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German Pages 136 Year 1992
ANDREA STRIEN
Einflüsse des deutschen Strafrechts auf die jüngere Strafrechtsreformbewegung in Spanien
Kölner Kriminalwissenschaftliche Schriften Flerausgegeben von Flans Joachim Flirsch, Gönter Kohlmann Michael Walter, Thomas Weigend Professoren an der Universität zu Köln
Band 8
Einflüsse des deutschen Strafrechts auf die jüngere Strafrechtsreformbewegung in Spanien
Von
Andrea Strien
Duncker & Humblot . Berlin
Gedruckt mit Unterstützung der Gesellschaft für Rechtsvergleichung, Deutsche Landesgruppe im Internationalen Verband der Rechtswissenschaft, Göttingen
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Strien, Andrea:
Einflüsse des deutschen Strafrechts auf die jüngere Strafrechtsrefonnbewegung in Spanien / von Andrea Strien. Berlin : Duncker und Humblot, 1992 (Kölner Kriminalwissenschaftliche Schriften; Bd. 8) Zugl.: Köln, Univ., Diss., 1991 ISBN 3-428-07401-7
NE:GT
Alle Rechte vorbehalten © 1992 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fremddatenübemahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Gennany ISSN 0936-2711 ISBN 3-428-07401-7
Vorwort Die Abhandlung hat im Wintersemester 1990/91 der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln als Dissertation vorgelegen. Für die Drucklegung konnten Rechtsprechung und Schrifttum bis zum 31.12.1990 berücksichtigt werden. Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Hans Joachim Hirsch, der die Arbeit angeregt und gefördert hat, bin ich zu besonderem Dank verpflichtet. Den Mitarbeitern des Kölner Kriminalwissenschaftlichen Instituts danke ich herzlich für ihre kontinuierliche Unterstützung, ganz besonders Herrn Prof.Dr. Georg Küpper für seine unermüdliche freundschaftliche Bereitschaft zur kritischen Diskussion. Vielerlei Hilfe ist mir auch von spanischer Seite zuteil geworden. Herrn Prof. Dr. Ignacio Berdugo G6mez de la Torre danke ich für seine Gastfreundschaft, Herrn Roberto Sanchez Ocafia für seine Unterstützung bei der Materialbeschaffung. Meinen besonderen Dank möchte ich an dieser Stelle Herrn Prof. Dr. Jose Cerezo Mir aussprechen, der mit seiner steten Hilfsbereitschaft die Klärung spezieller Fragestellungen erst ermöglicht hat. Für redaktionelle Zuarbeit gilt meiner Mutter, Frau Renate Strien, mein herzlichster Dank. Schließlich danke ich der Gesellschaft für Rechtsvergleichung für die gewährte Druckkostenbeihilfe. Köln, im September 1991
Andrea Strien
Inhaltsverzeichnis Einleitung
1-3
1. Kapitel
Historischer Teil
16
A. Die Refonnsituation: Entwicklung des C6digo Penal von 1848 - 1971 .......
16
B. Die jüngere spanische Strafrechtsrefonngeschichte .............................
20
I. 1972 bis 1976 ...... ....... ..................................................
20
11. 1977 bis 1983 .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Vorschlag eines Vorentwurfs von 1983 ...............................
20 22 25 26
C. Zusammenfassung ..................................................................
28
1. Inhalt des Regierungsentwurfs von 1980 .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Teilrefonngesetz von 1983 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Kapitel
Dogmatischer Teil
30
A. Verbrechensdefmition, "Versari-Prinzip" und erfolgsqualifIzierte Delikte im alten Recht ..........................................................................
30
I. Wortlaut des Art. 1 CP a. F. ...............................................
30
11. Kemprobleme des Art. 1 CP a. F. ........................................ 1. Der Begriff "voluntario" ................................................
2. Erfolgshaftung und "Versari-Prinzip" ................................. 3. Der Ausschließungsgrund des "caso fortuito" ........................
30 30 32 32
4. Erfolgsqualifizierte und präterintentionale Delikte (insbesondere präterintentionale Tötung) .................................................. 5. Zusammenfassung .......................................................
34 36
B. Verbrechensdefmition, Schuldprinzip und erfolgsqualifizierte Delikte nach der Teilrefonn von 1983 .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
I. Wortlaut von Art. 1 CP ....................................................
37
11. Amtliche Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
ID. Regelungsgegenstand von Art. 1 Abs. 1 CP .............................
37
Inhaltsverzeichnis
8
IV. Vergleich des Art. 1 Abs. 1 CP mit §§ 12 und 15 StOB
39
V. Ausschluß der Erfolgshaftung in Art. 1 Abs. 2 S. 1 CP ................
41
VI. Bedeutung von Art. 1 Abs. 2 S. 1 CP im Hinblick auf die Schuldidee 1. Die Vorgängervorschrift im Regierungsentwurf von 1980: Art. 3 S. 1 E 1980 ............................................................... 2. Die Regelung im Teilreformgesetz von 1983: Art. 1 Abs. 2 S. 1 CP 3. Die im Vorentwurfsvorschlag von 1983 vorgesehene Bestimmung: Art. 3 VE 1983 ......................... .... ......... ....................
42
VII. Anerkennung des Schuldprinzips im Vergleich des spanischen und des deutschen Strafgesetzbuchs ................. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Art. 3 S. 1 E 1980 ....................................................... 2. Art. 1 Abs. 2 S. 1 CP ..... ... ... ..... ....... ... ... .......... ... ... ...... 3. Art. 3 VB 1983 ..... ... ................. ..... ..... ... ... ....... ... ....... 4. Zusammenfassung und Tendenz .......................................
vm.
Präterintentionale und erfolgsqualifizierte Delikte: Art. 1 Abs. 2 S. 2 CP 1. Vergleich von Art. 1 Abs. 2 S. 2 CP mit § 18 StOB ..................... a) Objektive Voraussetzungen und Rechtsfolgen ...................... b) Die subjektiven Beziehungen zu der besonderen Folge............. aa) Neuere Lehrmeinungen in Spanien zur Vorsatz-Vorsatzkombination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Auffassung des Tribunal Supremo ......................... 2. Sonderfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorsätzliche Körperverletzung mit fahrlässiger Todesfolge ....... aa) Die Auffassung von Rechtsprechung und Lehre nach der Teilreform von 1983 ................ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Tatbestand der Körperverletzung mit Todesfolge im Regierungsentwurfvon 1980 ...................................... 3. RaubmitTodesfolge ... ............... ....... ..... ... ... .... ......... .... 4. Zusammenfassung........................................................
42 44 45 45 46 47 47 47 49 49 49 52 54 59 60 60 61 63 63 65
IX. Die spanische Diskussion um Unrecht und Schuld bei den erfolgsqualifizierten Delikten de lege ferenda ............................................. 1. Grundsätzliche Kritik .................................................... 2. Konkurrenzlösung .... . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konkrete Oefährdungsdelikte ........................................... 4. Erfolgsqualifizierte Delikte und der Vorentwurfsvorschlag von 1983 5. Zusammenfassung und Stellungnahme .................................
66 67 68 69 70 71
C. Tatbestands- und Verbotsirrtum im alten Recht....................................
74
I. Die Rechtsprechung des TribUnal Supremo ................................
75
11. Die Entwicklung in der Lehre ............................................... 1. Vorsatztheorie ................ ........... ........ ....... ..... .............
76 77
Inhaltsverzeichnis
9
2. Schuldtheorie .............................................................
78
3. Vennittelnde Ansicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
79
ill. Zusammenfassung ...........................................................
80
D. Tatbestands- und Verbotsirrtum nach der Teilrefonn von 1983 . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80
I. Wortlaut von Art. 6 bis a CP .................................................
80
11. Entstehungsgeschichte.......................................................
81
ill. Motive ........................................................................
82
I. Kritik gegenüber der Vorsatztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
83
2. Inhalt des Unrechtsbewußtseins .........................................
84
3. AbwandlungenderVorsatztheorie ..... ..... ...... ....... ... ... ... ......
85
a) EingeschränkteVorsatztheorie ......................................
85
b) Rechtsfahrlässigkeitslösung .........................................
86
4. Zusammenfassung........................................................
88
IV. VergleichvonArt.6bisaCPmit§§ 16und17StOB ......................
89
l. Regelungsinhalt von Art. 6 bis a Abs. 1 CP ............ . . . . . . . . . . . . . . . . . .
89
2. Regelungsgegenstand von Art. 6 bis a Abs. 3 CP .......................
90
3. Art. 6bisaAbs. 1 und Abs. 2CPim Vergleich zu § 16 Abs.1 StOB ...
92
a) Systematische Einordnung.............................. ... ... ... .. ..
92
b) "Unelementoesencial" (ein wesentliches Merkmal) .. ...... .......
93
c) "Oqueagravelapena"(oderdieStrafeerschwert) .................
94
d) Irrtum über strafmildernde Merkmale ...............................
97
e) Die Rechtswirkung des "unvenneidbaren" Tatbestandsirrtums ...
97
f) Der "venneidbare" Tatbestandsirrtum: Art. 6 bis a Abs. 2 CP ..... .
98
4. Art. 6 bis a Abs. 3 CP im Vergleich zu § 17 StOB .......................
99
a) ,,La creencia er6nea de estar obrando licitamente" (der irrige Glaube, rechtmäßig zu handeln) ...........................................
99
b) Die Rechtswirkung des unvenneidbaren Verbotsirrtums . . . . . . . . . . .
101
c) Der venneidbare Verbotsirrtum: Art. 6 bis a Abs. 3 S. 2 CP
102
aa) Obligatorische Strafmilderung... . .. .. . .. ..... ... .. ... ... ... ....
103
bb) Vorsatz- oder Schuldtheorie? ...................................
105
V. Grenzfälle zwischen Tatbestands- und Verbotsirrtum .....................
109
I. Irrtum über einen rechtfertigenden Sachverhalt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
109
a) Vor der Teilrefonn von 1983 .........................................
110
aa) Eingeschränkte und strenge Schuldtheorie sowie die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen .........................
110
bb) Die Rechtsprechung des Tribunal Supremo ..... . . . . . . . . . . . . . . .
113
b) Die Situation de lege lata .............................................
113
aa) Lehrmeinungen ..... ...... .......... ... ....... ...... ..... ... .....
114
10
Inhaltsverzeichnis bb) Die Rechtsprechung des Tribunal Supremo .............. . . . . . . cc) Stellungnahme ................................................... 2. Der Irrtum über einen Entschuldigungsgrund nach der Teilreform von 1983 .......................................................................
116 117
VI. Der Einfluß des deutschen Strafrechts auf Art. 6 bis a CP ..................
119
Gesamtergebnis
120
Anhang: Spanischer Text der untersuchten Vorschriften
122
Literaturverzeichnis
125
119
Abkürzungsverzeichnis · A. = Aranzadi, Repertorio de Jurisprudencia ADPCP = Anuario de Derecho Penal y Ciencias penales AP = Propuesta de Anteproyecto deI Nuevo C6digo Penal ARL = Aranzadi, Repertorio de LegisIaci6n = C6digo Civil CC CE = Constituci6n Espafioia CP = C6digo Penal = Cuadernos de Polftica Criminal CPC P 1980 = Proyecto de C6digo Penal de 1980 = Parte Especial PE PO = Parte General RDFD = Revista Facultad de Derecho Universidad Complutense de Madrid RGll = Revista General de LegisIaci6n y Jurfsprudencia RJC = Revista Jurfdica de Catalufia = Tribunal Supremo TS
• zum spanischen Recht
Einleitung ,,Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß die modeme deutsche Verbrechenslehre auch außerhalb der Grenzen unseres Landes vielfach auf kritisches Interesse stößt und als ein mitbestimmender Faktor der dogmatischen Auseinandersetzung Bedeutung erlangt hat" 1. Zahlreiche rechtsvergleichende Arbeiten und ausländische Äußerungen belegen diese Feststellung. Im folgenden wird der Frage nachgegangen, inwieweit die deutsche Strafrechtswissenschaft auch auf das modeme Strafrecht Spaniens Einfluß genommen hat. Die Auswirkungen der neueren Entwicklung des deutschen Strafrechts gerade auf die jüngere spanische strafrechtliche Reformdiskussion zu prüfen bietet sich deshalb an, weil eine traditionell enge Verflechtung der beiden Rechtsordnungen besteht 2• Die intensiven deutsch-spanischen Beziehungen in der Strafrechtswissenschaft reichen bereits mehrere Jahrhunderte zurück. Sie verdichteten sich in den letzten Jahrzehnten, was vor allem dem namhaften spanischen Strafrechtler Jimenez de ASUa 3 zu verdanken ist. Das besondere Interesse an der deutschen Strafrechtswissenschaft gerade in jüngster Zeit manifestiert sich zum einen in der Fülle deutscher Fachliteratur in den spanischen Universitäten 4. Aber auch die zahlreichen Forschungsaufenthalte spanischer Strafrechtler an deutschen strafrechtlichen Instituten und die regelmäßig stattfindenden deutsch-spanischen FachveranstaltungenS zeigen die Aufgeschlossenheit der spanischen StrafrechtsHünerjeld, Strafrechtsdogmatik, S. 15. Vgl. hierzu insbesondere Hünerjeld, in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S. 3. Die Verbindung beider Rechtsordnungen wird von diesem Autor als so eng angesehen, daß er von einer Art Vermählung der spanischen und der deutschen Lehre spricht, S. 13; siehe zudem Barbero Santos, ADPCP 1974, S. 12; Eser, JZ 1983,673; Hirsch, in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S. V f.; Jescheck, in: Estudios Penales, VIll, 1985, S. 46 f., 76 ff., sowie Perron, Rechtfertigung und Entschuldigung, S. 157 ff. 3 Er übersetzte 1914 zusammen mit Quintiliano Saldaiia die 18. Aufl. des von Lisztschen Lehrbuchs, vgl. Rodrtguez Devesa, in: Festschrift für Jescheck, S. 201. Eine ganz entscheidende Bedeutung für die Rezeption der deutschen Strafrechtsdogmatik durch die spanische Strafrechtswissenschaft kommt darüber hinaus dem von Jimenez de Asua 1931 in Spanien gehaltenen Vortrag "La teoria juridica deI delito" zu. Denn hierin regte dieser Madrider Strafrechtslehrer an, ein an die Lehre Betings angelehntes Verbrechenssystem für die spanische Dogmatik zu übernehmen. Allgemein zur Bedeutung von Jimenez de AsUa siehe Barbero Santos, in: Homenaje Jimenez de Asua, S. 15 ff.; Mattes, ZStW 84 (1972), S. 149. 4 Es gibt dort nicht nur eine umfassende Sammlung von deutschen strafrechtlichen Kommentaren, Lehrbüchern und Fachzeitschriften, sondern in den Universitätsbibliotheken fmden sich zudem wesentliche deutsche strafrechtliche Monographien und zumeist auch die Entwürfe und Materialien zur deutschen Strafrechtsreform. 1
2
14
Einleitung
wissenschaft gegenüber den Erkenntnissen der deutschen Strafrechtsdogmatik und der Entwicklung der deutschen Judikatur. Bedeutende spanische Strafrechtswissenschaftler, die sich wiederholt zu längeren Forschungsvorhaben in Deutschland aufhielten und hierdurch mit den Entwicklungen im deutschen Strafrecht besonders vertraut sind, haben wesentlich an den Arbeiten zur spanischen Strafrechtsreform mitgewirkt 6, was ebenfalls eine Untersuchung des deutschen Einflusses ergiebig erscheinen läßt. Seit einigen Jahren besteht aber auch ein wachsendes deutsches Interesse an der spanischen Strafrechtswissenschaft. Dies liegt darin begründet, daß zur Zeit in Deutschland die Strafrechtsreform von 1975 rückblickend bewertet wird 7 und gerade die Rechtsvergleichung einen bedeutsamen Beitrag zur Überprüfung des eigenen Standpunkts leisten kann 8 • Konkret untersucht werden soll der Einfluß des deutschen Strafrechts anband des am 25. Juni 1983 in Kraft getretenen Gesetzes über die sogenannte dringende Teilreform (Ley de Reforma Urgente y Parcial dei C6digo Penal)9. Ergänzend wird im Rahmen der Untersuchung auf den Regierungsentwurf von 1980 (Proyecto de 1980) IO eingegangen werden. Dieser wurde zwar aufgrund politischer Erwägungen aus dem Gesetzgebungsverfahren zurückgezogen und daher nie Gesetz; gleichwohl ist er von entscheidender Bedeutung. Die erwähnte Teilreform von 1983 weist nämlich nur geringfügige Abweichungen gegenüber den entsprechenden Artikeln des E 1980 auf. Die grundlegenden dogmatischen und kriminalpolitischen Weichenstellungen waren bereits bei den Vorarbeiten zu dem Regierungsentwurf vorgenommen worden. Zudem lassen sich einige scheinbar unstimmige Regelungen des Teilreformgesetzes von 1983 nur unter Rückgriff auf den E 1980, der auf eine Gesamtreform zielte, erklären.
S Gerade im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Einsetzen der jüngeren Strafrechtsreformbewegung in Spanien - also etwa ab Ende der 70er Jahre - war man dort an einem intensiven fachlichen Meinungsaustausch mit den deutschen Kollegen interessiert. Es fanden mehrere spanisch-deutsche Kolloquien statt, in denen sowohl methodische als auch inhaltliche Grundfragen der anstehenden spanischen Strafrechtsreform eingehend erörtert wurden. Über die Thematik einiger dieser Fachtagungen berichten u. a.: Arroyo Zapatero, ZStW 95 (1983), S.264; Barbero Santos, in: La reforma penaI, cuatro cuestiones fundamentales, S. 12 ff.; Küpper, NJW 1987, 558; Mir Puig, Doctrina PenaI, 1979, S. 463 f.; Queralt, ZStW 92 (1980), S. 844. 6 Barbero Santos, Cerezo Mir, Cobo dei Rosal, Gimbernat Ordeig, Luzon Pena, Mir Puig, Munoz Conde, Quintero Olivares, Rodrfguez Mourullo .. 7 Vgl. hienu etwa Hirsch, in: Gedächtnisschrift für Hilde Kaufmann, S. 133. 8 Zur Bedeutung der Rechtsvergleichung siehe Jescheck, in: Festschrift für Middendorf, S. 133. 9 Im folgenden: Teilreformgesetz von 1983. Ley Organica 8/1983 vom 25.6.1983, veröffentlicht in: Boletfn Oficial dei Estado Nr. 152 vom 27.8.1983 (= ARL. 1325). 10 bn folgenden: E 1980. Veröffentlicht in: Boletfn Oficial de las Cortes Generales, Congreso de los Diputados, Serie A, 1980, S. 657 ff.
Einleitung
15
Schließlich wird auf den zur Zeit diskutierten Vorschlag eines Vorentwurfs zum C6digo Penal (Propuesta de Anteproyecto deI nuevo C6digo Penal) 11 eingegangen werden, soweit dieser neues Gedankengut gegenüber dem E 1980 und dem Teilreformgesetz von 1983 enthält l2 • Ziel der Arbeit ist es zu untersuchen, ob und inwieweit die bundesdeutsche Diskussion sowie die daraus resultierenden Ergebnisse und Gesetzesformulierungen in wesentlichen neuen Vorschriften des C6digo Penal Berücksichtigung erfahren haben oder zumindest in die spanische Reformdiskussion eingeflossen sind. Dies soll exemplarisch an zwei zentralen Vorschriften des heute geltenden spanischen Strafgesetzbuchs untersucht werden. Dabei geht es zum einen um die (fragmentarische) Verbrechensdefinition in Art. 1 CP und die erfolgsqualifizierten Delikte, die in derselben Vorschrift eine Regelung erfahren haben. Damit hängt auch die Frage zusammen, wie weit das Schuldprinzip durch Art. 1 CP im C6digo Penal verankert ist. Zum anderen wird auf Art. 6 bis a CP, eine Bestimmung über den Tatbestands- und Verbotsirrtum, eingegangen werden. Diese beiden Artikel wurden als Untersuchungsgegenstand ausgewählt, weil sie einen Schwerpunkt in der spanischen Reformdiskussion bilden. Da auch in Deutschland im Zusammenhang mit den entsprechenden Regelungen des hiesigen Strafgesetzbuchs noch immer eine Reihe ungelöster Fragen erörtert werden, könnte die Darstellung der diesbezüglichen spanischen Überlegungen und Entscheidungen zugleich eine Anregung für die deutsche Strafrechtswissenschaft bieten. Bevor im einzelnen auf die genannten Vorschriften des Teilreformgesetzes eingegangen wird, soll der Blick zunächst auf den C6digo Penal gerichtet werden, den es zu reformieren galt. Im Anschluß daran wird ein Überblick über den Verlauf der Reformarbeiten gegeben, wobei jeweils Bezug zur deutschen Strafrechtsreform von 1975 hergestellt wird.
Im folgenden: VE 1983; hrsg. vom Ministerio de Justicia, 1983. Auch der Vorentwurfsvorschlag, der ebenfalls bereits 1983 entstand, war auf eine Gesamtreform des C6digo Penal gerichtet. 11
12
1. Kapitel
Historischer Teil A. Die Reformsituation: Entwicklung des C6digo Penal von 1848 -1971 Die Ursprünge des 1973 in Kraft getretenen Strafgesetzbuchs von 1971, das in Spanien bis zur Teilrefonn vom 25.6.1983 galt, gehen auf den C6digo Penal von 1848 zurück'. Demnach hat die Refonn des spanischen Strafgesetzbuchs ebenso wie die des deutschen - auch hier wurde bekanntlich erst nach mehr als 100 Jahren das Reichsstrafgesetzbuch von 1871 durch das 2. Strafrechtsrefonngesetz im AT umgestaltet 2 - eine sehr lange Geschichte. Zwar bemühte man sich sowohl in Deutschland als auch in Spanien bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts immer wieder um Neukodifizierungen; dennoch kam es in der Bundesrepublik erst 1975 zu einer umfassenden Neugestaltung des Allgemeinen Teils und in Spanien sogar erst im Jahre 1983 zu einer inhaltlich weitreichenden Teilrefonn. Obwohl in Spanien von 1848 bis heute mehrere "neue" Strafgesetzbücher in Kraft getreten sind 3 , wurde das damals geltende Strafgesetzbuch bis zur oben genannten Dringlichkeitsreform von 1983 weder in seiner Struktur noch seinem Inhalt und seinen Grundprinzipien nach nennenswert verändert. Teilweise lehnte man sich auch in den Formulierungen immer wieder an das Gesetz von 1848 an. Dies ist insofern verständlich, als das spanische Strafgesetzbuch von 1848, was die Übereinstimmung und Abfassung der gesetzlichen Tatbestände anbetrifft, auch in jüngerer Zeit noch als ein besonders gut gelungenes Gesetzeswerk angesehen wird 4. Inhaltlich hingegen wies es - insbesondere nach den Maßstäben eines modemen Strafrechts - einen gravierenden Mangel auf: Es galt das aus dem kanonischen Recht stammende Versari in re illicita-Prinzip, nach dem der Täter für alle Folgen einer rechtswidrigen Handlung verantwortlich ist, auch wenn er diese weder wollte noch voraussehen konnte s. Art. 8 Nr. 8 CP , Zu der ersten Fassung des CP, aus dem Jahre 1822, siehe CasabO Ruiz, in: Homenaje Ant6n Oneca, S. 919. 2 Einen Überblick über die Entwicklung des Reichsstrafgesetzbuchs gibt Eser, in: Criminal Law in Action, S. 49. 3 Näher dazu Barbero Santos, ZStW 87 (1975), S. 397; Cerezo Mir, Curso I, 1985, S. 107 ff.; Quintero Olivares, in: Documentaci6n Juridica, S. 3. 4 Vgl. etwa Barbero Santos, in: Festschrift für Jescheck, S. 894. S Über die Bedeutung des Versari-Prinzips im CP: Cerezo Mir, Problemas fundamentales, S. 60 m. w. N.
A. Refonnsituation: Entwicklung des C6digo Penal von 1848-1971
17
von 1848 und weitere Vorschriften des damaligen Strafgesetzbuchs, die bis zur Teilrefonn von 1983 im spanischen Strafgesetzbuch enthalten waren 6 , schrieben ausdrücklich eine rein objektive Tatverantwortlichkeit fest. Viel stärker als im deutschen Strafgesetzbuch, wo bereits im Jahre 1953 durch die Einführung des damaligen § 56 StGB die Erfolgshaftung wesentlich eingeschränkt wurde und die Täterpersönlichkeit mehr in den Vordergrund trat, "umschwebte" das VersariPrinzip "wie ein Gespenst den spanischen C6digo Penal ..."7 noch bis zum Zeitpunkt der Teilrefonn von 1983. Auf diese Besonderheit des spanischen Strafgesetzbuchs von 1848 wird hier deshalb ausdrücklich hingewiesen, weil es bei der Teilrefonn von 1983 hauptsächlich darum gehen sollte, die Bekundungen zum Versari-Prinzip endgültig aus dem Strafgesetzbuch zu eliminieren 8 • Auch im Rechtsfolgensystem und bei den Vorschriften über die richterliche Strafzumessung unterschied sich das spanische Strafgesetzbuch von 1848 wesentlich von dem deutschen Reichsstrafgesetzbuch 9• Kennzeichnend für den damaligen C6digo Penal waren - und diese Charakteristika finden sich abgeschwächt auch noch nach der Teilrefonn von 1983 im Rechtsfolgensystem - die auf dem Vergeltungsgedanken beruhende qualitative Differenzierung bei der Strafvollstreckung, die sich zudem in unterschiedlichen Bezeichnungen der Freiheitsstrafen niederschlug (cadena, reclusi6n, relegaci6n, presidio und prisi6n) sowie die exzessiven Höchststrafen. Im Unterschied zum deutschen Strafgesetzbuch von 1871, das mit seiner liberalen Grundhaltung "eine Bevonnundung des Richters" \0 unterließ, schränkte das damalige spanische legislatorische Strafzumessungssystem, welches äußerst umständlich ausgestaltet war, das richterliche Ennessen fast vollkommen ein. Auf der Suche nach der absoluten Gerechtigkeit versuchte man bereits im Gesetz selbst ,,mit beinahe mathematischer Genauigkeit Strafhöhe und Strafart für jedes Delikt zu bestimmen, wie wenn man mit der Genauigkeit, mit der der geschuldete Gegenstand festgestellt worden war, nunmehr festlegen wollte, wie hoch die Gegenleistung sein müsse" 11. Dies führte dazu, daß es dem Richter nahezu unmöglich gemacht wurde, im Rahmen der Strafzumessung der Täterschuld Rechnung zu tragen 12. Diese Besonderheiten des spanischen Strafrechts sind deshalb hervorzuheben, weil sie sich teilweise auch heute noch, nach der Teilrefonn von 1983, bei der Diskussion und Umsetzung von in der deutschen Strafrechtsdogmatik entwickelten Lösungen auswirken. 6 7
Siehe hierzu Cerezo Mir, Problemas fundamentales, S. 60 ff. Munoz Conde, in: Strafrecht und Strafrechtsrefonn, S. 317.
So die amtliche Begründung zum Teilrefonngesetz von 1983 (ARL. 1325). Zu den Besonderheiten des spanischen Rechtsfolgensystems eingehend Bacigalupo, in: Strafrechtsrefonn, S. 116 f.; ders., ZStW 92 (1980), S. 762 f. 10 Maurach/ Zipf, AT, S. 51, in bezug auf das preußische StGB von 1851, auf welches das RStGB von 1871 im wesentlichen zurückgeht. 11 So Barbero Santos, ZStW 87 (1975), S. 405 f., unter Bezugnahme auf die von Silvela vorgenommene Charakterisierung, S. 405 Fn. 24. 12 Dahingehend Bacigalupo, in: Strafrechtsrefonn, S. 117. 8
9
2 Stricn
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1. Kap.: Historischer Teil
Sowohl in Deutschland als auch in Spanien waren die auf die ersten Strafgesetzbücher folgenden Novellen oftmals durch politische Umstrukturierungen bedingt. Als Reaktion auf die französische Revolution von 1848 erfolgte im Jahre 1850 in Spanien zunächst eine Reform mit autoritärem Charakter und im Jahre 1870 eine weitere, etwas liberalere 13. Diese beiden Gesetzbücher enthielten jedoch lediglich unwesentliche Abänderungen gegenüber dem Strafgesetzbuch von 1848 14• Das spanische Strafrechtsreformgesetz von 1928 hingegen war von der modemen Defense Sociale 15 und der soziologischen Strafrechtsschule Deutschlands 16 beeinflußt. In seiner kriminalpolitischen Grundposition unterschied es sich insoweit von den Strafgesetzbüchern der Jahre 1848 und 1870 als nunmehr auch die Täterpersönlichkeit in präventiver Hinsicht Berücksichtigung fand. Andererseits war auch dieses Strafgesetzbuch, wie schon das von 1870, in seiner politischen Grundposition autoritären Charakters, was damit zusammenhängt, daß es unter der Diktatur von Primo de Rivera ausgearbeitet worden war. Der C6digo Penal von 1931, an dessen Ausarbeitung die namhaften Strafrechtler Jimenez de Asua l7 , Ant6n Oneca l8 und Rodrfguez MuflOZ I9 wesentlich beteiligt waren, brachte entsprechend der politischen Entwicklung in Spanien - am 14. April 1931 war die Republik ausgerufen worden - Fortschritte im Hinblick auf eine Humanisierung des Strafrechts unter Berücksichtigung der Ideen der modernen Kriminalpolitik 20 • Ähnlich wie der deutsche Entwurf Radbruchs von 1922 bildet der C6digo Penal von 1931 in Spanien den Höhepunkt, aber auch gleichzeitig das vorläufige Ende der bis zu diesem Zeitpunkt stattgefundenen Strafrechtsreformbewegung, welche im Einklang mit den modemen Tendenzen des 20. Jahr13 Vgl. Barbero Santos, ZStW 87 (1975), S. 406; Maurer, in: Die Freiheitsstrafe und ihre Surrogate, S. 942. 14 Hierzu näher Cerezo Mir, Curso I, 1985, S. 110 f. 15 Zu dieser kriminalpolitischen Bewegung vgl. Cerezo Mir, Curso I, 1985, S. 114; Jescheck, AT, S. 66 m. w. N. Der Einfluß der modemen D6fense Sociale im CP machte sich besonders dadurch bemerkbar, daß zum ersten Mal in das Rechtsfolgensystem des CP Sicherungsmaßregeln aufgenommen wurden und bei der Strafbemessung die Gefährlichkeit des Täters Berücksichtigung fand. Zudem trat die Täterpersönlichkeit dadurch in den Vordergrund, daß im CP von 1928 die Möglichkeit einer vorzeitigen Entlassung des Täters vorgesehen war, wenn dieser bei der Strafverbüßung besondere Reue gezeigt hatte. 16 Vgl. hierzu Jescheck, AT, S. 65. Das Gedankengut von Liszts, als Begründer dieser modemen Strafrechtsschule, fand in den CP von 1928 über Quintiliano Sa/dana (18781938) Eingang; zu diesem namhaften spanischen Strafrechtslehrer siehe Jimenez de AsUa, Tratado I, S. 881 ff., und 11, S. 107 ff., S. 134 f. 17 Zu Jimenez de AsUa siehe bereits Einleitung Anm. 3. 18 Als Schüler von Jimenez de AsUa zählt dieser Strafrechtslehrer (1897 -1981) und ehemalige Direktor der spanischen strafrechtlichen Fachzeitschrift ,,Anuario de Derecho Penal y Ciencias Penales" zu den bedeutendsten spanischen Strafrechtswissenschaftlem, vgl. Cerezo Mir, Curso I, 1985, S. 97. 19 Ebenfalls Jimenez de AsUas Schüler, besonders beeinflußt durch Binding und Mezger; näher über Rodrtguez Munoz siehe Jimenez de Asua, Tratado I, S. 887 ff. 20 Barbero Santos, ZStW 87 (1975), S. 424; Cerezo Mir, Curso I, 1985, S. 116.
A. Refonnsituation: Entwicklung des C6digo Penal von 1848 - 1971
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hunderts gestanden hatte. Zwar blieb der C6digo Penal von 1931 in Spanien auch noch während des Bürgerkriegs und einige Jahre der Franco-Ära in Kraft. Er wurde jedoch durch zahlreiche Teilrefonnen in Richtung auf eine besonders strenge und repressive Gesetzgebung verändert 21 • Das folgende Strafgesetzbuch, der C6digo Penal von 1944 bedeutete ebenso wie der deutsche Entwurf von 1936 eine erneute Abkehr von der rechtsstaatlichen, freiheitlichen und humanitären Grundhaltung des vorherigen Strafgesetzbuchs 22. Die nunmehr besonders autoritäre Gestaltung des Strafrechts war in Spanien durch das Franco-Regime, in Deutschland durch den Nationalsozialismus bedingt. Wenn auch der C6digo Penal von 1944 in Spanien, wie der deutsche Entwurf von 1936 zur Zeit des Nationalsozialismus, in seiner Härte noch nicht den Anforderungen des politischen Machtapparates genügte, so ennöglichte er dennoch durch seinen repressiven Charakter den Mißbrauch des Strafrechts während der Franco-Diktatur. Lediglich im Rechtsfolgensystem wies das damalige Strafgesetzbuch neben den für einen autoritären Staat charakteristischen Änderungen auch positive Neuerungen auf 23 • Obwohl in der Franco-Ära nicht auf eine Änderung der Gesamtstruktur des C6digo Penal von 1848 hingewirkt wurde 24, hatten die strafrechtlichen Refonnen zwischen 1944 und 1975 zur Folge, daß die innere Geschlossenheit des Gesetzbuches immer mehr verloren ging 2S • Dies trat bereits sehr deutlich im C6digo Penal von 1944 zutage. Die Strafrechtsrefonn vom 15.11.1971 26 -die letzte umfassendere Gesetzesnovellierung innerhalb der Franco-Diktatur 27 - kann als Abschluß einer Epoche vor Einsetzen einer völlig neuen Refonnbewegung angesehen werden. Die Aufgabe der neuen Refonnbewegung bestand darin, ein - genauso wie das Reichsstrafgesetzbuch von 1871 - durch zahlreiche Gesetzesnovellierungen SieheBarberoSantos, ZStW 87 (1975), S. 427; CerezoMir, Curso 1,1985, S. 117 f. Zur Strafgesetzgebung in Spanien von 1936 - 1945 vgl. insbesondere Berdugo Gomez de la Torre, RDFD Nr. 3, monogrMico, 1980, S.97; Gimbernat Ordeig, in: Ausländisches Strafrecht der Gegenwart, S. 316. Über die deutschen Strafgesetze aus jener Zeit berichtet leseheck, AT, 2. Aufl., S. 81 f. Obwohl in dieser Zeit in Spanien sich eher ein Einfluß des Faschismus Italiens als des deutschen Nationalsozialismus bemerkbar machte, zeigten sich in der Härte der Strafe sowie der schonungslosen Verfolgung des politischen Gegners deutliche Parallelen zum Strafrecht des Dritten Reichs, worauf auch Cerezo Mir, Curso I, 1985, S. 119, hinweist. 23 Siehe hierzu im einzelnen Cerezo Mir, Curso I, 1985, S. 120 f. 24 Hierauf wurde in der Präambel zum Refonngesetz von 1944 ausdrücklich hingewiesen, vgl. Barbero Santos, in: La refonna penal, cuatro cuestiones, S. 10 Fn. 1.; siehe auch Mir Puig, PG, S. 14. 2S Barbero Santos, in: Festschrift für Jescheck, S. 895; Quintero Olivares, in: Documentaci6n Juridica, S. 4; Quintero Olivares / Munoz Conde, La refonna penal, S. 13. 26 Diese Gesetzesnovellierung war nochmals von dem Bemühen geprägt, die politische Entwicklung in Richtung auf eine katholische, soziale, repräsentative Monarchie zu lenken, vgl.Cerezo Mir, Curso I, 1985, S. 123. 27 Von 1939 bis 1975. 21
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1. Kap.: Historischer Teil
nunmehr "verfonntes" Strafgesetzbuch technisch und inhaltlich gänzlich neu zu gestalten. Wie diese jüngeren Refonnen fonnal abliefen und zu welchen Ergebnissen man hierbei in Spanien gelangte, gilt es im folgenden darzustellen. Nur auf dem Hintergrund dieser Infonnationen lassen sich die im Teilrefonngesetz von 1983 festgeschriebenen Lösungen, insbesondere im Hinblick auf Einflüsse des deutschen Strafrechts, richtig einordnen.
B. Die jüngere spanische Strafrechtsreformgeschichte I. 1972 bis 1976
Ein erster Schritt in Richtung auf ein ,,modemes" Strafgesetzbuch kann in einer bereits im Jahre 1972 im Justizministerium erarbeiteten Studie über die "Grundprinzipien für einen Vorentwurf zu einem neuen C6digo Penal" 28 gesehen werden, in der ausdrücklich die Notwendigkeit und gleichzeitig auch die Bereitschaft bekundet wurde, ein tatsächlich neues Strafgesetzbuch in Angriff zu nehmen. Jedoch fand der Inhalt dieser Ausarbeitung zur damaligen Zeit im Schrifttum so gut wie keine Beachtung 29 • Denn erst als mit Beendigung der Franco-Ära ein Demokratisierungsprozeß einsetzte, waren auch die politischen Voraussetzungen für ein neues Strafgesetzbuch gegeben 30. Ebenso wie in der Bundesrepublik Deutschland nach der Zeit des Nationalsozialismus 3 ) galt es in Spanien dabei zunächst die extremsten Regelungen eines autoritären und repressiven Strafrechts den neuen politischen Verhältnissen gemäß zu beseitigen. Dies schlug sich in zahlreichen Spezialgesetzen und Einzelrefonnen 32 u. a. auf dem Gebiet des Terrorismus und der Militärgerichtsbarkeit, nieder. Gleichzeitig wurde das übergeordnete Ziel, die vollkommene Neugestaltung des C6digo Penal, konkretisiert und in Angriff genommen. D. 1977 bis 1983
Auf der Tagung der spanischen Sektion der Internationalen Strafrechtsvereinigung (AIDP) im Oktober 1977 in Plasencia betonte der damalige Justizminister 28 Exposici6n y Estudio para un Anteproyecto de Bases dei Libro I dei C6digo Penal, (Hrsg. Fairen Guillen). 29 So Quintero Olivares, in: Documentaci6n Jurfdica, S. 4. 30 Die Abhängigkeit einer ,,neuen" Reformbewegung vom Ende der Franco-Ära tritt bereits dadurch zutage, daß schon 5 Tage nach dem Tod des Diktators mit Teilreformen begonnen wurde, vgl. Barbero Santos, in: Festschrift für Jescheck, S. 896. 3) Über die Situation, vor die sich der damalige deutsche Reformgesetzgeber gestellt sah, berichtet Eser, in: Criminal Law in Action, S. 49, 52 ff. 32 Zur Teilreform vom 19.7.1976 siehe Rodriguez Devesa, in: Festschrift für Dreher, S. 763 ff. Einen allgemeinen Überblick über die spanischen strafrechtlichen Reformen von 1976-1984 gibt Garcfa Va/des, in: Documentaci6n Jurfdica, S. 23 ff.
B. Die jüngere spanische Strafrechtsreformgeschichte
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Landelino Lavilla Alsina die Notwendigkeit eines neuen Strafgesetzbuchs, das im Einklang mit der nunmehr demokratischen Rechtsordnung sowie der zukünftigen Verfassung stehe, und teilte gleichzeitig das geplante formale Vorgehen für die anstehende Reform mit 33 . Er kündigte Reformen auf zwei Ebenen an: zum einen eine weitere Teilreform als Fortsetzung der bereits begonnenen partiellen Gesetzesnovellen und zudem die erwähnte Gesamtreform, welche umfassende Vorarbeiten erforderlich machte 34• Dementsprechend leitete der Justizminister im April 1978 die entscheidenden Schritte für die angekündigte Gesamtreform ein. Er beauftragte einen aus zwei Strafrechtsprofessoren und zwei Praktikern bestehenden Sonderausschuß (ponencia)35 mit der Ausarbeitung eines Vorentwurfs für ein völlig neues spanisches Strafgesetzbuch 36. Hierbei handelte es sich um die Professoren Rodriguez Mourullo, als Vorsitzenden dieses Ausschusses (ponente general), und Gimbernat Ordeig 37 , den Staatsanwalt Conde-Pumpido Ferreiro und den Vorsitzenden des Strafsenats des Obersten Gerichtshofs, Fernandez Diaz Palos. Dieser Ausschuß wurde sehr schnell aktiv, und noch in demselben Jahr legte er die erste Fassung eines Vorentwurfs für ein neues spanisches Strafgesetzbuch in der "Comisi6n General de Codificaci6n, Secci6n 4" vor, der strafrechtlichen Abteilung des allgemeinen Gesetzgebungsausschusses im Justizministerium. Dem Gremium gehörten außer Richtern, Staatsanwälten und Rechtsanwälten die Professoren Rodriguez Devesa, A. Torio, J. A. Sainz Cantero, Cerezo Mir, Mufioz Conde, Bajo Fernandez und Quintero Olivares an 38 . Die Arbeitsweise dieses erweiterten Gremiums ging folgendermaßen vonstatten: Jedem Mitglied der "Comisi6n General" wurde zunächst die vom Sonderausschuß vorgeschlagene erste Fassung des Vorentwurfs zur Verfügung gestellt und damit die Möglichkeit eröffnet, schriftlich "enmiendas", also Änderungsvorschläge gegenüber der vom Sonderausschuß (ponencia) entworfenen Erstfassung, zu unterbreiten 39. 33 Landelino Lavilla Alsina, Revue Internationale De Droit Penal, 1978, S. 11.
34 Über die strafrechtliche Thematik der Tagung von 1977 berichtet Gimbernat Ordeig, Revue Internationale De Droit Penal, 1978, S. XXXVI. 35 Ein Gremium, welches seine Mitglieder aus dem allgemeinen Gesetzgebungsausschuß im lustizministerium rekrutierte. 36 Zudem benannte der lustizminister wenig später einen weiteren Ausschuß, um Änderungen im Hinblick auf das "Gesetz der Gefährlichkeit und ~ozialen Rehabilitierung" (Ley de Peligrosidad y Rehabilitaci6n Social) vorzubereiten. Uber die Problematik dieses Gesetzes berichtet Maurer, in: Die Freiheitsstrafe und ihre Surrogate, S. 949 f. Zu den von den Ausschußmitgliedern vorgesehenen Änderungen vgl. Barbero Santos, in: La reforrna penal y penitenciaria, S. 99. 37 Sowohl Rodrfguez Mourullo als auch Gimbernat Ordeig hatten früher längere Forschungsaufenthalte an deutschen Universitäten verbracht. 38 Damit waren an den entscheidenden Reformarbeiten diejenigen Strafrechtslehrer beteiligt, die durch wiederholte, zum Teil mehrjährige Forschungsaufenthalte in Deutschland mit dem deutschen Strafrecht gut vertraut sind.
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1. Kap.: Historischer Teil
Die anschließenden Beratungen und Abstimmungen beanspruchten insgesamt auch nur ein knappes halbes Jahr 4O, so daß die Regierung die auf diese Weise entstandene endgültige Fassung des Vorentwurfs von 1979 41 bereits 1980 als Entwurf ins Parlament (Cortes) einbringen konnte 42. Nunmehr setzte der Justizminister den verschiedenen Parteien eine Frist von drei Monaten, um Änderungsvorschläge für den Regierungsentwurf vorzubringen. In diesem Zeitraum wurden von den Parteien - unter Mitwirkung bekannter spanischer Strafrechtler insgesamt etwa 1800 Änderungsvorschläge unterbreitet 43 • Da sich aber die damalige spanische Regierungspartei UCD in einer schweren Regierungskrise befand, mußte schließlich der Regierungsentwurf aus den "Cortes" zurückgezogen werden 44 •
1. Inhalt des Regierungsentwurjs von 1980 Der E 1980 zielte in drei Richtungen: Es ging um die Angleichung des Strafgesetzbuchs an die neue Verfassung, an die veränderten gesellschaftlichen Vorstellungen sowie an die jüngste Entwicklung in der Strafrechtsdogmatik und der Kriminalpolitik 45. Durch die neue spanische Verfassung - verkündet am 27.12.1978 - war die Grundlage für eine nunmehr demokratische Rechtsordnung gegeben 46 • Das 39 Schriftliche Abänderungsvorschläge sind daraufhin von den Strafrechtsprofessoren Rodriguez Devesa, A. Tor(o, Sdinz Cantero, Cerezo Mir, Munoz Conde, Bajo Ferndndez und Quintero Olivares sowie von namhaften Praktikern vorgebracht worden; vgl. hierzu näher Cerezo Mir, Curso I, 1985, S. 134 Fn. 88. 40 Entscheidend für die Beschlußfassung waren allerdings nicht die Mehrheitsverhältnisse, sondern die Mitglieder des Sonderausschusses konnten, auch wenn sie bei der Abstimmung zahlenmäßig unterlagen, ihren Erstvorschlag durchsetzen. Ihnen stand somit eine Art Vetorecht zu. In der Endfassung des Vorentwurfs wurden die jeweils nicht berücksichtigten Vorschläge als "votos particulares", also als Sondervoten, im Anhang mit aufgeführt. 41 Anteproyecto de 1979. 42 Daß entgegen der Ankündigung des Justizministers von den Kommissionsmitgliedern die auf eine Gesamtnovellierung des CP gerichteten Refonnarbeiten innerhalb eines recht kurzen Zeitraums durchgeführt wurden, hatte politische Hintergründe; vgl. hierzu näher Cerezo Mir, Curso I, 1985, S. 134 Fn. 87. 43 Lediglich die Ausarbeitungen derjenigen Strafrechtler, die im Auftrag der Kommunistischen Partei (PCE-PSUC) tätig waren, wurden veröffentlicht: Propuesta Alternativa de la Parte General dei C6digo Penal dei Grupo Parlamentario Comunista, Mir Puig und Munoz Conde (Hrsg.), CPC Nr. 18, 1982, S. 606. 44 Ausführlich über die politischen Hintergründe Quintero Olivares, in: Documentaci6n Juridica, S. 7; siehe zudem Ferndndez Albor, in: La refonna penal y penitenciarfa, S.5. 45 So die ,,Entwurfserläuterung" (memoria explicativa), S. 657 ff.; vgl. zudem Rodriguez Mourullo, in: La refonna penal y penitenciaria, S. 168 ff. 46 Für das Strafrecht wird dies insbesondere in folgenden Artikeln deutlich: Art. 25 Nr. 1 CE schreibt das Gesetzmäßigkeitsprinzip, Art. 9 Nr. 3 CE das Rückwirkungsverbot belastender Maßnahmen fest und Art. 15 CE hebt die Todesstrafe auf; vgl. Cordoba Roda, in: Gedächtnisschrift für Annin Kaufmann, S. 79 ff.
B. Die jüngere spanische Strafrechtsrefonngeschichte
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Bemühen um die Anpassung an die Verfassung von 1978 spiegelte sich im E 1980 ganz besonders in der grundsätzlichen Abschaffung der Todesstrafe sowie in der Verankerung des Gesetzmäßigkeitsprinzips durch die Aufhebung von Vorschriften, welche in engem Zusammenhang mit dem Versari-Prinzip standen, wider 47 • Den neuen gesellschaftlichen Vorstellungen versuchte man durch Änderungen von Tatbeständen im Besonderen Teil Rechnung zu tragen. So wurden einerseits Delikte aufgehoben, welche Relikte überkommener sozialer Anschauungen darstellten 48 , und andererseits neue eingeführt 49 • Die Forderungen der modemen Kriminalpolitik fanden in besonderem Maße - oft weitergehend als die Änderungen durch das bundesdeutsche zweite Strafrechtsreformgesetz - im Bereich der Sanktionen Berücksichtigung 50 • Um der neueren Entwicklung in der spanischen Strafrechtsdogmatik zu entsprechen, hatte man sich insbesondere mit jenen Vorschriften auseinandergesetzt, die im alten Recht auf dem Versari-Prinzip beruhten 51 • Denn auch in der spanischen Strafrechtsdogmatik bestand dahingehend Einigkeit, daß ein modemes Strafrecht die Tatverantwortlichkeit nicht allein an den objektiven Erfolg, sondern auch an die innere Beziehung des Täters hierzu knüpfen müsse. Deshalb war im E 1980 die Aufhebung oder Modifizierung solcher Vorschriften vorgesehen, die im geltenden Strafgesetzbuch dieses aus dem kanonischen Recht stammende Prinzip verankerten, und es mußten zudem neue in Richtung auf die Festschreibung einer subjektiven Täterverantwortlichkeit geschaffen werden. Wie weit insgesamt dem Schuldgrundsatz im künftigen C6digo Penal Rechnung getragen werden sollte, wurde indes in der spanischen Strafrechtslehre nicht ein heitlich beantwortet 52 und war auch unter den an den Vorarbeiten zum E Siehe hierzu bereits oben 1. Kapitel A mit Anm. 5. Vor allem im Bereich der Sittlichkeitsdelikte sowie der Tatbestände, welche im alten Recht dem Schutz der Familie besonders Rechnung tragen sollten; siehe hierzu näher Queralt, ZStW 92 (1980), S. 846. 49 So etwa auf dem Gebiet des Umweltschutzes und der Wirtschaftsdelinquenz, eingehend hierzu Barbero Santos, in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S. 209 f.; Cerezo Mir, Curso I, 1985, S. 135. 50 Gerade der Gedanke der Einschränkung sowohl besonders kurzer als auch extrem langer Freiheitsstrafen wurde im E 1980 sehr konsequent umgesetzt. Gimbernat Ordeig, in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S. 115, 118, betont, daß im Bereich der Sanktionen der bundesdeutsche AE als Richtschnur gedient hatte. Über die Strafrechtsrefonn von 1975 in Deutschland berichtet unter einem kriminalpolitischen Blickwinkel Blau, ZStW 89 (1977), S. 511. SI Vgl. die ,,Entwurfserläuterung" (memoria explicativa), S. 657 ff. 52 Während Gimbernat Ordeig (in: Festschrift für Henkel, S. 151, sowie ZStW 82 [1970], S. 382 ff.; dagegen Bacigalupo, in: Festschrift für Welzel, S. 481 ff.) dem Schuldbegriff im Strafrecht gänzlich die Daseinsberechtigung absprach, bestanden aber unter den übrigen Strafrechtlern lediglich Meinungsverschiedenheiten über Inhalt und Reichweite des Schuldbegriffs. Einen Überblick über den neueren Meinungsstand hierzu geben Bacigalupo, La Ley Nr. 434, 1982, S. 936 f.; Mir Puig, in: Homenaje a Hilde Kaufmann, S. 365; Torfo LOpez, ADPCP 1985, S. 285 ff.; Zugaldfa Espinar, in: Homenaje a Ant6n Oneca, S.565; vgl. zudem: Luzon Pefia, GA 1984, 393 ff.; Mufioz Conde, GA 1978, 65, sowie die Monographie von Cordoba Roda, Culpabilidad y pena. 47 48
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1. Kap.: Historischer Teil
1980 beteiligten Strafrechtswissenschaftlern umstritten 53. Gleichwohl enthielt der Regierungsentwurf in seinem Kapitel"Vorbemerkungen", d. h. in dem Abschnitt, in welchem die allgemeinen strafrechtlichen Garantien formuliert wurden, den Satz: ,,Es gibt keine Strafe ohne Schuld" 54. Eine Umsetzung der Schuldidee findet sich im E 1980 zudem in der ausdrücklichen Regelung des Irrtums, der Beschränkung von fahrlässigen Delikten auf einzelne Fälle sowie in der Forderung von Fahrlässigkeit hinsichtlich der schweren Tatfolge bei den erfolgsqualifizierten Delikten. Bei diesen Neuerungen handelte es sich aber nicht nur, wie bei den bundesdeutschen Regelungen des 2. Strafrechtsreformgesetzes, um die Festschreibung von Lösungswegen, die Rechtsprechung und Lehre bereits praeter legern beschritten hatten. Vielmehr wurden gerade bei der Abfassung der neuen Irrtumsvorschrift im E 1980 Grundentscheidungen getroffen, die, wie noch aufgezeigt werden soll, zu der vorangegangenen Entwicklung in Rechtsprechung und Lehre gerade gegenläufig waren 55. Unmittelbar nach Veröffentlichung des Regierungsentwurfs entbrannte in der spanischen Strafrechtsliteratur eine Diskussion über diesen Gesetzesvorschlag 56• So wurde der E 1980 teilweise gelobt 57 , aber vielfach stieß er auch auf ganz massive Kritik 58, wobei sich diese teils auf sachliche, teils auf eher im emotionalen Bereich liegende Argumente stützte. Oft wandte man sich dagegen, daß entgegen der Ankündigung des lustizministers und den eigenen Worten der Kommissionsmitglieder, wonach ein neuer C6digo Penal lange Vorarbeiten vor allem in Zusammenarbeit mit den Universitäten benötige, der Entwurf ohne Hinzuziehen der übrigen Vertreter der Strafrechtswissenschaft entstanden sei 59. Darüber hinaus wurde aber auch kritisiert, daß sich - anders als bei der großen Strafrechtsreform von 1975 in der Bundesrepublik - der Entwurf nicht auf den Allgemeinen Teil 53 Vgl. Rodriguez Mourullo, in: La reforma penal y penitenciaria, S. 18 f., zu den unterschiedlichen Auffassungen der an den Entwurfsarbeiten beteiligten Strafrechtstheoretikem. 54 Zur Bedeutung dieses Satzes siehe noch unten 2. Kapitel B VI. 55 Über die einzelnen Änderungen berichtet Cerezo Mir, Curso I, 1985, S. 134 ff., sowie in: La reforma penal y penitenciarfa, S. 201, wo er zu einigen Vorschriften des E 1980 kritisch Stellung bezieht. 56 Vgl. insbesondere die in dem Sammelband, La reforma penal y penitenciaria de 1980 (hrsg. von der Universität Santiago de Compostela) veröffentlichten Tagungsbeiträge, in denen sich spanische Strafrechtler mit dem E 1980 kritisch auseinandersetzen, sowie die Sonderausgabe der strafrechtlichen Fachzeitschrift Revista de la Facultad de Derecho de la Universidad, Nr. 3, 1980 (hrsg. von der Universität Complutense), in der ebenfalls zu Fragen des E 1980 Stellung bezogen wird. 57 So etwa von Fernandez Albor, CPC Nr. 22, 1984, S. 10. 58 Am deutlichsten kommt die negative Bewertung des E 1980 bei Ortega Costales (in: La reforma penal y penitenciaria, S. 139) zum Ausdruck, der diesen Gesetzesentwurf als ,,nordisch-germanisch-latinisches Stückwerk" bezeichnet, welches ,,mit Nadel und Faden zusammengeflickt" sei; siehe zudem die ebenfalls deutliche Kritik von Rodrfguez Devesa, in: La reforma penal y penitenciaria, S. 153 ff. 59 Vgl. Barbero Santos, in: Festschrift für Jescheck, S. 901.
