser Gedanke einer teleologischen Auslegung des Gesellschaft- bzw. Unternehmensbegriffs könnte auf den Staat übertragen werden, um auch insofern einen Haftungs- und Steuerungsgleichklang zu erreichen. Selbst wenn man die RF auf Grund ihrer alleinigen Aktionärsstellung als Muttergesellschaft einstuft, ergeben sich hieraus jedoch keine Sonderrechte. Die Verbindlichkeit der Weisungen und die daraus folgende Haftung der Mutter sollen nur bei vertraglicher bzw. bei satzungsmäßiger Festlegung gegeben sein. Von einem Konzernierungsvertrag zwischen RF und RZˇ D ist aber nicht auszugehen, da vertragliche Weisungsrechte zu nachteiligen Haftungsfolgen führen würden. Nach Art. 17 der Satzung der RZˇ D haftet die RF aber gerade nicht (solidarisch) für die RZˇ D. Es bleibt damit bei der faktischen Einflussnahme des Staates auf Direktoren über unverbindliche Weisungen.
III. Zusammenfassung und Vergleich Sowohl die Aufgaben der Hauptversammlung der DB AG als auch der RZˇ D werden jeweils von der Regierung bzw. dem zuständigen Ministerium wahrgenommen. Damit ist die Hauptversammlung in beiden Fällen personell demokratisch legitimiert. Unterschiede ergeben sich allerdings bezüglich des Aufsichtsrats der DB AG und des Direktorenrats der RZˇ D: Letzterer wird vom Staat eingesetzt. Trotz des 548 ˇ Sitkina, Jurist 2012, Nr. 17; Semenov, Akcionernoe obsˇcˇ estvo: Voprosy korporativnogo upravlenija 2008, Nr. 9, S. 9; Telke, Konzernrecht, S. 53. 549 Vgl. hierzu auch Telke, Konzernrecht, S. 47. 550 Vgl. Telke, Konzernrecht, S. 24 mit w.N. 551 ˇ Sitkina/Kuznecov/Gavrilov (Hrsg.), Choldingi, S. 50, 55; Telke, Konzernrecht, S. 24.
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Instituts des unabhängigen Direktors sind im Direktorenrat der RZˇ D noch immer viele Beamte vertreten, was zu einer hohen personellen demokratischen Legitimation führt. Der Aufsichtsrat der DB AG dagegen wird nur zur Hälfe vom Staat berufen. Dabei stellen Arbeitnehmervertreter die anderen 50 Prozent der Aufsichtsräte. Auf ihre Auswahl hat der Staat keinerlei Einfluss. Auch wenn dem von Anteilseignerseite eingesetzten Aufsichtsratsvorsitzenden im Ernstfall ein Zweitstimmrecht zukommt, ist die demokratische Legitimation des Aufsichtsrats der DB AG in personeller Hinsicht eher fraglich. Die Geschäftsführung der DB AG, das heißt ihr Vorstand, wird vom Aufsichtsrat gewählt. Dabei ist zu bedenken, dass der Aufsichtsrat zur Hälfte aus Mitarbeitervertretern besteht. Doch kommt dem Aufsichtsratsvorsitzenden, der der Anteilseignerseite angehört, beim Stichentscheid ein Zweitstimmrecht zu. Dies spricht zwar dafür, dass sich die Anteilseignervertreter durchsetzen können. Zu bedenken ist aber, dass die „staatlichen“ Vertreter nicht an Weisungen bezüglich der Wahl gebunden sind. Die demokratische Legitimation des Vorstands der DB AG ist daher in personeller Hinsicht jedenfalls eingeschränkt. In Russland wird der Generaldirektor der RZˇ D hingegen direkt von der Regierung eingesetzt und unterliegt damit der unmittelbaren Legitimation. Das Kollektivorgan der Leitung wird durch die Direktoren gewählt, die ihrerseits allesamt vom Staat bestimmt werden. Auch bezüglich der inhaltlich-sachlichen Fremdbestimmung durch den Staat bestehen gravierende Unterschiede zwischen der DB AG und der RZˇ D. Die Satzung der DB AG, die mit dem Gesellschaftsvertrag identisch ist, hat auf Grund der alleinigen Aktionärsstellung des Bundes die Rechtsnatur einer einseitigen nicht empfangsbedürftigen Willenserklärung des zuständigen Bundesministeriums. Sie sieht keine besonderen Zwecke vor und bindet die DB AG daher nicht an inhaltliche Vorgaben. Insofern vermittelt die Satzung der DB AG kaum demokratische Legitimation. In der Satzung der RZˇ D dagegen werden konkrete Allgemeinwohlaufgaben und Ziele festgelegt, an die alle Gesellschaftsorgane gebunden sind. Insofern ist eine inhaltlich-sachliche Einflussnahme des Staates gegeben. Sowohl über die Hauptversammlung der DB AG als auch der RZˇ D können bestimmte Grundentscheidungen staatlich beeinflusst werden. Allerdings kann die Hauptversammlung grundsätzlich keinen Einfluss auf konkrete Geschäftsentscheidungen der Unternehmen nehmen. Dies entspricht dem Wesen der Aktiengesellschaft: Die Funktionen der Finanzierung und der Geschäftsführung sind bewusst getrennt. Dem Aufsichtsrat der DB AG und dem Direktorenrat der RZˇ D kommt dabei eine ganz unterschiedliche Bedeutung zu. Während der deutsche Aufsichtsrat lediglich als weisungsfreies Kontrollorgan fungiert, gibt der russische Direktorenrat die Grundentscheidungen der Geschäftspolitik der RZˇ D vor. Umso interessanter ist daher, dass den Direktoren – abgesehen von den unabhängigen – vom Staat verbindliche Weisungen erteilt werden können, die in öffentlich-rechtlicher Form direkt aus dem Ministerium ergehen. Vor der Einführung unabhängiger Direktoren war die
E. Zusammenfassung und Ergebnis
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sachlich-inhaltliche Legitimation des Direktorenrats der RZˇ D klar gegeben. Durch die direkte Vergabe von Direktiven durch die Regierung wurde die demokratische Wirkung auch nicht durch Mediatisierungseffekte gemindert. Zwar sind seit einigen Jahren einige Mitglieder des Direktorenrats nicht mehr weisungsgebunden und weniger dem Staat als vielmehr ausschließlich dem Unternehmen verpflichtet. Wenn jedoch das Unternehmen selbst über konkrete Satzungsbestimmungen den staatlichen Interessen verpflichtet ist, sind es indirekt auch die Direktoren. Vor allem, und das scheint entscheidend, unterliegt jedenfalls die große Mehrheit der Direktoren der RZˇ D noch immer staatlichen Direktiven. Der Vorstand der DB AG genießt einen gesetzlich festgelegten Autonomiespielraum. Seine Tätigkeit kann allenfalls faktisch beeinflusst werden. Dies ist aus legitimatorischer Sicht bedenklich, da dem Vorstand die gesamte Geschäftspolitik obliegt. In Russland hingegen übernehmen der Generaldirektor und die Leitung der RZˇ D lediglich die laufende Tätigkeit. Wichtige Entscheidungen sind der Zustimmung des Direktorenrats oder unmittelbar der Regierung unterworfen. Ein Autonomiebereich ist gerade nicht gesetzlich verankert. Vielmehr sind der Generaldirektor und das Kollektivorgan der Leitung dem Alleinaktionär und dem Direktorenrat rechenschaftspflichtig. Das Konzernrecht bringt sowohl in Deutschland als auch in Russland nur faktische, keine rechtlich verbindlichen Einflussrechte für die Beispielsunternehmen mit sich.
E. Zusammenfassung und Ergebnis der Anwendung des Kriteriums der demokratischen Legitimation auf die Beispielsunternehmen I. Zusammenfassung des Ergebnisses bezüglich der DB AG Bereits durch das Unionsrecht und seine Umsetzung sind dem Staat klare Grenzen für seinen Einfluss auf die DB AG gesetzt. Eine Beherrschung der Verkehrsunternehmen soll nach Literaturstimmen nicht zulässig sein. Jedenfalls muss der Vorstand staatsfrei besetzt sein. Verfassungsrechtlich ermöglicht Art. 87e GG zwar eine interne wie externe Einflussnahme des Staates auf die DB AG, ordnet diese aber gerade nicht zwingend an. Vor allem gibt Art. 87e GG nicht den Gesellschaftszweck des Unternehmens vor. Von Verfassungs wegen kann der Staat sich daher auf die Rolle als Kapitalgeber zurückziehen, solange er die ihm zwingend von Art. 87e Abs. 4 S. 1 GG vorgegebenen Zwecke anderweitig gewährleistet. Der Beteiligungszweck erschöpft sich dann in dem Halten des Kapitals, um eine Zerschlagung des Konzerns durch Finanzinvestoren zu verhindern sowie die Verpflichtung des Bundes für „seine“ Eisenbahnen zu erhalten.
