Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus: Eine gendersensible Betrachtung am Beispiel Braunschweig 9783839448199

Third Spaces are regarded as generators of creativity. But how are they produced socially and which individual and colle

179 37 9MB

German Pages 332 Year 2019

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Inhalt
Danksagung
Zusammenfassung/Summary
1. Einleitung
2. Raum, Ort und Gender
3. Kreativität und die neue Attraktivität der Städte
4. Das kreativ-urbane Milieu und seine Dritten Orte
5. Empirischer Teil
5.1 UNTERSUCHUNGSRAUM
5.2 UND BEGRÜNDUNG DER GEWÄHLTEN METHODIK
5.3 EMPIRISCHE ERGEBNISE
5.4 NEUN THESEN ZU DRITTEN ORTEN DES KREATIV-URBANEN MILIEUS
6. Fazit
7. Quellenverzeichnis
Proband_innen der Untersuchung
Recommend Papers

Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus: Eine gendersensible Betrachtung am Beispiel Braunschweig
 9783839448199

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Katharina Bingel Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Urban Studies

Katharina Bingel (Dr. rer. nat.), geb. 1985, ist Lehrbeauftragte und Dekanatsreferentin an der Ostfalia Hochschule in Salzgitter und lehrt dort in den Studiengängen Stadt- und Regionalmanagement sowie Führung in Dienstleistungsunternehmen. Sie ist diplomierte Geographin (Justus-Liebig-Universität Gießen), promovierte an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und lebt in Braunschweig. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Stadtentwicklung und Kreativität sowie soziale In- und Exklusion.

Katharina Bingel

Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus Eine gendersensible Betrachtung am Beispiel Braunschweig

Zugleich Dissertation unter dem Titel »Genese und Bedeutung Dritter Orte für kreativ-urbane Milieus: in gendersensibler Betrachtung am Beispiel der Stadt Braunschweig« an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, 2019. Gefördert mit Forschungsmitteln des Landes Niedersachsen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2019 transcript Verlag, Bielefeld Alle Rechte vorbehalten. Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Maria Arndt, Bielefeld Umschlagabbildung: https://en.m.wikipedia.org/wiki/File:Braunschweig_ Luftaufnahme_Innenstadt_(2011).JPG, Attribution: Brunswyk (bearbeitet) Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-4819-5 PDF-ISBN 978-3-8394-4819-9 https://doi.org/10.14361/9783839448199 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: https://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt Danksagung | 9 Zusammenfassung/Summary | 11

1.1 1.2 1.3

Einleitung | 13 Problemaufriss und Forschungsbedarf | 13 Forschungsleitende Fragenkomplexe | 19 Aufbau der Arbeit und Forschungsdesign | 20

2

Raum, Ort und Gender | 25

2.1 2.1.1

Soziale Konstruktion von Raum und Ort | 26 Der Containerraum und seine (vermeintliche) Überwindung | 27 Von der Physik zum Sozialen | 29 Über relativistische zu relationalen Raumvorstellungen | 34 Vom Raum zum Ort | 40 Atmosphärische Qualitäten von Raum und Ort | 43 Angewandtes Begriffsverständnis von Atmosphären | 49 Geschlecht, Gender, Intersektionalität und Raum | 50 Vom natürlichen Geschlecht zum sozialen Gender | 52 Gender und Intersektionalität als Ausdruck des Verhältnisses von sozialen und räumlichen Strukturen | 55 Die Aneignung von Raum und Ort | 66 Öffentliche, teilöffentliche und private Räume | 70 Die Privatisierung des öffentlichen Raums im Neoliberalismus | 76 Die Wiederinwertsetzung des Öffentlichen Raums in Zeiten der Digitalisierung | 80 Urbane Freiräume als Räume des Kompensatorischen, Komplementären und Korrespondierenden | 85 (Un-)Sicherheiten im öffentlichen Raum | 89 Angewandtes Begriffsverständnis des öffentlichen Raums | 95

1

2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.1.5 2.1.6 2.2 2.2.1 2.2.2 2.3 2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.4.4 2.4.5

3

Kreativität und die neue Attraktivität der Städte | 99

3.1 3.1.1

Gesellschaftliche Wandlungstendenzen | 100 Flexibilisierung und Entgrenzung als Zeichen von (vermeintlicher) Freiheit | 102 Von individueller zu kollektiver Kreativität | 110 Kreativität als Zauberwort in der Stadtentwicklung | 117 Kreativitätsorientierte Ansätze für den urbanen Raum | 121

3.1.2 3.2 3.3

4

Das kreativ-urbane Milieu und seine Dritten Orte | 129

4.1 4.2 4.3 4.4

Relevante Milieukonzepte | 130 Das Konzept der kreativ-urbanen Milieus | 132 Die Ressourcen kreativ-urbaner Milieus | 135 Dritte Orte als Orts-Ressource kreativ-urbaner Milieus | 138

5

Empirischer Teil | 145

5.1 5.2

Untersuchungsraum | 146 Darstellung und Begründung der gewählten Methodik | 147 Soziale Netzwerkanalyse und Vorstudie | 147 Autofotografie und episodisch-narrative Interviews | 149 Empirische Ergebnisse | 165 Geografische Lage der Dritten Orte des kreativ-urbanen Milieus | 166 Privatheit im Öffentlichen | 167 Architektonische und städtebauliche Attraktivität | 171 Modi der Aneignung Dritter Orte | 174 Entdeckungen von und an Dritten Orten | 178 Anziehende und abstoßende Sinneseindrücke an Dritten Orten | 182 Konsumverhalten und qualitativer Anspruch an Dritte Orte | 183 Temporäre vs. institutionalisierte Dritte Orte | 186 Nostalgische Empfindungen an und durch Dritte Orte | 189 Freunde ohne Freundschaft | 192

5.2.1 5.2.2 5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4 5.3.5 5.3.6 5.3.7 5.3.8 5.3.9 5.3.10

5.3.11 5.3.12 5.3.13 5.3.14 5.3.15 5.3.16 5.3.17 5.4

6

6.1 6.2 6.3 6.4 7

7.1 7.2

Engagement im kreativ-urbanen Milieu | 194 Authentizität als Qualitätsmerkmal Dritter Orte | 199 Brüche und Kontraste im Raum und am Dritten Ort | 205 Hybridität und funktionale Unbestimmtheit Dritter Orte | 217 Ungeplante, aber planbare Begegnungen an Dritten Orten | 223 Entzug vom kreativ-urbanen Milieu | 230 Inklusion und Exklusion an Dritten Orten unter Gender- und Intersektionalitätsaspekten | 235 Neun Thesen zu Dritten Orten des kreativ-urbanen Milieus | 252 Fazit | 255 Bedeutung Dritter Orte kreativ-urbaner Milieus | 255 Genese Dritter Orte kreativ-urbaner Milieus | 261 Soziale In- und Exklusionslinien Dritter Orte kreativ-urbaner Milieus | 264 Implikationen für die Stadtentwicklung | 268 Quellenverzeichnis | 273 Literaturverzeichnis | 273 Abbildungsquellen | 325

Proband_innen der Untersuchung | 327

Danksagung

Ich danke herzlich Michael Wachs sowie Christine und Jürgen Bingel für die vielfältige und immer geduldige Unterstützung. Ihr habt immer einen Schirm für mich! Zudem danke ich folgenden Personen, die mich während der letzten Jahre (oft auf kreative Weise) unterstützt haben: Veronika Wachs und Christian Gerling, Monika und Gunter Wachs, Christiane Lischka, Jens Nußbaum, meinen lieben Kolleginnen und Kollegen vom IfTR sowie den Glückshasen! Weiterhin gilt mein Dank den BetreuerInnen der vorliegenden Arbeit, Prof. Dr. Brigitte Wotha und Prof. Dr. Florian Dünckmann von der Universität Kiel, allen Probandinnen und Probanden, sowie Prof. Dr. Heinz-Dieter Quack und Prof. Dr. Grit Leßmann von der Ostfalia Hochschule. Das Forschungsprojekt „Kreative und ‚ihre‘ Stadt“, innerhalb dessen die vorliegende Dissertationsschrift entstehen konnte, wurde gefördert mit Forschungsmitteln des Landes Niedersachsen.

Zusammenfassung/Summary

Kreative und kreative Orte gelten als Attraktivitätsgenerator für Städte in der Wissensgesellschaft, in der der Konkurrenzdruck zwischen Städten und Regionen um Einwohner_innen und Besucher_innen zunimmt. Um diesem Druck standhalten zu können, sind Städte auf das ihnen innewohnende Potenzial angewiesen, das sich nur mithilfe der kreativen und innovativen Bewohner_innen erschließen lässt. Kreative haben zum einen ein inhärentes Interesse an der Entwicklung ‚ihrer‘ Stadt und fordern eine entsprechende Teilhabe ein. Zum anderen gestaltet sich die Aktivierung und Beteiligung dieser Akteursgruppe als besonders anspruchsvoll. Da Kreativität als ein Produkt sozialer Austauschprozesse verstanden wird, die auch im digitalen Zeitalter noch an konkreten, physischen Orten stattfinden, ist es für eine nachhaltige und gendersensitive Stadtentwicklung erforderlich, die Produktionsorte der Kreativität zu identifizieren und zu stärken. In diesem Zusammenhang beschäftigt sich die vorliegende Arbeit mit der Entstehung, Entwicklung und der Bedeutung von Dritten Orten kreativ-urbaner Milieus, einerseits für Mitglieder kreativ-urbaner Milieus selbst, andererseits für eine zukunftsgerichtete, gendersensible Stadtentwicklung. Dabei werden insbesondere Fragen nach der sozialen Produktion und Aneignung Dritter Orte im Zusammenspiel mit dem physischen Raum behandelt. Soziale In- und Exklusionslinien werden aus genderspezifischer und intersektionaler Sicht eruiert, sodass Aussagen über integrierende bzw. exkludierende Merkmale Dritter Orte gemacht werden können. Darüber hinaus werden Erkenntnisse über Atmosphären, Aneignungsformen, Charakteristika und Funktionen von einzelnen Dritten Orten nachgezeichnet. Aus gesamtstädtischer Sicht lassen sich die Dritten Orte eines kreativ-urbanen Milieus modellhaft als untereinander verwobene Netzwerke auf vier Ebenen verstehen: räumlich, sozial, idealistisch und ökonomisch. Je mehr dieser Netzebenen einem Dritten Ort zugeschrieben werden, umso attraktiver beziehungsweise relevanter wird er für Mitglieder des kreativ-urbanen Milieus.

12 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Aus den über die Methoden der Autofotografie und episodisch-narrativen Interviews gewonnenen Erkenntnissen können Implikationen für eine nachhaltige und gendersensitive Stadtentwicklung abgeleitet werden. Creatives and creative places are seen as a significant factor contributing to the attractiveness of cities in the knowledge society, in which the competitive pressure between cities and regions for inhabitants and visitors increases. To cope with this pressure, cities rely on their inherent potential, which can only be unlocked with the help of creative and innovative residents. Creatives have an inherent interest in the development of ,their’ city and demand appropriate participation. However, the activation and participation of this group of actors is particularly challenging. Since creativity is understood as a product of social exchange processes that still take place in concrete, physical places even in the digital age, it is necessary for sustainable and gender-sensitive urban development to identify and strengthen the places of production of creativity. In this context, this thesis deals with the genesis, development and significance of third places of creative-urban milieus, on the one hand for members of creative-urban milieus themselves, on the other hand for a forward-looking, gender-sensitive urban development. In particular, questions about the social production and appropriation of third places are dealt with in interaction with physical space. Social inclusion and exclusion lines are explored from gender-specific and intersectional perspectives so that statements can be made about integrating or excluding features of third places. In addition, findings on atmospheres, forms of appropriation, characteristics and functions of individual third places are traced. From a city-wide perspective, the third places of a creative-urban milieu can be modeled as interwoven networks on four levels: spatial, social, idealistic and economic. The more these levels are attributed to a third place, the more attractive or relevant it becomes for members of the creative-urban milieu. Implications for sustainable and gender-sensitive urban development can be deduced from the findings gained through the methods of auto-photography and episodic-narrative interviews.

1

Einleitung „Die Menschen, nicht die Häuser machen die Stadt.“ Perikles 1

Im Spannungsfeld aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen ist der Konkurrenzkampf der Städte und Regionen um die sogenannten High Potentials voll entbrannt. Nur die Städte und Regionen, die ihre vielfältige Kreativ- und Wissenselite an sich binden können, werden im globalen Wettbewerb bestehen können. So lässt sich die aktuelle Rahmung der Stadtentwicklungspolitik zugespitzt zusammenfassen. In diesem Zusammenhang ist die Einbindung Kreativer als Impulsgeber für eine nachhaltige Stadtentwicklung eine maßgebliche Voraussetzung, um neue und innovative Wege zu denken und Perspektivwechsel auf verschiedensten Ebenen einzuleiten. Doch gerade kreativ Tätige und sogenannte Wissensarbeiter_innen sind aufgrund oftmals prekärer und projektbezogener Arbeitsverhältnisse sowie unter Umständen multilokaler Lebensführung nur schwer mit klassischen Partizipationsinstrumenten einzubinden. Die Stadt kann jedoch auch nicht an ihnen vorbei entwickelt werden. Zum einen wäre dies eine fahrlässige Nichtberücksichtigung des kreativen Kapitals, zum anderen haben Mitglieder kreativ-urbaner Milieus ein besonders starkes Bedürfnis an Mitsprache und Mitgestaltung ihrer räumlichen Umgebung.

1.1 PROBLEMAUFRISS UND FORSCHUNGSBEDARF Städte und Regionen stehen in Zeiten der Globalisierung und des fortschreitenden demographischen Wandels zunehmend unter Konkurrenzdruck. Um sich in diesem Wettbewerb behaupten zu können, bedarf es neben relativ kurzfristig zu realisierenden Leuchtturmprojekten vor allem einer nachhaltigen Strategie in der Stadtentwicklung, die es ermöglicht, dass Städte (auch) zukünftig attraktive 1

Athenischer Staatsmann (500 v. Chr.-429 v. Chr.).

14 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Standorte für die verschiedenen Anspruchsgruppen, für Frauen und Männer gleichermaßen, darstellen. Medienwirksame Proteste wie beispielsweise im Zuge der geplanten Umbaumaßnahmen des Hamburger Gängeviertels oder in Bezug auf das für Deutschland in diesem Zusammenhang prominenteste Beispiel ‚Stuttgart 21‘ zeigen, dass eine klassische Top-Down-Planung nicht mehr dem Zeitgeist entspricht und zu Widerstand in einer mündigen Bürgergesellschaft führt. Stattdessen werden vermehrt Bottom-Up-Ansätze initiiert, aufgegriffen, ausprobiert, wieder abgelegt oder befördert, im Sinne eines gesteigerten Bedürfnisses nach zivilgesellschaftlichen Governanceformen. Vor diesem Hintergrund müssen die in der heutigen Stadtgesellschaft bestehende Vielfalt und die in ihr virulente Kreativität als entscheidende Impulsgeber für eine nachhaltige und gendersensible Stadtentwicklungspolitik und -planung begriffen werden. Stadtentwicklung, die zugleich die Vielfalt einer Stadtgesellschaft anerkennt und die aktuellen und gleichsam langfristigen Problemlagen wie den demografischen Wandel, parallele Wachstums- und Schrumpfungstendenzen, den Wandel von einer Industrie- zu einer Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft, die damit verbundenen arbeitsmarktpolitischen Wandlungstendenzen und Veränderungen im Mobilitätsverhalten der Bevölkerung etc. berücksichtigen soll, ist dabei auf innovative (Problemlösungs-)Ideen angewiesen. Diese innovativen Ideen müssen einem entsprechenden kreativen Potenzial entspringen, welches sich nur mit Hilfe der kreativen Bewohner_innen einer Stadt erschließen lässt. Die so genannten Kreativen sind dabei nicht nur als Impulsgeber bestens geeignet, sondern haben auch eine intrinsische Motivation, an der Entwicklung ‚ihrer‘ Stadt aktiv mitzuwirken und Wandel zu gestalten. Dies betrifft nicht nur die ökonomische Ebene im Sinne der Kultur- und Kreativwirtschaft und die physisch-materielle Ebene im Sinne von Künstler_innen im engeren Sinne, sondern auch die gesamte gesellschaftlich-räumliche kreative Ebene, im Sinne kreativ-urbaner Milieus. Es stellt sich die Frage, wie die Kreativen mit ‚ihrer‘ Stadt umgehen wollen und wie die Stadt mit ‚ihren‘ Kreativen umgehen will. Spätestens seit der Diskussion um die Konzepte der Creative Class (Florida 2002) und der Creative City (Landry 2000; Florida 2005) ist insbesondere die Kultur- und Kreativwirtschaft Gegenstand zahlreicher Untersuchungen der aktuellen Stadtforschung bezüglich ihrer politischen, wirtschaftlichen und räumlichen Wirkungen geworden (vgl. Söndermann et al. 2009; vgl. Zimmermann/Schulz 2009; vgl. Lange/von Streit/Hesse 2011; vgl. Reich 2013). Dabei wird sie bislang vor allem als ökonomischer Faktor der Stadtentwicklung und insbesondere der Wirtschaftsförderung betrachtet. So wurde die Kultur- und Kreativwirtschaft vielfach als neues Wachstumsfeld für städtische Ökonomien identifiziert (vgl. Kunzmann 2009; Hafner/von Streit 2010; vgl. Nelkert 2011;

Einleitung | 15

vgl. Gornig/Mundelius 2012), auch wenn wirtschaftspolitische Einflussmöglichkeiten sowie signifikante stadt- und regionalökonomische Effekte zum Teil nicht eindeutig belegt werden konnten oder zumindest angezweifelt werden (vgl. Peck 2005; vgl. Fritsch/Stützer 2012). Aus Sicht vieler Autor_innen ist ein regelrechter Wettbewerb um die kreative und wissensintensive Elite auszumachen, den die Städte für sich entscheiden müssen. Eine Erweiterung der Perspektive auf einen von der reinen urbanen Ökonomie abweichenden Nutzen findet bislang nur rudimentär statt. Die Attraktivität einer Stadtentwicklungspolitik à la Florida, Landry und Co. geht einher mit einem veränderten Verständnis von Stadtentwicklungsplanung. Während bis in die späten 90er Jahre vor allem das Paradigma der Perspektivplanung vorherrschte, findet derzeit ein Übergang zu strategischen Planungsstrategien statt (vgl. Ritter 2006). Teilhabe, Kooperation, Aktivierung und Aushandlung (vgl. Albers 2005) der Bürgerschaft werden unter dem Stichwort Governance vermehrt als Bereicherung und weniger als Störfaktor anerkannt und zu prominenten Aspekten planerischen Handelns. Dabei wird es zur zentralen Herausforderung, die Wissens- und Erfahrungsbestände der Akteur_innen mit vielfältigen differierenden sozialen und professionalen Hintergründen zusammenzubringen. Auch vor dem Hintergrund einer postulierten neuen Attraktivität der Städte (vgl. Adam/Sturm 2012) im Zuge diversifizierter Reurbanisierungstendenzen gewinnen kreativ-urbane Milieus als potenzielle Impulsgeber für Stadtentwicklungsprozesse größere Bedeutung (vgl. Ebert et al. 2008; vgl. Overmeyer 2010; vgl. Heider 2011; vgl. Zierold 2012). Dabei muss die Betrachtung der Kreativen als sozial-räumliches Milieu von gesteigertem Interesse sein, da neben den Akteur_innen selbst vor allem deren Netzwerkbeziehungen und Ortsbindungen als relevante Faktoren für die Stadtentwicklung identifiziert wurden (vgl. Merkel 2008; vgl. Frey 2009; vgl. Heider 2011/2012). Es wächst die Erkenntnis, dass Kreative zum einen ein inhärentes Interesse an der Entwicklung ‚ihrer‘ Stadt haben sowie eine entsprechende Teilhabe einfordern (vgl. Höpner 2012) und sich zum anderen die Aktivierung beziehungsweise Beteiligung dieser Akteursgruppe aufgrund ihrer oftmals prekären Arbeits- und teils multilokalen Lebensverhältnisse als besonders anspruchsvoll darstellt (vgl. Hilti 2009; vgl. Lange et al. 2009; vgl. Petzold 2011). Da Kreativität, wenigstens im sozialwissenschaftlichen Kontext, aber auch zunehmend darüber hinaus, als ein Produkt sozialer Austauschprozesse verstanden wird, die auch im digitalen Zeitalter noch an konkreten, physischen Orten stattfinden, ist es für eine nachhaltige und gendersensitive Stadtentwicklung erforderlich, die Produktionsorte der Kreativität zu identifizieren und zu stärken.

16 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Dazu sind zunächst tiefergehende Informationen über das Wesen und die Struktur kreativ-urbaner Milieus notwendig. Einerseits, um diese Milieus in einer forschungsadäquaten Weise greifbar und damit analysierbar zu machen und damit verknüpft, um die Interaktionsorte der Akteur_innen zu verstehen, ihre Entwicklung nachvollziehbar zu machen und letztlich den Erhalt und die Förderung solcher Kreativitätszentren zu ermöglichen und damit zur Attraktivität der Städte für kreative Männer und Frauen beizutragen. Diesbezüglich ist es notwendig, dass auch und gerade die Sphäre zwischen Wohnen und Arbeiten im engeren Sinne, die Sphäre der so genannten Dritten Orte, betrachtet wird. Letztlich können über den Raum mithilfe dieser Kreativitätszentren gezielte Initialzündungen in die Netzwerke der Kreativen gegeben werden, um das Potenzial dieser kreativ-urbanen Milieus an die Städte zu binden. Denn gerade die oftmals prekäre, multilokale und projektorientierte Lebens- und Arbeitsrealität der Kreativen steht im Gegensatz zur gewünschten Identifikation mit der jeweiligen Stadt und der Teilhabe an Stadtentwicklungsprozessen. In der aktuellen Diskussion um Kreative beziehungsweise kreativ-urbane Milieus wird von verschiedenen Autor_innen darauf eingegangen, dass sie hinsichtlich dreierlei Ressourcenbündel untersucht werden können. Bei Janet Merkel (2008) handelt es sich um Akteurs-, Netzwerk- und Ortsressourcen, bei Oliver Frey (2009) um Ich-, Wir- und Ortsressourcen. Frey (2009) geht in seiner umfassenden eher planungstheoretischen Arbeit auf die Lebens- und Arbeitswelten der Kreativen ein und identifiziert kreative Arbeitsorte (insbesondere Orte des Loft-Workings) als Voraussetzung urbaner Kreativität. Er beschreibt die veränderten Strategien der Steuerung in der Stadtplanung, um diese Arbeitsorte zu fördern und zu unterstützen. Eine Perspektive, die explizit die Orte des Dazwischen, die Orte der ‚Freizeit‘ als Netz von Räumen der Kreativitätsgenese in den Blick nimmt, fehlt allerdings bislang. Hinsichtlich der Orts-Ressource ist es, wie auch Silke Steets (2011: 101) anregt, jedoch notwendig, Orte zu untersuchen, die „die [kreativ-urbanen] Akteure in ihrer alltäglichen Auseinandersetzungen mit der sie umgebenden gebauten Materialität und den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ihrer Praxis hervorbringen“. Die Sphäre außerhalb der (in Bezug auf Kreative unter Umständen in Teilen identischen) räumlichen Wohnund Arbeitsverhältnisse wird dabei in der bisherigen Forschung aber weitestgehend ausgeblendet. Eine tiefergehende Analyse der sogenannten „Third Places“ (Oldenburg 1989) als soziale Interaktions- und Kommunikationsräume abseits von Wohnung und Arbeit im engeren Sinne unter der Beachtung der veränderten Lebens- und Arbeitsbedingungen im Zuge der strukturellen Wandlungsprozesse findet nicht oder lediglich in Ansätzen statt. „A concept of creative milieus should include the notion of creativity as a communicative process, and should

Einleitung | 17

take in account that people’s social, cultural and physical environment are integrative parts of the creative process.“ (Metzger 2008: 384f.) Auch vor diesem Hintergrund stellen jene Dritten Orte Zwischen- und Möglichkeitsräume für informelle und formelle Kommunikation und die Weitergabe von implizitem Wissen dar, was für Kreativtätige aufgrund entgrenzter Arbeitswelten von besonderer Bedeutung ist. Sie können als „gesellschaftliches Rückgrat“ (Neff/Wissinger/Zukin 2005: 135) kreativ-urbaner Milieus angesehen werden, in ihnen wird städtisches Zusammenleben verhandelt (vgl. Steets 2011: 101). In dieser Weise finden „Netzwerke und Gemeinschaften […] ihre gemeinsamen Wertehaltungen über den Raum“ (Frey 2009: 117). Nach Merkel (vgl. 2012a: 696) können an konkreten Orten zudem Beziehungsstrukturen sichtbar gemacht werden, die innerhalb kreativ-urbaner Milieus bestehen. Vor dem Hintergrund des höchst aktuellen Diskurses, ob und in welcher Art und Weise öffentliche und teilöffentliche Räume zu einer sozialen Integration und sozialer Kohäsion in einer vielfältigen, multioptionalen und globalisierten Gesellschaft beitragen können, ist es notwendig, als öffentlich empfundene Räume und Orte, wie sie Dritte Orte in der Regel darstellen, „unter Einbeziehung derjenigen, die es alltäglich angeht, nämlich der Nutzerinnen und Nutzer“ (Klamt 2012: 800) zu betrachten. Es muss der Frage nachgegangen werden, ob öffentliche Räume, trotz der Möglichkeiten, die die digitalisierte Welt bietet, weiterhin als soziale Integrationsmomente für in diesem Fall kreativ-urbane Milieus verstanden werden können, oder „ob die in der Theorie anklingende Idealisierung einer sozialen Integration im und durch den öffentlichen Raum nicht eine zwar gut gemeinte, aber letztlich irreführende und weithin fiktive ‚Grundannahme‘ der Forschung darstellt“ (ebd.) und öffentliche Räume vielmehr als von Exklusionslinien durchzogen anzunehmen sind. Damit in Verbindung steht die Frage danach, ob urbane Räume und die sich in ihnen befindlichen konkreten Orte in der Wissensgesellschaft „ihre (positiven) Qualitäten entwickeln oder zumindest bewahren können“ (Frey 2009: 32) und inwiefern und in welcher Weise kreativ-urbane Milieus dazu beitragen können. Ebenso wie es sich bei der wissenschaftlichen Rezeption der Kultur- und Kreativwirtschaft verhält, werden auch Dritte Orte bisher vor allem in der betriebswirtschaftlich ausgerichteten Forschung thematisiert. Dabei werden sie eher aus Marketing- und Konsummaximierungs-, denn aus sozial-kulturellen Aspekten heraus thematisiert. Damit steht auch in Verbindung, dass Gender- und Diversitätsaspekten bei ihrer Betrachtung bislang keine Aufmerksamkeit zu teil geworden ist. In seiner Abhandlung über Dritte Orte geht Ray Oldenburg als prominentester Vertreter der Thematik zwar implizit auf intersektionale Aspekte ein, indem er von einer ihnen inhärenten „social equality“ (1989: 42) spricht.

18 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Studien zu Orten insbesondere des Nachtlebens belegen jedoch, dass sie genderspezifisch konnotiert sind und zumindest in Bezug darauf kaum von einer Inklusivität und sozialen Integrationskraft gesprochen werden kann. Zudem finden Genderaspekte sowohl in bisherigen Veröffentlichungen zur Bedeutung der kreativ-urbanen Milieus für die Stadtentwicklung als auch in Arbeiten, die die Orts-Ressource der kreativ-urbanen Milieus in Bezug auf Arbeitsorte behandeln, wenig Beachtung. Zwar existieren aktuelle Untersuchungen zur generellen politischen Teilhabe aus der Geschlechterperspektive (vgl. Friedrich 2013) sowie zu Governance-Fragen aus Genderperspektive in der Stadtentwicklung (vgl. Wotha 2013), jedoch nicht auf raumbezogener milieuspezifischer Ebene. Aufgrund der genderspezifischen Konnotation von (teil-)öffentlichen Räumen (vgl. Dörhöfer 2000; vgl. Grüger 2000; vgl. Bauriedl et al. 2010; vgl. Wastl-Walter 2010) und damit auch von Dritten Orten scheint dies jedoch dringend erforderlich. Neben den zu untersuchenden Aspekten in Bezug auf sozial konstruierte Geschlechter müssen in diesem Zusammenhang auch intersektionale Aspekte Beachtung finden (vgl. Scambor/Zimmer 2012). Denn wie neuere Publikationen nahelegen, muss Gender als interdependente Kategorie gedacht werden, um in analytisch produktiver Weise Ungleichheitsaspekte wahrnehmen zu können (vgl. Dietze et al. 2007). An dieser Stelle zeigt sich, dass der Bedarf an Untersuchungen, die eine gendersensible Perspektive einnehmen, gegeben ist. Bislang existieren keine umfassenden Studien zu den Handlungsfeldern von Stadtentwicklungspolitik im Spannungsfeld zwischen dem Bedürfnis nach Bottom-Up-Ansätzen und strategischer Stadtentwicklung, die dem Umgang mit kreativ-urbanen Milieus gerecht werden. Dabei sind im Fall der vorliegenden Arbeit nicht dezidiert die Einflussmöglichkeiten der Stadtentwicklungsplanung auf das Milieu von Interesse, es geht also nicht darum, ob und wie Kreativität in der Stadt planbar ist (vgl. bspw. Klotz 2014). Es geht vielmehr darum, insbesondere die Steuerungsperspektiven der kreativ-urbanen Milieus auf die Entwicklung von Städten herauszustellen, in denen ihre Orte als materielle Vergegenständlichungen ihres „kreativen Kapitals“ (Dangschat 2006; Frey 2009: 113) sichtbar werden. Raum und Ort sind dabei als soziale Gebilde anzusehen, die durch Bedeutungszuschreibungen ‚geschaffen‘ werden, ohne die Existenz des physischen Raumes außer Acht zu lassen. Dies wird mittlerweile in der sozial- und raumwissenschaftlichen Forschung als akzeptiert angesehen (vgl. Christmann 2016). Zu der Entstehung und Aneignung von Dritten Orten der kreativ-urbanen Milieus, deren spezifischen Merkmalen und nicht zuletzt zu deren Bedeutung, sowohl für Stadtentwicklung, für Governanceprozesse als auch für die kreativurbanen Milieus selbst, existieren derzeit jedoch weder Untersuchungen noch theoretische Erklärungsansätze.

Einleitung | 19

Zudem fehlt es bei der Betrachtung der Kreativen bislang an der Anerkennung dafür, dass nicht nur die üblichen, prosperierenden Großstädte wie Berlin, Zürich oder London versuchen, sie als Wirtschaftssubjekte und Impulsgeber zu binden, sondern auch kleinere, im großen Kreativzirkus eher unbekannte Städte ein deutlich wahrnehmbares Interesse daran haben. Gleichsam fehlt es an der Aufmerksamkeit dafür, dass auch in jenen Städten kreatives Potenzial verborgen zu sein scheint, die nicht eben als Kreativmetropolen gelten, in denen Kreative aber zur Stadtentwicklung auf vielfältige Weise beitragen, ohne dass dies von der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen werden würde. In diesem Zusammenhang ist die für diese Arbeit als Fallbeispiel gewählte Stadt Braunschweig anzuführen. Braunschweig verfügt u.a. aufgrund der Technischen Universität und der Hochschule für Bildende Künste über eine ausgeprägte Kreativszene und weist erste Hinweise auf eine institutionalisierte Netzwerkbildung auf. Auf der anderen Seite ist die Stadt aufgrund ihrer Größe mit rund 250.000 Einwohner_innen und ihrer Lage zu konkurrierenden Großstädten wie Berlin und Hamburg ein typisches Beispiel für die Herausforderungen, vor denen mittelgroße Großstädte stehen.

1.2 FORSCHUNGSLEITENDE FRAGENKOMPLEXE Aus dem im vorangegangenen Kapitel dargestellten Problemaufriss ergeben sich für die vorliegende Arbeit folgende forschungsleitende Fragekomplexe, die im Laufe der Darstellung beantworten werden sollen. Bedeutung Dritter Orte kreativ-urbaner Milieus Welche Bedeutung haben die Dritten Orte der kreativ-urbanen Milieus für die Stadtentwicklung einerseits und die kreativ-urbanen Milieus andererseits? Genese Dritter Orte kreativ-urbaner Milieus Wie lassen sich relevante Dritte Orte eines kreativ-urbanen Milieus identifizieren? Wie entstehen die Dritten Orte der kreativ-urbanen Milieus, wie werden sie sozial produziert und angeeignet? Welche Merkmale kennzeichnen die Dritten Orte? Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang der physische Raum?

20 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Soziale In- und Exklusionslinien Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus Welche genderspezifischen Aspekte sind mit Dritten Orten verbunden? Welche intersektionalen Aspekte sind in diesem Zusammenhang beobachtbar? Sind die Dritten Orte integrierende Gebilde und zeigen einen egalitären Charakter oder weisen sie Exklusionstendenzen auf und wenn ja, in Bezug auf wen? Implikationen für die Stadtentwicklung Welche Implikationen sind aus den vorangestellten forschungsleitenden Fragen für eine nachhaltige und gendersensitive Stadtentwicklung abzuleiten? Wo besteht weiterer Forschungsbedarf?

1.3 AUFBAU DER ARBEIT UND FORSCHUNGSDESIGN In der vorliegenden Arbeit findet eine Verknüpfung von die Kreativen betreffenden gesamtgesellschaftlichen Lagen und Wandlungstendenzen der Makroebene mit der Mesoebene des lokal verankerten kreativ-urbanen Milieus und der Mikroebene der diesem Milieu zugehörigen Individuen und ihren Handlungs-, Wahrnehmungs- und Interpretationsstrukturen statt. Dabei wird in Bezug auf das in Abbildung 1-1 dargestellte Schaubild von außen nach innen vorgegangen, indem in den vorderen Kapiteln zunächst gesamtgesellschaftliche Thematiken der Makroebene in theoretischer Weise erläutert werden (Kapitel 2 und 2.4.5), um in einem zweiten Schritt auf die Mesoebene in Form des Konzepts des kreativurbanen Milieus einzugehen sowie auf die Dritten Orte als Untersuchungsgegenstand hinzuleiten (Kapitel 4). In den darauf folgenden Kapiteln werden die individuellen Erfahrungen, Erlebnisse, Interpretationen und Wahrnehmungen von Mitgliedern des kreativ-urbanen Milieus der Stadt Braunschweig in Bezug auf ihre relevanten Dritten Orte dargestellt (Kapitel 5), es findet also eine Analyse der Mikroebene statt.

Einleitung | 21

Abbildung 1-1: Forschungsdesign der vorliegenden Arbeit

Quelle: eigene Darstellung

Die Annahme der sozialen Produktion von Raum, Ort und Gender liegt in Bezug auf das Schaubild quer zu den Ebenen, durchzieht also die gesamte Arbeit. Innerhalb des ersten auf diese Einleitung folgenden Hauptkapitels des theoretischen Teils der Arbeit (Kapitel 2) werden folglich die als gesamtgesellschaftlich anzusehenden Aspekte der Themenbereiche Raum, Ort und Gender dargestellt. Dabei wird in Kapitel 2.1 zunächst darauf hingeleitet, welche Verständnisse von Raum und Ort der Arbeit zugrunde liegen (Kapitel 2.1.1 bis 2.1.3), wie der Begriff Ort im Verhältnis zum Begriff Raum gesetzt wird (Kapitel 2.1.4), warum Räume und Orte als von atmosphärischen Qualitäten durchsetzte, sozial hergestellte Gebilde anzunehmen sind (Kapitel 2.1.5) und mit welchem Verständnis von Atmosphäre die vorliegende Arbeit operiert (Kapitel 2.1.6). In Kapitel 2.2 wird darauf eingegangen, inwiefern Räume und Orte als genderspezifisch und intersektional konnotiert angesehen werden müssen. Dies geschieht, indem in einem ersten Schritt eine Darstellung des Verständnisses der Begriffe Geschlecht, Gender und Intersektionalität gegeben wird (Kapitel 2.2.1). In einem zweiten Schritt werden diese Begriffe in ihrer Verschränkung zu urbanen Räumen und Orten erläutert (Kapitel 2.2.2). In Kapitel 2.3 wird auf die Aneignung von Räumen und Orten abgestellt, indem der Aneignungsbegriff mit dem in den Kapiteln 2.1.3 und 2.1.4 dargestellten angewandten Raum- und Ortsverständnis verknüpft wird und so eine Operationalisierung des Begriffs für die vorliegende Untersuchung erarbeitet wird. In Kapitel 2.4 werden die in den vorangestellten

22 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Kapiteln dargestellten Thematiken mit der derzeitigen Verfassung des öffentlichen urbanen Raums ins Verhältnis gesetzt. Dabei werden derzeitige Entwicklungen bezüglich öffentlicher Räume skizziert (Kapitel 2.4.1 bis 2.4.4) und es wird herausgearbeitet, wie sie mit den in den vorangegangenen Kapiteln dargestellten Thematiken in Verbindung stehen. Darüber hinaus wird begründet beschrieben, wie öffentliche Räume für diese Arbeit gefasst werden (Kapitel 2.4.5). Kapitel 3 befasst sich mit der in jüngerer Zeit postulierten neuen Attraktivität der Städte und dem damit zusammenhängenden Bedeutungsgewinn von Kreativität in Wirtschaft und Gesellschaft. Dabei werden in Kapitel 3.1 zunächst die für Kreative bedeutsamen Implikationen der Transformation zu einer Dienstleistungs- und Wissensökonomie in den Fokus genommen, indem relevante gesellschaftliche, insbesondere den Arbeitsmarkt betreffende Wandlungstendenzen, die mit den Begriffen Flexibilisierung und Entgrenzung fassbar werden, dargestellt werden (Kapitel 3.1.1). Kapitel 3.1.2 geht darauf ein, inwiefern diese Veränderungen mit einem gewandelten Verständnis des Begriffs Kreativität in Verbindung stehen und stellt die theoretische Überleitung zur Bedeutung, die Kreativität für die Stadtentwicklung (Kapitel 3.2) eingenommen hat, dar. In Kapitel 3.3 werden relevante kreativitätsorientierte Ansätze der aktuellen Stadtentwicklungspolitik erläutert und eine Rückverbindung zu den allgemeinen gesellschaftlichen Wandlungsprozessen gezogen. Kapitel 4 befasst sich schließlich in theoretischer Weise mit der Mesoebene, dem kreativ-urbanen Milieu und seinen Dritten Orten. Dafür werden zunächst relevante Milieukonzepte vorgestellt und zu dem Konzept der kreativ-urbanen Milieus abgegrenzt (Kapitel 4.1), bevor das angewandte Konzept erläutert wird (Kapitel 4.2). In Kapitel 4.3 wird auf die Ressourcen eingegangen, die für kreativ-urbane Milieus als konstituierend und gleichsam analysierbar angenommen werden, wobei die sogenannte Orts-Ressource in Gestalt der Dritten Orte des Milieus besondere Aufmerksamkeit erfährt (Kapitel 4.4). In Kapitel 5 wird dann in den empirischen Teil der Arbeit übergegangen, der sich mit der Mikroebene, also einzelnen Mitgliedern des betrachteten kreativurbanen Milieus befasst. Der empirische Teil der Arbeit gliedert sich in die Darstellung und Begründung des gewählten Untersuchungsraums in Gestalt der Stadt Braunschweig (Kapitel 5.1), die Beschreibung und Begründung der angewandten Methodik (Kapitel 5.2 bis 5.2.2.2) und die Darstellung der empirischen Ergebnisse auf (Kapitel 5.3 bis 5.3.17). Kapitel 5.4 fasst die Erkenntnisse aus dem empirischen Teil der Arbeit thesenförmig aggregiert zusammen. Im sich anschließenden Fazit werden schließlich die wichtigsten Ergebnisse aus theoretischem und empirischem Teil der vorliegenden Arbeit synthetisierend zusam-

Einleitung | 23

mengebracht (Kapitel 6). Dies geschieht, indem die eingangs formulierten forschungsleitenden Fragen beantwortet (Kapitel 6.1 bis Kapitel 6.3) und unter der Darstellung der Implikationen für eine zukunftsgerichtete und gendersensible Stadtentwicklung Ansatzpunkte für potentielle Folgeforschungen eröffnet (Kapitel 6.4) werden.

2

Raum, Ort und Gender „Ich wollte soweit Mann sein, dass ich in Bereiche und Milieus eindringen konnte, die mir als Frau verschlossen waren.“ George Sand, 11855

Raum, Ort und Geschlecht beziehungsweise Gender als allgegenwärtige Kategorien der Differenz sind einerseits Produkt und andererseits zugleich Voraussetzung ihrer eigenen Produktion durch Perzeption und Kommunikation. Beide Kategorien beeinflussen die Konstruktion der Realität über Wertvorstellungen, Deutungsmuster und damit verbundene Machtverhältnisse und soziale Positionierungen. Um zu begründen, warum der Raum als eine allgegenwärtige Differenzkategorie angenommen werden kann und um zu einer begründeten eigenen Positionierung zu gelangen, werden im Folgenden zunächst die verschiedenen Verständnisse und Sichtweisen dessen, was Raum ist, dargestellt und die Bedeutung der Annahme eines sozial produzierten Raums verdeutlicht (vgl. Kapitel 2.1 bis Kapitel 2.1.3). Darauf aufbauend erfolgt eine Bestimmung des Verhältnisses von Räumen und Orten zueinander (vgl. Kapitel 2.1.4) sowie eine theoretische Annäherung an diejenigen Faktoren, die Räume und Orte atmosphärisch ausmachen (vgl. Kapitel 2.1.5). Dies dient dazu, auf das in Kapitel 2.1.6 erläuterte Begriffsverständnis für die vorliegende Arbeit hinzuleiten. Über das Verständnis des Aneignungsbegriffs für Räume und Orte (vgl. Kapitel 2.3) wird die derzeitige Lage des öffentlichen Raums (vgl. Kapitel 2.4.1) unter der Beachtung von Geschlechts-, Gender- und Intersektionalitätsaspekten als weitere angenommene Kategorie der Differenz (vgl. Kapitel 2.2 bis Kapitel 2.2.2) unter der Begründung des angewandten Begriffsverständnisses des öffentlichen Raums (vgl. Kapitel 2.4.5) als Untersuchungsgegenstand definiert. 1

George Sand ist der Künstlername der französischen Schriftstellerin AmandineAurore-Lucile Dudevant (1804-1876) (vgl. Wehinger 2006: 189).

26 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Die aktuellen Entwicklungen und Problemlagen, die mit dem Verhältnis von (öffentlichem) Raum, Ort und Gender in Verbindung stehen, werden darauffolgend in theoretischer Betrachtungsweise thematisiert (vgl. Kapitel 2.4.2 bis Kapitel 2.4.4) und leiten zu dem in Kapitel 2.4.5 dargestellten Begriffsverständnis für die vorliegende Arbeit hin.

2.1 SOZIALE KONSTRUKTION VON RAUM UND ORT „Ein (Ding)Wort ist der Name eines Dinges und sagt uns, was für eine Art von Ding dieses Ding ist. Deshalb neigt man leicht zu dem Aberglauben, ‚Raum‘ sei der Name eines Dinges namens ‚Raum‘ und sage, was der Raum für ein Ding ist. Das hat man uns schon als Kindern einprogrammiert: Wir fragten, was das sei – und man nannte uns einen Namen; daraufhin glaubten wir erfahren zu haben, was das für ein Ding ist.“ Gerhard Hard/Dietrich Bartels 1977

In jeder Gesellschaft ist der Begriff Raum ebenso wie der Begriff Ort durch vielfältige Bedeutungszuschreibungen und Vorstellungen geprägt. Diese unterscheiden sich in Abhängigkeit von Fachdisziplin und Forschungsthematik (vgl. bspw. Günzel 2010) sowie nach Konstitution der Gesellschaft (vgl. Herlyn 1990). Konzeptionen von Raum sind immer mit der Konzeption von Gesellschaft verbunden und bedingen sich gegenseitig (vgl. Schmid 2005: 29). Aufgrund dessen sind Begriffsannäherungen und letztlich Definitionsversuche über den Raum mit der Zeit einer Veränderung unterworfen, sodass sich eine feststehende, allgemeingültige Beschreibung des Begriffs bislang nicht durchsetzen konnte, zumal nicht über verschiedene Fachdisziplinen hinweg. Obwohl sich die Geografie als Raumwissenschaft 2 versteht, ist auch diese Disziplin geprägt durch unterschiedliche Raumvorstellungen. So sind gleichermaßen konkrete physisch gebundene Räume 3, wie beispielsweise ein bestimmtes 2

Zur detaillierten Beschreibung des geografischen Selbstverständnisses im Zeitverlauf siehe Lippuner, Roland (2005).

3

Bruno Fritzsche (2000: 19) weist zurecht darauf hin, dass die Bezeichnungen „konkreter, physischer oder objektiver Raum […] Kurzformeln [sind], um den über Objekte definierten vom abstrakten Raum abzugrenzen“.

Raum, Ort und Gender | 27

Stadtquartier, als Untersuchungsgegenstand in der Geografie existent, aber auch Räume ohne materielle und dreidimensionale Struktur, die sich ausschließlich durch soziale Interaktionen ergeben, wie beispielsweise der Arbeitsmarkt (vgl. Wastl-Walter 2010: 28). Unabhängig davon, welche Art von Räumen betrachtet wird, ist „die Erarbeitung geographischen Wissens […] immer an eine spezifische Raumkonzeption gebunden. So ist dieses Wissen im weitesten Sinne Produkt der Verwendung raumbezogener Konzepte zur Darstellung fachrelevanter Wirklichkeitsbereiche“ (Werlen 2012: 142). Generalisierend kann Raum in der Geografie als „eine Metapher verstanden werden, mit dem Zweck zu ordnen und Komplexität zu reduzieren“ (Egner 2010: 97). Trotz des Mangels an eindeutiger Bedeutungszuschreibung fungieren Raum und Ort als Konstanten in Artikulation und Zustandsbeschreibungen der Gesellschaft. Kurzum: Wird alltagssprachlich (und teilweise auch fachlich) über Raum und Ort gesprochen, wobei die Begriffe oftmals synonym verwendet werden (vgl. Kapitel 2.1.4), weiß niemand genau, wovon eigentlich gesprochen wird. 2.1.1 Der Containerraum und seine (vermeintliche) Überwindung „There are various ways in which we can think about space. It is crucial to formulate a proper conception of it if we are to understand urban phenomena and society in general; yet the nature of space has remained something mysterious to social enquiry.“ (David W. Harvey 1973: 13)

Dem alltagssprachlichen und -vorstellungsgemäßen Raumverständnis in der westlichen Welt liegt auch heute noch die Vorstellung zugrunde, dass der Raum, im Sinne Newtons Euklidischen Raums, eine dreidimensionale, gleichförmige und absolute Entität ist, die vollkommen unabhängig von den sich in ihr befindlichen Gegenständen und Personen existiert und in dem sich die Lage dieser Objekte durch die Angabe von Koordinaten in einem Koordinatensystem exakt beschreiben lässt. Der Raum ist in dieser Vorstellung ein invarianter Behälter, in dem sich ebenfalls invariante Objekte wie Gegenstände und Personen – „gesellschaftliche oder gesellschaftsrelevante ‚Rauminhalte‘“ (Läpple 1991: 191) befinden, die durch ihn um- oder eingeschlossen werden. Diese Vorstellung des Raums lässt sich mit der Metapher des Containers beschreiben und wird insbesondere in der Schulgeografie, beispielsweise in Gestalt des länderkundlichen

28 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Schemas, weiterhin verwendet (vgl. Abbildung 2-1). Nach Martina Löw (2015: 24) geht diese Vorstellung zurück bis in die Antike, obwohl der Raum zu dieser Zeit nicht als unendlich angenommen wurde, wie dies heute der Fall ist. Abbildung 2-1: Länderkundliches Schema nach Alfred Hettner (1932)

Quelle: www.el.rub.de/wiki/Meki/index.php/Länderkundliches_Schema

Der bis heute in der Alltagswelt und vor dem Spatial Turn auch in den Sozialwissenschaften gebräuchliche Raumbegriff (vgl. Schubert 2000: 11) zeichnet sich durch physisch-geografische Sichtweisen aus, indem der Raum als ein naturgegebenes, ein physisch real existierendes Ding mit ontologischer Struktur (vgl. Weichhart 1993: 225) verstanden wird. In diesem Verständnis ist Raum das Konstrukt, „worin sich alle Gegenstände befinden und worin sich alle Bewegungen und Veränderungen vollziehen. Der Raum ist bestimmt durch seine Dimensionen der Höhe, Breite und Tiefe, die ins Unendliche weisen. Innerhalb dieses unendlichen Raumes hat alles Konkrete seine Begrenzung, hat es im Verhältnis zu anderen räumlichen, den Raum erfüllenden Dingen seine […] Anordnung und Lage.“ (Thurnher 1992: 243)

Der Raum wird insofern als ein Hohlraum mit einer ihn umgebenden Hülle aufgefasst (vgl. Bollnow 1963), „dem kaum eine soziale Bedeutung zukommt, da er als vor jeder Erfahrung gegeben angenommen wird“ (Ruhne 2003: 60). Mit der Reduktion des Raums auf die reine physische Umwelt werden daraus folgend sinnliche Eindrücke und Erfahrungen bezüglich des den Menschen umgebenden Raums ausgeblendet und nur die materiellen Gegebenheiten erfasst, ohne diese in einen inneren Zusammenhang mit dem physischen Raum zu setzen. Der Raum ist in diesem Verständnis durch eine strikte Entkopplung gegenüber der Gesellschaft gekennzeichnet.

Raum, Ort und Gender | 29

Die klassische Physik mit ihren absolutistischen Raumvorstellungen wurde von der Relativitätstheorie 4 überholt und ist in die moderne Physik übergegangen. Damit einhergehend kam auch ein neues Raumverständnis auf, das insbesondere Albert Einstein prägte, in dem er den absoluten Raum (und die absolute Zeit) durch einen dynamischen, veränderlichen Raum ersetzt. Raum und Zeit sind sowohl vom Bezugssystem des Beobachtenden, als auch von der Verteilung und Bewegung der enthaltenen Materie abhängig, was zu einer Aufhebung des Dualismus von Raum und Materie führt. Eine statische Betrachtung des Raums ist in diesem Zusammenhang nicht mehr möglich. Gleichzeitig ist die strikte Unterscheidung von physisch existierendem Raum und dem, was menschengemacht ist, in der heutigen Vorstellung nicht mehr aufrechtzuerhalten. Geografie als „Wissenschaft der Orte, nicht der Menschen“ (Vidal de la Blache 1913: 297, zitiert in Werlen 2008: 57) anzusehen, entspricht einerseits nicht mehr dem Zeitgeist, ist gleichzeitig aber auch nicht als gegenstandsangemessen, mindestens für prominente Teildisziplinen der Humangeografie, anzusehen. Die Grenzen eines Containerraumkonzepts liegen darin, dass „die Mathematik bzw. die anschauliche oder die abstrakte Geometrie […] die Erfassung der physikalischen Welt in einem für praktische Zwecke hinreichenden Maße [ermöglichen]. […] Aber das Qualitative – so alle lebensbezogenen und lebens-‚erfüllten‘ Raumphänomene im Mediokosmos – bleibt ihnen entzogen.“ (Gosztonyi 1978: 1247)

2.1.2 Von der Physik zum Sozialen „Von der Vorstellung des Raums in panisches Entsetzen versetzt, krümmen sich die Menschen zusammen; ihnen ist kalt, sie haben Angst. Bestenfalls durchqueren sie den Raum, begrüßen sich traurig inmitten des Raums. Dabei ist dieser Raum in ihnen selbst, es handelt sich nur um etwas, das ihr eigener Geist geschaffen hat. In diesem Raum, vor dem die Menschen Angst haben, […] lernen sie zu leben und zu sterben; in ihrem geistigen Raum entsteht Trennung, Distanz und Leiden.“ (Michel Houellebecq 2001: 341)

4

Vgl. Albert Einstein (2012): Über die spezielle und allgemeine Relativitätstheorie. 24. Auflage. Springer Spektrum.