B. Die jüngere spanische Strafrechtsrefonngeschichte
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beschränkt habe, sondern stattdessen in dieser kurzen Zeit auch der Besondere Teil des C6digo Penal völlig umgestaltet worden sei 60 • In der Mehrzahl wurden jedoch rein stilistische und formale Mängel des Entwurfs gerügt, welche sicherlich leicht hätten behoben werden können, wenn die Gelegenheit zur Diskussion im Parlament bestanden hätte 61. Auf der anderen Seite besteht in der spanischen Literatur nach wie vor insoweit weitgehend Einigkeit, als der E 1980 als der fortschrittlichste Reformvorschlag der vergangenen hundert Jahre gilt, da er sich von den überlieferten Vorstellungen wesentlich löst und Übereinstimmungen mit internationalen Reformtendenzen aufweist 62. Unmittelbar nachdem die Sozialisten die Wahlen im Jahre 1981 gewonnen hatten, nahm der nunmehrige Justizminister Fernando Ledesma Bartret die Reform des spanischen Strafgesetzbuches in Angriff 63 • Auch jetzt plante man die Neufassung des C6digo Penal auf zwei Ebenen. So sollte einerseits eine schnelle Teilreform stattfinden, und andererseits sollten parallel hierzu Arbeiten im Hinblick auf eine weitreichende Gesamtreform begonnen werden, und zwar beide Male basierend auf dem E 1980, dessen Grundstruktur im Allgemeinen Teil akzeptiert worden war. Das Ergebnis dieser Reformbemühungen stellen das ,,Ley Urgente y Parcial de 1983", also das Gesetz der dringenden Teilreform von 1983, und der ,,Propuesta de Anteproyecto de 1983", der Vorschlag eines Vorentwurfs von 1983, dar. 2. TeilreJormgesetz von 1983
Mit dem Teilreformgesetz von 1983 hat das spanische Strafgesetzbuch die umfassendste und damit bedeutendste Reform seit Jahrzehnten realisiert, obgleich es sich nur um eine Teilreform des geltenden Strafgesetzbuchs handelt 64 • Fußend auf dem E 1980, unter Berücksichtigung der von Wissenschaftlern und Parlamentariern vorgebrachten Änderungsvorschläge sollte auch mit dieser Teilneufassung das Strafgesetzbuch den Forderungen eines modernen Rechtsstaats gemäß verän60 So Mir Puig, ZStW 93 (1981), S. 1293. Darüber hinaus kritisiert er (in: La refonna penal y penitenciaria, S. 488), daß im BT des E 1980 - anders als bei der deutschen Strafrechtsrefonn von 1975 - die Tatbestände vennehrt und komplizierter gestaltet worden seien, was unnötigerweise eine gänzliche Neuparagraphierung der Strafvorschriften des BT erforderlich gemacht habe; dahingehend auch die Kritik von Beristain lpina, in: La refonna penal y penitenciaria, S. 329. 61 Vgl. Quintero Olivares, in: Documentaci6n Jurfdica, S. 7. 62 So sogar die Bewertung von Barbero Santos, in: Festschrift für Jescheck, S. 900 f., entgegen seiner sonstigen kritischen Haltung. 63 Eines der Wahlversprechen der Sozialistischen Arbeiterpartei Spaniens (PSOE) war die Schaffung eines ,,neuen" Strafgesetzbuchs gewesen. 64 Siehe insbesondere die positive Beurteilung von Munoz Conde, EI error en Derecho Penal, S. 21; vgl. zudem Quintero Olivares/ Munoz Conde, La refonna penal, S. 17; demgegenüber steht die kritische Einschätzung des Teilrefonngesetzes von Barbero Santos, in: Festschrift für Jescheck, S. 909.
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1. Kap.: Historischer Teil
dert werden 6S. Dabei erachtete man - wie bereits beim E 1980 - als dringlichste Aufgabe, Vorschriften, die im alten Recht Ausdruck einer rein objektiven Tatverantwortlichkeit waren, aus dem Gesetz zu streichen oder sie abzuändern und mit neuen Regelungen die subjektiven Mindestanforderungen an das Täterverhalten positivrechtlich festzuschreiben 66 • Um diesem Refonnziel zu entsprechen, war es vor allem notwendig, Art. 1 CP gänzlich umzugestalten, was nicht nur eine Modifizierung der Verbrechensdefinition in Abs. 1 dieser bisherigen Regelung erforderlich machte, sondern insbesondere auch eine Änderung des Abs. 3. Denn gerade dieser Teil der Vorschrift hatte das Versari-Prinzip positivrechtlich verankert 67 • Darüber hinaus sah man es als unabdingbar an, sowohl eine Regelung für die erfolgsqualifizierten Delikte wie für den Tatbestands- und Verbotsirrtum einzuführen 68. In der amtlichen Begründung zum Teilrefonngesetz von 1983 wird zudem die Notwendigkeit eines auf dem Schuldprinzip basierenden Strafrechts hervorgehoben 69 • Die Teilrefonn von 1983 beschränkte sich aber nicht nur auf den Allgemeinen Teil des C6digo Penal, sondern erstreckte sich zudem auf Vorschriften des Besonderen Teils 70 und brachte auch beachtliche Änderungen im Sanktionensystem 71. Obwohl im Rahmen dieser Teilrefonn eine Vielzahl von Gesetzesänderungen, Aufhebungen oder Neueinführungen von Nonnen vorgenommen wurden - mehr als 100 Vorschriften des C6digo Penal waren tangiert - , herrschte bereits bei deren Abfassung das Bewußtsein, daß durch dieses neue Gesetz nur teilweise den Problemen des geltenden Strafgesetzbuchs begegnet werden könnte. Durch die negativen Erfahrungen mit der Entstehungsweise des E 1980 hatte man nämlich die Erkenntnis gewonnen, daß eine vollkommene Neugestaltung des Strafgesetzbuchs eine lange Vorbereitungszeit unter Beteiligung von Wissenschaft und Praxis forderte. 3. Vorschlag eines Vorentwurfs von 1983
Schon bald nach den Wahlen (bereits 1982) hatte der lustizminister - wie angekündigt - einen Sonderausschuß mit der Ausarbeitung eines Vorschlags 6S So die amtliche Begründung zum Teilrefonngesetz von 1983 (ARL. 1325); zu den Refonnzielen vgl. auch AsUa Batarrita, Revista deI ilustre colegio de abogados Nr. 15, 1983, S. 11 ff. 66 Siehe die amtliche Begründung zum Teilrefonngesetz von 1983 (ARL. 1325). 67 Zur Bedeutung von Art. 1 Abs. 3 CP a. F. siehe Cerezo Mir, Problemas fundamentales, S. 60 ff., sowie unten 2. Kapitel A 11. 68 V gl. die amtliche Begründung zum Teilrefonngesetz von 1983 (ARL. 1325). 69 Zu der Frage, inwieweit dieser Gedanke im Zuge der Teilrefonn von 1983 eine Umsetzung erfahren hat, siehe unten 2. Kapitel B VI. 70 Vgl. hierzu ausführlich Quintero Olivares / Munoz Conde, La refonna penal, S. 123 ff. 71 Siehe näher Berdugo G6mez de La Torre, in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S. 107 ff.
B. Die jüngere spanische Strafrechtsrefonngeschichte
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für einen Vorentwurf zu einem nunmehr gänzlich neuen C6digo Penal, basierend auf dem E 1980, beauftragt72. Die Ausschußmitglieder 73 berücksichtigten auch grundsätzlich die im Entwurf von 1980 getroffenen Entscheidungen, wichen aber dennoch in einigen wesentlichen Punkten - etwa bei den erfolgsqualifizierten Delikten - von diesem ab 74 . Bereits Anfang Oktober des Jahres 1983, also nur wenige Monate nach Inkrafttreten des Teilreformgesetzes von 1983, konnte der von dem Expertenkreis verfaßte Vorentwurfsvorschlag 75 veröffentlicht werden. Hiermit wurde - im Unterschied zur Vorgehensweise bei den Vorarbeiten zum E 1980 - Theoretikern und Praktikern schon in diesem frühen Stadium die Möglichkeit eröffnet, durch kritische Stellungnahmen auf die weiteren Reformarbeiten Einfluß zu nehmen 76. Ob der Vorentwurfsvorschlag jemals Gesetz wird, muß jedoch inzwischen ernsthaft bezweifelt werden 77. Obwohl nunmehr bereits 7 Jahre seit seiner Fertigstellung vergangen sind, hat die Regierung ihn immer noch nicht als Entwurf ins Parlament eingebracht. Der Grund hierfür scheint ebenso wie beim E 1980 - politischer Natur zu sein 78. Somit wird sich wohl die von Gimbernat Ordeig schon 1986 geäußerte Befürchtung bewahrheiten: "Wir haben in Spanien die ,Schlacht' um die Teilreform von 1983 ... gewonnen. Aber wir haben zugleich für immer den ,Krieg', ein neues Strafgesetzbuch auf der Grundlage des PANCp79 zu verabschieden, verloren"80. In der Zwischenzeit hat die Regierung nur noch weitere Teilreformen durchgeführt 81. Darüber hinaus 72 Im Unterschied zu den mit der 1. Fassung des Vorentwurfs von 1979 beauftragten Mitgliedern des Sonderausschusses handelte es sich nunmehr um eine vom Justizministerium unabhängige Expertengruppe. 73 Dem Gremium gehörten folgende Strafrechtler an: Cobo dei Rosal, Gimbernat Ordeig (er hatte bereits an den Vorarbeiten zum Vorentwurf von 1979 mitgewirkt, siehe oben 1. Kapitel B n), Luz6n Pefla, MuflOz Conde, Quintero Olivares sowie der Richter am Tribunal Supremo Garcfa de Miguel. 74 Zu den weiteren Änderungen vgl. die Einführung des Justizministers Ledesma Bartret zum VE 1983, hrsg. von: Secretaria General Tecnica dei Ministerio de Justicia, Madrid 1983. 7S Propuesta de Anteproyecto dei Nuevo C6digo Penal. 76 Vgl. insbesondere die beiden Sammelbände Documentaci6n Jurfdica I u. n, hrsg. von: Ministerio de Justicia. 77 So Gimbernat Ordeig, in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S. 110; Jescheck, in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S. 290; siehe zudem die Kritik in der Presse wegen der Verzögerung der in Aussicht gestellten Gesamtrefonn: l,Refonna judicial con marcha atras? (Entwickelt sich die Refonn zurück?), in: Cambio 16 vom 31.10.1988. 78 Gimbernat Ordeig, in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S. 110 f. 79 Propuesta de Anteproyecto dei Nuevo C6digo Penal, Anm. der Verfasserin. 80 Gimbernat Ordeig, in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S. 111. 81 Siehe zu den strafrechtlichen Gesetzesänderungen von 1983 - 1984 Cerezo Mir, Curso I, 1985, S. 142 ff. Eine entscheidende Bedeutung kommt zudem der partiellen Gesetzesnovellierung vom Juni 1989 (Ley Orgaruca 3/1989 vom 21.6.1989, veröffentlicht in: Boletfn Oficial dei Estado Nr. 148 vom 22.6.1989) zu. Im Zuge dieser strafrecht-
lichen Teilrefonn wurden u. a. die im alten Recht äußerst kompliziert ausgestalteten Körperverletzungsdelikte wesentlich vereinfacht und zudem der Begriff ,,malicia" (wört-
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1. Kap.: Historischer Teil
wurde im Oktober 1990 von einigen Strafrechtlern im Auftrag der Regierung eine erste Fassung (borrador) für einen Vorentwurf des Allgemeinen Teils des C6digo Penal ausgearbeitet, die auf dem Vorentwurfsvorschlag von 1983 und damit wiederum auf dem Entwurf von 1980 fußt. Dieser ersten Fassung ist jedoch im derzeitigen Stadium noch keine besondere Bedeutung beizumessen, da erst Wissenschaftler, Rechtsanwaltskammern und Gerichte zur kritischen Stellungnahme aufgefordert wurden 82 und nicht feststeht, ob und in welcher Richtung der Vorentwurfsvorschlag weiter entwickelt werden wird. C. Zusammenfassung
Im Überblick über die Reformgeschichte konnte dargelegt werden, daß die Reformsituation in Spanien viele Gemeinsamkeiten mit der in der Bundesrepublik zur Zeit der Reformarbeiten für das Strafrechtsreformgesetz von 1975 aufweist. Beide Länder standen vor der schwierigen Aufgabe, ein seit mehr als 100 Jahren fast unverändertes Gesetzeswerk zu novellieren. Dabei galt es in Spanien wie in Deutschland, das Strafrecht im Einklang mit der internationalen Reformbewegung so zu gestalten, daß es dem Wandel der sozialen Verhältnisse sowie den Fortschritten der Strafrechtsdogmatik und Kriminalpolitik entsprach. Es wird aber auch deutlich, daß in Spanien bei der Umsetzung dieser Ziele anders verfahren wurde als bei uns: Während die deutschen Reformarbeiten durch ein behutsames Vorgehen gekennzeichnet waren, zeigte man sich in Spanien entschlossener und handlungsfreudiger; dies war möglich, weil man in Spanien bereits auf deutsche und andere Vorgaben zurückgreifen konnte. Beide Arten des Vorgehens hatten sowohl Vor- als auch Nachteile. Die langwierigen deutschen Reformarbeiten bewirkten, daß der Gesetzgeber erst nach mehr als zehn Jahren eine dringend erforderliche Neufassung des Strafgesetzbuchs vorlegte, diese aber dann zumindest im Allgemeinen Teil als perfekt galt 83 • Die wesentlich kürzere Bearbeitungszeit durch die spanischen Fachvertreter hatte hingegen zur Folge, daß man in Spanien zwar schnell über ein novelliertes Strafgesetzbuch verfügen konnte, dieses aber als mit Mängeln behaftet angesehen wird 84• Da die Reformsituation in beiden Ländern - wenn auch zeitlich verschoben - viele Gemeinsamkeiten aufweist und seit Jahren ein reges Interesse der spanischen Strafrechtswissenschaft an der Entwicklung der bundesdeutschen Strafrechtsdogmatik besteht, gilt es nunmehr im folgenden festzustellen, inwieweit lieh übersetzt: Böswilligkeit) in den allgemeinen Fahrlässigkeitsregelungen (vgl. Art. 565 ff. CP) durch das Wort "dolo" (Vorsatz) ersetzt. 82 So Cerezo Mir, nach mündlicher Auskunft. 83 So Hirsch, in: Gedächtnisschrift für Hilde Kaufmann, S. 165, der jedoch an gleicher Stelle aus heutiger Sicht kritisch Bilanz zieht. 84 V gl. insbesondere die Kritik bei Rodrfguez Devesa, in: La reforma penal y penitenciaria, S. 153 ff.
C. Zusammenfassung
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bei der konkreten Ausgestaltung einzelner spanischer Vorschriften ähnliche Grundentscheidungen wie in der Bundesrepublik Deutschland getroffen wurden. Dies soll exemplarisch anband jener Vorschriften im Allgemeinen Teil untersucht werden, auf die man, wie gezeigt, im Rahmen der spanischen Reformarbeiten ein besonderes Augenmerk gerichtet hatte: Deliktsdefinition, Festschreibung der Schuldidee, erfolgsqualifizierte Delikte und Irrtumsvorschrift.
2. Kapitel
Dogmatischer Teil A. Verbrechensdefinition, "Versari-Prinzip" und erfolgsqualifizierte Delikte im alten Recht Im Zuge der Teilreform von 1983 wurde Art. 1 CP a. F. von Grund auf verändert; eine Vorschrift, die sowohl Rechtsprechung als auch Lehre vor weitreichende Probleme gestellt hatte. Zum genauen Verständnis der Neufassung ist es notwendig, sich näher mit den Fragestellungen zu befassen, welche schließlich auch zur Reform der Regelung führten.
I. Wortlaut des Art.l CP a. F.
Art. 1 CP a. F. lautete: "Verbrechen oder Übertretungen sind willentliche Handlungen und Unterlassungen, welche durch das Gesetz bestraft werden. Handlungen und Unterlassungen, die das Gesetz unter Strafe stellt, werden stets als willentlich vermutet, falls nicht das Gegenteil feststeht. Wer willentlich ein Verbrechen oder eine Übertretung begeht, ist strafrechtlich verantwortlich, auch wenn der eingetretene Erfolg dem beabsichtigten nicht entspricht."
n. Kernprobleme des Art. 1 CP a. F. Schwierigkeiten ergaben sich im Hinblick auf diese Bestimmung unter zweierlei Aspekten, wobei allerdings beide in engem Zusammenhang standen. 1. Der Begriff" voluntario" Zum einen ging es um die Auslegung des in dieser Regelung in allen drei Absätzen auftauchenden Begriffs "voluntario" (willentlich), also eine auf den ersten Blick eher terminologische Frage. In der Lehre wurde das Wort "voluntario" auf dem Hintergrund verschiedener Verbrechenslehren 1 unterschiedlich interpretiert 2:
A. VerbrechensdefInition und Erfolgshaftung
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Einige Autoren waren der Ansicht, es sei hiermit der bloße Handlungswille, verstanden als ein vom Willen beherrschbares, "willkürliches" menschliches Verhalten gemeint 3• Weitaus mehr Strafrechtler vertraten dagegen die Auffassung, "voluntario" sei gleichbedeutend mit "doloso"4, also "vorsätzlich", wobei die Mehrzahl dieser Strafrechtler den Vorsatz im Sinne von "dolus malus"s oder lediglich terminologisch anders als "Wille zum Normverstoß"6 interpretierten. Auch die Rechtsprechung des Tribunal Supremo fußte auf keinem einheitlichen Verständnis des Wortes "willentlich". Einerseits wurde "voluntarias" in Abs. 1 dieser Regelung in zahlreichen Urteilen als ein vom Willen lediglich beherrschbares menschliches Verhalten gedeutet 7 , andererseits die Vermutung der Willentlichkeit in Abs. 2 derselben Vorschrift mit einer Vorsatzvermutung gleichgesetzt 8 • Bereits diese kurze Zusammenstellung unterschiedlichster Interpretationsmöglichkeiten im Hinblick auf den Begriff "voluntario" gibt eine Vorstellung davon, zu welcher Verwirrung und gleichzeitig zu welcher Rechtsunsicherheit die Verwendung dieses Wortes in der spanischen Rechtsprechung und Lehre geführt hatte. Denn von der jeweiligen Deutung dieses Begriffs hing auch gleichzeitig der Umfang der Strafbarkeit ab.
Vgl. Quintero Olivares / Mu;IOZ Conde, La reforrna penal, S. 24. Ausführlich hierzu Polaino Navarrete, in: Homenaje a Ant6n Oneca, S. 439. Über den Ursprung des Begriffs "willentlich" im Hinblick auf das deutsche Strafgesetzbuch siehe Jescheck, AT, S. 197. 3 Siehe die Nachweise bei Cerezo Mir, Curso I, 1982, S. 301 f. 4 Für diese Interpretation wurden hauptsächlich historische Gesichtspunkte angeführt, vgl. Cerezo Mir, Curso I, 1982, S. 301. Im Ergebnis so auch Mir Puig, Adiciones I, S. 424, im Hinblick auf Art. 1 Abs. 3 CP a. F.; anders indes seine dortige Deutung des Wortes "voluntarias" in Abs. 1 derselben Vorschrift. S Siehe etwa Rodrfguez Devesa, PG, 1981, S. 450; Rodrfguez Mourullo, PG, S. 257. Die Vertreter dieser Lehrmeinung stützten ihre Auffassung auf die allgemeinen Fahrlässigkeitsregelungen, bei denen Vorsatz als ,,malicia" bezeichnet wurde (vgl. Art. 565 Abs. 3 CP a. F., Art. 586 CP a. F. und Art. 600 CP a. F.), was wörtlich übersetzt ,,Böswilligkeit" bedeutet. Gegen diese Begründung siehe aber Cerezo Mir, ZStW 84 (1972), S. 1053 ff. Da im Zuge der teilweisen Gesetzesänderung des CP vom 22.6.1989 (Ley Organica 3/1989) der Begriff ,,malicia" in obigen Vorschriften durch den Ausdruck "do10" (Vorsatz) ersetzt worden ist (siehe auch oben 1. Kapitel B 11 3 Anm. 81), dürften die beiderseits verwendeten Argumentationen gegenstandslos geworden sein. 6 Vgl. C6rdoba Roda, in: Festschrift für Maurach, S. 637. 7 So etwa die Urteile des TS vom 25.10.1960 (A. 4012) und vom 28.1.1974 (A. 289). Danach dürfte sich auch die Willensvermutung in Art. 1 Abs. 2 a. F. CP lediglich auf den Handlungswillen erstrecken (siehe aber unten A 11 Artm. 8). Gegen die Interpretation im Sinne von "willensfrei" mit der Begründung, diese Deutung führe zu einer Tautologie C6rdoba R6da, Una nueva concepci6n deI delito,la doctrina fInalista, S. 87 f.; RodrfguezMourullo, PO, 1977, S. 203; demgegenüber Cerezo Mir, CursoI, 1982, S. 303, der darauf hinweist, daß bei einer Interpretation i. S. v. "willensfrei" dem Begriff "voluntario" gleichwohl Bedeutung zukäme, und zwar für das Unterlassen. 8 So die Urteile des TS vom 27.2.1975 (A. 647), 30.4.1976 (A. 1355), 21.3.1977 (A. 1135), 18.11.1978 (A. 3448), 19.4.1980 (A. 1458). 1
2
32
2. Kap.: Dogmatischer Teil
2. Erfolgshaftung und "Versari-Prinzip" Der Hauptmangel des Art. 1 CP a. F. bestand allerdings darin, daß diese Regelung in allen drei Absätzen von dem Gedanken einer reinen strafrechtlichen Erfolgshaftung durchzogen war 9, was im folgenden veranschaulicht werden soll: Die Tatsache, daß zumindest nach dem Wortlaut von Abs. 1 dieser Vorschrift ein bloß vom Willen beherrschbares Verhalten ausreicht, um dem Täter den deliktischen Erfolg zuzurechnen, bedeutet eine Überbewertung des Taterfolgs gegenüber der Frage, inwieweit der Täter für den Geschehensablauf auch subjektiv verantwortlich ist. Die Überbetonung der Erfolgshaftung tritt aber noch deutlicher in Abs. 2 derselben Vorschrift durch die Vermutung der "Willentlichkeit" zutage 10. Abs. 3 des Art. 1 CP a. F. enthält in der Strenge einer an objektiven Merkmalen orientierten Zurechnung gegenüber den beiden ersten Absätzen derselben Bestimmung noch zusätzlich eine Steigerung. Durch die Aussage, daß der Täter auch für alle Folgen eines von ihm "willentlich" begangenen Grunddelikts strafrechtlich verantwortlich ist, selbst wenn er diese weder wollte noch hatte vorhersehen können, wird das "Versari-Prinzip" 11 ("Versanti in re illicita imputantur omnia quae sequuntur ex delicto") explizit gesetzlich festgeschrieben 12. Die Auswirkungen dieser Bestimmung lassen sich in ihrer vollen Tragweite allerdings erst im Zusammenspiel mit weiteren Regelungen des C6digo Penal ermessen. Hierbei sind besonders Art. 8 Nr. 8 CP a. F. (Ausschließungsgrund des "caso fortuito", also des Zufalls), Art. 9 Nr. 4 CP (Milderungsgrund der Präterintentionalität) und die Strafzumessungsregelung Art. 50 CP a. F. zu nennen.
3. Der Ausschließungsgrund des "caso Jortuito" Art. 8 CP lautete: "Von strafrechtlicher Verantwortlichkeit ist ausgenommen: ... 8. Wer bei Ausführung einer rechtmäßigen Handlung unter Beobachtung der erforderlichen Sorgfalt durch bloßen Zufall ohne Fahrlässigkeit oder Vorsatz einen Schaden verursacht."
Siehe Quintero Olivares / MuflOZ Conde, La reforma penal, S. 25. Über die praesumtio doli im früheren C6digo Penal vgl. Bacigalupo, ZStW 92 (1980), S. 761 ff. 11 Cerezo Mir, Problemas fundamentales, S. 60 ff. m. w. N.; Muftoz Conde, in: Strafrecht und Strafrechtsreform, S. 317. 12 Cerezo Mir, Problemas fundamentales, S. 61; vgl. auch Suarez Montes, in: Comentarios a la Legislaci6n Penal, S. 36. Zu dieser Problematik im früheren deutschen Strafrecht näher Oehler, ZStW 69 (1957), S. 506 f., zu der im geltenden deutschen Strafgesetzbuch Hirsch, in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S. 59 f. 9
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A. Verbrechensdefinition und Erfolgshaftung
33
Der Ausschließungsgrund des "caso fortuito" (Art. 8 Nr. 8 CP a. F.) 13 bedeutete eine Festschreibung der Zufallshaftung 14. Als argumentum e contrario ergab sich aus Art. 8 Nr. 8 CP a. F. i. V. m. Art. 1 Abs. 3 CP a. F., daß bei einer rechtswidrigen Handlung immer für den sich daraus ergebenden deliktischen Erfolg gehaftet werden müsse, selbst dann, wenn dieser rein zufällig, also weder vorsätzlich noch fahrlässig, herbeigeführt wurde. Die Konsequenz war anfänglich, daß bei jeglichem Rechtsverstoß - auch bei rein verwaltungs- oder zivilrechtlichen Zuwiderhandlungen - der Täter für die sich daraus ergebenden Folgen strafrechtlich verantwortlich war ts , und zwar immer wegen vorsätzlicher Tatbegehung l6 • Die Bestrafung aus einem Fahrlässigkeitsdelikt kam nach der damaligen Rechtsprechung nämlich nur bei einer rechtmäßigen Grundhandlung in Betracht 17. Dies führte in der Praxis vielfach zu extrem hohen, schuldunangemessenen Strafen, sogar aufgrund von Verhaltensweisen, bei denen bezweifelt werden konnte, ob sie überhaupt die Schwelle der Strafwürdigkeit erreichten 18. Zwar wurden diese Auswirkungen etwas abgeschwächt, als sich eine restriktive Auslegung des Merkmals ,,rechtswidrig" in Art. 8 Nr. 8 CP a. F. im Sinne von "strafrechtswidrig" durchsetzte und die Rechtsprechung auf das Merkmal der rechtmäßigen Handlung als Voraussetzung für die Bejahung der Fahrlässigkeit einer Tat verzichtete 19. Somit war zumindest der Weg zum Fahrlässigkeitsdelikt und dem hiermit verbundenen, gegenüber der entsprechenden Vorsatztat geringeren Strafrahmen eröffnet 20 • Aber eine Bestrafung wegen fahrlässiger Tatbegehung war dann dennoch schuldunangemessen, wenn der Erfolg nicht nur ungewollt, sondern auch unvorhersehbar war 21 • 13 Zur dogmatischen Einordnung dieser Regelung siehe Rodriguez Mourullo, in: Comentarios a la Legislaci6n Penal, S. 102 ff. 14 Vgl. Cerezo Mir, Problemas fundamentales, S. 62. IS Siehe hierzu die Rechtsprechungsnachweise bei Cerezo Mir (Problemas fundamentales, S. 62 ff.) unter besonderem Hinweis auf das Urteil des TS vom 10.7.1954 (ebenda, S. 62 Fn. 9), wo die Verwaltungsrechtswidrigkeit für genügend erachtet wurde; kritisch gegenüber dieser Rechtsprechung die herrschende Lehrmeinung in Spanien: vgl. statt aller Ant6n Oneca, PG I, S. 232. 16 Der Täter blieb nur dann straffrei, wenn ihm der Beweis gelang, daß die Voraussetzungen des Art. 8 Nr. 8 CP a. F., also eine rechtmäßige Grundhandlung, vorlag: vgl. Cerezo Mir, Problemas fundamentales, S. 63. 17 Siehe u. a. die Urteile des TS vom 19.10.1949; 1.2.1960; 15.2.1960 (zitiert nach Cerezo Mir, Problemas fundamentales, S. 62 ff.). 18 Diese Problematik trat besonders bei geringfügigen Verstößen gegen verkehrsrechtliche Vorschriften zutage; vgl. hierzu Cerezo Mir, Problemas fundamentales, S. 90 ff. 19 So bestrafte der TS etwa in den Fällen der vorsätzlichen Körperverletzung mit zufälliger Todesfolge in jüngerer Zeit wegen fahrlässiger Tötung; vgl. die Urteile des TS vom 28.9.1964, 21.1.1974, 7.4.1975, 26.1.1977, 20.6.1977 (siehe hierzu Cerezo Mir, Problemas fundamentales, S. 62 ff.). 20 Hierin sah Gimbernat Ordeig, Los delitos cualificados, S. 212 ff., eine Möglichkeit, insbesondere für den Fall der präterintentionalen Tötung auch ohne eine extensive Auslegung von Art. 8 Nr. 8 CP a. F. (siehe auch unten B IV 3 Anm. 23) die Erfolgshaftung im spanischen Strafrecht weitgehend einzuschränken. 21 So Rodriguez Mourullo, in: Comentarios a la Legislaci6n Penal, S. 97.
3 Strien
2. Kap.: Dogmatischer Teil
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In der spanischen Strafrechtsliteratur gab es verschiedene Versuche, diese sich aus Art. 8 Nr. 8 CP a. F. i. V. m. Art. 1 Abs. 3 CP a. F. ergebenden Konsequenzen einer Zufallshaftung zu umgehen 22: So wurde von einem Teil der Lehre die Auffassung vertreten, Art. 8 Nr. 8 CP a. F. behandele nicht abschließend die Frage der Zufallshaftung 23 • Regelungsgegenstand sei lediglich die Fallkonstellation einer rechtmäßigen Handlung, die für einen deliktischen Erfolg kausal war. Bei rechtswidriger Grundhandlung dagegen müsse auf Art. 1 Abs.l CP a. F. zurückgegriffen werden. Der rein zufällige deliktische Erfolg sei mangels Willentlichkeit im Sinne dieser Vorschrift dem Täter dann nicht zuzurechnen 24 • Andere Autoren versuchten, unbillige Ergebnisse durch die dogmatische Einordnung des "caso fortuito" als übergesetzlichen Schuldausschließungsgrund zu vermeiden 2S. 4. Erfolgsqualijizierte und präterintentionale Delikte (insbesondere präterintentionale Tötung)
In Übereinstimmung mit dem deutschen Recht enthielt bereits das frühere spanische Strafgesetzbuch in seinem Besonderen Teil durch den Erfolg qualifizierte Delikte. Es gab also Tatbestände, in denen das Gesetz einen über die Bestrafung nach Konkurrenzgrundsätzen hinausgehenden Strafrahmen vorsah, wenn durch die Verwirklichung eines bestimmten Grunddelikts eine "besondere Folge der Tat" herbeigeführt wurde 26 • Im Unterschied zum deutschen Strafrecht ist in der spanischen Rechtsprechung und Literatur darüber hinaus die Existenz sogenannter präterintentionaler Delikte anerkannt. Auch bei dieser aus dem italienischen Recht stammenden Rechtsfigur 27 wird wie bei den erfolgsqualifizierten Delikten dem Täter ein weiterer, d. h. ein über die Intention hinausgehender (praeter intentionern) Erfolg zugerechnet. Von den erfolgsqualifizierten Delikten unterscheidet sich die Tatbestandsgruppe lediglich formal, da sie anders als letztgenannte nicht als besondere zusammengesetzte Deliktstypen ausdrücklich
22
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Siehe den Überblick bei Cobo dei Rosal y Vives Ant6n, PG, 1982, S. 210 ff. Gimbernat Ordeig, Los delitos cualificados, S. 212 ff., vertrat indes die Ansicht,
Art. 8 Nr. 8 CP a. F. behandele im CP abschließend die Frage, wann für den ,,zufälligen" deliktischen Erfolg einer rechtswidrigen Handlung nicht gehaftet werde. Zu der von diesem Strafrechtler vorgeschlagenen Lösung siehe oben 2. Kapitel Anm. 20. 24 Vgl. etwa Rodrfguez Mourullo, ADPCP 1963, S. 296 ff. 2S So Cerezo Mir, Problemas fundamentales, S. 72; kritisch: Gimbernat Ordeig, Los delitos cualificados, S. 206 ff., der die Auffassung vertritt, es solle eine Bestrafung wegen fahrlässiger Tatbegehung erfolgen (ebenda, S. 214 f.); dagegen Cerezo Mir, Problemas fundamentales, S. 95. 26 Über diese Tatbestandsgruppe im deutschen Strafrecht insbesondere Hirsch, GA 1972,75; ders., in: Festschrift für Oehler, S. 111; Küpper, Der unmittelbare Zusammenhang, S. 11 ff. 27 In Art. 43 des italienischen StGB ist neben Vorsatz und Fahrlässigkeit als weitere Zurechnungsform die ,,Präterintention" geregelt (vgl. Art. 43 Abs. 2).
A. Verbrechensdefmition und Erfolgshaftung
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im Besonderen Teil des C6digo Penal kodifiziert wurden 28. Von praktischer Relevanz ist insbesondere die sogenannte präterintentionale Tötung 29 • Dabei geht es vornehmlich um die dem § 226 StGB im objektiven Tatbestand entsprechenden Fälle, also um diejenigen, in welchen eine vorsätzliche Körperverletzung den Tod des Opfers zur Folge hat. Anders als im deutschen Strafgesetzbuch fand und emdet sich auch nach der Teilreform von 1983 im C6digo Penal kein erfolgsqualifiziertes Delikt der Körperverletzung mit Todesfolge JO • Daher setzte man sich bereits vor der Teilreform von 1983 in der spanischen Rechtsprechung und Lehre intensiv mit der Frage auseinander, wie eine derartige Tat strafrechtlich zu ahnden sei, ob der Täter wegen vorsätzlicher Körperverletzung oder wegen vorsätzlicher Tötung bestraft werden mußte. Hierzu wurden unterschiedliche Meinungen vertreten 31 • Der Tribunal Supremo 32 und ebenso ein Teil der Lehre 33 nahm bei einer anläßlich einer vorsätzlichen Körperverletzung herbeigeführten Tötung ein Tötungsdelikt an, wobei die Vorsatzstrafe gemildert wurde. Hierzu griff man auf Art. 1 Abs.3 CP a. F. in Verbindung mit Art. 9 Nr. 4 CP, den sogenannten mildernden Umstand der Präterintentionalität zurück. Art. 9 Nr. 4 CP, der sich auch noch im geltenden Strafgesetzbuch findet, besagt: ,,Ein mildernder Umstand liegt vor, wenn der Täter nicht den Vorsatz hatte, ein so schweres Übel wie das von ihm verursachte herbeizuführen." Demgegenüber vertrat die überwiegende Lehre 34 die Auffassung, bei derartigen Sachverhaltskonstellationen liege lediglich ein Körperverletzungsdelikt vor, was aus Art. 50 CP a. F. folge. Diese Vorschrift, die sich in dem Kapitel über die Strafzumessung befand und anders als Art. 9 Nr. 4 CP durch die Teilreform von 1983 ersatzlos gestrichen wurde, lautete in ihrem ersten Absatz: "Ist das ausgeführte Vorhaben ein anderes als das vom Schuldigen beabsichtigte, so wird 28 Bacigalupo, Manual, S. 221, weist zudem auf den unterschiedlichen Blickwinkel hin, aus dem die Zurechnung der schweren Folge beim erfolgsqualifizierten Delikt einerseits und den präterintentionalen Delikten andererseits vorgenommen wird. 29 Vgl. hierzu Alonso Alarno, La Ley Nr. 771, 1983, S. 1 ff.; Manzanares Samaniego, Actualidad Penal Nr. 2, 1989, S. 41; Mir Puig, RJC 1979, S. 57 ff.; ders., in: DeutschSpanisches Strafrechtskolloquium, S. 27; Munoz Conde, RJC 1974, S. 156 ff. m. w. N.; ders., PE, S. 30 ff. Die Rechtsfigur "präterintentionale Tötung" ist in Art. 584 italienisches StGB sogar normiert. 30 Anders dagegen im E 1980, siehe unten 2. Kapitel B VllI 2 bb). 31 Siehe den Überblick von Gimbernat Ordeig, in: Ausländisches Strafrecht der Gegenwart, S. 385 ff., sowie von Munoz Conde, PE, S. 30 f. 32 Vgl. u. a. die Urteile des TS vom: 10.6.1949,25.6.1963,3.1.1964,20.11.1964, 2.6.1969,6.11.1969,24.6.1970 (zitiert nach Gimbernat Ordeig, in: Ausländisches Strafrecht der Gegenwart, S. 385 ff.); siehe auch die Nachweise zur neueren Rechtsprechung bei Alonso Alarno, La Ley Nr. 771, 1983, S. 1 ff. 33 Siehe hierzu die Literaturhinweise bei Gimbernat Ordeig, in: Ausländisches Strafrecht, S. 387. 34 Vgl. die ausführliche Darstellung bei Alonso Alarno, La Ley Nr. 771, 1983, S. 2 ff, sowie den Überblick bei Cerezo Mir, La Ley Nr. 1919, 1988, S. 2.
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2. Kap.: Dogmatischer Teil
diesem die dem leichteren Verbrechen entsprechende Strafe in ihrem höchsten Grade auferlegt."35. Nur bei der sogenannten homogenen Präterintentionalität, also wenn sich der angestrebte und realisierte Erfolg graduell, nicht aber im Hinblick auf das verwirklichte Delikt unterschieden, sollte nach überwiegender Ansicht Art. 9 Nr. 4 CP Anwendung finden 36. So etwa, wenn der Täter eine leichte Körperverletzung intendierte, tatsächlich sein Handeln aber zu einer schweren führte. Im Fall der heterogenen Präterintentionalität indes - also dann, wenn wie bei der Körperverletzung mit Todesfolge ein derartiges Stufenverhältnis nicht besteht, weil es sich um verschiedene Tatbestände handelt - müsse immer Art. 50 CP a. F. eingreifen 37. 5. Zusammenfassung
Der Überblick hat verdeutlicht, wie in Art. 1 CP a. F. de lege lata durch Verwendung des Begriffs "voluntario", die Vermutung der Willentlichkeit sowie durch die Festschreibung des Versari-Prinzips Grundsätze verankert waren, die den Leitgedanken eines modemen Strafrechts vollkommen zuwiderliefen. Daher erscheint es nur zu verständlich, daß die Abänderung des Art. 1 a. F. CP eines der Hauptziele der gesamten Reformarbeiten darstellte. Wie nunmehr die Neufassung des Art. 1 CP ausgestaltet ist, wie weit sie Bezüge zu Vorschriften des deutschen StGB aufweist, wie sie zustande kam und welche Aufnahme sie in der spanischen Rechtsprechung und Lehre fand, ist Gegenstand der folgenden Untersuchung.
35 In der Judikatur wurde Art. 50 a. F. CP indes als besondere Strafzumessungsregel allein für den error in persona sowie die aberratio ictus angesehen und nicht auf weitere Fälle der Inkongruenz von intendiertem und realisiertem Erfolg ausgedehnt. Siehe die dahingehenden Urteile des TS vom 5.1.1944, 17.3.1947,23.1.1959, 13.11.1959 (vgl. hierzu Cerezo Mir, Problemas fundamentales, S. 71 f.). Gegenüber dieser Rechtsprechung kritisch: Muftoz Conde, RJC 1974, S. 160. Zur Abstufung der Strafrahmen nach "Graden" siehe Gimbernat Ordeig, Introducci6n, S. 178 ff. 36 Die herrschende Lehre war bemüht, den Anwendungsbereich von Art. 9 Nr. 4 CP weitestgehend einzuschränken, da auch diese Vorschrift das Versari-Prinzip im C6digo Penal verankerte, vgl. Cerezo Mir, La Ley Nr. 1919, 1988, S. 2. 37 Die Unterscheidung zwischen homogener und heterogener Präterintentionalität stammt von dem spanischen Strafrechtler Silvela (EI derecho penal estudiado en principios y en la Legislaci6n vigente en Espafia, n, S. 137). Über die Gründe, warum der TS der Lehre von Silvela in der Regel nicht folgte, berichtet Cerezo Mir, La Ley Nr. 1919, 1988, S. 2. Im Urteil vom 30.3.1973 (A. 1464) griff indes der TS auf die Lehre Silvelas zurück, um so auch in der Judikatur den gröbsten Bekundungen einer Erfolgshaftung entgegenzuwirken. Später wandte der TS allerdings wieder lediglich die Strafmilderungsvorschrift Art. 9 Nr. 4 CP an (zur Entwicklung in der Rechtsprechung siehe die kritischen Ausführungen von Bajo Fernandez, PE, S. 38 f.).
B. Verbrechensdefinition und Schuldprinzip
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B. Verbrechensdefinition, Schuldprinzip und erfolgsqualifizierte Delikte nach der Teilreform von 1983 I. Wortlaut von Art. 1 CP Art. 1 CP lautet nach der Teilrefonn von 1983 folgendennaßen: "Verbrechen oder Übertretungen sind vorsätzliche oder fahrlässige Handlungen oder Unterlassungen, welche durch das Gesetz bestraft werden. Es gibt keine Strafe ohne Vorsatz oder Fahrlässigkeit. Wird die Strafe durch die Herbeiführung einer weiteren schwereren Folge bestimmt, ist man für diese nur verantwortlich, wenn sie wenigstens fahrlässig verursacht wurde."
ß. Amtliche Begründung
In der amtlichen Begründung zum Teilrefonngesetz von 1983 wird die Neufassung dieser Bestimmung explizit auf die beiden Zentralproblerne der alten Vorschrift gestützt: Zum einen sollten die Unklarheiten beseitigt werden, die sich bei der Auslegung des Art. 1 CP a. F. durch das Wort "voluntario" ergeben hatten 38. Zudem heißt es, eine Neufassung sei unerläßlich gewesen, um " ... aus unserem Strafrechtssystem die objektive Verantwortlichkeit und all ihre Auswirkungen ... zu eliminieren 39."
Iß. Regelungsgegenstand von Art. 1 Abs. 1 CP Art. 1 Abs. 1 CP enthält in Fortführung der spanischen Gesetzestradition eine - wenn auch fragmentarische - Verbrechensdefinition 4O • Bereits aus der Formulierung "Verbrechen oder Übertretungen sind . .. " ergibt sich, daß hier eine Definition gegeben werden soll. Der Regelungsgehalt dieser Vorschrift geht auch über eine bloße Einteilung in "delitos" (Verbrechen i. e. S.)41 und "faltas" (ÜberZur Altfassung siehe oben 2. Kapitel A n. In der unveröffentlichten Erläuterung zum Vorentwurf von 1979 wurde die Abänderung des Art. 1 CP a. F. indes darauf gestützt, daß der Begriff "voluntario" zu sehr an einen psychologisch geprägten Schuldbegriff erinnere und mit dem herrschenden normativen Schuldbegriff kaum in Einklang zu bringen sei; vgl. hierzu Cobo dei Rosal y Vives Ant6n, in: Comentarios a la Legislaci6n Penal, S. 22. 40 So Cobo dei Rosal y Vives Ant6n, in: Comentarios a la Legislaci6n Penal, S. 21; vgl. zudem C6rdoba Roda, in: Festschrift für Maurach, S. 629, in bezug auf Art. 1 Abs. 1 CPa.F. 41 Der Begriff "delito" ist in dieser Regelung nicht im Sinne von Delikt und damit nicht als Sammelbegriff für Verbrechen und Übertretungen gebraucht; so ausdrücklich Cerezo Mir, Curso I, 1982, S. 299, unter gleichzeitigem Hinweis auf den uneinheitlichen Sprachgebrauch des spanischen Gesetzgebers bei der Verwendung des Ausdrucks "delito". 38 39
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2. Kap.: Dogmatischer Teil
tretungen)42 hinaus. Denn die Vorschrift nennt zudem Bestandteile des Verbrechensbegriffs, nämlich Handlung 43 oder Unterlassung 44 sowie Vorsatz oder Fahrlässigkeit. Aus der Regelung läßt sich darüber hinaus ableiten, daß es neben Vorsatz und Fahrlässigkeit keine weitere Form für eine subjektive Zurechnung gibt 45 und nur vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten bestraft werden kann. Handelt der Täter nicht vorsätzlich und kann ihm auch keine Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden, scheitert eine Bestrafung deshalb, weil es an einem Verbrechen oder auch einer Übertretung im Sinne von Art. 1 Abs. 1 CP fehlt 46 • Innerhalb der Reformarbeiten gab es Meinungsverschiedenheiten im Hinblick auf die Frage, welche Wörter für die Bezugnahme auf den Vorsatz und die Fahrlässigkeit zu verwenden seien. Entschieden hat sich der spanische Gesetzgeber sowohl bei der Teilreform von 1983 wie auch schon im E 1980 (vgl. Art. 17) für das Begriffspaar "doloso" und "culposo"47. Die Eignung dieser beiden Wörter ist allerdings schon zu Beginn der jüngsten Reformarbeiten in Frage gestellt worden 48. Genauso wie bei den Schwierigkeiten, die das Wort "willentlich" (voluntario) mit sich gebracht hatte, werfen auch diese beiden Begriffe nur vordergründig terminologische Probleme auf. Den Hintergrund bilden vielmehr Meinungsverschiedenheiten über Sachfragen, wie der Gang der Reformarbeiten zum späteren neugefaßten Art. 1 CP erkennen läßt: So war von Vertretern jener Lehrmeinung, die "Vorsatz" im Sinne von dolus malus verstehen, der Versuch gemacht worden, anstelle von "doloso" durch den Begriff ,,malicioso" - was dem deutschen "böswillig" entspricht - ihrem Vorsatzverständnis bereits innerhalb der Verbrechensdefinition Eingang zu verschaffen 49. Zudem wurde bei der Diskussion des Teilreformgesetzes von 1983 42 Die Übertretungen sind im 1lI. Buch des C6digo Penal geregelt. Zur Einteilung der Straftaten im CP vgl. Gimbernat Ordeig, in: Ausländisches Strafrecht, S. 323. 43 Zum Handlungsbegriff vgl. Cerezo Mir, Curso I, 1985, S. 253. 44 Cerezo Mir, Problemas fundamentales, S. 303, bemängelt, daß der C6digo Penal keine dem § 13 StGB entsprechende Vorschrift enthält. 4S SO auch Rodrfguez Mourullo, in: Comentarios a la Legislaci6n Penal, S. 93. Siehe indes Weigend, ZStW 93 (1981), S. 687 ff., der sich de lege ferenda im deutschen Strafgesetzbuch für die Einführung einer Zwischenstufe zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit nach dem Muster der amerikanischen ,,recklessness" ausspricht. 46 Schließlich wird mit der Voraussetzung in Art. 1 Abs. 1 CP "penadas por la ley", also "vom Gesetz unter Strafe gestellt", wie bereits in den vorherigen spanischen Strafgesetzbüchern dem Gesetzmäßigkeitsprinzip genüge getan; vgl. Cobo dei Rosal y Vives Anton, in: Comentarios a la Legislaci6n Penal, S. 21. Siehe zudem Sainz Cantero, in: Estudios Penales y Criminol6gicos VII, 1984, S. 418 f., zur Bedeutung dieser Aussage im Hinblick auf die Anerkennung des Schuldgrundsatzes. 47 Anders dagegen im VE 1983. Dort wurde zur Bezeichnung der Fahrlässigkeit das Wort ,,imprudencia" verwandt (siehe Art. 3 VE 1983 sowie Art. 14 VE 1983); zu den Gründen siehe unten 2. Kapitel B VI 3. 48 Vgl. den Überblick von Cobo del Rosal y Vives Anton, in: Comentarios a la Legislaci6n Penal, S. 23, in bezug auf die Vorarbeiten zum E 1980, sowie die Darstellung bei Rodrfguez Devesa, in: Festschrift für Jescheck, S. 204 f., im Hinblick auf das Teilreformgesetz von 1983.