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2. Teil, § 6 Anwendung des Kriteriums der demokratischen Legitimation
Die externe Einflussnahme des Staates auf die DB AG wird durch die der DB AG einzuräumenden subjektiven Rechte und durch die Umsetzung der unionsrechtlichen Vorschriften (vor allem in a. F. § 8 AEG) stark begrenzt. Beherrschender Einfluss von außen ist zumindest unzulässig. Die verbleibenden Möglichkeiten seiner externen Steuerungsmöglichkeiten werden vom Staat kaum, jedenfalls unzureichend genutzt. Auch die interne Steuerung durch das Gesellschaftsrecht führt zu keiner hinreichenden demokratischen Legitimation der DB AG. In Deutschland werden gesellschaftsrechtliche Sonderregeln für den Staat überwiegend abgelehnt. Wenn der Staat Einfluss auf ein Unternehmen ausüben und dieses nach dem Maßstab des Demokratieprinzips fremdbestimmen will, so hat er sich der herkömmlichen gesellschaftsrechtlichen Instrumente zu bedienen. In persönlicher Hinsicht ist die Hauptversammlung auf Grund der alleinigen Aktionärsstellung des Staates vollumfänglich demokratisch legitimiert. Dagegen stehen einer starken internen staatlichen Kontrolle des Aufsichtsrats die Regelungen der Mitarbeiterbeteiligung im Wege. Der Vorstand der DB AG ist in persönlicher Hinsicht darum eingeschränkt demokratisch legitimiert, da er nur zur Hälfte aus staatlichen berufenen Vertretern gewählt wird. Zu beachten ist aber das Zweitstimmrecht des Aufsichtsratsvorsitzenden, der der Anteilseignerseite entstammt. Die internen Möglichkeiten, inhaltlich-sachlich auf die Gesellschaftsorgane einzuwirken, sind begrenzt. Zwar können alle Entscheidungen der Hauptversammlung demokratisch legitimiert werden. Doch beziehen sich diese nur auf Grundlagenentscheidungen. Die konkrete Geschäftspolitik ist der Einflusssphäre der Hauptversammlung in Übereinstimmung mit der Konstruktion der AG grundsätzlich entzogen.552 Keinen Weisungen unterliegen sowohl der Aufsichtsrat als auch der Vorstand. Besondere Bedeutung hat dies für den Vorstand, der die wesentlichen Entscheidungen trifft. Ihm steht ein gesetzlicher Autonomiespielraum zu. Der mangelnde staatliche Einfluss könnte zwar durch einen Konzernierungsvertrag überwunden werden. Doch stehen dem verfassungsrechtliche und unionsrechtliche Vorschriften sowie deren Umsetzung in einfaches Recht entgegen. Zudem hat der Bund etwaigen Gemeinwohlzielen in der Satzung der DB AG keinen Ausdruck verliehen und insofern keine Fremdbestimmung ausgeübt. Es bleibt nur die Möglichkeit faktischer Einflussnahme im Wege von Veranlassungen i.S.d. § 311 AktG. Doch dürfte die faktische Einflussnahme kein Maß erreichen, das die DB als nach dem Maßstab des Demokratieprinzips fremdbestimmt erscheinen lässt. Wenn dem aber so wäre, dürfte in dieser Art der Einwirkung eine Art unzulässige Umgehung der aufgezeigten europarechtlichen Vorschriften bzw. deren Umsetzung in deutsches Recht zu sehen sein.
552 Kramer bezeichnet die Bedeutung der Eigentümerstellung für die Erfüllung des Gewährleistungsauftrages daher als „eher ,mageren‘“ Befund; vgl. Kramer, in: Bayreuther (Hrsg.), Sozialeinrichtungen, S. 121.
E. Zusammenfassung und Ergebnis
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ˇD II. Zusammenfassung des Ergebnisses bezüglich der RZ In Russland wird der Einfluss des Staates auf die RZˇ D weder durch die Verfassung noch durch Regelungen der Eurasischen Wirtschaftsunion bisher ernsthaft eingeschränkt. Durch einfache föderale Gesetze wird die RZˇ D verschiedenen Zweckbindungen und Allgemeinwohlzielen unterworfen und damit inhaltlich wesentlich fremdbestimmt. Auch macht der Staat von der Möglichkeit externer Regulierung Gebrauch. Anders als in Deutschland ergeben sich aus dem Privatisierungsfolgenrecht Sonderregeln für (formell) privatisierte Unternehmen. Dieses „Verwaltungsgesellschaftsrecht“ weist dem Staat besondere Einflussrechte zu. Insbesondere kann er den Direktoren der entsprechenden Aktiengesellschaften Weisungen erteilen. In persönlicher Hinsicht werden die Vertreter in der Hauptversammlung, die Direktoren des Direktorenrats sowie der Generaldirektor der RZˇ D direkt von staatlicher Seite bestimmt. Auch die unabhängigen Direktoren werden von der Regierung berufen. Die restlichen Direktoren sind meist Beamte. Damit sind die Gesellschaftsorgane persönlich demokratisch legitimiert. Inhaltlich-sachlich werden alle Gesellschaftsorgane durch die Satzung der RZˇ D fremdbestimmt, die ihnen verschiedene Aufgaben und Zweckbestimmungen aufgibt. Zudem kann der Staat nicht nur den Vertretern in der Hauptversammlung, sondern auch allen nicht unabhängigen Direktoren rechtsverbindliche Weisungen erteilen. Zwar sind die unabhängigen Direktoren in ihrer Entscheidungsfindung frei; doch sind sie den allgemeinen staatlich festgelegten Aufgaben und Zielen verpflichtet. Es bleibt damit nur begrenzt Raum zur Selbstentfaltung. Gewisse Einbußen der inhaltlichen Fremdbestimmung sind zudem hinzunehmen, da ein Ausgleich zwischen dem Demokratieprinzip und dem Wirtschaftlichkeits- bzw. Effektivitätsgrundsatz gefunden werden muss. Der Generaldirektor der RZˇ D unterliegt zwar nicht ausdrücklich staatlichen Direktiven. Ein Autonomiespielraum ist ihm und der Leitung –anders als in Deutschland – aber gerade nicht eingeräumt. Bereits aus rechtlicher Sicht ist der Einfluss des Staates damit beträchtlich. Auf weitverbreitete informelle Steuerungsmöglichkeiten kommt es daher genauso wenig an wie auf faktische Einflussnahmen, die das Konzernrecht mit sich bringt.
III. Gesamtergebnis Auf die DB AG wird kein hinreichender staatlicher Einfluss ausgeübt. Ihr Wille wird nicht demokratisch legitimiert. Damit kann nicht von der Staatlichkeit der DB AG ausgegangen werden. Vielmehr gehört sie der gesellschaftlichen Sphäre an. Entscheidend sind dabei die sich aus dem Unionsrecht und der Verfassung ergebenden Beschränkungen für den staatlichen Einfluss auf die DB AG, die Arbeitnehmermitbestimmung im Aufsichtsrat sowie insbesondere der gesetzlich vorgesehene Autonomiespielraum des Vorstands.
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2. Teil, § 6 Anwendung des Kriteriums der demokratischen Legitimation
Die RZˇ D ist dagegen hinreichend demokratisch legitimiert. Sowohl die Direktoren als auch der Generaldirektor werden direkt von der Regierung eingesetzt. Durch Satzung und Gesetze unterliegt die RZˇ D zahlreichen Sonderbindungen, und der Mehrzahl der Direktoren, die das wesentliche Leitungsorgan bilden, können staatliche Weisungen erteilt werden. Dem Generaldirektor kommt kein mit § 76 AktG vergleichbarer Autonomiespielraum zu. Daher ist die RZˇ D nach wie vor als Teil des Staates zu begreifen. Trotz der vordergründigen Parallelen zwischen den beiden Beispielsunternehmen handelt es sich im Ergebnis bei der DB AG um ein der gesellschaftlichen und bei der RZˇ D um ein der staatlichen Sphäre zuzuordnendes Unternehmen.