30 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Durch den physikalisch-naturwissenschaftlichen Raumbegriff wurden die sozialwissenschaftlichen und (sozial-)geografischen Konzeptionen von Raum einschlägig beeinflusst. Soziale Phänomene und Prozesse lassen sich jedoch mithilfe eines dynamischen, prozessualen Raumbegriffs leichter fassen, beschreiben und erklären als mit einem statischen. In diesem Zusammenhang ist die Entstehung des Begriffs des sozialen Raums anzusiedeln. Mit Pitrim Sorokin (1927) und seiner Untersuchung zu sozialer Mobilität begann sich dieser Begriff herauszukristallisieren. Der soziale Raum unterscheidet sich gegenüber dem abstrakten, geometrisch starren Raum insofern, als dass er am selben physikalisch existierenden Ort mehrfach ausdifferenziert ist. Vielfache Überschneidungen sozialer Räume existieren an ein und demselben physisch gesetzten Ort (vgl. Freytag 2014: 14), wobei die sozialen Räume abhängig von der Gruppenzugehörigkeit oder dem gesellschaftlichen Status des Individuums sind. Dieser Raumbegriff ist vor allem der Soziologie und Pädagogik zuzuschreiben, fand aber auch Eingang in die Stadt- und Sozialgeografie. Der Begriff des Sozialraums ist ebenso wie der Raumbegriff im Allgemeinen nicht eindeutig zu fassen. Je nach Disziplin (Soziologie, Geografie, Philosophie, Sozialer Arbeit etc.), der Anwendung in der Praxis (Stadtplanung, Architektur, Sozialpolitik etc.) und Untersuchungsdesign und -gegenstand unterscheidet sich deutlich, was unter dem Begriff verstanden wird (vgl. Alisch/May 2008: 7; vgl. Schuster 2010: 33ff.). Sozialräume werden je nach Fachdisziplin als Verortungsräume von Personen, als Räume der Ausdehnung von Aktionsradien oder als Lagerungsräume (relationale Räume) verstanden (vgl. Kessel et al. 2005). All jenen Deutungen des Begriffs ist jedoch gemein, dass der Raum ein gesellschaftlich oder auch individuell hergestelltes Produkt ist. Beeinflusst durch die Überlegungen Georg Simmels (1903), der raumbezogen die Transformationen im Seelenleben von Groß- gegenüber Kleinstadtbewohnern aufzuzeigen versucht, entwickelte sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Stadtsoziologie 5, in der davon ausgegangen wird, dass nicht der Raum an sich relevant ist, sondern das Handeln im Raum und dessen soziale Konsequenzen. Damit wird sich gegen das Verständnis des Raums als homogenes Konstrukt gewandt. Das soziale und räumliche Umfeld ist dabei kein Behälter mehr, in dem das Individuum wie in einem Käfig eingesperrt ist, sondern es wird aktiv durch das Individuum konstruiert, sodass Raum nicht ist, sondern wird (vgl. Selle 2013: 7).

5

Hier sind insbesondere Robert E. Park, Ernest W. Burgess und William I. Thomas als Hauptvertreter der Chicagoer Schule der Stadtökologie in Bezug auf die Sozialraumanalyse hervorzuheben.

Raum, Ort und Gender | 31

So geht Pierre Bourdieu (1991) davon aus, dass der soziale Raum zwar nicht sichtbar beziehungsweise beobachtbar, aber klassenspezifisch beschreibbar ist und seine Auswirkungen auf den physischen und somit sichtbaren und damit beobachtbaren Raum erklärbar macht. Dabei beschreibt Bourdieu den Raum als Dualität von physischem und sozialem Raum, eine Integration beider Konzepte findet bei ihm allerdings nicht statt (vgl. Löw/Steets/Stoetzer 2007: 45f.; vgl. Miggelbrink 2002a: 53). Henri Lefebvre (1974) geht mit seiner philosophisch-geografischen Verknüpfung von Räumlichkeit über eine solche dualistische Gegenüberstellung hinaus, die vor allem in der These „(Sozialer) Raum ist ein (soziales) Produkt“ (Lefebvre 1974: 35, eigene Übersetzung) bis heute nachwirkt (vgl. Alisch 2010: 104). Er geht ebenso davon aus, dass der Raum keine unabhängige Größe, keine materielle Realität an sich ist, sondern organisch und lebendig. Nach ihm entsteht Raum erst durch die ihn Nutzenden, die zur gleichen Zeit die ihn Produzierenden sind. Die Raumbildung allein mit der Physik erklären zu wollen, ist in dieser Sichtweise nicht möglich, wobei sie sich dennoch als Leitlinie, allerdings nicht als Modell der Raumproduktion anbiete (vgl. Schmidt 2005: 206). Für die Beschreibung seiner Theorie der Raumproduktion verwendet Lefebvre drei Ebenen beziehungsweise Dimensionen der Modalitäten der Raumproduktion: Das Wahrgenommene (le perçu), das Konzipierte (le conçu) und das Gelebte beziehungsweise das Erlebte (le vécu), denen bestimmte Räume jeweils zugeordnet werden können. Das Wahrgenommene bezieht sich dabei auf einen physisch-materiellen Raum, das Konzipierte auf einen mentalen Raum und das Erleben und Leben auf einen sozialen Raum (vgl. Meyer 2007: 314). Mit diesen Begriffen verbindet Lefebvre eine weitere Begriffstriade: die räumliche Praxis, die Repräsentation des Raumes und die Räume der Repräsentation (vgl. Lefebvre 1974: 48f.). Die Raumproduktion nach Lefebvre lässt sich analytisch folglich als eine Triade dialektisch miteinander verbundener Prozesse verstehen, die sich gegenseitig bedingen (vgl. Schmidt 2005: 207; vgl. Abbildung 2-2). Lefebvre stellt damit eine Trialektik der Räumlichkeit her (vgl. Soja 1990: 102), die über den Dualismus von beispielsweise Bourdieus Raumvorstellung hinaus weist.

32 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Abbildung 2-2: Die Triade der Raumproduktion nach Henri Lefebvre

Quelle: eigene Darstellung

Die erste Dimension der Raumproduktion, die räumliche Praxis, bezeichnet zunächst die materielle Ebene des Raums. Die materiellen Dinge, Elemente und Objekte, durch die der Raum mittels der Wahrnehmung über die Sinne gebildet wird, erfahren eine Verknüpfung zu einer räumlichen Ordnung des Gleichzeitigen. Mit dieser Dimension wird all jenes beschrieben, was durch Individuen im und mit dem Raum getan wird (Errichtung von beispielsweise Gebäuden und Straßen sowie die Nutzung des Raums). In der räumlichen Praxis wird der wahrgenommene Raum produziert, in dem sich Handlungen in der Form von materiellen Objekten oder fortdauernden Realitäten einschreiben (vgl. Schmidt 2005: 210f.). In dieser Vorstellung bringt „die räumliche Praxis einer Gesellschaft […] ihren Raum hervor; sie setzt ihn und setzt ihn voraus, in dialektischer Wechselbeziehung; langsam, aber bestimmt erzeugt sie ihn, beherrscht ihn und eignet sich ihn an. Um die räumliche Praxis einer Gesellschaft zu entdecken und zu analysieren, muss man ihren Raum entziffern.“ (Lefebvre 1974: 48)

Mit der zweiten Dimension der Raumproduktion, der Repräsentation des Raumes, zielt Lefebvre auf den konzipierten, rein gedanklich erfassten Raum. In ihm werden einzelne, in der räumlichen Praxis wahrgenommene materielle Elemente durch intellektuelle Leistung zu einer Vorstellung von Raum zusammengesetzt, die in der Konsequenz zu verbalen Beschreibungen des Raums und zu bildlichen Darstellungen, wie beispielsweise Landkarten und Stadtplänen führen. Diese Verknüpfungs- und Artikulationsleistungen stehen dabei in Abhängigkeit von gesellschaftlichen Konventionen und Diskursen.

Raum, Ort und Gender | 33

„Die Repräsentationen des Raumes, d. h. der konzipierte Raum der Wissenschaftler, der Planer, der Urbanisten, der Technokraten, die ihn zerlegen und neu gestalten, aber auch der Raum bestimmter Künstler, die sich in den Vorhöfen der Wissenschaft ansiedeln und das Erlebte und das Wahrgenommene mit dem Konstruierten gleichsetzen. Hier handelt es sich um den herrschenden Raum in einer Gesellschaft […]. Mit einigen Vorbehalten könnte man sagen, dass die Konzeptionen des Raumes auf ein System verbaler, also intellektuell entwickelter Zeichen hinstreben.“ (Lefebvre 1974: 48f.)

Die Repräsentationen des Raums sind durch ihren spezifischen Einfluss auf die Produktion des Raumes von großer Bedeutung. Sie sind die Voraussetzung der räumlichen Praxis und gleichzeitig durch sie inspiriert. Daraus folgend ist die Wahrnehmung des Raums ausschließlich mit der gleichzeitigen gedanklichen Konzeption des Raums möglich. Die dritte Ebene der Raumproduktion ist die Dimension des Erlebens des Raums, die Lefebvre mit dem Terminus Räume der Repräsentation beschreibt. Bei diesen geht es um eine symbolische Bedeutungsebene, die für die Erfahrung und das Erleben von Räumen entscheidend ist. Räumen werden symbolische Gehalte zugeschrieben, beispielsweise Repräsentationsräume politischer, kirchlicher oder wissenschaftlicher Macht. Nach Henri Lefebvre (1974: 49) sind „die Räume der Repräsentationen, das heißt der Raum, wie er durch die ihn begleitenden Bilder und Symbole hindurch erlebt wird, der Raum der Bewohner, der Benutzer. Es ist der beherrschte, also erfahrende und erlittene Raum, den die Imagination abzuwandeln und sich anzueignen sucht. Er überlagert den gesamten physischen Raum, indem er dessen Objekte symbolisch verwendet.“

Das Alltagsleben, das in den Räumen der Repräsentation stattfindet, verleiht eben diesen eine Gestalt. Sie sind erlebte und gelebte Räume und damit Räume der Darstellung. Sie sind Räume, die etwas repräsentieren, nämlich gesellschaftliche Werte, Normen, Gepflogenheiten. Sie sind gleichsam aber nicht die Repräsentationen des Raumes, sondern sie sind die Räume kollektiver Erfahrungen und Erlebnisse (vgl. Schmidt 2005: 223). Durch das Zusammenspiel dieser drei Ebenen oder Dimensionen entsteht nach Lefebvre Raum. Daraus ergibt sich, dass Raum nicht die bloße Anordnung von physikalisch existierenden Objekten ist, sondern eine in der Praxis intellektuelle und symbolische Herstellung von Relationen zwischen Objekten, die nicht invariabel gegeben ist, sondern die sich in einem Kreislauf permanenter Produktion und Reproduktion befindet (vgl. Abbildung 2-2). Die Trialektik des Raums findet nach Lefebvre gleichzeitig statt, indem Raum immerwährend zugleich

34 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

wahrgenommen, konzipiert und gelebt/erlebt wird. Eine trennscharfe Unterscheidung und damit isolierte Beobachtung der drei Prozesse ist nicht möglich, da jeder die anderen impliziert und gleichzeitig verbirgt, sie setzt und sie zeitgleich voraussetzt (vgl. Schmidt 2005:208), sich ein Prozess jeweils auf die anderen beiden Prozesse dialektisch bezieht. Letztlich charakterisiert der Raum mit seiner Entwicklung für Lefebvre die gesamte Gesellschaft, da sich „Gesellschaft nicht im Raum, sondern über den Raum“ reproduziert (Vogelpohl 2011: 234, Hervorh. im Original). Auf den Überlegungen Lefebvres aufbauend, entwickelte Edward Soja (1996: 8ff./70ff.) eine Trialektik des Raums, die auf der Wahrnehmung physisch-materieller Umstände (percieved spatiality), menschlicher Repräsentationen des Raums (concieved spatiality) sowie der gelebten Räumlichkeit der Individuen (lived spatiality) gründet. 2.1.3 Über relativistische zu relationalen Raumvorstellungen Man ist nie da, wo man ist, und dennoch kann es nicht gleichgültig sein, wo man ist; der Ort, wo man ist, gibt den Angelpunkt, damit wir die Ferne in unser Erleben heben können.“ (Max Frisch 1988: 100)

Im Gegensatz zu Raumkonzepten, die auf einem absoluten Raum aufbauen, verstehen relativistische Raumkonzepte den physisch existierenden Raum als Manifestation des gesellschaftlichen Raums (vgl. Kaspar/Bühler 2006: 92). Nach Bruno Fritzsche (2000: 19) werden Räume durch die Wahrnehmung von Beziehungen zwischen Objekten aufgespannt, die an unterschiedlichen Orten platziert sind. Ein Raum kann folglich nur durch mehrere Objekte konstituiert werden, indem er das „Dazwischenliegende“ ist. Räume sind in dieser Sichtweise immer relational. Auf der Konzeption von Lefebvre aufbauend, findet in jüngerer Zeit meist ein Raumbegriff Verwendung, der über die Analyse von Strukturen Raumkonstitutionen zu erklären versucht. So beschreibt Dieter Läpple in seinem „Essay über den Raum“ vier strukturelle Komponenten des Raums, den er mit dem Begriff des sich selbst gestaltenden und strukturierenden „Matrix-Raums“ belegt (1991: 196). Dieser Matrixraum setzt sich aus dem materiellen Substrat (physisch Existierendes), der gesellschaftlichen Praxis (der Nutzung und Aneignung), dem institutionalisierten und normativen Regulationssystem (Vermittlung zwischen dem Materiellen und der gesellschaftlichen Praxis beispielsweise in Politik und Verwaltung) und dem räumlichen Zeichen-, Symbol- und Repräsen-

Raum, Ort und Gender | 35

tationssystem (bspw. der Architektur) zusammen, sodass eine direkte Verbindung von Materiellem und Sozialem entsteht, worin der Übergang von einer relativistischen zum einer relationalen Raumvorstellung gelesen werden kann. „Ein gesellschaftlicher Raum ist dementsprechend aus dem gesellschaftlichen Herstellungs-, Verwendungs- und Aneignungszusammenhang seines materiellen Substrats zu erklären, in dem diese vier schematisch unterschiedenen Komponenten mit einander in Beziehung gesetzt werden. Als Resultat der materiellen Aneignung der Natur ist ein gesellschaftlicher Raum zunächst ein gesellschaftlich produzierter Raum. Seinen gesellschaftlichen Charakter entfaltet er allerdings erst im Kontext der gesellschaftlichen Praxis der Menschen, die in ihm leben, ihn nutzen und ihn reproduzieren.“ (Läpple 1991: 197, Hervorh. im Orig.)

In einer Linie mit Läpples Konzeption des Matrix-Raums steht Benno Werlens Konzept alltäglicher Regionalisierungen (vgl. Werlen 1995). In seiner handlungsorientierten Raumtheorie unterscheidet er drei Formen des „GeographieMachens“, durch das Räume entstehen: die produktiv-konsumtive, die normativpolitische und die informativ-signifikante (vgl. Werlen 2008: 304). Dabei fragt der produktiv-konsumtive Ansatz nach dem Prozess der Herstellung und der Rekonstruktion regionalisierender (raumbildender) Konsequenzen in Produktion und Konsum, der normativ-politische Ansatz danach, wie Raum durch normative Aneignung, politische Kontrolle und Macht in sozialer Handlung konstituiert wird. Der informativ-signifikative Ansatz fragt nach überindividuellen Bedeutungen, symbolischen Aneignungen und Repräsentationen des Raums (vgl. Werlen 2008: 303ff.). Raum, so die thesenartige Definition von Martina Löw (2015: 271), ist „eine relationale (An-)Ordnung von Lebewesen und sozialen Gütern an Orten“, also eine Struktur von materiellen Elementen und Menschen. In diesem Verständnis ist Raum an sich nicht gegeben, sondern er wird durch das (aktive) Anordnen von Elementen und ihren Relationen untereinander, sprich durch Handlungen, hervorgebracht. Die Schaffung oder Konstitution wird in diesem Handlungszusammenhang prozessual aufgefasst, den Löw in zwei sich reziprok ergänzende und in der Alltagspraxis kaum einzeln identifizierbare Prozesse der Raumkonstitution unterteilt, das Spacing und die Synthese (vgl. Abbildung 2-3), die mit zwei der Dimensionen der Raumproduktion bei Lefebvre (‚Räumliche Praxis‘, ‚Repräsentation von Räumen‘) vergleichbar sind (vgl. Kapitel 2.1.2).

36 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Abbildung 2-3: Der relationale Raum nach Martina Löw

Quelle: eigene Darstellung (nach Bingel/Wotha 2018:96)

Unter Spacing versteht Löw einen Platzierungsprozess „sozialer Güter oder Lebewesen bzw. das Sich-Platzieren derselben, das Bauen, Errichten oder Vermessen, auch das Positionieren primär symbolischer Markierungen, um Ensembles von Gütern und Menschen als solche kenntlich zu machen, das Platzieren von Informationen“ (Löw 2015: 225). Über Prozesse der Wahrnehmung, Vorstellung und Erinnerung werden die durch das Spacing platzierten, singulären Elemente miteinander verknüpft und als Räume zusammengefasst erkannt. So entsteht beispielsweise die Typisierung einer Einkaufszone als (An-)Ordnungsprinzip durch die Platzierung von Elementen wie Gebäuden, Straßenbelag, Einkaufenden, Lichtgestaltung, Ladengeschäften und deren Einrichtung und der Anordnung dieser Elemente in bestimmten Relationen und Verhältnissen. Es bedarf allerdings gleichzeitig der sinnlichen Wahrnehmung, Vorstellung und Erinnerung der sich darin befindenden Individuen, um den Raumtyp ‚Einkaufszone‘ als solchen erkennbar zu machen. Diese Verknüpfung von vorhandenen Elementen mit einer gewissen Wahrnehmung über eben diese Elementebündel und ihre Anordnung wird als Synthese verstanden. Ensembles von sozialen Gütern und Personen (beispielsweise Menschengruppen, Cliquen, Quartiere oder Gebäude) können in der Synthese zusammengefasst und als gruppierte Elemente in die Raumkonstitution eingehen, indem es die Syntheseleistung ermöglicht, „Ensembles sozialer Güter und Menschen wie ein Element zusammenzufassen“ (Löw 2015: 225).

Raum, Ort und Gender | 37

Mit dem (An-)Ordnungsbegriff werden die Dimensionen des Nebeneinanders ebenso betont wie die Handlungsaktivitäten von Personen bei der Raumkonstitution. Die Prozesse Spacing und Synthese kommen im Alltäglichen auf schablonenhafte Weise zustande. Bestimmten Raumtypen liegen bestimmte Ordnungsprinzipien, bestimmte Muster der Anordnung und der Wahrnehmung zugrunde. Räumliche Strukturen bilden sich aus Prozessen der Raumkonstitution mittels Spacing und Syntheseleistung heraus, die in sozial und institutionell feststehenden Regeln eingeschrieben sind (vgl. Löw 2015: 272). Dabei hat Raum an sich keine materielle Qualität inne, sondern ist immer als Beziehung zwischen Elementen oder Ensembles von Elementen zu interpretieren. Er wird jedoch als materiell erlebt, wenn die Bildung der Relationen durch die Anordnung der Elemente institutionalisiert ist, sich also eine Regelhaftigkeit herausgebildet hat. Die Prozesshaftigkeit des Löw’schen Raumbegriffs „bedeutet auch nicht, dass materielle Objekte für das menschliche Handeln unbedeutend wären. Sie beeinflussen das Handeln in einem vorstrukturierenden Sinn und wirken damit auf den sozialen Raum zurück“ (Kaspar/Bühler 2006: 94), beispielsweise dadurch, dass Gebäude sich wandelnde soziale Beziehungen überdauern (vgl. Fritzsche 2000: 20). Letztlich sind dreierlei prozessuale Voraussetzungen zur Erfahrung einer sinnstiftenden Ordnung notwendig, an denen sich die materielle Umgebung, das eigene Individuum und andere Personen in Beziehung setzen können: sinnliche Perzeptionen (visuell, taktil, akustisch und olfaktorisch), synthetisierende Verknüpfungen dieser als Interpretationsleistung und die persönliche (zunächst auch physische) Anwesenheit und damit Involviertheit. Für beide Raumkonstitutionsprozesse – Spacing und Synthese – bedient sich Löw des Konzepts des Habitus von Bourdieu (vgl. Löw 2015: 176f.). In diesem Konzept wird dem Körper eine zentrale Rolle bei der (Re-)Produktion gesellschaftlicher Strukturen zugeschrieben. Über verinnerlichte und körpergebundene Systeme von Wahrnehmungs- sowie Bewertungsschemata werden individuelle Handlungen vorstrukturiert und soziale Strukturen und Ordnungen in diesem Kreislauf reproduziert 6. „Jedes Habitat verlangt nach dem ihm entsprechenden Habitus, so wie umgekehrt der Habitus durch das Habitat, das heißt durch die vorgefundenen Raumstrukturen geprägt wird.“ (Fritzsche 2000: 21)

6

Vgl. hierzu ausführlich und allgemeinverständlich Krais/Gebauer (2002) und Lenger/Schneickert/Schumacher (2013).

38 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Im Spacing kommt dem Körper insofern eine entscheidende Rolle zu, als dass dieser Prozess an körperliche Aktivität, an Handlungen gebunden ist. Durch den Habitus werden sowohl Spacing als auch Syntheseleistung und damit die Raumkonstitution insgesamt beeinflusst, da beide Prozesse an Handlungssituationen gebunden sind und nur jenes platziert werden kann, das tatsächlich materiell existent ist. Weiterhin sind Platzierungen durch Körperlichkeit, Ethik, Ökonomie und juristische Gegebenheiten Grenzen gesetzt. Letztlich können verschiedene Raumkonzepte und -vorstellungen in der Geografie verkürzt in vier grobe Richtungen zusammengefasst werden. So wird beziehungsweise wurde Raum als Container, als System von Lagebeziehungen, als Kategorie der Sinneswahrnehmung oder als soziale Konstruktion aus Kommunikation und Handeln verstanden (vgl. Wardenga 2006: 21f.). Bei der oben dargestellten relationalen Theorie des Raumes nach Martina Löw handelt es sich originär um eine soziologische Perspektive. Dieser Ansatz kann jedoch in die geografische Forschung transferiert werden. Ihr Ansatz kann als Paradebeispiel für den Spatial Turn in den Geisteswissenschaften angesehen werden, der analog zu einem Cultural Turn in den Raumwissenschaften stattfindet (vgl. Werlen 2012: 142). Die Raumblindheit und Fokussierung auf die Analysekategorie Zeit in den Sozialwissenschaften lässt sich aus einer Ablehnung des territorial begrenzten Raums als Träger von Identität erklären (vgl. Löw 2001: 52), ist aber mit dem Spatial Turn überwunden worden, indem Raum mittlerweile als gesellschaftlich relevant anerkannt und nicht mehr nur als Hintergrund gesellschaftlicher Prozesse angesehen wird (vgl. Schroer 2008: 132). Seit den 1990er Jahren findet innerhalb der Gesellschaftswissenschaften wieder eine Auseinandersetzung mit dem Raum statt, die sich mit den Veränderungen des Sozialen im Zuge von Globalisierung, Technisierung und Digitalisierung und der damit erlebten „time-spacecompression“ (Harvey 1989: 306) zu begründen scheint. Eine strikte Trennung der Fachdisziplinen erscheint in diesem Zusammenhang heute weder gegeben noch wünschenswert. Vielmehr können sich Geistes- und Raumwissenschaften gegenseitig ergänzen und Perspektiven transdisziplinär erweitern. In den letzten Jahrzehnten wird dies zunehmend durchgeführt und die von Émile Durkheim und Max Weber mittels des Axioms „Soziales darf/kann nur durch Soziales erklärt werden“ (vgl. Brand 1998: 13) einst geforderte strikte Arbeitsteilung zwischen (Human-)Geografie und Soziologie scheint langsam aber sicher überwunden zu werden. Die Berücksichtigung von Raum in den Gesellschafts- und Kulturwissenschaften einerseits und die Überwindung der deterministischen Raumzentrierung in der traditionellen Geografie eröffnen für beide Disziplinen neue Forschungsperspektiven, auch wenn es innerhalb der Geografie durchaus Widerstand gegen

Raum, Ort und Gender | 39

eine Versozialwissenschaftlichung gab und gibt und „intensive – und teilweise auch polemische Debatten darüber geführt wurden, wo denn der (physische) Raum geblieben sei und in welchem Verhältnis […] das Materielle und das Immaterielle zu sehen seien“ (Christmann 2016: 10 7). Der Übergang „von der Erdkunde zur wissenschaftlichen (Sozial-)Geographie“ (Werlen 2012: 143) findet sich vornehmlich in Arbeiten, die der Strömung der Kritischen Geografie zuzurechnen sind 8. Diesen Arbeiten ist gemein, dass sie sich zu einem Raumbegriff, in dem der Raum als etwas Determinierendes und Gegebenes gefasst wird, distanzieren. Vielmehr wird eine konstruktivistische Perspektive eingenommen, in der von Interesse ist, „welche ideologischen Implikationen traditionelle geographische Weltbilder in Hinblick auf aktuelle sozial-kulturelle Verhältnisse haben, und dabei vor allem der Frage nachgeh[en], welche geographischen Praktiken (mit welchen Machtpotenzialen) für die aktuellen ‚gesellschaftlichen Raumverhältnisse‘ (Werlen 2008: 266) konstitutiv sind.“ (Werlen 2012: 144)

Es setzt sich eine zunehmend auch auf Empfindungs- und Wahrnehmungsaspekte ausgerichtete Sicht auf den Raum durch, die soziale, kulturelle und ökonomische Aspekte mithilfe einer verknüpften Dualität von Materiellem und Sozialem zu beschreiben und erklären versucht (vgl. Krajetzke/Schroer 2010: 192). Eine Annäherung an einerseits den materiellen, gebauten Raum und an andererseits die ihn (re-)produzierenden Personen und gesellschaftlichen Kräfte kann nur in einer Perspektive geschehen, die das Soziale und das Räumliche verbindet, denn „als soziales Produkt ist der Raum grundsätzlich mehr als bloß formale Grundlage aller gesellschaftlichen Vermittlungen, nämlich bereits deren Resultat. Die Neutralität des Raums ist deshalb nur eine scheinbare, die durch suggestive Kraft seiner Faktizität entsteht. Die triviale Tatsache, dass sozialer Wandel immer auch an konkret zu bezeichnenden Orten nachzuverfolgen ist, darf nicht zu dem Missverständnis führen, dass diesem Umstand weiter keine Beachtung zu schenken wäre. Im Gegenteil: Der Raum ist wesentlicher Bestandteil des sozialen Wandels, denn der Raum ist politisch-strategisch und ideologisch besetzt.“ (zum Felde/Alisch 1992: 173)

7

Christmann verweist in diesem Zusammenhang bspw. auf Meusburger 1999 und Zierhofer 2003.

8

Zur vertiefenden Auseinandersetzung mit der Entwicklung der Sozialgeografie vgl. Weichhart 2008.

40 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

2.1.4 Vom Raum zum Ort „Der Raum ist dem Ort, was die Ewigkeit der Zeit ist.“ (Joseph Joubert 9)

Ebenso, wie der Begriff des Raumes je nach Fachdisziplin und je nach gesellschaftlicher Konstitution unterschiedliche Bedeutungen aufweist (vgl. Kapitel 2.1.1 bis Kapitel 2.1.3), verhält es sich mit dem Begriff des Ortes. Im Alltagsgebrauch werden als Orte konkrete Plätze oder Stellen innerhalb einer wie auch immer gearteten Landschaft verstanden, an denen sich etwas Bestimmtes befindet, aber auch als ganze Dörfer oder Städte – Ortschaften – während Raum entweder als etwas sehr Abstraktes (beispielsweise auch im Sinne eines Zeitraums [vgl. Augé 2012: 87]) oder aber als ein geschlossenes, umbautes dreidimensionales Konstrukt im Sinne eines Zimmers bezeichnet wird. Auch in der Geografie findet eine Unterscheidung zwischen beiden Begriffen statt, die dem alltagsweltlichen Verständnis nicht unähnlich ist. So wird Raum „aus einer positivistischen Sicht als eine umfassende und abstrakte Kategorie definiert, während Ort in der phänomenologischen Tradition der Geografie eine begrenzte und konkrete Entität darstellt“ (Gregory 2000 nach Friedrich et al. 2007: 57). Der Übergang zwischen beiden Begriffen kann jedoch nicht als trennscharf bezeichnet werden, da vor allem in empirischen Studien aber auch in theoretischen Arbeiten beides synonym verwendet wird und keine stringente Abgrenzung deutlich wird (vgl. Friedrich/Herzig/Richter 2007: 58; vgl. Schuster 2012: 642). Gerade, weil jüngst darauf hingewiesen wird, dass Raum und Ort gemeinsam diskutiert werden sollten, „da sie sich gegenseitig ergänzen und bedingen“ (Escher/Petermann 2016: 7), ist es für die vorliegende Arbeit wichtig, ein separates Verständnis des Ortsbegriffs darzustellen. Insbesondere in der deutschsprachigen Literatur zeigen sich kaum oder keine Unterschiede in der Verwendung der beiden Begriffe. Eine Unterscheidung, die für die vorliegende Arbeit herangezogen werden kann, besteht darin, dass ein Ort zunächst als etwas Dingliches verstanden werden kann, das allerdings sozial konstruiert ist, indem dort Akteur_innen aufeinandertreffen und dadurch soziale Beziehungen entstehen. Dabei werden die Merkmale eines bestimmten Raumausschnitts, eines Ortes, kontinuierlich reproduziert und transformiert und ergeben einen gewissen Sense of Place, sodass sich Räume an Orten lokalisieren (vgl. Baum 2008: 66). Orte ergeben sich aus einer wahrnehmbaren, wenn auch nicht immer direkt sichtbaren,

9

Französischer Moralist (1754-1824), zitiert nach Thiem 2009:31.

Raum, Ort und Gender | 41

Differenz zu ihrer räumlichen Umgebung oder zu anderen Orten, „langfristig gesehen haben Orte also keine festgeschriebene einzigartige oder einmalige Bedeutung, sondern sie sind fragmentiert und multipel, sind dynamisch und haben variable Grenzen“ (Gebhardt 2008: 3). Sie sind jedoch zu einem konkreten Zeitpunkt für ein bestimmtes Individuum feststehend, erkennbar und zumindest zu einem gewissen Grad wahrnehmbar. Sie beeinflussen die sich in oder an ihnen befindlichen Personen auf jeweils spezifische Weisen. „Wir alle reagieren auf die Orte, an denen wir leben und arbeiten, bewußt oder unbewußt auf Arten, die wir kaum wahrnehmen oder über die wir erst jetzt Näheres erfahren. Im Alltagsleben der meisten Menschen geschehen Veränderungen immer schneller, was uns hilft, anspornt, mitunter auch zwingt zu lernen, daß unsere Umgebung, die von Menschen erschaffene wie die natürliche, nicht nur unmittelbare und nachhaltige Auswirkungen auf unsere Gefühle und unser Handeln hat, sondern auch unsere körperliche Gesundheit und geistige Leistungsfähigkeit. Diese Orte beeinflussen, wie wir uns selbst wahrnehmen, wie sicher wir uns fühlen, welche Arbeit wir leisten können, wie wir mit anderen Menschen kommunizieren, ja sogar die Fähigkeit, als mündige Bürger einer Demokratie zu handeln. Kurz gesagt, die Orte, an denen wir unsere Zeit verbringen, haben einen Einfluß darauf, wer wir sind und wer wir werden können. […] Unsere Verbindung zu den Orten, die wir kennen und die wir besuchen […] ist keineswegs abstrakt oder entfernt, sondern eng und überaus vielschichtig. Sie umhüllen uns, sind nahezu mit allem verbunden, was wir sind und denken.“ (Hiss 1990: 9f.)

In diesem Verständnis kann die begriffliche Abgrenzung von space und place innerhalb der (angelsächsischen) geografischen Disziplin gelesen werden. So beschreibt Taylor (1999) 10 zwei Grundtypen von Bedeutungszuschreibungen mithilfe dieser Begriffe (vgl. Tabelle 2-1). Auf diese Weise wird es mittels des Begriffs place möglich, dass „Ausschnitte der Umwelt als ‚konkret‘, ‚vertraut‘, durch persönliche Erfahrung, kollektive Erinnerung oder Narration bezeichnet werden, sie können eine Verknüpfung der eigenen Biographie mit erinnerten historischen Ereignissen und größeren Gruppen ermöglichen und auf diese Weise gegenüber anderen Orten herausgehoben werden […]. Demgegen-

10 Die Beschreibung findet in Anlehnung an Lefebvre (1974) und Tuan (2001 [1977]) statt und eher aus Sicht der politischen Geografie in Bezug auf Staaten oder Nationen. Nach Yi-Fu Tuan erfordert Space eine Bewegung von einem Platz zu einem anderen, während Place einen Space benötigt, um ein Place sein zu können (vgl. Rau 2013: 73).

42 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

über bezeichnet space die Möglichkeit, Raum als abstraktes, gegenüber Erfahrung, Bedeutung und Narration indifferentes Ordnungsschema einzusetzen.“ (Miggelbrink 2002a: 53, Hervorhebung im Original)

Dabei ist die Einordnung eines Ausschnitts des physisch-materiellen Raums als space oder place abhängig von der Perspektive oder Intention des Einzelnen oder von Gruppen (vgl. Taylor 1999: 12) und ein zentrales Thema für die geografische Forschung (vgl. Miggelbrink 2002a: 54; vgl. Harvey 1993: 4). Nach Thomás Valena (1994:17) haben Orte im Sinne von places eine soziale Dimension, da sie Bezugspunkte für Menschen darstellen. Sie sind Plätze der Zusammenkunft und verfügen in diesem Zusammenhang über kommunikatives Potential. Sie prägen soziale Verhaltensweisen und dienen als Lebens- und Beziehungsräume (vgl. Ipsen 2002: 242; vgl. Castells 1999: 75ff.). Tabelle 2-1: Space und Place als Konzepte Place

Space

eher konkret

eher abstrakt

bestimmter Ort

überall

empty place nicht möglich

empty space ist Geometrie

konsumierbar

produziert

Gebrauchswert

Tauschwert

Vertrautheit, alltägliche Routine/Erfahrung

unpersönlich

Geschichte/Erzählungen

Enthistorisierung

(imaginierte) Gemeinschaft

umfasst Vielzahl an Places

ermöglichend

verhindernd

Quelle: eigene Zusammenstellung in Anlehnung an Miggelbrink 2002a: 53

Die geografischen Konzeptionen von Place und Space, die sich an ein und derselben Location wiederfinden können, können in das raumsoziologisch geprägte Verständnis von Orten in Abgrenzung zu Räumen integriert werden. Nach Mar-

Raum, Ort und Gender | 43

tina Löw ist das Spacing als das Platzieren bzw. das Platziertsein von materiellen Elementen gebunden an konkrete Orte. Ein Ort ist in diesem Zusammenhang eine geografisch markierte Stelle, die das Entstehen von Räumen erst möglich macht. Es existiert allerdings ein doppelter, wechselseitiger Zusammenhang im Verhältnis von Raum und Ort, da konkrete Orte erst über die Ausstattung mit materiellen oder symbolischen Gütern als ebensolche Orte erkennbar werden. Die Konstitution von Raum erschafft Orte, Orte erschaffen den Raum, „der Ort ist […] Ziel und Resultat der Platzierung“ (Löw 2001/2015: 273). Ebenso wie im Verständnis vom Sozialraum (vgl. Kapitel 2.1.2) können verschiedene Räume an ein und demselben Ort existieren. Die Verknüpfung der platzierten Elemente ist abhängig von der Art und Weise des Betrachtens, der Perspektive und der Persönlichkeit der Betrachtenden, sodass sich unendlich viele Räume an einem Ort konstruieren lassen. Die Verknüpfung vorhandener Güter (materieller und sozialer Art) zu Räumen ist folglich immer spezifisch, sowohl in der aktuellen Wahrnehmung als auch in der Imagination und der Erinnerung an Räume und Orte. In diesem Zusammenhang sind Orte nicht auf eine bestimmte Maßstäblichkeit beschränkt (vgl. Valena 1994: 14) und sind im Zeitverlauf veränderlich, indem ein Ort „erst dann austauschbar [ist], wenn er […] seine ablesbare Geschichte, seine charakteristische Gestalt oder seinen vertrauten Gebrauch, seine Identität […] verloren hat“ (Krause 1999: 44). Eine feststehende objektive, also beobachterunabhängige Konstruktion, Beschreibung oder Darstellung von Orten kann in dieser Sichtweise nicht existieren, sie kann jedoch über das Verständnis der jeweiligen Beobachterpositionen deutlich gemacht werden. Eine Betrachtung dessen, was (an)geordnet wird sowie die Herstellung eben dieser (An-)Ordnung selbst ist in diesem Verständnis möglich. 2.1.5 Atmosphärische Qualitäten von Raum und Ort „Der Eindruck ist vielsagend, aber man kann nicht genau, schon gar nicht vollständig, sagen, was er sagt. Man weiß aber mehr davon als man sagen kann. Das wird an dem Eindruck klar, den man von einem etwas undurchsichtigen Menschen hat, mit dem man umgeht. Man lernt, ihn zu ‚nehmen‘, während noch ganz dürftig ist, was man von ihm zu sagen weiß.“ Hermann Schmitz 1985: 73 nach Werner Bischoff 2014: 193

44 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Räume und Orte sind umspielt und gefüllt von Atmosphären. Dies gilt für alle Räume und Orte, es existieren keine atmosphärenfreien Räume, mithin kann ihnen nicht ausgewichen werden (vgl. Baum 2008: 82). Sie können atmosphärisch behaglich, unbehaglich, gemütlich, bedrohlich, kalt etc. oder schwer fassbar und unmöglich mit einem Begriff beschreibbar sein. Obwohl der Atmosphärenbegriff äußerst abstrakt und auf den ersten Blick ebenso undurchschaubar11 anmutet wie der Raumbegriff, begleitet das Atmosphärische, das mit einem „Beiklang des Vagen und Nebelhaften verbunden“ (Bulka 2015: 12) wird, den Menschen permanent. Atmosphären werden auch metaphysisch als Aura von Orten, als Geister eines Raums (vgl. Bell 1997) 12, räumlich ausgedehnte Gefühle (vgl. Schmitz 1998 nach Bischoff 2014: 197), „Umgebungsgefühle“ (Hasse 2002a: 20) oder „immaterielles Sonderding“ (ebd.: 23) beschrieben. Es handelt sich bei der Atmosphäre allerdings nicht im engeren Sinne um eine Eigenschaft eines Raums oder Orts, sondern um einen wesentlichen Aspekt der Art und Weise, wie Individuen sich auf Räume und Orte beziehen, in denen sie sich befinden. Ebenso wie Räume sind Atmosphären individuell erfahrbar und nur zu einem gewissen Maße (re-)produzier- und damit planbar. Auch in der Humangeografie sind Atmosphären in der jüngeren Zeit Gegenstand des Interesses, wenn auch eher in einer marginalisierten Stellung, was auf die fehlende Anschlussfähigkeit des aus der Philosophie stammenden Begriffs und die damit einhergehende schwierige empirische Handhabung zurückzuführen ist (vgl. Kazig 2007: 167). Denn eine abschließend anerkannte Beschreibung dessen, was Atmosphären sind, was genau sie ausmacht, fehlt bislang. „Von einer disziplinübergreifend geteilten Definition des […] Atmosphärenbegriffs kann […] zur Zeit noch keine Rede sein.“ (Bulka 2015: 12) Es ist jedoch Common Sense, dass es sich bei Atmosphären nicht jeweils ausschließlich um materiell oder sinnlich Erfahrbares 13 handelt und Handlungen und Bespielungen von Orten einen Einfluss auf atmosphärische Qualitäten von Orten haben (vgl. Hassenpflug 2006). Gleichzeitig liegt in ihnen jedoch etwas Dinghaftes: Sie werden von Individuen nicht als et-

11 Zur Unübersichtlichkeit des Atmosphärenbegriffs vgl. die Zusammenstellungen von Dirmoser 2002 und Rauh 2012. 12 Hier wird vor allem auf die Wichtigkeit von vorhandener Geschichte für die Atmosphären von Orten abgestellt. 13 Dabei handelt es sich beispielsweise um Gegenstände, Gerüche, Geräusche, Geschichte(n), Strukturen, Texturen, Farben, Lichtverhältnisse, Symbole, Zeichen, Formen, Konstellationen, Sichtbeziehungen, klimatische Bedingungen, Wetterverhältnisse (vgl. auch Eco 2002 [1972]; Hasse 2002b: 66).

Raum, Ort und Gender | 45

was wahrgenommen, das in ihnen selbst liegt, sondern als etwas, das außerhalb des eigenen Körpers und Gefühlslebens existiert und damit von außen auf sie einwirkt, ihnen begegnet. Aufgrund dessen können Atmosphären auch nicht als reine Gefühle kategorisiert werden, da jene vom Individuum als in ihm selbst existent erlebt werden. Bei Atmosphären handelt es sich um „Halbdinge“ (Schmitz 1994:80; vgl. Böhme 2001: 61ff. nach Kazig 2007: 167). Nach Otto Friedrich Bollnow (1963: 231) sind es Stimmungen einer den Menschen umgebenden Umwelt. Dabei ist diese Umgebung „nichts Subjektives ‚im‘ Menschen und nichts Objektives, was ‚Draußen‘ in seiner Umgebung vorfindbar wäre, sondern betrifft den Menschen in seiner noch ungeteilten Einheit mit seiner Umwelt“ (Bollnow 1963: 231). Nach Martina Löw geschieht die Wirkung von Räumen über ihre Materialität. (Soziale) Güter erzeugen durch die Art und Weise ihrer (An-)Ordnung, ihres Spacings, eine Wirkung nach außen, die die Perzeption von Räumen beeinflusst. Die Wahrnehmung von Räumen und Orten, die synthetisierend über Sinneseindrücke geschieht, basiert auf der individuellen Bewertungs- und Handlungspraxis. Auch Atmosphären sind demnach sozial produziert, ebenso wie Raum (vgl. Kapitel 2.1.3), Ort (vgl. Kapitel 2.1.4) und Geschlechtszuschreibungen (vgl. Kapitel 2.2). Orten sind räumliche und stoffliche Eigenschaften inhärent. In ihrem Zusammenwirken werden sie allerdings nicht auf rationale, sondern auf sinnliche, subjektive Weise wahrgenommen. Sie können Emotionen hervorrufen. Löw (2015: 204) beschreibt diesen Umstand in Anlehnung an Heidegger (1985) und Bollnow (1989) damit, dass Räume „gestimmt“ sind, Bischoff bezeichnet dies als „gefühlsbezogene ‚Tönungen‘“ (2014: 191). „Wenn eine Fußgängerunterführung angsterregend, ein Arbeitszimmer nüchtern und ein Sonnenuntergang über dem Meer romantisch wirkt, so sei dies auf dessen Gestimmtheit zurückzuführen.“ (Löw 2015: 204) Dass es sich dabei allerdings nicht nur um Projektionen persönlicher, subjektiv wahrgenommener Befindlichkeiten auf die die Individuen umgebende Umwelt handelt, erklärt Löw mit dem Phänomen des „Umgestimmt-Werdens“ durch Räume und Orte. „Man betritt zum Beispiel hektisch ein kleines Geschäft, um noch schnell vor Ladenschluß die nötigen Einkäufe zu tätigen, und wird zum Beispiel durch ruhige Musik, angenehme Gerüche etc. in eine Stimmung der Gelassenheit versetzt. Räume entwickeln demnach eine eigene Potentialität, die Gefühle beeinflussen kann. Diese Potentialität werde ich […] Atmosphäre nennen.“ (Löw 2015: 204)

46 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Es kann aber auch eine umgekehrte Beeinflussung stattfinden, indem die innere Gestimmtheit (im Sinne einer individuellen Grundgestimmtheit, weniger im Sinne einer spontanen Laune) des Individuums auf die Wahrnehmung der Atmosphäre einwirkt (vgl. Kaspar 2013: 179). Löw beschreibt die Atmosphäre von Räumen als Zusammenspiel von Außenwirkungen von Arrangements sozialer und materieller Güter sowie von Menschen an Orten. Sie sind nicht direkt und unmittelbar sichtbar, aber sinnlich erfahrbar. Sie sind die „in der Wahrnehmung realisierte Außenwirkung sozialer Güter und Menschen in ihrer räumlichen (An)Ordnung“ (Löw 2015: 205). Sie stellt sich damit mit ihrer Begriffsdefinition in die Reihe mit Gernot Böhme (1995), der Atmosphären ebenso wenig als reine Projektionen der Individuen auf ihre Umwelt noch als reine objekteigene Eigenschaften versteht, sondern vielmehr als eine Einheit von wahrnehmendem Subjekt und wahrnehmbaren Objekten. So beschreibt Böhme (1995: 34) die Atmosphäre als die gemeinsame Wirklichkeit von Wahrgenommenem und Wahrnehmendem. „Sie ist die Wirklichkeit des Wahrgenommenen als Sphäre seiner Anwesenheit und die Wirklichkeit des Wahrnehmenden, insofern er, die Atmosphäre spürend, in bestimmter Weise leiblich anwesend ist.“ (Böhme 1995: 34)

Die einen Ort Nutzenden produzieren durch ihre Anwesenheit und ihr spezifisches Verhalten und Handeln eine jeweils spezifische Atmosphäre und sind zugleich Teil davon. Die Wahrnehmung über die menschlichen Sinne ist in Bezug auf das Erleben von Atmosphären zentral. Insbesondere Geräusche und Gerüche sind wesentliche Elemente (vgl. Böhme 1998a: 49; vgl. Böhme 1998b: 150; vgl. Simmel 1998: 197). „Die Gerüche sind ein wesentliches Element der Atmosphäre einer Stadt […], sind unausweichlich, sie sind jene Qualität der Umgebung, die am tiefgreifendsten durch das Befinden spüren läßt, wo man sich befindet. Gerüche machen es möglich, Orte zu identifizieren und sich mit Orten zu identifizieren.“ (Böhme 1998b: 150)

So bieten Gerüche eine Brücke zum Erinnern an bestimmte Orte und die dortigen Erlebnisse (vgl. Baum 2008: 82). Nach Jürgen Hasse (2014: 63) und Werner Bischoff (vgl. 2014: 192) richtet sich das Interesse der Stadtforschung bisher allerdings meist auf die sichtbaren, gegenständlich-objekthaften Gegebenheiten. Dies wird darauf zurückgeführt, dass über die mediale Bebilderung von (Stadt-) Landschaften und die Darstellung geografischer Umstände auf Karten eine Wahrnehmungsdisposition für das Sichtbare und damit eine „Präferenz für eine

Raum, Ort und Gender | 47

objektfixierte Weltaneignung“ (ebd.: 190) und eine „Hegemonie des Abbildbaren“ (ebd.: 195) besteht. Bei der Betrachtung von Atmosphären muss jedoch bedacht werden, dass die einzelnen Sinneseindrücke zusammenwirken und ein „simultanes Gesamterleben“ darstellen (vgl. Hasse 2002a: 26 mit Bezug auf Hiss 1990). So merkt Böhme (1995: 15) an, dass „das primäre Thema von Sinnlichkeit […] nicht die Dinge, die man wahrnimmt [sind], sondern das, was man empfindet: die Atmosphären.“ Nach Gernot Böhme nimmt das Individuum zunächst die Atmosphäre eines Raums wahr, um diese erst in einem zweiten Schritt auf analytische Weise in Farben, Gegenstände, Geräusche etc. herunterzubrechen. Diese Feststellung begründet er damit, dass dies insbesondere im Wechsel von einem Ort zum anderen deutlich werde, beispielsweise vom Gang von der befahrenen Straße in ein Café (vgl. Böhme 1995: 95). Dabei wird durch den Sehsinn ein distanzierteres und durch den Geruchssinn ein unmittelbares „Mitsein“ mit der Welt erfahren, da sich das Individuum seiner olfaktorischen, im Gegensatz zur visuellen Umwelt nicht entziehen kann (vgl. Bischoff 2014: 196). Atmosphären sind folglich eine Eigenschaft von Räumen und damit Orten, die nicht ohne subjektive Perzeption existiert. Nach Böhme (vgl. 1995: 96) hat diese Wahrnehmung zwei Seiten: Orte strahlen einerseits eine Stimmungsqualität aus, andererseits gibt es das Individuum, das sich als deutendes Subjekt am Ort befindet, an ihm sinnlich teilhat und sich dadurch der eigenen Leiblichkeit bewusst wird. Atmosphären sind gestimmte und zeitgleich stimmende Räume, sie sind von individueller Wahrnehmung und damit sinnlicher Erfahrung abhängig. Daraus resultiert, dass sie zahlreich und divers sind. Nach Hasse (2002a: 20f.) werden Individuen allerdings nur dann durch Atmosphären gestimmt, wenn „ihnen in gestimmter Sensibilität“ entgegengetreten wird, da sie „an den ‚Rändern‘ unserer sachlichen Aufmerksamkeit“ liegen. Über Atmosphären zu sprechen ist einerseits aufgrund dieses Umstands schwierig, andererseits auch, weil das Denk- und Sprechvermögen einer gewissen Versachlichung unterworfen ist, die es erschwert, über Gefühle zu sprechen, die Teil der Atmosphäre sind. In diesem Zusammenhang fasst Hasse (2002a: 21) zusammen: „Im Bereich der Gefühle erleben wir uns als beredsame Stammler“. Laut Böhme und Hasse befassen sich ganze Berufszweige mit der Inszenierung von Atmosphären (vgl. Böhme 1955: 87; vgl. Hasse 2002a: 27ff.; vgl. Hasse 2002b: 66). Durch Positionierungen werden, analog der Löw’schen Spacingund Syntheseleistung, Räume und damit Atmosphären vorkonstruiert, um dem Individuum den Wiedererkennungsprozess in der Raumkonstitution zu erleichtern und diesen zu beeinflussen. Atmosphären lassen sich beispielsweise über die Anwendung von Farb-, Duft-, Lichtkonzepten und akustischen Reizen gezielt inszenieren. Diesen Inszenierungen sind jedoch Grenzen gesetzt, indem sie erstens

48 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Beschränkungen der Situationen vor Ort unterliegen (vgl. Hasse 2002b: 66f.) und zweitens die Syntheseleistung jeweils eine individuelle ist. Aufgrund dessen herrscht immer eine gewisse Ungewissheit über die Wirkung inszenierungstechnischer Platzierungen. Für Böhme allerdings sind Atmosphären objektiv wahrnehmbar, obwohl andere Untersuchungen 14 dieser Auffassung entgegenstehen (vgl. Löw 2015: 208f.). Die Atmosphäre von Räumen entsteht durch die Korrelation der Wahrnehmung symbolisch-materiell platzierter Elemente oder Ensembles von Elementen sowie deren Wirkung auf die Individuen. Die Wahrnehmung ist dabei selektiv und durch Bildung, Sozialisation und „dem inkorporierten Kapital des Habitus“ (Dörfler/Manns 2012: 138) geprägt. Nach Michael Hauskeller (1995: 42ff.) ist die Wahrnehmung von Atmosphären weiterhin abhängig von zusätzlichen individuellen Voraussetzungen wie der sinnlichen Begabung, den (Vor-)Erfahrungen, der augenblicklichen Verfassung und der Bereitschaft, sich auf eine Atmosphäre einzulassen sowie zumindest teilweise der kulturellen Zugehörigkeit. Laut Hasse (2002b: 65) haben weitere subjektive Dispositionen „wie Wahrnehmungseinstellungen (pragmatische, ästhetische, theoretische) oder Erwartungshaltungen […], die auf die Erfüllung ganz profaner Zwecke gerichtet sein können“, Einfluss auf die Perzeption von Atmosphären. Räume und damit Orte besitzen eine Potentialität und damit verschiedene Atmosphären, die je nach habitualisierten 15 Wahrnehmungsmöglichkeiten der Individuen veränderlich sind und demnach eine soziale Positionsbestimmung beinhalten (vgl. Dörfler/Manns 2012: 138f.). In der Sichtweise von Atmosphären als Medium (vgl. Thibaud 2003; vgl. Kazig 2007) werden sie „als das Potenzial eines Raumes für die Ausprägung einer bestimmten Befindlichkeit“ (Kazig 2007: 179) von Personen verstanden, wobei verschiedene Räume oder Orte mit deutlich divergierenden Potenzialausstattungen versehen sind, eine jeweils unterschiedliche atmosphärische „Homogenität und Dichte“ (Hauskeller 1995: 42) haben, was unmittelbar mit der materiellen, „gebauten“ Materialität zusammenhängt. So verfügen beispielsweise Sakralräume wie Kirchen oder Moscheen mittels ihrer Einheitlichkeit und hohen Intensität der Umgebungsqualität über eine große Potentialausstattung, um die Befindlichkeit von Individuen zu berühren (vgl. Kazig 2007: 179).

14 Löw nennt hier als Beispiele: Ciompi (1988: 235f.) und Bourdieu (1982). 15 Zum Begriff des Habitus vgl. Lenger/Schneickert/Schumacher (2013) und Krais/Gebauer (2002).