B. VerbrechensdefInition und Schuldprinzip
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im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens 5o, wie auch schon früher in der Litera-
tur 51 , die Frage erörtert, ob dem terminus technicus "culposo" nicht das im
allgemeinen Sprachgebrauch übliche Wort "imprudencia" vorzuziehen seiS2• Die Verwendung von "culposo" in der Verbrechensdefmition stieß darüber hinaus auf Kritik, weil dieses Wort etymologisch von "culpa" also "Schuld" abgeleitet ist und hierdurch der Eindruck hätte entstehen können, es solle gesetzlich festgeschrieben werden, daß es sich bei den Merkmalen Vorsatz und Fahrlässigkeit um Schuldelemente handele 53 • Trotz des über eine bloße Deliktseinteilung hinausgehenden Regelungsgehalts werden die Verbrechensvoraussetzungen in der Vorschrift nur fragmentarisch behandelt. Dies zum einen deswegen, weil der Regelung nicht zu entnehmen ist, was Verbrechen (i. e. S.) und was Übertretungen im Sinne der Bestimmungen darstellen; zum anderen deshalb, weil die Vorschrift nicht alle Merkmale des Verbrechensbegriffs enthält. Denn eine Straftat hat nicht nur Vorsatz oder Fahrlässigkeit, verstanden als subjektive Unrechtsmerkmale oder als Schuldmerkmale, sondern auch (weitere) objektive Tatbestandsmerkmale sowie Rechtswidrigkeit und Schuld zur Voraussetzung 54. IV. Vergleich des Art. 1 Abs.1 CP mit §§ 12 und 1S StGB
Im deutschen Strafgesetzbuch findet sich keine Vorschrift, die inhaltlich genau mit Art. 1 Abs. 1 CP übereinstimmt. Gleichwohl erinnern die in der spanischen Bestimmung enthaltenen Aussagen an den Regelungsgehalt zweier Vorschriften des StGB. Zunächst besteht ein Bezug zu § 12 StGB, weil auch in Art. 1 Abs. 1 CPim Rahmen der Deliktsdefinition - eine Zweiteilung der Straftaten (Dichotomie) vorgenommen wird 55. Jedoch beschränkt sich die in der spanischen Regelung 49 So etwa von Mir Puig, in: La refonna penal y penitenciaria, S. 499; zur Bedeutung des Wortes ,,malicia" siehe auch oben 2. Kapitel A rr 1 mit Anm. 5. so Siehe hierzu Rodrtguez Devesa, in: Festschrift für Jescheck, S. 204; vgl. zudem insbesondere die Diskussion im Parlament, veröffentlicht in: Boletin OfIcial de las Cortes Generales, Congreso de los Diputados Nr. 27 vom 19.4.1983. 51 Vgl. Mir Puig, in: La refonna penal y penitenciaria, S. 498 f.; ders., Adiciones 11, S.790. 52 Dahingehend Sainz Cantero, in: Estudios Penales y Crimino16gicos vrr, 1984, S. 419 f. Auch Cerezo Mir, Curso 1,1985, S. 252, begrüßt aus diesem Grund der Allgemeinverständlichkeit die Verwendung des Wortes ,.imprudente" in Art. 3 VE 1983 und Art. 14 VE 1983; so auch Muiioz Conde, Teoria general, S. 70. 53 Siehe Mir Puig, in: La refonna penal y penitenciaria, S. 498 f. 54 V gl. auch die dahingehende Kritik von Cobo deI Rosal y Vives Anton, in: Comentarios a la Legislaci6n Penal, S. 31 ff. Cerezo Mir, Curso I, 1985, S. 254, weist zudem daraufhin, daß zum Verbrechensbegriff auch die objektiven Bedingungen der Strafbarkeit zählen. 55 Anders als im deutschen Strafgesetzbuch werden die Straftaten im CP allerdings in Verbrechen und Übertretungen unterteilt. Siehe hierzu bereits oben 2. Kapitel B ill.
40
2. Kap.: Dogmatischer Teil
enthaltene Aussage nicht wie § 12 StGB auf eine bloße Einteilung der Delikte und zielt auch nicht auf eine solche ab, wie sich bereits aus der Existenz von Art. 6 CP56, einer § 12 StGB von ihrer Funktion her entsprechenden Vorschrift, ergibt. Mithin kommt der Ähnlichkeit von Art. 1 Abs.1 CP und § 12 StGB keine wesentliche Bedeutung zu. Als Vergleichsvorschrift zu Art. 1 Abs. 1 CP bietet sich weiterhin § 15 StGB an. Beide Vorschriften stimmen inhaltlich insoweit überein, als gesetzlich festgeschrieben wird, daß nur vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten eine Straftat begründen kann, wobei dem C6digo Penal im Unterschied zum deutschen Strafgesetzbuch ein "offenes" Fahrlässigkeitssystem zugrundeliegt57. Zudem läßt Art. 1 Abs.1 CP ebenso wie § 15 StGB offen, welche Elemente den Vorsatz- und welche den Fahrlässigkeitsbegriff ausfüllen 58, so daß die subjektiven Grundvoraussetzungen der Strafbarkeit in beiden Bestimmungen nur fragmentarisch behandelt werden. Mithin läßt sich festhalten, daß der Regelungsgehalt von Art. 1 Abs. 1 CP mit dem des § 15 StGB teilidentisch ist. 56 Art. 6 CP lautet: "Verbrechen sind Straftaten, für welche das Gesetz schwere Strafen (penas graves) androht. Vergehen sind Straftaten, an welche das Gesetz leichte Strafen (penas leves) knüpft." Dabei ist gemäß Art. 27 CP - ebenso wie bei § 12 StGB - für die Abgrenzung die Mindeststrafe des jeweiligen Regelstrafrahmens entscheidend. Der VE von 1983 sieht dagegen, unter dem Einfluß des C6de Penal, eine Dreiteilung der Delikte vor (Art. 16 VE 1983), und zwar in "delitos graves" (Verbrechen), "delitos menos graves" (Vergehen) und "faltas" (Übertretungen). Zu dieser Lösung siehe die positive Bewertung bei Cerezo Mir, Curso I, 1985, S. 259. 57 Eingehend hierzu C6rdoba Roda, ZStW 81 (1969), S. 425. Die h. L. in der spanischen Strafrechtswissenschaft spricht sich de lege ferenda dafür aus, wie im deutschen StGB Einzeltatbestände zu schaffen, welche die fahrlässige Begehung von nur bestimmten Delikten mit Strafe bedroht; vgl. statt aller Quintero Olivares / Mufzoz Conde, La reforma penal, S. 32. Man war sich aber darüber einig, daß eine derartige Umstrukturierung der Fahrlässigkeitstaten nur innerhalb einer allumfassenden Strafrechtsnovellierung möglich sein würde, nicht aber im Rahmen einer Teilreform wie der von 1983; so Quintero Olivares / Mufzoz Conde, La reforma penal, S. 32. Im VE 1983 (vgl. Art. 15 VE 1983) ist, wie bereits in dem ebenfalls auf eine Gesamtreform gerichteten E 1980 (vgl. Art. 18 E 1980), die nur ausnahmsweise Bestrafung von Fahrlässigkeitstaten vorgesehen. Zur Regelung im E 1980 vgl. Rodrfguez Ramos, La Ley Nr. 44,1980, S. 1008; siehe zudem die Kritik von Rodrfguez Devesa, in: La reforma penal y penitenciaria, S. 163 f., sowie bei Sainz Cantero, in: La reforma penal y penitenciaria, S. 179, die sich aufformale Mängel des neuen Fahrlässigkeitssystems im E 1980 bei der Anpassung an weitere Tatbestände des C6digo Penal bezieht. Die unterschiedliche Strafbarkeitsausdehnung von Fahrlässigkeitstaten im geltenden spanischen und im deutschen Strafgesetzbuch wirkt sich insbesondere auch auf die Diskussion um die Existenzberechtigung von erfolgsqualifizierten Delikten sowie auf den Schulenstreit zwischen Schuld- und Vorsatztheorie aus. 58 Siehe die positive Bewertung dieser Entscheidung des deutschen Reformgesetzgebers auch vom heutigen Standpunkt aus bei Hirsch, in: Gedächtnisschrift für Hilde Kaufmann, S. 143.
B. Verbrechensdefinition und Schuldprinzip
41
Fraglich ist jedoch, ob Art. 1 Abs. 1 CP dieselbe Bedeutung zukommt wie
§ 15 StGB. Betrachtet man zunächst einmal § 15 StGB, so ergibt sich, daß diese
Vorschrift vornehmlich klarstellende und gesetzestechnische Funktion hat: Zum einen wird mit der Bestimmung eine Unklarheit des § 59 StGB a. F. beseitigt, indem das Gesetz nun explizit festschreibt, daß Fahrlässigkeitstaten nur dann strafbar sind, wenn dies gesetzlich ausdrücklich angeordnet wird 59. Darüber hinaus ist § 15 StGB von gesetzestechnischer Bedeutung, da er in die Tatbestände des Besonderen Teils das Vorsatzerfordernis einfügt. Die in der Vorschrift enthaltene Aussage selbst - also daß nur vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln strafbar ist - war indes für die Mehrzahl der Tatbestände bereits unter der Geltung des § 59 a. F. StGB anerkannt 6O • Demgegenüber wird im spanischen Strafgesetzbuch mit Art. 1 Abs. 1 CP erstmalig erklärt, daß lediglich vorsätzliche oder fahrlässige Handlungen oder Unterlassungen, nicht aber generell "willentliche" ein Delikt im Sinne des C6digo Penal ausmachen können. Man nimmt im Gesetz selbst eine neue Wertung vor, indem nunmehr eine innere Beziehung des Täters zu dem eingetretenen rechtswidrigen Erfolg verlangt wird. Nicht die willentliche Handlung als solche, sondern der Inhalt dieser Handlung ist für die Zurechnung der Tat und damit für die Bestrafung des Täters von tragender Bedeutung. Hierdurch erteilt der spanische Gesetzgeber bereits im Rahmen der Deliktsdefinition der Erfolgshaftung eine eindeutige Absage 61 • Als Ergebnis läßt sich damit festhalten, daß, obwohl sich die beiden Bestimmungen inhaltlich weitgehend decken, die Aussagekraft des Art. 1 Abs. 1 CP und damit die Bedeutung dieser Regelung im spanischen Strafgesetzbuch über diejenige des § 15 StGB erheblich hinausgeht. V. Ausschluß der Erfolgshaftung in Art. I Abs.2 S.l CP
Wenn es nun in Abs. 2 S. 1 derselben Vorschrift heißt: ,,No hay pena sin dolo o culpa", also ,,Es gibt keine Strafe ohne Vorsatz oder Fahrlässigkeit", erhebt sich die Frage, ob dieser Regelung mit Blick auf Art. 1 Abs. 1 CP eine eigenständige Bedeutung zukommt. Dies scheint zweifelhaft. Denn notwendige Voraussetzung für eine Bestrafung ist gerade das Vorliegen eines dem Strafgesetzbuch unterliegenden deliktischen Verhaltens, das wiederum nach Abs. 1 nur dann 59 Nach ganz h. M. war fahrlässiges Handeln bis dahin - zumindest bei den Übertretungen - auch dann strafbar, wenn sich dies aus dem Normzusammenhang oder -zweck ,,mit Sicherheit ergab"; vgl. RGSt. 49, 118; BGHSt. 6, 132; Schönke / Schröder , 17. Aufl., § 59 Rdn. 149. 60 Vgl. Schroeder, LK, § 15 Rdn. 6 m. w. N. 61 Siehe Quintero Olivares / Munoz Conde, La reforma penal, S. 30; Cobo dei Rosal y Vives Ant6n, in: Comentarios a la Legislaci6n Penal, S. 28, die aber gleichzeitig anmerken (ebenda, S. 24), die Neufassung des Art. 1 Abs. 1 CP harmoniere nicht mit den übrigen Regeln des CP.
42
2. Kap.: Dogmatischer Teil
gegeben ist, wenn der Täter u. a. vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat. Mithin enthält Art. 1 Abs.2 S. 1 CP gegenüber Abs. 1 derselben Vorschrift insoweit keine neue Aussage und erscheint überflüssig. Gleichwohl sollte daraus nicht gefolgert werden, daß Art. 1 Abs. 2 S. 1 CP bedeutungslos ist. Funktion und Hintergrund dieser Regelung lassen sich nur erschließen, wenn man sich sowohl die bis zur Teilreform von 1983 geltende Fassung 62 als auch die Vorgängervorschrift von Art. 1 Abs. 2 S. 1 CP im E 1980, nämlich den Art. 3 S. 1 E 1980 63, vor Augen führt: Der gesamte zweite Absatz des neugefaßten Art. 1 tritt an die Stelle von Art. 1 Abs. 3 a. F. CP, derpositivrechtlich das "Versari-Prinzip" verankerte. Auf diesem historischen Hintergrund kann in der nunmehrigen Aussage: "Es gibt keine Strafe ohne Vorsatz oder Fahrlässigkeit" ein ausdrückliches Bekenntnis gegen eine strafrechtliche Erfolgshaftung gesehen werden 64. Mithin kommt Art. 1 Abs.2 S. 1 CP insoweit zumindest eine klarstellende Funktion zu6!i.
VI. Bedeutung von Art. 1 Abs. 2 S. 1 CP im Hinblick auf die Schuldidee
Ob die Bedeutung des Art. 1 Abs. 2 S. 1 CP sich auf eine bloße Absage an die Erfolgshaftung beschränkt, erscheint zweifelhaft. Möglicherweise enthält diese Regelung darüber hinaus eine positive Aussage in Richtung auf eine Anerkennung der Schuldidee. Um diese Frage beantworten zu können, gilt es, auf die Vorgängervorschrift von Art. 1 Abs. 2 S. 1 CP im Regierungsentwurf, Art. 3 S.1 E 1980, näher einzugehen.
1. Die Vorgängervorschrift im Regierungsentwurfvon 1980: Art. 3 S. 1 E 1980 Wie bereits im Rahmen der Reformgeschichte dargelegt66, war diese Bestimmung in das Kapitel "Vorbemerkungen" eingegliedert, d. h. sie stand in dem Abschnitt des E 1980, der die allgemeinen strafrechtlichen Garantien enthielt. Siehe oben 2. Kapitel A. Siehe unten 2. Kapitel B VI I. 64 Dahingehend auch Cerezo Mir, La Ley Nr. 1919, 1988, S. 2. 6S Die in Art. 1 Abs. 2 S. 1 CP enthaltene deklaratorische Aussage wird wiederum durch den im Rahmen der Teilreform neu eingeführten Art. 6 bis b) CP verstärkt. Die Bestimmung lautet: "Wurde die Tat lediglich zufaIlig, ohne Vorsatz oder Fahrlässigkeit des Täters bewirkt, so wird sie als zufaIlig angesehen und nicht bestraft." Diese Regelung, welche Art. 8 Nr. 8 CP a. F. ablöst (siehe hierzu oben 2. Kapitel A 11 3) stellt klar, daß es im CP keine Zufallshaftung mehr gibt. Zur Bedeutung von Art. 6 bis b) CP und über seine dogmatische Einordnung siehe näher Rodrfguez Mourullo, in: Comentarios a la Legislaci6n Penal, S. 105 ff., mit Darstellung der verschiedenen Lehrmeinungen. 66 Siehe oben 1. Kapitel BIll. 62 63
B. Verbrechensdefinition und Schuldprinzip
43
Art. 3 S. 1 E 1980 lautete: ,,No hay pena sin culpabilidad", ,,Es gibt keine Strafe ohne Schuld". Durch den ausdrücklichen Rückgriff auf den Schuldbegriff in dieser Regelung sowie ihre Aufnahme in die allgemeinen strafrechtlichen Garantien scheint in dieser Bestimmung ein umfassendes Bekenntnis zum Schuldprinzip zu liegen 67 • Gleichwohl zeigt ihre Entstehungsgeschichte wiederum 68 , daß die aus dem Schuldgrundsatz folgende Konsequenz, die Festlegung einer Strafobergrenze, mit dieser Bestimmung nicht gezogen werden sollte. Wie weit man innerhalb der Reformarbeiten mit Art. 3 S. 1 E 1980 in Richtung auf das Schuldprinzip gehen wollte, wird durch die Diskussion der Vorschrift bei den Beratungen des Vorentwurfs von 1979 in der sogenannten "Comisi6n general de codificaci6n, secci6n 4" deutlich: Wie bereits erwähnt, war der Strafrechtler Gimbernat Ordeig Mitglied des Sonderausschusses und damit an den Vorarbeiten zum späteren E 1980 wesentlich beteiligt 69. Obwohl er dem Begriff der Schuld wegen Nichtbeweisbarkeit der Willensfreiheit die Daseinsberechtigung im Strafrecht abspricht 70 , konnte er sich mit dieser Auffassung in der "Comisi6n general de codificaci6n secci6n 4" nicht durchsetzen. Die meisten Kommissionsmitglieder bekannten sich vielmehr im Einklang mit der in den letzten Jahren in Spanien vorherrschenden Lehrmeinung 71 - grundsätzlich zur Schuldidee, da sie von der Freiheit des Menschen zum rechtlichen Handeln ausgehen 72 • Uneinigkeit bestand allerdings unter ihnen hinsichtlich der Frage nach der Reichweite des Schuldgedankens 73 • So unterbreitete das Kommissionsmitglied Cerezo Mir einen Änderungsvorschlag in Richtung auf eine Erweiterung der später in Art. 3 S. 1 E 1980 enthaltenen Aussage. Er schlug eine Formulierung vor, aus der ausdrücklich hervorging, daß die Schuld nicht nur die Legitimation der Strafe darstellen sollte, sondern darüber hinaus diese auch das Maß der Schuld nicht überschreiten dürfte 74. Obwohl einige Kommissionsmitglieder Cerezos Auffassung eines Schuldüberschreitungsverbots der Strafe teilten, wurde dieser Vorschlag mehrheitlich abgelehnt. Der Grund 67 So wird auch in der spanischen Strafrechtsliteratur immer wieder darauf hingewiesen, daß im E 1980 durch Art. 3 S. 1 der Grundsatz ,,nulla poena sine lege" gesetzlich verankert worden sei. V gl. statt aller Rodriguez Devesa. in: La reforma penal y penitenciaria. S. 162. 68 Siehe dazu Rodriguez Mourullo. in: La reforma penal y penitenciaria, S. 19 f. 69 Siehe oben 1. Kapitel B 11. 70 Gimbernat Ordeig. in: Festschrift für Henkel, S. 153 f.; ders .• ZStW 82 (1970), S. 384 ff. 71 Vgl. hierzu Bacigalupo. ZStW 92 (1980), S. 768 f.; siehe zudem die Nachweise oben 1. Kapitel Bill Anm. 52. 72 Gegen Gimbernat Ordeig insbesondere Bacigalupo. in: Festschrift für Welzel, S. 481 ff., sowie Cerezo Mir. Problemas fundamentales, S. 180 ff. 73 Näher hierzu Rodrtguez Mourullo. in: La reforma penal y penitenciaria, S. 19 f. 74 So sollte die Erstfassung des späteren Art. 3 S. 1 E 1980 durch folgenden Satz ergänzt werden: ,,Die Schuld ist Grundlage und Höchstgrenze der Strafe."
44
2. Kap.: Dogmatischer Teil
lag darin, daß durch Regelungen im neuen Gesetz möglichst wenig in Meinungsverschiedenheiten um dogmatisch umstrittene Begriffe, wie hier den der Schuld, eingegriffen werden sollte. Denn teilweise wird auch in der spanischen Lehre eine strafbegrenzende Seite des Schuldprinzips vemeint 75 • Die Fassung des Art. 3 S. 1 E 1980 stellte daher eine Kompromißlösung zwischen den verschiedenen Lehrmeinungen dar, wobei aber noch einmal darauf hinzuweisen ist, daß der Meinung Gimbernats, nach welcher das Schuldprinzip durch präventive Erwägungen zu ersetzen sei, durch die im E 1980 enthaltene Regelung eine Absage erteilt wurde.
2. Die Regelung im TeilreJormgesetz von 1983: Art. 1 Abs.2 S.l CP Unter Berücksichtigung dieses historischen Hintergrunds von Art. 1 Abs. 2 S. 1 CP ergibt sich, daß die Regelung nur noch ein Relikt der Vorgängerfassung, Art. 3 S. 1 E 1980, darstellt, ohne de lege lata ihre Funktion einer gesetzlichen Verankerung des Schuldgrundsatzes zu erfüllen 76. Denn auch diejenigen Strafrechtler, die wie Gimbernat auf den Schuldbegriff gänzlich verzichten wollen, wenden sich gegen eine rein objektive Tatverantwortlichkeit und setzen Vorsatz und Fahrlässigkeit als subjektive Zurechnungselemente für eine Bestrafung voraus. Daß eine Auslegung von Art. 1 Abs. 2 S. 1 CP unter Ausklammerung der Schuldidee 77 indes nicht dem Gesetzeswillen entspricht, ergibt sich aus der amtlichen Begründung zum Teilreformgesetz von 1983. Dort wird auf die Notwendigkeit eines auf dem Schuldprinzip basierenden Strafrechts hingewiesen und im unmittelbaren Zusammenhang mit dieser Aussage die Abänderung des Art. 1 CP a. F., der Ausschluß der Erfolgshaftung, ausdrücklich genannt 78 • Hieraus läßt sich schließen, daß der Reformgesetzgeber die Neufassung von Art. 1 Abs. 2 S.1 CP als Ausfluß des Schuldprinzips verstanden wissen wollte 79 •
Siehe etwa Luz6n Pefla, GA 1984, S. 398. Dahingehend auch Rodrtguez Mourullo, in: Comentarios a la Legislaci6n Penal, S. 93, sowie Suarez Montes, ebenda, S. 36. Cobo dei Rosal y Vives Ant6n in: Comentarios a la Legislaci6n Penal, S.29, sowie Fernandez Albor, CPC Nr. 22, 1984, S.22, und Sainz Cantero, in: Estudios Penales y Criminol6gicos VII, 1984, S. 413 ff., vertreten sogar die Ansicht, der Begriff "voluntario" (willentlich) in Art. 1 CP a. F. zeige eine engere Verbindung zur Schuldidee auf als die jetzige Formulierung "vorsätzlich" bzw. "fahrlässig". Siehe aber demgegenüber leseheck, in: Estudios Penales y Criminol6gicos VIII, 1985, S. 56, der gerade unter Bezugnahme auf Art. 1 Abs.2 S. 1 CP hervorhebt, der spanische Reformgesetzgeber habe im Zuge der Teilreform den Gedanken ,,oulla poena sine culpa" bemerkenswert konsequent verfolgt. 77 So Gimbernat Ordeig, in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S. 112, mit Blickrichtung auf Art. 3 VB 1983. 78 Siehe die amtliche Begründung zum Teilreformgesetz (ARL. 1325). 79 Dahingehend Cerezo Mir, La Ley Nr. 1919, 1988, S. 3 f.; Suarez Montes, Revista Juridica de Asturias, 1985, S. 131 f. 75
76
B. Verbrechensdefinition und Schuldprinzip
45
3. Die im Vorentwurfsvorschlag von 1983 vorgesehene Bestimmung: Art. 3 VE 1983
Den neuesten Entwicklungsstand im Hinblick auf die Anerkennung des Schuldprinzips bei den spanischen Reformüberlegungen spiegelt allerdings Art. 3 VE 1983 wider 80• Zwar entspricht sein Wortlaut "no hay pena sin dolo 0 imprudencia" fast gänzlich demjenigen des Art. 1 Abs.2 S. 1 CP "no hay pena sin dolo 0 culpa", und die Aussage 81 beider ist dieselbe: ,,Es gibt keine Strafe ohne Vorsatz oder Fahrlässigkeit". Jedoch unter Berücksichtigung der gegen den Begriff "culpa" erhobenen Einwände, er sei zu eng mit dem Schuldbegriff verbunden 82 , dürfte der veränderten Wortwahl eine tiefere Bedeutung zuzumessen sein 83 • Mit der Regelung wollte man sich von der im E 1980 enthaltenen Formulierung, welche die Anerkennung der Schuldidee beinhaltete, noch weiter als in dem Teilreformgesetz entfernen. Im Rahmen dieses Gesetzesvorschlags wird sich, anders als bei den Vorarbeiten zum E 1980, die Auffassung Gimbernats und weiterer Strafrechtler durchgesetzt haben, wonach im C6digo Penal auf den Schuldbegriff verzichtet werden soll84. VII. Anerkennung des Schuldprinzips im Vergleich des spanischen und des deutschen Strafgesetzbuchs
Betrachtet man das deutsche Strafgesetzbuch, so fällt auf, daß dieses keine programmatische Erklärung etwa mit dem Inhalt "Strafe setzt Schuld voraus" enthält. Gleichwohl zeigen zahlreiche Einzelvorschriften bereits durch die Verwendung des Wortes "Schuld", daß das deutsche Strafgesetzbuch vom Schuldgedanken beherrscht ist 85 • Im übrigen wird dies auch durch § 46 Abs. 1 S. 1 StGB verdeutlicht, wo die Schuld des Täters expressis verbis zur Grundlage der Strafzumessung gemacht wird 86. Näher zu dieser Bestimmung Bustos Ramirez, in: Documentaci6n Jurfdica, S. 81 f. Sowohl das Wort "culpa" als auch der Ausdruck "imprudencia" sind im Deutschen mit ,,Fahrlässigkeit" zu übersetzen. 82 Siehe oben 2. Kapitel B III. 83 Dahingehend auch Bustos Ramirez, in: Documentaci6n Juridica, S. 81; vgl. auch Cerezo Mir, in: Documentaci6n Jurfdica, S. 49, der sich hier in einer für das Justizministerium verfaßten Stellungnahme zum VE 1983 nochmals für ein umfassendes gesetzliches Bekenntnis zum Schuldprlnzip ausspricht. 84 Cerezo Mir, La Ley Nr. 1919, 1988, S. 1, führt bereits die gegenüber Art. 3 S. 1 E 1980 im Teilreformgesetz von 1983 veränderte Fassung des Art. 1 Abs. 2 S. 1 CP auf den Einfluß der Auffassung dieser Strafrechtler zurück. 85 Vgl. statt aller Hirsch, LK, Vor § 32 Rdn. 170; siehe zudem BVerfGE 9,167, 169; 20, 323, 331; 23, 127, 132 f., wo der Grundsatz ,,nulla poena sine culpa" aus dem Rechtsstaatsprinzip entwickelt wird. Mit der Frage, inwieweit sich die aus dem Schuldprinzip ergebenden Konsequenzen in Spanien bereits aus der dortigen Verfassung ergeben, beschäftigt sich eingehend Bacigalupo, La Ley Nr. 434, 1982, S.936. 80 81
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2. Kap.: Dogmatischer Teil
Um einen möglichen Einfluß des deutschen Strafrechts aufweisen zu können, bietet es sich an, die Bedeutung der in Art. 3 S. 1 E 1980, Art. 1 Abs. 2 S. 1 CP sowie in Art. 3 VE 1983 enthaltenen Aussagen zum Schuldstrafrecht an der Gewichtung, die das Schuldprinzip innerhalb des deutschen Strafgesetzbuches erfahrt, zu messen. 1. Art. 3 S.l E 1980
Durch die systematische Einordnung des Satzes ,,Es gibt keine Strafe ohne Schuld" in dem Abschnitt über die allgemeinen strafrechtlichen Garantien wird die Geltung des Schuldgedankens im spanischen Regierungsentwurf besonders herausgestellt 87 • Diese Formulierung hat auch nicht nur deklaratorischen Charakter. Denn in den entsprechenden Einzelvorschriften, etwa der Verbotsirrtumsregelung, wird dem Wortlaut nach nicht immer klar zur Schuldidee Stellung bezogen 88 • Im deutschen Strafgesetzbuch ist das Schuldprinzip indes auch ohne eine programmatische Erklärung fest verankert, was sich - anders als im C6digo Penal - hier besonders in der Erwähnung des Schuldbegriffs in den oben erwähnten Einzelvorschriften dokumentiert. Damit erfahrt das Schuldprinzip in beiden Ländern wertungsmäßig dieselbe Gewichtung. Augenfällig ist zudem, daß der E 1980 wie das deutsche Strafgesetzbuch zu der Frage, ob die Strafe das Maß der Schuld überschreiten darf, schweigt. Obwohl die herrschende Lehre in Deutschland diese Meinung vertritt 89, ergibt sich dies nämlich nicht aus der in § 46 Abs. 1 S. 1 StGB gewählten Formulierung: "Die Schuld ist Grundlage für die Strafzumessung". Ebenso ist die Aussage des Art. 3 S. 1 E 1980 im Hinblick auf ein Schuldüberschreitungsverbot nicht eindeutig, wobei hier die Hinzufügung eines klarstellenden Satzes bewußt unterblieb 90 • Wegen dieser im Hinblick auf die Strafzumessungsschuld gleichartig offenen Formulierung der spanischen und der deutschen Regelung liegt die auch in der spanischen Strafrechtswissenschaft geäußerte Vermutung nahe, daß sich insoweit in Art. 3 S. 1 E 1980 ein Einfluß des § 46 Abs. 1 S. 1 StGB bemerkbar macht 91 •
86 Siehe Hirsch, in: Gedächtnisschrift für Hilde Kaufmann, S. 134. Über die Unterscheidung von Strafbegründungsschuld und der demgegenüber "weiteren" Strafzumessungsschuld des § 46 Abs. 1 S. 1 StGB näher Schönke / Schröder / Stree § 46 Rdn. 9 a, m.w.N. 87 Siehe oben 2. Kapitel B VI 1. 88 Siehe unten 2. Kapitel D N 4 b. 89 Vgl. statt aller Jescheck, AT, S. 19. 90 Siehe oben 2. Kapitel B VI 1. 91 So Quintero Olivares / Munoz Conde, La reforma penal, S. 30, unter Bezugnahme auf die Vorgängervorschrift von § 46 StGB, § 13 a. F. StGB; dahingehend auch Bustos Ramfrez, in: Documentaci6n Jurfdica, S. 81.
B. Verbrechensdefinition und Schuldprinzip
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2. Art. 1 Abs.2 S. 1 CP Auch nach der Teilreform von 1983 verzichtet der jetzt geltende C6digo Penal auf eine ausdrückliche Verankerung des Schuldgrundsatzes. Anders als im deutschen Strafgesetzbuch, wo schon durch die Wortwahl in verschiedenen Bestimmungen auf die Schuldidee zurückgegriffen wird, findet sich der Schuldbegriff weder in Art. 1 Abs. 2 S. 1 CP noch an anderer Stelle des C6digo Penal. Indes wäre die Existenz vieler Einzelvorschriften des spanischen Strafgesetzbuchs ohne die de facto-Anerkennung des Schuldprinzips unverständlich 92. Insbesondere auch die dem § 17 StGB ähnliche Vorschrift über den Verbotsirrtum, Art. 6 bis a Abs. 3 CP, die gerade im Rahmen der Teilreforrn erstmalig eingeführt wurde, baut auf diesem Grundsatz auf93 • Da im Teilreformgesetz von 1983 einerseits Einzelvorschriften sehr konsequent im Einklang mit der Schuldidee gestaltet wurden und auch in der Gesetzesbegründung ausdrücklich auf den Schuldgrundsatz Bezug genommen wird, dann aber dieser Gedanke in Art. 1 Abs. 2 S. 1 CP nur noch rudimentär zum Ausdruck kommt, wirkt die Reformentscheidung in dieser Hinsicht halbherzig 94 •
3. Art. 3 VE 1983 Im VE 1983 wurde unter anderem wegen seines engen Bezugs zum Schuldbegriff der Ausdruck "culposo" durch "imprudente" ersetzt. Damit entfernt sich der Vorentwurfsvorschlag noch weiter als der C6digo Penal nach der Teilreform von 1983 von der im deutschen Strafgesetzbuch im Hinblick auf den Schuldgedanken bezogenen Position.
4. Zusammenfassung und Tendenz Als Ergebnis läßt sich mithin festhalten, daß sich bei den jüngeren spanischen Reformarbeiten hier eine Tendenz zeigt, die sich - wenn auch nur graduell von der im deutschen Strafgesetzbuch enthaltenen Wertentscheidung wegbewegt. Möglicherweise zeichnet sich aber ein anderes Ergebnis ab, wenn man die jüngere deutsche Diskussion zum Schuldgrundsatz für einen Vergleich zur Be92 Vgl. Cerezo Mir, Curso I, 1985, S. 32 Fn. 78; dahingehend zudem AsUa Batarrita, Revista deI ilustre colegio de abogados Nr. 15, 1983, S. 11 f., sowie Jescheck, in: Estudios Penales y Criminol6gicos VIII, 1985, S. 56. A. A. Gimbernat Ordeig, ZStW 82 (1970), S.379; demgegenüber wiederum kritisch Bacigalupo, in: Festschrift für Weizei, S. 481 ff.; und Cerezo Mir, Problemas fundamentales, S. 179 ff. 93 So Bacigalupo, in: Festschrift für Welzel, S. 483; Cerezo Mir, Curso I, 1985, S. 32 Fn. 78. Gimbernat Ordeig indes leitet auch die strafrechtliche Relevanz des Verbotsirrtums aus präventiven Erwägungen ab (in: Festschrift für Henkel, S. 163 ff.); hiergegen Cerezo Mir, Problemas fundamentales, S. 181 ff. 94 Dahingehend auch Quintero Olivares I Munoz Conde, La reforma penal, S. 41.
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2. Kap.: Dogmatischer Teil
wertung der Schuldidee in beiden Ländern heranzieht. In der deutschen Strafrechtsdogmatik ist, wie im Rahmen der jüngeren spanischen Reformüberlegungen, eine zunehmende Kritik am Schuldprinzip zu verzeichnen. Bei der näheren Auseinandersetzung mit den Gliinden hierfür zeigt sich aber, daß es sich lediglich um eine vordergtiindig gleichlaufende Entwicklungslinie handelt: Während nämlich in der deutschen Diskussion das Schuldprinzip in eine Krise geriet, als in jüngster Zeit zunehmend versucht wurde, den klassischen Schuldgedanken von der Strafzwecklehre her aufzubrechen 95, wollte man im Rahmen der spanischen Reformarbeiten zur Strafzwecklehre gerade keine Aussage treffen 96 • Die Zuliickhaltung gegenüber dem Schuldprinzip, welche die spanische Reformdiskussion kennzeichnet, hängt vielmehr damit zusammen, daß man meinte, den "ethischjuristischen Begleitvorstellungen, die dem Begriff Schuld anhaften"97, also den Assoziationen an einen vom Vergeltungsgedanken geprägten Schuldbegriff fliiherer Zeiten aus dem Wege gehen zu müssen. Da zudem bei den spanischen Überlegungen immer wieder auf die Ausführungen Gimbernats zur Willensfreiheit als Grundlage jeglichen Schuldvorwurfs eingegangen wird, scheinen sich auch solche Erwägungen - anders als in Deutschland 98 - immer noch auf die Argumentation auszuwirken. Ob die künftige Diskussion um den Schuldgedanken in Spanien, wenn auch zeitlich verschoben, in dieselbe Richtung weisen wird wie die deutsche, bleibt noch abzuwarten.
95 Siehe bereits Noll. in: Festschrift für H. Mayer, S. 219 ff., der schon im Jahre 1966 die Ansicht vertrat, "die zusätzliche Strafbarkeitsvoraussetzung der Schuld" sei "um der Prävention willen aufgestellt" (S. 233). Präventive Gesichtspunkte beziehen in der neueren Diskussion ein: Roxin. ZStW 96 (1984), S. 641 ff.; Schünemann. GA 1986, 293; ders .• in: Grundfragen des modernen Strafrechtssystems, 1984, S. 153 ff.; siehe auch Achenbach. in: Grundfragen, S. 135; weiter geht die Konzeption von Jakobs. AT, S. 17 ff.; kritisch hierzu Arthur Kaufmann. Jura 1986, 225 ff., sowie Hirsch. in: Universitäts-Festschrift, S.399, 417 ff.; ders .• in: Deutsch-Japanisches Strafrechtskolloquium, S. 75 f. 96 Dies betont Gimbernat Ordeig. in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S.112. 97 Barbero Santos. in: Festschrift für Jescheck, S. 913. Auch Hirsch. LK, Vor § 32 Rdn. 170, warnt davor, moralisierende Aspekte in den Schuldbegriff mit einfließen zu lassen. 98 Das Prinzip der Verantwortlichkeit des Menschen wird heute als unbezweifelbare Realität unserer sozialen Existenz angesehen. In diesem Sinne siehe Jescheck. AT, S. 370; Wesseis. AT, S. 111.
B. Verbrechensdefinition und Schuldprinzip
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VIII. Präterintentionale und erfolgsqualitizierte Delikte: Art. 1 Abs. 2 S. 2 CP
1. Vergleich von Art. 1 Abs.2 S. 2 CP mit § 18 StGB Der Satz in Art. 1 Abs.2 S. 2 CP "Wenn die Verwirklichung einer weiteren, schwereren Folge die Strafe bestimmt, so tritt Verantwortlichkeit hierfür nur ein, wenn die Folge zumindest fahrlässig verursacht wurde" erinnert bereits in seiner Formulierung an § 18 deutsches StGB, jene Regelung, welche sich auf die erfolgsqualifizierten Delikte bezieht 99 • Diese Ähnlichkeit ist auch nicht zufallig. Wie immer wieder in der spanischen Strafrechtsliteratur betont wird, diente § 18 StGB bei der Abfassung von Art. 1 Abs. 2 S. 2 CP als Vorlage 100. Gleichwohl erscheint es sinnvoll, die spanische Regelung vom Wortlaut ausgehend daraufhin zu untersuchen, ob sie in ihrem Inhalt und ihrer Auswirkung mit der deutschen übereinstimmt. Zudem soll festgestellt werden, inwieweit die spanische Bestimmung für Rechtsprechung und Lehre ähnliche Fragen aufgeworfen hat, wie sie im Zusammenhang mit § 18 StGB in Deutschland diskutiert werden 101. a) Objektive Voraussetzungen und Rechtsfolgen Art. 1 Abs. 2 S. 2 CP setzt das "Bewirken einer weiteren schwereren Folge" ("producci6n de un ulterior resultado") voraus. Bei einer Gegenüberstellung dieser Formulierung mit der deutschen "eine besondere Folge der Tat" fällt zunächst auf, daß der spanische Text ausläßt, woran dieser weitere Erfolg anknüpft 102. Zwar drückt das Wort "ulterior" (weitergehend) aus, daß etwas vorausgesetzt wird. Es wird aber nicht gesagt, daß es sich dabei um ein strafrechtlich relevantes Verhalten handeln muß. § 18 StGB bezieht sich dagegen bereits seinem Wortlaut nach eindeutig nur auf Fälle, in denen eine "besondere Folge" aus einer
99 Die wichtigsten Beispiele von erfolgsqualifizierten Delikten im C6digo Penal bilden: Art. 348 CP (Straftaten gegen die öffentliche Gesundheit mit Todesfolge), Art. 411 Abs. 2 CP (Abtreibung mit schwerer Körperverletzungsfolge, 1. Alt., oder mit Todesfolge, 2. Alt.) sowie Art. 488 Abs. 5 CP (Aussetzung mit Todesfolge. Im Zusammenhang mit dieser Vorschrift ist der in der Öffentlichkeit viel diskutierte sogenannte Fall ,,Nany" zu nennen, der deswegen Aufsehen erregte, weil hier der TS wegen Aussetzung mit Todesfolge bestrafte, obwohl das Opfer nicht auffindbar war). Zu den im E 1980 als erfolgsqualifizierte Tatbestände vorgesehenen Bestimmungen siehe Suarez Montes, in: Comentarios a la Legislaci6n Penal, S. 45 Fn. 14. 100 AsUa Batarrita, Revista dei ilustre colegio de abogados Nr. 15, 1983, S. 20; Diez Ripolles, ADPCP 1982, S. 628; G6mez Benftez, Causalidad, S. 91; Suarez Montes, in: Comentarios a la Legislaci6n Penal, S. 40; Mir Puig, in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S. 24. 101 Eingehend hierzu Hirsch, in: Festschrift für Oehler, S. 111 ff.; ders., GA 1972, 65 ff.; siehe zudem Küpper, Der unmittelbare Zusammenhang, S. 24 ff., 45 ff., 85 ff., 113 ff. 102 Dahingehend auch Suarez Montes, in: Comentarios a la Legislaci6n Penal, S. 43.
4 Slrien
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2. Kap.: Dogmatischer Teil
Tat, also einem tatbestandsmäßigen Verhalten erwächst 103; d. h. eine -
schon vorhandene - Strafbarkeit des Grunddelikts wird erhöht, nicht aber etwa erst begründet. Daher erfaßt die spanische Vorschrift zumindest ihrem Wortlaut nach alle Erfolgsdelikte im weiteren Sinne, also auch diejenigen, bei denen der Erfolgseintritt stratbegründend ist. Es erhebt sich die Frage, ob diese Abweichung von der deutschen Fassung auch inhaltliche Auswirkungen zeitigt. Bedeutung könnte ihr in den Fällen zukommen, wo die als objektive Stratbarkeitsbedingung ausgestaltete Folge an keinen Grundtatbestand, sondern an ein unrechtsirrelevantes Verhalten knüpft, so etwa bei Art. 424 CP, einer vom Regelungsinhalt her dem § 227 StGB verwandten Vorschrift lO4 • Gegen derartig strukturierte Tatbestände wird vielfach in der deutschen Strafrechtsliteratur der Einwand erhoben, sie enthielten Reste einer Erfolgshaftung und verstießen gegen den Schuldgrundsatz, da § 18 StGB seinem Wortlaut nach hier nicht anwendbar sei 105. Dadurch, daß Art. 1 Abs. 2 CP mit seiner gegenüber § 18 StGB weiteren Fassung das Fahrlässigkeitserfordernis für jede schwere Folge aufstellt, dürften zumindest solche Bedenken im spanischen Recht nicht Platz greifen. Dies könnte die Vermutung nahelegen, man habe sich aus diesem Grund bewußt insoweit von dem Wortlaut des § 18 StGB gelöst. Gleichwohl ist davon auszugehen, daß keine sachliche Abweichung beabsichtigt war, sondern es sich hierbei lediglich um eine sprachliche Ungenauigkeit bei der Übertragung ins Spanische handelt. Für eine derartige Deutung spricht der historische Hintergrund: die Probleme um die Altfassung des Art. 1 CP. Hiernach ging es darum, gerade (nur) ftir die erfolgsqualifizierten und präterintentionalen Delikte i. e. S. klarzustellen 106, daß der qualifizierende Erfolg lediglich dann straferhöhend berücksichtigt werden kann, wenn bestimmte subjektive Voraussetzungen beim Täter erfüllt sind. Zudem wird auch in der spanischen Strafrechtswissenschaft die Formulierung "producci6n de un ulterior resultado" als Übersetzungsfehler angesehen 107.
Vgl. Schroeder, LK, § 18 Rein. 3. Während bis zur Gesetzesänderung durch das Ley Organica 3/1989 (siehe oben 1. Kapitel B 11 3 Anm. 81) gemäß Art. 408 CP a. F. demjenigen, der sich an einer Schlägerei beteiligt hat, der Todeserfolg nur dann zugerechnet wurde, wenn der am Raufhandel Beteiligte dem Opfer schwere Körperverletzungen zugefügt hatte, genügt nunmehr für die Erfolgszurechnung die bloße Beteiligung am Raufhandel und die Verwendung eines gefährlichen Tatmittels. Insoweit beinhaltet Art. 424 CP gegenüber Art. 408 CP a. F. eine Vorverlagerung der Strafbarkeit, deren kriminalpolitische Notwendigkeit zweifelhaft erscheint. Zu der im VE von 1983 vorgesehenen, als Gefährdungsdelikt ausgestalteten Bestimmung vgl. Berdugo Gamez de La Torre, in: Documentaci6n Juridica, S. 405, mit Hinweisen zu der im E 1980 angestrebten Lösung. 105 Näher zu dieser Problematik Hirsch, LK, § 227 Rein. 1; ders., in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S. 59 f. 106 Art. 1 Abs. 2 S. 2 CP kommt lediglich deklaratorische Bedeutung zu, da die subjektiven Voraussetzungen der Strafbarkeit bereits in Art. 1 Abs. 1 S. 1 sowie Abs. 2 S. 1 CP eine Regelung erfahren. 107 So etwa von Suarez Montes, in: Comentarios a la Legislaci6n Penal, S. 40 Fn. 6. 103
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B. Verbrechensdefmition und Schuldprinzip
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Ebenso wie bei § 18 StGB zweifelhaft ist, ob konkrete Gefahrdungen eine besondere Folge der Tat darstellen, erhebt sich im C6digo Penal diese Frage im Hinblick auf die Formulierung "weitergehender Erfolg". Die in Deutschland nahezu einhellig vertretene Ansicht, eine konkrete Gefahrdung stelle keine besondere Folge i. S. d. § 18 StGB darlOB (vgl. etwa § 113 Abs. 2 Nr. 2 StGB), ist in jüngerer Zeit von Dfez Ripolles, einem Schüler Cerezo Mirs, grundsätzlich in Frage gestellt worden 109. Dieser Autor, der sich teilweise mit Blickrichtung auf den E 1980 in mehreren Aufsätzen ganz besonders ausführlich mit Zentralproblernen der erfolgsqualifizierten Delikte auseinandersetzt llO , wendet sich hierbei ausdrücklich gegen die vom Bundesgerichtshof vertretene Auffassung, daß bereits aus sprachlichen Gründen eine Gefahr nicht als "Folge einer Tat" angesehen werden könne lll. Aber auch die in der deutschen Literatur vorgebrachten unterschiedlichen Argumente, wonach die Regelung des § 18 StGB nicht anwendbar sei, wo das Gesetz die Strafschärfung von einer konkreten Gefahrdung abhängig mache 112, vermögen nach Ansicht von Dfez Ripolles nicht zu überzeugen. Zwar konzediert er etwa die Prämisse Schroeders ll3 , der Gesetzgeber habe mit § 18 StGB keine Stratbarkeitserweiterung gegenüber § 15 StGB beabsichtigt. Auch schließt er wie Backmann 114 und Küper 1lS nicht aus, daß der Unrechtsgehalt dieser Tatbestandsgruppen für die erhöhte Strafe nicht genüge. Dennoch kommt er zu dem Schluß, daß die für eine Beschränkung des § 18 StGB auf sogenannte materielle Erfolge vorgebrachten Argumente nicht ausreichend seien. Nicht nur vom Sprachgebrauch her, sondern auch unter dogmatischen Gesichtspunkten stelle die konkrete Gefahr einen "darüber hinausgehenden Erfolg" im Rahmen der Vorschrift über die erfolgsqualifizierten Delikte dar. Das Gesetz sei de lege lata eindeutig und lasse keine Interpretationen zu. Dies gelte gleichermaßen für Art. 3 S.2 im E 1980, die Vorgängervorschrift von Art. 1 Abs.2 S.2 CP im Regierungsentwurf. Eine Beschränkung des Anwendungsbereichs dieser Regelung sei lediglich durch eine gesetzgeberische Reduktion möglich, die sich etwa in der Formulierung ,,materiellen Erfolg" niederschlagen könne 1l6• lOB Vgl. Rudolphi, SK, § 18 Rdn. 2; Schroeder, LK, § 18 Rdn. 8 m. w. N.; a. A. Dreher / Tröndle, § 18 Rdn. 2. 109 Vgl. Diez Ripolles, ADPCP 1982, S. 637 ff. Zu den einzelnen "gefahrerfolgsqualifizierten" Tatbeständen im geltenden CP siehe Suarez Montes, in: Comentarios a la Legislaci6n Penal, S. 41, zu denen im E 1980 vgl. ders., CPCP Nr. 22, 1984, S. 185 ff. llO Siehe Dfez Ripolles, ADPCP 1982, S.627; ders., ADPCP 1983, S. 101, sowie ders. in einer deutschsprachigen Zusammenfassung der beiden erstgenannten Aufsätze, ZStW 96 (1984), S. 1059. III Vgl. BORSt. 26, 176, 181. 112 Siehe den teils kritischen Überblick von Schroeder, LK, § 18 Rdn. 8. 113 LK, § 18 Rdn. 8. 114 MDR 1976,972 f. llS NJW 1976, 546. 116 Vgl. Diez Ripolles, ADPCP 1982, S. 640; dahingehend auch Suarez Montes, in: Comentarios a la Legislaci6n Penal, S. 41. 4'
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Dfez Ripolles ist insoweit zuzustimmen, als der Wortlaut von Art. 3 S.2 E 1980 ebenso wie der des § 18 StGB durchaus zuließen, auch das durch den Eintritt einer konkreten Gefahr qualifizierte Delikt unter diese Regelungen zu fassen. Gleichwohl folgt hieraus nicht, daß die Vorschriften über die erfolgsqualifizierten Delikte auf derartig ausgestaltete Tatbestände Anwendung finden müssen. Gegen einen derartigen Schluß spricht vielmehr die Ratio beider Bestimmungen. Sowohl Art. 3 S. 2 E 1980 als auch § 18 StGB wurden für diejenigen Fälle geschaffen, bei denen im alten Recht die objektive Beziehung zum straferschwerenden Erfolg ausreichend war 117. Da dem spanischen Regierungsentwurf von 1980 ebenso wie dem deutschen Strafgesetzbuch ein geschlossenes Fahrlässigkeitssystem zugrunde liegt, hätte eine Anwendung des Art. 3 S. 2 E 1980 auf den Gefahrdungserfolg entgegen dieser Intention eine Ausdehnung der Strafbarkeit bewirkt. Schließlich gilt es, noch auf einen weiteren Unterschied zwischen Art. 1 Abs. 2 S.2 CP und § 18 StGB hinzuweisen: Auf der Rechtsfolgenseite des § 18 StGB wird durch den Wortlaut " ... so trifft sie" - also die Strafe - " ... den Täter nur, wenn... " gezeigt, daß es in dieser Regelung um die Legitimation der Verhängung einer höheren Strafe bei besonderen Tatfolgen gehen soll. Demgegenüber sind mit Art. 1 Abs. 2 S. 2 CP andere Akzente gesetzt. Mit der Formulierung "tritt strafrechtliche Verantwortlichkeit ein, wenn... " wird besonders herausgestellt, daß dem Täter nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen ein besonderer Erfolg zugerechnet werden kann 118. Diese rein formale Abweichung der spanischen von der deutschen Fassung läßt sich möglicherweise damit erklären, daß Art. 1 Abs. 2 S. 2 CP den früheren Art. 1 Abs. 2 S. 2 CP a. F. ablöst, welcher gerade eine objektive Zurechnung festschrieb. b) Die subjektiven Beziehungen zu der besonderen Folge In Übereinstimmung mit § 18 StGB enthält die spanische Regelung über die erfolgsqualifizierten Delikte in Art. 1 Abs. 2 S. 2 CP die Formulierung "al menos por culpa", was "wenigstens fahrlässig" heißt 119• Zur Entstehungsgeschichte von § 18 StGB näher Schroeder, LK, § 18 Rdn. 1. Auch Suarez Montes, in: Comentarios a la Legislaci6n Penal, S. 40 Fn. 6, sowie Gomez Benitez, Causalidad, S. 91 Fn. 122, zeigen auf, daß Art. 1 Abs.2 S. 2 CP nicht gänzlich mit dem Wortlaut von § 18 StGB übereinstimmt. 119 In der Einführung des Fahrlässigkeitserfordemisses erblickt die h. L. in Spanien einen Fortschritt gegenüber der bisherigen Rechtslage im Hinblick auf die Verwirklichung des Schuldprinzips bei den erfolgsqualifizierten Delikten, siehe Cerezo Mir, La Ley 1919, 1988, S. 3. Insbesondere Dlez Ripolles, ADPCP 1982, S. 647, weist darauf hin, daß eine Heranziehung des Adäquanzgedankens - so wie er von Jescheck (Niederschriften 11, S. 249 f.; siehe aber später AT, S. 235 f.) als Mitglied der großen Strafrechtskommission erwogen worden war - keine geeignete Alternative zu der jetzigen Lösung im spanischen Recht darstellen würde. So auch Mir Puig, in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S. 22. Gegen die zunehmende Tendenz der bundesdeutschen Rechtsprechung (vgl. etwa BGHSt. 24, 213), das Merkmal der Fahrlässigkeit um das Element 117
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B. Verbrechensdefinition und Schuldprinzip
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Durch die Verwendung des Wortes "wenigstens" erhebt sich im spanischen, ebenso wie im bundesdeutschen Strafrecht, die Frage, ob auch die vorsätzliche Herbeiführung der schwereren Folge unter den Tatbestand des erfolgsqualifizierten Delikts zu fassen ist. Die hierzu von den spanischen Strafrechtlern geführte Diskussion rankt sich insbesondere um die Straftatbestände, in denen die Erfolgsqualifizierung zugleich ein gegenüber dem Grundtatbestand selbständiges Delikt ausmacht. Gerade bei diesen Vorschriften zeigt sich die praktische Relevanz der Beantwortung der hier aufgeworfenen Frage durch die unterschiedlichen Strafandrohungen zwischen erfolgsqualifiziertem Delikt einerseits und dem auf diesen Erfolg gerichteten allgemeinen Vorsatztatbestand andererseits. Diese Abweichungen im Hinblick auf die Strafrahmen treten dort besonders deutlich zutage, wo die Erfolgsqualifizierung zugleich ein Tötungsdelikt darstellt. Unter diesen Strafbestimmungen finden sich im geltenden C6digo Penal einerseits als erfolgsqualifizierte Delikte ausgestaltete Tatbestände, deren Strafandrohung im Einzelfall unter der des auf den Erfolg gerichteten selbständigen Vorsatzdelikts und damit ideell konkurrierenden Grundtatbestands liegen können 120. Auf der anderen Seite gibt es aber, ebenso wie im deutschen Strafgesetzbuch, im C6digo Penal Regelungen, bei denen das erfolgsqualifizierte Delikt gegenüber der auf den Erfolg gerichteten Vorsatztat eine Strafschärfung bedeutet 121. Auf dem Hintergrund der unterschiedlichen Strafrahmen verläuft die Auseinandersetzung mit der Frage der sogenannten Vorsatz-Vorsatzkombination bei den erfolgsqualifizierten Delikten in der spanischen Strafrechtsliteratur nur teilweise in Übereinstimmung mit den aus der bundesdeutschen Diskussion bekannten Überlegungen. So ist ein Teil der spanischen Strafrechtler der Meinung, bei den Folgen, welche einen selbständigen Tatbestand erfüllen, könnten nur die für die Idealkonkurrenz geltenden Grundsätze zu einer sachgerechten Lösung führen, da sich bei anderer Betrachtungsweise der erfolgsqualifizierte Tatbestand oft entgegen dem Willen des Gesetzgebers - als privilegierende Vorschrift darstellen würde 122. Es gibt aber auch gewichtige Stimmen in der spanischen Strafrechtsder objektiven Voraussehbarkeit des Erfolges zu verkürzen, siehe Hirsch, in: Festschrift für Oehler, S. 118; ders., GA 1972,73 (Fn. 44 a); Küpper, Der unmittelbare Zusammenhang, S. 27. 120 So etwa Art. 411 Abs. 2 1. Alt. CP, das erfolgsqualifizierte Delikt der Abtreibung mit Todesfolge. Gerade diese RegelllI).$ steht sowohl in der spanischen Rechtsprechung als auch der Lehre im Mittelpunkt der Uberlegungen um die sogenannte Vorsatz-Vorsatzkombination bei den erfolgsqualifizierten Delikten. Bei Art.41l Abs.2 2. Alt. CP, nämlich wenn als Folge einer Abtreibung schwere Körperverletzungen verursacht werden, kann die in Art. 411 Abs.2 CP vorgesehene Strafe indes hinter der Schuld des Täters zurückbleiben, vgl. Mir Puig, in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S.26. 121 So etwa der in der spanischen Strafrechtswissenschaft viel diskutierte Art. 501 Nr. 4 CP, eine dem § 251 StGB sehr ähnliche Vorschrift. 122 Vgl. etwa Sutirez Montes, Revista Juridica de Asturias, 1985, S. 143. Zu demselben Ergebnis kommt ein Teil der Lehre in Deutschland, die mit der Klarstellungsfunktion der Idealkonkurrenz argumentiert (siehe dazu lescheck, AT, S. 656).