§ 7 Ausblick und Schlussbemerkungen A. Die Relevanz der Einordnung eines Unternehmens in die staatliche oder gesellschaftliche Sphäre I. Die Folgen der Einordnung eines Unternehmens in die gesellschaftliche Sphäre Ein der gesellschaftlichen Sphäre zuzuordnendes Unternehmen genießt Grundrechtsschutz. Dies gilt sowohl in Deutschland als auch in Russland. Im Falle der DB AG bedeutet dies jedoch nicht, dass der Staat gehindert ist, seiner Gewährleistungsverantwortung nachzukommen. Vielmehr kann Art. 87e Abs. 4 GG in die Grundrechtsabwägung eingebracht und als besondere Grundrechtsschranke betrachtet werden. Auch die aus Art. 14 und 15 GG folgende verfassungsimmanente Gemeinnützigkeit des Eigentums der DB AG am Schienennetz als natürlichem Monopol kann in besonderer Weise betont werden.1 Im Ergebnis ist es möglich, das Allgemeinwohlinteresse gerade bezüglich der Infrastrukturunternehmen im Wege einer erleichterten Einschränkbarkeit der Rechte der DB AG zu berücksichtigen. Schließlich hat das BVerwG in paralleler Wertung auch im Verhältnis zu den Telekommunikationsnetzen deren starken sozialen Bezug betont und so trotz der Grundrechtsfähigkeit der Telekom AG den diskriminierungsfreien Netzzugang gewährleistet.2 Nicht nötig ist es daher, auf die Anerkennung der Grundrechtsfähigkeit der DB AG gänzlich zu verzichten und die DB AG „künstlich“ der staatlichen Sphäre zuzurechnen bzw. ihre Staatlichkeit zu fingieren. Nach dem hier vertretenen Ansatz führt die Einordnung eines Unternehmens in die gesellschaftliche Sphäre aber nicht dazu, dass das Unternehmen nicht der unmittelbaren Grundrechtsbindung unterliegt. Denn nach der hier vertretenen These der „Schaffung einer grundrechtstypischen Gefährdungslage durch Private für Private“ kann auch ein echter Privater ausnahmsweise unmittelbar an Grundrechte gebunden sein. Der Konflikt zwischen den der DB AG zustehenden Grundrechten und den Grundrechten anderer Grundrechtsträger ist durch praktische Konkordanz zu lösen. Dies hat in Deutschland gleichermaßen zu gelten wie in Russland.
1
Heise, Deutsche Bahn AG, S. 350, spricht sich entgegen der hier vertretenen Meinung dagegen aus, Art. 87e Abs. 4 GG lediglich starke Eingriffsvorbehalte zu entnehmen. 2 Vgl. BVerwG, DVBl. 2004, S. 62, 65; für eine Übertragung der entwickelten Grundsätze auf die Eisenbahninfrastruktur auch Ruge, AöR 131 (2006), S. 1, 26.
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§ 7 Ausblick und Schlussbemerkungen
II. Die Folgen der Einordnung eines Unternehmens in die staatliche Sphäre Für den Staat gelten weiterhin andere Regeln als für jedermann.3 Er handelt nicht auf der Grundlage von Freiheit, sondern im Rahmen seiner Kompetenz,4 wobei er sein Tätigwerden stets durch öffentliche Zwecksetzung rechtfertigen muss.5 Die in die staatliche Sphäre einzuordnende RZˇ D ist als zur staatlichen Sphäre gehörendes Unternehmen daher sowohl an die Grundrechte als auch an das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip gebunden. Als Teil des Staates ist ihm auch in Zukunft jede freiheitliche Autonomie abzusprechen. Das heißt, die RZˇ D kann sich nicht auf Grundrechte berufen. Auf der Rechtsfolgenseite wird bezüglich der rechtlichen Anforderungen und Bindungen weder zwischen öffentlich-rechtlichem und privatrechtlichem noch zwischen fiskalischem und verwaltungsprivatrechtlichem Handeln unterschieden. Insbesondere unterliegt der Staat nach herrschender Meinung in der deutschen Literatur immer der unmittelbaren Grundrechtsbindung.6 Das gilt auch für die erwerbswirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand, wie z. B. Eigenbetriebe.7 Eine Flucht ins Zivilrecht wird damit vermieden. In Russland hat sich die Grundrechtsbindung im fiskalischen Bereich zwar bisher soweit ersichtlich noch nicht durchsetzen können. Allerdings wird die Fiskalbindung der Verwaltung in der Literatur zunehmend befürwortet. Zudem kommt in verschiedenen Aufsätzen die Forderung nach der Grundrechtsbindung bzw. der Unterwerfung der öffentlich-rechtlichen juristischen Person unter die öffentlichrechtlichen Bindungen zum Ausdruck. Talapina8 und Vinnickij9 fordern öffentlichrechtliche Bindungen für staatliche Korporationen, die in ihren Augen eine mittelbare Staatsverwaltung darstellen. Cˇ irkin strebt besondere Belastungen für die juristischen Personen des Öffentlichen Rechts an, die zwar rechtlich mit Privatpersonen auf einer Stufe stünden, ihnen aber de facto durch ihre Machtbefugnisse überlegen seien.10 Tokareva stellt sogar den Zusammenhang zwischen dem Grund3
So auch Ehlers/Schneider, in: Schoch/Schneider/Bier (Hrsg.), § 40 VwGO, Rn. 19. BVerfGE 61, S. 82 (101) = NJW 1982, S. 2173; 68, S. 193 (206) = NJW 1985, S. 1385. 5 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 86 ff. 6 Maurer, Verwaltungsrecht, § 3, Rn. 10. 7 OVG Münster, NVwZ-RR 1989, S. 576. 8 Schließlich wird auch im Rahmen der Diskussion um die Verschränkung und Verwischung der Grenzen des Öffentlichen Rechts mit dem Privatrecht betont, dass es sehr wichtig sei, dass der Staat nie volle Privatautonomie genießen könne. Vielmehr müsse das Ermessen der Staatsbediensteten kontrolliert werden, um der Korruption Einhalt zu gebieten; vgl. Talapina/ Jakovlev, Zˇ urnal rossijskogo prava 2012, Nr. 2. 9 Vinnickij, Pravo i politika 2011, Nr. 3. 10 ˇ Cirkin, Civilist 2013, Nr. 2, S. 33. Er spricht sich insbesondere für Erschwernisse vor Gericht aus. Zu bedenken ist hierbei, dass Cˇ irkin insbesondere bei der Figur der juristischen Person des Öffentlichen Rechts Staatsorgane vor Augen hat. Er wendet sich damit insbesondere 4
B. Fazit
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rechtsschutz und der Privatrechtstätigkeit des Staates her, d. h., sie fordert die Stärkung der Grundrechte der Bürger bei wirtschaftlicher Betätigung des Staates.11 Ebenso werden eine stärkere Kontrolle und die Versagung von Autonomiespielräumen gefordert.12 Insbesondere werden Rufe nach der Kodifizierung eines russischen Pendants zum deutschen VwVfG laut.13
B. Fazit Bisweilen mag die Unterscheidung zwischen Staat und Gesellschaft und die Verortung von Unternehmen zwischen bzw. innerhalb dieser Sphären irrelevant erscheinen. Doch sie ist es nicht. Dies gilt sowohl für Russland als auch für Deutschland. Denn den Verfassungen beider Länder ist zu entnehmen, dass der Staat durch den Willen der Bürger bestimmt wird und damit dessen Bindung unterworfen ist. Die Gesellschaft hingegen operiert nach dem Prinzip der Freiheit, die dem Staat niemals zuteilwerden kann. Entsprechend eng ist die staatliche Sphäre zu definieren: Nur dasjenige Rechtssubjekt, das nicht autonom handelt, sondern dessen Handlungen bzw. wesentlichen Entscheidungen auf den Volkswillen rückführbar sind, gilt als staatlich. Ein Unternehmen, das noch nicht von Verfassungs wegen oder im Rahmen des Verwaltungsaufbaus der staatlichen Kontrolle und damit der über die Legitimationskette vermittelten Bindung an den Willen des Volkes unterliegt, ist dann als staatlich anzusehen, wenn es derart fremdbestimmt ist, dass seine wesentlichen Entscheidungen nach Maß der demokratischen Legitimation vom Volkswillen gesteuert sind. Die enge Umgrenzung des Kreises staatlicher Rechtssubjekte ist aus volkswirtschaftlicher Sicht in Hinblick auf Autonomie und Innovation sinnvoll. Dies bedeutet aber nicht, dass staatliche Beteiligungen per se schädlich sind. Denn beschränkt sich der Staat auf die Funktion als Kapitalgeber, etwa um der Zerschlagung eines Unternehmens entgegenzuwirken, so kommt er selbst zwar einer öffentlichen Aufgabe nach, macht das Unternehmen aber gerade nicht zu einem staatlichen. Vor allem aber geht mit der engen Definition der staatlichen Rechtssubjekte nach dem hier vertretenen Ansatz nicht zwingend ein verminderter Grundrechtsschutz der Bürger einher. Um die Schutzsphäre der Bürger zu wahren, ist es vielmehr unerlässlich, auch Private der Grundrechtsbindung zu unterwerfen – sei es mittelbar oder gegen den Ansatz der Fiskustheorie und will den besonderen Status und die besonderen Verpflichtungen des Staates hervorkehren. 11 Tokareva, Grazˇ danskoe pravo 2011, Nr. 3. 12 Statt vieler Gricenko, Sravnitel’noe konstitucionnoe obozrenie 2013, Nr. 2; Vasil’eva, Servisnoe gosudarstvo, S. 141. 13 Statt aller Gricenko, Sravnitel’noe konstitucionnoe obozrenie 2013, Nr. 2.
