Ein Beitrag zur Kenntnis des großstädtischen Bettel- und Vagabondentums: Eine psychiatrische Untersuchung 9783111576381, 9783111204161


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German Pages 65 [68] Year 1900

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Kenntnis des großstädtischen Bettelund Vagabondentums
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Ein Beitrag zur Kenntnis des großstädtischen Bettel- und Vagabondentums: Eine psychiatrische Untersuchung
 9783111576381, 9783111204161

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Ein Beitrag zur

Kenntnis -es großstädtischen flttttlnnd Vagabondentums. @ine psychiatrische Hlntersuchung.

Von

Dr. lad Vonhoeffer, Privatdozent und dirigierender Arzt der Beobachtungsstation für geisteskranke Gefangene zu BreSlau.

Berlin 1900. I. Gutteutag, Verlagsbuchhandlung, G. M. b. H.

Sonderabdruck aus

„Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft" Bd. XXI Heft 1.

Einleitung. Die nachfolgende Untersuchung erstreckt sich auf Individuen, die nach § 361 Nr. 4 und Nr. 8 des Strafgesetzbuchs zur Ver­ urteilung gelangt uitb im Breslauer Centralgefängnis während ihrer Strafverbüßung beobachtet worden sind. Der in Frage kommende Paragraph lautet: ©fit Haft wird bestraft: 4. wer bettelt................ 8. wer nach Verlust feine» bisherigen Unterkommens binnen der ihm von der zuständigen Behörde bestimmten Frist sich kein anderweitiges Unterkomme» verschafft hat und auch nicht nach­ weisen kann, daß er solches, der von ihm angewandten Bemühungen ungeachtet, nicht vermocht hat. Bettler und Obdachlose bilden also den Gegenstand unsrer Untersuchung. Im ganzen wurden 404 Individuen zur Untersuchung heran­ gezogen und zwar in der Reihenfolge, wie sie zur Einlieserung kamen. Eine Auswahl fand in dem Sinne statt, daß zufällig auf der Wanderschaft begriffene oder durch vorübergehende Not in Haft gelangte, sonst noch nicht vorbestrafte Individuen nicht in die Liste der Untersuchten aufgenommen wurden. Es wurden die mehr­ fach wegen derselben und andrer Vergehen Vorbestraften ausgesucht. — Die Zahl der Vorstrafen schwankt zwischen 6 und mehr als l

60 Bestrafungen, so daß eine gewisse Wahrscheinlichkeit vorlag, daß es sich hier zu einem großen Teil um definitiv gescheiterte Existenzen oder um gewohnheitsmäßige soziale Parasiten handelte. Die theoretische Berechtigung eine der sozial liefst stehenden Bevölkerungsschicht entstammende Gruppe von Menschen einer syste­ matischen Untersuchung zu unterziehen, braucht wohl kaum erst nachgewiesen zu werden. Der stete Kreislauf dieser Individuen zwischen Freiheit, Gefängnis und eventuell Arbeitshalls, die allerseits zugestandene Unzulänglichkeit der bisherigen Maßregeln zll ihrer zweckmäßigen Beeinflussuilg und Bekämpfung drängt dazu, den Gesetzmäßigkeiten nachzugehen, welche diesein Verhalten zu Grunde liegen. Daß die Kenntnis dieser Gesetzmäßigkeiten die notwendige Vorbedingung jedes zweckmäßigen praktischen Eingreifens ist, liegt auf der Hand. Gewiß ist eine große Anzahl ätiologischer Faktoren, die hier in Frage kommen, schon bekannt. Doch glaube ich, daß für eine der Hauptfragen, nämlich die: Welcher Art sind die Individuen, die immer wieder dem Bettel und der Obdachlosigkeit ver­ fallen? — doch noch manches Material gerade von psychiatrischer Seite beigebracht werden kaun. Die Kenntnis der individuellen Konstitution stellte ich deshalb in den Vordergrund der Untersuchling. Das Bild würde aber unvollständig sein, weiln nicht gleichzeitig de» äußern Verhältnissen Beachtung gejcheilkt worden wäre. Bei den mannigfachen Wegen, die in der Großstadt zum sozialen Ruin führen können, war gerade auch die Untersuchung des Zusaminenmirkens von endogenen und exogenen Momenten von besonderem Interesse. Was die Beurteilung der Ergebnisse anlangt, so ist zll beachten, daß die Uilterslichung, insofern sie sich lediglich auf Individuen einer bestimmten östlichen Großstadt erstreckt, einen gewissen Lokalcharakter hat, und daß ihre Resultate nicht ohne weiteres und in alten Einzelheiteil eine Verallgemeinerung auf andere Großstädte ge­ statten; ebenso war ich mir darüber im Klaren, daß, was sich über den ursächlicheil Allteil gewisser äußerer Verhältnisse, z. B. der Berufsarten, für unsre Frage zu ergeben schien, nur einen relativen Wert haben konnte, weil die Zahlen, zwar allsreicheud für die Feststellung gewisser individlieller Typen, zu klein sind, um ans Gesetzmäßigkeiten iir diesen Fragen mit Bestimintheit ;u schließen.

Ich lasse den Fragebogen folgen, den ich bei der Untersuchung jedes einzelnen zu Grunde legte. ES ergibt sich baraud am besten die Technik der Untersuchung. Im Einzelfalle ließ es sich nahtr» gemäß manchmal nicht vermeiden, von dem Schema abzuweichen, und bei lnanchem war es auch «richt möglich, alle Fragen, die sich arif die Personalien und den Lebenslauf erstreckten, beantwortet zu bekommen. Wo es sich darum handelte, Daten der Vergangenheit durch direkte Exploration zu erfragen, war