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2. Kap.: Dogmatischer Teil
dogmatik, die eine abweichende Auffassung vertreten. Ebenso weisen die Ausführungen des Tribunal Supremo zu diesem Problemkreis in eine vollkommen andere Richtung. aa) Neuere Lehrmeinungen in Spanien zur Vorsatz-Vorsatzkombination
Interessante neue Aspekte bei der Frage nach der Einbeziehung des Vorsatzes in bezug auf die Herbeiführung der schweren Folge beinhalten in der spanischen Strafrechtsliteratur insbesondere die Darlegungen von Quintero Olivares 123 , Mir Puig l24 und Cerezo Mir l25 • Während die herrschende Lehre sowohl in der Bundesrepublik als auch in Spanien zumindest nicht apriori die vorsätzliche Herbeiführung aus dem Anwendungsbereich der erfolgsqualifizierten Delikte ausschließen will 126, vertritt Quintero eine gegenteilige Meinung 127. Seiner Auffassung nach gibt es keine erfolgsqualifizierten Tatbestände mit einer Vorsatz-Vorsatzkombination. Der Ausdruck "al menos", also "wenigstens", in Art. 1 Abs. 2 S. 2 CP sei überflüssig. Er könne lediglich vom gesetzgeberischen Willen her erklärt werden, das Fahrlässigkeitserfordernis hinsichtlich der Herbeiführung des Erfolges als unterste Unrechtsstufe besonders zu betonen und damit klarzustellen, daß der "caso fortuito" in Zukunft keine strafrechtlichen Sanktionen mehr auslösen könne. Immer dann, wenn der strafschärfende Erfolg vorsätzlich herbeigeführt worden sei, handele es sich dagegen nicht um ein erfolgsqualifiziertes, sondern um ein anderes, schwereres Delikt 128. Dieser von Quintero beschrittene Lösungsweg erscheint de lege lata problematisch. Mit dem Wort "wenigstens" in Art. 1 Abs.2 S.2 CP wird durch den Gesetzgeber bereits vom Sprachgebrauch her gerade der Weg zu diesem Mehr gegenüber der Fahrlässigkeit, dem Vorsatz, eröffnet l29 • Zwar ist Quintero insoweit zuzustimmen, als Art. 1 Abs. 2 S. 2 CP, ebenso wie der damalige § 56 StGB, eingeführt wurde, um der reinen Zufallshaftung gesetzlich einen Riegel vorzuschieben. Diesem gesetzgeberischen Motiv steht jedoch nicht entgegen, das Fahrlässigkeitserfordernis lediglich als sogenannte Mindestgrenze zu verstehen und La reforma penal, S. 36 f. In: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S. 25 f. 125 La Ley Nr. 1919, 1988, S.4. 126 Zur deutschen Lehre vgl. Schönke I Schröder I Cramer § 18 Rdn. 10 m. w. N.; zur spanischen siehe Bustos Ramirez, in: Documentaci6n Jurfdica, S. 166 f. 127 Quintero Olivares, PO, S. 283 f.; Quintero O/ivares I MuflOZ Conde, La reforma penal, S. 123. 128 Quintero Olivares, PO, S. 284; Quintero Olivares I Munoz Conde, La reforma penal, S. 36 f. 129 So BGHSt. 9, 135 f., im Hinblick auf § 18 StGB; siehe zudem für das deutsche Recht Hirsch, GA 1972,65. 123
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darüber hinaus auch eine vorsätzliche Erfolgsherbeiführung in diese Deliktsgruppe grundsätzlich einzubeziehen 130. Wenn dennoch Quintero de lege lata nicht in seinen Ausführungen gefolgt werden kann, so bedeutet dies gleichwohl nicht, daß seine Auffassung auch de lege ferenda abzulehnen wäre 131. So wird in der deutschen Strafrechtslehre aufgewiesen, daß im Strafgesetzbuch nur ein Bedürfnis für erfolgsqualifizierte Straftatbestände in bezug auf die Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination, also die echten erfolgsqualifizierten Delikte I32 besteht 133. Da sich die unechten erfolgsqualifizierten sachlich von gewöhnlichen qualifizierten Tatbeständen nicht unterscheiden 134, wäre nach einer Abstimmung der Strafrahmen auch im C6digo Penal aus diesen gesetzessystematischen Gründen daran zu denken, das Wort "wenigstens" zu streichen, um so auch dem Wortlaut nach diese Vorschrift auf die echten erfolgsqualifizierten Delikte zu beschränken. Das würde aber im C6digo Penal eine Angleichung der Strafrahmen und eine Korrektur verschiedener Tatbestände des Besonderen Teils zur Voraussetzung haben. Interessante neue Aspekte zu dem Themenkreis der Vorsatz-Vorsatzkombination bieten auch die Ausführungen von Mir Puig 13S • Er ist der Ansicht, Art. 1 Abs. 2 S. 2 CP erstrecke sich wegen des Wortlauts "wenigstens fahrlässig" grundsätzlich auch auf die Fälle, in denen der Täter die ErfolgsqualifIkation vorsätzlich herbeigeführt hat. Allerdings müsse bei jedem erfolgsqualifizierten Delikt gesondert entschieden werden, ob dieses vorsätzlich, vorsätzlich und fahrlässig oder nur fahrlässig verwirklicht werden könne. Hierbei handele es sich um eine Auslegungsfrage, deren Beantwortung wiederum davon abhänge, ob das erfolgsqualifizierte Delikt nach dem Willen des Gesetzgebers eingeführt worden sei, um eine höhere Strafe zu ermöglichen als bei einer Verurteilung unter dem Gesichtspunkt der Idealkonkurrenz oder nicht. Nur so könne vermieden werden, daß sich Tatbestände wie Art.4ll Abs.2 1. Alt. CP entgegen dem Willen des Gesetzgebers in privilegierende Vorschriften verwandeln könnten 136. Die Meinung von Mir Puig birgt den unbestreitbaren Vorteil in sich, daß sie mit dem Wortlaut der Vorschrift in Einklang zu bringen ist und man aufgrund ihrer Flexibilität zu gerechten Ergebnissen gelangen kann. Dennoch sind auch gegenüber seiner Auffassung Einwände zu erheben: Wenn er meint, im Einzelfall Dahingehend auch Suarez Montes, in: Comentarios a la Legislaci6n Penal, S. 43 f. Siehe bereits § 22 des deutschen E 1962, wo das Wort "wenigstens" gestrichen ist, sowie die Begründung hierzu, S. 136. 132 Zur Unterscheidung von "echten" und "unechten" erfolgsqualifizierten Delikten siehe Hirsch, in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S. 56. 133 Dahingehend auch Hirsch,GA 1972, 65 f., sowie Rengier, Erfolgsqualifizierte Delikte, S. 291 et passim. 134 So bereits Hirsch, GA 1972,66. 135 Vgl. Mir Puig, in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S. 25 f. 136 Siehe Mir Puig, in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S. 25 f. 130
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könne die fahrlässige Herbeiführung der schweren Folge aus der entsprechenden Strafbestimmung ausgeschlossen werden, so sprengt er hiermit den Rahmen einer zulässigen Auslegung. Daß de lege lata die fahrlässige Herbeiführung der schweren Folge immer im Bereich der Deliktsgruppe ausreicht, ergibt sich aus dem Wortlaut des Art. 1 Abs. 2 S. 2 CP. Durch die Formulierung "al menos por culpa" werden die Mindestanforderungen, welche an das subjektive Täterverhalten zu stellen sind, zwingend festgelegt. Denn der aus dem allgemeinen Sprachgebrauch zu entnehmende Wortsinn bildet den Ausgangspunkt und auch die Grenze jeder Auslegung \37. Darüber hinaus erheben sich gegen die von Mir Puig vorgeschlagene differenzierende Betrachtungsweise deshalb Bedenken, weil sie zu erheblicher Rechtsunsicherheit führt. So wird sich nicht immer mit aller Eindeutigkeit feststellen lassen, ob ein erfolgsqualifizierter Tatbestand mit dem Ziel der Erschwerung eingeführt wurde oder nicht. Die Intention des Gesetzgebers könnte in vielen Fällen lediglich, etwa anband eines Vergleichs der Strafandrohungen von erfolgsqualifiziertem Delikt einerseits und dem auf diesen Erfolg gerichteten selbständigen Vorsatztatbestand und damit wiederum ideal konkurrierenden Grundtatbestand andererseits, vermutet werden. Eine derartige Vorgehensweise würde nicht nur zu den bereits erwähnten Rechtsunsicherheiten führen, sondern darüber hinaus außer Betracht lassen, daß zum jetzigen Zeitpunkt nach der Teilreform die einzelnen Strafrahmen noch nicht umfassend aufeinander abgestimmt wurden. In jüngster Zeit hat sich auch Cerezo Mir im Rahmen einer Veröffentlichung, in welcher er rückblickend kritisch zu Lösungen des Teilreformgesetzes von 1983 Stellung bezieht, mit der Frage der Vorsatz-Vorsatzkombination beim erfolgsqualifizierten Delikt auseinandergesetzt 138 • Ebenso wie Mir Puig stellt er den Tatbestand der Abtreibung mit Todesfolge, Art. 411 Abs.2 1. Alt. CP, in den Mittelpunkt seiner Überlegungen. Auch Cerezo befürchtet hier ungerechtfertigte Privilegierungen des hinsichtlich der Todesfolge vorsätzlich handelnden Täters, wenn man auch diese Begehungsform in die Vorschrift über die erfolgsqualifizierten Delikte einbezöge. Dennoch ist er der Auffassung, nach dem Grundsatz des argumentum a maiore ad minus falle zwingend immer auch die vorsätzliche Herbeiführung der Folge unter den Tatbestand des erfolgsqualifizierten Delikts. Wenn nämlich das Gesetz in Art. 1 Abs.2 S. 2 CP schon die fahrlässige Herbeiführung der schweren Tatfolge im Bereich der erfolgsqualifizierten Delikte zulasse, dann müsse eine Qualifikation durch einen schweren Erfolg erst recht dort bejaht werden, wo die Tatfolge nicht bloß fahrlässig verursacht, sondern wissentlich und willentlich herbeigeführt worden sei. Cerezo gelangt mithin zu dem Ergebnis, der Tatbestand der Abtreibung mit Todesfolge sei auch dann erfüllt, wenn der Täter den Todeserfolg des Opfers vorsätzlich herbeigeführt habe. Auch bei der Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses von diesem erfolgsqualifizierten Delikt zu den Strafbestimmungen der vorsätzlichen Abtreibung 137 138
Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 329. Siehe Cerezo Mir, La Ley Nr. 1919, 1988, S.4.
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und des Totschlags kommt Cerezo zu dem Schluß, Art. 411 Abs.2 1. Alt. CP genieße gegenüber den beiden letztgenannten Regelungen Vorrang. Da in jedem Fall einer mit Tötungsvorsatz der Schwangeren begangenen vorsätzlichen Abtreibung auch gleichzeitig der Tatbestand der Abtreibung mit Todesfolge erfüllt sei, stelle das erfolgsqualifizierte Delikt gegenüber den anderen beiden Vorschriften die speziellere Strafbestimmung dar 139. C erezo bleibt aber mit seinen Überlegungen nicht bei diesem auch von ihm als unbillig eingestuften Ergebnis stehen. Um dennoch zu der einzig sachgerechten Lösung zu gelangen, den Täter, der im ursächlichen Zusammenhang mit einer Abtreibung vorsätzlich den Tod der Schwangeren verursacht hat, aus dem vom Strafrahmen her schwereren Delikt, nämlich dem Totschlag, in Idealkonkurrenz mit dem Abtreibungstatbestand, zu bestrafen, greift Cerezo, wenn auch zögernd, auf eine Konkurrenzvorschrift des spanischen Gesetzbuchs, Art. 68 CP, zurück 140. Obschon auch er im Ergebnis letztendlich die Privilegierung des Täters einer mit Tötungsvorsatz begangenen Abtreibung vermeidet, vermag seine Argumentationsführung nicht vollends zu überzeugen. Bedenken ergeben sich in zweifacher Hinsicht. Bereits gegen seinen gedanklichen Ansatzpunkt, aufgrund eines argumentum a maiore ad minus sei es zwingend notwendig, die Vorsatz-Vorsatzkombination dem Tatbestand des erfolgsqualifizierten Delikts zu unterstellen, erheben sich Bedenken. Abgesehen davon, daß äußerst zweifelhaft ist, ob ein Stufenverhältnis zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit angenommen werden kann 141 oder vielmehr beide subjektiven Zurechnungsvoraussetzungen einander als aliud gegenüberstehen 142, ist folgendes anzumerken: Das argurnenturn a maiore ad minus 143 kann aufgrund seiner dem Analogieschluß verwandten logischen Struktur 144 nur zur Auffindung und Ausfüllung von Regelungslücken im Gesetz dienen 145. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn die in Rede stehende Vorsatztat gar keine andere Strafbestimmung erfüllt oder durch einen weiteren solchen Tatbestand unzureichend erfaßt wird. Der über dem Art. 411 Abs.2 1. Alt. CP liegende Strafrahmen des Totschlags verdeutlicht aber gerade, daß ein derartiges Täterverhalten durch den Tötungstatbestand und das damit idealiter konkurrierende Abtreibungsdelikt genügend Berücksichtigung findet. Daher besteht hier keine So Cerezo Mir, La Ley Nr. 1919, 1988, S. 4. Nur mit Hilfe einer analogen Anwendung dieser Regelung, welche ursprünglich für die Gesetzeskonkurrenz in der Form der sogenannten Alternativität konzipiert sei, werde ermöglicht. den Täter einer Abtreibung mit Todesfolge aus dem Strafrahmen der vorsätzlichen Tötung in Idealkonkurrenz mit dem Tatbestand der Abtreibung zu bestrafen; vgl. Cerezo Mir, La Ley Nr. 1919, 1988, S. 4. Zum Alternativitätsbegriff vgl. Klug, ZStW 68 (1956), S. 410 f. 141 Vgl. Schroeder, LK, § 15 Rdn. 10 m. w. N. 142 So die h. L.: siehe statt aller lescheck, AT, S. 508; weitere Nachweise bei Schönke I Schröder I Cramer, § 15 Rdn. 3. 143 Grundsätzlich hierzu Klug, Juristische Logik, S. 146 ff. 144 Dahingehend Larenz, Methodenlehre, S. 373. 145 Vgl. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 78. 139
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2. Kap.: Dogmatischer Teil
sachliche Legitimation, die entsprechende Vorsatztat aus dem System der Tötungsdelikte herauszulösen. Nach dieser ,,Exklusivitätslösung" scheidet Art. 411 Abs. 2 1. Alt. CP bereits tatbestandlich aus, so daß man auch im spanischen Strafrecht ohne Umwege zu sachgerechten Ergebnissen gelangen kann 146. Aber auch unter Zugrundelegung der Auffassung Cerezos, wonach ein Tatbestandsausschluß zu verneinen sei, würden zumindest Überlegungen über das Konkurrenzverhältnis des erfolgsqualifizierten Delikts einerseits und des Tatbestands des Totschlags und der Abtreibung andererseits auch ohne die Anwendung des Art. 68 CP dazu führen, den Täter aus der höheren Strafandrohung des Totschlags in Verbindung mit dem Delikt der Abtreibung zu bestrafen. Die Überlegung, daß der volle Unrechtsgehalt einer solchen Tat - wie Cerezo betont - nur durch den Strafrahmen des entsprechenden Tötungsdelikts hinreichend erfaßt wird, wirkt sich auch auf die Bestimmung des Konkurrenzverhältnisses zwischen den in Rede stehenden Vorschriften aus. Nach dem Grundsatz "lex primaria derogat legi subsidiariae" müßte das für den Vorsatztäter lediglich als Auffangtatbestand gedachte erfolgsqualifizierte Delikt, hier also Art. 411 Abs. 2 1. Alt. CP, hinter dem primär anzuwendenden Tatbestand des Totschlags und der Abtreibung als subsidiär zurücktreten, nicht aber umgekehrt 147. Aber selbst wenn man der Argumentation Cerezos bis zu diesem Punkt folgen würde, so ist zweifelhaft, ob dann auf Art. 68 CP zurückgegriffen werden dürfte. Diese Konkurrenzvorschrift findet nur dort Anwendung, wo sich aus dem Gesetz selbst kein anderes Konkurrenzverhältnis ergibt. 148 Da aber nach der Auffassung von Cerezo das erfolgsqualifizierte Delikt gegenüber dem Tatbestand des Totschlags und der Abtreibung das speziellere sein soll, erscheint es bedenklich, daß nunmehr mit Hilfe einer analogen Anwendung des Art. 68 CP lediglich aus Billigkeitserwägungen ein sich aus dem Gesetz ergebendes Konkurrenzverhältnis gewissermaßen auf den Kopf gestellt wird.
146 Auch diese Überlegung deckt sich wiederum mit der von Rengier, Erfolgsqualifizierte Delikte, S. 98 ff., für das deutsche StGB durchgeführten Untersuchung, wonach ein Bedürfnis für diese Deliktsgruppe nur für die Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination besteht. Siehe hierzu bereits oben 2. Kapitel B VIII 1 b aa) mit Anm. 133. 147 Einer Annahme von Subsidiarität des erfolgsqualifizierten Delikts könnte allenfalls entgegengehalten werden, ein Totschlag setze weder regelmäßig noch notwendig die Merkmale des Abtreibungstatbestandes voraus. Diese Erwägung würde aber auch nicht zu einer Spezialität des Art. 411 Abs. 2 S. 2 CP, sondern allenfalls zur Annahme von Idealkonkurrenz zwischen den einzelnen Tatbeständen führen. Eine solche Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses ist indes abzulehnen, weil sie auf eine unzulässige Doppelbewertung der Tötungshandlung hinauslaufen würde. Rengier, Erfolgsqualifizierte Delikte, S. 102, spricht im Hinblick auf die parallele Problematik des § 307 Nr. 1 StGB von "doppelter Buchführung". Diese Formulierung stammt von Schröder, NJW 1956, 1738. 148 Dahingehend Cerezo Mir selbst (siehe oben 2. Kapitel Anm. 140); zu dieser Regelung vgl. zudem Bacigalupo, Principios, S. 211 f.
B. VerbrechensdefInition und Schuldprinzip
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bb) Die Auffassung des Tribunal Supremo Auch die höchstrichterliche Rechtsprechung hat sich in Spanien mehrfach gerade bei dem Tatbestand der Abtreibung mit Todesfolge mit der Frage auseinandergesetzt, welche Anforderungen in subjektiver Hinsicht an das Täterverhalten zu stellen sind, damit diese Vorschrift Anwendung findet. Während es bei den zuvor dargelegten Lehrmeinungen um die Frage ging, ob und wann auch vorsätzliches Täterverhalten grundsätzlich im Rahmen der erfolgsqualifizierten Delikte denkbar ist, reicht die vom Tribunal Supremo angesprochene Problemstellung über diese Frage hinaus. Unter dem Blickwinkel der Schuldangemessenheit der für die Abtreibung mit Todesfolge, Art. 411 Abs. 2 1. Alt. CP, angedrohten Strafe versuchte die Rechtsprechung in zwei aufsehenerregenden Urteilen die Mindestanforderungen an das Täterverhalten in subjektiver Hinsicht genau festzulegen 149. Beiden Fällen lag jeweils ein Sachverhalt zugrunde, bei welchem die Täter den Tod der Schwangeren lediglich fahrlässig bewirkt hatten. Obwohl diese Fallgestaltung de lege lata keinen Zweifel daran läßt, daß die Vorschrift des Art. 411 Abs. 2 1. Alt. CP und damit der ihr zugrunde liegende Strafrahmen Anwendung finden muß ISO, erfolgte beide Male lediglich eine Bestrafung aus fahrlässiger Tötung und Abtreibung in Idealkonkurrenz. Nach Auffassung des Tribunal Supremo soll sowohl die historische als auch die logische und teleologische Auslegung des Art. 411 Abs. 2 1. Alt. CP dazu führen, daß diese Vorschrift nur dann erfüllt sei, wenn der Täter die schwere Folge, d. h. den Tod der Schwangeren, mit dolus eventualis herbeigeführt habe. Nur dann sei die vorgesehene Strafe verständlich. Etwas ganz anderes gelte jedoch, wenn lediglich bewußte oder unbewußte Fahrlässigkeit vorliege. Dann ergebe sich aus dem neu eingeführten Art. 1 Abs.2 S. 2 CP, das Gebilde Abtreibung-Tötung zu trennen und beide Taten separat zu bestrafen ISI. Diese Ausführungen des Obersten Gerichtshofs haben ein breites Echo in der spanischen Strafrechtsliteratur gefunden IS2. Denn die Überlegungen scheinen sich nur exemplarisch mit dem Tatbestand der Abtreibung mit Todesfolge zu beschäftigen, weshalb die Entscheidungen als richtungweisend für alle weiteren Tatbestände angesehen werden, in denen das erfolgsqualifizierte Delikt eine für den Fahrlässigkeitstäter extrem hohe Strafandrohung vorsieht.
149 Siehe die Urteile des TS vom 30.3.1985 (A. 2052) sowie vom 3.4.1985 (A. 2065); ausführlich hierzu Suarez Montes, Revista Jurfdica de Asturias, 1985, S. 120 ff. ISO SO auch Cerezo Mir, La Ley Nr. 1919, 1988, S. 3; Suarez Montes, Revista Jurfdica de Asturias, 1985, S. 138 f. ISI SO das Urteil des TS vom 30.3.1985 (A. 2052); dahingehend auch das Urteil des TS vom 3.4.1985 (A. 2065). IS2 Vgl. Cerezo Mir, La Ley Nr. 1919, 1988, S. 3 f.; Mir Puig, in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S. 22 ff.; siehe insbesondere die Kritik von Suarez Montes, Revista Jurfdica de Asturias, 1985, S. 120 ff. .
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Auch wenn es verständlich ist, daß die Rechtsprechung bemüht ist, den überdimensionalen Strafrahmen bei dieser Deliktsgruppe für den Fahrlässigkeitstäter zu umgehen 153, um damit auch in der Praxis den Auswirkungen einer Erfolgshaftung zu begegnen, ist in der spanischen Strafrechtsliteratur diese Auffassung zu Recht auf entschiedene Kritik gestoßen. Sie steht in Widerspruch zu der in Art. 1 Abs. 2 S. 2 CP enthaltenen Aussage, nach welcher die fahrlässige Begehungsform immer als subjektive Unrechtsstufe für die erfolgsqualifizierten Delikte ausreicht 154. Aber auch eine weitere Erwägung der Rechtsprechung, wonach der Reformgesetzgeber von 1983 das Schuldprinzip "in aller Reinheit" habe durchführen wollen, so daß bereits unter diesem Gesichtspunkt des gesetzgeberischen Willens Art. 1 Abs. 2 Satz 2 CP restriktiv auszulegen sei 155, vermag nicht zu überzeugen. Der Reformgesetzgeber von 1983 hat sich im Rahmen dieser nur teilweisen Gesetzesnovellierung gerade nicht die Aufgabe gestellt, das Schuldprinzip in voller Konsequenz durchzuführen. Vielmehr sollte dieser Grundsatz nur insoweit umgesetzt werden, als in einzelnen Vorschriften in Abkehr von einer reinen Zufallshaftung die Mindestanforderungen an das Täterverhalten in subjektiver Hinsicht festgelegt wurden 156. Im Zuge dieses Reformziels hat der Gesetzgeber an den zusammengesetzten Delikten in Form der erfolgsqualifizierten Delikte bewußt festgehalten und mit Art. 1 Abs. 2 Satz 2 CP ausdrücklich betont, daß auch hier Fahrlässigkeit in bezug auf das subjektive Täterverhalten ausreichen soll. 2. Sonderfragen
a) Vorsätzliche Körperverletzung mit fahrlässiger Todesfolge Im Unterschied zum deutschen StGB und vielen anderen europäischen Strafgesetzen 157 enthält der geltende C6digo Penal auch nach der Reform von 1983 keine unserem § 226 StGB entsprechende Vorschrift; d. h. es findet sich kein aus einer vorsätzlichen Körperverletzung mit fahrlässiger 158 Todesfolge zusammengesetzter Tatbestand 159. Allerdings kann nach neuem Recht dem Täter die 153 Die Strafandrohung ist im Falle des Art. 411 Abs. 2 2. Alt. CP ,,reclusi6n menor", also Freiheitsstrafe von 12 Jahren und 1 Tag bis 20 Jahre. 154 Vgl. Cerezo Mir, La Ley Nr. 1919, 1988, S. 3 f; Suarez Montes, Revista Jurfdica de Asturias, 1985, S. 131 f. ISS A. 2052. 156 So auch Cerezo Mir, La Ley Nr. 1919, 1988, S. 3 f. Er vertritt hier sogar die Meinung, der spanische Gesetzgeber habe durch die Beibehaltung von erfolgsqualifizierten Delikten im CP bewußt generalpräventiven Erwägungen gegenüber der strengen Verwirklichung der Schuldidee den Vorrang eingeräumt. 157 Näher Küpper, Der unmittelbare Zusammenhang, S. 38 Fn. 58. 158 Es handelt sich bei § 226 StGB um ein "echtes" erfolgsqualifiziertes Delikt, da bei Tötungsvorsatz richtiger Ansicht nach ausschließlich die §§ 211 ff. StGB eingreifen, vgl. Hirsch, LK, § 226 Rdn. 1 m. w. N. 159 Anders dagegen der Regierungsentwurf von 1980: vgl. dort Art. 173 E 1980.
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bloß zufällige Todesfolge einer Körperverletzung nicht mehr zugerechnet werden 160, da sowohl Art. 8 Nr. 8 CP a. F. (Ausschließungsgrund des Zufalls) 161 als auch die Strafzumessungsvorschrift Art. 50 CP162 aufgehoben und Art. 1 CP a. F. geändert wurde. Im Hinblick auf das tatsächliche Vorkommen einer durch die vorsätzliche Körperverletzung bewirkten fahrlässigen Todesfolge bleibt jedoch auch im neuen Gesetzbuch unklar, unter welche Strafbestimmung(en) diese Tat zu subsumieren ist. aa) Die Auffassung von Rechtsprechung und Lehre nach der Teilreform von 1983
Das Gesetz eröffnet theoretisch nach wie vor den Gerichten die Möglichkeit, einen solchen Sachverhalt als vorsätzliche Tötung zu bestrafen 163. Denn im Rahmen der Teilreform von 1983 wurde der in der spanischen Strafrechtsliteratur viel gerügte Milderungsgrund der Präterintentionalität, Art. 9 Nr. 4 CP, auf welchen die Rechtsprechung früher zurückgegriffen hatte, um den Täter aus dem gemilderten Strafrahmen des vorsätzlichen Tötungsdelikts zu bestrafen 164, nicht aufgehoben; ein Umstand, welcher in der spanischen Strafrechtsdogmatik in jüngster Zeit immer wieder kritisiert wird 165. Cerezo zufolge ist dies um so unverständlicher, als bereits der E 1980 eine Streichung dieses Artikels vorgesehen habe 166. Indes besteht seit einem Urteil des Tribunal Supremo aus dem Jahre 1984 167 , in welchem bei einer zum Tode führenden vorsätzlichen Körperverletzung der Täter wegen vorsätzlicher Körperverletzung konkurrierend mit fahrlässiger Tötung bestraft wurde, die berechtigte Hoffnung, daß die höchstrichterliche Rechtsprechung auch weiterhin bei derartigen Sachverhaltsgestaltungen keinen Totschlag annimmt 168. Damit ist in der Rechtspraxis dem Gebilde der präterintenSo statt aller Cerezo Mir, La Ley Nr. 1919, 1988, S. 3. Zur Bedeutung dieser Regelung im alten Recht siehe oben 2. Kapitel A 11 3. 162 Siehe oben 2. Kapitel A 11 4. 163 Der TS hat indes bisher nicht von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. 164 Siehe oben 2. Kapitel A 11 4. 165 Vgl. Bacigalupo, Manual, 1984, S. 222. Auch Bustos Ramfrez, in: Documentaci6n Juridica, S. 84, und Mir Puig, RDFD Nr. 6, monognifico, 1983, S. 473, sind der Auffassung, jeglicher Rückgriff auf Art. 9 Nr. 4 CP zur Begründung von präterintentionalen Delikten sei unzulässig. Gleichwohl komme Art. 9 Nr. 4 CP im geltenden Recht Bedeutung zu, da mit dieser Strafmilderungsvorschrift bei den erfolgsqualifizierten Delikten eine Abstufung der Strafrahmen für die vorsätzliche und die fahrlässige Folgeverursachung ermöglicht werde. 166 Vgl. Cerezo Mir, La Ley Nr. 1919, 1988, S. 3. 167 Vgl. A. 2299. 168 Allerdings ging der TS in diesem Urteil (siehe 2. Kapitel Anm. 167) wie auch in einer späteren Entscheidung (vgl. das Urteil des TS vom 19.10.1984, A. 5020) unverständlicherweise davon aus, es bestehe zwischen beiden Tatbeständen Realkonkurrenz. Siehe hierzu die Kritik von Manzanares Samaniego, Actualidad Penal, 15. Januar 1989, 160 161
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2. Kap.: Dogmatischer Teil
tionalen Tötung "adios" gesagt worden, wie Huerta Tocildo l69 einen Beitrag zu dieser Thematik überschrieben hat l70 • Auch die vorherrschende Lehre nimmt bei der hier in Rede stehenden Sachverhaltsgestaltung Idealkonkurrenz von vorsätzlicher Körperverletzung und fahrlässiger Tötung an 171. Nur dadurch, daß auch die vorsätzliche Körperverletzung bei der Bestrafung mit in Ansatz gebracht werde, könne dem gegenüber der "bloß" fahrlässigen, also ohne Körperverletzungsvorsatz begangenen Tötung, gesteigerten Handlungsunwert hinreichend Rechnung getragen werden 172. Die Vertreter der Mindermeinung, wonach lediglich der Tatbestand der fahrlässigen Tötung Anwendung finden so11 173 , begründen ihre Auffassung damit, daß sich ex post nur ganz ausnahmsweise nachweisen lasse, auf welchen konkreten Körperverletzungserfolg der Tatvorsatz gerichtet gewesen sei 174. Unabhängig von den de lege S. 43 f. Er vertritt an dieser Stelle aber gleichzeitig die Auffassung, allein der Weg über Art. 9 Nr. 4 CP führe im geltenden C6digo Penal im Falle einer vorsätzlichen Körperverletzung mit fahrlässiger Todesfolge zu sachentsprechenden Ergebnissen (siehe oben 2. Kapitel A n 4). 169 La Ley Nr. 4, 1984, S. 192. 170 In jüngerer Zeit wird von der höchstrichterlichen Judikatur zwischen vorsätzlicher Körperverletzung und fahrlässiger Tötung, anders als kurz nach der Teilreform (siehe 2. Kapitel Anm. 168), Idealkonkurrenz angenommen, vgl. das Urteil des TS vom 7.2.1987 (A. 1212) sowie das vom 26.12.1987 (A. 9879). 171 Vgl. AsUa Batarrita, Revista deI ilustre colegio de abogados Nr. 15, 1983, S. 28; Bustos Ramirez, in: Documentaci6n Juridica, S. 84; Cerezo Mir, La Ley Nr. 1919,1988, S. 2; Mir Puig, RDFD Nr. 6, monogratico, 1983, S. 473; Ruiz Vadillo, in: Documentaci6n Juridica, S. 116; dahingehend auch Munoz Conde, PE, S. 32, sowie Quintero Olivares / Munoz Conde, La reforma penal, S. 127, wobei diese Strafrechtswissenschaftler - im Unterschied zu den erstgenannten - nichts gegen den Rückgriff auf Art. 9 Nr. 4 CP im Falle der homogenen Präterintentionalität einzuwenden haben (vgl. S. 68 f.). Gegenüber letzterer Ansicht indes kritisch: Cerezo Mir, La Ley Nr. 1919, 1988, S. 2. Einen Überblick über die unterschiedlichen Lehrmeinungen gibt Alonso Alamo, La Ley Nr. 771, 1983, S. 3 ff. 172 Dahingehend Quintero Olivares / Munoz Conde, La reforma penal, S. 128. De lege ferenda befürwortete für das deutsche Recht früher auch Jescheck (vgl. Niederschriften n, S. 246 ff.) die "Konkurrenzlösung", wobei er gleichzeitig für eine Abschaffung der erfolgsqualifizierten Delikte im Zuge der Strafrechtsreform plädierte; ähnlich aus jüngerer Zeit Schubarth, ZStW 85 (1973), S. 775 f. Gegen eine Erfassung der Körperverletzung mit Todesfolge durch die Idealkonkurrenz indes Hirsch, ZStW 83 (1971), S. 160 ff.; ders., GA 1972,67 ff.; ders., LK, § 226 Rdn. 10, sowie Küpper, Der unmittelbare Zusammenhang, S. 36. 173 Vgl. insbesondere das vom Urteil des TS vom 26.12.1987 (A. 9879) abweichende Votum von Barbero Santos. In dieser Entscheidung hatte der TS Idealkonkurrenz zwischen vorsätzlicher Körperverletzung und fahrlässiger Tötung angenommen. Zur Auffassung von Barbero Santos ausführlich Manzanares Samaniego, Actualidad Penal, 15. Januar 1989, S. 49 Fn. 18. Siehe auch Sainz Cantero, PG m, 1985, S. 73 f. 174 Deshalb wollen etwa AsUa Batarrita, Revista deI ilustre colegio de abogados Nr. 15, 1983, S. 28 ff., und Munoz Conde, PE, S. 32 f., nur dann, wenn der tatsächliche Körperverletzungserfolg - gegebenenfalls auch zeitlich (vgl. Art. 422 CP a. F.) feststeht, Idealkonkurrenz von Körperverletzung und fahrlässiger Tötung, andernfalls nur fahrlässige Tötung annehmen.
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lata beschrittenen Lösungswegen wird in der spanischen Literatur immer wieder vorgebracht, daß ein befriedigendes Ergebnis nur durch den Gesetzgeber erzielt werden könne m. bb) Der Tatbestand der Körperverletzung mit Todesfolge im Regierungsentwurj 1980
Anders als das Teilreformgesetz von 1983 sah der Regierungsentwurf von 1980, der die Gruppe der erfolgsqualifizierten Tatbestäride beibehielt, mit Art. 173 E 1980 einen unserem bundesdeutschen § 226 StGB teilweise entsprechenden Tatbestand der Körperverletzung mit Todesfolge vor l76 • Dahinter stand die Überlegung, daß nur durch eine tatbestandliche Zusammenfassung des vorsätzlichen Körperverletzungsdelikts mit dem der fahrlässigen Tötung der besonderen Verknüpfung dieser Delikte ausreichend Rechnung getragen werden könne 177. Von seinem Regelungsgehalt her ging indes Art. 173 E 1980 über den des § 226 StGB hinaus 178. Denn nach der spanischen Vorschrift sollte die vorsätzliche Körperverletzung nicht nur durch einen (fahrlässigen) Todeserfolg qualifiziert werden, sondern sie sah bereits dann eine Strafschärfung vor, wenn durch die vorsätzliche Körperverletzung vom Tatvorsatz nicht umfaßte weitere, schwerere (Körper-)Verletzungserfolge herbeigeführt worden waren, wodurch sich die Vorschrift auch teilweise mit § 224 StGB deckt. Der Grund dafür, daß Art. 173 E 1980 nie Gesetz wurde, dürfte in folgendem liegen. Im Zuge der Teilreform von 1983 hat sich der Reformgesetzgeber auf die notwendigsten Änderungen im C6digo Penal beschränkt. Der Vorentwurfsvorschlag von 1983 sieht indes keinen Tatbestand der Körperverletzung mit Todesfolge vor, weil man hier die Aufhebung sämtlicher erfolgsqualifizierten Delikte anstrebte. 3. Raub mit Todesfolge
Ebenso wie im deutschen Strafgesetzbuch ist auch im C6digo Penal der Tatbestand des Raubes mit Todesfolge als erfolgsqualifiziertes Delikt ausgestaltet l79 • 175 Vgl. Alonso Alamo, La Ley Nr. 771, 1983, S.7; Suarez Montes, ADPCP 1981, S. 795 ff.; Torio L6pez, in: Reformas penales, S. 103; ähnlich Beristain lpifla, RGU 1971, S. 247. 176 Eingehend hierzu Suarez Montes, ADPCP 1981, S. 805 ff. 177 Dahingehend auch Berdugo G6mez de la Torre, EI delito de lesiones, S. 117. Siehe zudem Fernandez Albor, CPCP Nr. 22, 1984, S. 18, der einen Wertungswiderspruch darin sieht, daß der Gesetzgeber im Rahmen der Teilreform von 1983 das zusammengesetzte Delikt des Raubes mit Todesfolge (vgl. Art. 501 CP) beibehalten, gleichzeitig aber keinen Tatbestand der Körperverletzung mit Todesfolge geschaffen hat. 178 Suarez Montes (in: Comentarios a la Legislaci6n Penal, S. 48 Fn. 19) betont, daß Art. 173 E 1980 deutliche Bezüge zum italienischen Recht, nämlich zu dem Tatbestand der präterintentionalen Tötung aufweise.
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2. Kap.: Dogmatischer Teil
Im Unterschied zu § 251 StGB, wo hinsichtlich der schwereren Folge Leichtfertigkeit gesetzlich gefordert wird, differenziert der spanische Gesetzgeber allerdings seit der Änderung des Art. 501 CP im Rahmen der Teilreform von 1983 tatbestandlich und von den Rechtsfolgen her zwischen fahrlässiger (Art. 501 Nr. 4 CP) und vorsätzlicher (Art. 501 Nr. 1 CP) Erfolgsverursachung l80 • Durch die Beschränkung der hohen Strafandrohung auf die vorsätzliche Herbeiführung des Todeserfolges 181 soll dem unterschiedlichen Unrechtsgehalt einer vorsätzlichen und der "nur" fahrlässigen Tötung im Einklang mit dem Schuldprinzip Rechnung getragen werden 182. Während das Strafmaximum des § 251 StGB dem des § 211 StGB entspricht, nämlich lebenslange Freiheitsstrafe, liegt nach den entsprechenden spanischen Strafbestimmungen die für den Mord angedrohte Höchststrafe über der des entsprechenden erfolgsqualifizierten Delikts. Das Höchststrafmaß beträgt bei Art. 406 CP, dem Mordtatbestand, reclusi6n mayor en su grado maximo, bei Art. 501 Nr. 1 CP reclusi6n mayor, aber nicht notwendigerweise in ihrem höchsten Grade. Die aufgezeigten Unterschiede zwischen § 251 StGB und Art. 501 Nr. 1 CP in den subjektiven Zurechnungsvoraussetzungen und in der Höchststrafe führen zu entgegengesetzten Problemstellungen in beiden Ländern. So beschäftigt im Zusammenhang mit § 251 StGB sowohl den BGH als auch die Strafrechtswissenschaftler die Frage, ob dieser Tatbestand auf die leichtfertige Herbeiführung des qualifizierenden Erfolgs beschränkt ist 183 oder durch das Merkmal der Leichtfertigkeit lediglich die Mindestanforderungen festgelegt werden, mit der Folge, daß auch die vorsätzliche Tötung als QualifIkation in den Tatbestand mit einzubeziehen ist l84 • In der spanischen Strafrechtswissenschaft setzt man sich in bezug auf Art. 501 Nr. 1 CP vor allem mit einer entgegengesetzten Frage auseinander. Es wird diskutiert, ob trotz der Formulierung" ... vorsätzlich den Tod eines anderen bewirken" die qualifizierte Tötung, der Mord, aus dem Anwendungsbereich 179 Vgl. indes Bacigalupo, Manual, S.252, der hier zwischen zusammengesetzten und erfolgsqualifizierten Delikten differenziert und Art. 501 CP der erstgenannten Oruppe zurechnet. 180 Zur Problematik des neugefaßten Art. 501 CP näher Suarez Montes, La Ley Nr. 4, 1983, S. 1286 ff.; siehe zudem Quintero Olivares / Muiioz Conde, La reforma penal, S. 159 ff. 181 Für die vorsätzliche Erfolgsherbeiführung ist eine Freiheitsstrafe von 21 Jahren und 1 Tag bis zu 30 Jahren vorgesehen, für die fahrlässige dagegen ,,nur" eine von 6 Jahren und 1 Tag bis zu 12 Jahren. 182 Dahingehend Muiioz Conde, PE, S. 233. 183 So BOHSt. 26, 175, mit Anm. Rudolphi, JR 1976,74. 184 So die h. L., vgl. dazu Schönke / Schröder / Eser, § 251 Rdn. 6 m. w. N., und neuerdings auch den BOH, der in einem obiter dictum (BOHSt. 35,257) die bisherige Rechtsprechung ausdrücklich ablehnt (siehe zu diesem Urteil die Anm. von Alwart, NStZ 1989,225). Dabei gilt es, darauf hinzuweisen, daß sich die genannte Strafrahmenproblematik im deutschen Recht bereits deshalb relativiert, weil der Täter in der Regel aus Habgier gehandelt haben wird (so auch Rengier, Erfolgsqualifizierte Delikte, S. 112).