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§ 7 Ausblick und Schlussbemerkungen
unmittelbar. Denn es erscheint heute nicht (mehr) sachgerecht, angesichts der sozialen und technologischen Macht großer weltweit agierender Konzerne und der Gefährdungssituation des Individuums gegenüber privat gesteuerten Angriffen auf die Persönlichkeit etwa im Wege der sozialen Medien und des Internets die Bindung an die Grundrechte auf die staatliche Sphäre zu beschränken. Dass die eigenen Grundrechtspositionen des Privaten in die Grundrechtsabwägung mit einbezogen werden, tut dem Schutz der Bürger dabei nicht zwangsweise wesentlich Abbruch. Durch die Erstreckung des Grundrechtsschutzes gegen Private zumindest bei Schaffung einer konkreten grundrechtstypischen Gefährdungslage ist es gerade nicht notwendig und noch weniger zweckmäßig, die staatliche Sphäre wegen funktionaler Schutzgesichtspunkte künstlich auf eine Vielzahl privatrechtlich organisierter Rechtssubjekte auszuweiten. Hierfür spricht auch, dass eine zunächst vorgenommene weite Definition der staatlichen Sphäre oftmals mit Erwägungen der Wirtschaftlichkeit kollidiert und sodann dazu führt, dass in einem zweiten, kompensierenden Schritt die Anforderungen an die Staatlichkeit sukzessive wieder eingeschränkt werden. Gerade eine Minimierung der demokratischen Legitimation oder gar ein Verzicht hierauf, wie es etwa für die DB AG vorgeschlagen wird, erscheint verfassungsrechtlich höchst problematisch. Wird ein Unternehmen derart staatlich fremdbestimmt, dass es an den Willen der Bürger gebunden ist, dann sind infolgedessen auf das staatliche Rechtssubjekt grundsätzlich all die Regeln anzuwenden, die für den Staat gelten. Sie reichen vom Vergaberecht bis hin zur Überprüfung der Finanzen durch den Rechnungshof. Dies hat gerade in Russland besondere Relevanz für staatliche Korporationen und staatlich gehaltene Aktiengesellschaften. Betroffen ist auch die Russische Eisenbahn RZˇ D, deren Handlungen staatlich gesteuert sind. Eine Flucht ins Privatrecht gilt es zu vermeiden. Die DB AG gehört angesichts ihrer mangelnden staatlichen Fremdbestimmung und der fehlenden Rückführbarkeit ihrer wesentlichen Handlungen mit Entscheidungscharakter auf den Volkswillen der Gesellschaft an. Sie kann zwar grundsätzlich auch an Grundrechte gebunden sein. Allerdings unterliegt sie gerade nicht dem Gebot des Allgemeinwohls und der Bindung an den Volkswillen. Vielmehr ist sie berechtigt, autonom zu handeln. Entsprechend sind externe Einflussnahmeversuche des Staates sowie Sonderbindungen an den Grundrechten der DB AG zu messen. Dies bedeutet in der Konsequenz, dass der Staat seinem Gemeinwohlauftrag nachkommen muss, indem er etwa Leistungen der DB AG bestellt, um eine bedarfsgerechte Verkehrsversorgung zu gewährleisten. Letztlich ist zuzugeben, dass angesichts der zunehmenden Verwendung hybrider Rechtsformen die Unterscheidung zwischen Staat und Gesellschaft verwischt und die Einordnung eines Rechtssubjekts in eine der beiden Sphären obsolet erscheint. Doch darf die verfassungsrechtliche Wertung der Dichotomie als Grundlage unserer Rechtsordnung nicht unterschätzt werden: der Gegensatz zwischen gesellschaftlicher Freiheit einer Person und ihrer demokratischen Gebundenheit.
C. Die wesentlichen Ergebnisse
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C. Die wesentlichen Ergebnisse I. Die Ergebnisse des ersten Teils Im ersten Teil werden formale, materielle und spezifisch verfassungsrechtliche Kriterien zur Verortung von Unternehmen zwischen Staat und Gesellschaft untersucht. Zunächst wird geprüft, ob die beiden Sphären anhand der Rechtsform und der Handlungsform eines Rechtssubjekts abgegrenzt werden können. Diese formalen Gesichtspunkte sind in der russischen Rechtswissenschaft noch dominierend. Sodann wird überprüft, ob die materiellen Kriterien wie die Eigentumsverhältnisse und die Aufgaben einer Person über die Zuordnung eines Rechtssubjekts zu Staat oder Gesellschaft entscheiden können. Dieser Ansatz wird bislang in Deutschland bevorzugt. Letztlich werden die Grundrechtsberechtigung und vor allem die Rückführbarkeit der wesentlichen Entscheidungen einer juristischen Person auf den Volkswillen aufgrund staatlicher Fremdbestimmung nach dem Maßstab des Demokratieprinzips zur Bestimmung von Staatlichkeit bzw. Gesellschaftlichkeit eines Rechtssubjekts als entscheidende Merkmale herangezogen. Die Rechtsform eines Rechtssubjekts als formales Kriterium erweist sich sowohl in Deutschland als auch in Russland als untauglich, um über die Staatlichkeit oder Privatheit eines Rechtssubjekts zu entscheiden. In Deutschland wird zwischen juristischen Personen des Privatrechts und des Öffentlichen Rechts unterschieden. Diese Dichotomie der Rechtsformen trägt zwar Indizcharakter für die Staatlichkeit oder Gesellschaftlichkeit einer Person; doch verwischen die Grenzen, da der Verwaltung zum einen die Wahlfreiheit der Organisationsform gewährt wird und der Staat zum anderen gesellschaftlichen Gruppen eine öffentlich-rechtliche Rechtsform als Schutzraum zur freiheitlichen Entfaltung zur Verfügung stellt. In Russland wird seit der Sowjetzeit traditionell nicht zwischen juristischen Personen des Privatrechts und des Öffentlichen Rechts, sondern nur zwischen kommerziellen und nicht-kommerziellen Organisationen unterschieden. Nichtsdestotrotz spielt die Rechtsform als formaler Aspekt eine sehr wesentliche Rolle: Zum einen prägt die Kategorie der Kommerzialität die Vorstellung von Gesellschaftlichkeit und Privatheit, wohingegen der rein formal nicht-kommerzielle Charakter einer Organisation intuitiv in die Nähe der Staatlichkeit gerückt wird. Zum anderen ist der Einführung der Rechtsform der öffentlich-rechtlichen Kompanie eine breite Diskussion um die Frage vorausgegangen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine Rechtsform in die Figur der juristischen Person des Öffentlichen Rechts umgedeutet oder umgewandelt werden muss. Dies ist Ausdruck der Erkenntnis, dass hinter gewissen Organisationen letztlich der Staat steht und sie daher – ohne klassische Staatsorgane zu sein – der staatlichen Sphäre angehören sollten. In Russland wurde das System der juristischen Personen grundlegend reformiert. Auch wenn die Diskussion um die juristische Person des Öffentlichen Rechts mit
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§ 7 Ausblick und Schlussbemerkungen