Raum, Ort und Gender | 49

2.1.6 Angewandtes Begriffsverständnis von Atmosphären „Und dann brauche ich auch Zigaretten und anständigen Alkohol und muß auch jeden Tag mal in ein Lokal, um zu schreiben. Ich kann nun mal nicht den ganzen Tag zu Hause sitzen – ich brauche immer wieder mal eine veränderte Atmosphäre und so nebenbei was sehen und beobachten können.“ (Irmgard Keun 16 1935)

Aus den im vorherigen Kapitel 2.1.5 dargestellten Punkten, ergibt sich die Möglichkeit, den Begriff der Atmosphäre anhand folgender Punkte zu fassen: Atmosphären sind körpergebunden wahrnehmbar und keine immanente Eigenschaft von materiellen Objekten. Sie sind dennoch nicht ausschließlich individuell, sondern an das Äußere gebunden und schließlich als Beziehungen von Subjekten und Objekten existent. Sie sind „Vermittelnde zwischen Subjekt und sinnlich erfahrbarer Umgebung […], die auf der einen Seite die leibliche Befindlichkeit berühren, während sie auf der anderen Seite eine […] Umwelt in eine zusammenhängende und wohl definierte Situation verwandeln“ (Kazig 2007: 179). An dieser Stelle ergibt sich eine Anschlussfähigkeit für die geografische Forschung durch die Abkehr der rein auf Diskurse, Sprache und letztlich Repräsentationsfunktionen von Räumen fokussierten Neuen Deutschen Kulturgeografie hin zu einer die materielle Bedingtheit des Sozialen anerkennenden Humangeografie, innerhalb derer eine Art Rematerialisierung stattfindet (vgl. Jackson 2000 nach Kazig 2007: 168). Als Arbeitsdefinition für die vorliegende Untersuchung soll daher gelten: Atmosphären sind individuelle Gefühle, Sinneseindrücke und Assoziationen sowie auf das Individuum wirkende materielle und immaterielle Gegebenheiten im Zusammenspiel mit Handlungen, Inszenierungen und Bespielungen eines Orts (vgl. Abbildung 2-4).

16 Zitat entnommen aus Kennedy (2014: 147).

50 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Abbildung 2-4: Fragmente von Atmosphären

Quelle: eigene Abbildung

2.2 GESCHLECHT, GENDER, INTERSEKTIONALITÄT UND RAUM „Sind Männer und Frauen also alle gleich? Sie sind es genauso wenig wie alle Männer oder alle Frauen gleich sind. Frauen in den Führungsetagen der Banken hätten die Finanzkrise nicht verhindert und Männer können einfühlsame Erzieher sein. Niemand muss sich mehr in feste Rollen zwängen lassen, auch wenn rosa glitzernde Spielwarenabteilungen oder der Erfolg von Heidi Klums Germany’s next Topmodel einen gelegentlich daran zweifeln lassen.“ Mira Gajevic 2012: o.S.

Eine einfache Suche bei dem Onlinehändler Amazon nach den Begriffen ‚Mann‘, ‚Frau‘ und ‚Ratgeber‘ ergibt rund 1.770 Treffer (vgl. Abbildung 2-5). Es finden sich unter den Suchergebnissen Buchtitel wie „Männer sind anders, Frauen auch“, „Frau-Deutsch/Deutsch-Frau: Schnelle Hilfe für den ratlosen Mann“ oder „Männer verstehen für Dummies“. Darin offenbart sich, dass eine binäre Unterscheidung von Mann und Frau in der Alltagswelt eindeutig vorhanden ist. Es existiert eine gesellschaftlich verankerte und immer wieder reprodu-

Raum, Ort und Gender | 51

zierte Vorstellung von einer natürlich gegebenen Geschlechterdifferenz zwischen Männern und Frauen, wobei in jüngerer Zeit auch im Alltagsweltlichen immer häufiger die Rede von Inter- oder Transsexuellen ist, also Personen, die nicht durch das dualistische Schema erfasst werden. Abbildung 2-5: Online-Suche bei Amazon

Quelle: eigene Abbildung; Screenshot von www.amazon.de

Das Bundesverfassungsgericht hat 2017 entschieden, dass die Beschränkung auf die Unterscheidung von ‚männlich‘ und ‚weiblich‘ bei der Eintragung in Personenstandsregister mit Verweis auf das Persönlichkeitsrecht und das Diskriminierungsverbot als nicht grundgesetzkonform angesehen werden kann und es der Möglichkeit der Eintragung eines dritten Geschlechts (‚inter/divers‘) bedarf 17. Durch die mediale Rezeption dieser Entscheidung kann davon ausgegangen werden, dass die Diskussion in die breite Öffentlichkeit gelangen und so ein gesellschaftlicher Diskurs zu diesem Umstand zu Tage treten wird, in dessen Zuge weitere Veränderungen über die Personenstandsregister hinaus anzunehmen sind. 17 Auszug aus der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts vom 08.11.2017: „Die Regelungen des Personenstandsrechts sind mit den grundgesetzlichen Anforderungen insoweit nicht vereinbar, als § 22 Abs. 3 Personenstandsgesetz (PStG) neben dem Eintrag ‚weiblich‘ oder ‚männlich‘ keine dritte Möglichkeit bietet, ein Geschlecht positiv eintragen zu lassen. […] Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) schützt auch die geschlechtliche Identität derjenigen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen. Darüber hinaus verstößt das geltende Personenstandsrecht auch gegen das Diskriminierungsverbot (Art. 3 Abs. 3 GG), soweit die Eintragung eines anderen Geschlechts als ‚männlich‘ oder ‚weiblich‘ ausgeschlossen wird. Der Gesetzgeber hat bis zum 31. Dezember 2018 eine Neuregelung zu schaffen.“

52 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

2.2.1 Vom natürlichen Geschlecht zum sozialen Gender „The opposite strategies of naturalization and socialization are able to stupefy the mind only because they are always thougt of separately. But as soon as you combine the two moves, you realize that nature and society are two perfectly happy bedfellows whose opposition is a farce […].“ Bruno Latour 2012: 72

Im Vergleich zur im Kapitel 2.2 angerissenen alltagsweltlichen Perzeption des Geschlechterverhältnisses ist von wissenschaftlicher Seite, insbesondere der feministischen Forschung, die Kategorie Geschlecht als sozial konstruierte Wirklichkeit aufgedeckt und über die angelsächsische Debatte mit dem Begriff Gender belegt worden. Während mit sex im englischen Sprachraum das biologische, also das durch anatomische Merkmale sichtbare, vielfach auch das als natürlich bezeichnete Geschlecht gemeint ist, bezeichnet Gender das durch Gesellschaft und kulturelle Gegebenheiten, durch Zuschreibungen, Verhaltens- und Handlungsweisen, die in der Gesellschaft als männlich oder weiblich bewertet werden, geprägte soziale Geschlecht (vgl. Rudolph 2015: 12ff.). „Gender bezeichnet die Ausformung dessen, wie Geschlecht in einer bestimmten Kultur, in einer konkreten historischen Situation allgemein interpretiert und gelebt wird bzw. gelebt werden soll.“ (Tatschmurat 2007: 231)

Im Deutschen besteht eine „semantische Unschärfe“ (Wastl-Walter 2010:10; vgl. Butler 1997:9) des Begriffs Geschlecht. Für Gender existiert kein eindeutiges begriffliches Äquivalent, sodass es vielfach mit dem Begriffskonstrukt ‚soziales Geschlecht‘ übersetzt, in der Regel aber einfach übernommen wird. Die analytische Unterscheidung von biologischem Geschlecht und Gender als konstruiertem Geschlecht wirft jedoch Fragen auf, da „sie weiterhin an einer problematischen Trennung von Natur und Kultur, Körper und Geist festhält. Der Preis für die vermeintliche Stärke von Gender, sich der biologischen Determination zu entziehen, besteht darin, dass sex als irrelevant ausgeklammert wird und damit außerhalb der Geschichte zu stehen scheint. Damit wird die Biologie (sex) – als Grundlage von gender – weiter mitgeführt, zugleich aber dem Zuständigkeitsbereich feministischer Theorie entzogen.“ (Meissner 2008: 3f.)

Raum, Ort und Gender | 53

Ein anderes Verständnis des Begriffes geht daher davon aus, dass Gender als ein Zusammenspiel aus dem biologischen Geschlecht, körperlichen Faktoren und Faktoren der Sozietät verstanden werden muss (vgl. West/Zimmermann 1987). Eine scharfe Trennung von biologischem und sozialem Geschlecht findet in dieser Sichtweise nicht statt (vgl. Connell 2013: 28). Beiden Begriffsverständnissen von Gender ist jedoch gemein, dass die Wahrnehmung von Frauen und Männern als unterschiedliche Personengruppen vorrangig das Ergebnis von sozialen Zuschreibungen und Erwartungen ist, das durch Sozialisation, Medien und Wertevorstellungen vermittelt und immer wieder verfestigt wird. Geschlechtereigenschaften werden als soziales Geschlecht diskursiv konstruiert (vgl. Butler 1991) und einer Biologisierung unterworfen, indem die Gesellschaft eine Dualität von Mann und Frau durch Rollenmodelle produziert, die sämtliche sozialen Ebenen durchzieht (vgl. Scherr 2011). Die Verkörperung des Mann- beziehungsweise Frau-Seins, das was als normal und natürlich angesehen wird, der Geschlechtsidentität, ist in diesem Verständnis konsequent abhängig von Gesellschaft und Kultur und deren Historie (vgl. Hirschauer 1989: 115). Aufgrund des Umstands, dass Geschlecht beziehungsweise Gender die Wahrnehmung, Kognition und die Herausbildung bestimmter Verhaltensmuster und -repertoires sowie die Entwicklung bestimmter Handlungsstrategien bestimmt, kann es als Strukturkategorie aufgefasst werden (vgl. Gottschall 2001; vgl. Aulenbacher 2008). Im Gegensatz zur allgemeinen Ausrichtung der Frauenforschung wird in der Genderperspektive auch gezeigt, „dass das bipolare System von Zweigeschlechtlichkeit die soziale Konstruktion von ‚Mann-Sein‘ ebenso determiniert wie ‚Frau-Sein‘ und damit nicht nur ausschließlich Frauen unter rigiden Rollenstereotypen leiden, sondern viele Männer ebenso“ (Späte 2013: 114). Es sei hinzugefügt, dass das gesellschaftlich verankerte System der Zweigeschlechtlichkeit insbesondere für Personen, die sich keinem der beiden Geschlechter zugehörig fühlen und unter Umständen auch aufgrund biologischer Merkmale nicht eindeutig kategorisierbar sind, zu einer enormen psychischen Belastung führen kann. Gleiches gilt für Personen, die sich als nicht übereinstimmend mit ihrem biologisch zugeschriebenem Geschlecht empfinden. Insofern ist der Genderansatz ist keineswegs unumstritten. Die Kritik daran begründet sich darin, dass auch der Genderbegriff auf dem Vorhandensein einer bipolaren Unterscheidung von zwei Geschlechtern basiert (sex) und damit Geschlechterunterschiede immer noch biologisch begründet werden. Dies ist problematisch, da „sich schon die Biologie selbst als uneindeutiger und komplexer [zeigt], als in der Lesart des Alltagsverständnisses“ und „damit aus dem Blick [gerät], dass es sich auch bei Naturwissenschaften um gesellschaftliche Unter-

54 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

nehmungen handelt“ (Küppers 2012: 4) 18, die Geschlecht eher als Kontinuum betrachten, denn als zweipolig. Daraus folgt, dass auch die Biologie kein objektives Merkmal liefert, das die Differenz zwischen zwei Geschlechtern erklärt, ohne nicht auch gesellschaftliche Kontexte miteinzubeziehen (vgl. HagemannWhite 1988). „Wenn auf das ‚biologische Geschlecht‘ Bezug genommen wird als etwas, was dem sozialen Geschlecht vorgängig ist, wird es selbst zum Postulat, zu einer Konstruktion, die in der Sprache als das offeriert wird, was der Sprache und der Konstruktion vorhergeht.“ (Butler 1997: 26) 19

Als Konsequenz aus der Kritik am Genderansatz und der Heteronormativität der Gesellschaft kann das Aufkommen einer weiteren Kategorie angesehen werden: „,Queer‘ bezeichnet das Nicht-Eindeutig-Zuordnenbare, bezeichnet Dinge, Handlungen und Personen, die von der Norm abweichen“ (Mölders 2017: 93) und die nicht als statisch, sondern als prozessual aufgefasst werden (vgl. Abbildung 2-6) und insofern Geschlecht weniger als Struktur- und vielmehr als Prozesskategorie gefasst wird. Abbildung 2-6: Analyseperspektiven der Geschlechterforschung

Quelle: eigene Abbildung in Anlehnung an Hofmeister et al. 2013: 47ff. nach Mölders 2017: 94

18 In diesem Zusammenhang verweist Küppers (2012: 4) darauf, dass in den Naturwissenschaften zwischen dem chromosomalen Geschlecht (XY, XX), dem hormonellen Geschlecht (Hormonkonzentration), dem morphologischen Geschlecht (Genitalien, sekundäre Geschlechtsmerkmale) und dem gonadalen Geschlecht (innere Fortpflanzungsorgane) differenziert wird. 19 Butler kritisiert 1991 in „Das Unbehagen der Geschlechter“, dass die Vorstellung eines prädiskursiven, rein phänomenologisch geprägten Körpers nach Maurice MerleauPonty (1966) in der Wissenschaft weit verbreitet ist (vgl. Wastl-Walter 2010: 70).

Raum, Ort und Gender | 55

2.2.2 Gender und Intersektionalität als Ausdruck des Verhältnisses von sozialen und räumlichen Strukturen „Es ist der Geist, der sich den Körper baut.“ (Friedrich Schiller, Wallensteins Tod)

Die Basis der gendersensiblen Forschung zum Themenkomplex Raum und Ort besteht in der Feststellung, dass Räume in der Gesellschaft einen vergeschlechtlichten Charakter aufweisen, also in Räumen das gesellschaftliche Geschlechterverhältnis eingeschrieben ist (vgl. Wastl-Walter 2010: 77; vgl. Kapitel 2.4; vgl. Kapitel 2.4.4). (Nicht nur) die feministische Raum- und Stadtforschung hat sich infolge dessen in den vergangenen Jahrzehnten vor allem mit der Frage beschäftigt, in welcher Weise sich Geschlechterverhältnisse im Raum wiederfinden. Dies geschah insbesondere darüber, dass die alltagsweltliche Arbeitsteilung und die damit in Zusammenhang stehende geschlechterspezifische Konnotation von Privatheit einerseits und Öffentlichkeit andererseits ebenso betrachtet wurden (vgl. Fraser 2001: 142) wie die Geschlechterdifferenzen bezüglich der Verfügungsmöglichkeiten über soziale Ressourcen (vgl. Becker 2004: 377). „Dem bürgerlichen Konzept des 19. Jahrhunderts folgend, waren die Frauen zuständig für Reproduktion, Familie und Heim, also an die Privatheit gebunden. Die freie Wahl des Wechsels zwischen Öffentlichkeit und Privatheit, die Zugänglichkeit beider Sphären, die als Voraussetzung der Emanzipation bürgerlicher Individuen galt, blieb den Männern vorbehalten.“ (vgl. Dörhöfer 2000: 101)

In die gleiche Richtung weist Marc Augé (2012: 124f.), indem er sich auf das antike Griechenland beruft: „Von den Altertumsforschern wissen wir, dass im alten Griechenland zwei Götter über das Haus wachten: Hestia, Göttin des Herdes und dunkles weibliches Zentrum des Hauses, sowie Hermes, der Gott der Schwelle, nach außen gewandt, Beschützer der Austauschbeziehungen und der Männer, die das Monopol darauf besaßen.“

Mit den „Auseinandersetzungen und Aktivitäten der Frauenbewegungen“ (Schuster 2012: 634), spätestens aber mit der Veröffentlichung von Simone de Beauvoirs „Das andere Geschlecht“ (1949) und ihrem berühmten Zitat „Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es“ (de Beauvoir 1968: 265), ging die systematische Benachteiligung von Frauen in den wissenschaftlichen und politischen Diskurs ein, in Deutschland zu Beginn der 1970er Jahre (vgl. Hark 2005:

56 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

209). Dies führte in der Folge zur Abschaffung von Barrieren bezüglich der Erwerbsmöglichkeiten von Frauen, aber auch andere gleichstellungspolitische Ziele erfuhren gesetzliche Regelungen, wie beispielsweise die strafrechtliche Verfolgung häuslicher Gewalt (vgl. Späte 2013: 121; vgl. Wastl-Walter 2010: 136). Dennoch sehen sich Frauen noch immer mit strukturellen Ungleichheiten und Benachteiligungen konfrontiert. In Bezug auf die Geografie ging es zunächst darum, Frauen innerhalb der Disziplin sichtbar zu machen und zwar einerseits als Wissenschaftlerinnen und andererseits als Untersuchungsobjekte in geografischen Analysen (vgl. Knox/Marston 2008: 353). Die Polarität von Öffentlichkeit und Privatheit, von Erwerbsarbeit und unbezahlter ‚Heim-‘ oder ‚Familienarbeit‘ scheint mittlerweile überholt. „Mit einer steigenden Bedeutung von Erwerbsarbeit für die Identitätskonstitution von Frauen und Männern in der Wissensgesellschaft scheint eine geschlechtsspezifische Arbeitsteilung nach dem Vorbild der bürgerlichen Kleinfamilie mit einem männlichen ‚Alleinverdiener‘ kaum mehr vereinbar zu sein.“ (Pohl 2010: 46, Hervorh. im Orig.)

Die Datenlage spricht aber eine andere Sprache. In Deutschland ist noch immer die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung vorherrschend (vgl. Becker-Schmidt 2001). Männern wird primär die Erwerbsarbeit, Frauen die sogenannte Reproduktionsarbeit zugeschrieben, die sich in schlecht oder gar nicht entlohnten Tätigkeiten wie Betreuungs-, Pflege- oder Hausarbeit ausdrückt. Nach einer Erhebung des Statistischen Bundesamts zur Zeitverwendung (2015: 7) leisten Frauen einen annähernd doppelt so hohen Anteil von unbezahlter Arbeit am Gesamtarbeitspensum wie Männer (vgl. Abbildung 2-7), beispielsweise bringen Mütter auch heute noch etwa doppelt so viel Zeit für Kinderbetreuung auf wie Väter (vgl. Statistisches Bundesamt 2015a: 11) – es kann also von einem durchaus ausgeprägten Gender Care Gap gesprochen werden, trotz politischer Bemühungen wie dem Elterngeld für erwerbstätige Väter (vgl. Pfahl et al. 2014).

Raum, Ort und Gender | 57

Abbildung 2-7: Erwerbsarbeit und unbezahlte Arbeit bei Männern und Frauen (von Personen ab 18 Jahren, in Std./Woche)

Quelle: eigene Darstellung; Datenquelle: Statistisches Bundesamt 2015: 7

Trotz des über viele Parteigrenzen hinaus geteilten und formulierten politischen Anspruchs, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern, ist die Familienarbeit überwiegend Frauensache, womit die Tatsache einhergeht, dass Frauen sehr viel häufiger in Teilzeitarbeit tätig sind. Zu dem Gender Care Gap kommt also ein Gender Pay Gap hinzu. So waren im Jahr 2011 rund 45 Prozent der erwerbstätigen Frauen zwischen 15 und 64 Jahren in Teilzeitarbeitsverhältnissen mit weniger als 32 Wochenstunden beschäftigt, wovon 55 Prozent die Betreuung oder Pflege von Angehörigen oder andere familiäre Verpflichtungen als Gründe nannten, während Männer lediglich zu neun Prozent in Teilzeit beschäftigt waren und nur in rund jedem zehnten Fall familiäre Gründe dafür angaben (vgl. Statistisches Bundesamt 2016: 30f.). Das Spannungsverhältnis von Öffentlichkeit und Privatheit, von Produktion und Reproduktion, von Gesellschaft und Familie, wird ebenso wie das Innen und Außen, wie Stadt und Wohnung durch Dichotomien definiert, die eine soziale Zuordnung zu den Geschlechtern implizieren (vgl. Dörhöfer 2000: 101). Eine Entsprechung der geschlechterspezifischen Ausdifferenzierung der Arbeit findet sich in räumlichen Strukturen wieder, die vor allem durch die Stadtentwicklungsplanung des 20. Jahrhunderts mit dem Tenor der Funktionstrennung zur Bildung von reinen Wohngebieten am Stadtrand oder in der suburbanen Zone führte (vgl. BMVBS 2013: 11f.; vgl. Dörhöfer/Terlinden 1998: 165ff.). Das gängige ‚Hausfrauenmodell‘ hat sich mit der Zeit hin zu einem Modell verändert, das Regina Becker-Schmidt (2003) mit dem Begriff der doppelten Vergesellschaftung und damit der doppelten Belastung beschreibt. Frauen wird

58 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

eine zweifache Rolle zugeschrieben – die Rolle der Erwerbstätigen (insbesondere in Teilzeit) und die Rolle der Hausfrau und Mutter, in der sie den Großteil der Reproduktionsarbeit übernimmt. Durch die in räumlichen Strukturen festgeschriebene Funktionstrennung wird die Doppelbelastung verstärkt, sodass Frauen ihren Arbeitsplatz oftmals kompromissorientiert nach Erreichbarkeitskriterien auswählen, während Männer dies nach Qualitätskriterien tun (vgl. Frank 1999: 59 nach Becker 2004: 378). Diesem Umstand stehen allerdings räumliche Entwicklungen entgegen, die als Verweigerung dieser Doppelbelastung verstanden werden können. Beispielsweise verweist Ruth Becker auf den Themenkomplex der Gentrifizierung. So wird in der Literatur zum Thema der „Abkehr gut verdienender Haushalte vom suburbanen Leben, die zur Aufwertung innerstädtischer Altbaugebiete […] und in der Folge zur Verdrängung der dort zwischenzeitlich wohnenden benachteiligten Gruppen führt, immer wieder betont, dass die ‚Gentrifier‘ insbesondere kinderlose Doppel-Karriere-Haushalte seien, also Haushalte, in denen Frauen sich den Zumutungen geschlechtshierarchischer Arbeitsteilung zumindest insofern entziehen, als sie sich im Bereich der Erwerbsarbeit nicht mit der dem suburbanen Leben angemessenen Rolle der Zuverdienerin begnügen.“ (Becker 2004: 378)

Nach Ann Markusen (1980) kann in der Gentrifizierung ein Prozess zur Aufhebung der Geschlechterverhältnisse in Bezug auf Arbeit und die damit zusammenhängende Emanzipation von Frauen gesehen werden (vgl. auch Markusen 1980: 34f.). In diesem Zusammenhang spricht Susanne Frank (2011: 92) davon, dass die „Fixierung auf den Lebensalltag von Hausfrauen und Müttern […] längst überwunden“ sei 20. Anhand dieser Problemlagen und Beispiele kann abgelesen werden, dass (Erwerbs-)Arbeit, strukturelle Einbindung in Organisationen und Institutionen und Geschlechterverhältnisse in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen, das sich je nach gesellschaftlichen Umständen wandelt oder persistent ist (vgl. Holtgrewe/Hofbauer 2011: 272ff.) und räumliche Auswirkungen hat (vgl. Abbildung 2-8).

20 Dem wird aus populärwissenschaftlicher Sicht heraus vehement widersprochen und die These vertreten, dass sich die klassischen Rollenmuster eher wieder verfestigen (vgl. Mika 2011).

Raum, Ort und Gender | 59

Abbildung 2-8: Zusammenhang von Arbeit, Organisationen/Institutionen und Geschlechterverhältnissen

Quelle: eigene Abbildung

Durch die fortschreitende Ausdifferenzierung von Lebensstilen mit diversen Arbeits- und Lebensformen ist die dualistische Perspektive auf Frauen und Männer in den Hintergrund getreten. Männer und Frauen als in sich homogene GenusGruppen zu begreifen, ist in Forschung und Alltagswelt nicht mehr aufrechtzuerhalten. Vielmehr stellen sie in sich äußerst heterogene, ausdifferenzierte und zugleich hierarchisch aufgegliederte soziale Gruppen dar, „die vielfältige und komplexe, häufig auch widersprüchliche und konfliktreiche (Geschlechter-) Beziehungen unterhalten“ (Frank 2011: 9; vgl. Wastl-Walter 2010: 15; vgl. Knapp 2007: 65f.; vgl. Alisch 1993: 12). Das Verständnis von Geschlecht wird im wissenschaftlichen und planerischen Diskurs nicht mehr ausschließlich als Attribut von Menschen verstanden, sondern immer mehr als zentrales strukturierendes Organisationsprinzip der Gesellschaft erkannt (vgl. Schuster 2012: 640). Zu der Analyse der Implikationen, die das Geschlecht von Personen als Hauptfaktor (und in Betrachtung mit anderen Struktur- oder Prozesskategorien der sozialen Ungleichheit) aufspannt, werden heutzutage „Modi und Medien“ (Wetterer 2004: 125) der grundlegenden sozialen und kulturellen Konstruktion von Geschlecht offenzulegen versucht und Möglichkeiten der Subversion oder Überwindung dieser Konstruktionen thematisiert (vgl. Frank 2011: 92; vgl. Schuster 2012: 640; vgl. Strüver 2005). So gehen feministische Arbeiten weiterhin auf Möglichkeiten der gesellschaftlichen Aufhebung von „Unterdrückungsund Marginalisierungsstrukturen und -mechanismen“ (Thiessen 2004: 41) ein, wobei gleichzeitig anerkannt wird, dass „das Alltagswissen kompetenter Gesellschaftsmitglieder […] weit entfernt [ist] von der Gender-Kompetenz, die Gender-ExpertInnen für unverzichtbar halten. Und was die Sache nicht einfacher macht, ist, dass sich gerade in den gut ausgebildeten urbanen Milieus die

60 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Überzeugung durchgesetzt hat, dass Geschlecht heute als sozialer Platzanweiser ohnedies kaum noch eine Rolle spielt und Gleichstellungspolitik deshalb eigentlich ebenso überflüssig geworden ist wie die ‚altmodische‘ feministische Gesellschaftsanalyse und – kritik.“ (Wetterer 2009: 46)

In jüngerer Zeit werden diversitätsorientierte und intersektionale Perspektiven der geschlechtersensiblen Forschung wichtiger, in denen die Verschränkung mehrerer sozialer Ungleichheitsdimensionen 21 analysiert werden, um „blinde Flecken einer Forschung zu vermeiden, die sich nur auf eine soziale Kategorie konzentriert“ (Schuster 2012: 640; vgl. Winkler/Degele 2010; vgl. Knapp 2008: 37ff.; vgl. Massey 2010b: 8; vgl. Abbildung 2-9). Abbildung 2-9: Intersektionale Identitäts-/Differenzkategorien

Quelle: eigene Abbildung in Anlehnung an Strüver 2014c

Während Ansätze der Diversitätsforschung Geschlecht als eine mehrerer Kategorien der Differenz betrachten, die sich hierarchisiert darstellen, wird in intersektionaler Perspektive davon ausgegangen, dass verschiedene Kategorien der Ungleichheit nicht additiv hergestellt werden, sondern interdependent verschränkt sind (vgl. Dhawan 2011: 15). In dieser Erkenntnis liegen Chancen, politische Maßnahmen der Gleichstellung und Antidiskriminierung bedürfnisadäquater aufzustellen, indem die Verwobenheit von sozialen Ungleichheiten, die Unterschiede erzeugen, berücksichtigt wird (vgl. Späte 2013: 123). Feministische Geografie folgt, ebenso wie Frauen- und Geschlechterforschung in anderen Disziplinen, also nicht einem dezidierten Analyseansatz, sondern ist durch verschiedene theoretische Strömungen geprägt, die sich über Gleichheits- beziehungsweise Differenzdebatten, über Diskussionen über Diffe21 Geschlecht, Klasse, Ethnizität, Race, Sexualität, Alter, körperliche Befähigung.

Raum, Ort und Gender | 61

renzen unter Frauen und konstruktivistische und poststrukturalistische Ansätze über die Jahrzehnte erstrecken (vgl. Tabelle 2-2; vgl. Späte 2013; vgl. Wilde/Friedrich 2013: 8f.; vgl. Wucherpfennig/Fleischmann 2008). Tabelle 2-2: Phasen des Feminismus 22 Phase I: „Geschlechterdifferenz“ Ende der 60er bis Mitte der 80er Jahre gleichheitsorientierter Feminismus

differenzorientierter Feminismus

liberaler sozialistischer radikaler kultureller Feminismus Feminismus Feminismus Feminismus

symbolischer Feminismus

Phase II: „Differenz unter Frauen“ Ende der 80er bis 90er Jahre Phase III: „Vielfältige sich überlagernde Differenzen“ seit Anfang der 90er Jahre Antiessenzialismus

Multikulturalismus

poststrukturalistischer Feminismus

postmoderner Feminismus

Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Knox/Marston 2008: 354; Aufhauser 2005; Fraser 1997

Trotz der Erkenntnis, dass immense Differenzen innerhalb der Genus-Gruppen Männer und Frauen bestehen, werden sie für die politische Debatte weiterhin homogenisiert, um politisch Einfluss nehmen zu können (vgl. Wastl-Walter 2010: 137). „Paradoxerweise verlangt eine feministische Theorie die Analyse des ‚Femininen‘ und reproduziert somit das, was sie beseitigen will.“ (Knox/Marston 2008: 354)

In der empirischen Erfassung von Unterschieden zwischen Frauen und Männern besteht die Gefahr der Vergegenständlichung von Geschlechtsstereotypen (vgl. Gildemeister 2004: 30). Gender- und intersektionale Analyseansätze greifen die-

22 Die Phasen beziehen sich ausschließlich auf die sogenannte „Zweite Frauenbewegung“ seit Anfang der 1960er Jahre (vgl. Lenz 2004).

62 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

sen Umstand auf und nehmen einen Blickwinkel ein, der Subjekte in den Fokus nimmt (vgl. Kreisky 2004). Dennoch wird Geschlecht beziehungsweise Gender „bislang noch immer nicht paradigmatisch berücksichtigt, sondern bleibt überwiegend Gegenstand spezieller Forschungszweige, die unter anderem als Frauen-, Geschlechterforschung, gender oder queer studies oder auch deutlich durch eine Kennzeichnung als feministische Studien firmieren“ (Späte 2013: 107). Im Sinne des relationalen Raumverständnisses Martina Löws (2001) (vgl. Kapitel 2.1.3) muss Raum als eine soziale Struktur verstanden werden, die durch Bedeutungszuschreibungen geschaffen wird, ohne das physisch-materiell Vorhandene außer Acht zu lassen, während Orte in diesem Verständnis abgrenzbare und wahrnehmbare Einheiten des Raums sind. Sowohl Raum als auch Ort werden ständig konstruiert und sozial produziert. An dieser Stelle ergibt sich die Verknüpfung von Raum und Ort mit Gender: Ebenso wie Raum und Ort werden Geschlechterverhältnisse und -zuschreibungen permanent und unvermeidbar produziert und weisen Naturalisierungseffekte auf, indem „Sichtbarkeit und Lokalisierbarkeit […] immer wieder mit Faktizität verwechselt“ werden (Grisard et al. 2007: 12). Raum und Gender werden als Taten (vgl. Löw 2001; vgl. West/Zimmerman 1987) verstanden, die über Handlungen, Wahrnehmungen, Sprache, Narrative sowie Machtverhältnisse und Institutionen performativ (re-)produziert (vgl. Butler 1991) und gleichzeitig durch ebendiese Rahmenbedingungen begrenzt werden. So werden soziale Rollen und Verhaltensweisen über das doing gender (vgl. West/Zimmerman 1987 23) über soziokulturelle und diskursive Prozesse (Schuster 2012: 635) geschlechtstypisch interpretiert und zugewiesen (vgl. Katz 2011: 180) und „permanente Interaktionen der Ein- und Anpassung von Menschen in zweigeschlechtliche, heteronormative durch Auf- und Abwertung strukturierte Verhältnisse […] ausgehandelt“ (Czollek et al.2009: 24) 24. Gender und Raum sind als allgegenwärtige Kategorien der Differenz einerseits Produkt und andererseits zugleich Voraussetzung ihrer eigenen Produktion durch Perzeption und

23 Don Zimmerman und Candace West (1987) gehen davon aus, dass Geschlecht im Prozess des doing gender mittels alltäglicher Interaktionen hergestellt wird. Sie unterscheiden drei Kategorien, um die soziale Konstruktion von Geschlecht analysieren zu können: sex (Bestimmung des Geschlechts durch sozial verhandelte biologische Kriterien bei der Geburt), sex category (soziale Zuschreibung des Geschlechts), gender (überindividuelle Validierung des Geschlechts in Prozessen der sozialen Interaktion). 24 Im Gegensatz dazu, wird über die Strategie des undoing gender versucht, „die Zuschreibung stereotyper Geschlechtsrollen zu erkennen, zu problematisieren und schließlich zu dekonstruieren“ (Czollek et al. 2009: 24).

Raum, Ort und Gender | 63

Kommunikation. „Identitäten wie Räume […] sind Effekte von sozialen Kontexten, die sie selbst miterzeugen.“ (Pott 2007: 45) Beide Kategorien beeinflussen die Konstruktion der Realität über Wertvorstellungen, Deutungsmuster und damit verbundene Machtverhältnisse und soziale Positionierungen (vgl. auch Lossau 2014: 35). Da sich sozial konstruierte Räume in stetiger (Re-)Produktion befinden (vgl. Glasze 2012), ist eine prädiskursive Erfassung von Raum und Geschlecht (vgl. Fredrich 2012: 25) und damit eine geschlechtsneutrale Betrachtung von Raum nicht möglich (vgl. Bauriedl/Schier/Strüver 2010). Vergeschlechtlichte Körper sind in diesem Zusammenhang Medien der Raumaneignung. „Der Körper ist aber auch Medium, weil der Mensch sich mit und in ihm in der Welt bewegt. In dieser Bewegung wird der Raum angeeignet, die Erfahrungen im Raum sind durch die Erfahrungen mit der eigenen Leiblichkeit geprägt.“ (Löw 1994: 65)

Aus der (feministischen, insbesondere anglo-amerikanischen) geografischen Forschung heraus ergeben sich einige Anknüpfungsmöglichkeiten zur gendersensiblen/genderdifferenten Betrachtung von Räumen und Orten. Mit der Konzeption der Räumlichkeit (spatiality) von Doreen Massey (1994, 1999a) ergibt sich ein Verständnis, in dem Raum einerseits als veränderbares Zwischenergebnis gesellschaftlicher Interaktionen fassbar wird und andererseits parallel als wesentliches Element der Konstitution des Sozialen fungiert (vgl. Strüver 2014a: 304f.; vgl. Abbildung 2-10). „Dementsprechend sind räumliche und gesellschaftliche Phänomene auf grundlegende Weise miteinander verbunden: räumliche Strukturen sind Ausdruck, Effekt und Medium sozialer Zusammenhänge“ (ebd.: 305) und Medien zur Herstellung, Verfestigung und Veränderung von Identitäten (vgl. Pott 2007: 30). „[…] The constitution of spaces and of particular forms of gender identities and relation go hand in hand. They are, in the classic phrase, co-constitutive .“ 25 (Massey 2010b: 7)

25 Zur Rolle, die der Körper von Individuen innerhalb dieser Ko-Konstitution spielt, siehe Anke Strüver 2005 und 2010.

64 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Abbildung 2-10: Die Ko-Konstitution von Gesellschaftsverhältnissen und Raumstrukturen nach Doreen Massey

Quelle: eigene Abbildung in Anlehnung an Strüver 2014b: 40

Eine Integration des Raumkonzepts von Löw mit dem eher politisch und machttheoretisch ausgerichteten Konzept Masseys (vgl. 2010a: 113/128), das gesellschaftliche Machtverhältnisse ins Zentrum der Analyse stellt 26, kann stattfinden, indem anerkannt wird, dass Raum und Ort temporär und durch Anfechtungen veränderbar sind – ein Wandel im Sozialen also einen Wandel von Orten mit sich bringt und in diesem Sinne „Raum weder statisch […], noch […] Zeit raumlos“ ist (ebd.: 127). Für Massey ist Raum das Ergebnis von Wechselbeziehungen in Form von Interaktionen, die Möglichkeit der Existenz von Vielfalt im Sinne von Interaktionen auf verschiedenen Pfaden und weist einen prozessualen Charakter mit einer grundsätzlichen Unabgeschlossenheit auf (vgl. Massey 1999b). Ein weiterer Anknüpfungspunkt ergibt sich aus dem paradoxical space von Gillian Rose (1993a), deren Konzept dazu beiträgt, die Gleichzeitigkeit der Existenz von Frauen in verschiedenen sozialen Räumen und Orten (an ein und demselben ‚geografischen‘ Ort) anzuerkennen (vgl. Mahtani 2001: 299) 27, wobei dennoch jeder Ort einen gewissen fühlbaren, sichtbaren und wahrnehmbaren sense of place (vgl. Rose 1995) innehat, „eine sinnlich wahrnehmbare Bedeutung eines Ortes“ (Hayden 2005: 205), der eng mit der Identifikation der Nutzenden verbunden ist. Sie unterscheidet drei verschiedene Kategorien in der Verknüpfung von Ort und Identifikation: die Identifikation mit einem Ort, die

26 Diese Machtverhältnisse beschreibt Massey mit dem Ausdruck Power-Geometries of Space: „Das Machtverhältnis zwischen Frauen und Männern bzw. die Konstruktionen von Weiblich- und Männlichkeiten stellen dabei für sie eine wichtige Beziehung dar, die Gesellschaft und Stadtraum strukturiert und in sozialen wie räumlichen Ungleichheiten resultiert.“ (Strüver 2014b: 37) 27 Gillian Rose lehnt jedoch explizit das Konzept eines transparenten, ungebundenen Raums ab uns plädiert dafür anzuerkennen, dass Raum nicht neutral, sondern von sozialen Repräsentationen durchsetzt ist (vgl. Rose 1993b).

Raum, Ort und Gender | 65

Identifikation gegen einen Ort und die Nicht-Identifikation mit Orten aufgrund von Entfremdung oder Verdrängung. Weiterhin können die Beobachtungen von Gill Valentine (2007) aus mehreren Gründen ein fruchtbares Verständnis für räumliche Genderaspekte eröffnen. Zum einen, weil sie sich dafür ausspricht, die Fluidität und Komplexität der Individuen mitzudenken, indem sie davon ausgeht, dass das Subjekt in sich selbst keine Konstanz aufweist 28 – dieser Aspekt findet bei Löw kaum Beachtung (vgl. Wucherpfennig 2010: 61) – sondern die Selbstwahrnehmung an unterschiedlichen Orten unterschiedlich sein kann. Zum anderen, weil darauf hingewiesen wird, dass durch die vorherrschende, hegemoniale Kultur an einem Ort bestimmt wird, wer zum Ort gehört und wer nicht. Diese hegemoniale Kultur kann beispielsweise in der heteronormativen Struktur der Gesellschaft gesehen werden, die sich durch den normativen Rahmen der Zweigeschlechtlichkeit und Heterosexualität ausdrückt (vgl. Schuster 2010: 53f.). Körper und Orte sind keine in sich geschlossenen und unveränderbaren Behälter. Sie sind zwar physisch konkret greifbar, aber gleichzeitig auch Orte der Einschreibung und Einverleibung des Sozialen, also Verkörperungen und damit materielle Repräsentationen und Reproduktionen sozialer Konstruktionen. In diesem Spannungsfeld ist die Aneignung von Orten abhängig von der Vorstellung, Wahrnehmung und Konstruktion von Raum und Ort und von der Vorstellung, Wahrnehmung und Konstruktion von Geschlechterverhältnissen und anderen Dimensionen der Ungleichheit. Der Raum wird ebenso durch die Geschlechterverhältnisse geprägt, wie er gleichzeitig auf ebendiese zurückwirkt (vgl. Massey 1993 nach Schuster 2012: 642). „Die Vielfalt der Wahrnehmungen ‚desselben‘ Raumes ist auf die Vielfalt sozialer Identitäten – bestimmt durch Geschlecht, Alter, sozio-ökonomischen Status, ethnische Zugehörigkeit usw. – zurückzuführen.“ (Kaspar/Bühler 2006: 94) Mit jener Ansicht „legt die Geographie endgültig jegliche (geo)deterministische Traditionen ab. Damit wäre der Paradigmenwechsel der Geographie von einer auf dem Containerraum basierende Raumwissenschaft hin zu einer handlungstheoretischen geschlechtersensiblen Sozialwissenschaft vollzogen“ (Wastl-Walter 2010: 33) und die Geografie ist „mit ihrem traditionell großen Interesse für spezifische sozial-räumliche Kontexte auf verschiedenen Maßstabsebenen“ in der Lage, einen substantiellen Beitrag zur Geschlechterforschung zu leisten (Bühler 2003: 45) 29.

28 Dieser Aspekt findet sich im Übrigen auch bei Doreen Massey (1994) und Judith Butler (1997), wenn auch weniger explizit. 29 Doreen Massey spricht in diesem Zusammenhang allerdings auch 2010 noch davon, dass „the frequent lack of full recognition of the feminist contribution to the social

66 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

2.3 DIE ANEIGNUNG VON RAUM UND ORT „Menschen machen sich den Raum zu eigen, wobei sie das zweifach tun – sie eignen sich im Rahmen der Sozialisation durch Raumpraktiken spezifische Raumvorstellungen an […]. Und sie eignen sich den Raum dann noch einmal in der konkreten Interaktionssituation an.“ Nina Baur 2013: o.S.

Obwohl der Begriff der räumlichen Aneignung 30 in verschiedenen Disziplinen unterschiedlich genutzt und definiert wird, scheint er in jüngerer Zeit über verschiedene Disziplinen hinweg eine Aufwertung zu erfahren (vgl. bspw. Wehmeyer 2013 in Bezug auf Pädagogik und Soziale Arbeit; vgl. Hauck/Henneke/ Körner 2017 in Bezug auf Freiraumplanung und -entwicklung; vgl. Feltz 2002 in Bezug auf die Gender Studies). Wurde der Aneignungsbegriff bis in die 1990er Jahre als dialektisches Verhältnis von Umwelt und Mensch, als Verhältnis von objektiven Raumstrukturen und subjektiven Sinndeutungen verstanden (vgl. Derecik 2015: 14) 31, zeigt sich mit dem Wandel von einem Containerraumverständnis (vgl. Kapitel 2.1.1) hin zu einem relationalen Raumverständnis (vgl. 2.1.3) auch ein Wandel im auf den Raum bezogenen Aneignungsbegriff. Meist geht es in jüngeren Publikationen zu räumlicher Aneignung allerdings um Kinder und Jugendliche im öffentlichen Raum und deren damit zusammenhängender Sozialisation, durchaus auch bezüglich Geschlechterdifferenzen. Der Aneignungsansatz wurde aktualisiert und negiert mittlerweile die Trennung zwischen Raum und dem Sozialen. Als Initialzündung für diese Sichtweise auf Raumaneignung kann in Henri Lefebvres „Le droit à la ville“ (Das Recht auf

sciences, including geography, is shocking after all these years. It is itself an indication of the persistence of the stubborn mindsets and assumptions that must be challenged if we are to build a richer discipline and a better world.“ (2010b: 8) 30 Der Aneignungsbegriff geht über den räumlichen Aspekt in anderen Fachdisziplinen hinaus. So bezeichnet Aneignung im juristischen Kontext das sich zu eigen machen von herrenlosen beweglichen Dingen, im philosophischen Kontext das Erarbeiten eines Textes/von Wissen und im soziologischen Kontext die Internalisierung menschlicher, kultureller und sozialer Erfahrungen durch aktive Tätigkeit (vgl. Wehmeyer 2013:59f.). 31 Nach Ahmet Derecik (2015: 14) und Ulrich Deinet (2014: 10ff.) geht dies auf das Aneignungsverständnis von Alexei N. Leontjew (1973) zurück.

Raum, Ort und Gender | 67

Stadt) von 1968 gesehen werden (vgl. Lefebvre 2016: 188ff.). An dieser Stelle zeigt sich eindeutig ein Bezug zu dem Raumverständnis von Martina Löw (vgl. Kapitel 2.1.3). „Meine These ist, dass nur, wenn nicht länger zwei verschiedene Realitäten – auf der einen Seite Raum, auf der anderen die sozialen Güter, Menschen und ihr Handeln – unterstellt werden, sondern stattdessen Raum aus der Struktur heraus abgeleitet wird, nur dann können die Veränderungen der Raumphänomene erfasst werden.“ (Löw 2001: 264)

Auch in diesem Zusammenhang kann Aneignung von Raum als aktive, individuelle Auseinandersetzung mit der Umwelt verstanden werden, jedoch „kommen die Aspekte des eigentätigen Schaffens“ (Derecik 2015: 15) im Sinne von Löws Spacing und Syntheseleistung hinzu. Insofern umfasst die Aneignung des Raums das Erschließen, Begreifen, Umfunktionieren beziehungsweise Umwandeln von sozialer und räumlicher Umwelt durch handelnde, in diesem Sinne, aktive Individuen (vgl. Deinet/Reutlinger 2005: 295). Raumaneignung ist dann durch Bindung an konkrete Orte (vgl. Kapitel 2.1.4) gekennzeichnet, denen Bedeutungen zugeschrieben werden. Durch „örtlich fixierte Artefakte“ (Steets 2015: 11) werden jene Bedeutungszuschreibungen und Bindungen verstetigt und können als Spuren von vergangenen Spacings angesehen und durch Individuen gelesen werden. Über die Syntheseleistung mithilfe von Vorstellungen, Wahrnehmungen und Erinnerungen an Orte werden diese durch die Platzierung des Individuums oder einer Gruppe angeeignet. Diesbezüglich kann wiederum auf Henri Lefebvre verwiesen werden, der Aneignung als eine raumbezogene Praktik versteht, die dazu führt, dass das Individuum 32 als legitimes Mitglied eines Raums wahrgenommen wird (vgl. Lefebvre 1991: 35). Nach Ulrich Deinet (2005: 57) können mehrere Merkmale der Aneignung von öffentlichem Raum ausgemacht werden (vgl. Tabelle 2-3). Er bezieht sich zwar (professionsbedingt) auf Kinder und Jugendliche, die Merkmale der Aneignung öffentlichen Raums können aber weitestgehend auch auf die Raumaneignung Erwachsener übertragen werden, sofern der Fokus von der Sozialisation genommen wird.

32 Auch er bezieht sich dabei explizit auf Kinder und Heranwachsende.

68 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Tabelle 2-3: Aneignungsmerkmale in Bezug auf den öffentlichen Raum eigentätige Auseinandersetzung mit der Umwelt

Räumiche Aneignung im öffentlichen Raum

Inszenierung und Verortung im öffentlichen Raum (kreative) Gestaltung von Orten mit Symbolen etc. Erprobung von Verhaltensrepertoires und Fähigkeiten in neuen Situationen Erweiterung des Handlungs-/Interaktionsraumes Veränderung vorgegeber Situationen und Arrangements Erweiterung gegenständlicher und kreativer Kompetenz Quelle: eigene Abbildung modifiziert nach Deinet 2005

In Bezug auf die vorliegende Arbeit können die Merkmale der Raumaneignung auf Mitglieder des kreativ-urbanen Milieus (vgl. Kapitel 4.2) angewendet werden. Dies zeigt sich zum einen anhand von Zeichen und Symbolen 33, über die Botschaften vermittelt werden und über die Kommunikation stattfindet. Räume und Orte sind mit bestimmten Symboliken verknüpft (vgl. Miggelbrink 2002b: 344f.). Es zeigt sich aber auch in Bezug auf temporäre Dritte Orte und Orte des Urban Gardening. So beschreiben Hauck/Hennecke und Körner (2017: 14) die Aneignung von Freiräumen „ausgehend von einer emanzipatorischen Grundhaltung […] als Strategie […], mit Konventionen und Routinen zu brechen und das Bestehende in Frage zu stellen. Gefragt wird aus dieser Perspektive nicht, was ist, sondern was sein soll“. So findet eine Verknüpfung des neuen Interesses an Raumaneignungsprozessen mit den Schlagwörtern Entschleunigung, Do-it-

33 Unter Zeichen werden materielle Objekte verstanden, die nicht nur sich selbst zeigen, sondern zudem auf etwas anderes materielles Verweisen (bspw. Straßenschilder), unter Symbolen hingegen werden materielle Objekte verstanden, die als Sinnträger auf etwas Immaterielles verweisen (vgl. Lurker 1990: 20; bspw. Darstellungen einer Taube für die Darstellung von Frieden oder eines Regenbogens für die Darstellung von Homo-, Inter-, Transsexualität). So sind „zwar alle Symbole Zeichen […], aber nicht alle Zeichen Symbole“ (Lurker 1990: 19).

Raum, Ort und Gender | 69

Yourself und Sharing statt (vgl. ebd.: 7). Sie bezeichnen Orte des Urban Gardening als „Freiraum-‚Heterotopien 34‘“, als „Gegenentwürfe“ (ebd.: 15) zu existierenden gesellschaftlichen Verhältnissen, die durch ihre Praktiken die Aneignungen der „Gegenseite“, der unternehmerischen Stadt im Neoliberalismus (vgl. Kapitel 2.4.1), sichtbar machen und so zur Diskussion stellen (vgl. ebd.: 18). So meint „Aneignung […] auch, dass sich Strukturen verändern können und müssen“ (Wehmeyer 2013: 64). In diesem Sinne bedeutet Aneignung einerseits, neue Orte durch Spacing zu schaffen und andererseits, sich vorhandene Orte durch das sich platzieren am Ort gegenständlich anzueignen. „Raum wird wahrgenommen und Raum wird angeeignet dadurch, dass man sich in ihm bewegt“ (Fritzsche 2000: 21), auf ganz konkrete aber auch auf abstrakte Weise. Raumaneignung kann folglich sowohl materiell als auch immateriell vonstattengehen und ist mit Raumnutzung verbunden. Materielle Raumaneignung findet statt, wenn materielle Artefakte verändert und/oder eingenommen werden, wie es beim Urban Gardening der Fall ist. Letztlich liegt in der Raumaneignung durch Urban Gardening oder andere temporäre Nutzungen eine Raumveränderung vor, die als Ko-Produktion durch gemeinsames Handeln angesehen werden kann (vgl. Selle 2013: 7). Dort kommt es allerdings parallel auch zu einer immateriellen Aneignung, indem die bestehende räumliche Realität zweckentfremdet, umgenutzt oder aufgehoben wird, indem sich Akteur_innen über normativ festgelegte Raumnutzungen hinwegsetzen (beispielsweise durch Skaten auf Bürgersteigen, Parcours o. Ä.) und damit „im Raum Spiegelungen, Visualisierungen von Bewegungen in der Gesellschaft“ darstellen. In diesem Zusammenhang sind auch Artikulationen wie das Recht auf Stadt oder die Occupy-Bewegung in Bezug auf die neoliberale beziehungsweise unternehmerische Stadt zu sehen (vgl. bspw. Holm/Gebhardt 2011; vgl. David Harvey 2013; vgl. Schipper 2013; vgl. Grell 2014; vgl. Laimer 2013: 89f.). Da es sich bei Prozessen der Raumaneignung um die „Einverleibung sozialer Strukturen [handelt], bei der Körper und seine Bewegungen kulturelle Formung erfahren“ (Feltz 2002: 51), ist auch räumliche Aneignung durch Geschlechterverhältnisse und weitere Ungleichheitsdimensionen beeinflusst (vgl. Kapitel 2.2.2; vgl. Kapitel 2.4.4).

34 Wobei sie allerdings ihren utopischen Gehalt anzweifeln, da es nicht darum gehe, was normativ sein solle, sondern vielmehr darum, sich die Freiheit zu nehmen, das zu tun, was man wolle und sich experimentell auszuprobieren. Es gehe also eher um eine hedonistische, denn um eine utopistische Haltung (vgl. Hauck/Hennecke/Körner 2017: 15).