B. Verbrechensdefmition und Schuldprinzip
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dieser Vorschrift ausgeschlossen werden darf 185 . Nur durch eine derartige Tatbestandsbeschränkung könne vennieden werden, daß sich Art. 501 Nr. 1 CP wegen des gegenüber Art. 406 CP geringeren Höchststrafmaßes für den Mörder, der zusätzlich raubt, in eine privilegierende Vorschrift umwandele 186. Daß Art. 501 CP im Rahmen der Teilrefonn von 1983 im Hinblick auf die Beschreibung der subjektiven Zurechnungsvoraussetzungen und den damit verbundenen Strafrahmen umgestaltet wurde, ist nur zu verständlich. Es widerspricht in der Tat dem Schuldprinzip, an vom Unrechtsgehalt her wertungsmäßig unterschiedliche Sachverhalte dieselben Rechtsfolgen anzuknüpfen. Andererseits erhebt sich, genauso wie bei Art. 411 CP 187, de lege ferenda die Frage, ob es überhaupt sinnvoll und notwendig ist 188, den Raub und die vorsätzliche Tötung in ein und derselben Strafbestimmung zusammenzufassen. Gerade die dargestellte Strafrahmendiskussion bezüglich der Tötungsdelikte läßt dies sehr zweifelhaft erscheinen. Mit der Begründung, es sei sinnwidrig und der Technik eines modernen Strafrechts gegenläufig, im systematischen Zusammenhang mit Eigentumsdelikten einen Tatbestand zum Schutz des Rechts auf Leben zu schaffen, wurde auch im Rahmen der Diskussion des späteren Teilrefonngesetzes von 1983 im Senat ein Änderungsvorschlag unterbreitet. Man beantragte, Art. 501 CP ganz zu streichen, um so "die überkommene Technik der zusammengesetzten Delikte zu überwinden"189. Bei der Abstimmung über diesen Antrag wurde eine Streichung schließlich nur deshalb mehrheitlich abgelehnt, weil sich andernfalls Anpassungsschwierigkeiten an andere Tatbestände ergeben hätten. 4. Zusammenfassung
Als Ergebnis läßt sich mithin folgendes festhalten: Nach der fast wörtlichen Übernahme von § 18 StGB in den C6digo Penal wurden auch in Spanien dieselben Themen diskutiert wie in Deutschland im Zusammenhang mit § 18 StGB bwz. § 56 StGB a. F. Trotz des gleichen Problemverständnisses weichen aber die in 185 Dahingehend Bacigalupo, in: Documentaci6n Jurfdica, S. 324, sowie Octavio de Toledo y Ubieto / Huerta Tocildo, PG I, 1985, S.83. Vgl. zudem Mufioz Conde, PE, S. 233, der durch Anwendung der Konkurrenzvorschrift Art. 68 CP (zu dieser Regelung siehe bereits 2. Kapitel B VIII 1 b aa) mit Anm. 148) zu einer Bestrafung aus dem vom Strafrahmen her schwereren Delikt gelangt. 186 Suarez Montes, in: Comentarios a la Legislaci6n Penal, S.50, weist noch auf folgendes hin: Selbst wenn der Täter habgierig gehandelt habe und dies über den allgemeinen Straferschwerungsgrund Art. 10 Nr. 1 CP (zu den Erschwerungsgründen des AT siehe unten 2. Kapitel B IV 3 c mit Anm. 351) in die Strafe einfließe, habe dies nicht notwendigerweise die Verhängung des Höchststrafrahmens von Art. 501 Nr. 1 CP zur Folge. 187 Siehe oben 2. Kapitel B VIII 1 b aa) mit Anm. 146. 188 Siehe hierzu die von Hirsch, in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S. 57 f., aufgestellten Kriterien. 189 Vgl. Boletin Oficial des las Cortes Generales, Senado, 11 Legislatura, Nr. 16 vom 31.5.1983, S. 651 f. 5 Slrien
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2. Kap.: Dogmatischer Teil
Spanien beschrittenen Lösungswege oft von denen in Deutschland ab. Gerade die umfangreiche Diskussion um den Tatbestand der Abtreibung mit Todesfolge verdeutlicht jedoch, daß aus dieser Divergenz nicht auf eine grundsätzliche Ablehnung der deutschen Lehren geschlossen werden kann. Vielmehr sind die Überlegungen und die Argumentationsführung in der spanischen Rechtsprechung und Lehre auch hier ganz wesentlich durch die Vorgaben des noch geltenden Gesetzbuches geprägt. Die exemplarische Darstellung hat weiterhin gezeigt, daß bestimmte Sachverhaltskonstellationen, die im deutschen Strafrecht als erfolgsqualifizierte Delikte eingeordnet sind, auch in Spanien als mögliche erfolgsqualifizierte Delikte diskutiert, jedoch nicht in jedem Fall auch so ausgestaltet werden. IX. Die spanische Diskussion um Unrecht und Schuld bei den erfolgsqualitizierten Delikten de lege ferenda
In der spanischen Strafrechtslehre konzentriert sich das Sachproblem bei den erfolgsqualifizierten Delikten auf eine Frage, mit der man sich auch in Deutschland im Rahmen der Arbeiten zum E 1962 ausführlich auseinandergesetzt hat und welche noch teilweise bis in die Gegenwart die deutsche Strafrechtswissenschaft beschäftigt 190. Es geht dabei darum, ob und unter welchen Voraussetzungen bei dieser Deliktsgruppe eine gegenüber der Verurteilung nach Konkurrenzgrundsätzen höhere Bestrafung gerechtfertigt ist. Den Schwerpunkt der Überlegungen bildet auch bei der spanischen Diskussion die Frage, inwieweit sich derartige Tatbestände von anderen Strafbestimmungen durch einen zusätzlichen Unrechtsgehalt abheben 191. In Übereinstimmung mit der ganz herrschenden Ansicht in Deutschland 192 ist man sich auch in der spanischen Strafrechtswissenschaft darüber einig, daß der Vorwurf der fahrlässigen Erfolgsverursachung für sich betrachtet die besonders hohen Strafandrohungen bei den erfolgsqualifizierten Delikten nicht zu rechtfertigen vermag; dies auch dann nicht, wenn die extremen Strafschärfungen des C6digo Penal erheblich herabgesetzt würden 193. 190 Vgl. für Spanien statt aller Suarez Montes, in: Comentarios a la Legislaci6n PenaI, S.42; für Deutschland siehe Hirsch, GA 1972, 66; ders., in: Festschrift für Oehler, S. 111, sowie lescheck, AT, S. 235 m. w. N. 191 In der spanischen Literatur wird zumeist die gesamte Problematik unter dem Etikett
"erfolgsqualifizierte Delikte und Schuldprinzip" abgehandelt, und man unterscheidet nicht wie in der deutschen Diskussion zwischen Unrechts- und Schuldgehalt der erfolgsqualifizierten Delikte. Die dabei aufgeworfenen Fragen entsprechen indes denjenigen, welche auch die deutsche Strafrechtswissenschaft beschäftigt haben. 192 Vgl. etwa Hirsch, in: Festschrift für Oehler, S. 111; Oehler, ZStW 69 (1957), S. 502; weitere Nachweise bei leseheck, AT, S. 235. 193 So wird zumeist ,,reclusi6n mayor" und damit Freiheitsstrafe von 20 Jahren und einem Tag bis zu 30 Jahren oder zumindest ,,reclusi6n menor", d. h. Freiheitsstrafe von 12 Jahren und 1 Tag bis zu 20 Jahren angedroht. Daß hierin insbesondere für den Normalfall der erfolgsqualifizierten Delikte, die sogenannte Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination, auch noch nach Einführung des Fahrlässigkeitserfordernisses ,,Rudimente eines
B. Verbrechensdefinition und Schuldprinzip
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1. Grundsätzliche Kritik Im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Veröffentlichung des E 1980 und später der Verabschiedung des Teilreformgesetzes von 1983 beschäftigte die spanischen Strafrechtler intensiv die Frage, ob es eine sachliche Legitimation für die bei den erfolgsqualifizierten Delikten über die Addition von Vorsatzund Fahrlässigkeitsstrafe hinausgehende Strafschärfung gäbe l94 • Dabei bildete sich die Auffassung heraus, es sei unabdingbare Forderung des Schuldprinzips, diese Strafbestimmungen de lege ferenda aufzuheben 195. Es wird in zunehmendem Maße die Ansicht vertreten, die erfolgsqualifizierten Delikte enthielten Reste einer überkommenen Erfolgshaftung. Es lasse sich nämlich kein Grund für ein gerade bei diesen Strafbestimmungen erhöhtes Unrecht finden. Folglich gebe es auch keine Legitimation für die gegenüber der sogenannten Konkurrenzlösung erhöhten Strafrahmen 196. Die Meinungsbildung in der spanischen Strafrechtslehre zur Frage der Vereinbarkeit der erfolgsqualifizierten Delikte mit dem Schuldgedanken scheint ganz entscheidend durch die Überlegungen von Dfez Ripolles beeinflußt worden zu sein. Andere Autoren beziehen sich bei ihren eigenen Stellungnahmen immer wieder auf seine Ausführungen. Nach einer umfangreichen Darstellung und Würdigung des Meinungsstands, insbesondere der Kriterien, welche von der deutüberlebten Erfolgsstrafrechts" liegen (so Hirsch, GA 1972, 67, in bezug auf das deutsche Recht), läßt sich nicht leugnen (vgl. hierzu insbesondere die Kritik von Suarez Montes, in: Comentarios a la Legislaci6n Penal, S. 49). Um dem Schuldprinzip in diesem Punkt Rechnung zu tragen, ist daher eine Ermäßigung der Strafrahmen des geltenden C6digo Penal de lege ferenda ul)abdingbar. Ein erster Schritt in diese Richtung wurde bereits bei den Reformarbeiten zum E 1980 unternommen, indem die Strafrahmen für diese Deliktsgruppe teilweise erheblich herabgesetzt worden sind. 194 Am ausführlichsten setzt sich Diez Ripolles, ADPCP 1982, S. 640 ff.; ders., ADPCP 1983, S. 102, mit dieser Problematik auseinander; siehe zudem seine Ausführungen in deutscher Sprache, ZStW 96 (1984), S. 1059. Vgl. aber auch Gimbernat Ordeig, der in seiner grundlegenden Monographie "Delitos cualificados por el resultado y causalidad" bereits in früheren Jahren die erfolgsqualifizierten Delikte eingehend behandelt hat. 195 Vgl. u. a. Berdugo G6mez de la Torre, in: Documentaci6n Juridica, S. 395; Bustos Ramirez, in: Documentaci6n Juridica, S. 82; Diez Ripolles, ZStW 96 (1984), S. 1075; Octavio de Toledo y Ubieto / Huerta Tocildo, PG I, 1985, S.84; dahingehend auch Suarez Montes, in: Comentarios a la Legislaci6n Penal, S.42, der aber alternativ eine Beibehaltung von erfolgsqualifizierten Delikten für akzeptabel hält, wenn diese grundlegend überarbeitet würden (ebenda, S.52); ders., Revista Juridica de Asturias, 1985, S.185. 196 Selbst Cerezo Mir, der sich noch vor einigen Jahren für eine dem § 18 StGB entsprechende Regelung im C6digo Penal ausgesprochen hatte (vgl. hierzu Cerezo Mir, Problemas fundamentales, S. 311), betont in jüngerer Zeit, dem Schuldprinzip könne nur durch eine Aufhebung der erfolgsqualifizierten Delikte Rechnung getragen werden (vgl. Cerezo Mir, La Ley Nr. 1919, 1988, S. 3 f.). Dieser Schritt sei in der Teilreform von 1983 nur deshalb noch nicht gewagt worden, weil man damals generalpräventiven Erwägungen den Vorzug gegenüber der Wahrung einer strengen Proportionalität von Schwere der Schuld und Strafmaß eingeräumt habe (siehe bereits oben 2. Kapitel Anm. 156). 5*
2. Kap.: Dogmatischer Teil
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sehen Strafrechtswissenschaft für die Begründung eines zusätzlichen Unrechtsgehaltes bei den erfolgsqualifizierten Delikten entwickelt wurden, bezieht er selbst Stellung zu diesem Problemkreis. So setzt er sich schwerpunktmäßig mit der von Hirsch aufgestellten These auseinander, die Besonderheit der erfolgsqualifizierten Delikte liege darin, "daß die den schwereren Erfolg herbeiführende riskante Handlung schon für sich allein einen Straftatbestand vorsätzlich erfüllt, und zwar einen Straftatbestand, dessen vom Vorsatz umfaßter Erfolg typischerweise die Tendenz zu der betreffenden schweren Folge aufweist" 197. Dfez kritisiert diese Auffassung, da sie auf einer unzulässigen Doppelbewertung des Handlungsunrechts ein und desselben Verhaltens aufbaue 198. Er gelangt zu dem Ergebnis, daß alle in der deutschen Strafrechtswissenschaft herausgearbeiteten Kriterien für die Begründung eines spezifischen Unrechtsgehalts der erfolgsqualifizierten Delikte nicht geeignet seien, die Strafschärfungen zu rechtfertigen, und plädiert daher für eine Aufhebung dieser Tatbestandsgruppe 199. Da sich die Lehre in Spanien zunehmend für die Aufhebung ~er erfolgsqualifizierten Delikte im künftigen Strafgesetzbuch ausspricht 2°O, erhebt sich nunmehr die Frage, welche Alternativen vorgeschlagen werden, um die bisher als erfolgsqualifizierte Delikte vertypten Tatbestände einer sachentsprechenden Lösung zuzuführen. 2. Konkurrenzlösung
Ebenso wie bei den deutschen Reformarbeiten zum E 1962 201 steht auch im Mittelpunkt der spanischen Überlegungen, ob man nicht bereits durch die Anwendung der Regeln über die Idealkonkurrenz zu befriedigenden Ergebnissen gelangen könne. Diese Frage wird größtenteils, wenn auch - wie noch aufgezeigt werden soll - mit Einschränkungen, bejaht 202. Hierbei gilt es jedoch darauf hinzuweisen, daß die Konkurrenzlösung nach dem spanischen Strafrecht zu anderen Ergebnissen führt als nach dem deutschen: Während sich der deutsche Gesetzgeber mit § 52 StGB - der Nachfolgevorschrift von § 73 StGB a. F. - für die Beibehaltung des Absorptionsprinzips entschieden hat 20\ richtet sich in Spanien die Behandlung der Idealkonkurrenz Vgl. Hirsch, GA 1972, 71. Vgl. Dfez Ripolles, ZStW 96 (1984), S. 1065 ff. 199 Siehe oben 2. Kapitel Anm. 93. Auch Stratenwerth, in: La refonna deI derecho penal, S. 46, hatte im Rahmen eines 1979 in Spanien veranstalteten spanisch-deutschen Strafrechtskolloquiums für die spanischen Refonnarbeiten dringend angeraten, im C6digo Penal auf erfolgsqualifizierte Tatbestände zu verzichten. 200 Siehe oben 2. Kapitel B IX 1. 201 Vgl. den Vorschlag lesehecks, Niederschriften 11, S. 246 ff.; siehe zudem Küpper, Der unmittelbare Zusammenhang, S. 33 m. w. N. 202 So von den Autoren, welche sich für die Aufhebung der erfolgsqualifizierten Delikte aussprechen, siehe oben 2. Kapitel Anm. 195, 196. 203 Zu den Gründen vgl. Begründung E 1962, S. 189 ff. 197
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B. Verbrechensdefinition und Schuldprinzip
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nach dem ,,Absorptionsprinzip mit Strafschärfung"204. Dem Unterschied zwischen beiden Bestimmungen, nämlich daß nur Art. 71 CP eine obligatorische Straferhöhung ermöglicht, mißt D fez als vehementer Vertreter der Konkurrenzlösung entscheidende Bedeutung bei. Dabei zeigt er auf, daß die von Hirsch 205 bei einer Aufhebung der Gruppe der erfolgsqualifizierten Delikte unter gleichzeitiger Geltung des Asperationsprinzips206 befürchteten Strafrahmenprobleme im spanischen Strafrecht nach Art. 71 CP nicht entstehen könnten 207. Ein besonderes Augenmerk verdiene indes der Einwand Hirschs, die Regeln der Idealkonkurrenz seien dort keine geeignete Alternative zu den erfolgsqualifizierten Delikten, wo die Qualifikation entweder keinen selbständigen Tatbestand ausmache oder nur als Vorsatztat strafbar sei 208. Da jedoch grundsätzlich alle Delikte nach dem spanischen Gesetzbuch fahrlässig begehbar seien, müsse man im spanischen Recht lediglich fragen, inwieweit Strafbarkeitslücken entstehen könnten, wenn die schwere Folge für sich betrachtet keinen selbständigen Tatbestand erfüllt. Insoweit gesteht Dfez ein, daß auch im spanischen Strafrecht die von ihm vertretene Anwendung der Regeln über die Idealkonkurrenz anstelle der erfolgsqualifizierten Delikte zu Schwierigkeiten führen könnte 209 . 3. Konkrete Gefährdungsdelikte
Obwohl, wie aufgezeigt wurde, die vorherrschende Lehre in Spanien anstelle der erfolgsqualifizierten Delikte die Regeln über die Idealkonkurrenz treten lassen will, konstatieren auch die Anhänger dieses Lösungsvorschlags, daß die in den erfolgsqualifizierten Delikten erfaßten Verhaltensweisen "Besonderheiten" aufweisen, die durch die Anwendung der Regeln über die Idealkonkurrenz nicht immer adäquat Berücksichtigung finden könnten 21O. Die Besonderheit wird ebenso wie von den Befürwortern der erfolgsqualifizierten Delikte - darin gesehen, daß durch eine vorsätzliche Handlung eine Gefahr im Hinblick auf die schwerere Tatfolge geschaffen wird 211. Um dieser Eigenart der Strafbestimmungen genügend Rechnung zu tragen, wird von den spanischen Strafrechtswissenschaftlern - im Unterschied zu der vorherrschenden Lehre in Deutschland 212 - in zunehmendem Maße die Auffassung vertreten, man müsse die sogenannte Vgl. hierzu näher Gimbernat Ordeig, in: Ausländisches Strafrecht, S. 400. 205 GA 1972, 67 f. 206 So der frühere Vorschlag von lescheck, Niederschriften 11, S.246 und Anhang 204
Nr.69.
207 208 209 210 211 212
Siehe Dfez Ripolles, ZStW 96 (1984), S. 1082 f. Vgl. Hirsch, GA 1972, 71; ders., ZStW 83 (1971), S. 160 f. Vgl. Dfez Ripolles, ZStW 96 (1984), S. 1084 f., 1087. So ausdrücklich Diez Ripolles, ZStW 96 (1984), S. 1087. Vgl. Diez Ripolles, ZStW 96 (1984), S. 1087. Vgl. aber die Vorschläge von Lange, Niederschriften 11, S.256, 259, und Back-
mann, MDR 1976,973.
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2. Kap.: Dogmatischer Teil
Konkurrenzlösung durch die zusätzliche Schaffung von konkreten Gefahrdungsdelikten im Besonderen Teil des C6digo Penal ergänzen 213 • Zusammenfassend läßt sich demnach feststellen, daß die vorherrschende Lehre in Spanien - anders als in der Bundesrepublik - den erfolgsqualifizierten Delikten eine sachliche Legitimation abspricht und deswegen de lege ferenda die Aufhebung dieser Deliktsgruppe fordert. Für ein künftiges Strafgesetzbuch ist im Unterschied zur deutschen Diskussion eine Tendenz in Richtung auf die Konkurrenzlösung unter Geltung des Absorptionsprinzips mit Strafschärfung zu erkennen, wobei zugestanden wird, daß hierdurch nicht immer sachentsprechende Ergebnisse erzielt werden können. 4. Erfolgsqualijizierte Delikte und der Vorentwurfsvorschlag von 1983
Der vom Expertenausschuß vorgelegte Vorentwurfsvorschlag enthält keine dem § 18 StGB bzw. Art. 1 Abs. 1 S. 2 CP entsprechende Bestimmung 214 • Gleichwohl befinden sich im Besonderen Teil des VB 1983 - obschon hier auf erfolgsqualifizierte Tatbestände verzichtet werden sollte - weiterhin aus einem Grunddelikt und einer schweren Folge zusammengesetzte Delikte, die teilweise als "echte" erfolgsqualifizierte Tatbestände eingestuft werden 215. Der Tatsache, daß im VE 1983 keine dem § 18 StGB entsprechende Regelung enthalten ist, kommt damit entscheidende Bedeutung zu. Anders als im geltenden C6digo Penal wird nämlich im VB 1983, genauso wie dem Regierungsentwurf von 1980, die nur ausnahmsweise Bestrafung von Fahrlässigkeitstaten angeordnet 216 • Dies hat zur Konsequenz, daß ohne eine Vorschrift über die erfolgsqualifizierten Delikte, welche besagt, daß hinsichtlich der schweren Folge Fahrlässigkeit genügt, der Täter immer nur dann bestraft werden kann, wenn er hinsichtlich der schweren Folge vorsätzlich handelt 217 • 213 So Octavio de Toledo y Ubieto! Huerta Todldo, PO I, 1985, S. 84. Auch Dfez Ripol/es, ZStW 96 (1984), S. 1087 ff., ist der Ansicht, die Lösung nach den Regeln der Idealkonkurrenz solle dort durch konkrete Oefährdungsdelikte vervollständigt werden. Dabei lehnt er sich explizit in Teilansätzen an die in der Bundesrepublik von Lange (Niederschriften 11, S. 255, 259), Gal/as (Niederschriften 11, S. 257) und Schneider (JR 1955,414 f.) in diese Richtung weisenden Vorschläge an. 214 Eingehend über die Problematik der erfolgsqualifizierten Delikte im VE 1983: Suarez Montes, RDFD Nr. 6, monogrMico, 1983, S.627; ders., CPC Nr. 22, 1984, S. 184 ff. 215 Vgl. Berdugo G6mez de la Torre, in: Documentaci6n Juridica, S. 395, 403; Dfez Ripol/es, ZStW 96 (1984), S. 1090 Fn. 91; Mir Puig, in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S. 27; ders., RDFD Nr. 6, monogrMico, 1983, S. 473, Suarez Montes, CPC Nr. 22, 1984, S. 185, 193, 196. 216 Vgl. Art. 15 VE 1983. 217 Auch Mir Puig, RDFD Nr. 6, monogrMico, 1983, S. 473, der prinzipiell begrüßt, daß im VE 1983 auf erfolgsqualifizierte Tatbestände verzichtet werden sollte, weist auf
B. Verbrechensdefinition und Schuldprinzip
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So prüft Suarez Montes in bezug auf zahlreiche Vorschriften des VE 1983, ob die Tatbestände auch dann erfüllt sind, wenn der in diesen Strafbestimmungen vertypte Erfolg lediglich fahrlässig herbeigeführt worden ist. Auch dieser Autor vertritt nämlich die Auffassung, daß der VE 1983 noch zahlreiche erfolgsqualifizierte Tatbestände aufweist. Dabei bezieht er sich jedoch hauptsächlich auf Tatbestände, bei welchen der Grundtatbestand durch eine bloße - konkrete - Gefährdung qualifiziert wird 218 • Hinsichtlich anderer Tatbestände, bei denen die Erfolgsqualiftkation nicht lediglich in einer konkreten Gefährdung liegt, ist in der spanischen Strafrechtswissenschaft umstritten, ob es sich um klassische erfolgsqualifizierte Delikte handelt und die Strafbestimmungen auch dann erfüllt sind, wenn der Täter die besondere Tatfolge nur fahrlässig herbeigeführt hat. Diese Frage wird besonders ausführlich in bezug auf Art. 150 Nr. 2 VE 1983, eine dem § 224 StGB von der Ausgestaltung des objektiven Tatbestandes her sehr ähnliche und dieser auch nachgebildete Vorschrift 219 , diskutiert. Während Suarez Montes trotz Fehlens einer dem Art. 1 Abs. 2 S. 2 CP bzw. § 18 StGB entsprechenden Regelung versucht, den Anwendungsbereich des Art. 150 Nr. 2 VE 1983 auf die fahrlässige Begehung der Tatfolge auszuweiten und hierfür hauptsächlich kriminalpolitische Erwägungen anführt 220, vertritt Berdugo Gomez 221 die Auffassung, der subjektive Tatbestand dieser Vorschrift sei auf die vorsätzliche Begehungsweise in Form des dolus eventualis beschränkt 222.
5. Zusammenfassung und Stellungnahme Die Ausführungen haben gezeigt, daß man sich bei den spanischen Reformüberlegungen zum Thema "erfolgsqualifizierte Delikte" nur anfänglich, durch die Übernahme von § 18 StGB in den C6digo Penal, an die deutsche Lösung angelehnt hat. De lege ferenda zeichnet sich indes eine der deutschen Entwicklung genau gegenläufige Tendenz ab. Während die jüngere deutsche Diskussion davon beherrscht gewesen ist, geeignete Kriterien herauszuarbeiten, um einer zunehmenden Erweiterung des Anwendungsbereichs dieser Deliktsgruppe in der Rechtdiese Konsequenz hin und bezweifelt, daß so immer sachentsprechende Ergebnisse erzielt werden könnten. 218 Vgl. Suarez Montes, CPC Nr. 22, 1984, S. 184 ff. 219 Suarez Montes, CPC Nr. 22, 1984, S. 186 Fn. 8. 220 Vgl. Suarez Montes, CPC Nr. 22, 1984, S. 195. 221 Vgl. Berdugo Gomez de La Torre, in: Documentaci6n Jurfdica, S.403. Diese Beschränkung von Art. 156 Nr. 2 VE 1983 auf den Eventualvorsatz rührt daher, daß der Vorentwurfsvorschlag nicht nur eine dem § 224 StGB ähnliche Regelung, sondern zudem mit Art. 151 VE 1983 eine dem § 225 StGB im wesentlichen entsprechende Vorschrift, die der beabsichtigten schweren Körperverletzung, enthält. 222 Auch Mir Puig, RDFD Nr. 6, monogrMico, 1983, S. 473, äußert sich dahingehend, daß die fahrlässige Erfolgsverursachung aus dem Anwendungsbereich des Art. 150 Nr. 2 VE 1983 ausgeschlossen sei, was er kriminalpolitisch für bedenklich hält.
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2. Kap.: Dogmatischer Teil
sprechung zu begegnen, scheint es in der spanischen Strafrechtswissenschaft nunmehr darum zu gehen, Alternativen zu den bisher als erfolgsqualifizierte Delikte ausgestalteten Strafbestimmungen aufzuzeigen. An dieser Stelle soll nicht der Versuch unternommen werden, den Meinungsstreit zwischen Befürwortern und Gegnern über die Berechtigung der Tatbestandsgruppe der erfolgsqualifizierten Delikte zu entscheiden. Aber auch ohne in diese komplizierte Problematik tiefer einzutauchen, erheben sich gegen die vorherrschende spanische Lehrmeinung, wonach die erfolgsqualifizierten Delikte als dem Schuldgrundsatz widersprechende Rechtsfigur aus dem geltenden C6digo Penal zu eliminieren seien, erhebliche Einwände; dies bereits deshalb, weil die Diskussionsführung derjenigen Strafrechtswissenschaftler, die eine ablehnende Haltung gegenüber dieser Deliktsgruppe einnehmen, nicht immer frei von Widersprüchen ist. So vermag es nicht recht zu überzeugen, wenn auf der einen Seite erfolgsqualifizierte Delikte grundSätzlich als dem Schuldprinzip widersprechend abgelehnt werden, gleichzeitig aber eine Besonderheit bei den durch diese Tatbestandsgruppe erfaßten Verhaltensweisen angenommen wird. Denn auch die herrschende Lehre in der spanischen Literatur erkennt bei gewissen Verhaltensweisen unrechtserhöhende Elemente an, die eine gegenüber einer Verurteilung nach Konkurrenzgrundsätzen höhere Strafe erforderlich machen. Darüber hinaus wird konzediert, daß gewisse unrechtserhöhende Umstände durch die Konkurrenzlösung überhaupt nicht erfaßt werden können, so etwa wenn die Qualifikation dasselbe Rechtsgut wie der Grundtatbestand betrifft 223 • Das insbesondere von Dfez Ripolles angeführte Argument, durch die gegenüber der deutschen Regelung abweichende Ausgestaltung der Fahrlässigkeitsdelikte könnten sich im spanischen Strafrecht die bei einer Abschaffung der erfolgsqualifizierten Delikte in der Bundesrepublik befürchteten Strafbarkeitslücken nicht ergeben, kann nicht vollends überzeugen. Bei den angestellten Überlegungen für oder gegen eine Beibehaltung der erfolgsqualifizierten Delikte geht es um Erwägungen de lege ferenda; d. h. es müßte überdacht werden, ob in einem zukünftigen, gänzlich neu gefaßten spanischen Gesetzbuch auf diese Deliktsgruppe verzichtet werden kann. Im Hinblick auf einen vollkommen reformierten C6digo Penal spricht sich jedoch auch die herrschende Lehre in Spanien für eine nur ausnahmsweise Bestrafung von Fahrlässigkeitstaten, also entsprechend unserem § 15 StGB, aus 224 • Demnach käme man spätestens im neuen spanischen Strafrecht zu derselben Problemstellung wie im deutschen Strafgesetzbuch. Gerade die Diskussion in der spanischen Strafrechtswissenschaft um die Auslegung einzelner Körperverletzungstatbestände läßt die gesamte Argumentation in Richtung auf Aufhebung der erfolgsqualifizierten Delikte halbherzig erscheinen. 223 So bereits Hirsch, OA 1972,69, innerhalb seiner Argumentation für die Beibehaltung von erfolgsqualifizierten Tatbeständen im deutschen StOB. 224 Siehe hierzu oben 2. Kapitel Anm. 57.
B. Verbrechensdefinition und Schuldprinzip
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Das zeigen insbesondere die dargestellten Meinungsverschiedenheiten über die Reichweite des subjektiven Tatbestands des unserem § 224 StGB entsprechenden Art. 150 Nr. 2 im VE 1983 sowie die Diskussion um die Frage, ob nicht doch de lege ferenda nur durch einen dem § 226 StGB entsprechenden Tatbestand der besonderen Verknüpfung von vorsätzlicher Körperverletzung und fahrlässiger Tötung ausreichend Rechnung getragen werden könne. Vor allem anband dieser durch eine besondere Tatfolge qualifizierten Körperverletzungstatbestände wurde in der deutschen Diskussion nämlich immer wieder veranschaulicht, daß ein unverzichtbares Bedürfnis für die Beibehaltung von als erfolgsqualifizierte Tatbestände ausgestalteten Strafbestimmungen bestehe. So unterstreicht insbesondere Hirsch, der in § 224 StGB vertypte Regelungsgehalt könne bei einer Aufhebung dieser Vorschrift weder durch § 223 noch durch § 223a StGB eine adäquate Behandlung erfahren 225. Des weiteren gilt zu bedenken, daß eine Aufhebung des Tatbestands der schweren Körperverletzung auch im spanischen Strafgesetzbuch lediglich eine Verlagerung der materiellen Problematik der erfolgsqualifizierten Delikte von der Tatbestandsseite in den wenig präzisen Bereich der Strafzumessung bedeuten würde 226, was wiederum zu großer Rechtsunsicherheit führen könnte. Aber auch die spanische Diskussion um eine dem § 226 StGB entsprechende Regelung der Körperverletzung mit Todesfolge zeigt, daß in begrenztem Umfang doch ein gewisses Etwas der in den erfolgsqualifizierten Delikten vertypten Verhaltensweisen und damit ein begrenztes Bedürfnis für durch einen Erfolg und eine schwere Folge geknüpfte Tatbestände anerkannt wird. Ob diese in der spanischen Strafrechtsliteratur konzedierten Besonderheiten der erfolgsqualifizierten Delikte hinreichend durch die vermehrte Schaffung von konkreten Gefährdungsdelikten aufgefangen werden können, erscheint zweifelhaft 227. Abgesehen von dem Eindruck, daß die diesbezüglichen Vorstellungen noch nicht ganz ausgereift zu sein scheinen - ein Eindruck, der durch die nicht ganz abgestimmten Regelungen im Vorentwurf von 1983 vermittelt wird erheben sich gegen diesen Lösungsweg folgende Bedenken: Zum einen ist darauf hinzuweisen, daß ein Zugrundelegen des wenig präzisen Gefahrbegriffs zu Auslegungsschwierigkeiten führen würde, da das Gesetz keine Kriterien an die Hand gibt, um dieses Merkmal auszufüllen 228. Darüber hinaus bedeutete ein Abstellen auf die bloße Gefahr unter Verzicht auf den Erfolgseintritt ein Vorverlegen der Strafbarkeit, die aber oft kriminalpolitisch unnötig wäre 229 • Diese Ausdehnung 225 Vgl. Hirsch, ZStW 83 (1971), S. 140, 160 ff.; ders., in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S. 58. Das konzediert auch Lorenzen, Rechtsnatur, S. 169, ein grundsätzlicher Gegner von erfolgsqualifizierten Tatbeständen. 226 Siehe mit Blickrichtung auf das deutsche Strafrecht Hirsch, GA 1972, 68, sowie Küpper, Der unmittelbare Zusammenhang, S. 37. Diese Bedenken haben auch bei den deutschen Reformüberlegungen eine Rolle gespielt, vgl. die Stellungnahmen von Dreher, Niederschriften 11, S. 252; Baldus, Niederschriften 11, S. 256, und von Arthur Kaufmann, Schuldprinzip, S. 245. 227 Dahingehend auch Suarez Montes, RDFD Nr. 6, monognffico, S. 640 f. 228 Siehe hierzu auch Hirsch, GA 1972,72.
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2. Kap.: Dogmatischer Teil
der Strafbarkeit würde gegen den dem Strafrecht zugrunde liegenden ultima ratio-Grundsatz verstoßen, ein Prinzip, welches auch im Rahmen der spanischen Reformarbeiten immer wieder hervorgehoben worden ist 230•
c. Tatbestands- und Verbotsirrtum im alten Recht Zu den bedeutendsten Neuerungen, die durch das Teilreformgesetz von 1983 in das spanische Strafgesetzbuch eingeführt wurden, zählt die Irrtumsregelung des Art. 6 bis a CP. Mit dieser Vorschrift werden im C6digo Penal erstmalig positiv-rechtlich die Voraussetzungen und Rechtsfolgen eines Tatbestands- sowie eines Verbotsirrtums geregelt. Bis zur Teilreform von 1983 enthielt das spanische Strafgesetzbuch weder eine Verbotsirrtumsvorschrift noch - anders als das deutsche Strafgesetzbuch vor der Strafrechtsreform von 1975 - eine Bestimmung für den Tatbestandsirrtum. Art. 1 S.3 CP a. F. in Verbindung mit der Strafmilderung des Art. 50 CP a. F. regelte nur mittelbar einen Teilbereich des Tatbestandsirrtums, nämlich den error in persona und teilweise die aberratio ictus 231 • Diese Vorschrift, nach welcher die Strafe gemildert werden sollte, wenn der verwirklichte Erfolg dem beabsichtigten nicht entspricht, war auch nicht mit dem Ziel geschaffen worden, eine Frage des Tatbestandsirrtums zu regeln. Vielmehr intendierte der Gesetzgeber im Jahre 1870 mit Einführung dieser Regelung, die Auswirkungen der objektiven Tatverantwortlichkeit, zumindest in den Fällen des error in persona und der aberratio ictus, abzuschwächen. Wegen der praesumtio doli in Art. 1 S.2 CP a. F. und den zahlreichen weiteren Regelungen, die in der vor der Teilreform von 1983 geltenden Fassung des spanischen Strafgesetzbuches noch eine objektive Verantwortlichkeit verankerten, hatte Art. 1 S. 3 CP a. F. aber kaum praktische Bedeutung. Das alte Recht war vielmehr noch weit davon entfernt, allgemein eine Irrtumsregelung zu treffen 232 • Dennoch gab es insbesondere in der spanischen Strafrechtslehre, aber auch später in der Rechtsprechung Bemühungen, dem Irrtum im Strafrecht Beachtung zu verschaffen. Im folgenden gilt es darzustellen, wie sich in Spanien die Auseinandersetzung mit der Irrtumsproblematik bis zur Kodifizierung entwickelte und welche Lösungswege sich dabei herauskristallisierten; denn zahlreiche im Zusammenhang mit der Irrtumsregelung auftauchende Fragen lassen sich nur unter Rückgriff auf die Vorgeschichte beantworten. Vgl. Hirsch, GA 1972,72. So ausdrücklich in der Erläuterung zum E 1980 (vgl. Einleitung Anm. 10), S. 659, sowie in der amtlichen Begründung zum Teilreformgesetz von 1983 (ARL Nr. 1325). 231 Vgl. hierzu Cerezo Mir, Problemas fundamentales, S. 67 m. w. N., sowie Rodriguez Devesa, 8. Aufl., 1981, S. 604. 232 Siehe Quintero Olivares / Munoz Conde, La reforma penal, S.42. 229
230
C. Tatbestands- und Verbotsirrtum im alten Recht
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I. Die Rechtsprechung des Tribunal Supremo Die spanische Judikatur unterschied bis Ende der sechziger Jahre - wie früher das deutsche Reichsgericht - zwischen Tatsachen- und Rechtsirrtum. Hieraus entwickelte sich dann unter dem Einfluß der deutschen Doktrin das Begriffspaar Tatbestands- und Verbotsirrtum 233 • Beim Tatsachenirrtum und später beim Tatbestandsirrtum unterschied man zwischen vermeidbarem (evitable) und unvermeidbarem (inevitable) Irrtum, wobei ersterer die Fahrlässigkeitsstrafe nach sich zog und letzterem vorsatzausschließende Wirkung beigemessen wurde 234 • Der Irrtum über das Verbotensein der Tat hat auch in Spanien eine weitreichende Entwicklung vom grundsätzlich irrelevanten Rechtsirrtum bis hin zum beachtlichen Verbotsirrtum durchlaufen. In bezug auf den strafrechtlichen Rechtsirrtum vertrat die spanische Rechtsprechung zunächst - in Übereinstimmung mit dem Reichsgericht - den Grundsatz "error criminalis iuris nocet" 235. Eine gesetzliche Stütze sah die Judikatur dabei in Art. 2 CC a. F., dem heutigen Art. 6 Nr. 1 CC236. Diese Vorschrift schien der Beachtlichkeit solcher Irrtumsfälle entgegenzustehen, weil nach ihr die Unwissenheit von Gesetzen deren Verletzung nicht entschuldigen sollte. Gleichwohl wurde in der Rechtsprechung - ebenfalls im Einklang mit der Judikatur des deutschen Reichsgerichts - dem außerstrafrechtlichen Rechtsirrtum Bedeutung zuerkannt 237 • Erst in den 60er Jahren, und damit später als die Lehre, erkannte die spanische Rechtsprechung das Unrechtsbewußtsein generell als notwendiges Merkmal im Verbrechensautbau an, was die rechtliche Erheblichkeit auch des strafrechtlichen Verbotsirrturns zur Folge hatte 238 • In seinem grundlegenden Urteil vom 30.3.1976 239 stellte der Tribunal Supremo dabei die These auf, das Unrechtsbewußtsein sei ein Vorsatzelernent, so daß in den Fällen des vermeidbaren Verbotsirrturns ebenso wie beim vermeidbaren Tatbestandsirrtum nur wegen fahrlässiger Tatbegehung bestraft werden dürfe. An dieser der Sache nach von der Vorsatztheorie ausgehenden Rechtsprechung hielt der Oberste Gerichtshof bis zum Jahre 1986 fest. 233 Zur Entwicklung in der deutschen Rechtsprechung vgl. die Darstellung von BaurruJnn, AT, 1977, S. 419 ff., sowie Welzel, Das deutsche Strafrecht, 1969, S. 158 f.; über die in der spanischen Judikatur berichtet Gimbernat Ordeig, in: Ausländisches Strafrecht der Gegenwart, S. 329. 234 Vgl. Cerezo Mir, ZStW 84 (1972), S. 1063. 235 Vgl. Quintero Olivares I Munoz Conde, La reforma penal, S.39. Hinter dieser Auffassung stand - wie auch früher in der deutschen Rechtsprechung (vgl. etwa RGSt. 34, 418; 57, 235) - der Gedanke, jeder Bürger müsse zwischen Recht und Unrecht unterscheiden können. 236 Zu dieser Regelung siehe Cerezo Mir, ZStW 84 (1972), S. 1063 f., sowie Rodrfguez Devesa, in: Festschrift für Jescheck, S. 216 f. 237 Vgl. hierzu Gimbernat Ordeig, in: Das ausländische Strafrecht der Gegenwart, S.329. 238 Munoz Conde, EI error en Derecho Penal, S. 23, weist auf die parallele Entwicklung in der deutschen Rechtsprechung hin, von der auch erst wesentlich später als in der Lehre (siehe die Grundsatzentscheidung des BGH aus dem Jahre 1952, BGHSt. 2, 194) der Verbotsirrtum als beachtlich angesehen wurde. 239 A. 1355.
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2. Kap.: Dogmatischer Teil 11. Die Entwicklung in der Lehre
Im Unterschied zu der spanischen Rechtsprechung gab es bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts in der spanischen Strafrechtswissenschaft Bemühungen, auch dem strafrechtlichen Rechtsirrtum strafausschließende oder bei dessen Vermeidbarkeit zumindest strafmildernde Wirkung beizumessen 240. So wurde die Anerkennung des Bewußtseins der Rechtswidrigkeit als Verbrechenserfordernis bereits von Costa und Dorado Montero de lege ferenda gefordert 241 • In späteren Jahren diente als dogmatischer Anknüpfungspunkt - ebenso wie bei der deutschen Diskussion - die Forderung nach der strengen Geltung des Schuldprinzips. Als notwendige Konsequenz der Schuldidee forderte die herrschende Lehre im Bereich des Verbotsirrturns die Möglichkeit der Unrechtseinsicht als Voraussetzung für eine Bestrafung 242. Ebenso wie in der deutschen Strafrechtswissenschaft hatte in der spanischen Lehre das Unrechtsbewußtsein als Verbrechenselement fast allgemein Anerkennung gefunden 243. Meinungsverschiedenheiten bestanden allerdings auch in der spanischen Literatur hinsichtlich der Frage, welche Rechtswirkungen die irrige Annahme des Täters, sein Tun sei nicht rechtswidrig, also das Fehlen des Unrechtsbewußtseins, auslösen sollte. Einig war man sich nur insoweit, als der unvermeidbare Verbotsirrtum zur Straflosigkeit führen müsse. Ebenso wie in der deutschen Diskussion wurden unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der strafrechtlichen Auswirkungen des vermeidbaren Verbotsirrturns vertreten 244 • Teilweise bewegten sich die zu diesem Fragenkomplex in der spanischen Strafrechtswissenschaft angestellten Überlegungen ausdrücklich im Rahmen der in der deutschen Dogmatik herausgearbeiteten "Schuld- und Vorsatztheorie" mit ihren ebenfalls aus dem deutschen Recht bekannten Varianten. Die betreffenden Autoren waren bemüht, diese Irrtumslehren mit dem geltenden spanischen Strafgesetzbuch in Einklang zu bringen 245. Einige von ihnen sahen Probleme in Art. 2 CC a. F.246, der dagegen zu sprechen schien, dem fehlenden Bewußtsein der Rechtswidrigkeit auch im Strafrecht irgendeine Bedeutung zukommen zu lassen. Zudem führte die Tatsache, daß der C6digo Penal in zahlreichen Vorschriften vom Gedanken der Erfolgshaftung geprägt war, zu erheblichen Schwierigkeiten, für die Frage der Strafbarkeit an das Täterbewußtsein, also ein subjektives und nicht rein objektives erfolgsorientiertes Moment anzuknüpfen. Die von der spanischen Strafrechtslehre vor der Reform von 1983 zu den RechtsNäher hierzu Muiioz Conde, EI error en Derecho Penal, S. 22 f. Vgl. den Nachweis bei Muiioz Conde, EI error en Derecho Penal, S. 74 Fn. 8 u. 9. 242 Vgl. Bacigalupo, in: Comentarios a la Legislaci6n Penal, S. 54. 243 Eingehend hierzu Cerezo Mir, Problemas fundamentales, S. 74 ff. 244 Siehe den Überblick von Bacigalupo, in: Comentarios a la Legislaci6n Penal, S.54ff. 245 So betont Bacigalupo, in: Comentarios a la Legislaci6n Penal, S.55, daß die spanische Diskussion nicht ausschließlich auf dem Hintergrund der deutschen Irrtumslehren interpretiert werden könne. 246 Siehe oben 2. Kapitel C I mit Anm. 236. 240 241
C. Tatbestands- und Verbotsirrtum im alten Recht
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wirkungen eines Verbotsirrturns vertretenen Auffassungen sind daher stark beeinflußt von den gesetzesspezifischen Problemen des spanischen Rechts. Die einzelnen Meinungen lassen sich in drei Hauptgruppen einteilen: 1. Vorsatztheorie
Nach der bis vor einigen Jahren ganz herrschenden Ansicht in der spanischen Strafrechtswissenschaft, die man hinsichtlich der Rechtswirkungen eines Verbotsirrtums als die weitestgehende betrachten kann, soll der Täter, der über die Rechtswidrigkeit seines HandeIns irrt, strafrechtlich genauso behandelt werden wie derjenige, der einem Tatbestandsirrtum unterliegt; d. h. ein Verbotsirrtum führt hiernach zum Vorsatzausschluß247. War der Irrtum vermeidbar, so muß nach dieser Meinung die Tat als Fahrlässigkeitsdelikt bestraft werden; dies allerdings nur, sofern das entsprechende Delikt auch fahrlässig begehbar ist 248 . Zu dem Ergebnis, das eine Gleichstellung des vermeidbaren Verbotsirrturns mit dem Tatbestandsirrtum bedeutet, gelangen die Vertreter dieser Meinung deshalb, weil sie den Tatbestandsvorsatz als Wissen und Wollen rechtswidriger Tatbegehung (dolus malus) deuten 249 . Als Hauptargument diente das Wort "malicia" in der Fahrlässigkeitsvorschrift Art. 565 CP, welches der Gesetzgeber in bezug auf die Vorsatztat verwandt hatte. Dieser Begriff, der wörtlich übersetzt "Böswilligkeit" bedeutet, setze sich aus Wissen und Wollen plus Unrechtsbewußtsein zusammen 2SO. Art. 2 CC, den die Rechtsprechung des Tribunal Supremo zur damaligen Zeit für die Beibehaltung des Grundsatzes "error iuris nocet" im geltenden Recht heranzog, wurde dabei auf verschiedene Weise umschifft 2sl . Dieses Vorsatzverständnis als Wissen und Wollen rechtswidriger Tatbegehung sowie die hieraus resultierende Gleichbehandlung von vermeidbarem Verbotsirrtum und Tatbestandsirrtum entspricht dem, was im Rahmen der in Deutschland "Vorsatztheorie" genannten Ansicht vertreten wird. Deshalb bezeichnet man auch in der spanischen Diskussion die dargestellte Auffassung unter Bezugnahme auf diese im deutschen Recht entwickelte Irrtumslehre als Vorsatztheorie 2S2. 247 Siehe etwa Ant6n Oneca, PG, S. 206 f.; Cobo deZ Rosal y Vives Ant6n, Derecho Penal III, 1982, S. 258; Rodrfguez Devesa, PG, 8. Aufl., S. 596 ff.; Rodrfguez Mourullo, PG, S.257, sowie Tor(o L6pez, in: La reforma penal y penitenciaria, S. 252 ff. Vgl. ferner die weiteren Nachweise bei Cerezo Mir, ADPCP 1985, S. 277 Fn. l. 248 Eingehend zu dieser Lehrmeinung BacigaZupo, in: Comentarios a la Legislaci6n Penal, S. 55 ff. 249 Siehe aus jüngerer Zeit Mir Puig, PG, S. 545, sowie Rodrfguez Devesa, in: Festschrift für Jescheck, S. 215 f. 250 Gegen eine derartige Interpretation von "malicia" und für eine Auslegung im Sinne eines natürlichen Vorsatzes siehe insbesondere Cerezo Mir, Problemas fundamentales, S. 74 ff., 121 ff.; ders., ZStW 84 (1972), S. 1054 f.; ders., in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S. 275. Siehe zudem oben 2. Kapitel A n 1 mit Anm. 5. 251 Näheres dazu bei Mir Puig, PG, S. 545. 252 Siehe statt aller Torfo LOpez, in: La reforma penal y penitenciaria, S. 252.
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2. Kap.: Dogmatischer Teil
2. Schuldtheorie
Nach der Lehrmeinung, die in Spanien erstmalig von Cerezo Mir vorgetragen wurde, soll der unvenneidbare Verbotsirrtum zum Strafausschluß, der venneidbare dagegen lediglich zur Strafmilderung der Vorsatztat führen. Dieses Ergebnis leitet er aus einer analogen Anwendung des Art. 8 Nr. 1 i. V. m. Art. 9 Nr. 1 CP, dem unvollständigen Ausschließungsgrund der vorübergehenden Bewußtseinsstörung, mit der für diese Fälle in Art. 66 CP bestimmten Strafmilderung, ab 253 • Später schlossen sich weitere Strafrechtler Cerezos Auffassung an 254 • Auf dem Hintergrund des vom Finalismus entwickelten Vorsatzverständnisses legt er den Begriff "malicia" in den allgemeinen Fahrlässigkeitsvorschriften restriktiv als Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung aus 255 • Für den von ihm vorgeschlagenen Lösungsweg stützt er sich auf das bundesdeutsche Strafrecht und die Argumente, welche Welze12 56 vor der im Jahre 1952 erfolgten Übernahme dieser Ansicht durch den Bundesgerichtshof für eine analoge Anwendung der Vorschriften über die vorübergehende Bewußtseinsstörung (§ 51 Abs.2 StGB a. F. i. V. m. § 44 StGB a. F.) als gesetzlichem Spezialfall eines Verbotsirrtums angeführt hatte 257. Der von Cerezo vertretenen Auffassung liegt die von Welzel entwickelte Schuldtheorie zugrunde 258 • In Übereinstimmung mit dieser auf der Grundlage der finalen Handlungslehre entwickelten Irrtumslehre führt für Cerezo das fehlende Unrechtsbewußtsein nicht zum Vorsatzausschluß und damit bei Venneidbarkeit zum fahrlässigen Delikt, sondern lediglich zu einer Strafmilderung der Vorsatztat. Anders als § 51 Abs.2 StGB a. F. (heutiger § 21 StGB) bewirkte die von Cerezo vorgeschlagene Analogie über Art. 66 CP allerdings eine obligatorische Milderung der Vorsatzstrafe. Auf diesen Unterschied in den Rechtswirkungen eines venneidbaren Verbots irrtums soll bereits an dieser Stelle hingewiesen werden, da hierin der Ursprung für eine weitreichende Diskussion in der spani253 Vgl. Cerezo Mir, Problemas fundamentales, S. 73 ff.; ders., ZStW 84 (1972), S. 1065. Der C6digo Penal sieht beim bloßen Teilvorliegen von Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründen gemäß Art. 9 Nr.l i. V. m. Art. 66 CP eine Strafmilderung vor; siehe hierzu die Monographie von C6rdoba Roda, Las eximentes incompletas en el C6digo Penal, sowie Perron, Rechtfertigung und Entschuldigung, S. 212, 215 ff. 254 Vgl. Huerta Tocildo, RDFD Nr.3, monogrlifico, 1980, S. 92 f. Fn. 60; Romeo Casabona, ADPCP 1981, S. 741 Fn. 11; dahingehend auch Cuello Contreras, ADPCP 1980, S. 648 ff. 255 Siehe oben 2. Kapitel Anm. 250. 256 Welzel, NJW 1951, 578; ders., Das neue Bild des Strafrechtssystems, 1961, S. 48. 257 Vgl. Cerezo Mir, ZStW 84 (1972), S. 1065. Daß eine derartige Analogie in bonam partem zulässig sei, leitet Cerezo für das spanische Strafrecht aus Art. 2 CC a. F. ab (vgl. S. 1065 f.). Siehe in diesem Zusammenhang die Kritik Mezgers am Lösungsvorschlag Welzels (siehe oben 2. Kapitel Anm. 256), die sich u. a. darauf gründete, eine Analogie in bonam partem sei nicht uneingeschränkt zulässig (vgl. Mezger, NJW 1951, 870). 258 So ausdrücklich Cerezo Mir, in: Gedächtnisschrift für Armin Kaufmann, S. 477.
C. Tatbestands- und Verbotsirrtum im alten Recht
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sehen Wissenschaft um die von Cerezo nach Spanien vermittelte Irrtumslehre liegt.
Cerezos Meinung stieß in der spanischen Strafrechtswissenschaft vielfach auf Widerspruch 259. Häufig wurde argumentiert, die Ausschließungsgrunde seien nicht analogiefahig, was auch der Auffassung des Tribunal Supremo entsprach 260. Darüber hinaus bestritten Gegner der Schuldtheorie, daß mit der bloßen Milderung des Strafrahmens der Vorsatztat die in Rede stehenden Fälle einer befriedigenden Lösung zugeführt werden könnten 261. 3. Vermittelnde Ansicht Der Überblick über die verschiedenen Auffassungen, die zu den Rechtswirkungen eines vermeidbaren Verbotsirrturns vor Einführung einer Irrtumsvorschrift in das spanische Strafgesetzbuch vertreten worden waren, soll mit der Darstellung der von C6rdoba Roda entwickelten 262 , in der spanischen Wissenschaft wegen ihrer Widersprüchlichkeit viel diskutierten 263 Position abgeschlossen werden. Dieser Autor stimmt im Ergebnis der h. M., also den Anhängern der Vorsatztheorie, zu: Der vermeidbare Irrtum, kein Unrecht zu tun, führt nach seiner Auffassung zum Entfallen der Strafbarkeit aus dem Vorsatzdelikt und dem Eingreifen des entsprechenden Fahrlässigkeitsdelikts. Auch in der Begründung schließt er sich den Vertretern dieser Lehrmeinung an, indem er für die Richtigkeit seiner Auffassung Art. 565 CP heranzieht, ,,malicia" im Sinne von dolus malus deutet und als Schuldelement ansieht. Darüber hinaus stützt er seine Auslegung des Vorsatzbegriffs als Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung plus Unrechtsbewußtsein auf das Wort "voluntariedad" (Willentlichkeit) in der fragmentarischen Verbrechensdefinition des Art. 1 CP. Dieses Wort, welches im Sinne von "Wille zum Normverstoß" zu deuten sei, setze notwendigerweise Unrechtsbewußtsein voraus 264. Dennoch kann die Auffassung C6rdobas zu den Rechtswirkungen eines vermeidbaren Verbotsirrturns nicht ohne weiteres auf dem dogmatischen Hintergrund der Vorsatztheorie interpretiert werden. Vielmehr scheint die von 259 So hält etwa Bacigalupo, in: Comentarios a la L;egislaci6n Penal, S. 57, der Auffassung Cerezos entgegen, sie stehe im Widerspruch zu der von Cerezo verfochtenen Schuldtheorie, weil die analoge Anwendung von Art. 9 Nr. 1 i. V. m. Art. 66 CP nicht zu einer fakultativen, sondern einer obligatorischen Strafmilderung führt. Mir Puig, PO, S. 546, sowie Quintero Olivares / Munoz Conde, La reforma penal, S. 43, wenden zudem ein, die Meinung Cerezos lasse sich nicht mit Art. 6 Nr. 1 CC (zu dieser Regelung siehe bereits oben 2. Kapitel mit Anm. 236) in Einklang bringen. 260 Siehe etwa das Urteil des TS vom 15.3.1956 (A. 786). 261 Vgl. Torlo L6pez, in: La reforma penal y penitenciaria, S. 254 ff. 262 Vgl. C6rdoba Roda, EI conocimiento de la antijuricidad en la teoria deI delito, S. 137 f., sowie die Zusammenfassung seiner Auffassung in: Festschrift für Maurach, S. 635 ff. 263 Siehe etwa Cerezo Mir, ZStW 84 (1972), S. 1065 f. 264 So C6rdoba Roda, in: Festschrift für Maurach, S. 637. Siehe zu seiner Interpretation des Begriffs "voluntario" bereits oben 2. Kapitel A 11 1.
2. Kap.: Dogmatischer Teil
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ihm vertretene Ansicht zumindest auch durch die deutsche Schuldtheorie beeinflußt zu sein. Im Widerspruch zur Vorsatztheorie, aber konsequent vom Standpunkt der finalen Handlungslehre aus, als deren Anhänger sich Cordoba Roda auch selbst ausdrücklich bezeichnet 265, stellt er den Tatvorsatz in den Unrechtstatbestand, und der vermeidbare Verbotsirrtum soll nach seiner Auffassung lediglich die ,,malicia", nicht aber den Tatvorsatz des Unrechtstatbestandes entfallen lassen 266. Art. 565 CP dient in diesen Fällen nach seiner Ansicht als allgemeine Rechtsfahrlässigkeitsvorschrift, so daß Cordoba insoweit wieder den Vertretern der Vorsatztheorie folgt, da für ihn bereits der vermeidbare Verbotsirrtum als solcher Determinante für die Rechtsfahrlässigkeit ist. Wenn sich auch keine anderen Strafrechtler dieser differenzierenden Betrachtungsweise im Bereich der Irrtumslehre angeschlossen haben, so löste die Auffassung Cordobas doch vielfältige Diskussionen aus 267 , in deren Verlauf andere Wissenschaftler ihre eigenen Positionen schärfer abgrenzten. III. Zusammenfassung Wie aufgezeigt werden konnte, hatte man auch in Spanien vor der Einführung einer Irrtumsvorschrift versucht, die Irrtumsfälle auf dem dogmatischen Hintergrund der Vorsatztheorie oder der Schuldtheorie einer sachgerechten Lösung zuzuführen. Obwohl die aus der älteren deutschen Diskussion übernommene Vorsatztheorie in der Lehre herrschend gewesen ist und die Schuldtheorie zunächst nur vereinzelt vertreten wurde, gewann letztere Irrtumslehre für die jüngeren spanischen Reformarbeiten entscheidende Bedeutung, wie es im Rahmen der Erörterungen um die durch die Teilreform von 1983 eingeführte Irrtumsvorschrift nunmehr aufzuzeigen gilt.
D. Tatbestands- und Verbotsirrtum nach der Teilreform von 1983 I. Wortlaut von Art. 6 bis a CP Art. 6 bis a CP lautet: "Der unvermeidbare Irrtum über ein wesentliches Merkmal, das die Straftat 268 begründet oder die Strafe erschwert, schließt die Verantwortlichkeit oder gegebenenfalls die Erschwerung aus. Vgl. C6rdoba Roda, in: Festschrift für Maurach, S. 630. So C6rdoba Roda, EI conocimiento de la antijuricidad, S. 130 ff. Siehe zudem die Kritik von Roxin, ZStW 85 (1973), S.95, an der vom Standpunkt der finalen Handlungslehre aus betrachtet inkonsequenten Auffassung C6rdobas .. 267 Siehe statt aller Mir Puig, PO, S. 546 mit Fn. 17. 268 Der Begriff "infracci6n penaI" wurde hier mit "Straftat" übersetzt. Siehe aber demgegenüber Mir Puig, in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium 1986, S. 45 Fn. 265
266
26 a.