Einführung der öffentlich-rechtlichen Kompanie beendet sein dürfte, hat die Reform wenig Klarheit hinsichtlich des Status schillernder ,staatsnaher‘ Rechtsformen wie der staatlichen Korporationen oder der staatlich beherrschten Aktiengesellschaften gebracht. Diese können zwar in die neue Rechtsform der öffentlich-rechtlichen Kompanie umgewandelt werden; zwingend ist dies allerdings nicht. Gleichzeitig wird neuerdings die Forderung laut, wie in Deutschland die Wahlfreiheit der Verwaltung einzuführen. Die Ansätze, die dem Staat völlige Rechtsformenfreiheit gewähren wollen, widersprechen jedoch nicht nur dem Grundgedanken der Einführung der juristischen Person des Öffentlichen Rechts, welcher eine klare Trennung der Sphären anhand der Rechtsform anstrebt. Die Wahlfreiheit erscheint auch wenig sinnvoll, solange der privatrechtlich handelnde Staat nicht ausreichend öffentlich-rechtlichen Bindungen unterliegt und der privatrechtlich organisierte Staat nur teilweise gebunden ist bzw. diese Bindungen leicht umgangen werden können. Auch wenn ein formaler Ansatz entlang der Rechtsformen Rechtsklarheit versprechen mag, zeigen die Erfahrung aus Deutschland sowie zunehmende Kooperationsprojekte jedoch, dass im Ergebnis nicht allein auf die Rechtsform abgestellt werden kann. Letztlich sollte die bereits faktisch bestehende Wahlfreiheit des Staates bezüglich der Organisationsform durch öffentlich-rechtliche Bindungen unterlegt werden, um eine Flucht ins Privatrecht zu verhindern. Das formale Kriterium der Handlungsform erweist sich sowohl in Russland als auch in Deutschland als unzureichend. Die hoheitliche Handlungsform steht von Verfassungs wegen zwar nur dem Staat zu und kennzeichnet damit insbesondere nach russischem Verständnis seine Sphäre. Doch prägt hoheitliches Handeln in der russischen Rechtswirklichkeit nicht ausschließlich den Staat und kann daher die Staatlichkeit einer Person lediglich indizieren. Denn in Russland werden teilweise auch staatliche Korporationen hoheitlich tätig, die nach hier vertretenem Ansatz nicht per se der staatlichen Sphäre zugeordnet werden können. Denn jedenfalls die Ausstattung mit Hoheitsbefugnissen selbst kann keine Einordnung in die staatliche Sphäre bewirken. Vielmehr verlangt die Verfassung lediglich nach der Eingliederung eines hoheitlich handelnden Subjekts in die staatliche Sphäre. Auch in Deutschland führt erst der Akt der Beleihung als Unterwerfung unter das Prinzip der demokratischen Legitimation zur Staatlichkeit der zunächst privaten Person. Die Ausstattung mit Hoheitsbefugnissen selbst ist nicht ausschlaggebend für die partielle Staatlichkeit des Beliehenen. Bei der hoheitlichen Handlungsform handelt es sich zudem maximal um ein hinreichendes, jedenfalls nicht um ein notwendiges Kriterium der Staatlichkeit, da der Staat in Deutschland und – dies ist allerdings höchst umstritten – nach neuerem Verständnis zunehmend auch in Russland privatrechtlich seine Aufgaben erfüllen darf. Nach klassischem russischen Verständnis darf sich der Staat zur Erfüllung seiner Aufgaben hingegen nicht des Privatrechts bedienen. Zwar ist er privatrechtsfähig und tritt entsprechend unter Nutzung privatrechtlicher Handlungsformen im Zivilrechtsverkehr auf. Doch handelt es sich dabei gewissermaßen nicht ,um den Staat als solchen‘. Vielmehr wird er in Tradition der Fiskustheorie gleich einer ,umgekehrten Beleihung‘ zum Teil der Gesellschaft und mit dieser
C. Die wesentlichen Ergebnisse
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gleichberechtigt behandelt. Jedoch wird diese unbewusst zugrundeliegende FiskusTradition zum einen nicht durchgehalten und zum anderen von jüngeren Literaturstimmen angefochten, wobei stärkere Bindungen des Staates auch im Zivilrecht gefordert werden. Letztlich stellt damit auch das privatrechtliche Handeln – wie in Deutschland – kein Kriterium der Zugehörigkeit zur Gesellschaft mehr dar. In Deutschland spielen die Eigentumsverhältnisse („an“) einer juristischen Person als materielles Kriterium eine wesentliche Rolle. Der Träger wird dabei allerdings fälschlicherweise mit der getragenen Person gleichgesetzt und identifiziert. Aus dem Vergleich zum russischen Recht sollte gelernt werden, dass vom Staat zunächst nur die Anteile an der Gesellschaft, erst beim Hinzutreten entsprechender Einflussrechte auch die Gesellschaften selbst verwaltet werden. In Russland hingegen sollten die Tendenzen verstärkt werden, die eine staatlich kontrollierte juristische Person nicht mehr nur traditionell als Objekt, sondern als Subjekt der staatlichen Verwaltung betrachten. Dieses Verständnis wurde mit der Idee der juristischen Person des Öffentlichen Rechts angestoßen. Der materielle Aspekt der wahrgenommenen Aufgabe einer Person spielt sowohl in Deutschland als auch in Russland eine bedeutende Rolle für die Einordnung eines Rechtssubjekts in die gesellschaftliche oder staatliche Sphäre. Doch ringt man sich in Russland nicht dazu durch, die Subjekte, die eine staatliche Aufgabe wahrnehmen, tatsächlich der staatlichen Sphäre zuzuordnen. Es wäre wünschenswert, in Fällen der Privatisierung und der Delegation von staatlichen Aufgaben auf Private die öffentlich-rechtlichen Bindungen zu erhalten. Für die Frage der Staatlichkeit selbst stellt die wahrgenommene Aufgabe und Funktion nach hier vertretenem Ansatz allerdings mangels einer klaren Staatsaufgabenlehre und den verschwimmenden Aufgabenund Funktionsbereichen angesichts von Privatisierung und Public Private Partnership-Projekten weder ein notwendiges noch ein hinreichendes Kriterium für die Staatlichkeit einer Person dar. Jüngere Ansätze stellen daher in Deutschland auf einen formalen staatlichen Aufgabenbefassungsakt ab. Auch in Russland werden in materieller Hinsicht die Aufgabe und die gesetzliche Zweckbestimmung einer Person in den Mittelpunkt gerückt. Nicht-kommerzielle Organisationen stehen demnach dem Staat durch ihre wesensgemäße Zweckbestimmung qua Gesetz zur Erfüllung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben nahe. Kommerzielle Organisationen zielen dagegen nach Art. 50 ZGBRF primär auf Gewinnmaximierung ab und werden daher kaum der staatlichen Sphäre zugeschrieben. Der formale Ansatz hat zwar seine Berechtigung, kann in der Gänze jedoch nicht überzeugen. In der Tat sollte auf die Fremdbestimmung und Instrumentalisierung einer Person durch den Staat abgestellt werden, um sie der staatlichen Sphäre zuzuordnen. Doch zeigen insbesondere die Erfahrungen aus Russland, dass eine pauschale gesetzliche Zweckbestimmung nicht ausreicht, um ein privatrechtliches Rechtssubjekt der staatlichen Kontrolle zu unterwerfen und damit ,staatlich‘ werden zu lassen. Die Grundrechte als spezifisch verfassungsrechtliches Kriterium geben nur bedingt Aufschluss über die Zugehörigkeit eines Rechtssubjekts zur Gesellschaft oder
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§ 7 Ausblick und Schlussbemerkungen
zum Staat. Auf Grundrechte kann sich nach hier vertretenem Ansatz nur berufen, wer der gesellschaftlichen Sphäre angehört. Die Grundrechtsberechtigung ist damit ein ausschließlich die gesellschaftliche Sphäre charakterisierendes Kriterium. Ein Rückschluss von der Grundrechtsberechtigung einer juristischen Person auf ihre Gesellschaftlichkeit ist dennoch nur in Ausnahmefällen möglich. Denn in Deutschland sind juristische Personen dann grundrechtsberechtigt, wenn bzw. soweit die Grundrechte nach Art. 19 Abs. 3 GG wesensgemäß anwendbar sind. Dies ist aber gerade der Fall, wenn ein Rechtssubjekt der Gesellschaft angehört. Der vom BVerfG vertretene Ansatz, demzufolge wesensgemäße Anwendbarkeit gegeben ist, wenn sich hinter einer juristischen Person ein gesellschaftliches Substrat verbirgt, ist dabei zu eng und wird dem Konzept der Eigenständigkeit der juristischen Person nicht gerecht. Die in der Literatur vertretene sogenannte grundrechtstypische Gefährdungslage, in der sich auch juristische Personen des Öffentlichen Rechts befinden können sollen, ist hingegen als zu weit abzulehnen. Denn ein vom Volkswillen fremdbestimmtes und damit der staatlichen Sphäre angehörendes Rechtssubjekt kann sich – unabhängig von der Gefährdungslage – niemals der nur der Gesellschaft zustehenden Freiheit bedienen und sich daher nicht auf Grundrechte berufen. Der grundrechtstypischen Gefährdungslage, die eine gewisse Staatsferne nahelegt, kommt höchstens