70 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

2.4 ÖFFENTLICHE, TEILÖFFENTLICHE UND PRIVATE RÄUME „Der öffentliche Raum ist das Grundgesetzder Stadt, die Würde der Stadt, die sich im öffentlichen Raum verkörpert, [sie] muss unantastbar sein.“ Thomas Sieverts 35 1996: 162

Die Ausdifferenzierung zwischen privatem und öffentlichem Raum begann sich in Europa erst während des 19. Jahrhunderts, im Zuge der ökonomischen Umbrüche der Industrialisierung und der damit einhergehenden allgemeinen gesellschaftlichen Wandlungen, herauszubilden. Mit der Industrialisierung kam es zu einer räumlichen Trennung von Reproduktion und Produktion. Der Produktion und dem generellen Erwerbsbereich wurde der Begriff der Öffentlichkeit zugeschrieben. Der Reproduktion als Gegenpol wurde die Privatheit als ein von der Öffentlichkeit sowohl räumlich als auch sozial streng abgetrennter Bereich zugeschrieben (vgl. Ruhne 2003: 88). Heute wird der öffentliche Raum im Alltagsverständnis als der städtische Außenraum mit seinen Plätzen, Straßenzügen und Infrastruktur verstanden (vgl. Häberlin/Furchtlehner 2017: 171f.). Der private Raum hingegen als die Wohnung oder das Haus als Ort des familiären Lebens. Während der Allgemeinheit zugängliche Räume in früherer Zeit aufgrund begrenzter und qualitativ mangelhafter Aufenthaltsmöglichkeiten in Gebäuden sowie Güterproduktion und -handel im öffentlichen Stadtraum für den Alltag unverzichtbar waren, verlagerten sich diese Funktionen in private Gebäude. Mit der Etablierung eines solchen durch Dichotomie geprägten Ordnungsmusters von Privatheit und Öffentlichkeit ging (und geht in bestimmten Milieus noch heute) eine Grenzlinie entlang der Geschlechter einher (vgl. Ruhne 2003: 91). Der öffentliche Bereich ist dabei den Männern aufgrund ihrer vorrangigen Stellung bei der Erwerbsarbeit zuzuordnen, der private Bereich aufgrund der vorrangigen Stellung bei der Reproduktionsarbeit den Frauen (vgl. Kapitel 2.2.2). Das Prinzip der damit verbundenen planerischen räumlichen Funktionstrennung, unter dem Leitbild der funktionalen oder aufgelockerten Stadt nach der Charta von Athen (1933), führte zu einer Trennung der Relationen eines städtischen öffentlichen Raums, der die Stadt konstituiert (vgl. Schubert 2000: 40) und in Folge dessen zu einer immensen Zunahme des motorisierten Individualverkehrs. Unter anderem die Zunahme des Verkehrs führte zu einer Verödung der

35 Deutscher Architekt.

Raum, Ort und Gender | 71

Innenstädte und der gestörten Nutzung und erfahrungsweltlichen Wahrnehmung von öffentlichen Räumen wie Stadtplätzen und Straßenzügen (vgl. Herlyn et al. 2003: 17). Mit der Zunahme der Transportfunktion des öffentlichen und der damit einhergehenden Flächeninanspruchnahme des fließenden und ruhenden Verkehrs kam es zu einer vermehrten Monofunktionalität öffentlicher Räume, die die Funktionsvielfalt als wesentliches Merkmal städtischer Straßenräume (versorgungstechnische, wirtschaftliche, stadtgestalterische, verkehrliche, ökologische, soziale, kulturelle Aspekte) ablöste (vgl. Apel 1995: 101). Die Kernfunktionen Markt und Politik, die dem öffentlichen Raum zugeordnet werden (vgl. Wehrheim 2009: 25), verloren zugunsten des Verkehrs an Wichtigkeit. Öffentliche Straßenräume sind für Stadtbewohner_innen oftmals der am naheliegendste und teilweise einzige vorhandene frei zugängliche Raum im direkten Umfeld. Sie können für viele Menschen als die primäre Umwelt ihres alltäglichen Lebens (vgl. Bakradze 2011: 51) angesehen werden und sind daher essentieller Lebensraum in Stadtgesellschaften, indem sie zwar als „Trajekte“ anzusehen sind, die funktionalistisch Orte verbinden (Hasse 2002b: 61), die aber gleichzeitig als Sozialräume aufgefasst werden müssen. Durch Maßnahmen der Verkehrsberuhigung und die Schaffung von Fußgängerzonen konnten große Teile der Innenstädte wieder zu einer Multifunktionalität gelangen, kulturelle und vor allem Freizeitfunktionen wurden und werden mittlerweile wieder gefördert. So zeigen neu gestaltete öffentliche Räume „deutlich, dass den Bürgerinnen und Bürgern […] neue ‚Freizeitqualitäten‘ angeboten werden. […] In einer sich beschleunigenden Gesellschaft werden – so scheint es – Ruhe und Entspannung als die zentralen Funktionen der öffentlichen Räume angenommen.“ (Dangschat/Kiefer/Löw 2010: 33)

Der öffentliche Raum rückt damit als Medium verschiedener Geschichten, Erinnerungen und Bedeutungen und als Teil des kollektiven Gedächtnisses der Stadtbewohner_innen wieder in den Fokus. Da die dichotome Zuordnung von privaten und öffentlichen Räumen im geschichtlichen Rückblick nicht konsequent existiert hat und in anderen Kulturkreisen durchaus andere Formen annimmt, ist deren strenge Trennung nicht als an sich gegeben anzusehen, sondern als eine „räumlich-soziale, grundlegend offene und wandelbare, gesellschaftliche Konstruktion erkennbar“ (Ruhne 2003: 87; vgl. Wildner 2005; vgl. Schäfers 2006a; vgl. Heinze 2006), deren Herstellung über bestimmte, sich wandelnde Normalitätsvorstellungen geschieht (vgl. Reutlinger 2015b: 343f.). Der öffentliche Raum ist folglich nicht statisch, sondern in seiner visuellen Erscheinung und normativen Ausdifferenzierung Aus-

72 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

druck gesellschaftlicher Entwicklung. Er unterliegt mit den Perspektiven Einzelner, von Gruppen oder Interessenvertretungen einer permanenten Rekonstruktion (vgl. Klose 2012: o.S.) und ist eine „Verhandlungs- und Aushandlungssache“ (Fritsche/Reutlinger 2015: 201). Letztlich ist der öffentliche Raum „nichts anderes als ein Spiegel des sich immer neu austarierenden Kräfteverhältnisses zwischen dem Normativen und der Handlungsfreiheit, zwischen dem Integrierten und dem Nicht-Integrierten […]“ (Dangschat/Kiefer/Löw 1020: 32). Das, was unter dem öffentlichen Raum verstanden wird, ist eine gesellschaftliche Momentaufnahme der Ansprüche an städtische Räume (vgl. Klamt 2012: 777) und seine Begrenzung wandelt sich mit dem, was als sein Gegensatz angesehen wird – dem privaten Raum. Im wissenschaftlichen Diskurs wird der öffentliche Raum oftmals dadurch zu beschreiben versucht, dass er prinzipiell für alle Menschen jederzeit zugänglich ist, das heißt, keine physischen, zeitlichen und sozialen Zugangsbarrieren aufweist (vgl. Herlyn et al. 2003: 16; vgl. Ruhne 2003: 97), wobei die Zuordnung der Männer zum öffentlichen Raum durchaus „die Tendenz eines expliziten Ausschlusses der Genus-Gruppe Frauen“ beinhaltet (Ruhne 2003: 98). Zudem ist die bipolare Unterscheidung von privaten und öffentlichen Räumen im Alltagsleben keineswegs universell tragbar, sodass sich der Begriff der teil- oder halböffentlichen Räume, als Räume, die weder als rein öffentlich noch als rein privat angesehen werden, weitestgehend etabliert hat. Nichtsdestotrotz existieren bei dem an sich als klar definiert erscheinenden Begriff des öffentlichen Raums durchaus unterschiedliche Interpretationen, je nach Fachdisziplin und Fragestellung. So ist der öffentliche Raum in mehrfacher Hinsicht eine „Einheit des Widersprüchlichen“ (Klamt 2012: 775). Einerseits bezüglich der reinen Begriffsinterpretation, andererseits bezüglich der Ausformungen, die öffentlicher Raum annimmt: „Er ist Gesicht der Stadt, Spiegel der Gesellschaft. Aber auch: Zugiger Parkplatz, zugemüllter Hinterhof, fahrbahnteilendes Abstandsgrün.“ (Ebd.: 775) Zusätzlich ist die Widersprüchlichkeit auch in den unterschiedlichen Bedeutungen ersichtlich, die der öffentliche Raum für verschiedene soziale Gruppen einnimmt. So können öffentliche Räume „für eine obdachlose Person das ‚Wohnzimmer‘, für eine Straßenverkäuferin oder einen Sexarbeiter ein Arbeitsort, für Kinder und Jugendliche Treffpunkt sein“ (Reutlinger/Fritsche 2011: 6). Grundsätzlich sind begrifflich zwei Interpretationsperspektiven zu unterscheiden. Einerseits werden Räume als öffentlich angesehen, wenn sie sich im Eigentum der öffentlichen Hand, beispielsweise der Kommune, befinden. Andererseits werden Räume als öffentlich verstanden, wenn sie aus Perspektive der Nutzer_innen uneingeschränkt zugänglich sind, unabhängig von den Eigentums-

Raum, Ort und Gender | 73

verhältnissen. So ist beispielsweise ein Bahnhofsvorplatz in der ersten Sichtweise kein öffentlicher Raum, da er sich nicht im Eigentum der öffentlichen Hand befindet, in der zweiten Sichtweise ist er jedoch als ein öffentlicher Raum anzusehen, da jede Person diesen Platz zu jeder Zeit betreten kann. Aber auch innerhalb dieser beiden Verständnisauslegungen ergibt sich nicht eindeutig, welcher Raum als öffentlich anzusehen ist. Beispielsweise ist bei dem Aspekt der Zugänglichkeit nicht klar, welche Ausschlusskriterien anzulegen sind. So ist ein Bahnhofsvorplatz theoretisch von jeder Person zu jeder Zeit betretbar, in der Realität existieren jedoch durchaus Zugangsbeschränkungen für sozial unerwünschte Gruppen, wie Obdachlose, sich prostituierende Personen etc. Andererseits sind im rechtlichen Sinne öffentliche Räume, z.B. Straßenräume, zwar prinzipiell für jede Person zu jeder Zeit zugänglich, jedoch erleben beispielsweise Fußgänger_innen oder Radfahrer_innen durch ein hohes Verkehrsaufkommen des motorisierten Verkehrs Zugangsbeschränkungen. Ein weiteres Beispiel besteht in der eingeschränkten Nutzung öffentlicher Spielplätze durch Hausordnungen, die bestimmte Nutzergruppen ausschließen (vgl. Selle 2008: 2). Ausdifferenzierter lässt sich der öffentliche Raum aus folgenden Perspektiven beschreiben: physischräumlich, rechtlich, sozialgeografisch-soziologisch, philosophisch und planerisch (vgl. Klamt 2012: 778ff.). Räume – also auch öffentliche, teilöffentliche und private Räume – sind jedoch immer „Formen gesellschaftlicher Strukturen“ (Löw 2001: 167), die mit Wandlungsprozessen einhergehen. „Der Stadt-Raum, seine Gestalt und seine Erfahrbarkeit durch darin lebende, sich bewegende, handelnde Individuen ist immer auch Ausdruck der Sozialstruktur, die ständigen Transformationen unterliegt. Stadt-Räume sind gesellschaftliche Räume, deren Entwicklung und Weiterentwicklung von politischen und ökonomischen Konstellationen entschieden wird, die ebenso ausdruck [sic!] spezifischer Interessen sind wie kollektiver Ideen und Wertvorstellungen.“ (Eckel 1998: 21)

Unter rein im physisch-materiellen Sinn, in einem Containerraum-Verständnis, greifbaren Gesichtspunkten ist der Idealtypus des öffentlichen Raums die Agora, in seiner späteren Ausprägung das Forum, der (geografisch) zentrale Platz, der sich durch eine bauliche Rahmung (vgl. Wolter 2008: 39), markante oder identitätsstiftende Elemente und eine architektonische Machtsymbolik auszeichnet und in seiner Ausgestaltung als Bühnenbild für Funktionen des öffentlichen Raums fungiert (vgl. Pieper 2014: 105ff.). In der Idealvorstellung ist dieser Platz ein Kondensationspunkt städtischer Öffentlichkeit (vgl. Madanipour 2003: 194), welchem eine im weiteren Sinne politische, im engeren Sinne demokratische

74 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Funktion zugeschrieben wird (vgl. Habermas 1990: 56; vgl. Schäfers 2006b: 150) 36. Allerdings sind Räume immer von vielfältigen Bedeutungen, Semantiken und Interpretationen durchdrungen, sodass ein rein physisches Verständnis des öffentlichen Raums nicht alleinstehend bleiben kann, ein zentraler Stadtplatz ist somit nur eine Kategorie eines öffentlichen Raums. Die durch physischmaterielle Bedingungen geschaffene Zugänglichkeit beziehungsweise Nutzbarkeit ist allerdings die Voraussetzung, um einen Raum oder einen Ort als öffentlich ansehen zu können (vgl. Breuer 2003: 7), schließen bauliche Demarkationen wie Mauern oder unüberwindbare Zäune doch eine öffentliche Nutzung des Raums aus. Aus rechtlichem Blickwinkel gesehen, sind vier Aspekte entscheidend, um Räume als öffentlich bezeichnen zu können. So ist erstens nach den Eigentumsverhältnissen einer Fläche zu fragen (öffentliches oder privates Eigentum), zweitens nach der Widmung einer Fläche (für den Gemeingebrauch zugelassen oder nicht, Widmung für besondere Zwecke durch Sondernutzung), drittens nach der Nutzung (kommunale Satzungen, Hausrecht, Umgang mit der Meinungs- und Versammlungsfreiheit, Miet- und Nachbar(schutz)recht) sowie viertens nach der Produktion und Pflege von Räumen (Planungs-, Bau-, Vergaberecht, Public Private Partnerships, Privately Owned Public Spaces). Da die rechtliche Zuordnung von Räumen im Alltag durch unsichtbare Eigentumsgrenzen schwierig ist und in der tatsächlichen Nutzung der Räume keine eindeutige Zuordnung zu privaten und öffentlichen Orten stattfindet, kommt es zu Konflikten zwischen intendierter und praktizierter Nutzung von Räumen (vgl. Klamt 2010). „[…] Das Recht [legt] also zentrale und häufig die entscheidenden Kriterien für Herstellung, Nutzung und Konfliktfälle öffentlicher Räume fest, greift aber im Hinblick auf die alltägliche Nutzung definitorisch zu kurz. Denn auch im rechtlich ‚öffentlichen‘ Raum ist keineswegs alles erlaubt, im ‚privaten‘ keineswegs alles verboten.“ (Klamt 2012: 785)

Sowohl physisch-räumliche als auch rechtliche Aspekte greifen zur Beschreibung dessen, was öffentlicher Raum ist, zu kurz, da Räume über Wahrnehmungen, Vorstellungen und ihre alltäglichen Nutzungen und das Verhalten in ihnen

36 Dieser Idealvorstellung der einen städtischen Öffentlichkeit stellt Nancy Fraser (1996) ein Konzept der Gegenöffentlichkeiten entgegen, indem sie davon ausgeht, dass eine Zugänglichkeit zur hegemonialen Öffentlichkeit nicht für alle gleichermaßen gegeben ist und es daher „wünschenswert sei, eine Vielzahl öffentlicher Räume zur Verfügung zu stellen, in denen Gruppen mit verschiedenen Wertvorstellungen und Rhetoriken zusammen kommen könnten“ (Schuster 2012: 644).

Raum, Ort und Gender | 75

konstruiert werden. Erst mit dem Anerkennen eines relationalen Raumverständnisses (vgl. Kapitel 2.1.3) sind soziale Aspekte des öffentlichen Raums zu eruieren. In dieser Perspektive kann der öffentliche Raum als Ort beschrieben werden, an dem die in einer Stadt vorhandene soziale Vielfalt wahrgenommen und die Begegnung sowie Konfrontation mit ihr in der Realität erfahrbar sind (vgl. Popp 2006: 107; vgl. Neméth 2009: 2463). Er kann beschrieben werden als Ort, an dem die Möglichkeit von Anonymität gegeben ist, die eine Grundvoraussetzung von Urbanität darstellt (vgl. Bahrdt 1961 37). In diesem Zusammenhang kann der öffentliche Raum nicht als homogene Einheit des Stadtraums begriffen werden, sondern vielmehr als Netzwerk von in ihrer sozialen und physisch-materiellen Ausformung unterschiedlichen Orten mit differenzierten Bedeutungen. So ist bei der Diskussion um den öffentlichen Raum eigentlich die Rede von öffentlichen Räumen. Weiterhin kann der öffentliche Raum dadurch zu erfassen versucht werden, dass ihm andere Verhaltensnormen als im privaten Raum zuzuordnen sind (vgl. Siebel 2004: 14f.), die allerdings nicht unabhängig von gesellschaftlichen Wandlungsprozessen (vgl. Siebel/Wehrheim 2003: 7) und dem Gewahrsein über intendierte Normbrüche zu interpretieren sind (vgl. Luhmann 1987: 55). Aus philosophischer Sicht wird dem öffentlichen Raum vor allem unter dem Aspekt des Ideals des Gemeinsamen näherzukommen versucht, als „gemeinsamer Versammlungsort“ (Ahrend 2003: 71), in dem Individuen sich verbinden, in dem Diskurs und Interaktion zwischen ihnen stattfindet, als „Orte der Begegnung und des (Aus)tauschs“ (Lefebvre 2016: 197), an denen alle teilhaben können. Öffentlicher Raum wird idealisiert als Raum, in dem ein positiverer, „vielleicht auch in der eigenen Aversion letztlich doch anregender und toleranter Umgang mit dem Anderen und Fremden“ (Klamt 2012: 788) gelehrt wird. Nach Jürgen Habermas (1990) kommt dem öffentlichen Raum im Wechselspiel mit dem privaten Raum eine immense politische Funktion zu. Demokratie und Diskurs sind auf Öffentlichkeit angewiesen, um zu existieren. Doch „genauso wie der private Raum von Wohnung und Familie selten durch ein harmonisches Miteinander gekennzeichnet ist, hat auch der öffentliche Raum sein normatives Ideal nie erfüllt“ (vgl. Muri 2016: 52).

37 Hans Paul Bahrdt legte 1961 durch die Betrachtung des Markts als sozialem Phänomen eine soziologische Unterscheidung zwischen Privatheit und Öffentlichkeit vor. Nach ihm ist der Markt „die früheste Form der Öffentlichkeit“ (Bahrdt 1961: 38), da eine unmittelbare Kontaktaufnahme zwischen einander unbekannten Personen erfolgt, die über soziale Klassen hinausgeht. Als Privatheit beschreibt er hingegen die bewusste Abgrenzung nach außen in der Kultivierung des engsten sozialen Umfelds „zu einem in sich geschlossenen System“ (ebd.: 53).

76 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Die sich aus dem philosophischen und sozialgeografischen Blickwinkel ergebenden Idealvorstellungen für öffentliche Räume haben innerhalb der räumlichen Planung einen hohen Stellenwert, obwohl individuelles Empfinden und Wahrnehmen und daraus folgend menschliches Verhalten nur schwer in planbare physisch-räumliche Elemente zu überführen sind. Der Anspruch, neben ästhetischen und am Zeitgeist orientierten Architekturen, die soziale Komponente öffentlicher Räume einzubeziehen, ist aber zu erkennen und anzuerkennen (vgl. Klamt 2012: 789). Dennoch werden Räume immer wieder anders genutzt als von der Planung intendiert. Letztlich können Instrumente der räumlichen Planung und Architektur günstige Voraussetzungen dafür schaffen, dass im öffentlichen Raum eine hohe Aufenthaltsqualität entsteht, aus der sich Interaktionen zwischen den Stadtbewohner_innen ermöglichen, indem sie stimuliert werden. 2.4.1 Die Privatisierung des öffentlichen Raums im Neoliberalismus „Zivilisation ist der Fortschritt hin zu einer Gesellschaft der Zurückgezogenheit. Des Wilden gesamte Existenz ist öffentlich, geregelt durch seine Stammesgesetze. Zivilisation ist die Entwicklung hin zur Befreiung des Menschen von seinen Mitmenschen.“ (Ayn Rand 2000: 715)

Ein Wandel in der Bedeutung und Ausdifferenzierung öffentlicher Räume ist in jüngerer Zeit darin zu sehen, dass sie einer zunehmenden Privatisierung, die vielfältige Auswirkungen annimmt 38, unterworfen sind (vgl. Rieniets 2014: 184f.). So findet beispielsweise eine Zunahme der rechtlichen Privatisierung öffentlicher Räume und eine teils damit einhergehende Entgrenzung privater Aktivitäten

38 Nach Klaus Selle (2004: 135ff.) sind neun Arten der Privatisierung des öffentlichen Raums zu konstatieren: Zunahme des Individualverkehrs, Inanspruchnahme öffentlicher Flächen durch Gastronomie/Handel, Zunahme privater Aktivitäten in der Stadtentwicklung, quantitativer Verlust öffentlicher Flächen, Entwertung traditioneller öffentlicher Räume durch Funktionsverlagerung in privat produzierte öffentlich nutzbare Räume, verstärkte Aus- und Abgrenzung, Verlagerung ehemals öffentlicher Aufgaben in den privaten Bereich, Zitieren von Gestaltungselementen des traditionellen öffentlichen Raums durch private Projekte, Eindringen von als privat deklarierten Kleidungs- und Verhaltensstilen in die öffentlichen Räume.

Raum, Ort und Gender | 77

zuungunsten des öffentlich uneingeschränkt zugänglichen Raums statt (vgl. Herlyn et al. 2003: 19f.). Hierbei handelt es sich beispielweise um die Ausbreitung (sowohl räumlich als auch quantitativ) von Shopping Malls und Urban Entertainment Centern (vgl. Schubert 2000: 39), die zwar im alltäglichen Verständnis theoretisch von jeder Person aufgesucht werden können, die aber durchaus Zugangsbarrieren aufweisen, indem es dem Inhaber oder Betreiber obliegt, wem tatsächlich Zugang gewährt wird. Jene Orte erscheinen als öffentliche Räume, sie sind aber letztlich Inszenierungen (vgl. Schubert 2000: 39), die Öffentlichkeit lediglich suggerieren, indem sie sich an Zeichen, Symbolen und ästhetischen Verweisen auf den originär öffentlichen Raum bedienen. Sie sind „besonders kontrollierte, gesicherte […] Räume“ (vgl. Herlyn et al. 2003: 19), die keineswegs ohne physische, vor allem aber keineswegs ohne soziale Zugangsbarrieren existieren, auch wenn „den meisten Besuchern von Einkaufszentren die Nutzungseinschränkungen durch das Hausrecht […] sowie die Möglichkeit, unerwünschte Personen auszuschließen, gar nicht auffällt [oder] nicht negativ interpretiert“ werden (Popp 2006: 114). Die Grenzen zwischen öffentlichen und privaten Flächen werden durchlässiger, die Grenzen verschwimmen, zumindest im alltäglichen Verhalten der Stadtbewohner_innen, indem „ehemals private Tätigkeiten […] mittlerweile völlig selbstverständlich im öffentlichen Raum verrichtet“ werden (Reutlinger/Fritsche 2011: 5). So entstehen immer mehr „quasi-öffentliche“ Räume (Selle 2008: 10) wie Urban Entertainment Center, Bahnhofsmalls etc., die zwar nicht im engeren rechtlichen Sinne als öffentliche Flächen anzusehen sind, die aber in ihrer Nutzung für die meisten Stadtbewohner_innen keine offensichtlichen Zugangsbeschränkungen aufweisen und in der Alltagsprache als öffentlich bezeichnet werden. Ein weiterer Aspekt der Durchsetzung des öffentlichen Raums mit privaträumlichen Attributen findet sich in der Erweiterung der privatgeschäftlichen Flächen in den öffentlichen Raum hinein. Dies geschieht beispielsweise durch das Aufstellen von Werbeplakaten von ansässigen Einzelhändlern auf den Bürgersteig oder durch das Platzieren von Sitzgelegenheiten und Freischankflächen gastronomischer Betriebe (vgl. Herlyn et al. 2003: 19), die zwar „einerseits zu Attraktivität des Ortes beitragen, andererseits aber auch Öffentlichkeit einschränken oder gar verdrängen“ können (Breuer 2003: 11). Das Eindringen privatwirtschaftlicher Attribute in den öffentlichen Raum kann eine Belebung öffentlicher Räume (vgl. Shaftoe 2008: 66ff.) und die damit potentiell verknüpfte Reduzierung subjektiver Unsicherheiten bewirken. So kann darin ein Grund für die steigende Teilhabe von Frauen im öffentlichen Raum interpretiert werden,

78 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

wie es Liz Bondi und Mona Domosh (1998: 285) darstellen, indem sie anmerken: „[…] what is often described as a decline of public space is closely linked with a feminization of such spaces. The effects of this are complex, intensifying the exclusion of some (notably the poor), while facilitating the inclusion of others (middle-class women being the chief beneficiaries).“

In diesem Zusammenhang kann auch auf die Überlegungen von Kerstin Dörhöfer (2000) verwiesen werden, die in Bezug auf die Veränderungen in der Kommunikationstechnologie die Frage aufwirft, ob das vermehrte Aufkommen von teilöffentlichen Räumen wie Shopping-Malls ein Ausdruck für die wachsende Gleichberechtigung von Frauen in westlichen Gesellschaften ist, indem sie ihnen eine „zunehmende Eroberung der Öffentlichkeit“ (Dörhöfer 2000: 102) ermöglichen. Neben der Privatisierung des ehemals öffentlichen Raums findet allerdings gleichzeitig eine Ver-Öffentlichung des vormals privaten Raums statt. So werden ehemals industriell genutzte Flächen im Zuge der Deindustrialisierung und des Übergangs an die Öffentliche Hand zu öffentlichen Räumen (vgl. Breuer 2003: 10) oder zumindest für die Öffentlichkeit zugänglichen Räumen. Von einer generellen räumlich quantitativen Expansion des privaten gegenüber dem öffentlichen Raum kann also nicht gesprochen werden und die suggerierte Krise der öffentlichen Sphäre ist in diesem Zusammenhang nicht aufrechtzuerhalten (vgl. Klamt 212: 793). Die tatsächlichen Konsequenzen zunehmender Privatisierung und Kommerzialisierung urbaner Räume ausschließlich negativ zu beurteilen, ist verkürzt. So können private Stadtentwicklungsmaßnahmen dazu führen, dass Flächen erst in die öffentliche Wahrnehmung rücken und damit zu einer Auseinandersetzung mit dem Raum führen (vgl. Knierbein 2010). Zudem scheint es unstrittig zu sein, dass „Stadtkultur ganz wesentlich geprägt wird auch von der Erlebbarkeit, von ästhetischer Qualität und Nutzbarkeit der öffentlichen Räume“ sowie dass freie Räume eine strukturierende und stadtbildprägende Wirkung innehaben (Selle 2008: 4) und Städte interessant machen können. „Wenn die Straßen einer Großstadt uninteressant sind, ist die Stadt uninteressant; wenn sie langweilig sind, ist die ganze Stadt langweilig.“ (Jacobs 1963: 27) Wobei Stadtkultur und öffentlicher Raum auch im Zusammenspiel mit Kunst im öffentlichen Raum offenbar werden, ob temporär oder institutionalisiert, ob als reine Dekorationsfunktion oder als Visualisierungsfunktion für soziale Themen (vgl. Hildebrandt 2012: 722; vgl. Büttner 2013: 139ff.), ebenso wie im Aufeinandertreffen verschiedener kultureller und sozialer Hintergründe und

Raum, Ort und Gender | 79

dem damit einhergehenden Erleben kultureller und sozialer Vielfalt. Das Eindringen von der privaten Sphäre zugeordneten Kleidungs- und Verhaltensstilen in den öffentlichen Raum hinein kann in diesem Zusammenhang als Konfrontation mit jener Vielfalt verstanden werden und zugleich als Wandel der Standards dessen, was sich im Öffentlichen ‚gehört‘ und was nicht sowie wer zum öffentlichen Raum ‚gehört‘ und wer nicht. In seiner kritischen Auseinandersetzung mit den Erscheinungsformen des öffentlichen Raums in Zeiten des Neoliberalismus schlägt Guido Brendgens (vgl. 2005: 1090f.) eine Typologie öffentlicher Räume nach dem sich darin abspielendem sozialem Handeln vor. Er nimmt eine Kategorisierung in öffentliche Aktionsräume (ohne Einlassbeschränkungen, eher periphere Lage, episodische Öffentlichkeit, Subkulturen, kein Verhaltenskodex, Raum gestaltet sich durch die in ihm stattfindenden Aktionen durch Aneignung), öffentliche Bewegungsräume (Straßen, Plätze, zentrale Lage und Öffentlichkeit, Anonymität, große Fluktuation, hohe Frequentierung), kontrollierte öffentliche Räume (nicht mehr nur soziale, sondern professionalisierte und institutionalisierte Kontrolle), öffentliche geschlossene Räume (geschlossene, aber an sich frei zugängliche Gebäude, sozial anerkannter Verhaltenskodex, Hausordnungen und aufwendige Sicherheitsmaßnahmen) und schein-öffentliche Räume in Privatbesitz (Hausrecht/-ordnungen, keine Aneignung/Umnutzung möglich, simulierte Öffentlichkeit, der Raum folgt kapital- und profitgeleiteten Interessen) vor. In jener Kategorisierung findet eine Abstufung vom aktiven, kreativen sozialen Handeln hin zu passivem sozialen Handeln, das auf das Konsumieren in einem Verwertungsraum reduziert ist (vgl. Bredgens 2005: 1096). Jenseits der sozialen und kulturellen Qualitäten des öffentlichen Raums seien an dieser Stelle auf seine die ökologischen Komponenten erwähnt. Vor allem Grün- und Freiflächen tragen maßgeblich zu einem guten Stadtklima bei, auch hinsichtlich des durch die Nachhaltigkeitsdebatte in den Blick geratenen Dreiklangs aus sozialen, ökologischen und ökonomischen Aspekten. Nicht zu Letzt sei auf die vielfachen ökonomischen Bedeutungen des öffentlichen Raums verwiesen (vgl. Kapitel 2.4.2; vgl. Kapitel 2.4.3), die zwar durch die Ablösung der merkantilen Wirtschaft durch den Konsum in eher privaten Räumen lange Zeit verdrängt wurde und noch immer wird, beispielsweise durch die Konkurrenzsituation der traditionellen öffentlichen Räume mit Einkaufsmalls, sowohl auf der grünen Wiese als auch – in jüngerer Zeit – in innerstädtischen Lagen.

80 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

2.4.2 Die Wiederinwertsetzung des Öffentlichen Raums in Zeiten der Digitalisierung „Die ganze Welt ist Bühne. Und alle Fraun und Männer bloße Spieler.“ William Shakespeare, Wie es euch gefällt

Durch die zunehmende Raumunabhängigkeit der Informationsbeschaffung durch moderne Kommunikationsmedien wie Presse, Rundfunk, Fernsehen und schließlich dem Internet hat die reine Notwendigkeit, den eigenen privaten Raum zu verlassen und persönlich in Kontakt mit anderen Personen zu treten, abgenommen. Auch wenn Rem Koolhaas (2001: 1) Shopping als die letzte wohl noch existierende Form von öffentlicher Aktivität bezeichnet, ist selbst zur Verpflegung mit Gütern des täglichen Bedarfs der private Raum nicht mehr zwingend zu verlassen (vgl. Abbildung 2-11), sodass es zu Prozessen der Entlokalisierung des Sozialen kommt (vgl. Schubert 2000: 39). Nach Paul Virilio (1997: 42) kann das Internet als ein Medium der absoluten Enträumlichung bezeichnet werden, das zum Verschwinden des Raumes als sinnlich wahrgenommene Größe führt. Abbildung 2-11: Virtual Reality Shopping

Quelle: www.research-live.com

Da der öffentliche Raum ein soziales Produkt ist und er sich analog zur Gesellschaft ändert (vgl. Kapitel 2.4), steht mit dem Übergang in die Wissensgesellschaft zu befürchten, dass sich funktionale Eigenheiten des öffentlichen Raums, wie „die ungerichtete Kommunikation in offenen sozialen Gefügen“ (Selle 2008: 10), vermehrt in virtuelle Räume verlagern und neukonfigurieren, womit eine Schmälerung des städtischen öffentlichen Lebens verbunden ist, da das Internet

Raum, Ort und Gender | 81

ein weitaus größeres Forum für gesellschaftliche Diskurse bietet (vgl. Siebel 2004: 31), in dem hierarchische Diskursstrukturen aufgebrochen werden können. „Lange bevor Starbucks von einer literarischen Figur zu einem Kaffee wurde, waren Kaffeehäuser Orte des Diskurses, der Öffentlichkeit, des Austauschs von Ideen.“ (Klamt 2012: 775 mit Verweis auf Habermas 1990: 96f.; Sennett 2004: 33) Heute erfahren, so Marc Augé, die Individuen eine gewisse Dezentrierung ihrer selbst. „[Der Einzelne] ist mit Instrumenten ausgerüstet, die ihn ständig in Kontakt zur fernsten Außenwelt bringen. Sein Handy ist zugleich Fotoapparat, Fernsehgerät und Computer. So kann er als Vereinzelter in einer intellektuellen oder visuellen Umwelt leben, die vollkommen unabhängig von seiner aktuellen physischen Umgebung ist.“ (2012: 124)

Trotz dieser Entwicklung ist eine Bedeutungszunahme des öffentlichen Raums zu konstatieren. So kann ein steigendes Interesse an sinnlich spür- und erlebbaren Interaktionen an öffentlichen und naturräumlichen Orten verzeichnet werden (vgl. Herlyn et al. 2003: 17f.). Es findet eine Rückbesinnung auf eine Kultur der Öffentlichkeit statt, um der Bedeutungslosigkeit der eigenen Räumlichkeit (vgl. Ströhl 2014: 202) zu begegnen. Im Zuge von Entlokalisierungstendenzen kommt es zu einem verstärkten Bedürfnis nach realen, persönlichen face-to-faceKontakten, wobei öffentliche und teilöffentliche Räume eine zentrale Rolle einnehmen. „Der urbane Raum erlebt […] zur Zeit eine Renaissance: Gewöhnliche Bürgersteige füllen sich bis zur Kapazitätsgrenze mit Fußgängern, Tischtennisspielern, Hunden, Kindern, Rollstuhlfahrern, Cafébesuchern und Baumscheibengärtnern. Zentral gelegene Wiesen, Brücken und Plätze werden zu allseits beliebten Treffpunkten, und unzählige Menschen setzen sich vor mehr oder weniger prominenten Sehenswürdigkeiten in Szene, um AnDenken an Orte, die sie mit ihrer Präsenz ausgezeichnet haben, mit sich nehmen zu können.“ (Hebert 2012: 44)

Auch Kreative, die technologisch permanent über räumliche Grenzen hinweg vernetzt und zumindest auf diese Weise einer Entgrenzung unterworfen sind (vgl. Kapitel 3.1.1), kehren ‚zurück‘ in die städtische Öffentlichkeit, „um sich in all ihrer Vernetzung und geografischen Ungebundenheit dann doch in urbanes Flair zu hüllen und konkrete physische Ankerpunkte […] anzulaufen“ (Klamt 2012: 775). Gerade die zunehmende Entsinnlichung der Arbeits- und Kommunikationsbeziehungen im Virtuellen bringt eine Sehnsucht nach realen und sinnlichen Erfahrungen und nach realen sozialen Kontakten mit sich. Obwohl in der

82 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

virtuellen Welt vielfach Bilder und Analogien der realen Welt gebraucht werden, um den Nutzenden die Orientierung zu erleichtern und sie zum Konsumieren anzuregen (vgl. bspw. Lee/Namho 2008; vgl. Berger/Jucker/Locher 2016; vgl. Abbildung 2-11, Abbildung 2-12), kann das Bedürfnis nach realen sozialen Kontakten nur in der Stadt mit ihren öffentlichen Räumen befriedigt werden. Abbildung 2-12: Virtuelle Räume abseits der materiellen Wirklichkeit

Quelle: www.dresdengallery.de/common/img/img_museum_003.jpg

Ein Teilaspekt der Wichtigkeit des öffentlichen Raums ist dahingehend auch im Sehen, Gesehen und Gehört werden (vgl. Arendt 1960: 424) auf der „Vorderbühne“ der öffentlichen Sphäre zu interpretieren (vgl. Goffman 2001: 100ff.; vgl. Muri 2016: 153f.), indem „die zur Schau getragene individualisierte Lebensstil-Öffentlichkeit […] der Sichtbarkeit des offenen Stadtraums bedarf“ (Klamt 2012: 775), um der narzisstischen Zeigelust von Körper und Statussymbolik als Ausdruck der Individualisierung gerecht werden zu können (vgl. Schubert 2000: 51ff.) und gleichzeitig stilisiertes und rollengeprägtes Verhalten mit der Unterstützung des Requisits Stadt zu zeigen. Die Selbstdarstellung in den sozialen Internet-Medien scheint dies nicht ersetzen zu können und der öffentliche Raum existiert nicht nur als bloßes funktionales Medium zur Distanzüberwindung, sondern als Bühne zur Erlangung von Aufmerksamkeit (vgl. Knierbein 2010; vgl. Muri 2016: 169). Im öffentlichen Stadtraum erlangt das Individuum Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit und nicht in den fragmentierten Öffentlichkeiten des Internets, insbesondere in den sozialen Medien, die bezüglich ihrer Durchlässigkeit für Informationen durch Filterblasen geprägt sind. Letztlich zeigt sich, dass Individualisierungstendenzen nicht zu einer Loslösung der Individuen vom Raum führen, sondern sich öffentliche Räume immer mehr

Raum, Ort und Gender | 83

zu Räumen der Repräsentation von Lebensstilen entwickeln (vgl. Klamt 2007: 59ff./64ff.). Ähnlich argumentiert Saskia Hebert, die urbane Räume „als öffentlich zugängliche, urbane Ressource“ versteht, die „gerade vor dem Hintergrund individualisierter Lebensstile eine kollektive Folie zur Selbsterfahrung [bilden], deren Permanenz den schnellen Wandel, den die Lebenswelt durchläuft, kompensieren soll“ (2012: 44). Die Voraussage, dass sich auch politische Meinungsäußerungen ins Virtuelle verlagern und den realen öffentlichen Raum als originär politisches Forum verlassen, indem politische Proteste auf Körperlichkeit durch Sitzblockaden, Protestmärsche etc. verzichten, ist nicht von der Hand zu weisen. Dennoch schließen sich das Virtuelle und das physisch Reale nicht aus, sondern ergänzen sich vielmehr. Über mobile Kommunikationskanäle mit Internetverbindung werden Proteste im realen physischen Raum schneller und effektiver in der Mobilisierung von Personen und der Sichtbarmachung (vgl. Neumayer/Stald 2014). So konstatieren Bourdin/Eckardt/Wood (2014: 186) mit Bezug auf die Proteste des Arabischen Frühlings und der Occupy Wall Street-Bewegung: „Die Neuen Sozialen Bewegungen […] haben auf eine neue Art und Weise soziale Vernetzungen hergestellt, wie sie die herkömmliche ortsgebundene Öffentlichkeit nie hätte schaffen können. Interessanterweise aber sind die Straßen und Plätze dadurch nicht irrelevant geworden und hat es nicht nur eine Revolution in Facebook gegeben.“

Als Beispiel aus der neueren Zeit können die Protestmärsche in den USA und Europa im Zusammenhang mit der online entstandenen Sexismus-Debatte unter dem Schlagwort ‚#metoo‘ angeführt werden (vgl. rp-online 30.10.2017; vgl. Abbildung 2-13). Abbildung 2-13: #metoo-Protestmarsch in den USA

Quelle: www.deutschlandfunk.de

84 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Mit den großen gesellschaftlichen Wandlungstrends von einer Industrie- hin zu einer Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft sowie den prognostizierten Auswirkungen des demografischen Wandels und den damit einhergehenden Diskussionen um den steigenden, auch internationalen Konkurrenzkampf der Städte (vgl. Mahnken 2003: 269f.) um Einwohner_innen, Unternehmen und Tourist_innen und der damit verknüpften Bedeutungszunahme weicher gegenüber harter Standortfaktoren, erfährt die ökonomische Seite des öffentlichen Raums eine Wiederbelebung. So haben viele Städte „diese Zusammenhänge inzwischen erkannt und beginnen Folgerungen zu ziehen. Öffentliche Räume werden zu einem Faktor in der interkommunalen und -regionalen Standortkonkurrenz. Vielerorts wird ‚aufgerüstet‘, wird an der Aufwertung der öffentlichen Räume gearbeitet“ (Selle 2008: 7; vgl. Rehwaldt 2013: 91). So wird der öffentliche Raum wieder vermehrt zum Schauplatz für kulturelle, sportliche und/oder kommerzielle Veranstaltungen und Events (vgl. auch Lossau 2013: 73; vgl. Wehmeyer 2013: 74). Die Bewertung dieser Entwicklung ist jedoch nicht von Konsens, sondern durch Ambivalenzen geprägt. Einerseits werden sich von dieser Entwicklung eine Belebung des öffentlichen Raums erhofft und die Gemeinschafts- und Identifikationsfunktionen gepriesen (vgl. David 2006: 23ff.), andererseits wird befürchtet, dass die unentgeltlich mögliche Nutzung des öffentlichen Raums gefährdet wird und damit eine weitere Kommerzialisierung der Stadtkultur einhergeht (vgl. Berding et al. 2003). Der öffentliche Raum – in welchem Verständnis er auch gefasst werden mag – ist von „eminenter sozialer Bedeutung“ (Selle 2008: 4). In ihm befindet sich naturgemäß die Qualität der Stadt als Kultur (vgl. Huet 2000 nach Selle 2003: 18). Dort finden abseits der privaten Sphäre Kommunikation, Interaktion und Sozialisation statt. Dies gilt für alle Stadtbewohner_innen, wobei manche Gruppen besonders auf öffentliche Räume angewiesen sind, beispielsweise Kinder und Jugendliche (vgl. Reutlinger 2015a: 58). Eine weitere Gruppe, die auf die Existenz des öffentlichen Raums angewiesen ist, sind Kreative, unter anderem aufgrund ihrer entgrenzten Lebens- und Arbeitswelt (vgl. Kapitel 3.1.1). Die Potenziale für Erlebnisse, Interaktionen und Kommunikation im öffentlichen Raum bilden die Grundlage für die persönliche Entwicklung, die Emanzipation von Menschen und ihrer Identifikation mit ihrer Umwelt und miteinander (vgl. Wentz 2015: 336/349). Die gesellschaftlichen und öffentlichkeitsbildenden Funktionalitäten der öffentlichen Räume prägen die städtische Kultur und die Stadtgesellschaft. Die Phase des Paradigmas der autogerechten und aufgelockerten Stadt scheint vorbei zu sein (vgl. Pfotenhauer 2015: 251) und in eine „beginnende Phase der ‚zurückeroberten Stadt‘“ (Apel 2012: 118; vgl. Rehwaldt 2013: 94f.) überzugehen, in der sich die europäische Stadt als Lebens- und Erlebnis-

Raum, Ort und Gender | 85

raum behauptet (vgl. auch Kunzmann 2012). So ist zu verzeichnen, dass Städte und ihre öffentlichen Räume zunehmend als essentieller Lebensraum verstanden und eingefordert werden und die wieder verstärkte Nutzung öffentlicher Räume mit dem Schlagwort Mediterranisierung (vgl. Dürr/Simon-Philipp 2013: 308; vgl. Fritsche/Reutlinger 2015: 341) versehen wird. Entgegen vormals geäußerter Befürchtungen, dass der öffentliche Raum durch die Möglichkeiten der ortsungebundenen Kommunikation seine ursprüngliche Funktion verliert (vgl. bspw. Meyrowitz 1986; vgl. Siebel 2004), hält er – zumindest in der europäischen Stadt – „Schritt mit einer technologisch basierten Raumunabhängigkeit, die gerade in Cafés, also ortsgebunden, eine eigenwillige Öffentlichkeitsmischung aus persönlicher Anwesenheit und technisch vermittelter Kommunikation unter An- und Abwesenden erzeugt – bei alledem interessanterweise in hohem Maße mit und nicht etwa ohne ‚sense of place‘.“ (Klamt 2012: 775f.)

So sind der öffentliche Raum und die in ihm lokalisierbaren Orte, trotz Internet und Digitalisierung konstitutionelle Elemente des gesellschaftlichen Lebens (vgl. Gieryn 2000: 463). Dennoch kommt es zu einer Neu- und Re-Lokalisierung des Verhältnisses von Öffentlichkeit und Privatheit, sowohl im Digitalen als auch im „realen“ Raum. Bezüglich der Qualitätskriterien für öffentliche Räume, zugänglich und nutzbar zu sein sowie in Interaktion mit anderen treten zu können, können auch bestimmte virtuelle Räume (Foren, Chaträume, soziale Netzwerke, bestimmte online-Spiele) als öffentliche Räume gewertet werden, wobei das Kriterium der Erfahr- und Erlebbarkeit von Heterogenität bisweilen deutlich in den Hintergrund tritt. Dennoch haben virtuelle Räume „vielfältige Rück- und Wechselwirkungen auf den tatsächlichen Stadtraum und die sozialen Interaktionen mit und in ihm […]“ (Klamt 2012: 789). So werden beispielsweise dynamische Versammlungsformen wie Flashmobs virtuell organisiert und münden in neue Formen der Teilhabe im und am öffentlichen Raum (vgl. Muri 2016: 352). 2.4.3 Urbane Freiräume als Räume des Kompensatorischen, Komplementären und Korrespondierenden Während der zentrale Stadtplatz als Prototyp des öffentlichen Raums angesehen wird (vgl. Kapitel 2.4), wird der Stadtpark als Prototyp städtischen Freiraums angesehen (vgl. Petrow 2012: 805). Beide Raumkategorien sind eng miteinander verbunden und werden in der Literatur oftmals gleichgesetzt (vgl. Braum/ Schröder 2010). Städtischer Freiraum kann als Unterkategorie des öffentlichen

86 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Raums gefasst werden, zumindest wenn zur Beurteilung der Kategorisierung des öffentlichen Raums das quantitative Kriterium, das qualitative und das diskursive Kriterium angelegt werden (vgl. Kapitel 2.4.5). Städtischer Freiraum weist aber zusätzliche Besonderheiten und Funktionen (vgl. Abbildung 2-14) auf, sodass eine Gleichsetzung wichtige Aspekte unbeachtet ließe. Abbildung 2-14: Funktionen städtischer Freiräume

Quelle: eigene Abbildung nach Bochnig/Selle 1992: 45; Gälzer 2001: 23ff.; Hauser 2001: 240f.; Drlik/Lička 2010

Mit der Veränderung bezüglich des Verhältnisses von Arbeits- und Freizeit im Zuge der Arbeitszeitverkürzungen seit Mitte des 20. Jahrhunderts, dem aufkommenden Natur- und Umweltbewusstsein sowie der verstärkten Gesundheitsorientierung der Bevölkerung hat sich der städtische Freiraum von einer ästhetischrepräsentativen Einrichtung (seit Mitte des 19. Jahrhunderts) und der Installierung der staatlichen Wohlfahrt (im Zuge der Industrialisierung) hin zu einem Ort der Freizeit entwickelt (vgl. Nohl 2005). Städtischer Freiraum ist Raum unter freiem Himmel, der neben ökonomischen Funktionen, hier sei insbesondere auf die positive Beeinflussung von Immobilienpreisen und Lagewerten in räumlicher Nähe von städtischen Freiräumen hingewiesen (vgl. Klaphake/Meyerhoff 2003), vor allem auch ökologische Funktionen erfüllt. So kann städtischer Freiraum kleinklimatisch ausgleichende Funktionen auch und gerade in Zeiten des Klimawandels übernehmen und stadthygienische und schützende Funktionen für die urbane biologische Vielfalt bieten (vgl. Drlik/Lička 2010: 46f.). In Abhängigkeit von den Möglichkeiten seiner Aneignung wird städtischem Freiraum zudem eine Fülle an sozialen Funktionen zugeschrieben, insbesondere bezüglich seiner kompensatorischen Qualitäten, insofern der Raum grünge-

Raum, Ort und Gender | 87

prägt 39 ist und somit als Natur wahrgenommen wird (vgl. Wolf/Appel-Kummer 2009, Gälzer 2001, Richter 1981). Städtische Freiräume verfügen insofern über ein kompensatorisches Moment, da sie die negativen Folgen des Lebens in Städten auf ihre Bewohner_innen (wie schlechte Luftqualität, Lärmbelastung, Hektik, bauliche Enge und hohe Bevölkerungsdichte) abmildern. Es ist nachgewiesen, dass sich Grün in der Stadt positiv auf die Gesundheit der Bewohner_innen auswirkt, da der Aufenthalt im Grünen ohne künstliche Bedachung einen großen Teil der Bedürfnisbefriedigung im Freiraum ausmacht (vgl. Tessin 2008: 51), indem die „bewusste oder unbewusste Distanzierung zu den Anforderungen des Alltags […] eine sensitive und kognitive Entspannung“ erzeugt (Kühne 2008: 228) und damit stressreduzierend wirkt (vgl. Petrow 2012: 808). Dabei stellt die „aufmerksame oder beiläufige Betrachtung der umgebenden Landschaft“ (Kaspar 2013: 175) einen zentralen Aspekt des Besuchs öffentlicher Freiräume dar. Urbane Freiräume ermöglichen den Zugang zur Natur, was als fundamentales Bedürfnis von Menschen gilt. Die Natur ist in diesem Zusammenhang das Gegenbild des Urbanen, wobei die Natur „nicht mehr außerhalb der Stadt verortet“ (Petrow 2012: 812; vgl. Kühl 2016: 227) wird. Städtische Freiräume sind damit nicht mehr ausschließlich etwas Kompensatorisches, sondern vielmehr etwas Komplementäres (vgl. Kaltenbrunner 2004) und Korrespondierendes (vgl. Giseke 2004), das in Verbindung mit einer Infrastruktur der Freizeit einen wesentlichen Faktor für die Lebensqualität in Städten darstellt (vgl. Kühl 2016: 227), indem Urbanität und gesundheitsorientiertes Leben eine Verbindung erfahren. So wird bereits von einer „Renaissance des städtischen Freiraums“ (Rehwaldt 2013: 91) gesprochen. Paradoxerweise repräsentiert der städtische Freiraum etwas, das an sich außerhalb des Städtischen liegt, er negiert die Stadt, obwohl er in ihr liegt (vgl. Lefebvre 1976: 32). Er wird als das Andere, AntiUrbane, als räumliche Unterbrechung und Gegenentwurf zur städtischen Realität und Verbindung von Natur mit Kultur, als Heterotopie im Sinne Foucaults 40 wahrgenommen (vgl. Petrow 2012: 814).