D. Tatbestands- und Verbotsirrtum nach der Teilreform von 1983
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War der Irrtum, auf den sich der vorherige Absatz bezieht, vermeidbar, unter Berucksichtigung der Umstände der Tat und der Persönlichkeit des Täters, wird die Tat gegebenenfalls als fahrlässig begangen bestraft. Die irrige und unvermeidbare Annahme, rechtmäßig zu handeln, schließt die strafrechtliche Verantwortlichkeit aus. Wenn der Irrtum vermeidbar war, ist die Regelung des Art. 66 zu beachten." 11. Entstehungsgeschichte Wie bereits bei der Darstellung der Reformgeschichte erwähnt, stammen die meisten Vorschriften, die durch die Teilreform von 1983 in das heute geltende spanische Strafgesetzbuch eingeführt wurden, aus dem Regierungsentwurf von 1980. So hat auch Art. 6 bis a CP einen unmittelbaren Vorgänger im E 1980, und zwar Art. 20 E 1980. Obwohl die Vorarbeiten für den gesamten Entwurf von 1980 nur sehr kurze Zeit in Anspruch nahmen, wurde von den Wissenschaftlern und Praktikern, welche mit der Ausarbeitung des Vorentwurfs von 1979 269 betraut waren, der Abfassung dieser Regelung ganz besondere Aufmerksamkeit gewidmet 270. Die heute geltende Irrtumsvorschrift geht dabei im wesentlichen auf den Vorschlag der Mitglieder der 4. Abteilung der allgemeinen Strafrechtskommission 271 zurück. Während bei der Abfassung des ersten Absatzes der Irrtumsvorschrift, die den Tatbestandsirrtum zum Gegenstand haben sollte 272 , weitgehend Klarheit bestand und die hier erörterten Fragen fast ausschließlich um terminologische Probleme kreisten, mußten die Kommissionsmitglieder bei der Formulierung einer Verbotsirrtumsregelung wesentlich tiefergreifende Überlegungen anstellen. Dabei ging es vornehmlich darum, die Rechtsfolgen eines vermeidbaren Verbotsirrturns festzulegen - wodurch in den dogmatischen Streit zwischen Vertretern der Schuldtheorie einerseits und solchen der Vorsatztheorie andererseits eingegriffen wurde - , aber auch um kriminalpolitische Grundentscheidungen. Vom vorbereitenden Ausschuß für den Vorentwurf von 1979 wurden in der 4. Strafrechtssektion schließlich drei unterschiedliche Formulierungsvorschläge für die gesetzliche Regelung des Verbotsirrturns zur Diskussion gestellt, von denen der erste nach dem Willen der Verfasser die Schuldtheorie und der zweite die Vorsatztheorie umsetzen sollte. Mit der dritten Formulierung war beabsichtigt, in dem Meinungsstreit keine Stellung zu beziehen 273. Die KommisSiehe oben 1. Kapitel B 11. Vgl. hierzu die Ausführungen des Generalberichterstatters des Vorentwurfs von 1979, Rodrfguez Mourullo, in: La reforma penal y penitenciaria, S. 23 f. 271 Siehe oben 1. Kapitel B 11. 272 So ausdrücklich Rodriguez Mourullo, in: La reforma penal y penitenciaria, S. 23. 273 Über die unterschiedlichen Fassungen, die in Erwägung gezogen worden sind, wird in der unveröffentlichten Begründung zum Vorentwurf von 1979 (Memoria Explicativa deI Anteproyecto de 1979, S. 7 f.) berichtet. Siehe zudem die diesbezügliche Erklärung des Kommissionsmitglieds Cerezo Mir, La Ley Nr. 1919, 1988, S.4, und aus jüngster Zeit auch die ausführliche Darstellung über die Entstehungsgeschichte in deut269
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6 Sttien
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2. Kap.: Dogmatischer Teil
sionsmitglieder entschieden sich - entgegen dem Meinungsstand in der bis zu diesem Zeitpunkt vorherrschenden Lehre - bei der Abstimmung überraschenderweise einstimmig für die erste Möglichkeit, also den Formulierungsvorschlag, der auf dem Hintergrund der Schuldtheorie entstanden war 274 • Als Vorbild für diese Vorschrift hatte, insbesondere hinsichtlich der umstrittenen Rechtsfolge für einen vermeidbaren Verbotsirrtum, die von Cerezo dem bundesdeutschen Recht nachgebildete und für das frühere Strafgesetzbuch vorgeschlagene analoge Anwendung des Strafmilderungsgrundes der vorübergehenden Bewußtseinsstörung, Art. 8 Nr. 1 CP i. V. m. Art. 9 Abs. 1 CP und Art. 66 CP, gedient 275 • Auch von den Politikern wurde die im Vorentwurf von 1979 vorgesehene Irrtumsregelung als eine der zentralen Fragen angesehen. Bevor die Regierungspartei den E 1980 aus den dargestellten politischen Gründen aus dem Parlament zurückzog, hatte es von seiten der verschiedenen politischen Parteien zu dieser Vorschrift noch zahlreiche Abänderungsvorschläge gegeben 276. Das besondere Interesse, welches gerade die Irrtumsvorschrift bei den Politikern fand, spiegelte sich von neuem in den intensiven Beratungen des E 1980, also dem Vorläufer zum Teilreformgesetz von 1983, sowohl im Kongreß als auch im Senat wider 277 • Die Meinungsverschiedenheiten, die hierbei zutage traten, waren selbstverständlich auch Ausfluß der unterschiedlichen politischen Standpunkte der einzelnen Parteien. So ist von konservativen Parteien, bei denen die gesamte Reform als zweifelhafter Fortschritt in Frage gestellt wurde, die Einführung einer Irrtumsvorschrift als solche bereits auf Kritik gestoßen. Im Vordergrund der Beratungen standen aber strafrechtsdogmatische und rechtsvergleichende Überlegungen. Im Rahmen dieser Erörterungen wurde hervorgehoben, daß die im deutschen Strafgesetzbuch enthaltenen Irrtumsvorschriften, §§ 16, 17 StGB, gelungene Tatbestände seien, die bewirkt hätten, daß der Diskussion zu diesem Fragenkomplex auch in anderen europäischen Ländern ein Ende gesetzt wurde 278 •
m. Motive Weder in den Entwurfserläuterungen noch in der amtlichen Begründung zum Teilreformgesetz von 1983 findet sich eine Erklärung für den oft als erstaunlich bezeichneten Sinneswande1 279 , der darin gesehen wird, daß entgegen dem damalischer Sprache zu den einzelnen Alternativen, in: Gedächtnisschrift für Annin Kaufmann, S. 475 f. 274 Vgl. Rodrfguez Mourullo, in: La reforrna penal y penitenciaria, S. 23. 275 So Cerezo Mir, in: Gedächtnisschrift für Annin Kaufmann, S.477. 276 Hierüber berichten Bacigalupo, La Ley Nr.76, 1981, S.919, sowie Rodrfguez Devesa / Serrano G6mez, PG, S. 628 f. 277 Eingehend hierzu Rodrfguez Devesa, in: Festschrift für Jescheck, S. 206 ff. 278 Siehe LOpez Riaiio, in: Boletfn Oficial de las Cortes Generales, Serie A, Nr. 27 vom 19.4.1983, S. 1199. 279 So etwa bei Romeo Casabona, ADPCP 1981, S. 742.
D. Tatbestands- und Verbotsirrtum nach der Teilreform von 1983
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gen wissenschaftlichen Meinungsstand eine Gesetzesbestimrnung im Sinne der Schuldtheorie geschaffen werden sollte. Wie aber später immer wieder betont wurde, waren dafür schließlich kriminalpolitische Erwägungen ausschlaggebend 280. Die genauen Gründe, die dann auch im Teilreformgesetz von 1983 zu einer Irrtumsvorschrift im Sinne der Schuldtheorie geführt haben, lassen sich der Diskussion entnehmen, die in der spanischen Strafrechtslehre im Anschluß an die Veröffentlichung des E 1980 und die hierin enthaltene Irrtumsvorschrift entbrannte 281. Die spanische Strafrechtswissenschaft beschäftigte nunmehr die Frage, ob die Irrtumsregelung eindeutig die Schuldtheorie festschreibe 282 oder nicht doch zumindest auch auf dem Hintergrund der Vorsatztheorie interpretierbar sei 283. Zum anderen setzten sie sich im Hinblick auf ein zukünftiges Strafgesetzbuch erneut und intensiver als je zuvor mit den Vor- und Nachteilen dieser beiden Theorien auseinander 284 • Diese neueren Stellungnahmen zu den verschiedenen Irrtumslehren können als Wegbereiter für einen Richtungswechsel der herrschenden Lehre von der Vorsatz- zur Schuldtheorie hin angesehen werden. Sie lassen, wie im folgenden aufgezeigt werden soll, eine wachsende Kritik gerade gegenüber der Vorsatztheorie erkennen.
1. Kritik gegenüber der Vorsatztheorie Es wurde als bedenklich angesehen, daß nach der Vorsatztheorie jeder vermeidbare Verbotsirrtum automatisch zur Fahrlässigkeitstat und dem damit verbundenen, gegenüber dem Strafrahmen der Vorsatztat wesentlich gemilderten, Strafrahmen führt 285. Hierbei dachte man an die früher in der deutschen Strafrechtsliteratur viel diskutierten Fälle der Rechtsblindheit oder Rechtsfeindlichkeit und die des leicht vermeidbaren Irrtums 286. Dabei wurde allerdings auch in Spanien gleichzeitig betont, daß derartige Sachverhalte in der Praxis nur eine geringe Rolle spie280 Vgl. Cerezo Mir, Prob1emas fundamentales, S. 304; ders., Corso I, 1985, S. 345 Fn. 44. Siehe aber Hirsch, in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S. 51, der die Entscheidung zwischen Vorsatz- und Schuldtheorie primär als wissenschaftliche Fragestellung verstanden wissen will. 281 Vgl. u. a. Bacigalupo, La Ley Nr. 76, 1981, S. 919; Huerta Tocildo, RDFD Nr. 3, monogrMico, 1980, S.75; Mir Puig, in: La reforma penal y penitenciaria, S. 501 ff.; Rodrfguez Ramos, La Ley Nr. 5, 1980, S. 1072; Romeo Casabona, ADPCP 1981, S. 739; Zugaldfa Espinar, CPC Nr. 15, 1981, S. 511. 282 Bejahend: Huerta Tocildo, RDFDNr. 3,monogrMico, 1980,S. 91;RomeoCasabona, ADPCP 1981, S. 740 m. w. N. 283 Dies entspricht der Auffassung von Mir Puig, PG, S. 547 ff. 284 Vgl. insbesondere Torfo LOpez, in: La reforma penal y penitenciaria, S. 247. Cerezo Mir, La Ley Nr. 1919, 1988, S.6, spricht sogar davon, daß die eigentliche Diskussion der beiden Irrtumslehren in der spanischen Dogmatik erst zu diesem Zeitpunkt einsetzte. 285 So die Erklärung bei Romeo Casabona, ADPCP 1981, S. 743, sowie von Cerezo Mir, Problemas fundamentales, S. 304. 286 Siehe etwa Welzel, JZ 1952, 338.
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2. Kap.: Dogmatischer Teil
len 287. Als entscheidend sah man dagegen an, daß bei konsequenter Anwendung der Vorsatztheorie unerwünschte Strafbarkeitslücken entstehen könnten 288. Da man nämlich im E 1980, genauso wie im deutschen Strafrecht, eine Vorschrift der nur ausnahmsweisen Bestrafung von Fahrlässigkeitstaten geschaffen hatte 289, wäre die Bestrafung einer ohne Unrechtsbewußtsein begangenen Tat die Ausnahme gewesen 290. 2. Inhalt des Unrechtsbewußtseins
Selbst wenn das entsprechende Delikt fahrlässig begehbar ist, befürchtete man in der spanischen Literatur kriminalpolitisch unerwünschte Freispruche für die praktische Rechtsanwendung, weil nach der Vorsatztheorie nur derjenige bestraft werden könne, der im Augenblick der Tat ein aktuelles Unrechtsbewußtsein hatte 291. In der spanischen Diskussion besteht insoweit Einigkeit, als für die Vorsatztheorie notwendige Konsequenz ist, daß die Bejahung des Unrechtsbewußtseins nach den gleichen Kriterien zu erfolgen hat wie die des Vorsatzes 292. Das bedeutet, daß nach dieser Irrtumslehre als intellektuelles Moment ein aktuelles Bewußtsein nicht nur bezüglich der Tatbestandsmerkmale, sondern auch hinsichtlich der Unrechtmäßigkeit vorhanden sein muß293. Anders als in der heutigen deutschen Strafrechtswissenschaft wird der Umstand, daß der Handelnde während der Tat oft dem gesetzlichen Verbot keine aktuelle Aufmerksamkeit schenkt, weiterhin gegen die Vorsatztheorie ins Feld geführt, also als Mangel dieser Irrtumslehre angesehen 294. Man befürchtet in der Praxis erhebliche Beweisprobleme, denen oft nur mit einer Fiktion des Unrechtsbewußtseins begegnet werden könne, um nicht auf die kriminalpolitisch gebotene Bestrafung wegen einer Vorsatztat zu verzichten 29s. 287 Dahingehend Torfo LOpez, in: La reforma penal y penitenciaria, S. 263. 288 Vgl. Cerezo Mir, in: Gedächtnisschrift für Armin Kaufmann, S. 476. 289 Siehe oben 2. Kapitel Anm. 57. 290 Im E 1980 waren lediglich neun Tatbestände des Besonderen Teils als fahrlässig begehbar vorgesehen; vgl. hierzu Romeo Casabona, ADPCP 1981, S. 743 Fn. 21. 291 Siehe insbesondere Munoz Conde, EI error en Derecho Penal, S. 25 ff., der sich hier ausführlich mit der Frage auseinandersetzt, welche Anforderungen insoweit an die Tätervorstellung zu stellen seien. 292 Vgl. hierzu Romeo Casabona, ADPCP 1981, S. 744. 293 Siehe Munoz Conde, EI error en Derecho Penal, S. 23. 294 In der deutschen Diskussion hat die Frage deshalb an Brisanz verloren, weil nach h. L. ein latent vorhandenes Vorstellungsbild für die Bejahung eines "aktuellen" Unrechtsbewußtseins ausreicht. Vgl. insbesondere Rudolphi, Unrechtsbewußtsein, S. 166; dahingehend zudem Platzgummer, Bewußtseinsform, S. 83 ff.; Schewe, Bewußtsein und Vorsatz, S. 147 ff., sowie Schmidhäuser, in: Festschrift für Mayer, S. 331. 295 Vgl. Munoz Conde, EI error en Derecho Penal, S. 31. Daß der Frage nach der Bewußtseinsform der Unrechtskenntnis bei der spanischen Diskussion eine ganz wesentliche Rolle im Rahmen der neueren Stellungnahmen zwischen Vorsatz- und Schuldtheorie zukommt und dieses Problem nicht, wie in der jüngeren
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Auch ist in der spanischen Strafrechtswissenschaft herrschende Ansicht, daß sich diese Probleme für die Schuldtheorie nicht stellen, da hier ein latent vorhandenes "inaktuelles" Bewußtsein des Verbotenseins der Tat ausreiche 296 • Nur die Schuldtheorie ermögliche die aus Gerechtigkeitsgründen erforderliche Bestrafung aus dem Strafrahmen der vorsätzlichen Tat, und zwar für alle Fälle, in denen sich der Täter des Unrechts der Tat hätte bewußt werden können 297 • 3. Abwandlungen der Vorsatztheorie
Einige Strafrechtler versuchen - gerade auch in den letzten Jahren - , den offensichtlichen Mängeln der ,,reinen" Vorsatztheorie durch unterschiedliche Varianten zu begegnen. Um welche Vorschläge es hierbei geht und ob es sich hierbei um geeignete Modifizierungen der Vorsatztheorie handelt, soll im folgenden erörtert werden. a) Eingeschränkte Vorsatztheorie Zur Vermeidung der nach der ,,reinen" Vorsatztheorie zwangsläufig entstehenden Strafbarkeitslücken ist in Spanien - insbesondere in früheren Jahren teilweise im Anschluß an Mezger 298 die sogenannte "eingeschränkte Vorsatztheorie" vertreten worden 299. Größtenteils stößt jedoch diese Lehre, nach welcher der auf Rechtsfeindschaft oder Rechtsblindheit beruhende Verbotsirrtum der Verbotskenntnis gleichgestellt wird, auch in der spanischen Strafrechtswissenschaft auf Ablehnung. So weist etwa Munoz Conde in jüngster Zeit teils unter Berufung deutschen Strafrechtswissenschaft, losgelöst von den verschiedenen Irrtumslehren betrachtet wird, läßt sich folgendermaßen erklären:In der spanischen Strafrechtsdogmatik wird die von der h. L. in der Bundesrepublik vorgenommene extensive Interpretation des Begriffs "Unrechtseinsicht" , wodurch der Bereich, in dem der Täter ohne ein aktuelles Vorstellungsbild über das Unrecht seines Tuns handelt, eingeengt wird, mit Skepsis betrachtet. So hegt etwa Muiioz Conde (EI error en Derecho Penal, S. 29 ff.) Befürchtungen, daß infolge der in der deutschen Strafrechtswissenschaft in bezug auf den Tatvorsatz entwickelten und auf den Inhalt des Unrechtsbewußtseins übertragenen Theorien des "Mitbewußtseins" oder auch des sogenannten "sachlichen Unrechtsbewußtseins" im Bereich der Unrechtseinsicht Elemente einflössen, durch die das Erfordernis eines aktuellen Vorstellungsbildes hinsichtlich der Rechtswidrigkeit ausgehöhlt werden könnte. 296 Wenn auch Muiioz Conde als Vertreter der Schuldtheorie letztendlich diesem Ergebnis zustimmt, so hinterfragt er gleichwohl, ob die qualitative Differenzierung hinsichtlich des Bewußtseins von Tatbestandsmerkmalen und der Unrechtseinsicht nach der Schuldtheorie auch gerechtfertigt sei (vgl. EI error en Derecho Penal, S. 36 ff.). Als Anhänger der Vorsatztheorie vgl. Torfo LOpez, in: La reforma penal y penitenciaria, S. 257 ff. 297 Vgl. Romeo Casabona, ADPCP 1981, S. 743. 298 Mezger, in: Festschrift für Kohlrausch, S. 183 ff.; ders., Modeme Wege der Strafrechtsdogmatik, S. 43 ff.; ders., NJW 1951, 502, 870. Siehe auch Arthur Kaufmann, Schuldprinzip, S. 135, allerdings mit erheblichen Modifizierungen. 299 Zu den Anhängern dieser Lehrmeinung in Spanien siehe Torio L6pez, in: La reforma penal y penitenciaria, S. 250.
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auf Welzel zu Recht darauf hin 300, daß der hinter dieser Lehre stehende Gedanke der Lebensführungsschuld 301 eine unzulässige Fiktion des Unrechtsbewußtseins bewirkt und damit einen Verstoß gegen das Schuldprinzip bedeutet 302• b) Rechtsfahrlässigkeitslösung In der jüngeren Auseinandersetzung zwischen den beiden Irrtumslehren hat der Lösungsvorschlag von Torfo Lopez 303 besondere Beachtung gefunden. Torfo, als Vertreter der Vorsatztheorie, will die aufgezeigten Strafbarkeitslücken der von ihm vertretenen Lehre schließen, indem er anregt, de lege ferenda für alle Fälle fahrlässiger Verbotsunkenntnis, in denen fahrlässiges Handeln nicht unter Strafe gestellt ist, den Täter wegen ,,Rechtsfahrlässigkeit" zu bestrafen. 304 Dieser Vorschlag Torfos erinnert an die Bestrebungen im Entwurf Gürtner 30S und die später befürwortende Stellungnahme von Schröder 306, einen ,,Aushilfstatbestand der Rechtsfahrlässigkeit" zu schaffen, damit jeglicher verschuldete Verbotsirrtum - also auch bei Tatbeständen, die nur die vorsätzliche Begehungsweise unter Strafe stellen - eine strafrechtliche Reaktion auslöst 307 • Torfo bezieht sich bei seinen Überlegungen ausdrücklich auf diese Äußerungen 308 • Die gegen die Auffassung des Entwurfs Gürtner in der deutschen Diskussion vorgebrachten Beden- . ken, vor allem der Einwand, die Einführung eines allgemeinen crimen culpae in das Strafgesetzbuch bedeute einen Verstoß gegen den Grundsatz der Tatbestandsbezogenheit von Vorsatz und Fahrlässigkeit 309 , versucht Torfo auffolgende Weise auszuräumen: Im spanischen Recht solle dem Grundsatz ,,nullum crimen sine lege" durch die Schaffung von sogenannten crimina culposa Genüge getan werden. Hierzu müsse im Anschluß an das zweite Buch des geltenden Strafgesetzbuchs eine allgemeine Vorschrift der Rechtsfahrlässigkeit eingeführt werden, wobei er diese allgemeine Rechtsfahrlässigkeitsklausel nur in Verbindung mit den einzelnen Tatbeständen des Besonderen Teils angewendet wissen will; d. h. daß hinsichtlich der Tatbestandsmerkmale der Täter nach dem Vorschlag von Vgl. Munoz Conde, EI error en Derecho Penal, S. 32, sowie Fn. 27. Siehe hierzu Baumann, AT, 8. Aufl., S. 444. 302 So auch die in diese Richtung gehende Kritik in der deutschen Strafrechtswissenschaft bei Lange, ZStW 63 (1951), S. 469; Maurach, AT, 4. Aufl., S. 463; Welzel, NJW 1951,577; ders., NJW 1952, 564; ders., Das neue Bild des Strafrechtssystems, S. 55. 303 Tor(o LOpez, in: La reforma penal y penitenciaria, S. 259 ff. 304 Vgl. Tor(o LOpez, in: La reforma penal y penitenciaria, S. 263. lOS Siehe den sog. Entwurf Gürtner, abgedruckt bei Regge / Schubert (Hrsg.), Quellen Band I, 1. Teil, S. 411 f., mit Begründung auf dem Boden der Vorsatztheorie; ebenda, 2. Teil, S. 24 f., sowie die positive Stellungnahme von Mezger, in: Festschrift für Kohlrausch, S. 183. 306 ZStW 65 (1953), S. 199. 307 Siehe hierzu im deutschen Strafrecht die Kritik von Jescheck, AT, 2. Aufl., S. 343, sowie bei Wetzei, Das neue Bild des Strafrechtssystems, S. 55. 308 Siehe Tor(o Lopez, in: La reforma penal y penitenciaria, S. 263 f. 309 So etwa Jescheck, AT, 2. Aufl., S. 343. 300 301
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Tor{o vorsätzlich zu handeln habe, in bezug auf die Verbotsunkenntnis dagegen Fahrlässigkeit genügen soll. Um dem Schuldprinzip Rechnung zu tragen, müsse die Strafe an das verwirklichte Unrecht angepaßt werden, was durch weit gefaßte Strafrahmen der Tatbestände zu erfolgen habe. Die Bestrafung solle weder aus der Vorsatz- noch aus der Fahrlässigkeitstat erfolgen, sondern aus einem Gemisch von Vorsatz und Fahrlässigkeit 31O •
Obwohl die Auffassung von Tor{o in der spanischen Literatur immer wieder reges Interesse gefunden hat 311 , wird sie von der herrschenden Lehre letztendlich abgelehnt 312•
In der Tat erscheinen Tor{os Argumente - zumindest auf den ersten Blick - bestechend, da sie eine Möglichkeit zu eröffnen scheinen, an der Vorsatztheorie festzuhalten, ohne daß die bereits aufgezeigten kriminalpolitisch unerwünschten Strafbarkeitslücken entstehen 313. Gleichwohl kann der Auffassung Tor{os nicht gefolgt werden. Auch ohne eine vertiefende Diskussion um die Rechtsfahrlässigkeitslösung als solche wird nämliCh deutlich, daß die Argumentationsführung TOrlos bereits deshalb nicht zu überzeugen vermag, weil sie in sich unschlüssig ist 314 : So mutet es merkwürdig an, daß Tor{o als Vertreter der Vorsatztheorie durch seine Konstruktion von aus Vorsatz und Fahrlässigkeit kombinierten Delikten eine Trennung von Tatbestandsvorsatz und UnreChtseinsiCht vornimmt, wodurch er gewissermaßen der von ihm vertretenen Irrtumslehre den Boden entzieht. Darüber hinaus lassen siCh seine Überlegungen mit der Vorsatztheorie deshalb niCht vereinbaren, weil nach den Grundsätzen dieser Lehre ein Irrtum über die Rechtmäßigkeit der Tat dieselbe Behandlung zu erfahren hat wie ein Tatbestandsirrtum. Ein Strafgesetzbuch, welches indes nur ausnahmsweise die "TatsaChenfahrlässigkeit" unter Strafe stellt, gleichzeitig aber eine GeneralklauseI für die sogenannte Rechtsfahrlässigkeit enthält, behandelt hierdurch beide Irrtumsarten unterschiedliCh; denn der Tatbestandsirrtum führt - zumindest im E 1980, auf 310 Vgl. Torfo LOpez, in: La reforma penal y penitenciaria, S. 263 ff. Auch Schröder (siehe Schönke / Schröder, 17. Aufl., § 59 Anm. 113 f.) hatte seine ursprüngliche Konzeption (siehe oben S. 128 Anm. 305) in die später von Torfo eingeschlagene Richtung fortentwickelt, indem er anregte, sog. verbotsfahrlässige Tatbestände zu schaffen, welche im subjektiven Bereich aus einer Kombination von Tatvorsatz und Verbotsfahrlässigkeit zusammengesetzt seien. 311 Aus jüngerer Zeit vgl. Cerezo Mir, La LeyNr. 1919, 1988, S. 5, der hier ausdrücklich darauf hinweist, der Lösungsvorschlag Tor(os sei nur deshalb bei den Beratungen zum VE von 1979 nicht diskutiert worden, weil er diesen zeitlich nachfolgte. Siehe ferner Huerta Tocildo, CPC Nr. 12,1980, S. 34 ff.; Zugaldfa Espinar, CPC Nr. 15,1981, S. 516 Fn. 28. 312 Siehe die ausführliche Kritik von Romeo Casabona, ADPCP 1981, S. 751 ff. Siehe aber auch die positive Bewertung von Huerta Tocildo, RDFD Nr. 3, monogrMico, 1980, S.95. 313 Dahingehend auch Huerta Tocildo, RDFD Nr. 3, monogrMico, 1980, S.95. 314 Mit gleichem Ergebnis die Bewertung von Romeo Casabona, ADPCP 1981, S. 751 f., der sich als Vertreter der Schuldtheorie mit dem von Tor(o vorgeschlagenen Lösungsweg auseinandersetzt.
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den Torfo seine Darlegungen bezieht - wegen der fragmentarischen Regelung der Fahrlässigkeitstaten nur dann zur Bestrafung, wenn das entsprechende Delikt auch fahrlässig begehbar ist. Des weiteren werden hinsichtlich der Strafandrohung - entgegen dem Wertungsmaßstab der Vertreter der Vorsatztheorie - beide Irrtumsarten unterschiedlich behandelt, wenn man den Lösungsvorschlag von Torfo zugrunde legt. Anders als die Tatsachenfahrlässigkeit soll die Rechtsfahrlässigkeit lediglich eine gegenüber der Vorsatztat um ein bis zwei Grade gemilderte Strafe bewirken. Es entsteht schließlich der Eindruck, daß sich Torfo mit seinem Lösungsvorschlag nicht nur vom Boden der Vorsatztheorie löst, sondern sich hiermit sogar der Schuldtheorie de facto annähert. Die unterschiedliche Behandlung von Tatsachen- und Rechtsfahrlässigkeit sowie die im Fall der Rechtsfahrlässigkeit vorgesehene Milderung des Vorsatzstrafrahmens erinnert in ihrem dogmatischen Ansatz und in den vorgeschlagenen Rechtsfolgen an die letztgenannte lrrtumslehre 31S • Zwar weicht die von Torfo vertretene Auffassung insoweit von der Schuldtheorie ab, als nach dieser der vermeidbare Verbotsirrtum immer zur Vorsatzstrafe führt, während Torfo lediglich wegen fahrlässiger Tatbegehung bestrafen will. Im Ergebnis bestehen aber keine wesentlichen Unterschiede zwischen der einen und der anderen Lösung. Sowohl nach der Schuldtheorie als auch nach der Vorsatztheorie - in der von Torfo abgewandelten Form - wird nämlich die Vorsatzstrafe um zwei Grade gemildert. Damit verbleibt lediglich noch die Frage, ob der Täter wegen vorsätzlicher oder "nur" fahrlässiger Tatbegehung bestraft wird 316 • 4. Zusammenfassung
Festgehalten werden kann demnach, daß sich bei der wissenschaftlichen Diskussion zur Vorsatz- und Schuldtheorie in Spanien eine deutliche Neigung zu letztgenannter Theorie abzeichnet und dieses neue Gedankengut bereits im E 1980, also schon vor der Teilreform von 1983, Niederschlag gefunden hat. Diese zunehmende Aufgeschlossenheit für die aus dem deutschen Recht rezipierte Schuldtheorie ist allerdings nicht vorrangig das Ergebnis einer dogmatischen Entscheidung. Ihr lagen vielmehr, wie dargelegt wurde, weitgehend Erwägungen zugrunde, innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit eine pragmatische, aus kriminalpolitischer Sicht optimale Lösung zu finden.
315 So äußert sich Bacigalupo, in: Comentarios a la Legislaci6n Penal, S. 59 f., generell dahingehend, daß die in der spanischen Strafrechtswissenschaft vertretenen unterschiedlichen Irrtumslehren ein "Gemisch" aus Vorsatz- und Schuldtheorie darstellen. In diese Richtung auch Quintero Olivares I Mufloz Conde, La reforma penal, S. 54 f., wobei Mufloz Conde selbst ebenfalls eine Lösung zu vertreten scheint, die sich an beide Irrtumslehren anlehnt (näher Cobo dei Rosal y Vives Ant6n, S. 519 Fn. 53; siehe zudem unten 2. Kapitel Anm. 402). 316 Tor(o L6pez, in: La reforma penal y penitenciaria, S. 266, führt auch den Aspekt der Stigmatisierung als Vorsatztäter gegen die Schuldtheorie an.
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IV. Vergleich von Art. 6 bis a CP mit §§ 16 und 17 8tGB Während im deutschen Recht Tatbestands- und Verbotsirrtum in zwei unterschiedlichen Vorschriften vertypt worden sind, enthält der geltende C6digo Penal nur eine Irrtumsvorschrift, allerdings in verschiedene Absätze untergliedert. Bevor in eine nähere Untersuchung der spanischen Irrtumsvorschrift mit vergleichenden Bemerkungen zu den §§ 16 und 17 StGB eingetreten werden kann, ist es zunächst erforderlich, den genauen Regelungsgegenstand der einzelnen Absätze des Art. 6 bis a CP zu ergründen.
1. Regelungsinhalt von Art. 6 bis a Abs. 1 CP Im ersten Absatz von Art. 6 bis a CP geht es um "die irrige Vorstellung" über einen "Umstand der Straftat", der auf der Rechtsfolgenseite bei "Unvermeidbarkeit" zum ,,Ausschluß der strafrechtlichen Verantwortlichkeit" führt. In Art. 6 bis a Abs. 1 CP wurde damit eine Formulierung gewählt, die - allein vom Wortlaut her betrachtet - nicht gleich erkennen läßt, ob dieser Teil der Vorschrift den sogenannten Tatbestands- oder (auch) den Verbotsirrtum umfaßt. Zum einen erscheint die Verwendung des Begriffs "Vermeidbarkeit" im Kontext des Tatbestandsirrtums - zumindest für den deutschen Juristen - befremdend. Aber auch bereits die Bezeichnung des Irrtumsgegenstands mit Hilfe des Wortes "Straftat", "infracci6n penal"317, führt zu Verwirrungen, wenn es darum gehen soll, den Regelungsgehalt des Art. 6 bis a Abs. 1 CP festzulegen.
Gerade mit Blickrichtung auf letztgenannte Formulierung wird in der spanischen Literatur die Frage gestellt, ob mit Abs. 1 des Art. 6 bis a CP ausschließlich der Tatbestandsirrtum geregelt wurde3\8. Dies liegt darin begründet, daß man den Begriff "infracci6n penal" - meistens abhängig von der jeweils vertretenen Verbrechenslehre - unterschiedlich definiert. Während Cerezo Mir "infracci6n penal" im Sinne von Unrechtstatbestand deutet 319, ist Mir Puig der Meinung, dieser Begriff umfasse nicht nur unrechtsbegründende, -erhöhende oder -vermindernde, sondern auch unrechtsausschließende Merkmale im Sinne eines Gesamt-Unrechtstatbestandes. Den dogmatischen Hintergrund dieser Betrachtungsweise bildet für ihn die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen 32o. Zwar lasse der Begriff "infracci6n penal" losgelöst betrachtet auch andere Interpretationsmöglichkeiten zu. Entscheidend ist für ihn 317 Zu diesem Begriff siehe bereits oben 2. Kapitel Anm. 268. 318 Siehe Bacigalupo, La Ley Nr.76, 1981, S.920; Maqueda Abreu, CPC Nr.21, 1983, S. 701 f.; Mir Puig, in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S. 30 ff. Eine zusammenfassende Darstellung der unterschiedlichen Meinungen gibt Cobos G6mez de Linares, Presupuestos, S. 96 ff. 319 Vgl. Cerezo Mir, Curso I, 1985, S. 349. 320 So Mir Puig, in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S. 34.
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aber die Frage, welche Deutung im Bereich des Irrtums über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes zu den kriminalpolitisch günstigsten Ergebnissen führt 321 • Auch Bacigalupo vertritt die Auffassung, die Vorschrift umfasse in ihrem Absatz 1 dem Wortlaut nach mehr als nur den Unrechtstatbestand, ohne jedoch hierfür auf die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen zUTÜckzugreifen 322 .1n seiner Argumentation stützt er sich vielmehr auf die Wahl des Begriffs "infracci6n penal". Von einer "infracci6n penal" , was soviel heißt wie "strafrechtliche Verletzung", könne nur gesprochen werden, wenn das endgültige Unwerturteil der Rechtsordnung über die konkrete Tat gefällt sei 323. Dies setze nicht nur Tatbestandsmäßigkeit, sondern notwendigerweise auch Rechtswidrigkeit voraus, so daß vom Wortlaut her betrachtet, entgegen der gesetzgeberischen Intention Absatz 1 den Irrtum über das Verbotensein der Tat bereits mitumfasse 324• In der Tat läßt Art. 6 bis a Abs. 1 CP unter einem rein semantischen Aspekt, insbesondere deswegen, weil in der spanischen Fassung - anders als in § 16 StGB - auf die Verwendung des terminus technicus "Tatbestand" verzichtet wurde, jede der dargestellten Deutungsmöglichkeiten zu. Gleichwohl ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift, daß jedenfalls die von Bacigalupo für möglich erachtete extensive Auslegung des ersten Absatzes des Art. 6 bis a Abs. 1 CP im Sinne von Tatbestandsmäßigkeit plus Rechtswidrigkeit nicht der ratio legis 325 entspricht. Wie bereits dargelegt 326, sollte nicht mit Absatz I, sondern erst durch Absatz 3 derselben Vorschrift der Verbotsirrtum einer Regelung zugeführt werden, so daß Absatz 3 des Art. 6 bis a CP für den Irrtum über das Verbotensein der Tat gegenüber dessen Absatz 1 eine Spezialregelung darstellt 327. So wird auch in der spanischen Strafrechtslehre betont, daß der Begriff "infracci6n penal" nicht losgelöst von der Irrtumsregelung in ihrem Gesamtzusammenhang interpretiert werden dürfe 328.
2. Regelungsgegenstand von Art. 6 bis a Abs. 3 CP Aus der teleologischen Reduktion des Art. 6 bis a CP folgt weiterhin, daß Absatz 3 des Art. 6 bis a CP nur den Verbotsirrtum und nicht etwa auch den Vgl. Mir Puig, in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S. 35. Vgl. Bacigalupo, La Ley Nr. 76,1981, S. 920; ders., in: Comentarios a la Legislaci6n Penal, S. 64. 323 Vgl. Bacigalupo, La Ley Nr. 76, 1981, S. 920. 324 Dahingehend auch Cobo dei Rosal y Vives Anton, PO, 1990, S. 513, sowie Zugaldfa Espinar, CPC Nr. 15, 1981, S. 512 f. 325 Zur einschränkenden Auslegung einer begrifflich weit gefaßten Regelung unter Berücksichtigung der ratio legis der Vorschrift siehe Hirsch, ZStW 74 (1962), S. 126 ff. 326 Siehe oben 2. Kapitel D 11. 327 So im Ergebnis auch Mir Puig, in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S.31. 328 Dahingehend Maqueda Abreu, CPC Nr. 21, 1983, S. 702. 321
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Tatbestandsirrtum gesetzlich regelt 329 • Ob sich dies, anders als bei Abs. 1 des Art. 6 bis a CP, auch bereits aus dem vom Gesetzgeber gewählten Wortlaut "error de estar obrando lfcitamente" (Irrtum, rechtmäßig zu handeln) ergibt, wird in der spanischen Strafrechtswissenschaft in Frage gestellt. So vertritt insbesondere Bacigalupo die Ansicht, auch dieser Teil der Irrtumsvorschrift sei in seiner Formulierung mehrdeutig 33O • Es gehe aus Absatz 3 nicht klar hervor, daß er ausschließlich den Verbotsirrtum zum Gegenstand habe. Auch derjenige Täter, der einem Tatbestandsirrtum unterliege, sei der Meinung, sein Tun sei rechtmäßig. Die vom Reformgesetzgeber beabsichtigte Trennung von Tatbestandsirrtum einerseits und Verbotsirrtum andererseits mit den hierfür vorgesehenen unterschiedlichen Rechtsfolgen sei daher insgesamt mißlungen 331. Bei der von Bacigalupo gegenüber Absatz 3 des Art. 6 bis a CP vorgebrachten Kritik handelt es sich um Überlegungen, die - ihre Richtigkeit unterstellt auch auf die Systematik des deutschen Strafgesetzbuchs zutreffen würden. Die in § 17 S. 1 StGB genannte "fehlende Einsicht, Unrecht zu tun" ist strenggenommen ebenso bei dem Täter gegeben, der in Unkenntnis eines Umstands des gesetzlichen Tatbestands handelt. Eine derartige Argumentationsweise erscheint jedoch unnötig formalistisch: Selbstverständlich irrt ein Täter, der "bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört" gleichzeitig auch über die Rechtswidrigkeit der Tat. Der Irrtum über die Rechtswidrigkeit kann aber erst dann von Bedeutung sein, wenn der Täter in Kenntnis der Umstände des gesetzlichen Tatbestandes handelt. Daß die Frage der Rechtswidrigkeit, und damit auch die Fehlvorstellung über das Verbotensein der Tat, in einer gegenüber der Tatbestandsmäßigkeit nachgeordneten Stufe zu behandeln ist, zeigt folgende dogmatische Überlegung: Die dem Tatbestand zuerkannte sogenannte Appellfunktion 332 kann sich erst dort entfalten, wo der Täter weiß, daß er mit seinem Handeln die Merkmale des Unrechtstatbestands erfüllt. Ist der Täter dagegen der irrigen Annahme, er tue etwas, was gewissermaßen außerhalb des Strafrechts steht, so stellt sich mangels Wamfunktion des Tatbestands für ihn gar nicht die Frage nach der Rechtswidrigkeit. Als Zwischenergebnis ist mithin festzuhalten, daß nach der Gesetzesintention Art. 6 bis a Abs. 1 CP den Tatbestandsirrtum und Art. 6 bis a Abs. 3 CP den Verbotsirrtum zum Regelungsgegenstand hat, wobei sich dies nicht bereits aus 329
In diesem Sinne auch Munoz Conde, EI error en Derecho Penal, S. 46.
Vgl. Bacigalupo, La Ley Nr.76, 1981, S. 920 f.; ders., in: Comentarios a la LegisIaci6n Penal, S. 78 f. 331 So Bacigalupo, La Ley Nr. 76, 1981, S. 922. Seine Kritik an der neuen Irrtumsvorschrift hat zumindest mitbewirkt, daß die im VB 1983 (Art. 17 VE 1983) vorgesehene Irrtumsregelung zwischen dem "error sobre el hecho constitutivo" (Irrtum über den Tatbestand) und dem "error sobre la ilicitud deI hecho constitutivo" (Irrtum über die Rechtmäßigkeit der Tat) unterscheidet, siehe Mir Puig, RDFD Nr. 6, monogrMico, 1983, S.473. 332 Vgl. näher Jescheck, AT, S. 290; indes kritisch Bacigalupo, in: Comentarios a la LegisIaci6n Penal, S. 84. 330
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dem Wortlaut der Vorschrift, sondern aus der Regelung in ihrem Gesamtzusammenhang und im Wege der teleologischen Reduktion ergibt. Damit kann nunmehr in eine nähere Untersuchung der einzelnen Irrtumsabsätze eingetreten werden, wobei es darum gehen soll, zunächst Abs. 1 des Art. 6 bis a CP und den diese Regelung ergänzenden Abs. 2 zu dem deutschen § 16 StGB und danach Abs. 3 des Art. 6 bis a CP zu unserem § 17 StGB in Bezug zu setzen. 3. Art. 6 bis a Abs. 1 und Abs. 2 CP im Vergleich zu § 16 Abs. 1 StGB a) Systematische Einordnung Betrachtet man die Stellung von § 16 StGB im Zusammenhang mit den gesamten Vorschriften des deutschen Strafgesetzbuchs und Art. 6 bis a Abs. 1 CP im Zusammenhang mit denen des C6digo Penal, so fallt auf, daß der spanische Gesetzgeber sich für eine ähnliche systematische Einordnung der Irrtumsregelung entschieden hat wie der deutsche Reformgesetzgeber von 1975 333 • In beiden Rechtsordnungen wird zunächst, wenn auch nur fragmentarisch, das Erfordernis von Vorsatz und Fahrlässigkeit im allgemeinen behandelt. Übereinstimmend wird im folgenden die Kehrseite des Vorsatzes, nämlich die Rechtswirkung eines Tatbestandsirrtums gesetzlich geregelt. Art. 6 bis a Abs. 1 CP kommt ebenso wie § 16 Abs. 1 StGB dabei eine rein deklaratorische Bedeutung zu, weil diese Bestimmungen sich lediglich mit einem Teilaspekt 334 einer bereits durch Art. 1 CP bzw. § 15 StGB geregelten Frage beschäftigen: Da sowohl Art. 1 (Abs.l und Abs.2 S. 1) CP als auch § 15 StGB Vorsatz oder Fahrlässigkeit für eine Bestrafung voraussetzen, ergibt sich aus diesen Vorschriften zugleich, daß der Täter dann straffrei bleibt, wenn er in Unkenntnis der einzelnen Merkmale des objektiven Tatbestands handelt und die mangelnde Kenntnis nicht auf Fahrlässigkeit beruht 335. Daß trotz fehlender Regelungsbedürftigkeit dennoch eine gesonderte Vorschrift nicht nur über den Verbotsirrtum, sondern auch zur Regelung des Tatbestandsirrtums in das spanische Strafgesetzbuch eingeführt wurde, ist verständlich. Zum einen ging es dem spanischen - genauso wie dem deutschen - Gesetzgeber darum, durch eine positivrechtliche Normierung sowohl der Voraussetzungen als auch der Rechtsfolgen beider Irrtumsarten die beiden Irrtumsalternativen voneinander abzugrenzen und damit Rechtsunsicherheiten zu beseitigen, zu denen die alte Rechtslage geführt hatte 336• Darüber hinaus wird es aber 333 Kritisch gegenüber der systematischen Stellung der Irrtumsvorschrift im E 1980, Mir Puig, in: La reforma penal y penitenciaria, S. 502. 334 In diesem Sinne Schroeder, LK, § 16 Rdn. 1. 335 Bei den Beratungen der spanischen Irrtumsvorschrift im Parlament wurde mit dem Argument der fehlenden Regelungsnotwendigkeit beantragt, im neuen C6digo Penal auf eine Irrtumsregelung zu verzichten. Der Antrag wurde jedoch mehrheitlich abgelehnt (vgl. hierzu Boletfn Oficial de las Cortes Generales, Congreso de los Diputados, 19. April 1983 Nr. 27, S. 1194 ff.). 336 Siehe hierzu oben 2. Kapitel C.
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gerade dem spanischen Gesetzgeber ein besonderes Bedürfnis gewesen sein, mit dieser Vorschrift die angekündigte Abkehr von dem bisher herrschenden Prinzip der objektiven Verantwortlichkeit deutlich zu realisieren. b) "Un elemento esencial" (ein wesentliches Merkmal) Nach der vom spanischen Gesetzgeber in Art. 6 bis a Abs. 1 CP gewählten Formulierung fällt nur der Irrtum 337 unter die Vorschrift, der sich auf ein" wesentliches" Tatbestandsmerkmal bezieht. Diese für den deutschen Leser befremdliche Einteilung in "wesentliche" und "unwesentliche" Tatbestandsmerkmale 338 ("elementos esenciales" und "accidentales") ist im spanischen Recht nicht neu. Vielmehr handelt es sich um eine traditionelle Unterscheidung 339 , der in der spanischen Strafrechtsdogmatik allerdings kein einheitliches Begriffsverständnis zugrunde liegt: Nach der herrschenden Lehre stellen die Merkmale des Grundtatbestands wesentliche Elemente dar. Dagegen soll es sich bei strafmodifizierenden Umständen um "elementos accidentales", also unwesentliche Merkmale handeln 340 • Darüber hinaus wird teilweise versucht, auf der Grundlage dieser Unterscheidung unwesentliche Fehlvorstellungen von für den Tatbestandsirrtum relevanten zu unterscheiden 341. Gleichwohl mutet die Verwendung des Adjektivs "wesentlich" merkwürdig an, weil es eine tautologische Aussage zum Inhalt hat. Jedes einzelne Merkmal des Tatbestands ist für diesen auch wesentlich, da es das deliktische Unrecht 337 Der deutsche Gesetzgeber spricht in § 16 S. 1 StGB von fehlender Kenntnis. Der Unterschied zwischen beiden Formulierungen liegt darin, daß nur die deutsche Fassung bereits vom Wortlaut her erkennen läßt, daß auch das bloße Fehlen der richtigen Vorstellung, ohne positive falsche Vorstellung, für den Vorsatzausschluß genügt. Damit werden die Fälle der unbewußten Fahrlässigkeit von der deutschen Regelung eindeutig miterfaßt. Da in der spanischen Literatur die Begriffe Irrtum und fehlende Kenntnis oftmals gleichgesetzt werden (vgl. etwa Rodriguez Ramos, La Ley Nr. 5, 1980, S. 1073), scheint mit der Formulierung "irrt der Täter ... " indes keine sachliche Abweichung von der deutschen Irrtumsvorschrift beabsichtigt zu sein. Für eine derartige Interpretation spricht, daß auch im Rahmen der deutschen Reformarbeiten zum E 1962 beide Formulierungen gleichgesetzt wurden unter Hinweis darauf, daß im Sprachgebrauch die beiden Begriffe nicht unterschieden werden (so Mezger, Niederschriften n, S.21 und Anhang Nr.2, S. 7; eine solche terminologische Gleichsetzung hinterfragt dagegen Schroeder, LK, § 16 Rdn. 113). 338 Indes verwendet auch Roxin (LK, § 25 Rdn. 43) für ,,nur strafzumessungserhebliche Tatbestandsmerkmale" den Begriff "akzidentiell". 339 Vgl. Quintero Olivares I Munoz Conde, La reforma penal, S. 48. 340 Vgl. Mir Puig, PG, S. 210 f., der die "elementos accidentales" hier in straferschwerende und strafmildernde Merkmale untergliedert. Im Hinblick auf die Unterscheidung von wesentlichen und unwesentlichen Merkmalen aber kritisch Cerezo Mir, Curso I, 1985, S. 349, unter Hinweis darauf, daß es sich auch bei strafmodifizierenden bereits um unrechtsrelevante und damit um "wesentliche" Merkmale handele. 341 Vgl. etwa Bustos Ramirez, PG, S. 301 ff., der hier die Begriffe "Irrtum über unwesentliche Merkmale" ungenauerweise mit "unwesentlichem Irrtum" gleichsetzt.
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mitbestimmt, und zwar unabhängig davon, ob es sich um strafbegründende oder strafmodifizierende Umstände handelt 342 • So ist es nur zu verständlich, daß auch die Verfasser des Vorentwurfs von 1979, des Vorläufers des Entwurfs von 1980, auf das verwirrende Attribut "esencial" verzichtet und lediglich die Formulierung "elementos de la infracci6n penal" benutzt hatten. Nachdem Art. 20 des E 1980 die ursprünglich vorgeschlagene Formulierung beibehielt, genauso wie noch die Gesetzesvorlage für das Teilreformgesetz im Jahre 1983 343 , fügte man schließlich aufgrund eines Abänderungsvorschlags im Senat diesen Begriff hinzu. Als Begründung wurde angeführt, daß es bei allen Deliktsmerkmalen solche gäbe, welche für die Existenz ,,notwendig" und andere, die für den Tatbestand ,,nebensächlich" seien 344. Auch in der jüngeren spanischen Strafrechtsliteratur stößt diese Terminologie nunmehr teilweise auf Kritik 345 • So ist etwa Cerezo der Ansicht, der Ausdruck "wesentlich" sei nicht nur überflüssig, sondern auch ungeeignet, um in der Irrtumsvorschrift die strafbegründenden den strafmodifizierenden Tatumständen gegenüberzustellen 346. c) ,,0 que agrave la pena" (oder die Strafe erschwert) Aus der bereits im Rahmen des ersten Teils der Irrtumsvorschrift angestellten Überlegung heraus, daß strafmodifizierende Merkmale "wesentliche Elemente der Straftat" darstellen, scheint der zweite Teil der Irrtumsvorschrift in Art. 6 bis a Abs. 1 CP ,,0 que agrave la pena" (oder die Strafe erschwert) überflüssig zu sein 347; dies um so mehr, als es im ersten Teil doch gerade darum gehen sollte, mit Hilfe der besonderen Charakterisierung der Tatbestandsmerkmale als "esenciales", also als "wesentlich", die strafrnodifizierenden Umstände zu eliminieren, die jetzt aber wieder in dieselbe Vorschrift gesondert aufgenommen werden.
342 So auch Cerezo Mir, Curso I, 1985, S. 349; Torio LOpez, in: Refonnas penales, S.105. 343 Vgl. Boletfn Oficial de las Cortes Generales, Congreso de los Diputados, n Legislatura, Serie A, proyecto de ley, Nr. 10-11 vom 25.2.1983. 344 Siehe Boletfn Oficial de las Cortes Generales, Senado, n Legislatura, Serie n, proyecto de ley, Nr. 15 b vom 19.5.1983, S. 42. 345 Siehe insbesondere die Ausführungen von Maqueda Abreu, CPC Nr.21, 1983, S. 703 ff.; vgl. zudem Bacigalupo, in: Comentarios a la legislaci6n penal, S. 66; Cerezo Mir, Curso I, 1985, S.349; Sainz Cantero, PG llI, S.87; Torio LOpez, in: Refonnas penales, S. 105 ff. 346 Vgl. Cerezo Mir, Curso I, 1985, S. 349; ähnlich auch Maqueda Abreu, CPC Nr. 21, 1983, S. 717. 347 Mit dem Argument der fehlenden Regelungsbedürftigkeit hat der deutsche Refonngesetzgeber 1975 auf eine entsprechende Vorschrift verzichtet, vgl. Schroeder, LK, § 16 Rdn.64.