indizieller Charakter zu. Nach dem hier vertretenen Ansatz sollen die Grundrechte vielmehr dann auf eine juristische Person wesensgemäß anwendbar sein, wenn das jeweilige Grundrecht nicht denknotwendig eine natürliche Person voraussetzt und vor allem, wenn hinter ihr nicht der Staat steht. Anders als nach der Durchgriffsthese des BVerfG wird für die Ermittlung der Grundrechtsberechtigung einer Person damit gerade nicht auf ein personelles Substrat hinter der juristischen Person abgestellt. Vielmehr sollen nach dem hier vertretenen Ansatz vom „Durchgriff auf den Staat“ in Umkehr des Regel-Ausnahme-Verhältnisses grundsätzlich alle juristischen Personen der Gesellschaft angehören und grundrechtberechtigt sein, es sei denn, es wird positiv ein „staatliches Substrat“ hinter einer juristischen Person ausgemacht. Die Staatlichkeit kann dabei allerdings nicht spiegelbildlich durch die Grundrechtsbindung ermittelt werden, da diese Folge und nicht Voraussetzung der Staatlichkeit ist. Zudem ist nach dem hier vertretenen Ansatz nicht einmal ein Rückschluss von der Grundrechtsbindung auf die Staatlichkeit zulässig. Denn neben dem Staat können auch Private unmittelbar grundrechtsverpflichtet sein, wenn sie insbesondere durch ein soziales, wirtschaftliches oder technologisches Machtgefälle für andere Private eine grundrechtstypische Gefährdungslage schaffen. In Russland erscheint die Rechtsprechung zur Grundrechtsberechtigung und -bindung des Staates und der Gesellschaft zugehöriger juristischer Personen widersprüchlich. Zwar soll es für die Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen – ebenso wie nach der Rechtsprechung des BVerfG – auf die wesensgemäße Anwendbarkeit der Grundrechte ankommen, wobei auf die kollektive Grundrechtsentfaltung der natürlichen Personen abgestellt wird. Doch kann sich im Ergebnis auch der Staat auf Grundrechte berufen, wenn er als gleichberechtigtes Wirt-
C. Die wesentlichen Ergebnisse
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schaftssubjekt, das den anderen Subjekten gleichgestellt ist, auftritt. Dies gilt aber eben nur, wenn der Staat „quasi“ Teil der Gesellschaft ist und sich sein „gesellschaftliches Gewand“ überwirft. Diese Möglichkeit des Staates, sich als Teil der Gesellschaft zu gerieren, – und damit die Möglichkeit seiner Grundrechtsberechtigung – wird allerdings von Literaturstimmen zunehmend kritisiert und negiert. Dieser Tendenz sollte gefolgt werden. Direkt durch die Grundrechte gebunden wird in Russland nur der Staat. Er kommt seiner aus der Grundrechtsverpflichtung erwachsenden Schutzpflicht beinahe ausschließlich im Wege der Gesetzgebung nach. Daher treffen die aus den Grundrechten erwachsenden Pflichten den Bürger nur in Formen „umgesetzten“ einfachen Rechts, also nicht unmittelbar. Allerdings sollte den Bestrebungen einiger Literaturstimmen, private Subjekte mit staatlichen Funktionen unmittelbar an Grundrechte zu binden, gefolgt werden. Gegenüber der deutschen Tendenz, die Personen mit staatlichen Funktionen allein wegen des praktischen Bedürfnisse zum Teil des Staates erklärt, erscheint der Ansatz, die Staatsfunktionen erfüllende juristische Person in der gesellschaftlichen Sphäre zu belassen, aber an die Grundrechte zu binden, vorzugswürdig. Folgt man den einzelnen Literaturstimmen in Russland, welche die Gesellschaftlichkeit des Staates und damit seine Grundrechtsberechtigung ablehnen und sich für die Bindung Privater in besonderen Situationen aussprechen, dann kann für Russland und Deutschland ein einheitlicher Ansatz gewählt werden: Die Grundrechtsberechtigung stellt ein notwendiges und hinreichendes Kriterium der Gesellschaftlichkeit einer Person dar. Welche Subjekte grundrechtsberechtigt sein sollen, ist aus sich heraus allerdings schwer zu beurteilen. Allein eine negative Bestimmung im Sinne des Ansatzes vom „Durchgriff auf den Staat“ erscheint sinnvoll: Auf Grundrechte kann sich berufen, wer nicht staatlich ist. Zur Identifikation der staatlichen Subjekte kann die Grundrechtsbindung dagegen nicht herangezogen werden. Sie ist lediglich notwendiges, aber nicht hinreichendes Kriterium der Staatlichkeit. Letztlich ist daher das spezifisch verfassungsrechtliche Kriterium der Rückbindung der wesentlichen Entscheidungen einer Person an den Volkswillen nach dem Prinzip der demokratischen Legitimation entscheidend für die Frage, ob ein Rechtssubjekt dem Staat oder der Gesellschaft angehört. Sowohl Deutschland als auch Russland sind nach ihren Verfassungen demokratische Rechtsstaaten. Ihr wesentliches Merkmal ist die umfassende Bindung der Staatsgewalt an den Willen des Volkes. Die vermittelte Legitimität muss bezüglich aller Entscheidungsträger gewährleistet sein. Während in Deutschland sowohl auf personelle als auch auf inhaltlich-sachliche Aspekte abgestellt wird, konzentriert sich die Legitimation in Russland auf ein rein personelles Element: Die Wahlen stehen im Vordergrund. Kontrolle und inhaltliche Bestimmung des Handelns der Verwaltung durch die Bindung an das vom demokratisch gewählten Parlament erlassene Gesetz rücken in den Hintergrund. Nichtsdestotrotz umfasst die verfassungsrechtlich verankerte
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§ 7 Ausblick und Schlussbemerkungen
Volksherrschaft auch die inhaltliche Herrschaft des Souveräns. Nach dem hier vertretenen Ansatz ist eine (juristische) Person sowohl in Russland als auch in Deutschland dann der staatlichen Sphäre zuzuordnen, wenn alle ihre wesentlichen Entscheidungen auf den Volkswillen rückführbar sind, d. h. wenn sie durch den vom Volkswillen getragenen staatlichen Einfluss derart fremdbestimmt ist, dass sie aus dem Bereich freiheitlicher Autonomie enthoben und in den kompetenzgebundenen Bereich demokratischer Legitimation eingeschlossen wird. Völlig folgerichtig scheint es zu sein, als Maßstab der Fremdbestimmung nicht willkürlich auf konzernrechtliche Kriterien, eine besondere Aufgabenbefassung, Zweckbindung oder staatliche Bestimmung, sondern auf den Maßstab des Art. 20 Abs. 3 GG bzw. Art. 3 VerfRF abzustellen. Für die Zuordnung einer Person zur gesellschaftlichen Sphäre kommt es in Konsequenz der oben dargestellten Überlegungen zum sogenannten „Durchgriff auf den Staat“ nicht darauf an, ob sich hinter einer juristischen Person explizit die Freiheitsentfaltung natürlicher Personen verbirgt. Vielmehr sollen in einer Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses grundsätzlich alle Unternehmen gesellschaftlich und grundrechtsberechtigt sein, es sein denn, es kann mit Hilfe des Demokratieprinzips ausgemacht werden, dass sich in der Tätigkeit des Unternehmens explizit der Volkswille ausdrückt. Dies ist der Fall, wenn das entscheidungserhebliche Handeln des Unternehmens durch bestimmende staatliche Fremdsteuerung nach dem staatlichen Funktionsprinzip demokratischer Legitimation an den Volkswillen rückgekoppelt ist. Der Maßstab der demokratischen Legitimation ist für privatrechtlich organisierte Personen nicht per se niedriger anzusetzen als für die unmittelbare Verwaltung. Auch etwaige Einschränkungen des Demokratieprinzips führen zu keinen wesentlichen Veränderungen. Damit ist ein Rechtssubjekt dann als staatliches anzusehen, wenn seine wesentlichen Entscheidungen hinreichend in personeller wie inhaltlich-sachlicher Hinsicht staatlich beeinflusst und über Legitimationsketten vom Volkswillen fremdbestimmt sind.