39 Oftmals findet eine synonyme Verwendung von Frei- und Grünraum statt (vgl. Swanwick et al. 2003), diesem Verständnis wird im Folgenden gefolgt. 40 Nach Michel Foucault (1993: 39) sind Heterotopien „wirkliche Orte, wirksame Orte, die in die Einrichtung der Gesellschaft hineingezeichnet sind, sozusagen Gegenplatzierungen oder Widerlager, tatsächlich realisierte Utopien, in denen die wirklichen Plätze innerhalb der Kultur gleichzeitig repräsentiert, bestritten und gewendet sind, gewissermaßen Orte außerhalb aller Orte, wiewohl sie tatsächlich geortet werden können.“

88 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

In diesem Zusammenhang kann auch das Aufkommen des Urban Gardening gelesen werden (vgl. auch Kapitel 2.3). Neben der radikalen Inklusivität (vgl. Müller 2013: 147) von urbanen Gemeinschaftsgärten und ihrer zugeschriebenen Bedeutung als Orte von „empowerment sozial marginalisierter Bevölkerungsgruppen“ (Clausen 2013: 155, Hervorh. im Orig.) und „Kritik und Vision gesellschaftlicher Raumverhältnisse“ (Mölders/Kühnemann 2017: 281), sind es Orte, an denen „Natur nicht länger als Konterpunkt zur bebauten Fläche fungiert“ (Müller 2013: 149), sind es Orte „urbaner Subsistenz“ (Paech/Rehm 2012: 224f.), an denen auf diese Weise die funktionalen Gliederungen von Städten infrage gestellt werden (vgl. Metzger 2014:244). Letztlich ist das Naturversprechen städtischer Freiräume deren einzige nicht substituierbare und daraus folgend deren wesentliche Funktion (vgl. Ward Thompson 2002: 23). „Freiraum ist damit in mehrfacher Hinsicht zwischen den Kategorien angesiedelt, in denen Stadt als physischer Ort in Erscheinung tritt. Er ist das Dazwischen zwischen naturräumlich Gegebenem und anthropogen Überformtem, zwischen planvoll Angelegtem und übrig Gebliebenem, er ist ebenso Natur wie Kultur und schließlich, so ließe sich hinzufügen, entspricht er auch zeitlich einem Dazwischen, indem seine Nutzung in Abhängigkeit von Klima und Jahreszeit hauptsächlich zwischen März und Oktober stattfindet.“ (Petrow 2012: 812)

Zudem schwankt die Entfernungssensibilität bezüglich der verschiedenen Nutzungswünsche im Freiraum erheblich (vgl. Tessin 2011: 81). Dies hängt auch damit zusammen, dass das Freizeitverhalten aufgrund unterschiedlicher kultureller Prägungen in der multi-ethnischen Gesellschaft divergiert. Folglich werden differenzierte Ansprüche an die Ausstattung urbaner Freiräume gestellt, die zudem Moden und raschen Trendwechseln unterliegen (vgl. Nohl 2002: 13). Freiräume zeichnen sich durch eine verhältnismäßig geringe Verhaltensreglementierung sowie durch Aktivitäten jenseits des zwingend Notwenigen aus (vgl. Gehl 2006: 9ff.). In diesem Zusammenhang stellen sie für subkulturelle Gruppen und für als marginalisiert angesehene Stadtbewohner_innen Rückzugsund Sozialräume dar. Analog zu Privatisierungstendenzen im gesamten öffentlichen Raum „birgt die zunehmende Involviertheit privatwirtschaftlicher Akteure in die Herstellung städtischer Freiräume das Potenzial eines Bedeutungszuwachses symbolischer Werte zu Ungunsten von Gebrauchswerten sowie die Gefahr sozialer Exklusion“ (Petrow 2012: 830f.). Ebenfalls analog zur erhöhten Aufmerksamkeit, die dem öffentlichen Raum in jüngerer Zeit in der Stadtentwicklung und Stadtentwicklungsplanung wieder zukommt, werden Freiraumsysteme in Städten ausgebaut, um wettbewerbsfähig

Raum, Ort und Gender | 89

bezüglich Freizeit- und Naherholungsmöglichkeiten zu bleiben und unter Umständen Defizite bei harten Standortfaktoren auszugleichen (vgl. Petrow 2010). Indem „Plätze, Parks und Promenaden vor allem der – wie auch immer gearteten – Erholung in der Stadt dienen, kommt der guten Gestaltung dieser Räume eine grundsätzliche Bedeutung zu“ (Berding 2013: 9). Indem Lage und landschaftliche Qualität im Zusammenspiel mit der gebauten Materialität, der Lebensqualität, dem Image und der emotionalen Identifikationskraft im Sinne eines „geographischen Kapitals“ (vgl. Blotevogel 2007: 10) ökonomisch bedeutsam werden, wird städtischer Freiraum und die mit ihm assoziierte Natur in verstärkter Weise zum Standortfaktor von Städten (vgl. Ipsen 2006: 72). 2.4.4 (Un-)Sicherheiten im öffentlichen Raum Bei aller idealistischer Betrachtung öffentlicher Räume als Orte der Interaktion und des Erlebens von Heterogenität, sind sie oftmals Stadträume, in denen ein Erleben von Unsicherheit, diffuser oder konkreter Bedrohung und Ausgrenzung stattfindet. „Öffentliche Räume sind daher nicht allein Integrationsfaktor, sondern auch Kristallisationspunkt von Brüchen und Differenzen der Stadtgesellschaft(en).“ (Klamt 2012: 792) Verschiedenste Lebensentwürfe, Interessen und Wünsche treffen im öffentlichen Raum aufeinander, die sich dabei diametral gegenüberstehen und zu Konflikten führen können. Nicht umsonst ist der öffentliche Raum zu einem wichtigen Schlagwort ordnungs- und sicherheitspolitischer Debatten avanciert (vgl. Reutlinger 2015b: 340). In öffentlichen Räumen findet eine Polarisierung von als randständig deklarierten Gruppen wie Obdachlosen, Bettler_innen, Drogenabhängigen, Punks oder schlicht Andersaussehenden als störende Elemente statt oder wird zumindest sicht- und erlebbar. Dies wird unterschiedlich bewertet. Während dies „von den einen als Störung und Bedrohung empfunden“ wird, gehört es für andere „unabdingbar auch zum Bild des öffentlichen Raumes“ (Selle 2008: 5), da die Gestalt des öffentlichen Raums nicht als Partikularinteresse, sondern als res publica angesehen werden kann (vgl. Bredgens 2005: 1089). In der einen Sichtweise darf keine Person aus dem öffentlichen Raum ausgeschlossen oder vertrieben werden, da es sich um einen öffentlichen Raum handelt. In der gegenteiligen Argumentation, müssen bestimmte Menschen ausgeschlossen werden, damit der Raum öffentlich und für alle zugänglich bleiben kann (vgl. Reutlinger/Fritsche 2011: 5). Unabhängig von der Bewertung dieses Umstands, kann dies als Sichtbarwerdung von sozialen und politischen Interessens- und Machtverhältnissen in der Stadt betrachtet werden (vgl. Lefebvre 1991: 365; vgl. Muri 2016: 355), an denen die Exklusion rand-

90 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

ständiger Personen aus den öffentlichen Räumen nichts ändert, da die sozialen Zusammenhänge und Problemlagen (wie Armut, Obdachlosigkeit, Drogenkonsum etc.) weiterhin bestehen und lediglich die öffentliche Sichtbarkeit sozialstruktureller und sozialpolitischer Themen aus dem öffentlichen Raum verdrängt wird (vgl. Reutlinger 2015b: 343/348). Die Legitimierung dieser Ausgrenzungstendenzen steht permanent zur Diskussion (vgl. Henaff/Strong 2001: 221). Der Ausschluss von als deplatziert empfundenen Personen aus Gründen der Ästhetisierung und Sekuritisation 41 findet im Stadtraum vermehrt statt und wird kontrovers diskutiert, insbesondere seit der in den 1990er/2000er Jahren beginnenden Auseinandersetzung mit Fragen von Sicherheit und Ordnung in der Stadt bezüglich zunehmender Gewalt- und Betäubungsmittelkriminalität, Verwahrlosung/Vandalismus, Raub und Überfällen, Vergewaltigungen, sexuellen Übergriffen und Nötigungen, die als Spiegelung sozialstruktureller Konflikte innerhalb von Stadtgesellschaften gelesen werden können. Der öffentliche Raum ist ein „Ort, an dem allgemein gütige Regeln herrschen, an dem aber auch Regeln gebrochen werden“ (Bredgens 2005: 1089). Mit den Aufständen gesellschaftlich ausgegrenzter Jugendlicher in den französischen Banlieues, die zuerst 2005 große mediale Aufmerksamkeit erlangten, erfuhr dieser Diskurs eine weitere Anfachung (vgl. Frevel 2012: 593f.). Zudem, oder gerade aufgrund dessen, sank das Sicherheitsempfinden im öffentlichen Raum (vgl. Reuband 2009; vgl. Egg 2011), wobei hierzu nicht ausschließlich de jure kriminelle Handlungen beitragen, sondern auch differierende individuelle Positionen zu Vermüllung, öffentlichem Alkoholkonsum, Prostitution, aggressivem Betteln etc. (vgl. Körner 2011). Inwieweit die Interpretation solcher Umstände zu Sicherheits- bzw. Unsicherheitsempfinden beiträgt, ist dabei immer auch Ausdruck der gesellschaftlichen Konstruktion von Normen und Werten sowie eine Frage der Deutungshoheit und schließlich von Machtbeziehungen (vgl. Ruhne 2011: 173). In jüngerer Zeit wird der öffentliche Raum vielfach als ein Bereich beschrieben, der per se ein Konfliktraum ist und aufgrund dessen eine Befriedung erfahren müsse (vgl. Reutlinger 2015b: 343). So werden Bettelei, Obdachlosigkeit sowie Drogen- und Alkoholkonsum zunehmend als abweichendes Verhalten deklariert, „das in den Innenstädten und den Konsumtempeln

41 Versicherheitlichung bedeutet, dass gesellschaftliche und ökonomische Phänomene (z.B. Asyl/Migration, Drogenkonsum, Moscheebauten) in Sicherheitsprobleme umgedeutet, einer Neuinterpretation unterworfen und damit einer Problembehandlung zugeführt werden, die unter dem Sicherheitsaspekt stattfindet. Dies führt zu einer vermehrten Aufmerksamkeit für potentiell vorhandene Gefahren bei gleichzeitiger Begrenzung von Offenheit und Toleranz (vgl. Frevel 2012: 607).

Raum, Ort und Gender | 91

nichts zu suchen hat“, was zu einer „partiellen ‚Kriminalisierung‘ sozialer Lagen“ führt (Frevel 2012: 606), indem eine selektive Ausgrenzung und Verdrängung jener Personengruppen durch Sicherheitsdienste, exkludierende räumliche Gestaltung und Möblierung des öffentlichen Raums stattfindet (vgl. Staeheli/Mitchell 2007: XXIV) und unerwünschte Gruppen in „Rest-Räume“ (Bredgens 2005: 1096) abgeschoben und marginalisiert werden, in dessen Folge eine Exklusivierung und Entpolitisierung des öffentlichen Raums stattfindet. Unter der Annahme, dass Raum dann öffentlich ist, wenn er die Gesellschaft repräsentiert, ist der öffentliche Raum unter Umständen „nicht mehr Repräsentationsraum in dem Sinne, dass sich hier die Vielfalt der Gesellschaft darstellt […]. Der anscheinend öffentliche Raum spiegelt die Befindlichkeit der Gesellschaft […] wider. Der Zustand des öffentlichen Raums ist von dem Wunsch nach Ausgrenzung und Kontrollierbarkeit, letztlich Beherrschbarkeit geprägt.“ (Bredgens 2005: 1092)

Insbesondere seit dem vermehrten Aufkommen islamistisch motivierter Terroranschläge auch in Europa und Nordamerika in jüngster Zeit, werden Forderungen nach einer stärkeren Überwachung öffentlicher Räume laut, sei es durch politische Forderung von Videoüberwachung oder verstärkter Präsenz von Polizei (und teilweise sogar Militär) im öffentlichen Stadtraum (vgl. Klieber/Schmidt 2015). Damit soll mehr Sicherheit(sempfinden) hergestellt und Kriminalität besser verfolgt werden können (vgl. Frevel 2012: 594). Dies führt auf der anderen Seite dazu, dass Städte als militarisiert und im Belagerungszustand wahrgenommen werden (vgl. Graham 2009). War Videoüberwachung bisher vor allem, wenn auch nicht ausschließlich, eher im privatwirtschaftlichen Raum (Tankstellen, Ladengeschäfte, schienengebundene Verkehrsträger) an der Tagesordnung, dringt diese Praxis in zunehmendem Maße in den öffentlichen Bereich mit dem Verweis darauf, dass „der brave Bürger […] ja nichts zu befürchten [habe]“ (Lange et al. 1999: 55). Sicherheit als elementares Bedürfnis von Menschen wird zwar als Anspruch an öffentliche Räume angesehen, inwieweit dies allerdings zuungunsten der Privatsphäre der Nutzenden sichergestellt werden kann, wird derzeit kontrovers diskutiert, zumal die objektive und die subjektive Sicherheit oftmals deutlich voneinander abweichen sowie die Wirksamkeit von Videoüberwachung bei der Kriminalitätsprävention zumindest fraglich ist (vgl. Hempel/Metelmann 2005; vgl. Klauser 2006; vgl. Kazig/Frank/Reiter 2011). 42 Ruth

42 Bezüglich des Diskurses zu Sicherheit in städtischen Räumen sind auch die ökologischen Kriminalitätstheorien von Bedeutung, die auf den Zusammenhang von Raum,

92 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Becker (2004: 656) weist in diesem Zusammenhang drauf hin, dass die Debatte um Angsträume einen Vorwand für staatliche Kontrolle über den öffentlichen Raum liefert. Damit muss auch das „Ausweisen von Freiräumen zum Schutz von Frauen […] als Eingrenzung statt als Befreiung gesehen werden“ (vgl. WastlWalter 2010: 136) beziehungsweise als Ausdruck „eines ‚Raumfetischismus‘ 43 einerseits und eines wesenhaften Identitätsverständnisses andererseits“ (Strüver 2014b: 41). Davon unbeeindruckt, hat die Aufwertung von Sicherheitsaspekten in Politik und Gesellschaft zu einer gesteigerten Bereitschaft geführt, Unsicherheitsminimierung in öffentlichen Räumen zuungunsten persönlicher Freiheit hinzunehmen. Das subjektive Unsicherheitsempfinden in öffentlichen Räumen „kann sowohl über die Konfrontation mit sozialer Differenz, aber auch über räumliche Bedingungen wie Unübersichtlichkeit, Leere, Nischen, Fluchtwegblockaden u.ä.“ beeinflusst werden, „mediale Darstellungen über reale oder scheinbare Kriminalitätsschwerpunkte tragen ein Übriges zur Konstruktion von ‚Angsträumen‘ bei“ (Klamt 2012: 796). In Städten sind nicht alle öffentlichen Räume von Unsicherheitsempfinden geprägt, es bilden sich mit bestimmten Ereignissen oder Narrativen über Ereignisse Zonen des Unsicherheitsempfindens in bestimmten Quartieren oder Straßenzügen heraus. Entweder existieren dort objektive Gefahren und/oder subjektiv als gefährlich empfundene Merkmale, die bei den Raumnutzenden Angst, Furcht oder lediglich eine gewisse Ungemütlichkeit oder Unwohlsein auslösen (vgl. Frevel 2012: 596). Dabei ist eine generelle räumliche Zuordnung zu Zentrum oder Peripherie oder nach spezifischer Stadtnutzung nicht möglich, dies ist von Stadt zu Stadt unterschiedlich, wobei es dennoch dreierlei Raumtypen zu geben scheint, in denen sich besonders oft sogenannte Angsträume finden: in Vergnügungsvierteln, in Vierteln mit unfreiwilliger Seg-

Kriminalität und Sozialkontrolle eingehen (vgl. Frevel 2012: 599). Hier sind vor allem der Defensible-Space-Ansatz von Newman (1973) zu nennen, nach dem es zur Abwehr von Kriminalität der Identifikation der Bewohner_innen mit ihrem Raum bedarf, damit eine informelle soziale Kontrolle ausgeübt wird, der Routine-Activity-Ansatz von Cohen/Felson (1979), nach dem Kriminalitätsprävention vor allem durch die Beeinflussung und Minimierung von Tatgelegenheiten/Tatobjekten stattfinden kann sowie die Broken-Windows-Theorie von Wilson/Kelling (1982), nach der bereits bei niederschwellig abweichendem und sozial unerwünschtem Verhalten strikte Reaktionen angebracht sind, um keine Zeichen fehlender Kontrolle entstehen zu lassen. 43 Unter Raumfetischismus wird in Anlehnung an Doreen Massey verstanden, dass Gründe für das Charakteristische von Räumen in den Räumen selbst gesehen wird und nicht in deren sozialen Zuschreibungen (vgl. Strüver 2014b: 37).

Raum, Ort und Gender | 93

regation, Perspektivlosigkeit und hoher baulicher Verdichtung sowie an Mobilitätsschnittstellen (vgl. Frevel 2012: 597). In den meisten Fällen sind auch objektive Kriminalitätsbrennpunkte zugleich Angstorte, dies trifft aber nicht grundsätzlich zu (vgl. Döring 2008: 97f.). Parallel dazu existieren Angstorte aber auch dort, wo keine erhöhte Kriminalität zu verzeichnen ist und dort, wo dies der Fall ist, muss nicht zwingend auch ein erhöhtes Unsicherheitsempfinden zu Tage treten. Oftmals handelt es sich bei Angstorten um Räume, die durch Verwahrlosung und Vandalismus gekennzeichnet sind, wo potentielle Hilfsmöglichkeiten fehlen, subjektiv eine unzureichende Sozialkontrolle aufgrund von Unbelebtheit stattfindet, keine Fluchtwege oder Ausweichmöglichkeiten existieren (vgl. Wucherpfennig/Fleischmann 2008: 363), sowie um Räume, die schwer einzusehen und schlecht beleuchtet sind. In der Literatur hat sich der Begriff der ‚Angsträume‘ für solche „Orte im öffentlichen Raum etabliert, an denen Frauen Angst haben, Opfer einer Gewalttat – in erster Linie einer Vergewaltigung – zu werden, wenn sie – vor allen Dingen nachts – ohne Begleitung unterwegs sind“ (Kutschinske/Meier 2000: 138). Parks, Parkhäuser und Friedhöfe sind beispielsweise Orte, „an denen insbesondere Frauen Unsicherheit empfinden“ (Frevel 2012: 597). Im Zuge dessen finden im Sinne des Gender Mainstreaming, das „geschlechtshierarchische Strukturen als gesellschaftlich unerwünscht erklärt und alle in den jeweiligen Handlungsfeldern entscheidenden Kräfte verpflichtet […], mit all ihren Handlungen zum Abbau solcher Strukturen beizutragen“ (Becker 2004: 380), und so zu der „Erreichung der Chancengleichheit für Frauen und Männer beitragen soll“ (Damyanovic/Wotha 2010: 75), vermehrt planerische und baulich-gestalterische Maßnahmen statt, um vermeintlich objektive Merkmale von Angstorten zu vermeiden oder abzumildern und ganz explizit Freiräume für Frauen zu schaffen (vgl. Wastl-Walter 2010: 131). Dies geschieht beispielsweise durch bessere Ausleuchtung von Parks, die Einrichtung von Frauen-Parkplätzen und Ähnlichem. Teilweise wird eine stärkere Einbindung von Frauen an Planungsprozessen initiiert. Seltener zielen abgeleitete Maßnahmen auf eine Veränderung der gesellschaftlichen Konzeptionen von Geschlecht und öffentlichem und privatem Raum (vgl. Wucherpfennig/Fleischmann 2008: 364), wofür eine Abkehr vom Normalitätsdenken notwendig wäre (vgl. Becker 2004: 381; vgl. Kapitel 2.2.2). Letztlich werden unter Angsträumen vor allem solche Orte verstanden, an denen insbesondere Frauen Unsicherheit verspüren und Angst haben, Opfer von Gewalt, vor allem sexueller Gewalt zu werden (Wucherpfennig/Fleischmann 2008: 363). Obwohl die seit den 80er Jahren aufkommenden sogenannten Angstraum-Studien immer noch aktuell sind, hat sich vor allem aus geschlechtertheoretischer und weniger aus planerischer Perspektive, grundlegende Kritik daran

94 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

entwickelt. Einerseits wird mit dem Begriff des Angstraums dem Raum oder räumlichen Strukturen selbst eine inhärente Gefährlichkeit impliziert, andererseits wird Frauen eine naturgegebene Ängstlichkeit unterstellt (vgl. bspw. Aufhauser 2005; Ruhne 2003; Kallus 2003). Im Sinne Doreen Masseys findet dort das Phänomen „blaming the victims for their own misfortune“ (Massey 1994: 19) statt. „Der stete Hinweis darauf, dass Frauen Angst haben – ohne diese geschlechtsspezifische Angst weiter zu hinterfragen und zu analysieren, was diese Angst mit den Geschlechtsrollenstereotypen zu tun hat –, d.h. das unbedachte Einsetzen von Geschlecht als erklärende Variable für diese Angst, trägt dazu bei, die ‚weibliche‘ Angst im öffentlichen Raum als naturhaftes Wesensmerkmal ‚der‘ Frau zu konsolidieren und die damit verbundenen sozialen Verhältnisse unangetastet zu lassen. […] Dass es […] auch ängstliche Männer gibt, Angst also nicht als ‚typisch weibliche‘ Eigenschaft gesehen werden kann, fällt meistens unter den Tisch.“ (Kutschinske/Meier 2000: 139)

Als weiterer Kritikpunkt muss angeführt werden, dass mit der Fokussierung auf Angsträume die wirklich gefährlichen Räume für Frauen, die im sozialen Nahbereich und der privaten Wohnung liegen, eine Vernachlässigung erfahren (vgl. Becker 2000/2008; vgl. Ruhne 2011). Eine geschlechtsspezifische Sozialisation durch Medien und das soziale Umfeld sowie symbolische Repräsentationen tragen dazu bei, dass Frauen und Männern bestimmte Eigenschaften und Merkmale zugeschrieben werden (weibliche Schwäche, Verletzlichkeit, Schutzbedürftigkeit, Emotionalität, männliche Entschlusskraft, Energie, Mut etc.), ebenso wie bestimmten Räumen bestimmte Eigenschaften und Merkmale zugeschrieben werden (Gefahr, Unsicherheit) (vgl. Aufhauser 2005: 14). So sind Frauen im öffentlichen Raum einem weit geringeren Risiko unterlegen, Opfer von Gewaltverbrechen zu werden als Männer, es findet aber eine Projektion der Kriminalitätsangst vor allem auf den öffentlichen Raum statt (vgl. Luff 2016: 44; vgl. Gebhard 2003: 115). Raum- und Geschlechterfragen können in diesem Zusammenhang als „machtvolle gesellschaftliche (An-) bzw. (Zu-)Ordnungen“ (Ruhne 2011: 157) oder als „wirkmächtige[s] Moment des Sozialen“ (ebd.: 193) begriffen werden, das auf normativen Regulationen des 18. und 19. Jahrhundert bezüglich der bipolaren Zuordnung von öffentlichem und privatem Raum und der Zuordnung der Geschlechter zu diesen Raumkategorien basiert (vgl. Kapitel 2.2.2). Bei deren Herstellung und Rekonstruktion sind Frauen selbst beteiligt. So kann das Meiden von als unsicher empfundenen Räumen die Zuschreibung von Schwäche in Bezug auf Frauen verstärken und somit über die Sozialisation weitergetragen und inkorporiert werden. Auf diese Weise wirken Machtstrukturen

Raum, Ort und Gender | 95

„als objektivierende körperliche Gegebenheiten stabilisierend auf Prozesse der Konstruktion und Konstitution von Raum und Geschlecht“ zurück (Ruhne 2011: 201; vgl. Thürmer-Rohr 2004: 85) und die Persistenz von Geschlechterstereotypen wird aufrechterhalten (vgl. Wastl-Walter 2010: 70). Trotz der erläuterten Kritikpunkte, kommt dem Begriff des Angstraums in jüngerer Zeit wieder eine erhöhte Präsenz in den medialen und politischen Debatten zu. Insbesondere seit den Berichten zur ‚Kölner Silvesternacht‘ und der damit einhergehenden Diskussion um eine ‚Rape Culture‘ im Zusammenhang mit einer emotional geführten Flüchtlingsdebatte, die in einer Ethnisierung gefährlicher Körper mündet, „steht die Bewegungsfreiheit von Frauen in der Stadt, ihre selbstbestimmte Verfügung über Körper und Raum wieder einmal im Fokus der Öffentlichkeit“ (vgl. Vogelmayr 2016: o.S.). 2.4.5 Angewandtes Begriffsverständnis des öffentlichen Raums „Wohin wir gehen, hat nichts mit der Tatsache zu tun, ob der Raum nun öffentlich, halböffentlich oder privat ist. Eher im Gegenteil: Halböffentliche Räume wie Bars, Restaurants, Discotheken oder Einkaufspassagen gewinnen in der Stadt zunehmend an Bedeutung. In großen Städten wachsen komplexe halböffentliche Netze, die man so benutzt, als würde man zwischen einzelnen Fernsehkanälen hin-und herzappen. Wir bedienen uns dieser Netze ganz intuitiv, sind aber auch schnell gelangweilt. Wir jagen ununterbrochen den neuen, womöglich noch stärkeren Reizen hinterher. ‚It is cool or it sucks‘, um es mir der MTV-Terminologie von Beavis und Butthead zu sagen.“ Bart Lootsma 1998: 119f.

Für die vorliegende Arbeit werden öffentliche Räume aus stadtsoziologischer beziehungsweise sozialgeografischer Perspektive und damit aus Nutzer_innensicht definiert. Denn erst die Raumnutzenden machen einen Raum zu einem öffentlichen Raum oder eben nicht (vgl. Klamt 2006: 37). Diesbezüglich ist allerdings anzumerken, dass nicht nur eine Sicht der Nutzer_innen existiert, sondern im Sinne eines relationalen Raumverständnisses (vgl. Kapitel 2.1.3) jedes Individuum eine eigene Sicht auf Räume hat (vgl. Schroer 2005: 341).

96 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

„[…] People attribute meanings to spaces or places and percieve, represent and interpret them […].“ (Blokland et al 2016: 1)

In diesem Sinne ist ein öffentlicher Raum ein Raum, der ausgehend vom Verhalten der Nutzenden, für alle Menschen ohne besondere Befugnisse und offensichtliche Beschränkungen zugänglich und nutzbar ist. Die Einteilung von privat und öffentlich aus eigentumsrechtlicher Sicht erfährt dabei keine Betonung. Dies mag für planerische Anliegen impraktikabel sein, ist für das Anliegen dieser Arbeit, das Entstehen von Orten nachzuvollziehen, jedoch operationalisierbar. Eine Unterscheidung findet allerdings bezüglich teil- oder halböffentlicher Räume statt. Diese werden dahingehend definiert, dass sie im Gegensatz zum öffentlichen Raum das Merkmal der Konsumorientierung aufweisen, wie es beispielsweise bei Cafés, Kneipen oder Kinos der Fall ist. Dritte Orte (vgl. Kapitel 4.4) können in diesem Verständnis in beiden Kategorien von Räumen, in öffentlichen und teilöffentlichen Räumen existieren. Als Grundlage für diese Sichtweise auf öffentliche Räume findet der Definitionsvorschlag von Martin Klamt Anwendung, in dem die Beurteilung von Räumen als öffentliche Räume nach drei Kriterien stattfindet: dem quantitativen Kriterium, dem qualitativen und dem diskursiven (vgl. Abbildung 2-15). Dabei ergibt sich aus der Größe der Schnittbereiche der Kriterien eine spezifische Qualität hinsichtlich der Einstufung eines Raums als öffentlichem Raum (vgl. Klamt 2007: 68ff.). Abbildung 2-15: Analytische Kriterien öffentlicher Räume

Quelle: eigene Abbildung in Anlehnung an Klamt 2012: 792

Das quantitative Kriterium beschreibt die (jedenfalls theoretische) Zugänglichkeit und Nutzbarkeit eines Raums für die Öffentlichkeit. Das qualitative Kriterium steht für die Erfahr- und Erlebbarkeit von Heterogenität in der Stadtgesellschaft mit differenzierten, nicht immer im Voraus planbaren und zu erwartenden Begegnungen und Situationen. Das diskursive Kriterium beschreibt schließlich

Raum, Ort und Gender | 97

die Interaktionsmöglichkeiten, die sich zwischen Individuen und dem Raum selbst und zwischen Individuen untereinander darstellen. Der Vorteil dieses Definitionsversuchs liegt darin, dass in dieser Sichtweise eigentumsrechtlich als privat einzustufende Räume, als öffentliche Räume angesehen werden können, wie es in der alltäglichen Wahrnehmung der Nutzenden der Fall ist. Als oberflächlich nachteilig erweist sich, dass keine dichotome Abgrenzung von privatem und öffentlichem Raum stattfindet, dies würde jedoch ohnehin der oftmals vorhandenen Hybridität öffentlich genutzter Räume und Orte entgegenstehen.

3

Kreativität und die neue Attraktivität der Städte „Eine […] Stadt ist ein Netzwerk, ein Kontaktraum und Lebensraum, Resonanzraum und Stauraum, ein Schauplatz und Spielplatz, ein Ort der Erkundung und der Erschließung, der Gestaltung und der Kulturentwicklung in all ihren Dimensionen. Die Stadt ist Erfahrungsfeld von Gemeinschaft sowie öffentlicher Raum verantwortungsvoller Mitgestaltung. Die Stadt ist der Ort der Kreativität – des Einzelnen und der Gesellschaft.“ Johanna G. Eder 1 2016: 22f

Im Zusammenhang von urbanen Räumen, Wissensökonomie und -gesellschaft sowie Kreativität verweist Constanze Klotz (2014: 17) auf den Umstand, dass mit den Thesen Landrys (2000) und Floridas (2002) eine „zunehmende Attributisierung von Städten 2 mit kreativen, d.h. hier humankapitalbezogenen Eigenschaften“ stattfindet. Dabei tragen insbesondere Landrys Ausführungen zu Auswirkungen auf die strategische und politische Ausrichtung von Städten als ‚Creative Cities‘ bei, indem seine Thesen Eingang in die Stadtentwicklungspraxis gefunden haben. Sein – in der Rezeption durchaus für überhöht befundenes (vgl. Engelmann/Drewes 2008: o.S.) – „erklärtes Ziel, nicht nur ökonomisches Wachstum über die Förderung von kreativen Milieus zu generieren, sondern im Sinne einer ‚Kultur der Kreativität‘ soziale und politische Lösungsvorschläge für urbane Probleme über das zu modifizierende Arbeitsprinzip von Politik und Verwaltung voranzutreiben“ (Landry 2000: xii nach Klotz 2014: 32) wird viel1 2

Mit Verweis auf Martina Heßler 2007. Während bei Florida nordamerikanische Städte betrachtet werden, nimmt Landry zunächst eine dezidiert europäische Perspektive ein (vgl. Landry 2008: xiii).

100 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

fach anerkannt, allerdings weniger konsequent verfolgt. Vielfach dominiert in der Rezeption der Kreativen Stadt die ökonomische Perspektive die Umsetzung in die Praxis. Nichtsdestotrotz verweist das Interesse an der Thematik auf den durch Landry gewollten „Paradigmenwechsel von Stadt, dessen Bewältigung und Reflexion neuartige Denkmodell und -theorien erfordert“ (ebd.: 32). Vor diesem Problemhintergrund werden im Folgenden gesamtgesellschaftliche Wandlungstendenzen in Bezug auf strukturelle Transformationsprozesse angerissen (vgl. Kapitel 3.1), wobei insbesondere die Flexibilisierungs- und Entgrenzungstendenzen für kreativ Tätige dargestellt werden (vgl. Kapitel 3.1.1), die mit einem Bedeutungswandel des Begriffs Kreativität in Verbindung gebracht werden können (vgl. Kapitel 3.1.2). Diese gesellschaftlichen Wandlungsprozesse werden darauffolgend auf die aktuelle Stadtentwicklung(-spolitik) übertragen (vgl. Kapitel 3.2 bis Kapitel 3.3).

3.1 GESELLSCHAFTLICHE WANDLUNGSTENDENZEN „Was einmal im Randbereich der Gesellschaft stattfand, ist Mainstream geworden. Was einmal als Alternative zur bürgerlich-starren Gesellschaft von der Pariser Bohème versucht wurde, sind heute mehrheitstaugliche Konzepte: Autonomie, Selbstverwirklichung und Innovation.“ Lisa Basten 2017: 39

Strukturelle Transfomationsprozesse können als zentrale Faktoren in der aktuellen Stadtentwicklung angesehen werden. Insbesondere der demografische Wandel sowie ökonomische und gesellschaftliche Veränderungen bedingen neue Herausforderungen. Trotz steigender Lebenserwartung wird in Deutschland etwa ab dem Jahr 2020 ein Bevölkerungsrückgang einsetzen. Dieser Rückgang betrifft allerdings in Bezug auf Deutschland nicht alle Räume gleichmäßig, da die Ballungsräume im Gegensatz zu den ländlichen Regionen tendenziell weiter wachsen werden (vgl. Siebel 2006: 201; vgl. Wehrhahn/Sandner le Gall 2011: 55; vgl. Hradil 2012: 52f.). Mit der Entwicklung hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft und Wissensökonomie ist „eine neue ökonomische Dynamik“ (Läpple/Stohr 2010: 27) entstanden (vgl. Abbildung 3-1). Im Zuge dessen haben sich auch die Arbeitsformen und -verhältnisse weg vom Normalarbeitsverhältnis, das aufgrund von Industrialisierung und Entwicklung des Wohlfahrtsstaats entstanden ist (vgl.

Kreativität und die neue Attraktivität der Städte | 101

Offe 2000: 495; vgl. Schier/Jurczyk/Szymenderski 2011: 402), zugunsten atypischer Arbeitsverhältnisse verändert. Abbildung 3- 1: Struktureller Wandel in Deutschland

Quelle: eigene Darstellung nach Daten des Statistischen Bundesamts 2015b

Ehemals vorherrschende vertikale Organisationsformen und durch Routinearbeiten geprägte Prozesse mit starren Arbeitszeitmodellen werden heute immer weiter durch horizontale und stark vernetzte Arbeitsorganisationen sowie dynamische und simultan ablaufende Arbeitsprozesse abgelöst, die sich durch flexible Arbeitszeiten auszeichnen (vgl. Kratzer/Sauer 2005). „Diese Entwicklung schlägt sich etwa in den immer schneller wechselnden Beschäftigungsverhältnissen sowie in der Fülle an Freiberuflern, Kleinunternehmern, Teilzeitbeschäftigten“ (Oswalt/Overmeyer/Misselwitz 2013: 11), temporären Projektorganisationen, veränderten Tagesrhythmen, stärkerer Eigenverantwortung und Selbstvermarktung (vgl. Heidenreich/Zirra 2012: 325f.) sowie prekären Arbeitsverhältnissen 3 (befristete Arbeitsverträge, schlechte Entlohnung, Zeitarbeit, nichtsozialversicherungspflichtige Beschäftigungen, informalisierte Arbeitsverhältnisse, Scheinselbstständigkeit etc.) nieder (vgl. Ludwig-Mayerhöfer 2012; vgl.

3

Im Zusammenhang mit prekären Arbeitsverhältnissen wird vielfach auf die Konsequenzen in Bezug auf eine damit verbundene strukturelle Unsicherheit bezüglich Existenzsicherung und Lebensplanung sowie bezüglich sozialer Desintegration verwiesen (vgl. Castel/Dörre 2009). Für den Bereich der Kreativen weist Joachim Thiel (2011: 119) kritisch darauf hin, dass „ihr ökonomisches Umfeld […] eher eine Existenz sichernde Vernetzung als die aktive Gestaltung ihres beruflichen Fortkommens [erfordert]“.

102 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Berndt 2014: 234f.) 4. Oftmals findet auch ein Wechsel zwischen verschiedenen Arbeitsformen statt, die sich teilweise auch überlagern, sodass insbesondere Akteur_innen des kreativ-kulturellen Bereichs abhängig von der Perspektive „als neues Prekariat oder als Avantgarde“ erscheinen (Oswalt/Overmeyer/Misselwitz 2013: 12). Die Prekarisierung betrifft allerdings bei weitem nicht nur diese Gruppe (vgl. Sauer 2012: 7). 3.1.1 Flexibilisierung und Entgrenzung als Zeichen von (vermeintlicher) Freiheit „‚In unserem Lande‘, sagte Alice, noch immer keuchend, würde man, wenn man so lange und so schnell liefe, wie wir jetzt gelaufen sind, irgendwo anders hinkommen.‘ ‚Das muss ein sehr langsames Land sein‘, sagte die Königin‚ ‚hier musst du laufen, so schnell du kannst, um nur auf demselben Platz zu bleiben. Wenn du irgendwo anders hinkommen willst, musst du mindestens doppelt so schnell laufen.‘“ Lewis Carroll

Die fortschreitende Flexibilisierung der Arbeitswelt (vgl. Kapitel 3.1) hat Auswirkungen auf das Freizeitverhalten und das Familienleben 5. Nach Volker Hielscher (2000: 42) sind insbesondere Frauen von Arbeitszeitflexibilisierung betroffen, da sie zum einen oftmals in Branchen tätig sind, die durch hochflexible Arbeitszeiten gekennzeichnet sind und zum anderen „aufgrund des nach wie vor durch eine traditionelle familiale Arbeitsteilung geprägten Geschlechterarrangements“, in dem primär Frauen für Haus- und Familienarbeit zuständig sind, zusätzlich zu ihrer Erwerbstätigkeit (vgl. Kapitel 2.2.2). Es zeigt sich ein gesellschaftlicher Wandel im privaten Bereich. Lebenspartnerschaften wechseln schneller, Familien werden von der Personenanzahl her kleiner und Verpflich-

4

Damit in Verbindung steht eng der Begriff der Bastelbiographien (Hitzler 1988), der ausdrückt, dass die individuelle Biographie nicht mehr vorgezeichnet ist, sondern gewählt wird und als passende Reaktion an gesellschaftliche und wirtschaftliche Umstände angepasst wird.

5

Diesbezüglich merkt Pohl (2015: 30) an, dass die Begriffe Arbeitszeit und Freizeit aufgrund der „Erosion der zeitlichen Normen in der Spätmoderne“ überkommen zu sein scheinen und sich vielmehr auf die Epoche des Fordismus beziehen lassen.

Kreativität und die neue Attraktivität der Städte | 103

tungen werden vielfältiger (vgl. Brake 2012: 24). Insgesamt kommt es zu einer Verbetrieblichung des Lebens und einer Subjektivierung von Arbeit, innerhalb derer die strukturellen Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben unscharf werden (vgl. Gerlmaier 2013: 286) und die mit dem Schlagwort „Entgrenzung“ 6 beschrieben werden kann (vgl. Gottschall/Voß 2003; vgl. Läpple/Stohr 2010: 32f.; vgl. Stampfl 2011: 18). Nach Jürgen Oßenbrügge und Anne Vogelpohl (2010: 67) sind Entgrenzungsphänomene „ein prägendes Moment der gegenwärtigen raum-zeitlichen Transformationen“. Dabei kommt es insbesondere im Bereich der Erwerbstätigkeit zu Entgrenzungstendenzen. Trotz Veränderungen im Verhältnis von betrieblicher Arbeits- und Freizeit zugunsten der Freizeit bis in die 1990er Jahre (vgl. Sauer 2012: 8), ist ein Anstieg der tatsächlichen durchschnittlichen Wochenarbeitszeit zu verzeichnen, der sich in einer Zunahme von grauer, unbezahlter Arbeit ausdrückt, wozu insbesondere der Trend zu verstärkter Projekt- und Teamarbeit als bevorzugte Organisationsform beiträgt (vgl. Bosch 2000; vgl. Glißmann 2001 nach Gerlmaier 2013: 285). Dies zeigt sich insbesondere auch in den Branchen der Kultur- und Kreativwirtschaft (vgl. Grabher 2002; vgl. Hafner/von Streit 2010: 77), die einen großen Teil des in dieser Arbeit betrachteten kreativ-urbanen Milieus ausmacht (vgl. Kapitel 4.2) und die davon profitiert, „dass mit dem Übergang zu einer Wissensökonomie intellektuelle Arbeit und Kreativität zu einem zentralen Produktionsfaktor werden“ (vgl. Läpple/Stohr 2010: 31). Eng mit der Arbeit in Projekten ist der Bedeutungszuwachs bezüglich des Netzwerkens verbunden, das „zunehmend als wertvolle Wirtschaftsressource betrachtet [wird], sodass die Instrumentalisierung sozialer Beziehungen immer mehr an Bedeutung gewinnt“ (Merkel 2008: 46 mit Bezug auf Wittel 2001: 54ff.)

6

Entgrenzung ist in diesem Zusammenhang nicht mit Entankerung (disembeddedness) nach Anthony Giddens (1990: 21) gleichzusetzen. Entankerung beschreibt, dass soziokulturelle, räumliche und zeitliche Komponenten des Handelns nicht mehr auf feststehende Art und Weise verknüpft sind (vgl. Werlen 2016: 55f.), während Entgrenzung in Bezug auf die vorliegende Arbeit das Verschwimmen von Grenzen zwischen Arbeitszeit und Freizeit, Arbeitsplatz und Privatsphäre (vgl. Berndt 2014: 234) und festen Ortsbindungen beschreibt. Der Terminus beschreibt aber darüber hinaus auch das Verschwimmen von Grenzen in Bezug auf die wachsende Standortunabhängigkeit von Unternehmen (vgl. Pohl 2009: 25), auf soziale Schichten, sozialrechtliche Regulierungen, Geschlechts- und Rollenidentitäten und Familienstrukturen (vgl. Sauer 2012: 3; vgl. Schier/Jurczyk/Szymenderski 2011: 402). In Bezug auf Familie und Erwerbstätigkeit wird von einer „doppelten Entgrenzung“ gesprochen (Schier/ Jurczyk/Szymenderski 2011: 403).

104 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Zwar ist die Entgrenzung und Prekarisierung anhand des aktuellsten Monitorings des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) über die Strukturen der Erwerbstätigkeit in der Kultur- und Kreativwirtschaft nicht direkt ablesbar(vgl. Abbildung 3-2), allerdings wird dort nicht näher darauf eingegangen, dass unter den Selbstständigen die meisten als Solo-Selbstständige (vgl. Apitzsch et al. 2015: 39ff.) angesehen werden müssen, die permanent ihre eigene Arbeitskraft vermarkten müssen (vgl. Basten 2017) und damit als „Unternehmer ihrer selbst“ angesehen werden müssen (Merkel 2008: 41). Diesbezüglich wird die Wirtschaftsstruktur „kleinteiliger und granularer“ (Lange 2013: 19). Aus diesem Umstand heraus erklärt sich, dass insbesondere bei Personen in kreativen Berufen eine Entgrenzung bezüglich der Sphären Arbeitsleben und Freizeit stattfindet: „Networking means that playtime is no longer a release from work-time; it is a required supplement to work-time, and relies on constant selfpromotion.“ (Neff/Wissinger/Zukin 2005: 322) Abbildung 3-2: Erwerbstätige in der Kultur- und Kreativwirtschaft

Quelle: eigene Abbildung nach BMWi 2016: 7, Prozentzahlen gerundet

Ein weiterer Umstand, der aus dieser Statistik nicht hervorgeht, ist dass unter die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten auch befristete, projektbasierte Arbeitsverhältnisse gefasst werden. In etwa die Hälfte der selbstständig Tätigen in der Kultur- und Kreativwirtschaft erwirtschaften weniger als 17.500 € Umsatz im Jahr und sind damit Kleinunternehmer_innen. Private Altersvorsorge oder Vermögensbildung ist bei dieser Gruppe nur schwer denkbar, ebenso wie bei den rund 20 Prozent, die einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen. Insgesamt kann trotz der Zunahme sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse und rückläufiger Anteile geringfügiger Beschäftigungen (vgl. BMWi 2016: 4) angeführt werden, dass „der hohe Anteil von Solo-Selbstständigkeit und geringfügiger Beschäftigung sowie die Projektnatur der sozialversicherungspflichtigen Anstellung […] den Schluss zu[lassen], dass die Arbeit in der Kultur- und

Kreativität und die neue Attraktivität der Städte | 105

Kreativwirtschaft in Deutschland als vergleichsweise unsicher und prekär gelten muss“ (Basten 2017: 42). Zwar ist die Kultur- und Kreativwirtschaft durch eine große Heterogenität bezüglich verschiedener Beschäftigungs- und Einkommensverhältnisse geprägt, aber „entlang des Kontinuums von unselbstständiger zu selbstständiger Arbeit tritt eine Vielzahl von Beschäftigungsverhältnissen auf, die sich überdurchschnittlich [oft] im Grenzfeld prekärer Beschäftigung bewegen“ (Merkel 2008: 40). Mittlerweile wird vielfach angenommen, dass Beschäftigungsverhältnisse, wie sie im kulturell-kreativen Sektor häufig anzutreffen sind, als prototypisch für die Entwicklung der Arbeitsverhältnisse auch in anderen Wirtschaftssektoren gelten können und somit als Avantgarde verstanden werden (vgl. Haak/Schmidt 1999 nach Söndermann 2004: 6; vgl. Enquete-Kommission 2007: 290; vgl. Merkel 2008: 40; vgl. Stehr/Adolf 2009: 186). In Bezug auf künstlerische Arbeit konstatiert Elfie Miklautz (2011: 353), dass versucht werde, „am einzigen Ort, an dem Arbeit noch als Erfüllung gedacht werden kann, […] die entsprechend intrinsisch motivierte Haltung auf beliebige andere Tätigkeiten zu transferieren und als Anforderung durchzusetzen“. So kann von einer Verschränkung von Kultur und Ökonomie gesprochen werden, die in der Vergangenheit als strikt getrennte gesellschaftliche Sphären angesehen wurden. Die Verschränkung findet dabei auf inhaltlicher, aber eben auch auf der Ebene der Form statt (vgl. Thiel 2011: 109). So werden „künstlerisch-kreative Erwerbsfelder von sozialwissenschaftlicher, aber auch von politischer Seite als Vorreiter künftiger Arbeits- und Lebensverhältnisse etikettiert sowie als Experimentierfeld für die Flexibilisierung von Erwerbsarbeit betrachtet“ (Manske 2013: 260). Elfie Miklautz (2011: 363) merkt diesbezüglich kritisch an, dass „die Aufrechterhaltung des Nimbus der Einzigartigkeit und Genialität [kreativer Leistungen] […] nicht nur nützlich als eine Art Opium für die in prekären Lebensverhältnissen befindlichen Kreativarbeiter [ist], sondern auch für die Verfechter einer neoliberalen Wirtschaftsordnung: Dient er doch als Appetizer, um Anforderungen zu erhöhen, die ganze Person mit Fleisch und Blut, Seele und Geist in Dienst zu nehmen, Kreativität zum Imperativ für alles zu erklären und dies alles bei gleichzeitiger Demontage sozialrechtlicher Errungenschaften.“

Dies geschieht, indem die Merkmale, die einen Solo-Selbstständigen im Sinne eines Cultural Entrepreneurs ausmachen, zum „kulturellen Leitbild einer neoliberalen Marktwirtschaft […] geworden [sind], in der jeder Einzelne aufgefordert wird, sich selbst als eine Art von Kapital und Ressource zu begreifen und zu vermarkten“ (Merkel 2008: 42 in Bezug auf Verwoert 2003: 8). Ähnlich argu-

106 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

mentiert Lange (2007: 110), indem er beschreibt, dass es bezüglich des Erfolgs des Konzepts der Kreativen Klasse nach Richard Florida (2002) (vgl. Kapitel 3.3) um eine Verknüpfung der derzeitigen Stadtentwicklung mit neuen ökonomische Gruppierungen geht: „Denn um nichts anderes geht es; die geringer werdenden kommunalen und städtischen Haushaltsbudgets müssen unter neuen Codes, neuen Narrativen und mit neuen urbanen Strategien kommuniziert werden“. Zusammenhängend mit der Tendenz zum Ich-Unternehmertum verwischen die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit, „die Arbeit verliert immer mehr ihren Ort und ihre Zeit“ (Fergen 2015: 194). Zu den äußerst flexibilisierten Arbeitszeiten Kreativer kommt die Tatsache, dass Kreativität der Produktionsfaktor kreativ Tätiger ist. In diesem Verständnis wird auch die Freizeit zu einem Erfahrungsraum, der die Kreativität durch Inspiration fördert und somit die eigenen Ressourcen verstärkt und so damit die eigene Vermarktbarkeit (vgl. Merkel 2008). So hat das sogenannte „‚Kreativitätsdilemma‘ des schubweisen Auftretens von originellen Ideen und Lösungsansätzen direkte Auswirkungen auf die Lebensund Arbeitswelt“ (Schlickewei/Schröter/Waldmüller 2011: 33). Aufgrund dieses Dilemmas lässt sich kaum planen, wann kreative beziehungsweise innovative Arbeit geleistet werden kann, was zur Aufhebung der strikten Trennung von Wohnen und Arbeiten beiträgt (vgl. Häußermann/Läpple/Siebel 2008: 365). Damit in Verbindung steht ein weiteres Merkmal, das auf eine Entgrenzung hinweist. Es liegt in der Tatsache, dass Tätigkeiten „in den dienstleistungsbezogenen Arbeiten meist auch eine Nutzung von Wohnräumen oder anderen privaten Orte“ zulassen (Frey 2009: 67). Parallel dazu entstehen sehr differenzierte Haushalts- und Familientypen. Es existieren unterschiedlichste Lebensformen, die von Single-Haushalten und Alleinerziehenden über gleichgeschlechtliche Partnerschaften bis hin zu Patchwork-Familien (vgl. Meyer 2014: 413ff.) und Lebens- und Wohngemeinschaften Kreativer reichen, aber auch multilokale oder nomadische Haushalsformen (vgl. Hilti 2009). Angemerkt sei, dass die Entgrenzung bezüglich Arbeit und Freizeit sowie bezüglich flexibilisierter Arbeitsverhältnisse nicht ausschließlich negative Auswirkungen hat. Subjektive Potenziale wie beispielsweise Eigenengagement, Kommunikationsfähigkeiten, aber auch die eigene Kreativität gewinnen auf einem auf selbstständiges Agieren angelegten Arbeitsmarkt an Bedeutung. Zudem ergibt sich mit der zunehmenden Freiheit von fremdbestimmter Arbeit – zumindest das Gefühl – gewonnener Autonomie und das Versprechen auf mehr Selbstverwirklichung (vgl. Sauer 201: 10f.). Dennoch sind die „darin enthaltenen Spielräume einer besseren Vereinbarkeit von Arbeit und Leben […] vor allem der lebensweltlichen Flexibilität geschuldet und nicht der arbeitsweltlichen Flexibilisierung“ (Sauer 2012: 9, Hervorh. im Orig.).

Kreativität und die neue Attraktivität der Städte | 107

Die vielfältigen Entgrenzungstendenzen lassen sich, neben den ökonomischen Umständen, auch damit erklären, dass innerhalb der letzten Jahrzehnte in postfordistischen, liberalen Gesellschaften ein Wertewandel von materiellen Werten wie Besitz, Reichtum, Konsum hinzu postmateriellen Werten wie Selbstverwirklichung und Meinungsfreiheit stattgefunden hat (vgl. Tabelle 3-1). Tabelle 3-1: Wertewandel seit den 1950er Jahren Maximierung des individuellen Glücks

Pragmatischer Realismus

Verzicht

Konsum

Selbstverwirklichung

50er

60er

70er

80er/90er

ab 2000er

Wiederaufbau/ Restauration

Wirtschaftsaufschwung

Grenzen des Wachstums

beschleunigte Globalisierung

Krisenerfahrung

„Sein“ nicht „Haben“, Aufklärung, Emanzipation, Ökologie

Flexibilität, Mobilität, Multimedialität, Visualisierung, Wissensgesellschaft

Unsicherheit als Grunderfahrung, ReFokussierung, Reflexion von Paradoxien der Modernisierung

Stabilität

KonsumPostmaterialismus materialismus

Postmodernismus

Regrounding

Traditionelle Werte

Modernisierung

Neuorientierung

Pflicht, Ordnung

Individualisierung, Selbstverwirklichung, Genuss

Multioptionalität, Experimentieren, Leben in Paradoxien

Pflichtwerte, Anpassung, trad. Moral, Beschaulichkeit, häusliches Glück, Selbstkontrolle

Status, Besitz, Genuss

Quelle: eigene Abbildung in Anlehnung an Barth/Flaig 2013: 17

108 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Darin kann eine Ursache für soziale Individualisierungs- 7 und Pluralisierungstendenzen gesehen werden. Die Gründe für einen solchen Wertewandel werden nach Ronald Inglehart (1989) mit den Annahmen der Mangel- und der Sozialisationshypothese erklärt. Nach der Mangelhypothese streben Menschen immer nach dem, was sich durch eine relative Knappheit auszeichnet. In einer Gesellschaft, in der Konsumgüter jederzeit und allerorts verfügbar sind, in der physiologische, sicherheitsbezogene und soziale Bedürfnisse weitestgehend erfüllt werden, sind dies nach der Bedürfnispyramide von Maslow insbesondere Individualbedürfnisse und Selbstverwirklichung (vgl. Maslow 1943). Nach der Sozialisationshypothese eignen sich Individuen in ihrer Kindheit und Jugend über ihre Sozialisation grundlegende Werte an, die sich im Verlauf des Lebens als relativ stabil erweisen. So werden frühzeitig gebildete Werte zur Orientierungshilfe für das gesamte Leben (vgl. Müller 2012: 193). Die Entwicklung hin zu postmaterialistischen Werten hat sich in letzter Zeit allerdings verlangsamt, in Teilen gar umgekehrt. Pflicht- und Akzeptanzwerte nehmen weiterhin ab, die persönliche Autonomie wird als relevanter als die Akzeptanz von Autoritäten angesehen (vgl. Rossteutscher 2013: 941ff.) und wird das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung wird in ausdifferenzierter Weise zu befriedigen versucht. Dies geschieht heute einerseits in Richtung einer materialistischen Selbstverwirklichung, andererseits in Richtung einer pragmatisch ausgerichteten Weltsicht mit flexibel ausgerichteten Strategien der Selbstverwirklichung. Die Existenz individueller Freiräume und gesellschaftlicher Pluralisierungstendenzen bringt ein gewisses Maß an Verantwortung mit sich. Gerade jüngere Generationen haben dies erkannt und ein natürliches Verständnis für Nachhaltigkeit entwickelt, indem sie mehr Hintergrundwissen über ihre Konsum- und Verbrauchsgüter einfordern, was sich beispielsweise im Trend zu vegetarischer oder veganer Lebensführung äußert (vgl. Freericks/Hartmann/Stecker 2010: 350). Es finden also in Teilen der Bevölkerung Wertsynthesen statt (vgl. Müller 2012: 194f.). Insbesondere Frauen können als Gewinnerinnen der Entwicklung zu mehr Individualisierungstendenzen ausgemacht werden, sie weisen einen höheren Bildungserfolg auf, können am Berufsleben teilhaben und so selbstbewusster in Partnerschaften agieren und eigene Bedürfnisse und Interessen geltend machen (vgl. Geissler 2014: 380ff.). Die Entwicklung der Gesellschaften

7

Der Begriff der Individualisierung wurde insbesondere durch Ulrich Beck (1986) geprägt und bezeichnet einen mit Industrialisierung und Modernisierung der westlichen Gesellschaft einhergehenden Prozess des Übergangs des Individuums von der Fremdzur Selbstbestimmung bezüglich der Einordnung in Klassen, Schichten und Familienstrukturen.