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Gleichwohl stößt die im Rahmen der Teilreform getroffene Entscheidung einer gesonderten Nennung straferhöhender Merkmale in der spanischen Strafrechtswissenschaft auf Zustimmung: Für eine ausdrückliche Regelung des Irrtums über Straferschwerungsgrüfide wird angeführt, daß sich die Rechtsfolge von der des Irrtums über ein Element des Grundtatbestandes unterscheide. Nur letztgenannter Irrtum führe bei Unvermeidbarkeit zum Ausschluß der "strafrechtlichen Verantwortlichkeit" und beim vermeidbaren Irrtum zu einer Bestrafung wegen fahrlässiger Tatbegehung. Dagegen lasse die Fehlvorstellung über einen straferschwerenden Umstand sowohl bei Unvermeidbarkeit als auch bei Vermeidbarkeit dieses Irrtums lediglich die Straferhöhung entfallen. Daß ein solcher Irrtum nie zur Fahrlässigkeitsstrafe führen könne, müsse deutlich aus d~r Irrtumsregelung selbst hervorgehen. Anderenfalls würde aufgrund des offenen Fahrlässigkeitssystems den Gerichten zumindest theoretisch die Möglichkeit eröffnet, wegen fahrlässiger Begehung eines qualifizierten Tatbestands, etwa wegen fahrlässigen Mordes, zu bestrafen 348. An der heute geltenden Irrtumsvorschrift wird deshalb kritisiert, daß Art. 6 bis a CP diese unterschiedlichen Rechtswirkungen für den Irrtum über strafbegründende Umstände einerseits und über straferhöhende Merkmale andererseits nur im Hinblick auf den unvermeidbaren Tatbestandsirrtum nenne 349 • In bezug auf den vermeidbaren Tatbestandsirrtum über straferschwerende Umstände enthalte der geltende C6digo Penal indes eine Regelungslückke, da Abs. 2 des Art. 6 bis a CP, mit der hier für den vermeidbaren Tatbestandsirrtum vorgesehenen Bestrafung wegen Fahrlässigkeit, nur auf den Irrtum über strafbegrüfidende Merkmale zugeschnitten sei 350. Uneinigkeit besteht unter den spanischen Strafrechtlern hinsichtlich der Frage, welche Straferschwerungsgründe von Art. 6 bis a Abs. 1 S. 2. 2. Alt. CP erfaßt werden. In concreto geht es dabei um eine Problemstellung, die aus der spezifischen Struktur des spanischen Strafgesetzbuchs resultiert. Anders als das deutsche Strafgesetzbuch enthält der C6digo Penal nicht nur in seinem Besonderen Teil qualifizierende und privilegierende Tatbestände, sondern es gibt auch im Allgemeinen Teil einen Katalog von Strafmilderungs- und Straferschwerungsgründen (sogenannte circunstancias genericas, vgl. Art. 9 CP und Art. 10 CP)351. Während ein Teil der Lehre die Ansicht vertritt, Regelungsgegenstand des Art. 6 bis a Abs. 1 2. Alt. CP seien sowohl die QualifIkationstatbestände des Besonderen So Cerezo Mir, Curso I, 1985, S. 349. Vgl. Cerezo Mir, Curso I, 1985, S. 350. 350 Oe lege ferenda schlägt daher Cerezo, Curso I, 1985, S. 350, folgende Vorschrift zur Regelung des Tatbestandsirrtums vor: "Der unvermeidbare Irrtum über strafbegründende Tatumstände schließt die strafrechtliche Verantwortlichkeit aus. War der Irrtum vermeidbar, ist die Straftat gegebenenfalls als fahrlässige zu bestrafen. Der Irrtum über strafmildernde oder straferschwerende Umstände, welche die Straftat qualifizieren, läßt die Erschwerung entfallen." 351 Näher Gimbernat Ordeig, in: Ausländisches Strafrecht, S. 350 f. 348
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Teils als auch die "circunstancias agravantes"352, sind andere Autoren der Meinung, letztere Erschwerungsgründe seien von der Irrtumsvorschrift nicht mit umfaßt 353. Vielmehr stelle Art. 60 CP, eine dem deutschen § 28 StGB verwandte Vorschrift, für die im Allgemeinen Teil aufgeführten Erschwerungsgründe wie schon vor der Teilreform von 1983 354 eine Sonderregelung darm. Ob in Art. 6 bis a Abs. 1 CP - ebenso wie in § 16 S. 1 StGB - auf eine gesonderte Regelung des Irrtums über straferschwerende Merkmale hätte verzichtet werden dürfen, erscheint unter Berücksichtigung des Arguments, es könne andernfalls wegen fahrlässiger Begehung einer QualifIkation bestraft werden, in der Tat zweifelhaft. Anders verhält es sich bei einem Strafgesetzbuch, dem wie es etwa im E 1980 und VE 1983 geplant ist - ein geschlossenes Fahrlässigkeitssystem zugrunde liegt. Hierbei würde aus der Vorsatzlehre selbst folgen, daß die fehlende Kenntnis - oder mit den Worten des spanischen Gesetzgebers gesprochen: die Fehlvorstellung - hinsichtlich aller strafmodifIzierender, das Tatunrecht mitbestimmender Umstände nur in dem Rahmen zum Vorsatzausschluß oder zum Ausschluß der strafrechtlichen Verantwortlichkeit führen kann, in dem sie sich bewegt356. Daher erschiene es dann überperfektionistisch, diese Selbstverständlichkeit auch noch ausdrücklich festzuschreiben 357. Abschließend sei noch folgendes angemerkt: De lege ferenda ist anzuregen, die verwirrende Gesetzestechnik, die strafmodifIzierenden Umstände im Allgemeinen Teil des C6digo Penal aufzuführen, aufzugeben und - soweit erforderlich - im Besonderen Teil ergänzend weitere qualifIzierende oder privilegierende Tatbestände zu schaffen. Das hätte zur Folge, daß auch nicht auf den zur Zeit teilweise in der Lehre analog angewandten Art. 60 CP beim Irrtum über strafmodifIzierende Merkmale der Art. 10 und 11 CP zurückgegriffen werden müßte. Art. 60 CP wäre vielmehr im Einklang mit der gesetzgeberischen Intention - genauso wie § 28 StGB - lediglich im Rahmen der Zurechenbarkeit von täterbezogenen Merkmalen auf die Beteiligten von Bedeutung. Zudem würde vermieden, daß die Ausdehnung der Strafbarkeit von der oft zufälligen Einordnung eines Merkmals als QualifIzierung - oder Privilegierung - in den Besonderen oder nur in den Allgemeinen Teil des C6digo Penal abhinge 358 . 352 Vgl. Cerezo Mir, Curso I, 1985, S. 349 f.; Quintero Olivares / Muiioz Conde, La reforma penal, S. 52. In diese Richtung auch Mir Puig, PG, S. 211 f., der aber gleichzeitig kritisiert, daß dies nicht eindeutig aus der vom Gesetzgeber gewählten Formulierung "agravar la pena" (die Strafe erschweren) zu ersehen sei. Daher hatte Mir Puig de lege ferenda eine anders lautende Tatbestandsirrtumsregelung vorgeschlagen (vgl. hierzu Mir Puig, RDFD Nr. 3, monogrMico, 1980, S.49). 353 Siehe G6mez Benitez, Teoria, S. 198; Maqueda Abreu, CPC Nr. 21, 1983, S. 717 f. 354 Zur Anwendung von Art. 60 CP auf den Irrtum im alten Recht siehe Mir Puig, PG, S. 211. 355 Dahingehend Maqueda Abreu, CPC Nr. 21, 1983, S. 717 f. 356 So im Ergebnis G6mez Benitez, Teoria, S. 224; dahingehend zudem Schroeder, LK, § 16 Rdn. 64. 357 Andernfalls wäre auch im deutschen Recht zu überlegen gewesen, § 16 S. 1 StGB etwa im folgenden Sinne abzuändern: " ... läßt den Vorsatz insoweit entfallen".
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d) Irrtum über strafmildernde Merkmale Während es der spanische Gesetzgeber - wie gezeigt wurde - im Rahmen der Teilreform von 1983 für notwendig erachtete, den Irrtum über Straferschwerungsgründe in Art. 6 bis a Abs. 1 CP gesondert aufzuführen, hat er dagegen auf eine gesetzliche Festschreibung der Auswirkungen eines Irrtums über strafmildernde Umstände verzichtet. Der deutsche Reformgesetzgeber von 1975 hat demgegenüber genau die entgegengesetzte Entscheidung getroffen, indem er in Ergänzung des § 59 StGB a. F. in § 16 Abs. 2 StGB nicht den Irrtum über straferschwerende Umstände, sondern die irrtümliche Annahme von Umständen, die unter den Tatbestand eines milderen Gesetzes fallen, ausdrücklich einer gesetzlichen Regelung zugeführt hat. § 16 Abs.2 StGB kommt allerdings im deutschen Recht lediglich klarstellende Funktion zu; denn schon aus § 16 Abs. 1 StGB sowie aus § 15 StGB folgt, daß der Täter, der irrig das Vorliegen privilegierender Merkmale annimmt, nur wegen vorsätzlicher Begehung des milderen Gesetzes bestraft werden kann. 3s9 Diese Rechtsfolge ergibt sich im C6digo Penal aus Art. 1 Abs. 1 und Abs.2 S. 1 CP. Ob aber auch aus der Irrtumsvorschrift selbst, also aus Art. 6 bis a Abs. 1 CP, hervorgeht, daß bei einer irrtümlichen Annahme privilegierender Tatbestandsmerkmale die strafrechtliche Verantwortlichkeit hinsichtlich des objektiv verwirklichten Deliktstypus ausscheidet, ist indes zweifelhaft. Das hängt von der bereits behandelten Frage ab, welche Merkmale als "elementos esenciales", also als wesentliche Merkmale im Sinne der spanischen Irrtumsregelung anzusehen sind 360• Bei einer restriktiven Auslegung als ,,Merkmale des Grundtatbestands" enthielte Art. 6 bis a Abs. 1 CP in bezug auf privilegierende Tatumstände eine Regelungslücke 361. Aus dieser Überlegung ergibt sich gleichzeitig ein weiteres Argument dafür, den Begriff "elementos esenciales" im oben dargestellten Sinn weit auszulegen, indem man hierunter sowohl die Elemente des Grundtatbestands als auch alle strafmodifizierenden Tatumstände faßt 362• e) Die Rechtswirkung des "unvermeidbaren" Tatbestandsirrtums Gemäß Art. 6 bis a Abs. 1 CP führt der unvermeidbare Tatbestandsirrtum "zum Ausschluß der strafrechtlichen Verantwortlichkeit". 358 Daß die Ergebnisse von einer solchen Einordnung abhängen können, zeigen die Beispiele von G6mez Ben(tez, Teorfa, S. 198 f. 3S9 Vgl. Schönke / Schröder / Cramer, § 16 Rdn. 2; siehe zudem Francke, JuS 1980,
172.
Siehe hierzu oben 2. Kapitel N 3 b. So Bacigalupo, in: Comentarios a la Legislaci6n Penal, S. 75, der dies jedoch für unschädlich hält, weil die Rechtsfolge - Bestrafung aus dem milderen Gesetz - bereits aus Art. 1 Abs.l und S.2 CP folgt; siehe zudem Mir Puig, in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S. 36 f. 362 Dahingehend auch Cerezo Mir, Curso I, 1985, S. 349. 360 361
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Auch nach § 16 StGB bleibt der Täter, der einen Tatumstand nicht kennt und dessen Irrtum nicht auf Fahrlässigkeit beruht, straffrei. Insofern besteht im Ergebnis kein Unterschied zwischen Art. 6 bis a CP und § 16 StGB. Gleichwohl ist die inhaltliche Aussage beider Regelungen nicht dieselbe: Nur § 16 Abs. 1 StGB behandelt in Satz 1 in negativer Formulierung einen Ausschnitt aus den Voraussetzungen des Vorsatzes, indem bestimmt wird, daß bei Unkenntnis von Tatumständen der Vorsatz ausgeschlossen ist 363 • Demgegenüber werden mit Art. 6 bis a Abs. 1 Satz 1 CP andere Akzente gesetzt. Die Vorschrift nennt lediglich das Endergebnis "Straffreiheit", ohne zu zeigen, an welchem Merkmal im Verbrechensaufbau die Strafbarkeit scheitert 364 • Zudem geht es bereits in diesem Teil der Irrtumsvorschrift - anders als in § 16 StGB, wo zwischen Unkenntnis (Abs. 1 S. 1) und Fahrlässigkeit (Abs. 1 S.2) differenziert wird - um die Rechtswirkung des sowohl unvorsätzlichen als auch unvermeidbaren Tatbestandsirrtums. Da Art. 6 bis a Abs. 2 CP aber die Frage der möglichen Bestrafung wegen Fahrlässigkeit regelt, wäre es sinnvoll gewesen, sich im ersten Satz derselben Vorschrift entsprechend § 16 Satz 1 StGB darauf zu beschränken, die Rechtswirkung des unvorsätzlichen Tatbestandsirrturns klar zu formulieren. f) Der "vermeidbare" Tatbestandsirrtum: Art. 6 bis a Abs. 2 CP
Die Rechtswirkung des Art. 6 bis a Abs. 1 CP, der ,,Ausschluß der strafrechtlichen Verantwortlichkeit", tritt nur bei Unvermeidbarkeit eines solchen Irrtums ein. Dagegen führt der vermeidbare Tatbestandsirrtum nach Art. 6 bis a Abs. 2 CP - gegebenenfalls 365 - zur Bestrafung aus dem entsprechenden Fahrlässigkeitsdelikt. Die Umstände, welche für die Frage der Vermeidbarkeit von Bedeutung sind, werden ebenfalls in Art. 6 bis a Abs. 2 CP genannt. Hiernach sollen insbesondere die Tatumstände und die Täterpersönlichkeit Berücksichtigung fmden und damit entscheidend dafür sein, ob der Täter wegen fahrlässiger Deliktsbegehung bestraft wird. Nach § 16 Abs. 1 S. 1 StGB schließt demgegenüber der Tatbestandsirrtum den Vorsatz ohne Rücksicht darauf aus, ob er vermeidbar oder unvermeidbar war. 363 Der deutsche Refonngesetzgeber war bemüht, die Rechtsfolgen bereits durch den Wortlaut klarzustellen, da diesen im Bereich der Notwehr und der Teilnahme besondere Bedeutung zukommt. Ein Überbleibsel der nicht differenzierenden Gesetzestechnik der §§ 51 ff. StGB a. F. ist lediglich § 33 StGB; zu dessen dogmatischen Einordnung vgl. Hirsch, LK, Vor § 32 Rdn. 192 m. w. N. 364 Eine Begründung für die unscharfe Fonnulierung gibt Perron, Rechtfertigung und Entschuldigung, S. 229. 365 Obwohl mit Art. 565 ff. CP dem spanischen Strafgesetzbuch ein offenes Fahrlässigkeitssystem zugrunde liegt, akzeptiert der Gesetzgeber hierdurch expressis verbis die von der spanischen Strafrechtsliteratur vorgenommenen Beschränkungen von Fahrlässigkeitstaten, siehe näher Bacigalupo, in: Comentarios a la Legislaci6n Penal, S. 77, mit Fn. 65, sowie Quintero Olivares / Munoz Conde, La refonna penal, S. 52 f.
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Die Verwendung des Begriffes "Venneidbarkeit" im Zusammenhang mit einer Vorschrift, welche den Tatbestandsirrtum zum Gegenstand hat, wirkt für den an die deutsche Strafrechtsdogmatik gewohnten Juristen unbefriedigend. Dieses Wort steht nach der Tenninologie des deutschen Strafgesetzbuches im engen Zusammenhang mit der in § 17 StGB behandelten Frage, wann ein Verbotsirrtum die Vorwerfbarkeit der Tatbestandsverwirklichung und damit die Schuld eines solchen HandeIns entfallen läßt. Im Kontext mit der Regelung über den Tatbestandsirrtum erscheint der Begriff hingegen sachfremd, da es bei Fehlen des Vorsatzes darum geht, ob die spezifischen Unrechts- und Schuldvoraussetzungen des fahrlässigen Delikts erfüllt sind 366. Warum die spanische Wortfassung in diesem Punkt von § 16 StGB abweicht, läßt sich nicht eindeutig ennitteln. Es drängt sich jedoch der Eindruck auf, daß es sich hierbei um ein Überbleibsel der bis zur Teilrefonn von 1983 in Spanien vorherrschend vertretenen Vorsatztheorie handelt: Auf dem Boden dieser Lehre wurde - wie dargelegt - lediglich zwischen venneidbarem und unvenneidbarem Tatbestands- oder Verbotsirrtum unterschieden, wobei beide Irrtumsarten gleichennaßen bei "Venneidbarkeit" zur Fahrlässigkeitsstrafe führten. Ob aufgrund dieser sachwidrigen Verwendung des Begriffs "Venneidbarkeit" und wegen weiterer fonnaler Ungenauigkeiten bei der Abfassung der spanischen Irrtumsregelung der Art. 6 bis a CP eine Deutung im Sinne der Vorsatztheorie erlaubt, wird noch näher zu prüfen sein.
4. Art. 6 bis a Abs. 3 CP im Vergleich zu § 17 StGB Wenn schon der für uns heute an sich unproblematische Tatbestandsirrtum im spanischen Recht zu Diskussionen Anlaß gibt, so sind mit der Vorschrift über den Verbotsirrtum im spanischen - ebenso wie im deutschen - Strafrecht um so tiefergreifende Probleme verbunden. Im folgenden gilt es, die spanische Verbotsirrtumsregelung vom Wortlaut ausgehend mit Blickrichtung auf § 17 StGB näher zu analysieren. a) ,,La creencia er6nea de estar obrando licitamente" (der irrige Glaube, rechtmäßig zu handeln) Während § 17 StGB für einen Schuldausschluß (Satz 1) oder für eine Schuldminderung (Satz 2) genügen läßt, daß dem Täter die Unrechtseinsicht fehlt, verlangt Art. 6 bis a Abs. 3 Satz 1 CP die irrige Annahme, rechtmäßig zu handeln. Der Unterschied zwischen beiden Fonnulierungen liegt darin, daß nur nach der 366 Auf einer anderen Ebene liegt das Problem, ob zur Beurteilung der Vermeidbarkeit auf diejenigen Fahrlässigkeitskriterien zurückgegriffen werden kann, welche die Schuldebene betreffen (so z. B. Jescheck, AT, S. 412 m. w. N.; anders hingegen die Rechtsprechung, die strengere Maßstäbe anlegt, vgl. etwa BGHSt. 4, 236).
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2. Kap.: Dogmatischer Teil
spanischen Fassung für die Beachtlichkeit eines Verbotsirrtums Voraussetzung ist, daß der Täter positiv annimmt, kein Unrecht zu tun. Dagegen werden die Rechtswirkungen des § 17 StGB nach seinem Wortlaut bereits dann ausgelöst, wenn der Täter sich bei der Tatbestandsverwirklichung keinerlei Vorstellungen über die Unrechtmäßigkeit seines Handeins macht 367 • Wie aus der Entstehungsgeschichte des § 17 StGB bekannt ist, war allerdings auch zunächst für die deutsche Verbotsirrtumsregelung die Auffassung vertreten worden, eine Schuldminderung oder gar ein Schuldausschluß seien nur dann gegeben, wenn der Täter positiv annehme, rechtmäßig zu handeln 368. Diese Meinung führte im E 1962 zu einer dem Art. 6 bis a Abs. 3 CP insoweit entsprechenden Formulierung 369 • Bei den spanischen Reformarbeiten dagegen scheint man sich nicht mit der hinter diesen unterschiedlichen Formulierungsvorschlägen stehenden Frage auseinandergesetzt zu haben, ob die fehlende Vorstellung, Unrecht zu tun, bereits zur Verminderung der Schuld führt oder nicht. Denn weder in den Materialien zum E 1980 oder zum Teilreformgesetz von 1983 noch in der hieran anknüpfenden Diskussion finden sich dazu Stellungnahmen. Daher liegt die Vermutung nahe, daß auch mit Art. 6 bis a Abs. 3 S. 1 CP keine sachliche Abweichung von der im geltenden deutschen Strafrecht normierten Verbotsirrtumsregelung beabsichtigt war, sondern es sich lediglich um eine terminologische Ungenauigkeit handelt, die bei der schnellen Abfassung des Vorentwurfs von 1979 ungewollt entstanden ist. Für diese Vermutung spricht, daß die mit der Ausarbeitung des Vorentwurfs von 1979 betrauten Mitglieder der 4. Strafrechtsabteilung als selbstverständlich davon ausgegangen waren, auch die bloße Unkenntnis solle zu den in Art. 6 bis a Abs. 3 S. 1 CP genannten Rechtsfolgen führen 370 • Die spanische Formulierung "irrige Annahme" in Art. 6 bis a Abs. 3 S. 1 CP läßt ebenso wie die deutsche ("fehlt die Einsicht ... ") offen, ob ein Verbotsirrtum auch dann (schon) vorliegt, wenn der Täter an der Rechtmäßigkeit seines Handelns lediglich zweifelt. Während die deutschen Strafrechtsdogmatiker sich zunehmend mit der Frage nach dem Inhalt des Unrechtsbewußtseins und seiner Abgrenzung in den Grauzonen gerade unter dem Blickwinkel des Unrechtszweifels und des bedingten Unrechtsbewußtseins beschäftigen 371, hat sich die entspre367 Auf diesen Unterschied zwischen der deutschen und der spanischen Irrtumsregelung weist auch leseheck, in: Estudios penales vrn, 1985, S.56, hin. Zur ähnlichen Problematik beim Tatbestandsirrtum siehe oben 2. Kapitel Anm. 337. 368 Vgl. Begründung zum E 1962, S. 135. 369 § 21 E 1962 lautete: "Wer irrig annimmt, kein Unrecht zu tun ... ". 370 So Cerezo Mir, nach mündlicher Auskunft. 371 Vgl. etwa Rudolphi, Unrechtsbewußtsein, S. 31 ff., 118 ff; Roxin, in: DeutschSpanisches Strafrechtskolloquium, S. 85 ff.; Warda, in: Festschrift für Welzel, S. 459 ff. Dabei wird überzeugend eine entsprechende Anwendung der beim Vorsatz geltenden Regeln befürwortet, um das Unrechtsbewußtsein vom Verbotsirrtum abzugrenzen; vgl. auch die Nachweise bei leseheck, AT, S. 409. A. A. aber Stratenwerth, AT I, Rdn. 586, der in diametralem Gegensatz zu Art. 6 bis a Abs. 3 CP Unrechtsbewußtsein nur bei Kenntnis bejahen will.
D. Tatbestands- und Verbotsirrtum nach der Teilreform von 1983
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chende Diskussion unter den spanischen Fachvertretern jedoch noch nicht so weit entwickelt. Bacigalupo allerdings hat dieses Problem in Spanien etwas näher beleuchtet 372 • Er ist der Ansicht, der bloße Unrechtszweifellasse das Unrechtsbewußtsein bestehen, so daß der Weg zu Art. 6 bis a Abs.3 CP versperrt sei. Dennoch sei bei Unvermeidbarkeit, also wenn die Zweifel auch bei aller erforderlichen Sorgfalt nicht hätten ausgeräumt werden können, eine Strafmilderung geboten. Hierfür will er Art. 9 Nr. 1 CP, den Milderungsgrund für die sogenannten unvollständigen Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe, analog heranziehen. So gelangt er zur Strafmilderungsvorschrift des Art. 66 CP und damit zu der Vorschrift, auf welche auch Art. 6 bis a Abs. 3 CP verweist 373 • b) Die Rechtswirkung des unvermeidbaren Verbotsirrturns In Übereinstimmung mit § 17 StGB knüpft auch der spanische Gesetzgeber in Art. 6 bis a Abs. 3 CP an den vermeidbaren und den unvermeidbaren Verbotsirrtum unterschiedliche Rechtswirkungen. Gemäß Art. 6 bis a Abs. 3 S. 1 CP soll der unvermeidbare irrige Glaube, rechtmäßig zu handeln, "die strafrechtliche Verantwortlichkeit" ausschließen. Anders als in § 17 S. 1 StGB, wonach bei einem derartigen Irrtum bereits nach dem Wortlaut dieser Vorschrift die Schuld des Täters ausgeschlossen ist, läßt sich diese Rechtswirkung nicht unmittelbar der in Art. 6 bis a Abs. 3 S. 1 CP gewählten Formulierung entnehmen. Vielmehr arbeitet der spanische Gesetzgeber - wie schon bei der Beschreibung der Rechtswirkungen eines (unvermeidbaren) Tatbestandsirrtums 374 - mit einer, unter dogmatischen Gesichtspunkten betrachtet, unscharfen Terminologie. Da sich aus Art. 6 bis a Abs. 3 S. 1 CP nicht ergibt, ob ein derartiger Irrtum den Vorsatz oder erst die Schuld des Täters ausschließt, wird daraus für sich allein betrachtet auch nicht deutlich, daß sich der spanische Gesetzgeber mit der Verbotsirrtumsvorschrift zur Schuldtheorie bekennen wollte. Dies führt dazu, daß in der spanischen Strafrechtswissenschaft neben anderen Argumenten die offene Formulierung dafür herangezogen wird, auch de lege lata weiterhin an der Vorsatztheorie festzuhalten. 375 Des weiteren enthält die spanische Verbotsirrtumsnorm, ebenso wie die deutsche, keine Entscheidungshilfen für die Auslegung des Rechtsbegriffs "Unvermeidbarkeit". Obwohl der spanische Gesetzgeber in Art. 6 bis a Abs. 2 CP für 372 Vgl. Bacigalupo, in: Comentarios a la Legislaci6n Penal, S.82; ders., Manual, S.154. 373 Auch in der deutschen Strafrechtslehre wird die Ansicht vertreten, es sei eine Strafmilderung geboten, wenn der Täter hinsichtlich des Unrechts zweifelt, vgl. die Nachweise bei lescheck, AT, S. 409 Fn. 11; siehe zudem Roxin, in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S. 85 f. Zur Bedeutung von Art. 9 Nr. 1 CP siehe bereits oben 2. Kapitel C II 2 mit Anm. 253. 374 Siehe oben 2. Kapitel D IV 3 f. 375 Näher hierzu unten 2. Kapitel IV 4 c bb).
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2. Kap.: Dogmatischer Teil
die Beurteilung der "Venneidbarkeit" eines Tatbestandsirrtums dem Gesetzesanwender Kriterien nennt, indem er bestimmt, daß hierfür die Tatumstände und die Person des Täters von Bedeutung sind, lassen sich diese Grundsätze nicht ohne weiteres auf Art. 6 bis a Abs. 3 CP übertragen. Es ist nämlich gerade zweifelhaft und in der deutschen Strafrechtsliteratur auch äußerst umstritten, ob der Inhalt der die Schuld betreffenden Venneidbarkeit beim Verbotsirrtum mit den Fahrlässigkeitsvoraussetzungen ausgefüllt werden kann 376 • In der jüngeren spanischen Strafrechtsdiskussion wird für die Beantwortung der Frage, wann ein Verbotsirrtum als venneidbar anzusehen ist, teilweise auf dementsprechende Ausführungen deutscher Autoren - wenn auch kritisch - Bezug genommen 377. Da bis vor kurzem in der Rechtsprechung die Vorsatztheorie vertreten wurde und man nach dieser Irrtumslehre sowohl beim venneidbaren Tatbestands- als auch beim venneidbaren Verbotsirrtum lediglich die Fahrlässigkeitsvoraussetzungen prüfte 378, dürfte der Tribunal Supremo beide Begriffe identisch verwenden. c) Der venneidbare Verbotsirrtum: Art. 6 bis a Abs. 3 S. 2 CP Gerade Art. 6 bis a Abs. 3 S.2 CP, wonach der venneidbare Verbotsirrtum über Art. 66 CP zu einer obligatorischen Strafmilderung führt, wird in der spanischen Strafrechtslehre vielfach diskutiert 379. Dabei werden Einwände gegen diese Regelung vorgebracht, die auf drei Hauptkritikpunkten beruhen. So wird angeführt, eine zwingende Strafmilderung beim venneidbaren Verbotsirrtum könne zu sachwidrigen Ergebnissen führen, die in Art. 6 Abs. 3 S. 2 CP festgeschriebene Rechtsfolge stehe im Widerspruch zu den Grundsätzen der Schuldtheorie 380, und es wird teilweise behauptet, Art. 6 bis a Abs. 3 S. 2 CP könne seinem Wortlaut nach auch im Sinne der Vorsatztheorie interpretiert werden 381 •
376 Die Rechtsprechung legt hier einen weitaus strengeren Maßstab an (siehe bereits oben 2. Kapitel Anm. 366), während die wohl h. L. die Ubertragung der Fahrlässigkeitskriterien befürwortet (siehe die Nachweise bei Jescheck, AT, S.412 Fn. 24). Wohl weitergehend will Roxin (in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S. 83 ff.; siehe hierzu auch die Synthese von Jescheck, ebenda, S. 286) den Begriff der Vermeidbarkeit durch den der ,,Entschuldbarkeit" ersetzen und § 17 S. 1 StGB immer dann anwenden, wenn dies "präventiv irgendwie vertretbar ist" (siehe ebenda, S. 85). 377 Vgl. Bacigalupo, in: Comentarios a la Legislaci6n Penal, S. 83 ff.; Cobos Gomez de Linares, Presupuestos, S. 174 ff.; Gimbernat Ordeig, in: Festschrift für Henkel, S. 165; Mir Puig, in: Festschrift für Jescheck, S. 348 ff. 378 Siehe hierzu Gomez Benitez, Teorfa, S.488. 379 Einen Überblick gibt Munoz Conde, EI error en Derecho Penal, S. 46 ff. 380 So insbesondere Bacigalupo, in: Comentarios a la Legislaci6n Penal, S. 62 ff.; ders., RDFD Nr. 6, monogratico, 1983, S. 53, sowie Rodrfguez Mourullo, in: La reforma penal y penitenciaria, S.25; dahingehend auch Torfo LOpez, in: La reforma penal y penitenciaria, S. 259, wobei die beiden Letztgenannten sich auf die Vorgängervorschrift von Art. 6 bis a CP im E 1980 beziehen.
D. Tatbestands- und Verbotsirrtum nach der Teilreform von 1983
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00) Obligatorische Strafmilderung
Mit der "obligatorischen Strafmilderung" weicht die Rechtsfolge, die der spanische Gesetzgeber an den vermeidbaren Verbotsirrtum geknüpft hat, von der in § 17 S. 2 StGB vorgesehenen fakultativen Strafmilderung ab. Obwohl auch bei den deutschen Reformberatungen für das 2. Strafrechtsreformgesetz eine weitergehende Strafmilderung gefordert worden war, hatte sich diese beim deutschen Gesetzgeber nicht durchsetzen können 382• Der hier zuerst genannte Kritikpunkt steht in engem Zusammenhang mit dem zweiten, nämlich dem Vorwurf, die Regelung würde der Schuldtheorie zuwiderlaufen. Denn beide Einwände setzen voraus, daß es Fälle gibt, in welchen der vermeidbare Verbotsirrtum im Schuldgehalt der vollen Unrechtskenntnis entspricht. Nur unter Zugrundelegung dieser Prämisse wäre es berechtigt zu sagen, die obligatorische Strafmilderung führe teilweise zu unbilligen Ergebnissen, die im Widerspruch zu den von den Vertretern der Schuldtheorie entwickkelten Grundsätzen stünden. Erörterungswürdig ist diese Frage insbesondere im Hinblick auf die schon früher in der deutschen Rechtsprechung und Lehre diskutierten Fälle der Rechtsfeindschaft, Rechtsblindheit oder der Gleichgültigkeit gegenüber dem Recht sowie die des leicht vermeidbaren Verbotsirrtums 383. Mit besonderer Blickrichtung gerade auf den leicht vermeidbaren Verbotsirrtum wird in der jüngeren spanischen Strafrechtsliteratur vielfach die Ansicht vertreten, die Milderung der Regelstrafe sei hier unangemessen 384 • Interessant ist, wie diese Auffassung teilweise untermauert wird. Man verweist auf § 17 StGB, der in seinem Satz 2 die Schuldtheorie normiert, und folgert aus dieser Regelung, daß auch nur die hierin bestimmte fakultative Strafmilderung mit den Grundsätzen der Schuldtheorie übereinstimme 385. 381 Hauptvertreter dieser Ansicht ist Mir Puig, in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S. 37 ff., 41; ders., PG, S. 547 ff. Dahingehend auch Bacigalupo, in: Comentarios a la Legislaci6n Penal, S. 64, der jedoch gleichzeitig einschränkend hinzufügt, die Absicht des Gesetzgebers sei gewesen, die Rechtswirkungen beim Verbotsirrtum i. S. d. Schuldtheorie zu regeln. 382 Siehe Lange, Niederschriften 11, S. 37, der hier eine "in der Regel"-Formulierung fordert. Darauf, daß ein vermeidbarer Verbotsirrtum regelmäßig zu einer Schuldminderung führt, weisen - gerade mit Blickrichtung auf die spanische Verbotsirrtumsvorschrift - auch Hirsch (in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S. 52 mit Fn. 19) und Roxin (in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S. 82) hin. Vgl. zudem Warda, ZStW 71 (1959), S. 252 ff., der die nur fakultative Strafmilderung beim vermeidbaren Verbotsirrtum sogar für verfassungswidrig hält (vgl. dazu aber BVerfGE 41, 121). 383 In diesen Fällen wollte auch Mezger als Hauptvertreter der Vorsatztheorie, vorsätzliches Handeln bejahen; vgl. Mezger, LK, 8. Aufl., § 59 Anm. 17 III d; ders., NJW 1951,500, 503; dageg~n: Welzel, NJW 1951, 160 f., 577; siehe bereits oben 2. Kapitel mit Anm. 298. Diese Uberlegungen haben zur fakultativen Strafmilderung in § 17 S. 2 StGB geführt; vgl. Begründung E 1962, S. 135; BT-Drucks. V /4095. 384 Vgl. statt aller Bacigalupo, in: Comentarios a la Legislaci6n Penal, S. 62. 385 So insbesondere die Argumentationsführung von Bacigalupo, in: Comentarios a la Legislaci6n Penal, S. 57 ff.
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2. Kap.: Dogmatischer Teil
Diese Argumentationsweise beruht indes auf einem Zirkelschluß. Es wird eine Gesetzesvorschrift, hier § 17 StGB, herangezogen, um die Antwort auf eine dogmatische Frage zu finden, ohne dabei zu berücksichtigen, daß möglicherweise in dem Punkt der "Kann-Strafmilderung" das Gesetz die dogmatische Diskussion nur unvollkommen widerspiegelt. Im Hinblick auf diesen Teil der Verbotsirrtumsproblematik ist das aber gerade der Fall. Es wird nämlich von Vertretern der Schuldtheorie in Deutschland zu Recht als ein Mangel der gesetzlichen Regelung des vermeidbaren Verbots irrtums angesehen, daß der deutsche Reformgesetzgeber sich mit dieser Vorschrift gegen eine regelmäßige Strafmilderung beim vermeidbaren Verbotsirrtum ausgesprochen hat. Eine derartige Regelung laufe der Schuldtheorie gerade zuwider, da bereits das fehlende Unrechtsbewußtsein als solches zur Schuldminderung führe, und zwar unabhängig von der Frage, ob der Täter anders hätte handeln können 386 . Auch bei einem leicht vermeidbaren Verbotsirrtum handele der Täter zumindest seiner Vorstellung nach rechtmäßig, wodurch die Fähigkeit, sich normgerecht zu verhalten und damit die Schuld gemindert sej387. Aus diesem Grund weist Hirsch auch in jüngerer Zeit nochmals darauf hin, de lege ferenda sei im deutschen Recht an eine obligatorische Strafmilderung beim vermeidbaren Verbotsirrtum zu denken, oder es müsse zumindest aus dem Gesetz hervorgehen, daß die Milderung der Strafe den Regelfall darstelle 388 . Aber nicht nur dogmatische, sondern auch praktische Überlegungen sprechen gerade im spanischen Strafrecht für die obligatorische Strafmilderung: Bei einer bloßen ,,Kann-Regelung" hätte befürchtet werden müssen, daß die Vorschrift über den vermeidbaren Verbotsirrtum, nach der für den Normalfall eine Strafmilderung intendiert ist, durch die Judikatur ausgehöhlt worden wäre 389. Diese Vermutung liegt deshalb nahe, weil nach der Teilreform von 1983 große Schwierigkeiten bestanden, die Irrtumsvorschrift insgesamt in der Praxis durchzusetzen 390, wodurch deutlich wird, daß die höchstrichterliche Judikatur zumindest anfänglich versucht war, an traditionellen Denkschemata festzuhalten. Bei einer fakultativen Strafmilderung hätten die Gerichte sogar die Möglichkeit gehabt, zu dem alten Grundsatz "error iuris criminalis nocet" zurückzukehren, indem sie an die Unvermeidbarkeit eines Verbotsirrturns extrem hohe Anforderungen ge386 Vgl. Roxin, in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S. 82 f., der zu dem Schluß kommt, daß hier "der spanische Gesetzgeber klüger war als der deutsche" (vgl. S.85). 387 Vgl. Cerezo Mir, in: Gedächtnisschrift für Armin Kaufmann, S. 478, unter Hinweis auf die auch in diese Richtung verlaufende Diskussion beim Deutsch-Spanischen Strafrechtskolloquium 1986 in Köln (vgl. hierzu zudem die Synthese von Cerezo Mir, in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S. 275). 388 Vgl. Hirsch, in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S.52. 389 So Cerezo Mir, in: Gedächtnisschrift für Armin Kaufmann, S.478. 390 Zur Haltung des TS nach Einführung des Art. 6 bis a CP siehe Cerezo Mir, La Ley Nr. 1919, 1988, S. 5 f.
D. Tatbestands- und Verbotsirrtum nach der Teilreform von 1983
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stellt und von der Strafmilderung des Art. 6 bis a Abs. 3 S. 2 CP keinen Gebrauch gemacht hätten 391. Als Zwischenergebnis läßt sich somit festhalten, daß die spanische Regelung des vermeidbaren Verbotsirrtums durch die obligatorische Strafmilderung in Art. 66 CP die Schuldtheorie nicht nur konsequenter umsetzt als § 17 S. 2 StOB mit der hier vorgesehenen fakultativen Milderung der Regelstrafe, sondern daß in Spanien darüber hinaus auch praktische Erwägungen für diese Lösung sprechen. Gleichwohl ist davon auszugehen, daß solche Überlegungen nicht zu der von § 17 S. 2 StGB abweichenden Ausgestaltung der spanischen Verbotsirrtumsregelung geführt haben. Der Grund liegt vielmehr in dem unterschiedlichen historischen Ursprung von § 17 S. 2 StGB einerseits und Art. 6 bis a Abs. 3 S. 2 CP andererseits 392• In beiden Rechtsordnungen hatte man vor Einführung einer Irrtumsvorschrift ins Strafgesetzbuch versucht, die Fälle des vermeidbaren Verbotsirrtums durch eine analoge Anwendung der Regelung über die vorübergehende Bewußtseinsstörung einer Lösung zuzuführen 393. Während aber § 51 Abs. 2 StGB a. F. nach § 44 StGB a. F. lediglich zu einer fakultativen Strafmilderung führte, bewirkte Art. 8 Nr. 1 CP über Art. 9 Nr. 1 CP i. V. m. Art. 66 CP eine obligatorische Strafmilderung. Da Art. 6 bis a Abs. 3 CP auf diesem von Cerezo früher vertretenen Lösungsvorschlag einer analogen Anwendung des gesetzlich geregelten Spezialfalls eines Irrtums über das Verbotensein der Tat beruht, wird auch hier auf Art. 66 CP, die "Kann-Milderungs-Regel", verwiesen 394•
bb) Vorsatz- oder Schuldtheorie? Bei dem zuletzt genannten Kritikpunkt, Art. 6 bis a Abs. 3 S. 2 CP könne im Sinne der Vorsatztheorie interpretiert werden, geht es um ein dogmatisches Problem, das nur geringe praktische Bedeutung hat. Die durch Art. 6 bis a Abs. 3 i. V. m. Art. 66 CP festgelegte Strafe bleibt immer dieselbe, unabhängig davon, ob mit dieser Vorschrift die Schuld- oder die Vorsatztheorie festgeschrieben wurde, da in jedem Fall der Strafrahmen der entsprechenden Vorsatztat um zwei Grade herabgesetzt wird 39s • Gleichwohl stößt die Frage, ob Art. 6 bis a Abs. 3 S.2 CP auf dem Boden der Vorsatztheorie interpretierbar ist, in der jüngeren spanischen Strafrechtswissenschaft auf ganz besonderes Interesse 396• Vgl. Cerezo Mir, in: Gedächtnisschrift für Armin Kaufmann, S. 478. Siehe Cerezo Mir, La Ley Nr. 1919, 1988, S. 5; ders., in: Gedächtnisschrift für Armin Kaufmann, S. 474 ff. 393 Siehe oben 2. Kapitel C 11 2. 394 So die Erklärung von Cerezo Mir, La Ley Nr.1919, 1988, S. 4 f.; ders., in: Gedächtnisschrift für Armin Kaufmann, S. 477. 395 Der Erschwerungsgrund des Rückfalls (Art. 10 Nr. 15 CP) kann allerdings nur bei einer Vorsatztat Berücksichtigung fmden; siehe hierzu Bacigalupo, in: Comentarios a la Legislaci6n Penal, S. 75. 396 Vgl. Munoz Conde, EI error en Derecho Penal, S. 42 ff. mit zahlreichen Nachweisen. 391
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2. Kap.: Dogmatischer Teil
Dabei geht man zu Recht von der Prämisse aus, daß der Gesetzgeber mit der Abfassung des ersten Satzes von Art. 6 bis a Abs. 3 CP den Streit zwischen Schuld- und Vorsatztheorie auch de lege lata nicht gelöst hat 397 • Dem Wortlaut dieser Regelung ist nämlich nicht zu entnehmen, ob ein Verbotsirrtum bereits den Tatvorsatz oder erst die Vorwerfbarkeit eines tatbestandsmäßigen Verhaltens entfallen läßt 398 • Die Frage, ob Art. 6 bis a Abs. 3 S. 2 CP eine Auslegung auf dem Boden der Vorsatztheorie erlaubt, wird uneinheitlich beantwortet 399 • Nach der heute herrschenden Lehre in Spanien kann die Vorsatztheorie nach Einführung der Irrtumsvorschrift in den C6digo Penal nicht mehr vertreten werden. Über Abs. 3 des Art. 6 bis a CP habe vielmehr die Schuldtheorie Eingang gefunden, wodurch der Schulenstreit de lege lata zugunsten dieser Irrtumslehre entschieden worden sei 400 • Als Hauptargument wird angeführt, daß die an Art. 6 bis a Abs. 3 S. 2 CP i. V. m. Art. 66 CP knüpfende Strafmilderung der Vorsatztat nur mit der Schuldtheorie in Einklang gebracht werden könne 401 • Die Gegenposition wird besonders vehement von Mir Puig bezogen. Er ist der Ansicht, es könne im spanischen Strafrecht weiterhin die Vorsatztheorie vertreten werden. Art. 6 bis a Abs. 3 CP lasse den Schulenstreit zwischen Schuldund Vorsatztheorie unentschieden 402 • Der Art. 66 CP, auf den Art. 6 bis a Abs. 3 S. 2 CP verweist, stelle eine reine Strafzumessungsregel dar, die nichts darüber 397 Dahingehend Mir Puig, PG, S. 538 Fn. 4, der hier betont, der deutsche Gesetzgeber habe dagegen durch die Fonnulierung in § 17 S. 1 StGB ,,handelt ohne Schuld" der Schuldtheorie ins Gesetz Eingang verschafft. 398 Der deutsche Refonngesetzgeber hat sich durch eine eindeutige Fonnulierung bewußt für die Schuldtheorie entschieden; so die Begründung zum E 1962, S. 135. Für die h. L. siehe Lackner, § 17 Anm. 1. 399 Siehe den Überblick von MuflOz Conde, EI error en Derecho Penal, S. 42 ff. 400 Vgl. Cerezo Mir, ADPCP 1985, S. 272 ff.; Cobos Gomez de Linares, Presupuestos, S. 231; Diez Ripolles, JZ 1984,561; Gomez Benitez, Teorfa, S. 44; Huerta Tocildo, CPC Nr. 12, 1980, S. 35 ff.; Luzon Peiia, La Ley Nr. 2318,1989, S. 1; Maqueda Abreu, CPC Nr.21, 1983, S. 700 f.; Octavio de Toledo I Huerta Tocildo, PG 11, S.59; Rodriguez Ramos, La Ley Nr. 5,1980, S. 1073; Romeo Casabona, ADPCP 1981, S. 740 ff.; Zugaldia Espinar, CPC Nr. 15, 1981, S. 514. Dabei beziehen die genannten Autoren teilweise ihre Ausführungen auf die Vorgängervorschrift im E 1980. Sogar Torio Lopez (in: Refonnas penales, S. 249 ff.), als Anhänger der Vorsatztheorie und Beftirworter einer Rechtsfahrlässigkeitslösung, stellt fest, daß mit Art. 6 bis a Abs. 3 S. 2 CP die Schuldtheorie festgeschrieben sei. 401 Dahingehend Luzon Peiia, La Ley Nr. 2318, 1989, S. 1. 402 Vgl. Mir Puig, PG, S. 547 ff.; ders., in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S. 37 ff.; so auch Cobo dei Rosall Vives Anton, PG, 1990, S. 514; Rodriguez Devesa I Serrano Gomez, PG, S. 364. Vgl. zudem Quintero Olivares I Muiioz Conde (La refonna penal, S. 54 f.), die hier aber - anders als erstgenannte Autoren - die Ansicht vertreten, die Regelung weise eher Bezüge zur Schuldtheorie auf. So kommt Muiioz Conde, EI error, S. 45 ff., zu seiner Konstruktion, bei der er die Voraussetzungen der Vorsatztheorie - aktuelles Unrechtsbewußtsein - akzeptiert und die Rechtsfolgen - Vorsatzstrafe - dann der Schuldtheorie entnimmt (siehe auch oben 2. Kapitel Anm. 315).
D. Tatbestands- und Verbotsirrtum nach der Teilrefonn von 1983
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aussage, ob das im venneidbaren Verbotsirrtum begangene Delikt eine Vorsatzoder Fahrlässigkeitstat sei 403. Somit erlaube auch dieser Teil der Irrtumsregelung eine Interpretation sowohl im Sinne der Schuld- als auch der Vorsatztheorie. Dabei ist Mir allerdings der Ansicht, der wissenschaftliche Meinungsstand vor der Refonn und die Tatsache, daß gerade Vertreter der Vorsatztheorie entscheidend am Wortlaut dieser Vorschrift mitgewirkt haben, spreche dafür, daß hier von der Vorsatztheorie als dogmatischem Grundkonzept ausgegangen worden sei 404. Der Art. 6 bis a Abs.3 S.2 CP stelle eine gesetzliche Regelung der sogenannten Rechtsfahrlässigkeit dar 4OS • Diese Lösung sei - so die Auffassung von Mir Puig - auch sachgerecht, da nur die Vorsatztheorie zu kriminalpolitisch wünschenswerten Ergebnissen führe 406 • Die Beantwortung der Frage, inwieweit Art. 6 bis a Abs. 3 CP eine Deutung im Sinne der Vorsatztheorie erlaubt, hängt damit entscheidend davon ab, ob diese Vorschrift - wie insbesondere Mir Puig meint - als Rechtsfahrlässigkeitsregelung angesehen werden kann. Voraussetzung hierfür wäre, daß die in Art. 6 bis a Abs. 3 S. 2 CP i. V. m. Art. 66 CP angeordnete Strafmilderung gleichzeitig den Deliktscharakter der Tat zu verändern vennag, und zwar die vorsätzliche in eine fahrlässige Tat. Dies erscheint bereits aus dogmatischen Gründen zweifelhaft 407. Doch auch wenn man diese außer acht ließe, sprächen sachlogische Argumente sowie die Entstehungsgeschichte der spanischen Verbotsirrtumsregelung gegen die Einordnung von Art. 6 bis a Abs. 3 Satz 2 CP als allgemeine Rechtsfahrlässigkeitsklausel: Eine Vorschrift für die sogenannte culpa iuris hätte im heute geltenden spanischen Strafgesetzbuch keinen Sinn 408 • Der C6digo Penal enthält auch nach der Teilrefonn von 1983 ein "offenes" Fahrlässigkeitssystem, so daß sowohl die Tatsachen- als auch die Rechtsfahrlässigkeit sich nach den allgemeinen Fahrlässigkeitsvorschriften, Art. 565 Nr. 3, 586 und 600 CP, zu richten hätte 409 ; dies insbesondere deshalb, weil nach den Grundsätzen der Vorsatztheorie der Tatbestandsirrtum und und der Verbotsirrtum gleichbehandelt 403
S.38.
Vgl. Mir Puig. PG, S. 548; ders .• in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium,
404 Vgl. Mir Puig, in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S.47; ders .• PG, S.548. 405 Siehe Mir Puig. in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S. 39; dahingehend auch Cobo dei Rosal / Vives Anton, PG, 1990, S. 514; vgl. zudem die schon früher von Tor{o vorgeschlagene Rechtsfahrlässigkeitslösung (siehe dazu oben 2. Kapitel D III 3 b). 406 Mir Puig. in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S. 41, begründete seine Auffassung zudem mit der Verwendung des Wortes ,,malicia" (Böswilligkeit) in den Fahrlässigkeitsvorschriften. Insoweit ist seiner Argumentation indes der Boden entzogen, da dieser Begriff in Art. 565 CP vom Gesetzgeber durch das Wort "dolo" (Vorsatz) ersetzt wurde (s. hierzu bereits oben 2. Kapitel C 11 I mit Anm. 250). 407 Vgl. Roxin. in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S. 81 f. 408 So Munoz Conde. EI error en Derecho Penal, S.78 Fn. 30. 409 Vgl. Cerezo Mir, Curso I, 1985, S.345; ders .• in: Gedächtnisschrift für Armin Kaufmann, S. 480 f.