II. Die Ergebnisse des zweiten Teils Im zweiten Teil der Arbeit wurden die DB AG und die RZˇ D auf ihre staatliche Instrumentalisierung und die demokratische Legitimation ihrer Willensbildung und -betätigung hin untersucht und miteinander verglichen. Auf die DB AG wird im Ergebnis kein hinreichender staatlicher Einfluss ausgeübt. Ihre wesentlichen Entscheidungen sind nicht hinreichend auf den Volkswillen rückführbar. Damit kann nicht von der Staatlichkeit der DB AG ausgegangen werden. Vielmehr gehört sie der gesellschaftlichen Sphäre an. Die wesentlichen Entscheidungen der RZˇ D sind hingegen hinreichend staatlich fremdbestimmt und damit demokratisch legitimiert. Sie ist daher als Teil des Staates zu begreifen. Bereits durch das Unionsrecht sind dem Staat in Deutschland klare Grenzen für den Einfluss auf die DB AG gesetzt. Art. 87e GG ermöglicht zwar eine interne wie
C. Die wesentlichen Ergebnisse
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externe Einflussnahme des Staates auf die DB AG, schreibt diese aber gerade nicht zwingend vor. Vor allem gibt Art. 87e GG nicht den Gesellschaftszweck des Unternehmens an. Von Verfassungs wegen kann der Staat sich auf die Rolle als Kapitalgeber zurückziehen, solange er die ihm von Art. 87e Abs. 4 S. 1 GG vorgegebenen Allgemeinwohlbelange anderweitig, d. h. gerade nicht durch Fremdbestimmung der Willensbildung und -betätigung der DB AG, gewährleistet. Der Beteiligungszweck an der DB AG erschöpft sich dann in dem Halten des Kapitals, etwa um eine Zerschlagung des Konzerns durch Finanzinvestoren zu verhindern sowie die Verpflichtung des Bundes für „seine“ Eisenbahnen zu erhalten. In Russland wird der Einfluss des Staates auf die RZˇ D weder durch die Verfassung noch durch Regelungen der Eurasischen Wirtschaftsunion bisher ernsthaft eingeschränkt. Die externe Einflussnahme des Staates auf die DB AG wird durch die der DB AG von Verfassungs wegen einzuräumenden subjektiven Rechte und durch die Umsetzung der unionsrechtlichen Vorschriften stark begrenzt. Beherrschender Einfluss von außen ist zumindest unzulässig. Die verbleibenden Möglichkeiten externer Steuerungsmöglichkeiten werden vom Staat kaum, jedenfalls unzureichend genutzt. In Russland dagegen wird die RZˇ D durch einfache föderale Gesetze verschiedenen Zweckbindungen und Allgemeinwohlzielen unterworfen und damit inhaltlich wesentlich fremdbestimmt. Auch macht der Staat von der Möglichkeit externer Regulierung in großem Maße Gebrauch. Die interne Steuerung durch das Gesellschaftsrecht führt zu keiner hinreichenden demokratischen Legitimation der Tätigkeit der DB AG. In Deutschland werden gesellschaftsrechtliche Sonderregeln für den Staat überwiegend abgelehnt. Wenn der Staat bestimmenden Einfluss auf ein Unternehmen ausüben und dessen Willensbildung und Betätigung auf den Volkswillen zurückführen will, so hat er sich der herkömmlichen gesellschaftsrechtlichen Instrumente zu bedienen. In Russland hingegen ergeben sich aus dem Privatisierungsrecht Sonderregeln jedenfalls für Unternehmen, die durch Privatisierung entstanden sind. Dieses „Verwaltungsgesellschaftsrecht“ weist dem Staat besondere Einflussrechte zu. Insbesondere kann er den Direktoren der entsprechenden Aktiengesellschaften Weisungen erteilen. In persönlicher Hinsicht ist die Hauptversammlung der DB AG auf Grund der alleinigen Aktionärsstellung des Staates demokratisch legitimiert. Einer starken internen staatlichen Kontrolle des Aufsichtsrats stehen die Regelungen der Mitarbeiterbeteiligung im Wege. Die demokratische Legitimation des Vorstands der DB AG ist in persönlicher Hinsicht zweifelhaft. Er wird schließlich nur zur Hälfte von staatlich berufenen Vertretern gewählt, auch wenn das Zweitstimmrecht des im Zweifel der Anteilseignerseite angehörenden Aufsichtsratsvorsitzenden den Ausschlag geben kann. Bezüglich der RZˇ D werden in persönlicher Hinsicht die Vertreter in der Hauptversammlung, die Direktoren des Direktorenrats sowie der Generaldirektor der RZˇ D direkt von staatlicher Seite bestimmt. Auch die unabhängigen Direktoren werden von der Regierung berufen. Die nicht-unabhängigen Direktoren
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§ 7 Ausblick und Schlussbemerkungen
sind überwiegend amtierende oder ehemalige Staatsbeamte. Damit sind die Gesellschaftsorgane jedenfalls mittelbar persönlich demokratisch legitimiert. Die internen Möglichkeiten des Staates, inhaltlich-sachlich auf die Gesellschaftsorgane der DB AG einzuwirken, sind begrenzt. Zwar können alle Entscheidungen der Hauptversammlung demokratisch legitimiert werden. Jedoch beziehen sich diese nur auf Grundlagenentscheidungen. Die konkrete Geschäftspolitik ist der Einflusssphäre der Hauptversammlung in Übereinstimmung mit der Konstruktion der AG grundsätzlich entzogen. Der Aufsichtsrat unterliegt keinerlei Weisungen. Da die Rechtsform der AG und gerade nicht der GmbH gewählt wurde, gilt dies auch für den Vorstand, der die wesentlichen Entscheidungen im Unternehmen trifft. Ihm steht ein gesetzlich geschützter Autonomiespielraum zu. Das fehlende Recht, Weisungen zu erteilen, wird auch nicht durch einen Konzernierungsvertrag überwunden. Dem stünden bereits verfassungsrechtliche und unionsrechtliche Vorschriften sowie deren Umsetzung in einfaches Recht entgegen. Auch hat der Bund etwaigen Gemeinwohlzielen in der Satzung der DB AG keinen Ausdruck verliehen und insofern keine Fremdbestimmung ausgeübt. Es bleibt nur die Möglichkeit faktischer Einflussnahme im Wege von Veranlassungen i.S.d. § 311 AktG. Allerdings kann bezweifelt werden, ob die faktische Einflussnahme ein Maß erreicht, das der demokratischen Legitimation nahe kommt. Selbst wenn dem so wäre, dürfte diese Art der Einwirkung als einer Art Umgehung der aufgezeigten Vorschriften allerdings unzulässig sein. Inhaltlich-sachlich werden alle Gesellschaftsorgane durch die Satzung der RZˇ D fremdbestimmt, die verschiedene Aufgaben und Zweckbestimmungen aufgibt. Zudem kann der Staat nicht nur den Vertretern in der Hauptversammlung, sondern auch allen nicht-unabhängigen Direktoren rechtsverbindliche Weisungen erteilen. Zwar sind die unabhängigen Direktoren frei in ihrer Entscheidungsfindung; doch sind sie den allgemeinen staatlich festgelegten Aufgaben und Zielen verpflichtet. Es bleibt damit kein wesentlicher Raum zum Selbstentfaltung. Außerdem gehören dem Direktorenrat der RZˇ D nur sehr wenige unabhängige Direktoren an. Gewisse Einbußen der inhaltlichen Fremdbestimmung sind zudem hinzunehmen, da ein Ausgleich zwischen dem Demokratieprinzip und dem Wirtschaftlichkeitsgrundsatz gefunden werden muss. Der Generaldirektor der RZˇ D unterliegt zwar nicht ausdrücklich staatlichen Direktiven; ein gesetzlicher Autonomiespielraum steht ihm aber ebenfalls nicht zu. Vielmehr ist er der Hauptversammlung und dem Direktorenrat gegenüber rechenschaftspflichtig. Bereits aus rechtlicher Sicht ist der Einfluss des Staates damit enorm. Auf weitverbreitete informelle Steuerungsmöglichkeiten kommt es daher genauso wenig an wie auf faktische Einflussnahmen, die das Konzernrecht mit sich bringt.
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Stichwortverzeichnis Abwehrfunktion der Grundrechte siehe Abwehrrechte gegen den Staat Abwehrrechte gegen den Staat 204, 224, 226 f., 230, 238, 243, 255, 267, 269 ff., 282, 301 Aufsichtsrat 70 f., 84, 88, 96, 340, 364, 372 ff., 380 ff., 393, 396 f., 400 f., 415 f., 418 f., 431 f. Ausnahmentrias 206 ff., 212
Effizienzgrundsatz 306, 314 Eigengesellschaft 53, 70, 129 f., 165 ff., 184, 213, 223, 225, 290 f., 356, 385 Eurasische Wirtschaftsunion 354 f., 419, 431 Europarecht 213, 219, 278, 327, 336 f., 341, 355, 418 Europarechtliche Vorschriften siehe Europarecht
Beleihung 127 ff., 138, 141, 156 ff., 161 ff., 164, 180, 182, 184, 259, 277, 294, 304, 320, 331, 358, 426
Faktischer Konzern 390 ff. Fiskalgeltung der Grundrechte 125, 161, 179 Fiskalische Betriebe 79 f. Fiskustheorie 124 f., 127, 138, 141 ff., 146, 148 f., 161, 177, 184, 211, 259 f., 266, 317, 423, 426 Formenwahlfreiheit 65, 122 f., 136, 150 f. Funktionsnachfolge 232 f.