Kreativität und die neue Attraktivität der Städte | 109

hat, auch im Zuge der fortschreitenden Globalisierung, dazu geführt, dass Menschen jenseits traditionell gewachsener, lokaler, familiärer, sozioökonomischer und religiöser Bindungen ihren eigenen Lebensentwurf weitgehend verwirklichen können (vgl. Manderscheid 2004: 46; vgl. Stampfl 2011: 19). Allerdings ergibt sich daraus zunächst auch, dass Menschen weniger an einen Ort gebunden sind. Vielmehr sind multilokale Arrangements der Lebensführung keine Seltenheit mehr (vgl. Hilti 2009) 8. So wurden vielfach Untersuchungen veröffentlicht, in denen konstatiert wird, dass mobile Lebens- und Arbeitsweisen an Bedeutung zunehmen 9 und „gelebte Alltagspraxis vieler Menschen darstellen“ (vgl. Plöger/Dittrich-Wesbuer 2013: 200) sowie räumliche Auswirkungen aufweisen (vgl. Weichhart 2009: 11; vgl. Strambach/Kohl 2015: 275 10), teilweise auch über die Grenzen von Nationalstaaten hinweg (vgl. Plöger/Dittrich-Wesbuer 2013: 196ff.). Multilokalität hat zwar nicht immer mit veränderten Arbeitsverhältnissen zu tun (vgl. bspw. Lauterbach 1998; vgl. Schier 2013), meist sind diese jedoch als Ursache anzusehen 11. Für Städte ergeben sich durch die Zunahme der Multilokalität Herausforderungen bezüglich des Erhalts oder der Herstellung von emotionalen und sozialen Bindungen von Einwohner_innen an und der Identifikation mit dem Ort. Allerdings kann die Multilokalität an sich auch als Strategie zur Aufrechterhaltung ebendieser Bindungen an Orte interpretiert werden (vgl. Hilti 2009: 83f.). Mit dieser Sichtweise kann auch berücksichtigt werden, „dass Personen samt ihrer Aktionen, Gedanken, Gefühle oder Identitäten nicht auf einen Ort beschränkt sind, sondern aufgrund von Mehrfachverortungen je nach Situation wechselnd in unterschiedlichen Kontexten agieren“ (Plöger/Dittrich-Wesbuer 2013: 196). Dennoch können die zunehmende Entscheidungsfreiheit und die multiplen Optionen, die Menschen zur Verfügung stehen und die mit weitreichender Selbstverantwortung und -organisation verknüpft sind, in ein Gefühl der Überforderung münden und/oder zu Zukunftsängsten führen (vgl. Minssen 2011: 9f.; vgl. Schimank 2012: 31f.; vgl. Sauer 2012: 7f.). In diesem Zusammenhang ist auch die Unsicherheit bezüglich der Arbeitsverhältnisse zu sehen.

8 9

Zu verschiedenen Typen multilokaler Haushalte vgl. Weiske/Petzold/Zierold 2009. Zur Problematik der quantitativen Erfassung von Multilokalität vgl. Plöger/DittrichWesbuer (2013: 198f.).

10 Diesbezüglich verweisen Strambach/Kohl auf Limmer/Schneider 2008; Kesselring/Vogl 2010, Scheiner et al. 2013. 11 Zum Zusammenhang von Multilokalität und Geschlechterverhältnissen vgl. Schier 2010.

110 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Aufgrund der Entgrenzungstendenzen und „zunehmend instabiler, entinstitutionalisierter Lebensweisen“ 12 (Oswalt/Overmeyer/Misselwitz 2013: 11) ergibt sich ein Rückbettungsbedarf in lokale Kontexte (vgl. Läpple 2004: 74f.). Das lässt sich unter anderem damit begründen, dass die Aufgaben des Alltagslebens organisiert werden müssen. Die sogenannte Work-Life-Balance gewinnt vor dem Hintergrund der Entgrenzung an Priorität (vgl. Brake 2012: 24). In diesem Zusammenhang sind Menschen verstärkt an Orten interessiert, die einen unkomplizierten und unaufwändigen Zugriff auf Notwendigkeiten des Alltags erlauben (vgl. ebd.: 24), wozu informelle Freizeit- und Kulturräume gehören. Es gibt ein neues Verlangen nach ungeregelten Räumen des kulturellen und sozialen Austauschs (vgl. Rauterberg 2013: 37ff.). So haben Unsicherheits-, Krisen- und Entgrenzungserfahrungen zu einem Prozess des Regrounding geführt, der durch ein Bedürfnis nach Sicherheit und sozialem Halt gekennzeichnet ist. In Kombination mit einem Bedürfnis nach Selbstverwirklichung und Maximierung des persönlichen Glücks (vgl. Tabelle 3-1) äußert sich dies in einer Flexibilität bezüglich des Annehmens von verschiedenen Lebensstilen und situativ differenziertem Konsumverhalten, was durch die Multioptionalität der Gesellschaft gefördert wird (vgl. Barth/Flaig 2013: 16ff.). 3.1.2 Von individueller zu kollektiver Kreativität „Creativity is a ‚slippery beast‘ the more you define it the more it eludes you.“ Charles Landry et al. 2011: 141

In diesem Kapitel wird skizziert, inwiefern der zu verzeichnende Bedeutungswandel des Begriffs Kreativität unter den Vorzeichen gesellschaftlicher Transformationsprozesse zu lesen ist und inwiefern dies mit einer Bedeutungszunahme von Kreativität in Verbindung steht. Zunächst ist der Begriff analog zu anderen für die vorliegende Arbeit relevanten Begriffen schwierig zu definieren. Erste Hinweise zur Annäherung sind im lateinischen Wortursprung zu lesen. Das Wort Kreativität ist aus den Worten creare und crescere entstanden. Während creare übersetzt ‚etwas (er)schaffen, neu schöpfen, erfinden‘ bezeichnet, beschreibt crescere ‚gedeihen, (er)wachsen‘. Dies deutet auf aktive Erschaffungsund passive Wachstumsmomente von Kreativität hin (vgl. Frey 2009: 37f.), insofern ist Kreativität eher eine indirekte, denn eine direkte Variable, die kaum

12 Vgl. auch Schier/Jurczyk/Szymenderski (2011: 404ff.) in Bezug auf Mitglieder der Kultur- und Kreativwirtschaft am Beispiel der Filmbranche.

Kreativität und die neue Attraktivität der Städte | 111

planbar ist. Vielmehr kann die Existenz von Möglichkeits- oder Freiräumen die Kreativität begünstigen, sie aber nicht gleichsam forcieren, da sie zusätzlich von Spontaneität geprägt ist (vgl. Hentig 1998: 68). Bei weiterer Annäherung an den Begriff lässt sich ein Verständniswandel erkennen, der von Kreativität als einer individuellen Eigenschaft einzelner, vor allem künstlerisch tätiger Genies, bei denen das Vorhandensein von Kreativität mit einer göttlichen Eingabe (vgl. Sternberg/Lubart 1999: 5) oder genetischen Eigenschaften zu erklären versucht wird, hin zu einem Verständnis von Kreativität als überindividuellem, kollektivem Prozess (vgl. Kirchberg 2010: 21f.) erkennen. Dabei wird Kreativität als bei allen Individuen grundsätzlich vorhanden angenommen, wenn auch in unterschiedlichen Formen und Ausmaßen (vgl. Brodbeck 1996). Kreativität als besondere Gabe einiger weniger Menschen, die bestimmte Persönlichkeitsstrukturen und Charaktereigenschaften (Neugierde, Nonkonformismus, Unabhängigkeit etc.) aufweisen, werden immer mehr angezweifelt und im Zuge dessen beispielsweise als „Mythen“ beschrieben (vgl. Suwala 2014: 37). Ebenso besteht der mythische Charakter jenes Kreativitätsverständnisses darin, dass Kreativität lediglich in bestimmten Bereichen wie der Kultur, Kunst und Wissenschaft von Bedeutung und Nutzen und an bestimmte Raumkonfigurationen (wie städtische Agglomerationen und Global Cities) gebunden sei. In dieser Sichtweise ist die Rede von experimentierfreudigen Wissenschaftler_innen, exzentrischen Künstler_innen oder der toleranten Stadt (Suwala 2014:38 mit Verweis auf Florida 2002: 252ff.; vgl. Sonnenburg 2007: 1) und eine „Art Bias“ im Alltagsverständnis von Kreativität auszumachen (vgl. Runco 2007: 384). Richard Florida unterscheidet drei Arten von Kreativität: technologische, ökonomische sowie künstlerische Kreativität. Diese beeinflussen und verstärken sich gegenseitig und begünstigen die ökonomische Entwicklung von Regionen (vgl. 2002: 30ff.). An dieser Stelle ergibt sich ein reziprokes Verhältnis von individueller und kollektiver Kreativität mit Raumbezug. Nach Ulrich Bröckling (2004: 140) bestehen im Allgemeinen sechs Felder, die mit Kreativität assoziiert werden und die untereinander verbunden sind (vgl. Abbildung 3-3). Kreativität ist demnach Inbegriff des künstlerisch-expressiven Handelns, Instrument zur Problemlösung, Modell der Produktion, revolutionäre Kraft 13, Metapher für Emergenz sowie Spiel, bei dem schöpferisches und zweckfreies Handeln synonym gesetzt werden.

13 Im Sinne Joseph A. Schumpeters, nach dem eine schöpferische Zerstörung dazu führt, dass Produktionsfaktoren neu kombiniert werden und somit zu neuen wachstumsgenerierenden Strukturen gelangt (Innovationen) wird (vgl. Schumpeter 1997).

112 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Abbildung 3-3: Assoziationsfelder kreativen Handelns

Quelle: eigene Abbildung nach Bröckling 2004: 140

Wie bei anderen Begriffen auch, ist also das Verständnis dessen, was Kreativität ist und wie sie – individuell oder überindividuell – entsteht, in verschiedenen Fachrichtungen, abhängig von der Fragestellung, unterschiedlich. Insbesondere in den Wirtschaftswissenschaften und in der Humangeografie findet sich mittlerweile überwiegend die Auffassung, dass vor allem Interaktionen in Milieus, Netzwerken oder Projekten wesentliche Faktoren für die Entstehung von neuen Ideen oder innovativen Produkten sind (vgl. Dirksmeier 2014: 147) und somit Kreativität vielmehr ein kognitives und emotionales Produkt und eine kollektive Ressource (vgl. Suwala 2014: 44ff.), die „erst in freier Interaktion mit anderen ungeplant entsteht“ (Kirchberg 2010: 24), denn eine individuelle Eigenschaft von Personen ist. Insbesondere in der Psychologie und der Soziologie hingegen wird Kreativität meist weiterhin als Ressource der oder des Einzelnen begriffen (vgl. Holm-Hadulla 2013: 296) und zu ergründen versucht. Für die vorliegende Arbeit wird Kreativität als „something with sensible originality, which is useful and valuable at the same time“ (Suwala 2010:3) interpretiert. So wird neben der Originalitäts-Komponente von Kreativität auch deren ökonomische Bedeutung anerkannt (vgl. Suwala 2014: 60) 14. Analog dazu 14 Elfie Miklautz (2001: 362f.) merkt diesbezüglich an, dass Kreativität weniger aus grundlagentheoretischen und vielmehr aus ökonomischen Gründen heraus untersucht werde, da sie als wichtige Quelle für Innovationen erkannt worden sei. Dies habe „die Einbildungskraft zwar von der Genievorstellung abgerückt und zur potentiell allen verfügbaren Fähigkeit erklärt, sie aber Nützlichkeitserwägungen und einer Verwertungslogik unterstellt. Sie soll nunmehr gerichtet zum Einsatz kommen und wird immer mehr als verbindliche Anforderung in zahlreichen Berufen formuliert“.

Kreativität und die neue Attraktivität der Städte | 113

kann die Definition von Kreativität nach Michael Roßbach (2009: 14) gelesen werden: „Practically one could define creativity as the ability to create and produce something useful that did not exist before and is characterized by originality, imagination and expressiveness. Creativity refers to the invention of new approaches and ideas for problem solving; innovation means applying these ideas to a specific problem. With creative innovation one can address the process ranging from the discovery of a new idea to its application to a new set of problems or within a strategic set of actions.“

Auch die Definition nach Helmut Schlicksupp (1999: 32) weist in die gleiche Richtung, indem er Kreativität als die Fähigkeit von Menschen beschreibt, „Kompositionen, Produkte oder Ideen, gleich welcher Art, hervorzubringen, die in wesentlichen Merkmalen neu sind und dem Schöpfer vorher unbekannt waren“. Zudem weist Kreativität nach Schlicksupp über die reine Phantasie hinaus, ist „mehr als die reine Aufsummierung des bereits Bekannten“ und weist eine gewisse Nützlichkeit und Zielgerichtetheit auf. Nach Lech Suwala (vgl. 2014: 40f.), Bjørn T. Asheim und Lars Coenen (vgl. 2005) sowie Bjørn T. Asheim und Meric S. Gertler (vgl. 2005) ist „Kreativität eine spezielle Form des Wissens und, als Fähigkeit der Schöpfung neuen Wissens durch geschickte oder zufällige Kombination von Erfahrungen, Kompetenzen und Informationen, die stärkste Ausprägungsform eines Denk- und Lernprozesses“ (Bingel et al. 2017: 457; vgl. Abbildung 3-4). Abbildung 3-4: Kreativität als Denk- und Lernprozess

Quelle: eigene Abbildung nach Malecki/Moriset 2008: 29 nach Suwala 2014: 41

Kreativität als Wissensform steht im Gegensatz zu analytischem, eher wissenschaftsbasiertem Wissen (know-why), das insbesondere durch auf Deduktion ba-

114 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

sierende Denkprozesse und formale Modelle generiert wird und im Gegensatz zu synthetischem, eher technologiebasiertem Wissen (know-how), das vor allem durch auf Induktion basierenden Denkprozessen und Anwendungen gewonnen wird. Symbolisches, kreativitätsbasiertes Wissen (know-who) wird hingegen insbesondere durch informelles und interaktives Lernen gewonnen (vgl. Plum/Hassink 2011; vgl. Tabelle 3-2). Dieses kreativitätsbasierte Wissen kann als in der sozialen Praxis virulentes Wissen angesehen werden, das in diesem Sinne kontextspezifisch ist. Es wird als Handlungsvermögen auf akteursbezogene Weise wirksam. Kreativität ist dabei zwar immer noch eine an sich individuelle Ressource, da die individuelle Kompetenz als Basisvoraussetzung zur Identifikation von Kausalzusammenhängen, zur Aufnahme von Daten und Informationen und zum Bewerten dieser anzusehen ist. Wissen und somit Kreativität ist aber gleichzeitig ein Ergebnis von Dialogen, da „neue Ideen […] fruchtlos [bleiben], wenn die nicht kommuniziert, publiziert und von anderen aufgegriffen werden“ (vgl. von Einem 2011: 135). Kreativität ist damit ein überindividuelles Gruppenphänomen sowie daraus folgend eine kollektive Ressource. Das Potenzial dieses kollektiven Guts scheint diesbezüglich umso höher zu sein, desto weniger homogen eine Gruppe ist (Suwala 2014: 39). Tabelle 3-2: Systematisierung der Wissensformen Analytisches Wissen

Synthetisches Wissen

Symbolisches Wissen

wissensschaftsbasiert (know-why)

technologiebasiert (know-how)

kreativitätsbasiert (know-who)

deduktive Wissensproduktion

induktive Wissensproduktion

interaktive Wissensproduktion

Innovation durch Erzeugung neuen Wissens

Innovation durch Anwendung von Wissen

Innovation durch Rekombination von Wissen

Wissensaustausch durch Forschungsarbeit

Wissensaustausch durch interaktives Lernen

Wissensaustausch durch Interaktion im Milieu

Quelle: eigene Darstellung nach Plum/Hassink 2014: 252; Growe 2012: 178

Die Produktion von Kreativität beziehungsweise kreativem Wissen wird also nicht als rein individueller, sondern als kollektiver und kontextabhängiger Prozess verstanden (vgl. Merkel 2008: 75f.; vgl. Suwala 2014: 63). Unter der Vernachlässigung von leicht zu kodifizierendem Wissen bestehen immense Ähn-

Kreativität und die neue Attraktivität der Städte | 115

lichkeiten zwischen Kreativität und implizitem Wissen. Beide Wissensausprägungen werden als Produkt von Lernprozessen angesehen, in denen mittels einer Rekombination bestehenden Wissens neues (implizites bzw. kreatives) Wissen generiert wird. Symbolisches, kreativitätsbasiertes Wissen lässt sich, ebenso wie implizites Wissen, nicht durch die Lektüre von Handbüchern oder das Übermitteln von Plänen weitergeben, sondern es ist personengebunden (vgl. Lange 2007: 42f.). Aufgrund dieses Umstands ist es ausschließlich durch Kommunikation und Interaktion möglich, es zu verbreiten. Letztlich wird immer mehr die Kompetenz der kreativen Rekombination bestehenden Wissens verlangt (vgl. Growe 2012: 178ff.), was nur durch persönliche Interaktion zwischen Wissensträgern möglich ist (vgl. Hohn/Meyer/Schmidt 2008: 19f.). Im Jahr 2014 arbeiteten fast drei Viertel aller Beschäftigten in Deutschland im Dienstleistungssektor (vgl. Statistisches Bundesamt 2015b). Doch auch innerhalb dieses Wirtschaftssektors kommt es zu starken Wandlungsprozessen. Dominierten früher hauptsächlich haushaltsnahe Dienstleistungen, so bilden heute unternehmensbezogene und wissensintensive Dienstleistungen 15 den Schwerpunkt. Dabei werden in der modernen Gesellschaft Wissensarbeiter_innen zur Mehrheit der Arbeitskräfte und spielen zunehmend die Schlüsselrolle in der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung (vgl. Stampfl 2011: 16; vgl. Kapitel 3.1). Damit verändert sich die Bedeutung der verschiedenen Wissensformen im Laufe der Zeit. So spielt heute symbolisches Wissen gegenüber analytischem und synthetischem Wissen eine immer größere Rolle für Ökonomie und gesellschaftliches Zusammenleben. Im Zuge dessen nimmt sowohl die Bedeutung der formalen (Hoch-)Schulbildung (vgl. Huchler 2009: 98) als auch die Bedeutung der non-formalen Bildung und des informellen Lernens immer weiter zu (vgl. Becker 2012: 129ff.). In Bezug auf Kreativität und kreativitätsbasiertes Wissen wird stets die Interaktion zwischen vielfältigen Akteur_innen in Netzwerken als basale Voraussetzung für das Zustandekommen von Lerneffekten beschrieben (vgl. Scherrer 2009: 280f.). In dieser Sichtweise entsteht Kreativität aus dem Zusammenspiel des persönlichen lateralen Denkvermögens, der (künstlerischen, technischen, ökonomischen etc.) Kompetenz und einem förderlichen Umfeld, bei dem es sich sowohl um physische Orte als auch um relationale Gegebenheiten (in Form von Netzwerken) handeln kann (vgl. Bingel et al. 2017: 458). Aufgrund des Umstands, dass Kreativität je nach Disziplin aus verschiedenen Perspektiven betrachtet wurde und wird, ist der Entstehungsprozess von

15 Zum Verständnis des Begriffs der wissensintensiven Dienstleistungen vgl. Growe (2012: 176ff.).

116 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Kreativität beziehungsweise ihr Entstehungspunkt lange Zeit ein Black-BoxKonzept geblieben (vgl. Kirchberg 2010: 24f.). Ein wichtiger Beitrag zur Überwindung der Sichtweisen von Kreativität als individuelle Ressource und Kreativität als kollektive Ressource leistet Lech Suwala mit der Zusammenführung beider Denkrichtungen zu einem integrierten Stufenmodell des Kreativitätsprozesses (vgl. 2014: 65ff.). Er integriert sowohl die aus wirtschaftswissenschaftlicher und wirtschaftsgeografischer Sichtweise wichtige Komponente der Nutzbarmachung von Kreativität (Exploitation) als auch die Originalitätskomponente von Kreativität (Exploration) in ein Phasenmodell und verzahnt somit den Kreativitätsprozess als eine Mischform aus Phasen individueller und kollektiver Kreativitätsproduktion (vgl. Abbildung 3-5). Abbildung 3-5: Stufenmodell des Kreativitätsprozesses

Quelle: eigene Abbildung stark vereinfacht in Anlehnung an Suwala 2014: 71

In Bezug auf die vorliegende Arbeit gilt als Basisannahme, dass neben professionellen Kreativen (persönliche Sphäre) und kreativen Unternehmen (wirtschaftliche Sphäre) vor allem auch kreative soziale Netzwerke (gemeinschaftliche Sphäre) als entscheidend für die Entstehung kreativen Potenzials (vgl. Suwala 2014: 202f.) in urbanen Räumen sind. „Umgekehrt gewinnen durch den Bedeutungszuwachs von Wissen auch soziale Netzwerke an Gewicht“ (Bingel et al. 2017: 458), die ortsgebunden verankert sind und die die Behauptung eines gemeinsam geteilten Wissens- und Informationsstands gegenüber anderen sozialen Gruppen ermöglichen (vgl. Frey 2011: 170). Dabei ist die bloße Existenz von Träger_innen kreativitätsbasierter Wissensbestände nicht ausreichend für die Prozesse der Wissens- und somit Kreativitätsgenerierung. Vielmehr sind für die Neuschaffung von Wissen zudem Austauschprozesse zwischen den Wissensträger_innen notwendig (vgl. Growe 2009: 386). In Bezug auf kreative Lernprozesse kann daher die Vernetzung zwischen kreativen Akteur_innen als Kernvoraussetzung angesehen werden (vgl. Kapitel 4.3). In einem relationalen Raumverständnis (vgl. Kapitel 2.1.3) wird die Interaktion zwischen Akteur_innen als „räumlicher Katalysator“ für Kreativität ver-

Kreativität und die neue Attraktivität der Städte | 117

standen (vgl. Suwala 2014: 125). Insofern spielt der Raumbezug im Sinne der räumlichen Nähe von Wissensträger_innen zueinander eine wichtige Rolle in der Wissensökonomie und -gesellschaft.

3.2 KREATIVITÄT ALS ZAUBERWORT IN DER STADTENTWICKLUNG „Willkommen in der Warhol-Ökonomie!“ Joachim Thiel 2011: 105

Zwischen der Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft und der Stadt als Wissensort und Ort wissensbasierter Dienstleistungen besteht ein ambivalenter Zusammenhang. Städte waren seit jeher Kultur-, Kreativitäts- und Innovationsinkubatoren (vgl. bspw. Simmel 1903; vgl. Jacobs 1969; vgl. Lucas 1988; vgl. Glaeser 1994; vgl. Lange 2007: 43; vgl. Heßler/Zimmermann 2008: 20ff.; vgl. Matthiesen/Mahnken 2009: 13f.; vgl. Klotz 2014: 17; vgl. Rauhut/Hatti 2017). Diese große Bedeutung von Städten nimmt im Postfordismus, trotz neuer Kommunikations- und Interaktionsmöglichkeiten und der Bedeutungszunahme von ‚footlose industries‘ jedoch nicht ab, sondern verstärkt sich weiterhin (vgl. Heßler 2007: 38f.; vgl. Frey 2011: 169). Dies zeigt sich unter anderem darin, dass „lebendig-pulsierende Stadträume […] gleichermaßen [als] ‚Attraktor‘ wie ‚Ressource‘ in der kreativitäts- und wissensbasierten Gesellschaft des 21. Jahrhunderts eine lange vermisste Wertschätzung“ erfahren (Schlickewei/Schröter/Waldmüller 2011: 37; vgl. Frey 2009: 37/71) und damit „vormals als weich verbrämte Politikfelder“ (vgl. Thiel 2011: 107) in den Fokus städtischer Politik geraten. Gleichzeitig nimmt der Konkurrenzdruck zwischen den Städten zu (vgl. Dangschat 2006: 624; vgl. Merkel 2008: 26; vgl. Dzudzek 2016: 141). Um diesem Wettbewerbsdruck weiterhin standhalten zu können, sind Städte auf das ihnen innewohnende Potenzial angewiesen, das sich nur mithilfe der kreativen und innovativen Bewohner_innen erschließen lässt (vgl. Klaus 2006; vgl. Ebert et al 2008; vgl. Overmeyer 2010; vgl. Heider 2011; vgl. Bingel et al. 2017). Aufgrund des zunehmenden Wettbewerbs unter den Städten auch auf globaler Ebene und den immer komplexer werdenden räumlichen Zusammenhängen findet ein Paradigmenwechsel von einer inkrementalistischen Planung hin zu einer strategischer ausgerichteten Stadtentwicklungspolitik und -planung statt (vgl. Ritter 2006: 133f.). So lässt sich seit den 1990er Jahren eine Tendenz zu mehr kooperativem Handeln in der Stadtentwicklung erkennen (vgl. Selle 1995). Diesbezüglich sprechen Frey et al. (2003: 13) von einer „Rückkehr der großen

118 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Pläne“, die sich im Gegensatz zur Entwicklungsplanung der 1960/70er Jahre durch eine Selektivität von Schlüsselthemen auszeichnet. Es findet eine Orientierung der Stadtentwicklung über Visionen und Leitbilder statt, die sich in der Umsetzung von Leitprojekten spiegelt (vgl. Kühn 2008: 233). Dabei gilt strategische Stadtentwicklungsplanung nicht mehr länger als Form einer ausschließlich staatlichen Steuerung, sondern als sozialer Prozess, der in einem hohen Maße die Einbeziehung der unterschiedlichsten Akteur_innen voraussetzt (vgl. Klotz 2014: 55). Dazu gehört allerdings nicht nur die Integration verschiedener Fachressorts, sondern auch sämtlicher wirtschaftlicher und zivilgesellschaftlicher Stakeholder. Insofern ist strategische Stadtentwicklung und -planung mehr als die Erarbeitung, Erstellung und Umsetzung von Leitbildern, Konzepten und Plänen. Entwicklungskonzepte müssen flexibel auf nicht prognostizierte Veränderungen reagieren können und Strategien beinhalten, anstatt einzelne Maßnahmen aufzulisten. Unabdingbar ist daher auch die Nutzung und Anregung von Netzwerken, um deren Wissen und die Erfahrung in geeignete Kooperationsformen zu bringen (vgl. Reiß-Schmidt 2006: 161f.). Auch vor diesem planungstheoretischen Hintergrund wird die Entwicklung erklärbar, die dazu geführt hat, dass spätestens seit der Diskussion um die populären Thesen der „Creative Class“ (Florida 2002) und der „Creative City“ (Landry 2000) Kreativität als neues Paradigma sowie als zentrale Ressource der Stadtentwicklung (vgl. Heider et al. 2011: 9) sowie weicher Standortfaktor angesehen wird (vgl. Schlickewei/Schröter/Waldmüller 2011: 39f.). Das Schlagwort Kreativität hat auch über Fachöffentlichkeitskreise hinaus eine starke Strahlkraft entwickelt (vgl. Zierold 2012: 7). So ist Kreativität „in der derzeitigen wissenschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Diskussion der Joker“ (Huchler/Jansen 2009). Kreativität und insbesondere die Kultur- und Kreativwirtschaft 16 ist und war Gegenstand zahlreicher theoretischer Untersuchungen bezüglich ihrer politischen, wirtschaftlichen und räumlichen Wirkungen (vgl. bspw. Santagata 2004; vgl. Söndermann et al. 2009; vgl. Gottschalk/Hamm/ Imöhl 2010; vgl. Lange/von Streit/Hesse 2011; vgl. Reich 2013) und hat vielfach Eingang in praxisorientierte Stadt- und Quartiersentwicklungskonzepte gefunden

16 Unter dem Konstrukt Kultur- und Kreativwirtschaft werden in der Regel folgende Branchen gefasst: Musikwirtschaft, Buchmarkt, Kunstmarkt, Filmwirtschaft, Rundfunkwirtschaft, Markt für darstellende Künste, Architekturmarkt, Designwirtschaft, Pressemarkt, Werbemarkt, Software-/Games-Industrie (vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie 2009: 3). Zur Genese des Begriffs und seinem Verhältnis zu den Begriffen Creative Industries, Cultural Industries, Kulturökonomie vgl. Mittag/Oerters (2009: 65ff.) und Dörry/Rosol (2011: 139f.).

Kreativität und die neue Attraktivität der Städte | 119

(vgl. bspw. European Centre for Creative Economy 2015; vgl. Gnad/Ebert/ Kunzmann 2016), gilt der Begriff der Kreativität doch als positiv besetzt (vgl. Kunzmann 2009: 33), je nach Bedarf formbar (vgl. Lange/von Streit/Hesse 2011: 8) und imagefördernd. Nahezu alle größeren Städte haben Kultur- und Kreativwirtschaftsberichte, -förderpläne, Imagebroschüren usw. erarbeitet, mit dem Ziel im „War for Talents“ (Chambers et al. 1998; Florida 2006; von Oelsnitz/Stein/Hahmann 2007) um die kreative und wissensintensive Elite zu bestehen, die – in Floridas Sinn – die Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg einer Region darstellt 17, indem sich die Standortwahl 18 von Unternehmen an den Wohnortpräferenzen der Kreativen orientiert (vgl. Florida 2002: 6f.; vgl. Fritsch/Stützer 2007: 16) 19. Constanze Klotz (2014: 17) verweist in diesem Zu-

17 Nach Richard Floridas 3-T-These (2008: 249) sind Städte, die eine überproportionale Anzahl an Unternehmen des wissensintensiven Hochtechnologiesektors (technology), an Universitätsabsolvent_innen (talents) sowie eine Kultur der Offenheit gegenüber alternativen Lebensformen (tolerance) aufweisen, durch das höchste Wirtschaftswachstum gekennzeichnet und haben die besten Voraussetzungen für die zukünftige Entwicklung, indem sie zu Zentren der Kreativen Klasse werden. 18 Zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Terminus Standort in diesem Zusammenhang vgl. Duveneck/Schipper (2012: 268f.). 19 Die Thesen Floridas werden vielfach kritisiert (vgl. bspw. Peck 2005; vgl. Siebel 2008). Joachim Thiel (2011: 105) spricht diesbezüglich mit Verweis auf Marco Bontje und Sako Musterd (2009) von einem „Spiel des ‚Florida-hyping‘ oder ‚Floridabashing‘“. Die Kritik bezieht sich meist auf das empirische Vorgehen (vgl. Glasauer 2008), insbesondere bezogen auf die Gay- und Diversity-Indices, aber auch darauf, dass Florida im Prinzip keine neuen Erkenntnisse bereitstelle, sondern bestehende Erkenntnisse aus der Diskussion um den Wertewandel im Neoliberalismus „kommensurabel“ darstelle (Göschel 2007: 41): „Was also als ‚kreative Klasse‘ daherkommt, ist im Grund nichts anderes, als der sich unaufhaltsam weiter durchsetzende, vor allem gehobene Dienstleistungsberufe erfassende Wertewandel, der seit den 1980er Jahren in der Wertewandelsforschung sehr klar erfasst ist“. Ähnlich argumentieren Stefan Krätke (2010) und Ann Markusen (2006), die die bloße Existenz einer Kreativen Klasse anzweifeln. Zudem wird kritisiert, dass ein kausaler Zusammenhang von Städtewachstum und Ansiedlung der Kreativen Klasse angenommen wird (vgl. Scott 2006: 11). „Politisch wird zudem kritisiert, dass Floridas Konzept perfekt anschlussfähig an das Konzept der unternehmerischen Stadt sei und Elemente wie Kreativität, Kultur oder Toleranz ebenfalls als ‚Standortfaktoren‘ im Standortwettbewerb verwertbar zu machen suche“ (Dörry/Rosol 2011: 141), was zu sozialer Exklusion und sozialräumli-

120 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

sammenhang darauf, dass der Begriff des „Talents“ als Ersatz für den bis in die 1990er Jahre vorherrschenden Begriff des „Humankapitals“ fungiert. Mittlerweile kann durchaus von einem Kreativen Imperativ gesprochen werden, sowohl hinsichtlich der gebetsmühlenartig geforderten Steigerung individueller Kreativität (vgl. Bröckling 2007: 174) als auch hinsichtlich einer auf allen Ebenen der „Stadtentwicklung angestrebten Förderung der Kreativität für ganze Städte“ (Bingel/Wotha 2018: 93), auch im Sinne einer „strategischen Kreativplanung“, mittels derer versucht wird, durch gezielte Standort- und Imagemaßnahmen Kreative anzusiedeln (vgl. Klotz 2014: 49f.). In diesem Zusammenhang spricht Martina Heßler von der „Wiederentdeckung des Topos der ‚kreativen Stadt‘“ (Heßler 2007: 37), indem Städte mit Kreativität nahezu gleichgesetzt werden, da sie Bedingungen zu bieten scheinen, „die kreatives Arbeiten, Ideenreichtum, Innovationen und Neuerungen fördern“ (ebd.: 38) und in Städten nicht nur Kultur entsteht, sondern ökonomisch verwertet werden kann (vgl. Currid 2007). Dabei wird die Kultur- und Kreativwirtschaft vielfach als neues Wachstumsfeld für städtische Ökonomien identifiziert (vgl. Hafner/von Streit 2010; vgl. Krätke 2011; vgl. Gornig/Mundelius 2012). Obwohl wirtschaftspolitische Einflussmöglichkeiten sowie signifikante stadtund regionalökonomische Effekte nicht eindeutig belegt oder zumindest angezweifelt werden (vgl. Peck 2005; vgl. Scott 2006; vgl. Fritsch/Stützer 2012), ist Kreativität zu einem „neuen Mantra“ der Wirtschaftswissenschaften geworden (Sternberg 2012: 302ff.). So wird Kreativität, „die immer Sichtbarkeit benötigt, um als solche auch erkannt zu werden, […] zunehmend über den Markt und in ihrer Produktförmigkeit bewertet und verdrängt andere Bewertungsformen und Logiken, etwa soziale oder kulturelle“ (Merkel 2008: 45; vgl. Kapitel 3.1.2). In der vorliegenden Arbeit wird der Fokus jedoch nicht auf die ökonomischen Implikationen der Kultur- und Kreativwirtschaft gelegt, sondern auf kreativ-urbane Milieus, dessen Akteur_innen zu einem großen Teil, aber bei Weitem nicht ausschließlich der Kultur- und Kreativwirtschaft zuzurechnen sind (vgl. Kapitel 4.2), sowie ihre milieuspezifische Kreativität, die als kollektive Ressource für die Stadtentwicklung angesehen wird (vgl. Kapitel 4.3). In diesem Zusammenhang stützt sich die Untersuchung einerseits zwar auf die Ausführungen Richard Floridas (2002), der eine kreative Stadt dadurch definiert, dass in ihr viele Kreative leben und herausstellt, dass Kreative folgende Eigenschaften an einem Ort schätzen: soziale Interaktion, Identität, Qualität des Ortes, Authentizität/Einzigartigkeit, Diversität/Offenheit und Toleranz, Lifestyle sowie vielfältige

cher Polarisierung führe und die Spaltung der Städte vorantreibe (vgl. Peck 2005: 763; vgl. Scott 2006).

Kreativität und die neue Attraktivität der Städte | 121

Arbeitsmärkte (vgl. Florida 2002: 223ff.). Er betrachtet die „Kreative Klasse“ 20 jedoch insbesondere als Wirtschaftsfaktor. Daher finden zudem die Überlegungen Charles Landrys (vgl. 2000) Eingang, der eine kreative Stadt als einen Ort bezeichnet, der sich durch kreative Problemlösungen auszeichnet und so über die Betrachtung der ökonomischen Implikationen der Kreativen für Städte hinausgeht. In seinem Sinne ist Kreativität eine wesentliche Ressource des kreativen Wissensorts Stadt, die über die rein wirtschaftliche Bedeutung hinausweist: „Creativity is one of the main currencies. Creativity is a general, all purpose problem-solving and opportunity-creating capacity. Its essence is a multifaceted resourcefulness and the ability to assess and find one’s way to solutions for intractable, unexpected, unusual problems or circumstances“ (Landry 2011: 234). Kreative – hier sind also nicht nur Akteur_innen der Kultur- und Kreativwirtschaft gemeint – nutzen die urbane Atmosphäre und das kulturelle Kapital eines Ortes als endogene Kreativitätsressource (vgl. Krätke 2002: 242; vgl. Klotz 2014: 31) und eine zukunftsfähige und nachhaltige Stadtentwicklung ist – im Sinne Landrys (vgl. Landry 2008:xii) – auf die Ideen genau dieser kreativen Bewohner_innen angewiesen (vgl. Bingel et al. 2017: 456f.).

3.3 KREATIVITÄTSORIENTIERTE ANSÄTZE FÜR DEN URBANEN RAUM „,Ein Gespenst geht um in Europa‘, […]. Das ‚Gespenst‘ heißt ‚creativity theory‘ und beruht auf den Thesen des US-amerikanischen Wirtschaftsgeografen und Bestsellerautors Richard Florida.“ Silke Steets 2011: 87

20 Unter den Begriff der Kreativen Klasse fasst Richard Florida drei Gruppen kreativ arbeitender Personen. Dabei handelt es sich um den Kreativen Kern, der Wissen generiert und die Wirtschaft innovativ weiterentwickelt, die Kreativen Professionals, die mit ihrem Wissen die ökonomische Entwicklung unterstützen, indem sie es in neuen Zusammenhängen einsetzen und die Bohemians, im Sinne von Künstler_innen, deren Vorhandensein ein Indikator für eine vielfältige und offene Stadt darstellt und die eine hohe Anziehungskraft auf den Kreativen Kern und die Kreativen Professionals ausüben (vgl. Florida 2002: 68ff). Demnach ist die Kreative Klasse nicht als Klasse im Marx‘schen Verständnis zu begreifen, sondern als eine unter ökonomischen Gesichtspunkten zu verortende Gruppe zu verstehen (vgl. ebd.: 68).

122 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Im Zuge der Diskussion um die Stadt als kreativen Wissensort und die damit zusammenhängenden Kopplungseffekte von Wissen und Stadt hat sich eine Fülle verschiedener Positionen herausgebildet. Ulf Matthiesen und Gerhard Mahnken verdichten diese Positionen thesenförmig zu den Phänomenen Agglomeration, Zentralität, Urbanität und Placemaking (vgl. 2009: 19f.; vgl. Abbildung 3-6). Ebenso verfahren Janet Merkel (2008) und Constanze Klotz (2014), wobei sie die Placemaking-These mit dem Begriff der Lokalität beschreiben. Abbildung 3-6: Thesen zur Kopplung von Wissen und Stadt

Quelle: eigene Abbildung nach Matthiesen/Mahnken 2009: 19f.

Die Agglomerationsthese betont mit dem aus der Regionalökonomie stammenden Ansatz das innovationsfördernde Zusammenspiel von Wirtschaft, Staat und Wissenschaft in Form von Universitäten und Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen (vgl. bspw. Etzkowitz/Leydesdorff 1997; vgl. Krupa/Schmidt 2009; vgl. Ranga/Etzkowitz 2013) hinsichtlich klassischer Produktionsvorteile einerseits, andererseits aber auch hinsichtlich sozialer und kultureller Vorteile der räumlichen Bindung (vgl. Klotz 2014: 22). Insbesondere der spontane, oftmals nicht intendierte Wissensaustausch (vgl. Merkel 2008: 52f.) durch „knowledge spillover“ (Lucas 1988; Krugman 1991; Carlino 2001) ist dabei als wesentlicher Produktivfaktor auszumachen. Insofern trägt die Notwendigkeit, Wissen durch diese Austauschprozesse zu generieren oder zu kodifizieren, zum Bedeutungsgewinn von Orten mit hoher Interaktionsdichte bei. Städten kommt dabei die Funktion eines „Zufallsgenerators für Kontakte, Informationen und Gelegenheiten“ (Growe 2009: 385) zu. Sie werden im Sinne von Ann Markusen (1996: 293) und Edward J. Malecki (2000) zu „sticky knowledge places“, zu Orten mit hoher Anziehungskraft auf kreative und gut ausgebildete Menschen, indem „der städtische Raum […] als Auffangbecken für das Raum- und Agglomerationsbedürfnis der Akteure sowie als Kommunikationsplattform [agiert], von der ausgehend Kreativszenen geformt und soziale Teilhabe an den einzelnen Netzwerken und

Kreativität und die neue Attraktivität der Städte | 123

Szenen verhandelt werden“ (Klotz 2014: 22) und in denen das „Zusammenspiel von ‚soft networks‘ (Wissensmilieus) und ‚hard networks‘ (strategische Kooperationen zwischen lokalen Organisationen und institutionellen Strukturen) gut funktioniert“ (Steets 2007: 186). Die Zentralitätsthese würdigt, trotz des Verschwimmens der Grenzen zwischen Stadt und Land durch Konzepte wie das der Edge City (vgl. Garreau 1991) und der Zwischenstadt (vgl. Sieverts 1998) sowie der Tatsache, dass Stadt und Land auch in Bezug auf Lebensstile keine extremen Gegensätze mehr darstellen (vgl. Schmidt-Thomé 2005: 14f.; vgl. Grothues 2006: 13), die „Renaissance der Zentralität nach dem fordistischen 20. Jahrhundert“ (Merkel 2008: 59) und macht „Städte als neue Zentren nicht nur der Finanz-, sondern auch der Wissensökonomie“ aus (Sassen 1996 nach Matthiesen/Mahnken 2009: 19). Dabei bezieht sich die Zentralitätsthese insbesondere auf die Interdependenz zwischen urbanen Orten und Handlungsweisen beziehungsweise -logiken der Kreativen. So erfahren „insbesondere Kernstädte […] eine Bedeutungssteigerung: Indem innerstädtische Bereiche gleichermaßen Wohn- und Arbeitsplätze sowie Bildungs-, Kultur- und Freizeitangebote bereitstellen, schaffen sie jene urbanen Rahmenbedingungen, die von den kulturellen und kreativen Akteuren als Standortpräferenzen explizit nachgefragt werden […].“ (Klotz 2014: 25)

Bestärkt wird die These durch die derzeit vorherrschende Debatte um Reurbanisierungstendenzen (vgl. bspw. Brake/Herfert 2012; vgl. Hohn/Rabe 2015; vgl. Hamm/Jäger/Keggenhoff 2017) und den Bedeutungsgewinn der Stadt als Arbeitsort in der wissensbasierten Dienstleistungsökonomie (vgl. Läpple 2001). Die Urbanitätsthese wird maßgeblich durch die Ideen Floridas zu der die Innenstädte in Wert setzenden Kreativen Klasse bestimmt (vgl. 2002/2005) und rekurriert letztlich auf die Überlegungen von Georg Simmel (1903) und Louis Wirth (1938) zur Urbanität. Obwohl Kreative als in globale Verflechtungszusammenhänge eingebunden charakterisiert werden können, beziehen sie sich auf bestimmte – als urban empfundene – Orte (vgl. Klotz 2014: 22). Dabei ist Urbanität als die Überlagerung baulicher, funktionaler und sozialer Dichte zu verstehen und hat die Funktion eines Charakteristikums bestimmter Stadträume und Lebensweisen inne (vgl. ebd.: 23f.). Das Verständnis von Urbanität geht also weit über die rein bauliche Komponente der Stadt hinaus (vgl. Häußermann/Siebel 2004). Das Vorhandensein von Urbanität gilt als Attraktivitätsfaktor für Kreative, der gleichzeitig durch sie selbst hergestellt wird (vgl. Lange 2007; vgl. Frey 2009). Dabei sind für diese Gruppe vor allem die Urbanitätsvari-

124 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

ablen Heterogenität und Dichte bedeutsam, da durch räumliche Nähe soziale Interaktionen entstehen können, für die heterogene Orte als Nährboden angesehen werden (vgl. Merkel/Oppen 2010: 16) und durch Unerwartetes, Fremdes und Unfertiges Kreativität fördern können (vgl. Frey 2009: 129). So wird hinsichtlich der Urbanitätsthese „davon ausgegangen, dass sich soziale und kulturelle Vielfalt sowie das Aufeinandertreffen von unterschiedlichsten, alternativen Lebens- und Denkweisen positiv auf die Entstehung von ‚Kreativität‘ auswirken. Indem heterogene und urban dichte Räume die Grundlage für vielfältige soziale und kulturelle Interaktionen bilden, avancieren sie zu einer essentiellen Handlungsressource […].“ (Klotz 2014: 24)

Auch wenn die populäre These des Autors „Jobs follow people“ (Florida 2012: 262) nicht uneingeschränkt aufrechterhalten werden kann (vgl. Scott 2006; vgl. Martin-Berlot et al. 2010), lässt sich jedoch feststellen, dass gewisse (kreative) Personengruppen Orte mit dichten Arbeitsmärkten, vielfältigen sozialen Interaktionen, Heterogenität, Authentizität und Identität bevorzugen. Auch Dieter Läpple postuliert einen neuen Bedarf an ‚Rückbettung‘ von den neuen, postindustriellen Lebens- und Arbeitswelten (vgl. 2004: 74f.; vgl. Kapitel 3.1), den vor allem urbane Räume mit ihrem dichten und vielfältigen Angebot bieten können. Nach den Placemaking-Thesen hat die Verbindung zu einem konkreten Ort eine besondere Bedeutung insbesondere für eher symbolproduzierende Ökonomien (vgl. Merkel 2008: 61; vgl. Kapitel 3.1.2). So merkt Christoph Laimer an, dass Kreative auf ein urbanes Umfeld angewiesen sind, indem sie das Urbane als Voraussetzung benötigten, um sich zu entwickeln. Es werde „immer klarer, dass gerade für wissensbasierte Ökonomien und die sogenannten cultural industries das Diktum space matters nach wie vor (oder wieder) gilt“ (Laimer 2013: 88, Hervorh. im Orig.). Wissen, Kreativität und Kultur lassen sich in diesem Zusammenhang unter bestimmten Rahmenbedingungen an spezifische Orte mit ihren face-to-face-nahen Anregungspotenzialen binden (vgl. Scott 1997; vgl. Matthiesen/Mahnken 2009: 20; vgl. Suwala 2014). „Diesen Orten ist gemein, dass sie über ein ausgeprägtes lokal verankertes, kulturelles Kapital verfügen, mit dem die Akteure eine rekursive Beziehung eingehen, um die Authentizität ihrer kulturellen Praktiken und Produkte zu steigern.“ (Klotz 2014: 26) Dabei sind die physischen Elemente des Ortes als Zeichen für den Aneignungsprozess durch dessen Nutzer_innen von zentraler Bedeutung (vgl. Kapitel 2.3). Insofern wird der Ort als Medium verstanden, das die Akteure einer Stadt verbindet und soziale, kulturelle wie auch wirtschaftliche Prozesse konkret und real werden lässt (vgl. Kohler 2015: 34). Die vier angesprochenen Thesen zur Agglomerati-

Kreativität und die neue Attraktivität der Städte | 125

on, Zentralität, Urbanität und Placemaking/Lokalität sind jedoch keine hinreichende Erklärung für die Entstehung beziehungsweise die Produktion von Kreativität innerhalb von Städten oder städtischen Milieus. Sie stellen allerdings Voraussetzungen dar, die den Entstehungsprozess kreativen Wissens begünstigen (vgl. Bingel et al. 2017: 457) und liefern Erklärungsansätze für die Entfaltung der Kultur- und Kreativwirtschaft im urbanen Raum (vgl. Merkel 2008: 52). Alle beschriebenen Thesen, insbesondere aber die Lokalitäts- und die Urbanitätsthesen weisen eine Relevanz in Bezug auf die Dritten Orte des kreativ-urbanen Milieus für die vorliegende Arbeit auf (vgl. Kapitel 4.4). Unabhängig von den Phänomenen Agglomeration, Zentralität, Urbanität und Placemaking/Lokalität verweist Suwala (2014: 239f.) darauf, dass die Frage nach dem Verhältnis von Kreativität und Raum zu mehreren grundlegenden Kategorien von Erklärungsansätzen geführt hat: Es handelt sich dabei um individuenzentrierte Ansätze, gesellschaftsbasierte Ansätze, um wirtschaftsbasierte und um raum-/skalenbasierte Ansätze, oder aber um Ansätze, die mehrere der genannten Sphären betrachten. Individuenzentrierte Ansätze setzen den Fokus auf kreative Individuen 21, gesellschaftsbasierte Ansätze konzentrieren sich auf kreative Communities 22, wirtschaftsbasierte Ansätze legen den Schwerpunkt auf Standortfaktoren der kulturellen/kreativen Ökonomie, kulturelle Wertschöpfung sowie kreative Distrikte/Cluster 23. Die raum-/skalenbasierten Ansätze werden als Sonderform der vorherig genannten Ansätze verstanden, indem sie „explizit einen bestimmten Raumtyp oder Maßstab der räumlichen Sphäre vorgeben“ (Suwala 2014: 239) 24, insofern ist die vorliegende Arbeit einem skalenbasierten Ansatz zuzurechnen. Weiterhin existieren (meist skalenunabhängige) Ansätze, die aus einer Mischung der vorgenannten Sphären bestehen 25. In diesem Zusammenhang sei zudem auf die an der Stadtentwicklungspraxis orientierten Überlegungen von Phil Woods (2003) verwiesen, der betont, dass Städte erst dann in

21 Suwala verweist hier auf Drake 2003; Tokatli 2011. 22 Suwala verweist hier auf Hartley 2007; Cunningham et al. 2008; Amin/Roberts 2008; Potts et al. 2008; O’Connor 2009. 23 Suwala verweist hier auf Glaerser et al. 2001; Florida 2002/2003/2005; Clark 2004; Pratt 1997/2008; Jeffcut 2004; Santangata 2002; Cinti 2008; Lazzeretti 2008; Mizzau/Montanari 2008; Le Blanc 2010; Mommaas 2004; Wu 2005; Kong 2009. 24 Suwala verweist hier auf Scott 1997/2000/2010; Bell/Jayne 2006; Brown et al. 2001; Montgomery 2003/2004; Roodhouse 2006; Landry 2000/2008; Hall 1998/2000; Helbrecht 1998; Heßler 2008; Thierstein/Gabi 2004; Thierstein et al. 2009; Florida 1995; Cooke/Schwartz 2007; Cooke 2008. 25 Verweis auf Scott 1997/1999; Grabher 2001/2002; Markusen 2010.

126 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

einen „Kreislauf der Kreativität“ (vgl. Abbildung 3-7) eintreten, wenn eine Reihe von Voraussetzungsbereichen erfüllt wird. So muss eine Krise vorliegen, die überwunden werden will und somit einen Bedarf an Maßnahmen offenlegt, es müssen adäquate Governanceformen bereitstehen und Einflüsse von außen müssen neue Perspektiven und Problemlösungsstrategien ermöglichen (vgl. Wood 2003: 30). Abbildung 3-7: Der Kreislauf urbaner Kreativität

Quelle: eigene Abbildung in Anlehnung an Wood 2003: 30 und Huchler 2009: 97

Phil Wood betont, dass Kreativität zwar durch unvorhersehbare Umstände ausgelöst werden kann, „doch dies bedeutet nicht, dass wir es mit einem in mystische Nebel gehüllten Gebiet zu tun hätten, das nur für außerordentlich begabte und einsichtsvolle Einzelpersonen einsehbar wäre“ (Wood 2003: 31). Mit Verweis auf Landry (2000) argumentiert er, dass Kreativität „ein Prozess – und in den meisten Fällen ein kollektiver Prozess“ sei (ebd.: 31; vgl. Kapitel 3.1.2). Letztlich kann angemerkt werden, dass es sich bei Konzepten wie dem der Kreativen Klasse und dem der Kreativen Stadt um „plakative Leitbegriffe und Narrative“ handelt, die von einer Verräumlichung von Kreativität ausgehen und die dazu geführt haben, dass „sich Städte zunehmend als ‚kulturelle Entitäten‘ begreifen, die als Träger und Produzent von Zeichen und Symbolen fungieren. In diesem Selbstverständnis werden die symbolische und politische Ökonomie von Kultur nicht nur langfristig miteinander verwoben, sondern avancieren zur bedeutendsten Quelle der Wertschöpfung in der Stadtentwicklung.“ (Klotz 2014: 48)

Kreativität und die neue Attraktivität der Städte | 127

Diesbezüglich sei darauf hingewiesen, dass „mit dem Hype um die Rolle von Kreativität und kreativen Industrien in der Stadtentwicklung“ eine Neubewertung und (Wieder-)Aufwertung des Materiellen im Stadtraum einhergeht (Thiel 2011: 117). So werden Kreative einerseits vom „Look and Feel“ (Helbrecht 1998:o.S.) einer urbanen Umwelt inspiriert, sie eignen sie sich aber parallel auch an und verändern sie (vgl. Kapitel 4.2). Daraus ergibt sich nach Joachim Thiel (2011: 117) „die Hoffnung, Kultur und Kunst könnten zur Regenerierung benachteiligter Stadtgebiete beitragen“ und gleichzeitig die „Befürchtung, damit würden sie zwangsläufig zum Vorreiter von Gentrifizierungsprozessen.“ Bastian Lange (2012: 116) verweist in diesem Zusammenhang auf Nischen und Leerstände, die für kreative Wissensarbeiter aufgrund der Möglichkeiten digitaler Produktionsweisen interessant werden und neue Raumbedarfe decken können. Vielfach handelt es sich dabei um alte Industrieareale (vgl. auch Mittag/Oerters 2009) und Zwischennutzungsformen (vgl. Dörry/Rosol 2011: 148f.; vgl. Oswalt/Overmeyer/Misselwitz 2013: 9ff.). Die Kultur- und Kreativwirtschaft wird damit nach Lange zum Impulsträger für die Stadtentwicklung, „indem sie unerforschtes Terrain erkundet, urbane Leerstellen aufspürt, mit Möglichkeitsräumen operiert und utopisches Material in verfahrene Situationen einschleust“, womit sie helfe, „unorthodoxe Lösungsansätze zu entwickeln“ (2012: 116) 26. Dies erweist sich aber als durchaus ambivalent, da mit der Aufwertung von Nischen und Leerstellen durch Kreative Prozesse wie Gentrifizierung, soziale Exklusion und eine verstärkte sozialräumliche Fragmentierung in Gang gesetzt werden können und es so „immer schwieriger [wird], Ersatz zu finden und die sehr kreative Basis der Stadt zu erhalten“ (Klaus 2008).