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2. Kap.: Dogmatischer Teil
werden sollen 410. Eine getrennte Normierung der beiden Irrtumsfälle mit den jeweiligen Rechtsfolgen entspricht vielmehr der Schuldtheorie 411. Wenn nunmehr Mir gegenüber dieser Kritik einwendet, eine unterschiedliche Handhabung von Tatsachen- und Rechtsfahrlässigkeit sei aus kriminalpolitischen Erwägungen gerechtfertigt412, so nähert er sich auch mit seiner Argumentation derjenigen an, mit der die Schuldtheorie vertreten wird 413 . Zudem spricht gerade die Entstehungsgeschichte der Verbotsirrtumsregelung - anders als Mir meint - gegen eine Auslegung des Art. 6 bis a Abs. 3 S.2 CP i. V. m. Art. 66 CP als allgemeine Rechtsfahrlässigkeitsklausel. Aus kriminalpolitischen Erwägungen war damals einstimmig beschlossen worden, eine Regelung auf der Grundlage der Schuldtheorie zu schaffen 414. Die höchstrichterliche Judikatur fand trotz der eindeutigen Intention des Gesetzgebers zu keiner einheitlichen Haltung. Nach der Teilreform von 1983 wurde etwa noch ein Jahr lang traditionell im Sinne der Vorsatztheorie entschieden, ohne daß die neue Irrtumsregelung überhaupt Erwähnung fand 415. Ein Wandel zeichnete sich ab, seit in einigen Urteilen die Regelung über den Verbotsirrtum wenigstens zur Kenntnis genommen, dann aber ohne Erklärung im Sinne der Vorsatztheorie ausgelegt wurde 416. Das Grundsatzurteil vom 1.2.1986 417 brach mit dieser Rechtspraxis. Zum ersten Mal bekannte sich darin auch der Tribunal Supremo ausdrücklich zur Schuldtheorie und deutete Art. 6 bis a Abs. 3 CP auf der Grundlage dieser Irrtumslehre. Indes bleibt offen, ob die Schuldtheorie damit endgültig in der Rechtsprechung Anerkennung gefunden hat. In späteren Urteilen kehrte der Tribunal Supremo nämlich teilweise zu seiner alten Rechtsprechung zurück, indem er Art. 6 bis a Abs. 3 CP, wiederum ohne Erklärung, im Sinne der Vorsatztheorie auslegte 418 . Dies ist nur möglich, wenn man, wie Mir Puig, Art. 6 bis a Abs. 3 S. 2 CP als Regelung der "culpa iuris" ansehen würde, was aber - wie aufgezeigt - de lege lata nicht überzeugend erscheint. 410 Vgl. Schönke / Schröder, 17. Aufl., 1974, § 59 Rdn. 82. 411 Siehe Wessels, AT, S. 130; dahingehend auch Cerezo Mir, in: Gedächtnisschrift für Armin Kaufmann, S. 480 f. 412 Siehe Mir Puig, in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S. 38, 41. 413 Denn gerade die Schuldtheorie basiert auf dem Gedanken, daß eine Gleichbehandlung von Tatsachen- und Rechtsfahrlässigkeit auch kriminalpolitisch nicht gerechtfertigt sei; vgl. schon Welzel, SJZ 1948, Sp. 368 ff. 414 So das Komrnissionsmitglied Cerezo Mir (in: Gedächtnisschrift für Armin Kaufmann, S. 474 ff., 479), gegen Mir Puig. Zur Entstehungsgeschichte siehe zudem oben 2. Kapitel D 11. 415 Vgl. die Urteile des TS vom 19.10.1983 (A. 4764), 17.11.1983 (A. 5505), 30. 11.1983 (A. 5970). 416 Siehe die Urteile des TS vom 1.2. 1984(A. 700), 29.6.1985 (A. 3085),14.12.1985 (A. 6264). 417 A. 552. 418 Vgl. die Urteile vom 15.3.1986 (A. 1645),3.11.1986 (A. 6237), 7.7.1987 (A. 5286). Zur jüngsten Entwicklung in der spanischen Rechtsprechung siehe zudem Cerezo Mir, in: Gedächtnisschrift für Armin Kaufmann, S. 482 m. w. N.
D. Tatbestands- und Verbotsirrtum nach der Teilreform von 1983
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Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, daß sich im spanischen Strafrecht nach Einführung des Art. 6 bis a Abs. 3 CP de lege lata die Vorsatztheorie kaum noch mit der Verbotsirrtumsregelung vereinbaren läßt. Im C6digo Penal ist vielmehr - ebenso wie im deutschen Strafgesetzbuch - der Streit der Irrtumslehren nun im Rahmen der Reform zugunsten der Schuldtheorie entschieden worden. V. Grenzfälle zwischen Tatbestands- und Verbotsirrtum
1. Irrtum über einen rechtfertigenden Sachverhalt Im Rahmen der Teilreform von 1983, genauso wie im E 1980 und dem VE 1983, hat der spanische Gesetzgeber bewußt auf eine gesetzliche Regelung des Irrtums über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes verzichtet 419 • Diese Entscheidung steht im Einklang mit dem deutschen Recht, in dem bei der Reform von 1975 von einer ausdrücklichen gesetzlichen Normierung dieser Irrtumsalternative Abstand genommen wurde, um die weitere wissenschaftliche Diskussion nicht abzuschneiden 420 • So hat auch Cerezo im Rahmen der spanischen Reformarbeiten auf diesen Weg, den der deutsche Reformgesetzgeber gewählt hat, hingewiesen und gleichzeitig betont, man habe damit in Deutschland positive Erfahrungen gemacht 421 • Daher erhebt sich im spanischen - wie im deutschen - Strafrecht die Frage, welche Behandlung ein derartiger Irrtum über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes zu erfahren hat. Zweifelhaft ist, ob eine solche Fehlvorstellung in die Kategorie des Tatbestandsirrtums oder des Verbotsirrtums fällt oder einen Irrtum "sui generis" darstellt 422 • Um die in Spanien heute vorherrschende Meinung richtig einordnen zu können, gilt es zunächst einen Überblick über die Auffassungen zu geben, welche im alten Recht zu diesem Problemkreis in der spanischen Lehre und höchstrichterlichen Rechtsprechung vertreten worden waren.
Anders etwa § 8 österreichisches StGB. Vgl. BT-Drucks. V 4095, S. 9; siehe zudem Schroeder, LK, Vor § 15 Rdn. 4 und § 16 Rdn. 52, der dies aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten für bedenklich hält. 421 Siehe Cerezo Mir, Problemas fundamentales, S. 305. 422 Der Streit zwischen Vorsatz- und Schuldtheorie hat sich in Deutschland auf diesen "Teilkriegsschauplatz" (Hirsch, in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium, S. 50) verlagert und dort, im Bemühen um eine vermittelnde Position, zu einer Vielzahl von "verzwickten Lehren" (Roxin, JuS 1973, 202) geführt. Zur Theorienvielfalt in diesem Bereich vgl. auch Arthur Kaufmann, in: Festschrift für Lackner, S. 185, 192 f., und die Darstellung bei Jescheck, AT, S. 416 ff. 419
420
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2. Kap.: Dogmatischer Teil a) Vor der Teilrefonn von 1983
aa) Eingeschränkte und strenge Schuldtheorie sowie die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen
Bereits zu der Zeit, als das spanische Strafgesetzbuch noch keine Irrtumsvorschrift enthielt, wurde auch unter den spanischen Strafrechtlern vielfach diskutiert, wie ein Irrtum über einen rechtfertigenden Sachverhalt zu behandeln sei 423. Dabei liefen die Überlegungen auf die heute ebenfalls in der deutschen Diskussion noch immer umstrittene Kernfrage hinaus, ob der Fall der irrigen Annahme rechtfertigender Umstände - etwa bei der Putativnotwehr - zur Vorsatz- oder zur Fahrlässigkeitsstrafe führt. In Anlehnung an die aus dem deutschen Recht stammende Diskussion wurde gleichzeitig die hiennit eng zusammenhängende Problematik der dogmatischen Einordnung von Rechtfertigungsgründen erörtert 424 • So findet sich auch in Spanien die Auffassung, Rechtfertigungsgründe seien negative Tatumstände, und der Irrtum über deren Voraussetzungen beseitige die Tatbestandsmäßigkeit eines Verhaltens. Diese aus dem deutschen Schrifttum stammende Lehre 425 wurde anfangs in Spanien von Gimbernat Ordeig 426 und später von Rodriguez Devesa 427 vertreten. In jüngerer Zeit haben sich ihr außerdem Luzon Pefi.a428 und Mir Puig 429 angeschlossen 43o • Daß auf diese Lehre im Bereich der Irrtumsproblematik zunächst nur ganz vereinzelt zurückgegriffen wurde und sie erst neuerdings vennehrt in der spanischen Literatur vertreten wird, läßt sich folgendennaßen erklären: In Spanien war, wie bereits dargelegt 431 , zunächst die Vorsatztheorie vorherrschend, so daß für die Anhänger dieser Irrtumslehre kein Bedürfnis für die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen bestand. Denn sowohl beim Irrtum über das Verbotensein der Tat als auch bei der irrigen Annahme rechtfertigender Tatumstände führte diese Auffassung ohne zusätzlichen Rückgriff auf die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen immer zu der allein für sachgerecht gehaltenen Bestrafung wegen Fahrlässig423 Siehe die kurze Zusammenfassung von Bacigalupo, in: Comentarios a la Legislaci6n Penal, S. 55 f. 424 Zum deutschen Recht vgl. den Überblick bei Hirsch, LK, Vor § 32 Rdn. 5 ff., sowie Hirschs umfassende Monographie ,,Die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen". 425 Siehe insbesondere Arthur Kaufmann, Schuldprinzip, S. 134, und Roxin, Offene Tatbestände, S. 111 ff.; zur Dogmengeschichte vgl. Hirsch, Negative Tatbestandsmerkmale, S. 13 ff. 426 Vgl. Gimbernat Ordeig, in: Festschrift für Henkel, S. 154 Fn. 9; ders., in: Ausländisches Strafrecht, S. 330; ders., Introducci6n, S. 34, 49, 51. 427 Vgl. Rodrfguez Devesa, PG, 9. Aufl., S. 400 f. 428 Vgl. Luzon Pena, Legitima defensa, S. 251 Fn. 443. 429 Vgl. Mir Puig, PO, S. 120, 357, 361; ders., Adiciones al Tratado de Jescheck, S. 345 f.; ders., ZStW 95 (1983), S. 446. 430 Dahingehend wohl auch Berdugo Gomez de la Torre, Lesiones, S. 31 Fn.48. 431 Siehe oben 2. Kapitel C 11 1.
D. Tatbestands- und Verbotsirrtum nach der Teilreform von 1983
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keit 432 • Demgegenüber widmeten Anhänger der Schuldtheorie der Frage nach der systematischen Einordnung der Rechtfertigungsgründe schon länger Aufmerksamkeit. Auf dem Boden unterschiedlicher Handlungslehren haben bereits vor der Reform von 1983 besonders augenfällig Cerezo Mir und Gimbernat Ordeig gegensätzliche Positionen bezogen 433 • Während Gimbernat als Vertreter der eingeschränkten Schuldtheorie im wesentlichen in Anlehnung an die Argumentationsführung von Roxin 434 die Auffassung vertritt, daß die Voraussetzungen von Rechtfertigungsgründen negative Tatbestandsmerkmale seien 43s , lehnt Cerezo als Vertreter der strengen Schuldtheorie und als Anhänger der finalen Handlungslehre im Anschluß an Welzel 436 und Hirsch 437 die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen ab 438 • Seine Begründung entspricht im wesentlichen derjenigen von Hirsch. Hierbei weist Cerezo insbesondere auf die unterschiedliche Struktur von negativen und positiven Tatbestandsmerkmalen hin, die sich auch darin zeige, daß die Vertreter der Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen beim Vorsatzverständnis hinsichtlich positiver und negativer Tatbestandsmerkmale eine Differenzierung vornehmen: Für die negativen Tatbestandsmerkmale soll das Fehlen der Vorstellung vom Vorliegen des negierten Sachverhalts genügen, während hinsichtlich der übrigen Tatbestandsmerkmale aktuelle Kenntnis erforderlich sei. Dadurch wird, nach Auffassung Cerezos, bereits der materielle Unterschied zwischen positiven und negativen Tatbestandsmerkmalen deutlich 439 • Beim Irrtum über einen rechtfertigenden Sachverhalt führt Cerezo hauptsächlich kriminalpolitische Erwägungen gegen die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen an. So sieht er es als bedenklich an, daß in der praktischen Rechtsanwendung große Stratbarkeitslücken entstehen würden 440. Darüber hinaus stützt er seine ablehnende Haltung gegenüber dieser Lehre im Bereich des Sachverhaltsirrtums auf den Milderungsgrund für die sogenannten unvollständigen Ähnlich die Erklärung von Perron, Rechtfertigung und Entschuldigung, S. 185. Siehe Cerezo Mir, ZStW 84 (1972), S. 1065 ff.; ders., Problemas fundamentales, S. 85 f.; hiergegen Gimbernat Ordeig, Estudios, S. 90 ff., im Rahmen einer grundsätzlichen kritischen Auseinandersetzung mit der [malen Handlungslehre; dagegen wiederum Cerezo Mir, Curso I, 1985, S. 315; ders., La Ley Nr. 1919, 1988, S. 6. 434 Siehe Roxin, Grundlagenprobleme, S. 98 ff.; ders., Offene Tatbestände, S. 111 ff.; ders., MSchrKrim 1961, S. 211 ff. 43S Zur Auffassung von Gimbernat Ordeig siehe die Nachweise oben 2. Kapitel Anm. 426. 436 Welzel, Lb., S. 80 ff.; ders., ZStW 67 (1955), S. 196, 208 ff. 437 Hirsch, Negative Tatbestandsmerkmale, S. 267 ff.; ders., ZStW 94 (1982), S. 239, 257 ff. 438 Vgl. Cerezo Mir, Curso I, 1985, S. 310 ff. 439 So bereits Hirsch, Negative Tatbestandsmerkmale, S. 267 ff.; ders., LK, Vor § 32 Rdn.6ff. 440 Vgl. Cerezo Mir, Curso 1,1985, S. 311; ders., La Ley Nr. 1919, 1988, S. 6. Diese Kritik betrifft allerdings nicht die Fälle, in denen der Gesetzgeber - wie im deutschen Recht - die "echte" Fahrlässigkeitsstrafbarkeit einschränkt. Hier wäre diese Lücke als bewußte gesetzliche Vorgabe hinzunehmen. 432 433
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2. Kap.: Dogmatischer Teil
Rechtfertigungsgründe in Art. 9 Nr. 1 i. V. m. Art. 66 CP. Wie bereits erwähnt 441 , sieht der C6digo Penal hier bei einem bloßen Teilvorliegen von Rechtfertigungsoder Entschuldigungsgründen für den Täter eine Strafmilderung vor 442 • Mit einer analogen Anwendung dieser Strafmilderungsregel wollte Cerezo vor der Teilreform von 1983 im spanischen Strafrecht auch die Fälle lösen, in denen der Täter (vermeidbar) irrig von einem rechtfertigenden Umstand ausgeht, der objektiv nicht vorliegt 443 • Dies hätte zur Folge gehabt, daß etwa der auf einem Irrtum beruhende Notwehrexzeß - nach der Auffassung Cerezos - entgegen der Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen nicht den Vorsatzausschluß, sondern lediglich die Milderung der Vorsatzstrafe bewirkt hätte. Demgegenüber vertrat Gimbernat Ordeig schon damals die Ansicht, Art. 9 Nr. 1 CP beschränke sich darauf, eine Regelung für die Fälle zu bieten, in denen der Täter wußte, daß nicht alle Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes vorliegen. Daher sei die Argumentation Cerezos gegen die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen in diesem Punkt nicht schlüssig 444 • Cerezo gehe in seinen Ausführungen von einer Prämisse - der Anwendbarkeit des Art. 9 Nr. 1 CP auch bei irriger Vorstellung eines rechtfertigenden Sachverhalts - aus, die es aber gerade erst zu beweisen gelte 445 • bb) Die Rechtsprechung des Tribunal Supremo Die Rechtsprechung des Tribunal Supremo legte vor der Reform von 1983 hinsichtlich der Frage, welche Rechtswirkungen ein Irrtum über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes auslöst, eine differenzierende Betrachtungsweise zugrunde 446. Die Rechtswirkungen wurden zum einen davon abhängig gemacht, ob es sich um einen vermeidbaren oder einen unvermeidbaren Irrtum handelt. Während der unvermeidbare Irrtum nach der höchstrichterlichen Judikatur zur Straffreiheit führte, ging man beim vermeidbaren Irrtum grundsätzlich davon aus, die vorsätzliche Tat werde in eine fahrlässige umgewandelt. Zu dieser Auffassung kam der Tribunal Supremo auf der Grundlage der Vorsatztheorie, wonach der Verbotsirrtum wie ein Tatbestandsirrtum behandelt wurde und Zu diesen Vorschriften siehe oben 2. Kapitel C 11 2 mit Anm. 253. Dabei muß es sich allerdings nach h. M. um eine "unwesentliche" Voraussetzung eines Rechtfertigungsgrundes handeln; zur Unterscheidung von wesentlichen und unwesentlichen Rechtfertigungsvoraussetzungen siehe näher Cerezo Mir, Curso I, 1985, S. 314 m. w. N. zu Rspr. und Lehre. 443 Vgl. Cerezo Mir, ZStW 84 (1972), S. 1057 f.; ders., Problemas fundamentales, S.84f. 444 V gl. Gimbernat Ordeig, Revista de estudios penitenciarios, aiio 22, 1966, S. 477 ff. 445 Der von Cerezo Mir gegen die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen mit Art. 9 Nr. 1 i. V. m. Art. 66 CP geführten Argumentation haben sich später weitere Autoren angeschlossen, so etwa Romeo Casabona, ADPCP 1981, S. 762 ff. 446 Siehe hierzu die Darstellung von Cerezo Mir, ZStW 84 (1972), S. 1067; ders., Problemas fundamentales, S. 84 f. 441
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D. Tatbestands- und Verbotsirrtum nach der Teilreform von 1983
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demgemäß den Vorsatz ausschließen sollte, so daß bei Venneidbarkeit des Irrtums nur eine Bestrafung wegen fahrlässiger Tat in Betracht kam 447. Ein anderer Lösungsweg wurde hingegen von der spanischen Rechtsprechung eingeschlagen, wenn das Täterverhalten deswegen nicht gerechtfertigt war, weil eine sogenannte unwesentliche Voraussetzung eines Rechtfertigungsgrundes fehlte, von deren Vorliegen aber der Täter irrig ausging. In derartigen Fällen nahm der Tribunal Supremo den Rechtfertigungsgrund oft als gegeben an, wenn der Irrtum des Täters unvenneidbar war 448 • Diese Lösung stieß allerdings in der spanischen Literatur zu Recht auf Kritik 449 • Kurz vor der Teilrefonn griff die spanische Rechtsprechung manchmal aber auch auf Art. 9 Nr. 1 CP zurück und kam somit zur Milderung der Vorsatzstrafe nach Art. 66 Cp4SO. b) Die Situation de lege lata Nachdem nun auch der spanische Gesetzgeber auf die Einführung einer den Irrtum über rechtfertigende Tatumstände betreffende Regelung verzichtet hat, erhebt sich de lege lata die Frage, ob ein derartiger Irrtum unter Art. 6 bis a Abs. 1 CP oder den 3. Absatz dieser Vorschrift zu fassen ist. Die hierzu vertretenen Lehnneinungen kennenzulernen, ist für die deutsche Strafrechtswissenschaft von besonderem Interesse, weil auch in Deutschland die Diskussion über die Rechtswirkungen des Irrtums über einen rechtfertigenden Sachverhalt noch nicht abgeschlossen ist. Die Entscheidung darüber, ob ein solcher Irrtum das Vorsatzdelikt bestehen läßt und bei seiner Venneidbarkeit nur eine Strafmilderung bewirkt oder aber zum Entfallen des Vorsatzes oder jedenfalls des Vorsatzdelikts und damit zur entsprechenden Fahrlässigkeitstat führt, zeitigt im spanischen wie im deutschen Strafrecht wesentliche praktische Auswirkungen; dies sowohl in bezug auf die Ausdehnung der Strafbarkeit als auch hinsichtlich der Strafhöhe 451 . Während die Vorsatztat immer eine Strafe auslöst, hängt im C6digo Penal trotz des offenen Fahrlässigkeitssystems die Strafbarkeit bei fahrlässigem Handeln davon ab, ob und inwieweit das entsprechende Delikt als fahrlässig begehbar angesehen wird 452. Zudem zeigen sich zwischen der Vorsatz- und der Fahrlässigkeitslösung Näher Perron, Rechtfertigung und Entschuldigung, S. 184 f. Vgl. aus jüngerer Zeit das Urteil des TS vom 13.12.1982 (A. 7406); zur Rechtsprechung in diesem Sinne aus früheren Jahren siehe Cerezo Mir, Problemas fundamentales, S.84f. 449 Vgl. Cerezo Mir, ZStW 84 (1972), S.1067. So vermag nicht zu überzeugen, warum der Täter, welcher über das Merkmal "gegenwärtiger Angriff" (wesentliche Voraussetzung) irrt, rechtlich anders gestellt werden soll als derjenige, der die Erforderlichkeit seiner Verteidigungshandlung (unwesentliche Voraussetzung) falsch einschätzt. 450 Siehe etwa das Urteil des TS vom 2.10.1981 (A. 3597). 451 Siehe zu Spanien Cerezo Mir, La Ley Nr. 1919, 1988, S. 6; Perron, Rechtfertigung und Entschuldigung, S. 186 f. 452 Zur Einschränkung von Fahrlässigkeitstaten im geltenden CP siehe oben 2. Kapitel D IV 3 f. Anm. 365. 447 448
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2. Kap.: Dogmatischer Teil
Unterschiede zwischen dem Strafrahmen des Art. 6 bis a Abs. 3 S.2 i. V. m. Art. 66 CP einerseits und denen der Art. 565, 586 Nr. 3, 600 CP andererseits. Zwar bedeutet in Spanien - anders als nach deutschem Recht - die Bestrafung aus dem (gemilderten) Vorsatzdelikt nicht immer eine Schlechterstellung des Täters gegenüber einer Bestrafung nach den Fahrlässigkeitsvorschriften 453 ; denn die Strafmilderung des Art. 66 CP reicht wesentlich weiter als die des § 17 Abs. 2 StGB454. Häufig aber liegt die Strafandrohung für die nur fahrlässig begangene Tat weit unter dem Strafrahmen des entsprechenden (gemilderten) Vorsatzdelikts; insbesondere dann, wenn dem Täter nur leichte Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden kann 455. aa) Lehrmeinungen
Bei der Diskussion in der spanischen Strafrechtswissenschaft zu den Rechtswirkungen eines Irrtums über einen rechtfertigenden Sachverhalt entbrannte erneut der Meinungsstreit um die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen sowie um die aus dem deutschen Recht stammenden beiden Spielarten der Schuldtheorie 456. Es kann sogar gesagt werden, daß die in Deutschland zwischen Vertretern der verschiedenen Schuldtheorien erfolgte Diskussion erst jetzt, nachdem der spanische Gesetzgeber die Frage offengelassen hat, ob der Irrtum über einen rechtfertigenden Sachverhalt den Tatvorsatz bestehen läßt oder nicht, auf ganz besonderes Interesse gestoßen ist 457 . Der Meinungsstand in der spanischen Lehre stellt sich de lege lata in folgender Weise dar: Von einem Teil der spanischen Strafrechtswissenschaftler wird auch weiterhin versucht, auf dem Boden der Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen, wonach die Voraussetzungen der Rechtfertigungsgründe als Bestandteile des Unrechtstatbestandes angesehen werden, den Irrtum über derartige Umstände unter Art. 6 bis a Abs. 1 CP zu subsumieren. Dabei handelt es sich teils um Vertreter der Vorsatztheorie 458 , teils um Anhänger der eingeschränkten Schuld453 Siehe Perron, Rechtfertigung und Entschuldigung, S. 187. 454 Vgl. hierzu Perron, Rechtfertigung und Entschuldigung, S. 187. Da der Weg über die Milderung der Vorsatzstrafe gemäß Art. 6 bis a Abs. 3 S. 2 CP i. V. m. Art. 66 CP zu einem sehr niedrigen Strafmaß führen kann, weisen spanische Strafrechtler darauf hin, daß der Gesetzgeber eine ,,Mischung" aus Vorsatz- und Schuldtheorie festgeschrieben habe (vgl. Quintero Olivares / Munoz Conde, La reforma penal, S. 54 f.; dahingehend auch Romeo Casabona, ADPCP 1981, S. 752; siehe zudem oben 2. Kapitel Anm. 315). 455 Vgl. Cerezo Mir, La Ley Nr. 1919, 1988, S. 6. . 456 Einen Überblick geben u. a. Cobos G6mez de Linares, Presupuestos, S. 198 ff., sowie Munoz Conde, EI error en Derecho Penal, S. 42 ff. 457 Siehe Cerezo Mir, La Ley Nr. 1919, 1988, S. 6. 458 Mir Puig (PG, S. 537 Fn. 1) zählt sich selbst zu den Vertretern der Vorsatztheorie, wobei er betont, er gehe von der finalen Handlungslehre aus. Romeo Casabona (ADPCP 1981, S.741 Fn. 11) indes siedelt die Lehrmeinung Mir Puigs zwischen Schuld- und Vorsatztheorie an.
D. Tatbestands- und Verbotsirrtum nach der Teilreform von 1983
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theorie 459 , die übereinstimmend den Irrtum über einen rechtfertigenden Sachverhalt als Tatbestandsirrtum einordnen. Die weitaus überwiegende Meinung lehnt indes auch in jüngster Zeit die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen ab 460; dies zum einen aus systematischen, die Tatbestandslehre als solche betreffenden Erwägungen 461, zum anderen weil angezweifelt wird, daß die hier angesprochenen Irrtumsfälle auf diese Weise einer adäquaten Lösung zugeführt werden können 462 • Insbesondere wird es als sachlich ungerechtfertigt angesehen, daß dem Irrtum über den ,,Erlaubnistatbestand" ebenso wie dem über den Unrechtstatbestand nach der Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen vorsatzausschließende Wirkung beigemessen wird 463, da hierdurch dem Wertunterschied beider Verhaltensweisen nicht Rechnung getragen werde. Stattdessen vertreten die meisten spanischen Strafrechtler nach Einführung des Art. 6 bis a CP schlüssig die Ansicht, der Irrtum über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes unterfalle Art. 6 bis a Abs. 3 CP464. Für diese Lösung im Sinne der strengen Schuldtheorie werden vornehmlich Gerechtigkeits- und Praktikabilitätserwägungen angeführt. Es wird betont, allein diese Irrtumslehre bewirke einen effektiven Rechtsgüterschutz 465 • Nur eine Bestrafung aus dem gemilderten Strafrahmen des entsprechenden Vorsatzdelikts beim Irrtum über einen rechtfertigenden Sachverhalt könne zu sachentsprechenden Ergebnissen führen, was Cerezo Mir anband von Fallbeispielen verdeutlicht 466 • Bei einer Anwendung der allgemeinen Fahrlässigkeitsvorschriften, Art. 565 ff. CP, müßten dagegen oft, insbesondere im Falle der nur leichten Fahrlässigkeit, unangemessene, "lächerlich" niedrige Strafen ausgesprochen werden; denn im Unterschied zu dem Täter, der die objektive Tatbestandsmäßigkeit seines Handeins nicht kennt, wisse und wolle derjenige, der irrig einen rechtfertigenden Sachverhalt annehme, was er tue, selbst wenn ihm nur eine geringe Sorgfaltswidrigkeit zur Last gelegt werden könne 467 • Zudem bekräftigt Cerezo 459 So Gimbernat Ordeig (siehe seine dahingehenden Ausführungen: Estudios, S. 96 ff.); Luzon Peiia, La Ley Nr. 2318, 1989, S. 2. 460 Vgl. u. a. Bacigalupo, La Ley Nr. 76, 1981, S. 922 f.; Gomez Benftez, Teorfa, S. 300 ff.; Huerta Tocildo, Sobre el contenido de la antijuricidad, S. 142 ff.; Muiioz Conde, EI error en Derecho Penal, S.40; Octavio de Toledo / Huerta Tocildo, PG I, 1985, S. 150 ff.; Romeo Casabona, ADPCP 1981, S. 763 ff.; Zugaldfa Espinar, CPC Nr. 15, 1981, S. 516 ff. Siehe zudem die zusammenfassende Darstellung von Cobos Gomez de Linares, Presupuestos, S. 194 ff. 461 Vgl. Cerezo Mir, La Ley Nr. 1919, 1988, S. 6. 462 Vgl. Bacigalupo, Manual, S. 137. 463 Dahingehend Muiioz Conde, EI error en Derecho Penal, S. 40 f.; aus der deutschen Lehre siehe Hirsch, Negative Tatbestandsmerkmale, S. 246 Fn. 75, sowie lescheck, AT, S.417. 464 Siehe die Nachweise bei Romeo Casabona, ADPCP 1981, S. 741 Fn. 11. 46S So Bacigalupo, Manual, S. 137. 466 Siehe Cerezo Mir, La Ley Nr. 1919, 1988, S. 6. 467 Dahingehend Cerezo Mir, La Ley Nr. 1919, 1988, S. 6.
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2. Kap.: Dogmatischer Teil
Mir die von ihm vertretene Lösung nach der strengen Schuldtheorie mit dem Hinweis auf Art. 9 Nr. 1 CP, den Strafmilderungsgrund für die sogenannten unvollständigen Rechtfertigungsgründe 468. Andere Autoren - allerdings weitaus weniger als in Deutschland - vertreten auch in der spanischen Strafrechtswissenschaft die eingeschränkte Schuldtheorie, ohne dabei auf die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen zurückzugreifen 469. Ebenso wie in der deutschen Diskussion wird in Spanien für diese Variante der Schuldtheorie und damit die Behandlung eines Irrtums über einen rechtfertigenden Sachverhalt als Tatbestandsirrtum hauptsächlich die Strukturähnlichkeit mit dem eigentlichen Tatbestandsirrtum angeführt 470 •
bb) Die Rechtsprechung des Tribunal Supremo Nachdem der Tribunal Supremo nach der Teilreform von 1983 zunächst die neu eingeführte Irrtumsregelung gänzlich negiert und weiterhin die Rechtswirkungen des vermeidbaren Irrtums über einen rechtfertigenden Sachverhalt davon abhängig gemacht hatte, ob dieser Irrtum sich auf "wesentliche" oder "unwesentliche" Rechtfertigungsvoraussetzungen bezog, wandte der Oberste Gerichtshof dann bei jeglicher Fehlvorstellung hinsichtlich des Vorliegens von Rechtfertigungsvoraussetzungen Art. 6 bis a Abs. 3 CP an 471. Dies legte die Erwartung nahe, daß die Rechtsprechung auch in Zukunft im Sinne der strengen Schuldtheorie entscheiden werde. Um so mehr überrascht es, daß der Tribunal Supremo im Rahmen einer Urteilsbegründung aus dem Jahre 1989, in der die Frage nach den Rechtswirkungen eines Irrtums über einen rechtfertigenden Sachverhalt letztendlich offenbleiben konnte, gerade ausdrücklich auf die Vorzüge der Behandlung eines derartigen Irrtums als Tatbestandsirrtum hinweist 472 • Zwar wird zunächst in einer grundsätzlichen Stellungnahme der Eindruck erweckt, die höchstrichterli468 Diese Regelung, die Cerezo Mir vor der Teilreform von 1983 auch dann anwenden wollte, wenn der Täter irrtümlich Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes annimmt (siehe oben 2. Kapitel D Via aa) mit Anm. 443), zeige, daß jeglicher Irrtum über das Verbotensein der Tat nach dem Willen des Gesetzgebers nicht zur Fahrlässigkeits-, sondern zur (gemilderten) Vorsatzstrafe führen solle (vgl. Cerezo Mir, La Ley Nr. 1919, 1988, S.6; dahingehend auch Mufioz Conde, EI error en Derecho Penal, S. 56 f., unter Hinweis darauf, daß auf diese Weise Wertungsansprüche im Gesetz vermieden würden). 469 So Bustos Ram[rez, PG, S. 299 f., sowie Tor[o LOpez, in: Reformas penales,
S. 110 f.
Dahingehend Torfo Lopez, in: Reformas penales, S. 110. Zur Entwicklung in der Rechtsprechungspraxis nach der Teilreform von 1983 siehe insbesondere den Überblick in der Urteilsbegründung des TS vom 10.5.1989, La Ley Nr.2318, 1989, S. 573 ff.; vgl. zudem Cerezo Mir, La Ley Nr. 1919, 1988, S. 6, sowie die kritischen Anmerkungen von Maqueda Abreu, Poder Judicial Nr.2, 1986, S. 101 mit Fn. 15. 472 Siehe das Urteil des TS vom 10.5.1989, La Ley Nr. 2318,1989, S. 572 mit Anm. von Luzon Pefia, ebenda. 470 471
D. Tatbestands- und Verbotsirrtum nach der Teilreform von 1983
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che Judikatur tendiere auch weiterhin zu einer Einordnung als Verbotsirrtum gemäß Art. 6 bis a Abs. 3 CP413; dann aber werden dogmatische und kriminalpolitische Grunde dafür genannt, ihn gemäß Art. 6 bis a Abs. 1 CP als Tatbestandsirrtum anzusehen. Zur Begründung wird vorgebracht, in dem praxisrelevanten Fall der Putativnotwehr bewirke nur die Lösung im Sinne der eingeschränkten Schuldtheorie, also die Einordnung einer solchen Fehlvorstellung als Tatbestandsirrtum, daß die Handlung rechtswidrig bleibe und damit dem tatsächlich Angegriffenen ein Notwehrrecht zustehe. Demgegenüber führe ein Verbotsirrtum zum Ausschluß der Rechtswidrigkeit, was im Fall der Putativnotwehr die kriminalpolitisch unerwünschte Wirkung habe, daß dem in Putativnotwehr Angegriffenen das Notwehrrecht verwehrt sei 414 • Gegen die unter dogmatischen Gesichtspunkten unverständlichen, die in der Literatur vorgebrachten Argumente geradezu auf den Kopf stellenden Darlegungen des Tribunal Supremo wendet sich eingehend Luzon Peiia 415 • Obwohl auch dieser Autor - auf dem Boden der Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen - der Ansicht ist, nur die Lösung im Sinne der eingeschränkten Schuldtheorie führe beim sogenannten Erlaubnistatbestandsirrtum zu sachgerechten Ergebnissen 416, folgt er dem Tribunal Supremo weder in dessen dogmatischen Begründungen noch in den daraus gezogenen kriminalpolitischen Konsequenzen. So kritisiert Luzon Peiia zu Recht, daß der Tatbestandsirrtum in dieser Entscheidung als Strafausschließungsgrund und der Verbotsirrtum als Rechtfertigungsgrund gewertet werden 411. Welche Bedeutung diesem jüngsten Urteil zukommt, insbesondere ob sich nunmehr ein Wandel in der höchstrichterlichen Judikatur in Richtung auf die eingeschränkte Schuldtheorie oder möglicherweise die bei uns in der Lehre vorherrschende sogenannte rechtsfolgenverweisende Schuldtheorie 418 abzeichnet, bleibt indes abzuwarten. ee) Stellungnahme Für die Behandlung eines Irrtums über einen rechtfertigenden Sachverhalt nach der strengen Schuldtheorie spricht im spanischen Strafrecht neben den angeführten kriminalpolitischen Erwägungen der Wortlaut des Art. 6 bis a Abs. 3 CP. Während nämlich Absatz 1 derselben Vorschrift sich auf strafbegründende oder strafschärfende, nicht aber auf strafausschließende Umstände bezieht, ist Art. 6 bis a Abs. 3 CP weiter gefaßt: Regelungsgegenstand ist hier allgemein 413 414 415 416 411 418
Siehe das Urteil des TS vom 10.5.1989, La Ley Nr. 2318, 1989, S. 574 f. Siehe TS, La Ley Nr. 2318, 1989, S. 575. La Ley Nr. 2318, S. 573. Dahingehend Luzon Pena, La Ley Nr. 2318, 1989, S. 573. Vgl. Luzon Pena, La Ley Nr. 2318, 1989, S. 574 f. Näher Jescheck, AT, S. 418.
118
2. Kap.: Dogmatischer Teil
der irrige Glaube, rechtmäßig zu handeln, also jeglicher Irrtum über das Verbotensein der Tat, ohne daß dabei eine Differenzierung vorgenommen wird, ob dieser Irrtum auf einer Fehlvorstellung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht basiert 479 • 2. Der Irrtum über einen Entschuldigungsgrund nach der Teilreform von 1983
Nach Einführung von Art. 6 bis a CP in das geltende Strafgesetzbuch erhebt sich de lege lata schließlich die Frage, welche Rechtswirkung eintritt, wenn der Täter hinsichtlich des Sachverhalts eines Entschuldigungsgrundes irrt. Es geht auch hier darum, ob ein solcher Irrtum als Tatbestandsirrtum oder als ein das Vorliegen der Vorsatztat unberührt lassender Irrtum zu behandeln ist. Der deutsche Gesetzgeber hat mit § 35 Abs. 2 StGB den wichtigsten Fall eines solchen Entschuldigungsirrtums, den einen entschuldigenden Notstand betreffenden Putativnotstand, gesetzlich geregelt. Damit ist gleichzeitig kundgetan worden, daß eine derartige Fehlvorstellung einen - ebensowenig wie der Verbotsirrtum die Vorsatztat ausschließenden -Irrtum sui generis darstellt 480 • Demgegenüber fehlt im C6digo Penal eine dem § 35 Abs. 2 StGB entsprechende Vorschrift. Eine unmittelbare Anwendung von Art. 6 bis a CP scheidet aus, weil es sich bei Entschuldigungsgründen ihrer Rechtsnatur nach weder um "elementos de la infracci6n penal" (Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes) handelt, noch der Täter bei einer derartigen Sachverhaltskonstellation über die Rechtmäßigkeit seines Tuns irrt. Es kommt jedoch entweder eine analoge Anwendung der Tatbestandsirrtumsregelung oder der Verbotsirrtumsvorschrift in Betracht. In der spanischen Strafrechtsliteratur wurde diese Frage bisher nur vereinzelt diskutiert. Nach der Auffassung Bacigalupos soll sogar jeder Irrtum über einen Entschuldigungsgrund, also nicht nur der vorgenannte Sachverhaltsirrtum, sondern auch die irrige Annahme eines von der Rechtsordnung nicht anerkannten Entschuldigungsgrundes und die Verkennung der rechtlichen Grenzen eines Entschuldigungsgrundes, unter den Anwendungsbereich des Art. 6 bis Abs. 3 CP, also die Verbotsirrtumsregelung 481 , fallen. Dogmatisch begründet er seine Auffassung damit, daß ein Täter, der irrig glaubt, sein Handeln sei entschuldigt, gleichzeitig über die Rechtswidrigkeit seines Handeins irre. Er wendet sich dabei ausdrücklich gegen die im deutschen Recht zugrunde gelegte Auffassung, daß nur der Rechtsirrtum über das Verbotensein der Tat die Schuld ausschließe 482 • Die übrigen Autoren, die sich zu diesem Problem äußern, entscheiden die Frage wie beim Irrtum über einen rechtfertigenden Sachverhalt. Dahingehend auch Bacigalupo, Manual, S. 138. Zur Rechtslage vor Einführung des § 35 Abs. 2 StGB vgl. Jescheck, AT, S. 457 f.; zu den nach der Refonn von 1975 auftauchenden Fragestellungen ausführlich Hirsch, LK, § 35 Rdn. 72 ff. 481 Vgl. Bacigalupo, Manual, S. 153; ders., Principios, S. 54 f. 482 Siehe Bacigalupo, Manual, S. 153. 479
480
D. Tatbestands- und Verbotsirrtum nach der Teilreform von 1983
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So vertritt Mir Puig als Vertreter der Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen die Ansicht, auch der Irrtum über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Entschuldigungsgrundes stelle einen Tatbestandsirrtum dar und unterstehe dem Art. 6 bis a Abs. 1 CP483. Nach dieser Lösung kommt bei Vermeidbarkeit lediglich eine Bestrafung wegen Fahrlässigkeit in Betracht. Als Anhänger der strengen Schuldtheorie ist Cerezo Mir demgegenüber der Auffassung, der Täter, welcher irrtümlich einen entschuldigenden Sachverhalt annehme, müsse - wenn der Irrtum vermeidbar sei - wegen vorsätzlicher Tatbegehung bestraft werden, wobei die Strafe jedoch gemäß Art. 6 bis a Abs. 3 S.2 CP i. V. m. Art. 66 CP zu mildern sei 484 • VI. Der Einfluß des deutschen Strafrechts auf Art. 6 bis a CP Zusammenfassend ist festzustellen, daß der spanische Gesetzgeber sich bei der Abfassung der Irrtumsregelung im wesentlichen am deutschen Recht orientiert hat. Bereits die Grundentscheidung, sowohl den Tatbestands- als auch den Verbotsirrtum zu normieren, entspricht derjenigen des deutschen Gesetzgebers. Auch die inhaltliche Ausgestaltung deckt sich weitgehend, wenngleich sich Voraussetzungen und Rechtswirkungen für die beiden Irrtumsarten im C6digo Penal nicht immer eindeutig aus dem Wortlaut, sondern teilweise erst mit Hilfe weiterer dogmatischer Überlegungen erschließen lassen. Dabei gilt es hervorzuheben, daß mit der Abfassung des Art. 6 bis a Abs. 3 CP die von Welzel in der deutschen Strafrechtswissenschaft entwickelte Schuldtheorie ins spanische Strafgesetzbuch unmittelbar Eingang gefunden hat. Auch die Entscheidung des spanischen Reformgesetzgebers, den Irrtum über einen rechtfertigenden Sachverhalt nicht zu normieren, ist mit Blick auf das deutsche Recht getroffen worden. Dagegen weist der Meinungsstand hierzu in der spanischen Strafrechtslehre größere Abweichungen von der entsprechenden jüngeren deutschen Diskussion auf: Obwohl sich in beiden Ländern die eingeschränkte und die strenge Schuldtheorie gegenüberstehen, sind die Ergebnisse, zu denen diese unterschiedlichen Irrtumslehren führen, nur noch in Spanien diametral entgegengesetzt; denn dort hat sich die eingeschränkte Schuldtheorie, anders als in Deutschland, (noch) nicht in die Richtung entwickelt, daß - wie bei der strengen Schuldtheorie - der Irrtum über einen rechtfertigenden Sachverhalt erst als Schuldproblem, dagegen der den Tatbestandsvorsatz ausschließende Irrtum bereits als Frage des subjektiven Unrechtstatbestands angesehen wird 48s . 483 Vgl. Mir Puig, PG, S. 408. 484 Vgl. Cerezo Mir, in: Estudios Penales y Criminol6gicos X, 1987, S. 77 f. 48S Dies läßt sich damit erklären, daß die in Deutschland vorherrschende Lehre von der ,,DoppelsteIlung des Vorsatzes", der Unterscheidung von Tatbestandsvorsatz und spezifischer Vorsatzschuld, in Spanien noch nicht zum Durchbruch gelangt ist; dahingehend auch Jescheck, in: Estudios Penales y Criminol6gicos vm, 1985, S. 99. Zur Haltung der spanischen Strafrechtswissenschaft gegenüber dieser Lehrmeinung siehe Cerezo Mir, Problemas fundamentales, S. 199.
Gesamtergebnis Die Untersuchung hat gezeigt, daß sich die schon seit längerer Zeit bestehenden engen wissenschaftlichen Beziehungen zwischen der Strafrechtswissenschaft Spaniens und Deutschlands auch auf die jüngeren spanischen Refonnarbeiten für einen neuen C6digo Penal ausgewirkt haben. Der Einfluß des deutschen Strafrechts konnte exemplarisch anband der Behandlung der Themen ..Verbrechensdefinition", ..Schuldprinzip, erfolgsqualifizierte Delikte und Irrtum" im Regierungsentwurf von 1980, dem Teilrefonngesetz von 1983 sowie dem Vorentwurfsvorschlag von 1983 nachgewiesen werden. Dabei wurde deutlich, daß die deutschen Lösungen in Spanien indes nicht immer in Spanien in gleichem Maße aufgegriffen worden sind. Am stärksten hat das deutsche Strafrecht dort Beachtung gefunden, wo man sich in Spanien entweder vor gänzlich neue Aufgaben gestellt sah (so im Regierungsentwurfvon 1980) oder wo während der Refonnarbeiten schnelle Entscheidungen getroffen werden mußten (wie im Rahmen der dringenden Teilrefonn von 1983). Damit ist das Refonnwerk, welches als einziges Gesetzeswirklichkeit geworden ist - das Teilrefonngesetz von 1983 - , besonders vom deutschen Recht geprägt. Auch wenn man die behandelten vier Themenbereiche miteinander vergleicht, so ergibt sich ein ganzes Spektrum unterschiedlicher Einflüsse des deutschen Rechts und der deutschen Strafrechtswissenschaft: Die neue Verbrechensdefinition läßt, isoliert betrachtet, in allen drei Refonnwerken nur einen geringen aktuellen Einfluß des deutschen Strafrechts erkennen. Dies liegt aber darin begründet, daß die eindeutige Weichenstellung für einen dem deutschen Strafrecht entsprechenden Verbrechensbegriff im C6digo Penal bereits im alten Recht erfolgt war. Zudem muß die Verbrechensdefinition im Teilrefonngesetz von 1983 als systematischer Teil des gesamten neugefaßten Artikel 1 CP betrachtet werden, der in wesentlichen Teilbereichen, insbesondere durch die Regelung über die erfolgsqualifizierten Delikte, vom deutschen Strafrecht beeinflußt ist. Im Teilrefonngesetz von 1983 wird die Schuldidee in einer Reihe von Vorschriften nach deutschem Vorbild umgesetzt. Allerdings findet sich hier nicht mehr ein so deutliches Bekenntnis zum Schuldprinzip wie noch im Regierungsentwurf von 1980. Hierdurch ist ein in diesem Punkt von deutschen Wertentscheidungen wegführender Schritt vollzogen. Diese Tendenz setzt sich im Vorentwurfsvorschlag von 1983 bei der Abfassung der im Regierungsentwurf von 1980 das Schuldprinzip betreffenden Bestimmung fort.
Gesamtergebnis
121
Durch die fast wörtliche Übernahme des § 18 StGB im Rahmen der Teilreform von 1983 hat, wie bereits im Regierungsentwurf von 1980, die vom deutschen Gesetzgeber getroffene Entscheidung über die Behandlung erfolgsqualifizierter Delikte direkten Eingang in den C6digo Penal gefunden. Im Vorentwurfsvorschlag von 1983 wird jedoch der Versuch unternommen, sich durch einen gänzlichen Verzicht auf eine entsprechende Regelung von der Deliktsgruppe der erfolgsqualifizierten Tatbestände und damit von der deutschen Linie zu lösen, wenngleich dies nicht immer konsequent durchgeführt wurde. Dieser Entscheidung ist richtungsweisende Bedeutung zuzumessen, weil sie in Übereinstimmung mit der nahezu einhelligen Auffassung in der spanischen Strafrechtswissenschaft steht. Bereits im Regierungsentwurf von 1980 konnte sich die von Welzel im deutschen Strafrecht begründete Schuldtheorie im Rahmen der spanischen Verbotsirrtumsregelung durchsetzen. Diese Lösung wurde im Teilreformgesetz von 1983 Gesetzeswirklichkeit und im Vorentwurfsvorschlag von 1983 beibehalten. De lege lata erfuhr sie mittelbar noch eine Verfestigung durch den Austausch des Begriffs "malicioso" gegen "doloso" in den Fahrlässigkeitsvorschriften. Dort, wo in der spanischen Reformbewegung mehr oder minder deutlich gegen deutsche Problemlösungen Position bezogen wird, sind unterschiedliche Gründe zu erkennen: Die zunehmende Zurückhaltung gegenüber der Verfestigung des Schuldgedankens ist nicht so sehr eine Entscheidung für eine als brauchbar angesehene Alternative zu der dem deutschen Strafgesetzbuch zugrundeliegenden Lösung als vielmehr der Ausdruck von Unsicherheit gegenüber dem Gebrauch eines traditionell belasteten Begriffs von "Schuld". Auch die entschiedene Ablehnung der erfolgsqualifizierten Delikte im Rahmen der jüngsten spanischen Reformüberlegungen sollte nur mit Vorsicht zu einer Bewertung des im deutschen Gesetzbuch gewählten Weges herangezogen werden. Die Argumentation in Spanien gegen diese Tatbestandsgruppe zeigt nämlich, daß es sich bei den Kritikpunkten zu einem erheblichen Teil um Eigentümlichkeiten des C6digo Penal handelt. Daher sollte sich auch der spanische Reformgesetzgeber nicht übereilt zu einer Aufhebung der erfolgsqualifizierten Delikte entschließen - ebensowenig, wie dies in Deutschland geschehen ist, als sich zeitweilig eine besondere Skepsis gegenüber erfolgsqualifizierten Tatbeständen abzeichnete.
Anhang
Spanischer Text der untersuchten Vorschriften· C6digo Penal
Art. 1 CP Son delitos la ley.
0
faltas las acciones y omisiones dolosas 0 culposas penadas por
No hay pena sin dolo 0 culpa. Cuando la pena venga determinada por la producci6n de un ulterior resultado mas grave s610 se respondeni de este si se hubiere causado, al menos, por culpa.
Art. 1 CP a. F. Son delitos 0 faltas las acciones y omisiones voluntarias penadas por la ley. Las acciones y omisiones penadas por la ley se reputan siempre voluntarias, a no ser que conste 10 contrario. EI que cometiere voluntariamente un delito 0 falta incurrini en responsabilidad criminal, aunque el mal causado fuere distinto deI que se habia propuesto ejecutar.
Art. 6 bis a) CP EI error invencible sobre un elemento esencial integrante de Ia infracci6n penal o que agrave Ia pena, exc1uye la responsabilidad criminal 0 Ia agravaci6n en su caso. Si el error a que se refiere el parrafo anterior fuere vencible, atendidas las circunstancias deI hecho y las personales deI autor, la infracci6n sera castigada, en su caso, corno culposa. La creencia err6nea e invencible de estar obrando licitamenta exc1uye la responsabilidad criminal. Si el error fuere vencible se observara 10 dispuesto en el art. 66. • Aufgeführt werden nur die Regelungen, auf deren Wortlaut näher eingegangen wurde.
Anhang
123
Art. 8 a. F. CP Estan exentos de responsabilidad penal: 8. 0 EI que, en ocasi6n de ejutar un acto licito con la debida deligencia, causa un mal por mero accidente, sin culpa ni intenci6n de causarlo.
Art. 9 CP Son circunstancias atenuantes: 4. 0 La de no haber tenido el delincuente intenci6n de causar un mal de tanta gravedad corno el que produjo.
Art. 50 CP a. F. En los casos en que el delito ejecutado fuere distinto deI que se habia propuesto ejutar el culpable, se impondni a este la pena correspondiente al delito de menor gravedad en su grado maximo. Lo dispuesto en el parrafo anterior no tendni lugar cuando los actos ejecutados por el culpable constituyeran tentativa 0 frustraci6n de otro hecho, si la ley castigare estos actos con mayor pena, en cuyo se impondni la correspondiente a la tentative 0 al delito frustrado.
Art. 66 CP Se aplicani la pena inferior en uno 0 dos grados a la sefialada por la ley cuando el hecho no fuere deI todo excusable por falta de alguno de los requisitos que se exigen para eximir de responsabilidad criminal en los respectivos casos de que se trata en el articulo 8. 0 , imponiendola en el grado que los Tribunales estimaren conveniente, atendido el nUmero y entidad de los requisitos que faltaren o concurrieren. Esta disposici6n se entiende sin perjuicio de la contenida en el articulo 64.
Proyecto de C6digo Penal 1980 Art. 3 P 1980 No hay pena sin culpabilidad. Cuando la pena venga determinada por la producci6n de un ulterior resultado mas grave, s610 se respondeni de este si se hubiere causado, al menos, por culpa.
124
Anhang
Art. 20 P 1980 EI error probado e invencible sobre un elemento integrante de Ia infracci6n penal 0 que agrave Ia pena, exc1uye Ia responsabilidad criminal 0 Ia agravaci6n en su caso. Si el error fuera vencible, atendidas las circunstancias deI hecho y Ia personalidad deI autor, Ia infracci6n sera castigada en su caso, como culposa. La creencia err6nea, probada e invencible de estar obrando licitamente exc1uye Ia responsabilidad criminal. Si el error fuere vencible, se observara 10 dispuesto en el art. 81.
Proquesta de Anteproyecto dei Nuevo C6digo Penal Art. 3 AP 1983 No hay pena sin dolo
0
imprudencia.
Art. 17 AP 1983 EI error invencible sobre el hecho constitutivo de Ia infracci6n penal 0 elemento que agrave Ia pena, exc1uye Ia responsabilidad criminal 0 Ia agravaci6n en su caso. Si el error fuere vencible, Ia infracci6n sera castigada, en su caso, como imprudente. EI error invencible sobre Ia ilicitud deI hecho constitutivo de Ia infracci6n penal exc1uye Ia responsabilidad criminal. Si el error fuere vencible, se aplicara Ia pena inferior en uno 0 dos grados.
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