Demokratieprinzip 177, 197, 210, 224, 286, 288 ff., 295 f., 298, 300 ff., 311, 314 f., 319, 321 f., 336, 341, 344, 346, 352, 355, 357, 385, 389, 391, 418 f., 430, 432 Demokratische Legitimation 123, 131, 154, 157 f., 161 ff., 170, 197, 211, 224, 243, 286, 289 f., 292 ff., 305, 307 f., 311 ff., 316 ff., 336, 338, 340 f., 343 f., 355 ff., 359, 363 f., 372 f., 377, 380, 382, 385 f., 388 f., 391 ff., 395, 398 f., 405, 409, 415 ff., 423 f., 426, 429 ff. Direktorenrat 86, 313, 369, 395 ff., 400 ff., 404 ff., 409 f., 412, 414 ff., 419, 431 f. Duma siehe Staatsduma Durchgriff auf den Staat 225, 245, 285, 320 f., 429 f. Durchgriff auf die hinter der juristischen Person stehenden Menschen 166, 204, 209 f., 223 ff., 332, 428 Durchgriffsdogmatik siehe Durchgriff auf die hinter der juristischen Person stehenden Menschen Durchgriffsthese siehe Durchgriff auf die hinter der juristischen Person stehenden Menschen
Gemischtwirtschaftliche Unternehmen 48, 53, 65 f., 70, 86, 118, 128 ff., 137, 167 ff., 170 f., 176, 182, 288, 290 ff., 358, 405 Gesellschaftliches Substrat 64, 71 ff., 103, 130, 171, 202, 205 f., 210, 213, 223 ff., 248, 250 f., 258, 262, 266, 299, 332, 385, 428 Goldene Aktie 257, 287, 338, 365, 366 ff., 371, 396, 399, 401 ff., 408 Grundfreiheiten 220 f., 238 f., 337 Grundrechtstypische Gefährdungslage 166, 179, 190, 203, 205, 208 f., 213, 216, 224, 257, 260, 262, 266, 286, 344 Hauptversammlung 71, 86, 347, 368 f., 372, 374 f., 377 ff., 385, 387, 394 f., 399 ff., 405, 412, 415 f., 418 f., 431 f. Herrschendes Unternehmen 345, 389 ff., 415
Stichwortverzeichnis Infrastrukturunternehmen 232, 330, 332, 341 ff., 347 ff., 353, 360 f., 378 f., 389, 391, 397, 421 Juristische Person des Öffentlichen Rechts 47, 62 f., 67 ff., 76, 89 ff., 114 ff., 125, 129, 133, 139, 143 f., 148 ff., 153 ff., 159 f., 163 f., 173, 188, 190, 193, 198 f., 203 ff., 211 ff., 215 f., 220 ff., 273, 291, 317 f., 333, 370, 422, 425 ff. Konfusionsargument 203, 208, 254 Konzern 112, 168, 242, 297, 327 f., 340, 344, 348, 352, 361, 374, 380 f., 385, 389 ff., 403, 411 ff., 415, 417, 419, 424, 431 f. Konzernrecht siehe Konzern Legitimationsniveau
292, 302 ff.
Mittelbare Drittwirkung der Grundrechte 171, 229 ff, 236 ff., 244, 273 f., 279 ff. Nicht-kommerzielle juristische Person siehe nicht-kommerzielle Organisation Nicht-kommerzielle Organisation 75, 80 ff., 85, 88, 90 ff., 99, 101, 109 ff., 117 f., 153 ff., 160, 171, 177, 191, 194 f., 199, 249, 261, 276, 279, 315, 407, 425, 427 Nicht-kommerzielle Rechtsform siehe nichtkommerzielle Organisation Nicht-kommerzieller Charakter siehe nichtkommerzielle Organisation Öffentlich-rechtliche Gebilde 76 ff., 86, 92, 100 f., 138, 141, 143 f., 148, 189 f., 196, 252 ff., 258 f., 267, 273, 285 Öffentlich-rechtliche Kompanie 88 ff., 93 ff., 98, 101 f., 104 ff., 110 ff., 115, 117, 150, 153, 158 f., 163 f., 177, 187 f., 198 ff., 317, 319 f., 425 f. Personales Substrat siehe gesellschaftliches Substrat Personelles Substrat siehe gesellschaftliches Substrat Präsidialverwaltung 79, 91, 93 Primärrecht 53, 217, 240, 336 f.
481
Privatisierung 47 f., 50, 52, 54 ff., 61, 82, 86 f., 96 f., 114 f., 128, 137, 155, 157, 173, 179, 194 ff., 242, 299, 309, 313, 332, 337 f., 344, 348, 353, 360 f., 366 ff., 395 f., 398, 403 ff., 408, 412 f., 419, 427, 431 Privatrechtsförmige Verwaltung siehe Verwaltung in Privatrechtsform Regierungsverordnung 79 f., 152, 195, 316, 329, 330, 360, 362, 367, 394 ff., 401 ff., 407 f. Richtlinie 168, 217 ff., 237, 239 f., 244, 277 f., 280, 287 f., 337, 339 ff., 376, 384 Schaffung einer grundrechtstypischen Gefährdungslage durch Private für Private 241, 243 ff., 277, 283 f., 299, 421, 424, 428 Schutzfunktion der Grundrechte 226, 268, 270, 272 Sekundärrecht 237, 338 Soziales Substrat siehe gesellschaftliches Substrat Staatliche Aufgabe 50, 54, 62, 65, 104, 111, 114 ff., 120, 124, 136 f., 162 ff., 164, 166 ff., 170, 177 ff., 181, 185, 187, 192, 199 f., 207, 243, 258 f., 273, 276, 291, 293 ff., 303, 312, 316, 331, 334 ff., 343, 349 ff., 357, 361, 419, 426 f. Staatliche Kompanie 52 f., 76, 85, 88, 90, 93, 95 f., 101, 104 ff., 112, 117, 134, 163 f., 186 ff. Staatliche Korporation 47 f., 52 f., 55, 76, 81 ff., 88 f., 91 ff., 101 f., 104 ff., 109 ff., 115, 117, 134, 144, 150, 152, 154, 156 ff., 160, 162 ff., 173 ff., 186 ff., 194, 198 ff., 309, 314, 317 ff., 334, 366, 394, 422, 424, 426 Staatsaufgabe siehe staatliche Aufgabe Staatsduma 92, 264 f., 280 Unionsrecht 100, 217 ff., 237, 240, 244, 327 f., 336, 338, 341, 355, 357, 363, 371, 391, 393, 417 ff., 430 ff. Unionsrechtlich siehe Unionsrechte Unitarische Betriebe 56, 73, 76, 79 ff., 84, 87, 95, 103, 106 f., 112, 117, 133, 137, 141 f., 153, 164, 174, 176, 189, 255 ff.,
482
Stichwortverzeichnis
261 f., 266, 274, 276, 328 ff., 334, 368, 396 ff., 413 Unitarische Unternehmen siehe unitarische Betriebe Unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte 226 ff., 235, 237 ff., 273 Unternehmensziel 70, 111, 350, 375 ff., 398 Unternehmenszweck 70, 88, 294, 350 f., 363, 376 ff., 385, 398 Verkehrsunternehmen 328, 339, 341 ff., 352 f., 355, 365 Verordnung (EG) 357, 358 Verwaltung in Privatrechtsform 64, 113 ff., 124, 128, 144, 147, 150, 162, 180 f., 342, 352 Verwaltungsgesellschaftsrecht 364 ff., 368, 371 Verwaltungsprivatrecht 65 f., 115, 121 ff., 125 ff., 136 f., 145, 148, 151, 160, 163, 167, 179, 364 ff., 422
Vorstand 71, 296 f., 326, 340, 365, 374, 376 f., 379 ff., 385 ff., 391 ff., 412, 416 ff., 431 f. Wahlfreiheit der Verwaltung 65 f., 114 ff., 118, 120, 122 ff., 129, 135 ff., 146, 150 f., 152, 161, 163, 425 f. Weisung 68, 70 f., 131, 137, 208, 211, 288, 302 f., 326, 340, 344 f., 348, 351 f., 364, 379, 382 ff., 389 ff., 399, 401 ff., 409, 411 f., 414 ff., 431 f. Wesensgehalt der Grundrechte 216 Wesensgemäße Anwendbarkeit der Grundrechte 204 ff., 223 ff., 245, 247 ff., 301, 321, 428 Zuweisungsgehalt der Rechtsform 62, 64 f., 116 ff. 208 Zweistufentheorie 121 f., 134 f., 137, 151