26 In Bezug auf Raumunternehmen vgl. Buttenberg/Overmeyer/Spars (2013).

4

Das kreativ-urbane Milieu und seine Dritten Orte „Für Akteure ist das Milieu gelebter Alltag, eine urbane Lebensform, die für die […] Herstellung von lokalen Ortsbezügen unter den Bedingungen gestiegener Mobilität und sozialer Wahlmöglichkeiten eine kritische Bedeutung hat.“ Janet Merkel 2008: 82

Vor dem Hintergrund der neuen Attraktivität der Städte und der postulierten Notwendigkeit von Kreativität in der Wissensgesellschaft sowie dem damit in Verbindung stehenden Bedarf an neuen Organisationsformen von Teilhabe gewinnen kreativ-urbane Milieus als potenzielle Impulsgeber für Stadtentwicklungsprozesse größere Bedeutung (vgl. Kapitel 3.2). Unter anderem durch gemäßigte Artikulationen und deutliche Proteste Kreativer (vgl. Kapitel 2.3) wächst die Erkenntnis, dass sie zum einen ein inhärentes Interesse an der Entwicklung ihrer Stadt haben und eine entsprechende Teilhabe einfordern (vgl. Höpner 2012). Zum anderen kann die Aktivierung und Beteiligung der Akteur_innen aufgrund ihrer oftmals prekären Arbeits- und multilokalen Lebensverhältnisse (vgl. Hilti 2009; vgl. Petzold 2011; vgl. Kapitel 3.1.1) als besonders anspruchsvoll angesehen werden (vgl. Bingel et al. 2017: 456), da die „geographischen Räume immer weniger mit den Sozialräumen [der Akteur_innen] übereinstimmen“ (vgl. Pries 1997: 26 nach Plöger/Dittrich-Wesbuer 2013: 196). Mit dem Konstrukt der kreativ-urbanen Milieus existiert ein Konzept, mit dem die kreativen Bewohner_innen einer Stadt als Akteursgruppe untersucht werden können. Die Erhebung eines solchen Milieus, hat den „Vorteil, dass Grundmuster und Basiseinstellungen […] fall- und ortsspezifisch vorgelegt werden können“ (Overmeyer 2010: 23) und die ‚Grundgesamtheit‘ über die enge Definition der Kultur- und Kreativwirtschaft hinausgeht, sodass durch die Betrachtung der Kreativen als Milieu eine Fokussierung auf die rein ökonomische Seite von Kreativität vermieden werden kann. Diesbezüglich ist zunächst die

130 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Analyse des Netzwerks eines kreativ-urbanen Milieus notwendig (vgl. Bingel et al. 2017), um zentrale Netzwerkknoten als Zugangs- oder Anknüpfungspunkte für weitere Untersuchungen zu identifizieren, die eine Einbindung und Aktivierung des enormen kreativen Kapitals dieser Milieus im Rahmen einer strategisch auf Kreativität ausgerichteten Stadtentwicklungsplanung zu ermöglichen (vgl. Breckner 2009: 79). In einer solchen Sichtweise wird anerkannt, dass Stadtentwicklung im Allgemeinen und Stadtentwicklungsplanung im Besonderen zunehmend auf innovative Ideen angewiesen ist, um im globalen Standortwettbewerb bestehen zu können (vgl. Kapitel 3.2). Jene innovativen Ideen entspringen einem kreativen Potenzial, das sich letztlich nur mit Hilfe der kreativen Bewohner_innen einer Stadt erschließen lässt. Dabei ist weniger die Kreativität eines einzelnen Genies relevant, sondern vielmehr die kollektive Kreativität (vgl. Kapitel 3.1.2) der Stadtgesellschaft. Im Folgenden werden relevante Milieukonzepte, die mit dem der kreativurbanen Milieus in Verbindung stehen, dargestellt und voneinander abgegrenzt (vgl. Kapitel 4.1). Weiterhin wird das Konzept der kreativ-urbanen Milieus ausführlich vorgestellt (vgl. Kapitel 4.2). Unter Verwendung der Erläuterung der diese Milieus konstituierenden Ressourcen (vgl. Kapitel 4.3) wird zu den Dritten Orten dieser Milieus übergeleitet (vgl. Kapitel 4.4).

4.1 RELEVANTE MILIEUKONZEPTE Der Begriff des Milieus ist vielfältig und kann aus verschiedenen Disziplinen, die die vorliegende Arbeit berühren, heraus interpretiert werden. In der aktuelleren soziologischen Sichtweise steht der Milieubegriff mit dem Begriff der Lebensstile in Verbindung. Er dient als Instrument zur Abbildung sozialer Schichtungen in vertikaler und horizontaler Dimension und bildet „Gruppen Gleichgesinnter mit ähnlichen Konstellationen von Wertehaltungen und Einstellungen“ (Hradil 1996: 16) ab, mit „regelmäßig wiederkehrenden […] Verhaltensweisen, Interaktionen, Meinungen“ (Hradil 2001: 46). Auch das Konstrukt der Lebensstile ist in der wissenschaftlichen Rezeption nicht eindeutig, gemeinsam ist aber allen Ansätzen, dass sich soziale Ungleichheiten nicht nur aus den Einkommensverhältnissen, der beruflichen Position und dem Bildungsniveau ergeben, sondern Faktoren wie Wertehaltungen, ästhetische Präferenzen sowie Freizeit- und Konsumgewohnheiten eine Rolle spielen. So werden Lebensstile als „aktive, ex-

Das kreativ-urbane Milieu und seine Dritten Orte | 131

pressive und konsumtive Seite der sozialen Ungleichheit“ (Lüdtke 1992: 138) beschrieben 1. Während soziologische Milieukonzepte raumlos konzipiert sind (vgl. Manderscheid 2004: 99) oder ihnen „wenn überhaupt – ein schematisch gedachtes Raumverständnis“ (Dörfler 2013: 33) zugrunde liegt, wird aus Sicht der Raumforschung naturgemäß insbesondere die räumliche Dimension von Milieus betrachtet. Auch hier zeigen sich allerdings diverse Verständnisse des Begriffs. So werden Milieus einerseits als rein räumliche Konzentration bestimmter Akteur_innen gefasst, aber auch als Konzentration sozialer Gruppierungen in verschiedenen räumlichen Maßstabsebenen (Straßenzüge, Quartiere, Städte, Regionen). Auch kreative Milieus werden unterschiedlich gefasst und beispielsweise als „Konzentration von Kreativen in einem Stadtteil, einer Straße, einem Büro- und Fabrikgebäude oder [als] die offene, tolerante Atmosphäre einer Stadt beschrieben“ (Merkel 2008: 69). Die Gemeinsamkeit der unterschiedlichen Blickwinkel auf kreative Milieus liegt in der Annahme, „dass es zur Entfaltung von Kreativität einer entsprechenden Umgebung, eines Ortes bzw. eines stimulierenden Kontextes bedarf, um Kommunikation und Interaktion zwischen den jeweils tragenden Akteuren zu ermöglichen“ (ebd.: 69). Insbesondere das Konzept der innovativen Milieus 2 präsentiert sich zur Betrachtung der kollektiven Kreativität in Städten als geeignete theoretische Basis. In die (Wirtschafts-)Geografie fand das Milieu-Konzept zunächst durch die Forschungsgruppe GREMI Eingang, die die Fragestellung zu beantworten suchte, worin die Ursachen differierender Innovationsfähigkeiten unterschiedlicher Wirtschaftsräume liegen (vgl. Fromhold-Eisebith 1999: 168). In diesem Zusammenhang wird ein innovatives Milieu beschrieben als „the set or the complex network of mainly informal social relationships on a limited geographical area, often determining a specific external ,image‘ and a specific internal ,representation‘ and sense of belonging, which enhance the local innovative capability through synergetic and collective learning processes.“ (Camagni 1991: 3)

1

Die aktuell wohl bekanntesten Studien mit der derzeit einflussreichsten Konzeptualisierung (Barth/Berthold 2012) zu Lebensstilen in Deutschland sind die der SinusMilieus (vgl. SINUS Markt‐ und Sozialforschung GmbH 2017).

2

Häufig wird der Begriff kreatives Milieu synonym zum Begriff innovatives Milieu verwendet (vgl. bspw. Crevoisier 2001). Das hier behandelte kreativ-urbane Milieu unterscheidet sich jedoch dazu. Im Folgenden wird das kreative Milieu nach GREMI daher als innovatives Milieu betitelt.

132 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Als innovatives Milieu wird das Netz informeller Beziehungen zwischen Unternehmen, Organisationen, der Verwaltung und allen wirtschaftsbezogenen Akteuren in einer Region bezeichnet. In diesem Sinne stellt es die Basis für Innovationen und damit ökonomischen Erfolg dar (vgl. Merkel 2012a: 696; vgl. Matuschewski 2006: 272; vgl. Bingel et al. 2017: 459). Es handelt sich um ein territorial lokalisiertes Lern- und Innovationssystem, in dem hohes Sozialkapital für den wirtschaftlichen Erfolg einer Region grundlegend ist (vgl. FromholdEisebith 1999: 169). In diesem Konzept wird die Region „insgesamt als kollektiver Akteur und damit [als] eigentlicher Innovator“ (Merkel 2012a: 967) angesehen. Dabei wird davon ausgegangen, dass in innovativen Milieus eine höhere Binnenkommunikation vorherrscht als in formal konstruierten Netzwerken (vgl. Overmeyer 2010: 23; vgl. Matthiesen/Bürkner 2004: 77). So existiert in Milieus ein diffuses Wissen um gemeinsame Praxisformen, was als Milieu-Wissen bezeichnet wird. Dieses Wissen „wird hauptsächlich durch praktische Erfahrungen generiert und verweist auf gemeinschaftliche Prozesse der (Re-)Organisation ‚normal ablaufender Dinge‘ in Sphären der Lebenswelt“ (Heinelt 2009: 358). Daraus ergibt sich, dass in Milieus flexible Strukturen der Kooperation vorherrschen, die durch den häufigen und offenen, unstrukturierten und informellen Austausch der Akteur_innen bedingt sind (vgl. Grabher 1993; vgl. Fürst/Schubert 1998 nach Matuschewski 2006: 272). In diesem Zusammenhang wird zudem auf die sozialräumliche Verankerung von Milieus verwiesen, indem die Annahme zugrunde liegt, dass durch geografische Nähe ein enger Kommunikationszusammenhang entsteht, der wiederum milieukonstituierend wirkt (vgl. Manderscheid 2004: 99ff.). (Innovative) Milieus weisen demnach eine hohe Standortbindung auf. Über konkrete Räume finden Wissen und soziales Kapital zusammen. Damit können Milieus als verortete Netzwerke beschrieben werden (vgl. Matuschewski 2006: 273).

4.2 DAS KONZEPT DER KREATIV-URBANEN MILIEUS „Kreativität ist angeblich ansteckend. Aber nur wenige wissen, daß sie auch anstrengend ist.“ Wolfgang J. Reus 3

Eine Übertragung des Konzepts der innovativen Milieus (vgl. Kapitel 4.1) auf Kreative leistet Janet Merkel mit ihrer Konzeption des kreativ urbanen Milieus,

3

Deutscher Autor und Satiriker (1959-2006).

Das kreativ-urbane Milieu und seine Dritten Orte | 133

dem eine sozialräumliche Einbettung des Milieus zugrunde liegt 4. Sie geht von der Annahme aus, dass sich kreative Akteur_innen „zielgerichtet an Kristallisationspunkten der Kreativwirtschaft platzieren, um sich die dort eingeschriebenen Potenziale und verschiedenen Kapitalarten anzueignen“ (Merkel 2008: 82). Durch die so entstehende unmittelbare räumliche Nähe der Akteur_innen können Informationen und Wissen schneller und effizienter ausgetauscht werden und die für Arbeitsprozesse der Kreativen notwendigen Ressourcen können besser zirkulieren. In dem Verständnis von Janet Merkel ist ein kreativ-urbanes Milieu ein Rahmen, in der Individuen geeignete Grundbedingungen für kreative Produktionsprozesse sowie für ihre Lebensstile vorfinden, wozu kurze Wege, eine gute ÖPNV-Versorgung, günstige Mieten, vorhandene Netzwerkstrukturen sowie gemeinsame Dritte Orte zählen. Auch in der Konzeption kreativer Milieus von Oliver Frey (2009) werden Milieus als verortete Netzwerke fassbar (vgl. ebd.: 115). Er wendet einen Milieubegriff an, „der zum einen den konkreten Ort in seiner physisch-materiellen Dinglichkeit als einen Handlungsrahmen setzt. Zum anderen umfasst er die gruppenspezifischen Lebenswelten, die über soziale Netzwerke strukturiert werden“ (Frey 2009: 111). Sowohl dem Konzept der kreativ-urbanen Milieus nach Merkel als auch dem Konzept kreativer Milieus von Frey liegt ein relationales Raumverständnis zugrunde (Merkel 2008: 78f. Frey 2009: 117ff./163ff.; vgl. Kapitel 2.1.3), indem sie die Entstehung kreativer Räume und Orte als sozial konstruiert betrachten. Aufgrund des Umstands, dass sowohl innovative Milieus als auch kreative und kreativ-urbane Milieus als verortete Wissensnetzwerke gefasst werden, kann das Konzept der – auf regionaler Ebene verankerten – innovativen Milieus auf kreativ-urbane Milieus in städtischem Maßstab übertragen werden, obwohl es sich um andere vorherrschende Wissensformen handelt (symbolisches anstelle von synthetischem Wissen; vgl. Kapitel 3.1.2). Städtische Milieus mit ihrer Viel-

4

An dieser Stelle sei darauf verwiesen, dass kreativ-urbane Milieus nicht mit dem Begriff der kreativen Szene identisch sind. Vielmehr sind verschiedene Szenen, die sich durch eine thematische Fokussierung (wie gleicher Musikgeschmack, gleiche politische Einstellung, gleiche ausgeübte Sportart etc.) auszeichnen, im kreativ-urbanen Milieu enthalten. „Während sich aber Szenen auf der Ebene der Lebensstile ansiedeln und vornehmlich spezifische kulturelle Interessen und äußerlich beobachtbare Verhaltensroutinen der Akteure zum Ausdruck bringen, sind Milieus stärker durch eine soziale Zugehörigkeit sowie tief verankerte Wertehaltungen und Grundeinstellungen geprägt. Szenen können jedoch Milieus sichtbar und damit auch erfahrbar machen.“ (Merkel 2008: 81)

134 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

falt, Lebendigkeit und Flexibilität senden Impulse aus, die sich fördernd auf Wissenszirkulation und -produktion und damit Innovationen auswirken. Diese Milieus werden gemeinhin als kreativ empfunden und begünstigen Assoziationen zu Wissen, Information und Kreativität (vgl. Matuschewski 2006: 273). Letztlich handelt es sich bei einem kreativ-urbanen Milieu um eine Spezialform eines sozialen Netzwerks, das nicht geplant entsteht, sondern sich eigenständig aus den städtischen Strukturen heraus entwickelt (vgl. Bingel et al. 2017: 466). Es handelt sich weiterhin um ein verortetes, also räumlich abgrenzbares Netzwerk aus Beziehungen von Akteur_innen der kreativen Szenen, der Kultur- und Kreativwirtschaft und deren Umfeldern. Der große Unterscheid zu innovativen Milieus liegt darin begründet, dass sie sich nicht vornehmlich oder gar ausschließlich durch ökonomisch begründete Beziehungen beschreiben lassen, sondern vor allem auf sozialen und kulturellen Interaktionen fußen, sodass es sich bei kreativ-urbanen Netzwerken um eine soziale Organisation von Kreativität handelt (vgl. Lloyd 2006), bei der die Kultur- und Kreativwirtschaft lediglich einen, wenn auch prominenten, Teil des Milieus ausmacht. Für Janet Merkel (2012a: 700) sind wesentliche Merkmale eines kreativ-urbanen Milieus die dichte Kontaktstruktur innerhalb des Netzwerks mit Austauschbeziehungen und der Entwicklung bestimmter kultureller Praktiken, das Teilen bestimmter Wertehaltungen und die Verknüpfung mit einem gesetzten geografischen Ort. So kann von einem wechselseitigen Konnex von Urbanität und Kreativität gesprochen werden: Auf der einen Seite werden Kreative und deren Umfeld durch bestimmte Orte angezogen, die durch eine ihnen inhärente spezifische Symbolik und spezifische physisch-materielle Ausstattungen bestimmte Lebensstilgruppen ansprechen, andererseits prägen Kreative selbst ihre räumliche Umwelt beispielsweise durch bestimmte Ladengeschäfte, gastronomische Einrichtungen, Freizeit- und Dienstleistungseinrichtungen (vgl. Helbrecht 1998: 10). Insofern ist „das Milieu […] für die Akteure zugleich Lebens- und Arbeitswelt, Lern- und Erfahrungsraum, Markt, Kooperations- und Konkurrenzsituation und liefert ausreichend Gelegenheit für Symbolisierungen und Identitätskonstruktionen“ (Merkel 2012a: 698). Bezüglich der Verschränkung von Identitätskonstruktionen und räumlicher Verortung weist Weichhart darauf hin, dass sich die soziale Bindungswirkung eines räumlich-sozialen Kontextes „auch aus seiner Funktion für die Ausbildung und Offenlegung personaler und sozialer Identität [ergibt]. Auf eine ganz knappe Formel gebracht: Der Standort einer Person im physisch-materiellen Raum, seine räumliche Herkunft, seine Zugehörigkeit zu einem bestimmten räumlich-sozialen Milieu stellen einen wichtigen Bestandteil seiner Ich-Identität und seiner Gruppenzugehörigkeit dar. Hinter derartigen Anklängen eines ‚Wir-‘ oder ‚Sie-

Das kreativ-urbane Milieu und seine Dritten Orte | 135

Bewußtseins‘ stehen unterschiedliche Formen und Identitätsabstufungen raumbezogener Gruppenbildung.“ (Weichhart 1993: 232f.)

So findet In kreativ-urbanen Netzwerken eine soziale Einbettung Kreativer mit ihren jeweiligen spezifischen Lebens- und Arbeitsweisen in einem geteilten Erfahrungsraum statt (vgl. Merkel 2012a: 698). Letztlich werden über die Schaffung einer gemeinsamen Identität durch Kommunikation und Interaktion der Mitglieder des kreativ-urbanen Milieus auf sozialräumliche Weise Phänomene hergestellt (vgl. Frey 2012: 519). „Die Funktion der Weitergabe von Informationen, des Informationsaustauschs und des gemeinsamen Wissens um Werte, Geschmacksarten, sowie insbesondere soziale und geografische Orte mit spezifischen kulturellen Praktiken, stellen wesentliche Bestimmungsgrößen von kreativen Milieus dar.“ (Overmeyer 2010: 25) Auch in diesem Zusammenhang sei auf die besonderen lebens- und arbeitsweltlichen Umstände Kreativer verwiesen, die unter den Schlagwörtern Entgrenzung und Flexibilisierung ihren Ausdruck finden (vgl. Kapitel 3.1.1). Mit diesem Hintergrund steht in Verbindung, dass spontanes Engagement, zweckgebundene Projektgruppen und zwanglose Netzwerke notwendig werden und damit attraktiver als langfristige Bindungen und die dauerhafte Erfüllung von Rollenpflichten erscheinen (vgl. Rauterberg 2013: 28; vgl. Bingel/Leßmann/Nußbaum 2017: 74). Ebenso tragen Individualisierungstendenzen zu einer Bedeutungszunahme von Netzwerken bei: „Waren früher religiöse Gemeinschaften, Klassenkulturen und regionale Zugehörigkeiten meist lebenslang prägend, so verlassen oder wechseln individualisierte Menschen die neuen Wahlgemeinschaften, wenn andere Umstände oder Neigungen es nahelegen.“ (Müller 2012: 197)

4.3 DIE RESSOURCEN KREATIV-URBANER MILIEUS „Wissenschaft wird wohl nie mit einem besseren Bürokommunikationssystem daherkommen als eine Kaffeepause.“ Earl Wilson 5

Um zu einem Verständnis zu gelangen, wie kreativ-urbane Milieus entstehen, wie sie sich entwickeln, welche Eigenschaften sie haben, welche Orte für sie relevant und attraktiv sind sowie um ihre positiven Einwirkungen auf eine nach-

5

US-amerikanischer Journalist (1907-1987).

136 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

haltige Stadtentwicklung schlussendlich befördern zu können, ist es notwendig, dass die „je spezifischen Ressourcen des Milieus sichtbar“ werden (Frey 2009: 113). In diesem Zusammenhang können kreativ-urbane Milieus konzeptionell anhand dreier verschiedener, wenn auch einander bedingender, Ressourcenbündel untersucht werden: Akteurs-, Netzwerk- und Ortsressourcen (vgl. Merkel 2008) beziehungsweise Ich-, Wir- und Ortsressourcen (vgl. Frey 2009) 6. Als relevante Faktoren für die Stadtentwicklung können daher neben den Akteur_innen selbst, sowohl deren Beziehungen untereinander als auch deren Ortsbindungen erhoben, analysiert und interpretiert werden (vgl. Abbildung 4-1). Abbildung 4-1: Ressourcen kreativ-urbaner Milieus als Basis der interaktiven Produktion kreativitätsbasierten Wissens

Quelle: eigene Abbildung nach Merkel 2008; Frey 2009

Personen- und ortsgebundenes Wissen, wie es in kreativ-urbanen Milieus vorherrscht, ist zu einem wesentlichen Anteil subjektiver Art (vgl. Frey 2009: 113). Im Sinne Pierre Bourdieus werden rein personengebundene Attribute, die ein Individuum dazu ermächtigen, wie auch immer geartete Handlungsoptionen zu haben, als Akteurs- bzw. Ich-Ressourcen bezeichnet (vgl. Bourdieu 1983 nach Frey 2012: 519). Dabei handelt es sich um das ökonomische, soziale, kulturelle, und symbolische inkorporierte Kapital einzelner, dem Milieu zugehöriger Personen. Frey erweitert die relevanten Kapitalarten um die Komponente des kreativen Kapitals in Anlehnung an Jens Dangschat (vgl. 2006: 620), das „in einem Austauschverhältnis zu den anderen Kapitalformen [steht] und […] einen effizienten Einsatz des ökonomischen, kulturellen und sozialen Kapitals [ermöglicht], um

6

Im Folgenden werden die Begriffe Akteurs-Ressourcen, Netzwerk-Ressourcen und Orts-Ressourcen verwendet.

Das kreativ-urbane Milieu und seine Dritten Orte | 137

auf die Herausforderungen einer flexiblen Wissensgesellschaft zu reagieren“ (Frey 2009: 113) 7. Die Netzwerk-Ressourcen des kreativ-urbanen Milieus bestehen demgegenüber aus all jenen Kapitalausstattungen, die mittels Kommunikation und Interaktion mobilisierbar sind und die die kollektive Kreativität des Milieus bilden (vgl. Frey 2012: 519; vgl. Kapitel 3.1.2). Diese Kapitalausstattungen sind zwar originär personengebunden, sie können aber nicht unabhängig von sozialen Beziehungen existieren beziehungsweise ergeben sie ohne soziale Beziehungen keine Relevanz für das Individuum. So haben einzelne Individuen zwar soziales Kapital inne, es kann aber erst im Austausch mit anderen Personen eine Wirkung entfalten. Soziales und letztlich kreatives Kapital kann folglich erst durch die Existenz von Beziehungen (starker und schwacher Art) innerhalb eines sozialen Netzwerks existieren beziehungsweise für die einzelne Person eine Wirkung entfalten. So werden Netzwerke auch als „Manifestation von sozialem Kapital“ (Burt 1992: 11) beschrieben. Letztlich bilden soziale Netzwerke die Voraussetzung, um sich Wissen als individuelle Ressource innerhalb eines sozialen Prozesses anzueignen (vgl. Frey 2009: 115). Dabei ist die Verteilung der Ressourcen innerhalb von sozialen Netzwerken „von den sich gegenseitig unterstützenden Handlungszusammenhängen der Individuen“ abhängig und „in der gegenseitigen Abhängigkeit von den Ressourcen der jeweils anderen geprägt“ (ebd.: 115). Abbildung 4-2 zeigt schematisch die Netzwerk-Ressourcen für das in dieser Arbeit untersuchte kreativ-urbane Milieu Braunschweigs.

7

In diesem Zusammenhang weist Frey (2009: 114) mit Verweis auf Verwoert (2003: 45) auch auf die „Kultur der Selbstverwertung“ hin, die als ein Merkmal der wissensbasierten Wirtschaft anzusehen ist (vgl. Kapitel 3.1.1).

138 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Abbildung 4-2: Netzwerk-Ressource des kreativ-urbanen Milieus Braunschweigs

Quelle: eigene Abbildung, in starker Anlehnung an Bingel et al. 2017: 466

Als dritte Ressource kreativ-urbaner Milieus werden konkrete Orte angesehen, an denen es zu sozialen Austauschprozessen zwischen Mitgliedern des kreativurbanen Milieus kommt und an denen sich damit Kreativität als Produkt dieser Austauschprozesses entfalten kann. Diese Orte können sowohl Arbeits- und Wohnräume sein, wobei die Grenzen dieser Kategorien gerade in kreativ-urbanen Milieus fließend sein können (vgl. Kapitel 3.1.1), als auch Dritte Orte als Sphäre außerhalb von Wohn- und (festem) Arbeitsort (vgl. Kapitel 4.4).

4.4 DRITTE ORTE ALS ORTS-RESSOURCE KREATIV-URBANER MILIEUS „Kreativität braucht einen Ort, der die Offenheit hat, Experimente zuzulassen, ungewohnte Wege zu gehen und Dinge geschehen zu lassen.“ Friedrich von Borries 2010: 4

Die Orts-Ressourcen kreativ-urbaner Milieus können sowohl Arbeits- und Wohnräume sein, als auch Dritte Orte als Sphäre außerhalb von Wohn- und (festem) Arbeitsort. Als Dritte Orte werden öffentliche oder teilöffentliche Orte außerhalb von Wohnung (Erster Ort) und Arbeitsstelle (Zweiter Ort) bezeichnet. Dies können beispielsweise Bars, Cafés, Shopping-Malls, Fitnessstudios, Bibliotheken, Bürgersteige und Stadtplätze sein (vgl. Oldenburg 1989; vgl. Mikunda

Das kreativ-urbane Milieu und seine Dritten Orte | 139

2007) 8, 9, 10. Auch bezüglich des in der vorliegenden Arbeit angewandten Verständnisses werden unter Dritten Orten sowohl öffentliche als auch teilöffentliche Räume verstanden (vgl. Kapitel 2.4.5), in denen sich soziale Gruppen (in diesem Fall kreativ-urbane Milieus) einerseits sozial (bezogen auf die NetzwerkRessourcen) und andererseits räumlich (bezogen auf die Orts-Ressourcen) konstituieren und neben der Ortsbezogenheit ein Zusammengehörigkeitsgefühl entsteht (vgl. Pollini 2005). Richard Florida hat diesbezüglich darauf hingewiesen, dass Mitglieder ‚seiner‘ Kreativen Klasse die klassische Zuschauerkultur, wie sie durch Theater, Opernhäuser oder Museen befördert wird, wenig anziehend finden und dagegen eher eine aktive Einbindung an Orten der Kultur bevorzugen (vgl. Florida 2005: 36). Dies führt zu der Annahme, dass die Attraktivität einer Stadt durch die Vielfalt der Angebote bestimmt wird: „Besser Vieles, Kleines und Verschiedenes, als Weniges und Großes“ (Gottschalk/Hamm/Imöhl 2010: 6). Aus Sicht der Stadtentwicklung müssen Dritte Orte als sehr bedeutungsvolle Ortskategorie angesehen werden, gerade vor dem Hintergrund, dass es jene Orte sind, an denen Wissen und soziales Kapital kreativer Akteur_innen zusammenfinden (vgl. Kapitel 4.3). Ihnen kommt folglich eine besondere Bedeutung zu, da sie als Rahmung für Interaktionen und Kommunikation des kreativ-urbanen Milieus angesehen werden können 11. Es kann konstatiert werden, dass „ihre Verbreitung zwar er-

8

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass der Begriff des Dritten Orts keinesfalls mit dem Begriff der Dritten Stadt gleichzusetzen ist. Unter der Dritten Stadt wird nach Alexander Flohé und Reinhold Knopp (2009: 31f.) der Bereich einer urbanen Agglomeration verstanden, in dem Personen hauptsächlich in prekären Familien/Arbeitsverhältnissen leben und der eine schlechte infrastrukturelle Ausstattung aufweist.

9

Auch der Begriff Thirdspace nach Edward Soja (1996), der auf der Trialektik des Raums nach Henri Lefebvre (vgl. Kapitel 2.1.2) aufbaut, ist nicht mit dem Begriff der Third Places gleichzusetzen.

10 Oldenburgs Arbeit ist im Zusammenhang mit dem „Loss-of-Community“-Diskurs zu sehen, in dem von einem Schwund an sozialem Kapital in der nordamerikanischen Gesellschaft ausgegangen wurde. Weiterhin muss bei der Rezeption von Oldenburg der Kontext beachtet werden, dass das Internet noch nicht erfunden war und Suburbanisierung und Urban Sprawl enormen Ausmaßes die vorherrschenden räumlichen Entwicklungspfade der städtischen Agglomerationen in den USA waren. 11 Diesbezüglich sei darauf hingewiesen, dass sich Dritte Orte bezüglich der an ihnen ausgeübten Kommunikation verändert haben: „In traditionellen Dritten Orten entstand

140 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

wünscht“ ist, es jedoch „an zuverlässigen Herstellungsrezepten“ mangelt (Mailänder 2012: 59). Letztlich sind Dritte Orte für die Stadtentwicklung so bedeutsam, „da funktionierende Dritte Orte das psychosoziale Wohlbefinden ihrer Besucher und damit die Attraktivität [einer Stadt] steigern“ (Mailänder 2012: 59). Vor dem Hintergrund, dass Städte als kreative Wissensorte und somit als Ankerpunkte der Wissensökonomie und -gesellschaft angesehen werden und „die Bindung an einen Ort [als] entscheidend für [das] Wohlbefinden oder für [das] Leid und [die] Sorgen“ der Akteur_innen (Hayden 2005: 205) betrachtet wird, erscheint die Tatsache, dass Dritte Orte bisher vor allem in der betriebswirtschaftlich ausgerichteten Forschung thematisiert werden, wobei sie eher aus Marketing- und Konsum- 12, denn aus sozial-kulturellen Aspekten heraus betrachtet werden (vgl. z.B. Mikunda 2007; vgl. Zurstiege 2008; vgl. Kaufmann 2012), umso erstaunlicher. Auch bezüglich Gender-, Diversitäts- und Intersektionalitätsaspekten besteht in Bezug auf Dritte Orte eine Forschungslücke. Dies trifft im Übrigen auch auf die hier nicht näher betrachteten originären Arbeitsorte Kreativer zu. Ray Oldenburg geht zwar implizit auf intersektionale Aspekte ein (vgl. Kapitel 2.2.2), indem er von der „social equality“ (1989: 42) der Dritten Orte spricht 13. Er sieht an Dritten Orten die üblichen sozialen Status aufgebrochen, indem Individuen dort die Chance haben gleich zu sein: „A place that is a leveler 14 is, by nature, an inclusive place. It is accessible to the general public and does not set formal criteria of membership and exclusion. There is a tendency for individuals to select their associates, friends, and intimates from among those closest

diese als Nebenprodukt, in der Zukunft bilden sie das Hauptprodukt.“ (Mailänder 2012: 59) 12 Auch Einzelhändler(-gemeinschaften) erkennen die Vorteile von Third-PlaceKonzepten und versuchen damit innerstädtischen Einzelhandel attraktiver zu machen (vgl. bspw. Perzborn in Jones Lang LaSalle GmbH 2001: 6f.; vgl. Obi-Preuß in Neue Braunschweiger Zeitung 2017: 3). 13 Die Studie von David Grazian (2009) zu Dritten Orten im Nachtleben belegt jedoch, dass sie genderspezifisch konnotiert sind. 14 Oldenburg bedient sich an dieser Stelle des Bilds des Levelers. Damit wird im Englischen etwas beschrieben, das Personen unabhängig von ihren sozialem Status, ihrem Alter und anderen sozialen Ungleichheiten macht (vgl. Collins Dictionary). Der Begriff geht auf eine englische politische Gruppierung des 17. Jahrhunderts zurück, die während des Bürgerkriegs die Abschaffung der Monarchie und der Adelsprivilegien durchzusetzen versuchte (vgl. Oxford Dictionary).

Das kreativ-urbane Milieu und seine Dritten Orte | 141

to them in social rank. Third places, however, serve to expand possibilities, whereas formal associations tend to narrow and restrict them, Third places counter the tendency to be restrictive in the enjoyment of others by being open to all and by laying emphasis on qualities not confined to status distinctions current in the society.“ (Oldenburg 1989: 24)

Oliver Frey geht in seiner umfassenden Arbeit „Die amalgame Stadt“ (2009) detailliert auf die Lebens- und Arbeitswelten kreativ-urbaner Milieus ein und identifiziert kreative Arbeitsorte, insbesondere Orte des „Loft-Workings“, als Voraussetzung urbaner Kreativität (Frey 2009: 178ff.). Er beschreibt die veränderten Strategien der Steuerung in der Stadtplanung, um diese Arbeitsorte zu fördern und zu unterstützen, jenseits der Arbeitsräume Kreativer findet jedoch auch bei Frey (2009) keine Betrachtung der Orts-Ressource statt, seine empirische Untersuchung bleibt auf Arbeitsorte beschränkt und klammert auch Gender- und intersektionale Aspekte weitgehend aus 15. Die Sphäre zwischen den, in Bezug auf Kreative in Teilen identischen, räumlichen Wohn- und Arbeitsverhältnissen (vgl. Kapitel 3.1.1) wird in der bisherigen Forschung auch über Frey hinausgehend weitestgehend ausgeblendet (vgl. bspw. Heßler 2007; vgl. Lange 2007), bei Janet Merkel (2008) findet sie in Ansätzen statt. Dabei ist es hinsichtlich der Orts-Ressource notwendig, Orte zu untersuchen, die „die [kreativ-urbanen] Akteure in ihren alltäglichen Auseinandersetzungen mit der sie umgebenden gebauten Materialität und den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ihrer Praxis hervorbringen“ (Steets 2011: 101). Es kann festgehalten werden, dass eine tiefergehende Analyse der sogenannten „Third Places“ (Oldenburg 1989) als soziale Interaktions- und Kommunikationsräume abseits von Wohnung und Arbeit im engeren Sinne nicht oder lediglich in Ansätzen stattfindet, obwohl „ein Konzept kreativer Milieus den Begriff Kreativität als kommunikativen Prozess beinhalten und die soziale, kulturelle und physische Umwelt der Akteure als integrative Bestandteile des kreativen Prozesses berücksichtigen sollte“ (Metzger 2008: 384f., eigene Übersetzung). Vor diesem Hintergrund stellen Dritte Orte „informal public gathering places“ (Oldenburg 1999: XVII) dar, also Orte, an denen ein ungeplantes Aufeinandertreffen Kreativer möglich ist und an denen soziale Kontakte verfestigt oder auch neu eingegangen werden können. Insofern sind sie Quelle für Informationen (vgl. Merkel 2008: 79) und Möglichkeitsräume für informelle und formelle

15 Frey weist allerdings sehr wohl darauf hin, dass Orte „einen wesentlichen Faktor sozialer Ungleichheit“ darstellen: „Über Orte werden Personen ein- oder ausgeschlossen, um am Prozess des Wissensaustausches teilnehmen zu können oder nicht.“ (2009: 117)

142 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Kommunikation sowie die Weitergabe von implizitem Wissen, das in der Wissensgesellschaft im Allgemeinen und für Kreativtätige im Besonderen von großer Bedeutung ist (vgl. Kapitel 3.1.2) 16. So bedarf es zur Entfaltung von Kreativität eines entsprechenden Ortes, eines stimulierenden Kontextes, um Kommunikation und Interaktion zu ermöglichen (vgl. Merkel 2008: 80). Im Sinne Charles Landrys können Dritte Orte als Orte beschrieben werden, „where face to face interaction creates new ideas“ (Landry 2008: 133). Richard Lloyd (2006: 96) weist darauf hin, dass beispielsweise Cafés nicht nur unter dem Geselligkeitskontext betrachtet werden sollten, sondern zudem ihre Integrationskraft Beachtung finden sollte, da in ihnen Kreative in den durch Unsicherheit und Risiken geprägten Lebensstil sozialisiert würden, mit dem sie umzugehen lernen müssten (vgl. Kapitel 3.1). Diesbezüglich ist auch auf Andreas Pott (2007: 30) zu verweisen, der Orte und Ortsbezüge als „individuelle oder kollektive Identitätsanker“ beschreibt, die das „Bedürfnis nach Sicherheit, Sinn und Kohärenz“ bedienen. Nach Ulf Mailänder (2012: 59) „stehen und fallen [Dritte Orte] mit Art und Intensität der dort geübten sozialen Kommunikation“. Auch im digitalen Zeitalter kommt Dritten Orten noch (oder gerade) eine besondere Bedeutung zu, da soziale Interaktionen für die gesellschaftliche und räumliche Verankerung im lokalen Bereich als Gegentrend zur immer weiter fortschreitenden Entgrenzung von Lebens- und Arbeitswelt und letztlich der Globalisierung stets auf konkrete physische Orte angewiesen sind (vgl. Cabane 2012: 19; vgl. Kapitel 2.4.2). Dritte Orte können als „social backbone“ (Neff/Wissinger/Zukin 2005: 135) kreativurbaner Milieus angesehen werden, in ihnen wird städtisches Zusammenleben verhandelt (vgl. Steets 2011: 101). Dies geschieht, indem Netzwerke und Gemeinschaften „ihre gemeinsamen Wertehaltungen über den Raum“ finden (Frey 2009: 117). Nach Janet Merkel (2012a: 696) können an konkreten Orten Beziehungsstrukturen, die innerhalb kreativ-urbaner Milieus bestehen, sichtbar gemacht werden. An ihnen wird sowohl explizites, aber vor allem auch implizites Wissen zum einen weitergegeben und modifiziert. Zum anderen entsteht und zirkuliert vor allem implizites Wissen an diesen Orten und kann auch mit außerhalb des Milieus stehenden Personen geteilt werden: „Weder kann Wissen ohne Kommunikation entstehen noch kann es ohne Kommunikation verbreitet werden.“ (Schamp 2009: 33) Insofern werden Informationen und Wissen in Netz-

16 Inwiefern virtuelle Orte wie soziale Netzwerke (Facebook, Twitter, Instagram etc.), Chats, Foren etc. als Dritte Orte bezeichnet werden können, ist zu diskutieren. Im Rahmen dieser Arbeit werden sie zunächst ausgeklammert (zur Begründung vgl. Kapitel 2.4.2). Hier besteht allerdings weiterer Forschungsbedarf.

Das kreativ-urbane Milieu und seine Dritten Orte | 143

werken über den Ort weitergegeben (vgl. Frey 2012: 519) und somit neues, kreatives Wissen produziert. In Bezug auf kreativ-urbane Milieus erhöht die enge Verschränkung von Wohnen, Arbeiten und Freizeit in einer Stadt den identifikatorischen Ortsbezug des Milieus zusätzlich gegenüber regionalen innovativen Milieus. Auch aus sozialgeografischer Sicht kann in gemeinsamen Dritten Orten die Basis beziehungsweise die Entstehungsbedingung der Formierung kreativ-urbaner Milieus gesehen werden: „Der physisch-materielle Raum ist wesentlich [an dem] Grundprozeß menschlicher Vergesellschaftung beteiligt, durch den isolierte Einzelindividuen zu übergeordneten sozialen Systemganzheiten integriert werden. […] Eine erste Entstehungsbedingung von Gruppenbindung ist in der Funktion der materiell-räumlichen Umwelt als gemeinsamer Bezugsoder Orientierungshintergrund für jede Art der sozialen Interaktion zu sehen. Man kann diese Schlüsselfunktion der Raumstruktur als ‚Kontextualisierung‘ von Kommunikation und Interaktion bezeichnen. Soziale Interaktionen beziehen sich mit Notwendigkeit auch auf Gegenstände und Lagerelationen der physisch-räumlichen Umwelt.“ (Weichhart 1992: 232)

Im Sinne Doreen Masseys kann die Stadt als ein dichtes Netzwerk von Interaktionen gelesen werden (vgl. Massey 1999c), an Dritten Orten finden Interaktionen verschiedener Gruppen statt. „Die alltäglichen Rhythmen und Routinen des städtischen Zusammenlebens führen zu einer Aufteilung des Stadtraumes in unterschiedlich codierte Teilräume.“ (Strüver 2014b: 37f.) Dritte Orte können als solche Teilräume beschrieben werden, „an denen verschiedene Menschen sich voneinander abgrenzen oder sich sogar gegenseitig ausgrenzen. Sie sind zum anderen aber auch Orte, an denen Vielfalt erlebt und gelebt wird, an denen Menschen in einem intensiven Austausch zueinander stehen“ (ebd.: 38). Insofern haben bestimmte Orte über den Austausch von Waren und Dienstleistung hinaus die Funktion einer Repräsentation und Darstellung differierender sozialer Gruppierungen (vgl. Schäfers 2001: 189). Dies kann auch in Bezug auf Dritte Orte angenommen werden.

5

Empirischer Teil

Die vorgestellte Forschungsarbeit besteht aus einem Mix unterschiedlicher Verfahren der qualitativen und quantitativen empirischen Sozialforschung. Mittels einer Triangulation wird der Untersuchungsgegenstand, der im kreativ-urbanen Milieu der Stadt Braunschweig und seinen Dritten Orte besteht, aus verschiedenen Perspektiven untersucht. Unter Triangulation wird ein Forschungsprozess verstanden, der den Untersuchungsgegenstand von mehreren Richtungen aus und mit einer Kombination von Methoden betrachtet (vgl. Flick 2007: 309ff.). Diese Triangulation erfolgte innerhalb des vom Land Niedersachsen geförderten Forschungsprojekts „Kreative und ‚ihre‘ Stadt“ – Netzwerke und Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus als Ressourcen der Vielfalt in der strategischen Stadtentwicklungsplanung“, das sich sowohl mit den Akteurs- und Netzwerk- als auch mit den Orts-Ressourcen des kreativ-urbanen Milieus der Stadt Braunschweig befasst. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit liegt der Fokus auf den Orts-Ressourcen des Milieus, insbesondere auf den Dritten Orten. Daher werden in der Hauptsache diejenigen Methoden vorgestellt, die in diesem Teilbereich des Gesamtforschungsprojekts Anwendung finden. Diejenigen Methoden, die zwar im Laufe des Gesamtprojektes zur Anwendung kamen, aber nur am Rande Daten für die vorliegende Arbeit liefern, werden weniger umfassend beschrieben, sollen aber aufgrund der Vollständigkeit und besseren Nachvollziehbarkeit Erwähnung finden.

146 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

5.1 UNTERSUCHUNGSRAUM Aufgrund ihrer geografischen Lage steht die mittlere Großstadt Braunschweig mit ihren rund 250.000 Einwohner_innen in starker Konkurrenz zu Berlin und Hamburg, die als Städte eine hohe Anziehungskraft auf Kreative ausüben. So ist Berlin rund 240 km und Hamburg rund 170 km entfernt. Die Distanz zwischen den drei Städten ist selbst mit öffentlichen Verkehrsmitteln in weniger als zwei Stunden überbrückbar. Diese Konkurrenzsituation tritt insbesondere in Bezug auf projektbezogen Tätige, auf hochmobile und multilokal agierende Personen zu. Gerade diese Merkmale treffen oftmals auf Mitglieder kreativ-urbaner Milieus zu (vgl. Lange 2011: 57f.; vgl. Kapitel 3.1 bis 3.1.2). Trotz dieser potentiellen Problemlage, scheint die Stadt Braunschweig ein ‚kreativer Hotspot‘ innerhalb Niedersachsens zu sein und verfügt über ein großes kreatives Potenzial (vgl. Landsberg/Braun 2010: 22; vgl. Gottschalk/Hamm 2011: 521). Dies hängt einerseits mit der Technischen Universität und der Hochschule für Bildende Künste zusammen, aber insbesondere mit einer lebendigen und etablierten Kultur- und Kreativszene, deren Artikulationen aufgrund der geringeren Stadtgröße eine relativ unmittelbare und schnelle Sichtbarkeit in Bezug auf die Gesamtstadt erfahren (vgl. Bingel et al. 2017: 460). Ein weiterer Grund, der für diesen Untersuchungsraum spricht, ist der Umstand, dass erste Ansätze zur institutionalisierten Netzwerkbildung des kreativ-urbanen Milieus zu beobachten sind 1. Diese reichen jedoch bislang nicht aus, die in (der Region) Braunschweig existierenden Akteur_innen und Netzwerke systematisch in lokale Governance- und Stadtentwicklungsprozesse einzubeziehen und sie langfristig an die Stadt zu binden. Darüber hinaus ist die Region Braunschweig die forschungsintensivste Region Deutschlands, auch aufgrund dessen besteht großes kreatives Potenzial. So ist die Region Braunschweig die führende EU-Region bei der Forschungs- und Entwicklungs-Intensität mit rund sieben Prozent und dem Anteil des Forschungs- und Entwicklungs-Personals an den Erwerbspersonen insgesamt mit rund vier Prozent (vgl. Götzfried 2005: 1).

1

Erste Ansätze entwickeln sich beispielsweise seit 2013 innerhalb der informellen Arbeitsgruppe Stadt/Region als Campus, die eher auf Insitutionenebene angesiedelt ist. Als eher an der Kultur- und Kreativwirtschaft interessierter Institutionalisierungsversuch kann der Verein Kreativregion (kreativregion.net) angesehen werden. Weitere, eher zivilgesellschaftliche Institutionalisierungsversuche sind beispielsweise in den Projekten der Stadtfinder (www.die-stadtfinder.de) und dem Verein Spreadmusic (spreadmusic.org) zu sehen.

Empirischer Teil | 147

In bisherigen Untersuchungen zur Kultur- und Kreativwirtschaft sowie zu kreativ-urbanen Milieus wurde das Augenmerk nahezu ausschließlich auf größere Großstädte wie Hamburg, Berlin, Wien oder Zürich gelegt. „Mittlere und kleinere Großstädte sind bislang bei Untersuchungen dieser Art klar unterrepräsentiert. Dennoch wird in einigen Studien (vgl. Fritsch/Stützer 2006; vgl. McGranahan/Wojan 2007; vgl. Heider/Petzinger 2011:93; vgl. Merkel/Oppen 2012) explizit darauf verwiesen, ‚dass die Überlegenheit der Metropole gegenüber der ‚nicht-sogroßen‘ Großstadt als Magnet für Künstler und andere kreative Berufe […] überschätzt wird‘ (Merkel/Oppen 2012:39)“ (Bingel et al. 2017: 456)

und in der Betrachtung der immer gleichen Städte wie London, Barcelona, Paris oder Berlin eine „Gefahr der Übergeneralisierung von einigen wenigen paradigmatischen Fällen“ (Merkel 2012b: 35) liegt.

5.2 DARSTELLUNG UND BEGRÜNDUNG DER GEWÄHLTEN METHODIK Nach der Definition und Begründung des Untersuchungsraums (vgl. Kapitel 5.1) wird im Folgenden dargestellt, welche Verfahren und Methoden für die Datengewinnung angewendet werden. Dabei handelt es sich um die Methode der egozentrierten sozialen Netzwerkanalyse (vgl. Kapitel 5.2.1), um die visuelle Methode der Autofotografie (vgl. Kapitel 5.2.2.1) und die Methode der qualitativen, episodisch-narrativen Interviews (vgl. Kapitel 5.2.2.2). Weiterhin wird darauf eingegangen, aufgrund welcher Vorüberlegungen und nach welchen Prämissen die Datenanalyse (Interpretation der Fotografien, Interviewauswertung) stattfindet. Schließlich werden die analysierten und interpretierten Daten in Ergebnisform durch Texte, Fotografien, Zitate und Kartenmaterial präsentiert (vgl. Kapitel 5.3.1 bis Kapitel 5.3.17). 5.2.1 Soziale Netzwerkanalyse und Vorstudie Da das kreativ-urbane Milieu in dieser Arbeit als eine Spezialform des sozialen Netzwerks angesehen wird, nämlich als ein räumlich begrenztes und verortetes Beziehungsnetzwerk von Akteur_innen der kreativen Szenen, der Kultur- und Kreativwirtschaft und deren Umfeldern (vgl. Kapitel 4.2), erweist sich die Methode einer sozialen Netzwerkanalyse als geeignetes Instrument, um im Untersuchungsraum Braunschweig erste Anknüpfungspunkte zur Identifikation von Ak-

148 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

teurs-, Netzwerk- und Orts-Ressourcen jenes kreativ-urbanen Milieus zu erhalten. So wird eine mehrstufige soziale Netzwerkanalyse mithilfe quantitativer und qualitativer Methoden durchgeführt, wobei die personelle Abgrenzung des Milieus den Akteur_innen, in Bezug auf die relationale Methode (vgl. Jansen 2006: 73), selbst überlassen wird. Neben umfassenden Informationen zu den Akteur_innen selbst, ihren Rollen, Beziehungen und Clustern, der Netzwerkstruktur und -dichte sowie den verschiedenen Netzwerkebenen des Milieus (vgl. Bingel et al. 2017), werden damit erste Hinweise auf relevante Dritte Orte generiert. So werden zwölf egozentrierte Netzwerke 2 wiederum mittels eines Methoden-Mix‘ aus quantitativen und qualitativen Verfahren erhoben und analysiert. Die standardisierten Daten fließen dabei in Netzwerkkarten ein und können so mit Hilfe der qualitativen Aussagen aus den innerhalb der Netzwerkanalyse geführten Interviews visualisiert und interpretiert werden. Dabei dient eine explorative Vorstudie dazu, potentiell geeignete Kandidat_innen für die eigentlichen egozentrierten Netzwerkanalysen zu identifizieren. Die im Rahmen der Vorstudie befragten Expert_innen sind dabei nicht zwangsläufig Teil des eigentlichen kreativ-urbanen Milieus, sondern betrachten im Sinne der Reputationsmethode (vgl. Jansen 2006: 73) das Netzwerk eher von außen und liefern somit wichtige Informationen zur Netzwerkstruktur, Clustern, relevanten Akteur_innen und – für diese Arbeit besonders relevant – zu räumlichen Schwerpunkten von öffentlich zugänglichen Dritten Orten des Milieus. Die Struktur der explorativen Vorstudie ist dabei breit angelegt, um ein möglichst umfassendes Bild des kreativ-urbanen Milieus zu gewinnen. Die Expert_innen entstammen unterschiedlichen Bereichen und sozialen Kontexten, die in Anlehnung an das Drei-Sektoren-Modell der Kulturproduktion (vgl. Weckerle/Söndermann 2003) in den öffentlichen, den privaten und den intermediären Sektor strukturiert werden können (vgl. Abbildung 5-1).

2

Zur Begründung der Bevorzugung egozentrierter Netzwerke gegenüber der Analyse des Gesamtnetzwerkes siehe ausführlich Bingel et al. (2017: 460f.).

Empirischer Teil | 149

Abbildung 1: Strukturierung der explorativen Vorstudie anhand des DreiSektoren-Modells der Kulturproduktion

Quelle: eigene Darstellung auf Basis von Weckerle/Söndermann 2003

5.2.2 Autofotografie und episodisch-narrative Interviews Das im Folgenden zur Analyse der Dritten Orte des kreativ-urbanen Milieus herangezogene empirische Material der Autofotografie und der episodisch-narrativen Interviews wurde innerhalb eines Jahres, vom Frühsommer 2016 bis zum Frühsommer 2017 gewonnen. Etwaige Bevorzugungen bestimmter Dritter Orte zu bestimmten Jahreszeiten können auf diese Weise weitestgehend ausgeschlossen werden. Die Auswahl der Proband_innen orientiert sich im Sinne eines Theoretical Sampling (vgl. Döring/Bortz 2016: 302) an verschiedenen Gesichtspunkten, die sich aus den vorangegangenen Untersuchungsschritten (Vorstudie und Netzwerkanalyse) ergeben. Einerseits gehören die Akteur_innen verschiedenen Ebenen, nämlich der Macher-Ebene, der Intermediären-Ebene und der Entscheider-Ebene (vgl. Abbildung 4-2) und Typen des Milieu-Netzwerks an (vgl. Tabelle 5-1) und weisen damit innerhalb des Netzwerks verschiedene Zentralitäten auf.

150 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Tabelle 5-1: Netzwerktypen innerhalb des kreativ-urbanen Milieus der Stadt Braunschweig Netzwerktyp A

Netzwerktyp B

Netzwerktyp C 3

Netzwerkgröße

mittel

groß

klein

Netzwerkdichte

gering

hoch

sehr hoch

Netzwerkalter

alt

jung

mittel

Anzahl von Relationen mit hoher Relevanz

eher hoch

eher gering

sehr gering

Mix aus Freundschafts- und

Mix aus Freundschafts- und

eher Bekanntschaften und Arbeits-

Arbeitskontakten

Arbeitskontakten

kontakte

Beziehungsverhältnisse

eher professionell/neutral

eher polarisierend (harmonische/ konfliktbehaftete Beziehungen)

eher professionell/neutral

Zentralität Alteri

gering

mittel bis hoch

sehr hoch

hoch (Ego als verbindendes

eher gering

sehr gering

Beziehungs-typen

Bedeutung Ego

Element)

Quelle: eigene Darstellung in starker Anlehnung an Bingel et al. 2017: 464

3

Bei Netzwerktyp C wurden ausschließlich die Beziehungen innerhalb des Milieus betrachtet und nicht die Verbindungen über die Stadt-/Milieugrenze hinweg. Unter Berücksichtigung jener Beziehungen ähnelt das Netzwerk dem Typ A.

Empirischer Teil | 151

Zudem wird Wert darauf gelegt, dass Mitglieder verschiedener Subszenen, Cliquen und räumlicher Cluster vertreten sind. Weiterhin wird in die Auswahl mit einbezogen, dass sich die Proband_innen hinsichtlich intersektionaler Merkmale voneinander differenzieren (Gender, Alter, sexuelle Orientierung, sozioökonomische Lage). Autofotografie Um die Hinweise auf relevante Dritte Orte, die sich aus der Vorstudie und der Netzwerkanalyse ergeben haben (vgl. Kapitel 5.2.1), einerseits stark zu verdichten und andererseits zu ergänzen, wurden Einwegkameras an 28 identifizierte Akteur_innen des Milieus ausgegeben, die damit ihre relevanten Dritten Orte fotografierten. Der Rücklauf beträgt in etwa 75 Prozent, die Bereitschaft sich zusätzlich für ein Interview zu Verfügung zu stellen beträgt 50 Prozent. Auch wenn die Fotografie als Medium zur Datengewinnung in der empirischen Sozialforschung trotz langer Tradition nicht unumstritten ist (vgl. Flick et al. 2007: 24; vgl. Flick 2010: 304ff.), bietet sie für den hier betrachteten Untersuchungsgegenstand einen Mehrwert gegenüber der ausschließlichen Durchführung von Interviews. Die insbesondere in der Soziologie artikulierte Kritik an Fotografien als Datengeneratoren liegt vor allem darin begründet, dass sie eine rein subjektive Sichtweise des jeweiligen Probanden oder der jeweiligen Probandin wiedergeben (vgl. Becker 1995). Mit der Fotografie wird die Wirklichkeit subjektiv konstituiert, „das gilt für eine wissenschaftliche Fotografie ebenso wie für die verschiedensten Variationen der Knipserfotografie“ (Beck 2003: 56). Dem kann nicht widersprochen werden. Allerdings liegt in genau diesem Kritikpunkt die Qualifikation der Methode für die vorliegende Untersuchung. Anhand der Fotos sollen subjektiv empfundene Merkmale und Bedeutungen der Dritten Orte gemeinsam mit den Proband_innen im Sinne eines relationalen Raumverständnisses (vgl. Kapitel 2.1.3) erklärt, interpretiert und erläutert werden können (vgl. Rose 2016). Dies ist möglich, da „wir als Mitglieder einer bestimmten Kultur, als Zeitgenossen in einer sozio-historischen Realität ähnliche Sozialisationsprozesse durchlaufen haben – auch was unsere bildliche Wahrnehmung und Deutungsfähigkeit von Bildern betrifft –, sind wir in der Lage, Fotografien in ihrem Sinngehalt bis zu einem gewissen Grad angemessen zu interpretieren.“ (Beck 2003: 56)

Fotografien bieten Forschenden einen alternativen Weg, um Daten zu generieren (vgl. Prosser 1998: 1) und zwar unter unmittelbarem und individuellem Einbe-

152 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

zug der Proband_innen. Dabei bieten Bilder und Texte jeweils unterschiedliche Zugänge zur Welt (vgl. Przyborski/Wohlrab-Sahr 2014: 155). Fotografien sind aus dem Erfahrungszusammenhang erinnerter Bilder der Umgebung und dem historischen Ablauf herausgelöst und Momentaufnahmen (vgl. Braun/Wetzel 2007: 6). Insofern ermöglicht es die aus der Soziologie entlehnte Methode der Autofotografie, dass selbst aufgenommene Fotografien als Gesprächsstimuli fungieren und die Proband_innen zugleich in der Artikulation ihrer räumlichen Wahrnehmungen und Erfahrungen unterstützt werden. „On the surface, photo-elicitation is a straightforward method to understand and to utilize. It involves using photographs to invoke comments, memory and discussion in the course of a semi-structured interview. Specific examples of social relations or cultural form depicted in the photographs can become the basis for a discussion of broader abstractions and generalities; conversely, vague memories can be given sharpness and focus, unleashing a flood of detail.“ (Banks 2001: 87)

Durch die in der Anleitung (vgl. Abbildung 5-2) sehr offen formulierte Aufgabe für die Proband_innen, Fotos von ihren Dritten Orten und den dort platzierten Gegenständen, Ausstattungen, Preisen, Speisen/Getränken, Personen, Lichtverhältnissen etc., die für sie an dem jeweiligen Ort eine Bedeutung haben, zu machen, wird individuell sichtbar, was für die Proband_innen an den Dritten Orten wichtig oder bedeutsam ist, was die Orte für sie ausmacht (vgl. Frey 2009: 160). Die Fotografien sollen einen Zugang zur symbolischen Welt der Proband_innen und ihren Sichtweisen eröffnen (vgl. Denzin 1989: 213f. nach Flick 2010: 307). Der Hinweis, der den Proband_innen durch die Anleitung gegeben wurde, dass die Fotos keinerlei ästhetischem oder künstlerischem Anspruch genügen müssen, begründet sich darin, dass der Versuch, genau solche Fotos zu machen, dazu führen kann, dass für die jeweilige Fragestellung relevante Details weggelassen werden könnten (vgl. Flick 2010: 309) oder zu beschönigen versucht würden.

Empirischer Teil | 153

Abbildung 5-2: Anleitung zur Verwendung der Einwegkamera

Quelle: eigene Darstellung

Da es sich bei den Themen, die in den Interviews angesprochen werden sollten, um sehr abstrakte und im Alltagsverständnis äußerst uneindeutige Konstrukte handelt, die sich als stark mit überlagernden Bedeutungen konnotiert erweisen (Raum, Ort, Aneignung, Atmosphäre, In- und Exklusion etc.), scheint es sinnvoll, auch in Anlehnung an Böhme (1995: 95) und Löw (2016: 79f.) eine ge-

154 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

dankliche und sprachliche Dekonstruktion der Ortsvorstellungen und wahrnehmungen über das Medium Fotografie vorzunehmen. „Jeder, der einmal versucht hat, in Interviews Menschen zu Bedeutungen, die sie Räumen zuweisen, zu befragen, wird wahrscheinlich ähnliche Erfahrungen gemacht haben […]. Menschen sind kaum in der Lage, über Räume auf Nachfrage Auskunft zu geben. Die Frage nach Räumen knüpft viel zu stark an die im Alltagsverständnis gebräuchliche absolutistische Variante von Raum an und scheint nach materiell umgebenden Hüllen zu fragen. Wie Räume Körper in Bahnen leiten, wie Körper in Raumarrangements integriert werden, das scheint kaum jemand ad hoc erzählen zu können. Selbst über die Fähigkeit der genauen Beschreibung der materiellen Umwelt verfügen nur wenige, vor allem, wenn man diese in Interviews aus der Erinnerung liefern soll. […] Räume scheinen ein Erfahrungsbereich zu sein, über den wir praktisch viel wissen – nur ist dieses Wissen dem diskursiven Bewusstsein kaum zugänglich.“ (Löw 2016: 79)

Die Entscheidung, Einwegkameras gegenüber Handykameras den Vortritt zu geben, obwohl dies eindeutig mit einem größeren und langwierigerem Entwicklungsvorgang der Fotografien verbunden ist, liegt einerseits daran, dass bereits im Vorfeld deutlich wurde, dass – und dies ist eine erstaunliche Tatsache – beileibe nicht alle Mitglieder des kreativ-urbanen Milieus über ein fotofähiges Mobiltelefon verfügen. Andererseits bestand die Überlegung auch darin, dass die potentiellen Proband_innen schlicht und einfach Freude an dem Medium der analogen Fotografie haben könnten und so die Motivation zur Teilnahme an der Untersuchung gesteigert werden kann. Zudem kann durch das analoge Aufnehmen eine Manipulation der Fotografien mittels Bildbearbeitungssoftware seitens der Proband_innen vermieden werden 4, die generierten Fotografien gehen im wahrsten Sinne des Wortes ‚ungefiltert‘ als Rohdaten in die Untersuchung ein. Allerdings funktioniert die Auswertung der Fotos hinsichtlich der Merkmale der Dritten Orte nicht allein durch die unabhängige Analyse der Bilder. Die Interpretation des Abgebildeten muss durch die Proband_innen begleitet werden. Zwar können erste Annahmen und Thesen allein durch das Betrachten und Interpretieren der Fotografien verfasst werden, allerdings ist „Interpretation ein Kommunikationsprozess zwischen Subjekten; Subjekte können ihre Sinnstrukturen nicht ‚direkt‘ austauschen, sondern bedürfen dazu bestimmter gemeinsam

4

Eine Manipulation durch Bearbeitung der Fotos kann als Kriterium angesehen werden, nachdem sie nicht als wissenschaftliche Daten angesehen werden können und sich somit eine wissenschaftliche Interpretation verbieten würde (vgl. Eckardt 2014: 190).

Empirischer Teil | 155

geteilter Symbole und Symbolsysteme, vor allem der Sprache“ (Heckmann 1992: 147). So muss „erkenntnistheoretisch eingestanden werden, dass die Realität nicht mit ihrer visuellen Erscheinungsform identisch ist“ (Eckardt 2014: 190), woraus sich ergibt, dass das, was die Proband_innen mit den Fotografien tatsächlich auszusagen versuchen, welche Gedanken, Wahrnehmungen, Situationen und Erlebnisse damit verbunden werden, ohne die Mitwirkung der Proband_innen schlicht nicht nachvollzogen werden kann. Aus diesem Grund ist es im Sinne des Untersuchungsgegenstands zwingend notwendig, mit den Teilnehmenden in eine gemeinsame Interviewsituation zu treten. Den Fotografien wird folglich keine eigene Logik „im Sinne eines selbstreferenziellen Systems“ (vgl. Przyborski/Wohlrab-Sahr 2014: 156) beigemessen, sondern sie werden in dieser Untersuchung vor allem als unterstützende Momente begriffen. Nach Kritsadarat Wattanasuwan, Renate Buber und Michael Meyer (2009: 366) können Fotos als eine Art „auto-driving“ (McCracken 1988: 36f.) fungieren, als eine ergänzende Methode, um Erzählungen zu generieren. „Images make us pay attention to things in new ways. Images are likely to be memorable. Images can be used to communicate more holistically, incorporating multiple layers, and evoking stories or questions; images can enhance empathic understanding and generalizability through methapor and symbol.“ (Eisner 2008: 7)

Fotografien bilden Phänomene ab, die sichtbar sind. Nicht-Sichtbares wird durch sie nicht dokumentiert, sondern lediglich räumliche Situationen zu einem bestimmten Zeitpunkt. Es handelt sich bei Fotografien um Bilder, die die symbolischen Repräsentationen des Räumlichen darstellen und somit in Systeme kulturell codierter Muster der Wahrnehmung und Deutung eingebunden sind. Episodisch-narrative Interviews Unter Zuhilfenahme der entwickelten Fotos wurden qualitative, episodischnarrative Interviews mit den Proband_innen geführt, um Informationen über die Attribute und Merkmale der relevanten Dritten Orte, ihre soziale Produktion und Konstitution, in- und exkludierende Faktoren und genderdifferente/intersektionale Aspekte dieser Orte herauszufinden. Das qualitative Interview ist „unter dem Gesichtspunkt individueller Sinnverständigung besonders geeignet […], subjektive Interpretationen zu erheben, da es im Unterschied zu anderen Verfahren […] die gemeinsame Verständigung über den Sinn von Äußerungen ermöglicht, die spezifizierende Erläuterung und exemplarische Klärung von Begriffen in sich einschließt“ (Hopf 2016: 85f.).

156 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Eine spezielle Form des qualitativen Interviews ist das episodische Interview. Es verknüpft eine „offene Befragung mit dem Prinzip der Narration“ (Misoch 2015: 57), sodass Erzählungen einerseits Selbst- und gleichzeitig Fremdverstehensprozesse unterstützen. Nach Uwe Flick (2011: 273) können mit dieser Interviewform sowohl semantisches als auch episodisches Alltagswissen der Interviewpartner_innen sichtbar gemacht werden. Semantisches Wissen ist Wissen, das um Begriffe nebst ihren Beziehungen untereinander herum aufgebaut ist, episodisches Wissen hingegen ist Wissen, das über das Machen von Erfahrungen, über das Erleben von Situationen und die Erinnerung daran entsteht. Beide Wissensformen beeinflussen sich dabei, indem sich semantisches Wissen teilweise aus episodischem Wissen ergibt, da sich Erlebtes in semantischem Wissen abspeichert (vgl. Misoch 2015: 59; vgl. Abbildung 5-3). Die Unterscheidung dieser Typen des Alltagswissens geht auf den Psychologen Endel Tulving (1972) zurück. „Episodic memory recieves and stores information about temporally dated episodes or events, and temporal-spatial relations among these events. […] it is always stored in terms of its autobiographical reference to the already existing contents of the episodic memory store.“ (Tulving 1972: 385f., Hervorh. im Orig.) „Semantic memory is the memory necessary for the use of language. It is a mental thesaurus, organized knowledge a person possesses about words and other verbal symbols, their meaning and referents, about relations among them, and about rules, formulas, and algorithms for the manipulation of these symbols, concepts, and relations.“ (Tulving 1972: 386, Hervorh. im Orig.)

Abbildung 5-3: Wissensbereiche des Alltagswissens im episodischen Interview

Quelle: eigene Abbildung in Anlehnung in Flick 2011: 274

Empirischer Teil | 157

Das semantische Wissen ist am ehesten über konkretes Nachfragen bei dem Gegenüber zu erheben, das episodische Wissen hingegen kann am besten über Narrationen geteilt werden. Episodische Interviews zielen darauf ab, beide Formen des Alltagswissens abzufragen. Zu diesem Zweck werden im Laufe des Gespräches einerseits zielgerichtete, semantisch-argumentativ ausgerichtete Fragen gestellt, auf die die Proband_innen mit kurzen Beschreibungen antworten können. Diese Fragen können mithilfe eines Leitfadens, der Themen enthält, die im Interview seitens der interviewenden Person thematisiert werden sollten, in das Gespräch eingebracht werden (vgl. Flick 2010: 240), ohne jedoch in eine „Leitfadenbürokratie“ (Hopf 2016: 48) zu verfallen. Andererseits werden aber immer wieder Stimuli in das Gespräch gegeben, die darauf abzielen, dass die Proband_innen ins Erzählen kommen, sozusagen Episoden und Situationen aus ihrem Leben erinnern und nacherzählen 5, um der „multiplicity of narratives“ (Massey 2005: 281) Rechnung zu tragen. Ein episodisches Interview kann zwar zu keinen konkreten Situationen unmittelbaren Zugang gewähren, jedoch können die Situationen aus Proband_innensicht rekonstruiert werden (vgl. Flick 2010: 245). Im Unterschied zum biographisch-narrativen Interview geht es allerdings nicht vordergründig darum, dass die Proband_innen über ihr gesamtes Leben, ihr Lebensschicksal oder bestimmte Lebensabschnitte erzählen (vgl. Schütze 1983: 283ff.). Vielmehr sind episodische Interviews eine Interviewform, die narrative Parts, also Erzählungen, enthalten, die „auch Routinisierungen und Alltäglichkeiten“ (Flick 2010: 244) beinhalten können. Es findet also eine Konzentration der Erzählungen auf diejenigen Erfahrungen statt, die für das Thema der Untersuchung von Belang sind (vgl. Lamnek/Krell 2016: 343). Inwiefern diese Parts gegenüber eher dialogischeren und somit eher in einer strukturierenden Form gefassten Parts überwiegen, ist stark abhängig von der interviewten Person und deren jeweiligen Erzählfähigkeiten (vgl. Flick 2010: 244). „Somit sind Narrative Interviews im Prinzip keine Interviewform, sondern eine Interviewstrategie, die zum Ziel hat, das Kommunikationsmuster der Narration zu evozieren.“ (Kruse 2014: 155) Durch das episodische Interview wird der Erfahrungsbereich der Proband_innen nicht auf seine erzählbaren Parts begrenzt. Mithilfe der Orientierung an „Leitfragen in Bezug auf die Situationen, die erzählt, und die Begriffe, die definiert werden sollen, hat der Interviewer mehr Möglichkeiten, in das Interview steuernd einzugreifen“ (Flick 2010: 244) als bei einem rein narrativen Interview. Aus dieser Begründung heraus wird die in der vorliegenden Arbeit angewandte Interviewform mit dem Ausdruck episodisch-narrativ beschrieben. Ein

5

In diesem Zusammenhang spricht Flick (2011: 273) von einer „methodeninternen Triangulation“.

158 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Vorteil, der sich aus der Anwendung einer solchen Interviewform ergibt, ist dass sich einerseits durch den Wechsel von Narration und offener Befragung und andererseits durch das erlaubte Nachfragen seitens der interviewenden Person, eine Ähnlichkeit zu alltäglicher Kommunikation ergibt. Dies lässt die Situation des Interviews für die Proband_innen unter Umständen natürlicher, zumindest aber angenehmer erscheinen, als bei rein narrativen oder sehr strukturierten Interviewformen (vgl. Misoch 2015: 63). Die Interviews finden an von den Proband_innen selbst ausgewählten (Dritten) Orten und zu selbst ausgewählten Terminen statt, um die Gesprächssituation für sie so angenehm und ungezwungen wie möglich zu gestalten und das Interview in einer entspannten und vertrauensvollen Atmosphäre durchzuführen. Zudem wird darauf geachtet, dass die Proband_innen keiner Eile unterlegen sind (vgl. Wattanasuwan/Buber/Meyer 2009:365). Damit wird versucht, dem Interviews inhärenten, „im Prinzip nicht aufhebbare[n] Dilemma“ (vgl. Hopf 2016:47) entgegenzutreten, das darin besteht, dass eine natürlich Gesprächssituation geschaffen werden soll, obwohl das Interview keine solche ist, sondern von der Alltagskommunikation per se abweicht. Schließlich wählen fast alle Interviewpartner_innen einen Dritten Ort, der auch auf ihren Fotografien abgebildet ist. Dies ermöglicht es zusätzlich, noch genauer auf atmosphärische und sonstige Merkmale jenes Ortes einzugehen. Die durch die Fotografien angebotene Hilfestellung in der Kommunikation über Raum und Ort erweist sich bei einem Großteil der Interviewpartner_innen als durchaus hilfreich, um auf einzelne Attribute von Orten eingehen zu können. Bereits mit dem Nachdenken über potentielle Fotomotive setzten sich die Proband_innen mit den Orten auseinander und können bereits vor Ort überlegen, was den Ort für sie ausmacht, wie sie ihn und was sie an ihm wahrnehmen. Allerdings können einige der Proband_innen durchaus auch ohne das Hilfsmittel aufschlussreich über Orte berichten. Interessant ist, dass sie dies insbesondere dann können, wenn sie ihnen als unattraktiv oder unpassend für ihre eigene Person oder für ihr Milieu erschienen. Obwohl die Schwelle zur Erzeugung der Fotos möglichst gering gehalten wird (vgl. Abbildung 5-2), stellt sich in den Interviewverläufen selbst oder in deren Vorfeld mehrfach heraus, dass die befragten Akteur_innen nur einen kleinen Teil der für sie als wichtig erachteten Orte fotografiert hatten. Dies liegt unter anderem daran, dass von einigen Proband_innen eine soziale Hürde darin gesehen wird, dass sie mit dem Akt des Fotografierens unangenehm an den Orten, insbesondere an den konsumorientierten Orten, auffallen könnten. Die Proband_innen legen sich selbst dadurch eine gewisse Zensur auf (vgl. zu dieser Problematik Denzin 1989: 220). Sie werden daraufhin ermutigt, in der Inter-

Empirischer Teil | 159

viewsituation auch Orte zu thematisieren, die sie nicht fotografiert hatten, die für sie aber eine wie auch immer geartete relevante Bedeutung haben. Zudem werden den Proband_innen zur Unterstützung Hilfskärtchen an die Hand gegeben (vgl. Abbildung 5-4), auf denen Orte benannt waren, die bei anderen befragten Akteur_innen eine Rolle spielen. So wird ermöglicht, dass auch Orte thematisiert werden, die zwar für die in dem Interview befragte Person keine besondere Bedeutung haben, für andere Mitglieder des kreativ-urbanen Milieus hingegen durchaus. Auf diese Weise konnten auch Aussagen und Erzählungen zu Orten generiert werden, gegen die der/die jeweilige Interviewpartner_in aus welchen Gründen auch immer eine Abneigung empfindet. Abbildung 5-4: Hilfskärtchen zur Unterstützung der Proband_innen in der Interviewsituation

Quelle: K. Bingel

Unter der Annahme, dass Wahrnehmungs-, Vorstellungs- und Erinnerungsprozesse an der Raumkonstitution beteiligt sind, ebenso wie Handlungen und kommunikative Akte, ist die Analyse von Orten an die subjektive Perspektive der Proband_innen gebunden „und impliziert damit ein interpretatives Paradigma“ (Kaspar 2013: 180), nach dem die Aussagen verstehend nachvollzogen werden müssen. Dies gilt insbesondere, da Erzählungen bereits einer (wenn auch impliziten) retrospektiven Interpretation unterliegen (vgl. Lamnek 2005: 357ff.). In diesem Zusammenhang erfolgt die Auswertung der Interviews und der visuellen Daten in Anlehnung an die erkenntnistheoretische Grundhaltung sowie die methodologischen Anregungen der auf dem Symbolischen Interaktionismus beruhenden Grounded Theory. Sie wurde durch Barney G. Glaser und Anselm L. Strauss in den 1960er Jahren (vgl. Glaser/Strauss 1967) skizziert und hat seither

160 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

eine stetige Weiterentwicklung erfahren. In der vorliegenden Arbeit findet eine Anlehnung an die von Anselm L. Strauss und Juliet Corbin (1996) vertretene pragmatistische Auslegung der Grounded Theory statt. Daraus ergeben sich zwei zentrale Konsequenzen für den Forschungsprozess. Erstens sind die Prozesse der Datenerhebung, -analyse und Theoriebildung durch eine zeitliche Parallelität und wechselseitige funktionale Abhängigkeit geprägt (vgl. Strauss 1991: 46) und können als niemals vollständig abgeschlossen angesehen werden 6, wobei es aber durchaus zu einer theoretischen Sättigung kommt, wenn mit der Erhebung weiterer Daten keine neuen Phänomene mehr zu erwarten sind 7. Es existieren folglich keine schablonenhaft festgelegten oder strikt linearen Abfolgen im Forschungsprozess, sondern dieser ergibt sich aus sich selbst heraus „in Form eines kontinuierlichen Wechsels aus Handeln und Reflexion“ (Strübing 2014: 11). Damit handelt es sich um einen iterativ-zyklischen Prozess. Zweitens, indem anerkannt wird, dass sich Forschende und Proband_innen in einer Wechselbeziehung zueinander befinden und sich gegenseitig verändern. Die Begründung dafür findet sich in der Auffassung Strauss’, dass Forschung Arbeit ist, die sich durch ein dialektisches Wechselverhältnis von Subjekt und Objekt ausdrückt und darauf folgend das Prozessresultat immer ein subjektiv geprägtes Produkt ist (vgl. Strübing 2014: 11f.). „Die soziale Situation des Interviews trägt mithin zu der spezifischen Gestalt der jeweiligen Erinnerungserzählung unmittelbar bei; die erhobenen Daten sind unausweichlich von allen Interakteuren gemeinsam produziert.“ (Jensen/Welzer 2003: 3)

Vor allem in älterer Methodenliteratur wird der Vermeidung von Vorurteilen und Ressentiments in Bezug auf den Untersuchungsgegenstand und die Proband_innen selbst, die dazu führen könnten, „die fremden Meinungen zu niedrig einzuschätzen und schief darzulegen“ (Betti 1967: 200), eine besondere Wichtigkeit beigemessen. In der Realität qualitativer Interviewsituationen erscheint dies jedoch illusorisch, wenn nicht gar naiv. Vielmehr kann „der verantwortungsvolle, reflektierte Umgang mit der Subjektivität […] gute Voraussetzungen [bieten], um qualitativ hochwertige Erkenntnisse zu generieren“ (von Unger 2014: 24). Selbstreflexivität wird in dieser Sichtweise vielmehr als Qualitäts-

6

Freilich ist dies in diesem Zusammenhang idealtypisch zu verstehen, da „das Ideal der Verlaufsoffenheit mit den Sachzwängen einer präzisierten Forschungsplanung“ (Strübing 2014: 32) in Konflikt steht.

7

Dabei unterliegt die Einschätzung, wann der Zeitpunkt der theoretischen Sättigung erreicht ist, der forschenden Person/den forschenden Personen.

Empirischer Teil | 161

merkmal verstanden, indem „die Reflexivität des Forschers über sein Handeln und seine Wahrnehmungen im untersuchten Feld als ein wesentlicher Teil der Erkenntnis und nicht als eine zu kontrollierende bzw. auszuschaltende Störquelle verstanden wird“ (Flick et al. 2004: 23). Jan Kruse führt hierzu in Bezug auf Katja Mruck und Franz Breuer (2003) und Franz Breuer, Günter Mey und Katja Mruck (2011) aus, dass „insbesondere […] dann eine hohe Qualität der Daten erreicht [wird], wenn eben nicht versucht wird, die ohnehin nicht zu behebende Subjektivität und Selektivität in forschenden Wirklichkeitskonstruktionen auszuschalten – wie dies im standardisierten Paradigma der Fall ist: Objektivität entsteht durch die Eliminierung von Subjektivität und Selektivität.“ (2014: 341, Hervorh. im Orig.)

In diesem Sinne liegt der vorliegenden Untersuchung eine reduktionistische Perspektive zugrunde, die sich auf eine bestimmte Personengruppe und einen bestimmten Untersuchungsraum bezieht. Damit kann nicht die Frage behandelt werden, „ob diese Gruppen an anderen Orten nicht möglicherweise andere Räume entstehen lassen“ würden (vgl. Löw 2001: 219f.). Vielmehr gilt es, die „vieldeutigen, wechselhaften und fließenden Geographien des Sozialen“ (Reuber/Pfaffenbach 2005: 17) aufzunehmen. Um die Interviews auswerten und die generierten Daten einer Kodierung unterwerfen zu können, werden jeweilige Transkripte mithilfe der Computersoftware f4, unter Beachtung von zuvor aufgestellten Transkriptionsregeln angefertigt, die auf der Transkriptionsform der literarischen Umschrift (vgl. Misoch 2015: 253) basieren. Die Transkripte enthalten also auch Umgangssprachliches und dialektische Färbungen. Im Sinne der Grounded Theory wird dabei zunächst ein Offenes Kodieren angewendet, das sich dadurch auszeichnet, dass aus den Daten heraus Konzepte gebildet werden. Im Umkehrschluss heißt das, dass die Daten nicht vorher bereits existierenden Kategorien zugeordnet werden, sondern sich die Kategorien aus dem gewonnenen Material heraus sukzessive ergeben. Das heißt jedoch nicht, dass Vorkenntnisse, die aus theoretischen Auseinandersetzungen mit dem empirischen Phänomen oder durch Alltagswissen bestehen, negiert oder ausgeblendet werden, sondern sie als sensibilisierende Konzepte in das Kodieren durchaus einfließen können (vgl. Strauss/Corbin 1996: 31ff.; vgl. Przyborski/Wohlrab-Sahr 2014: 198). Denn wie Roy Suddaby (2006: 634) anmerkt, ist „Grounded Theory […] not an excuse to ignore the literature.“ Die Leitidee des Kodierprozesses ist die Methode des ständigen Vergleichens der Daten miteinander (vgl. Strübing 2014: 15). Dabei ist wesentlich, dass bereits während der Datenerhebung erste heuristische (Hypo-)Thesen aus dem

162 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Material heraus entwickelt werden, die mit weiterhin erhobenen Daten überprüft und weiterentwickelt werden (Przyborski/Wohlrab-Sahr 2014: 195). Dies beinhaltet, dass neben dem Offenen und sehr freien Kodieren des Materials das Axiale Kodieren, das auf das Erkennen von Zusammenhängen zwischen den einzelnen Konzepten und der Ausarbeitung von Kategorien zielt sowie das Selektive Kodieren des Materials, das auf das Überprüfen bereits erstellter Kategorien zielt, durchgeführt wird (vgl. Strübing 2014: 30; vgl. Tabelle 5-2) 8. Schließlich bewegt sich der Prozess der Kodierung permanent in einem Wechsel von Strategien des minimalen Vergleichs und des maximalen Vergleichs von Phänomenen. Sowohl sehr häufig wiederkehrende Merkmale und Motivationen werden kategorisiert als auch Phänomene, die in ihrer Ausprägung abweichen. Beide Arten von Phänomenausprägungen sind jedoch immer in den Kontext der oder des jeweils Interviewten zu setzen.

8

Die Kodierung erfolgte zunächst händisch und mit Zunahme der Komplexität der Kategorienbildung mithilfe der Software MAXQDA 12.

Empirischer Teil | 163

Tabelle 5-2: Formen des Kodierens nach Anselm L. Strauss und Juliet Corbin offenes Kodieren

Axiales Kodieren

Selektives Kodieren

erstes, theoretisch noch nicht eingeschränktes Kodieren

dient der genauen Ausarbeitung von Kategorien (und Subkategorien) sowie deren Beziehung zu anderen Kategorien

erfolgt, wenn Schlüsselkategorien gefunden sind

dient der Generierung von Konzepten

kann zur Reformulierung vorläufiger Konzepte und Kategorien führen

beschreibt den Vorgang des Kodierens auf diese Schlüsselkategorien hin

erfolgt auf einer extensiven, sequentiellen Analyse

zielt auf die Herausarbeitung von Schlüsselkategorien, die die meisten anderen Kategorien integrieren können

erfasst nur diejenigen Konzepte, die für die Schlüsselkategorie relevant sind

geschieht zu Beginn der Analyse und wenn neue Konzepte entwickelt werden sollen

führt dazu, dass Konzepte und Kategorien im Himblick auf die Schlüsselkategorie rekodiert werden müssen

Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Przyborski/Wohlrab-Sahr 2014: 211

Das Ziel der durch die Grounded Theory inspirierten Forschung liegt dabei nicht im Produzieren von Ergebnissen, die allgemein repräsentativ sind. Sondern vielmehr darin, Phänomene zu spezifizieren, indem Bedingungen, die ihm zugrunde liegen, Aktionen und Interaktionen, die es ausdrücken und Konsequenzen, die sich aus ihm ergeben, zu erfassen (Steinke 1999: 75). Auch wenn der Anspruch der Repräsentativität sozusagen konsequent nicht erfüllt wird, ist es dennoch das Ziel, in sich widerspruchsfreie und der sozialen Wirklichkeit adäquate, also valide Aussagen zu generieren (vgl. Strübing 2014: 83), die bei all ihrer (gewollten) Subjektivität doch zu einem gewissen Maße objektive Gültigkeit in Bezug auf die soziale Wirklichkeit der Proband_innen leistet. Dies kann jedoch nicht als Gütekriterium der Forschung angesehen werden, da Objektivität

164 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

in der qualitativen Forschung nur begrenzt stattfinden kann. Franz Breuer (2009: 120) bezeichnet dies gar als „unrealistische Fiktion“. Aus den an die Grounded Theory angelehnten methodologischen Überlegungen ergibt sich für die vorliegende Arbeit ein Ablaufprozess der Datengewinnung und -interpretation, der in Abbildung 5-5 dargestellt wird. Abbildung 5-5: Ablaufdiagramm der Vorbereitung und Durchführung der episodisch-narrativen Interviews

Quelle: eigene Abbildung

Im Vorfeld der Interviews wird den Proband_innen vermittelt, dass sie sich zwar als i.e.S. Forschungsobjekte zur Verfügung stellen und ‚beforscht‘ werden, sie aber gleichzeitig den Forschungsprozess an sich beeinflussen. Ihnen werden der Gegenstand der Forschung, ihre Ziele und die Methodik erläutert. Zudem werden sie darüber informiert, dass das Interview mittels eines Diktiergerätes aufgenommen und im Anschluss transkribiert wird und lediglich den erklärten Forschungszwecken dient. Die Proband_innen werden zudem darauf hingewiesen, dass sie anonym bleiben können und lediglich soziodemografische Daten zu ih-

Empirischer Teil | 165

rer Person veröffentlicht werden, um potentielle Ängste abzubauen und das gegenseitige Vertrauen zu stärken. Zwei der interviewten Personen nehmen diese Möglichkeit in Anspruch, die restlichen Personen lehnen dies zunächst ab. Im Nachgang der Interviews wird diese Möglichkeit nochmals dargestellt und von zwei weiteren Proband_innen dankend in Anspruch genommen. Alle Proband_innen werden aus Gründen der Fairness zusätzlich auch darauf hingewiesen, dass trotz Anonymisierung der Namen, andere Mitglieder des kreativurbanen Milieus unter Umständen Rückschlüsse auf ihre Identität ziehen könnten. In Bezug auf die Fotografien wird den einzelnen Proband_innen angeboten, dass sie namentlich als Quelle genannt werden, was alle Interviewten positiv aufnehmen, aber gleichzeitig als nicht notwendig erachten, mit Ausnahme einer Person. Gleiches gilt für die offerierte Möglichkeit, das Transkript des eigenen Interviews in Augenschein nehmen zu dürfen 9.

5.3 EMPIRISCHE ERGEBNISSE „Wo soll ich beginnen? Die Welt ist so groß. Ich werde also mit dem Land beginnen, das ich am besten kenne, mit meinem eigenen. Aber mein Land ist so groß. Ich fange doch lieber mit meiner Stadt an. Aber meine Stadt ist so groß. Am besten beginne ich mit meiner Straße. Nein, mit meinem Haus. Nein, mit meiner Familie. Ach was, ich beginne bei mir.“ Elie Wiesel

In den folgenden Kapiteln werden die empirischen Ergebnisse aus den episodisch-narrativen Interviews dargestellt. Diese werden mit von den Proband_innen aufgenommenen Fotografien verknüpft. Besonders aufschlussreiche, versinnbildlichende oder Umstände besonders gut repräsentierende Zitate aus den episodisch-narrativen Interviews verdeutlichen dabei die Interpretationen der Aussagen und Erzählungen der Interviewten.

9

Der Vollständigkeit halber sei in diesem Zusammenhang erwähnt, dass zwei Probanden direkt im Nachgang des jeweiligen Interviews darum bitten, jeweils einen bestimmten Absatz im anzufertigenden Transkript zu schwärzen. Dem wurde aus forschungsethischen Gründen heraus nachgekommen.

166 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

„Quotations can verify features like language or some of the subtle nuances embedded in descriptive content. They can convey the emotion with which a particular view was expressed far more powerfully than a researcher’s description of what was said.“ (White et al. 2014: 382)

Die individuellen Aussagen und Erzählungen der Interviewpartner_innen werden dabei zueinander in Beziehung gesetzt. Es werden Gemeinsamkeiten, aber auch sich entgegenstehende Empfindungen und Einschätzungen dargestellt. Spacing und Syntheseleistungen und damit Raum- und Ortskonstitution im Sinne Martina Löws (vgl. Kapitel 2.1.3) können in der Verknüpfung von Interviews und Fotografien erhoben und reflexiv nachvollzogen werden. Die Komplexität der individuellen Bedeutungszuschreibungen, Erlebnisse und Bewertungen übersteigt freilich das im Folgenden Dargestellte, kann und muss in Bezug auf das konkrete Forschungsinteresse aber reduziert werden. 5.3.1 Geografische Lage der Dritten Orte des kreativ-urbanen Milieus Der Großteil der durch die Proband_innen thematisierten Dritten Orte findet sich in Braunschweig innerhalb des Umflusses der Oker, in der zentralen Innenstadt. Ein kleinerer Teil, vor allem handelt es sich dabei um Stadtparks, findet sich etwas weiter außerhalb des Stadtzentrums (vgl. Abbildung 5-6). Abbildung 5-6: Karte der Braunschweiger Innenstadt mit identifizierten Hotspots Dritter Orte des kreativ-urbanen Milieus

Quelle: eigene Abbildung auf Basis von google.maps, Datengrundlage: Netzwerkanalyse; episodisch narrative Interviews

Empirischer Teil | 167

Anhand Abbildung 5-6 ist ersichtlich, dass die Dritten Orte nahezu über das gesamte Innenstadtgebiet verteilt sind und teilweise darüber hinausweisen. Es existiert also nicht das eine kreative Stadtquartier. Vielmehr gibt es kleinere kreative Biotope oder Hotspots, die sich einerseits hochkonzentriert (namentlich handelt es sich dabei um das Friedrich-Wilhelm-Viertel, das Gebiet um den Handelsweg sowie um das Östliche Ringgebiet), an anderen Stellen weiträumiger verteilen. Auffällig ist dabei, dass sich im nördlichen Innenstadtgebiet keine relevanten Orte befinden. Gleichzeitig kann von einem Nebeneinander teilöffentlicher, eher konsumorientierter Orte (Cafés, Kneipen, Clubs etc.) und rein öffentlicher Orte (Stadtparks, Freiflächen, einzelne Straßenzüge) gesprochen werden. Trotz der auch durch die Proband_innen thematisierten Konkurrenzsituation zu Berlin, die sich in der Tatsache spiegelt, dass Absolvent_innen der Kunsthochschule oftmals in diese Stadt abwandern, da sie sich mit der Stadt Braunschweig nicht verbunden fühlen (vgl. Kapitel 5.3.17), wird vielfach davon berichtet, dass Braunschweig über viele kreative Dritte Orte verfügt, sie sich allerdings erst nach einer gewissen Zeit offenbaren und einer (aktiven) Entdeckung bedürfen (vgl. Kapitel 5.3.5). 5.3.2 Privatheit im Öffentlichen Den positiv erwähnten konsumorientierten Dritten Orten des Braunschweiger kreativ-urbanen Milieus ist gemein, dass sie eine Privatheit im Öffentlichen 10 suggerieren und sie als „Zuhause“ (IP1: 8) oder „Wohnzimmer“ (IP1: 142) außerhalb des Zuhauses wahrgenommen werden 11. In diesem Zusammenhang verweisen die Proband_innen beispielsweise auf die gemütliche Atmosphäre 12, „Wohlfühlatmosphäre“ (IP7: 12) oder „Atelieratmosphäre“ (IP13: 12; vgl. Abbildung 5-7), die sie vor allem anhand der Einrichtungsgegenstände (Holz, Sofas, selbst platzierbare, unkonventionelle, individuell-künstlerische Sitzgelegenheiten 13; vgl. Abbildung 5-8), der Lichtverhältnisse (Tageslicht oder gedimmtes künstliches Licht 14) und einer angemessenen Musiklautstärke 15 festzumachen versuchen.

10 Vgl. IP2, IP5a. 11 Vgl. IP1, IP13, IP5a. 12 Vgl. IP5a, IP8, IP9, IP7. 13 Vgl. IP1, IP2, IP3, IP5a, IP6, IP8, IP9, IP10. 14 Vgl. IP2, IP5a, IP10. 15 Vgl. IP5a, IP5b.

168 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Abbildung 5-7: Beispiel für einen Ort, der eine Atelieratmosphäre ausstrahlt

Quelle: T. Wiatrowski

Abbildung 5-8: Aneignung von Orten durch selbst platzierbare Sitzgelegenheiten

Quelle: A. Riedel

Allerdings wird die eigene Beschreibung der atmosphärischen Qualitäten oftmals als dem Ort nicht gerecht werdend empfunden. Die Proband_innen scheinen zu erkennen, dass eine spezifische Atmosphäre dem Zusammenspiel der eigenen Gefühle mit dinglichen Attributen erwächst.

Empirischer Teil | 169

„Ja man fühlt sich irgendwie (4)| Wie beschreibt man das jetzt? Solche Sachen muss man halt fühlen.“ (IP1: 6)

Mit Worten wie „schön“ (IP1: 4, IP6: 51) oder „toll“ (IP2: 24, IP8: 5/343) wird in diesem Zusammenhang zu umschreiben versucht, wie die Orte sind, was sie atmosphärisch ausmacht. „Ich weiß gar nicht, was ich an der Expertise so schön finde.“ (IP8: 359)

Analog zur Begriffsumschreibung der Atmosphäre als ein simultanes Gesamterleben (vgl. Kapitel 2.1.5), fällt es den Proband_innen relativ schwer, die atmosphärischen Qualitäten zu beschreiben. Nichtsdestotrotz lassen sich ganz im Sinne Löws – die Sprechakte als „einen reichen Schatz“ beschreiben, um „Raumkonstitution zu verstehen, sofern man nicht nach Raum fragt“ (Löw 2016: 80) – weitere dingliche Attribute beliebter Dritter Orte des kreativ-urbanen Milieus identifizieren. Diese stehen auf den ersten Blick einem Wohlfühl- oder Wohnzimmercharakter entgegen. Denn nahezu allen ist gemein, dass sie teils improvisiert wirken 16, eine gewisse Rauheit, Schäbigkeit oder Anti-Perfektionismus ausstrahlen 17 und teilweise sogar als „gammlig“ (IP12: 38) „schmuddelig“ (IP11:22) oder „rundfertig kaputt“ (IP2: 72) beschrieben werden (vgl. Abbildung 5-9 und Abbildung 5-10). Abbildung 5-9: Rauheit und Schäbigkeit als Qualitätsmerkmal am Beispiel der Klaue

Quelle: links R. Knoll/ rechts M. Wachs

16 Vgl. IP2, IP5a, IP12, IP13. 17 Vgl. IP2, IP3, IP4, IP8, IP9, IP11, IP12.

170 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Abbildung 5-10: Rauheit und Schäbigkeit als Qualitätsmerkmal am Beispiel des Lindbergh

Quelle: M. Stenzel „Also ich mag es, wenn‘s ein bisschen ranzig ist und nicht so [ähm] steril clubmäßig wie beispielsweise im Privileg, wo ich noch nie war, aber was ich mir so vorstelle. Dass es da alles sehr sauber geordnet und halt schicker ist, was ich atmosphärisch überhaupt nicht ansprechend finde, sondern ich mag das dann lieber so ein bisschen uriger, ranziger so. Da fühle ich mich dann wohler als (..) in einem clean Club irgendwie so.“ (IP4: 270) „Und da sind ganz viel| Also das ist schon alles ziemlich geil eigentlich, weil das so verraucht ist und so verpekt, aber immer im positiven Sinne [Lachen] (=okay=). Also die Toiletten sind sauber, das ist das Wichtigste und man bleibt nicht dran kleben, aber irgendwie ist da alles halt von dem Rauch auch in die Jahre gekommen und (..) das ist schon eine nette Örtlichkeit.“ (IP3: 39)

Ein weiteres dingliches Attribut, das erfolgreiche Dritte Orte ausmacht, liegt in der Individualität der Einrichtung und des Angebots 18. Allerdings wird vor allem durch die weiblichen Interviewten angemerkt, dass ein gewisser Grad der Schä-

18 Vgl. IP7, IP9, IP10, IP11, IP12.

Empirischer Teil | 171

bigkeit, auch bei tatsächlich improvisierten oder temporären Orten nicht überschritten werden darf: „Ja (6) Ich finde es immer schwierig, so den| den Grad zwischen [äähm] zu stylisch und [äähm] also so hip und [äähm] (...) ja trotzdem (...) schick und modern und speziell. Also, weil sobald irgendwas (..) [ääh] also die Stühle hier an den Tischen, die sind halt| Die sehen so aus nach so alten Grundschulstühlen irgendwie (=das stimmt, ja=) und das finde ich eigentlich ziemlich| finde ich ziemlich gut so (...) und wenn das sowas aber zu viel| Also wenn das nur so wäre, dann fände ich es glaube ich übertrieben| Also schon wieder zu viel des Guten.“ (IP5a: 84) „Sehr expressionistisch, was ich dann aber auch gleichzeitig so schwierig fand, weil ich hatte das Gefühl, man muss immer noch einen drauf setzen. Also jeder will es irgendwie noch extremer machen und noch mehr Blut und Rot und Schrecken verbreiten […] Ich habe mich da dann auch teilweise auch einfach schon entzogen. Dann bin ich halt aufs Klo gegangen, habe die Tür zugemacht und dann war da hinter so eine Büste, eine schwarze, die komplett so mit Elektroden und LEDs beleuchtet| Ich habe mich richtig erschreckt. Also ich habe richtig aufgeschreckt, dass sogar auf dem Klo dann irgendwas da platziert wurde. Also es ist ein sehr anstrengender Ort fand ich.“ (IP2: 28-30) „Das ist ja auch das letzte Drecksloch. Mit den ganzen Stickern und den ganzen abgeschrobenen, abgeschrammelten Wänden. Ist mir halt irgendwie fast schon zu räudig.“ (IP2: 114)

5.3.3 Architektonische und städtebauliche Attraktivität In engem Zusammenhang mit der Bedeutung und Wirkung von Einrichtungsgegenständen kann die Architektur besonders beliebter Dritter Orte als wichtiges Thema für den Großteil der Proband_innen angeführt werden 19. Einerseits geht es dabei um die Architektur der Umgebung, andererseits um die Architektur des Ortes selbst. Als positiv werden vor allem Altbauten 20 und in Einzelfällen besondere Prunkbauten 21 hervorgehoben. Neuere Gebäude werden abgelehnt 22, es sei denn, sie verweisen mit ihrem Äußeren auf größere Großstädte, auf Metropo-

19 Vgl. IP1, IP3, IP4, IP5a, IP7, IP8, IP9, IP10, IP12. 20 Vgl. IP1. 21 Vgl. IP7. 22 Vgl. IP10.

172 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

len oder auf die Zukunft 23. Dies stellt jedoch eine Ausnahme dar. Neubauten, die den Anschein eines alten Gebäudes erwecken wollen, werden von den Proband_innen geschlossen abgelehnt und soweit wie möglich gemieden. Hier handelt es sich namentlich um das ECE-Einkaufszentrum Schlossarkaden 24, was auch auf die generell kapitalismus- und neoliberalismuskritische Grundhaltung der Interviewten 25 zurückzuführen ist (vgl. Kapitel 5.3.12). Weiterhin besteht eine ambivalente Einstellung der Proband_innen in Bezug auf architektonische sowie städtebauliche Enge und Weite. Es werden gleichzeitig weite, raumgreifende Plätze 26, an denen viel Publikumsverkehr auch über das eigene kreativ-urbane Milieu hinaus besteht, als auch enge, passagenähnliche Gassen 27, die eine gewisse Ruhe und Abgeschiedenheit von der hohen Frequentierung der Innenstadt durch Passanten und Verkehr bieten und vornehmlich von Mitgliedern des eigenen Milieus frequentiert werden, als ansprechend empfunden (vgl. Abbildung 5-11). Abbildung 5-11: Beispiele von Orten mit städtebaulicher Weite und Enge

Quelle: links M. Stenzel/rechts A. Bruhl

Wichtig erscheint jedoch bei beiden Raumkategorien eine funktionale Mischung, zumindest in der näheren Umgebung 28. Zudem wird die Ausstattung innerstädti-

23 Vgl. IP7. 24 Vgl. IP1, IP5a, IP9. 25 Vgl. IP1, IP2, IP4, IP6, IP7, IP8, IP10, IP14. 26 Vgl. IP1, IP3, IP7, IP8. 27 Vgl. IP1, IP2, IP7, IP8, IP9, IP10. 28 Vgl. IP1, IP8, IP12.

Empirischer Teil | 173

scher Dritter Orte mit grüner Vegetation, auch jenseits von Stadtparks und Naturorten als attraktiv und angenehm hervorgehoben (vgl. Abbildung 5-11) 29. „Also grün generell ist ja (..)| Es tut einem immer sehr gut, steigert die Seele.“ (IP2: 26)

An den Dritten Orten selbst sprechen viele Aussagen der Proband_innen dafür, dass kleinere „kuschelige“ (IP9: 371; IP7: 12) gegenüber größeren Räumen präferiert werden 30. Ein Wechselspiel zwischen frei einsehbaren Bereichen und Nischen oder Gängen sowie zwischen ebenerdigen und podestähnlichen Flächen (vgl. Abbildung 5-12) wird positiv hervorgehoben 31: „Deswegen finde ich das| Ja, das ist glaube ich das Wesentliche in diesem| Und es ist ein bisschen verwinkelt. Da geht man nochmal so ein bisschen| nochmal ein Podest hoch gehen und so. Also irgendwie hat das auch so ein kleiner| Du hast so Nischen drin, wo du so mal| Also du bist nicht abgeschieden. Das auf keinen Fall, aber du hast diese Nischen.“ (IP8: 11) „Also es ist| ich mag die Architektur. Die zwischen (...) niedrigen Eingängen und hohen Bereichen sich wechselt. Das mag ich so oder so. Ich mag aber auch so enge Ecken. Und da gibt’s halt Gänge. Gänge wo du denkst ‚hä?‘ und dann kommt sowas und plötzlich ist da ein Atelier, wo du denkst: ‚Huch, wie viel Platz ist hier? Wie schön ist das hier. Wie gerne würde ich hier auch etwas zu tun haben. Jetzt habe ich nichts zu tun außer da zu sein. [Ähm] Dann genieße ich eben das. (4) Ja es ist sicherlich die Architektur zwischen klein| also zwischen Enge und Weite. Das in einer| um die Ecke rum noch etwas sein kann, wo man denkt ‚ach, das ist eine nette Ecke. Da gehe ich mal hin.‘“ (IP12: 135)

Das Vorhandensein von großen Fenstern 32 ist für einige Proband_innen ebenfalls wichtig (vgl. Abbildung 5-12). Einerseits, um das Geschehen außerhalb des Ortes beobachten zu können, andererseits auch, um von außen gesehen zu werden (vgl. auch Kapitel 5.3.15). Die Intention, die dahintersteht, ist dass ein ungeplantes Zusammenkommen mit anderen Mitgliedern des kreativ-urbanen Milieus

29 Vgl. IP2. 30 Vgl. IP3, IP5a, IP8, IP9. 31 Vgl. IP8, IP12. 32 Vgl. IP2, IP8, IP12.

174 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

ermöglicht wird 33. Die Begründung, einen Ort zu besuchen, um gesehen zu werden, wird von einem Probanden allerdings strikt zurückgewiesen 34. Abbildung 5-12: Fenster und Podeste als Merkmale der Orte

Quelle: C. Lischka

5.3.4 Modi der Aneignung Dritter Orte Als eng zusammenhängend mit den dinglichen Attributen kann angesehen werden, dass Dritte Orte, an denen die eigene Mitwirkung oder Mitgestaltung durch die Besucher_innen zugelassen wird, als angenehm empfunden werden. Dadurch, dass die Gäste beziehungsweise Besucher_innen sich sozusagen selbst an den Orten einschreiben können, entwickelt sich eine Bindung an den Ort, es wird als ein Akt der Aneignung verstanden, auch wenn dieser Begriff von den Proband_innen nicht benutzt wird. Dies wird einerseits implizit betrieben, beispielsweise durch das geduldete Anbringen von Aufklebern oder Symbolen 35 (vgl. Abbildung 5-13; vgl. Kapitel 2.3).

33 Vgl. IP7. 34 Vgl. IP6. 35 Vgl. IP2.

Empirischer Teil | 175

„Wenn man irgendwas an die Wand hängt, was dann da bleibt, dann natürlich. Dann lässt man da was und ich mag das auch total gerne, wenn man dann wieder kommt und sieht ‚oh da hängt das noch‘ […].“ (IP13: 20)

Abbildung 5-13: Aneignung durch das Anbringen von Symbolen

Quelle: M. Wachs

Andererseits wird die Aneignung der Orte sehr explizit ermöglicht, indem dies von den Betreiber_innen der Orte selbst unterstützt wird beziehungsweise der Gast sogar dazu aufgefordert wird. Dies geschieht beispielsweise dadurch, dass Gäste dazu aufgerufen werden, zur Inneneinrichtung beizutragen. In einem konkreten Fall geschieht dies in der Gestalt, dass alte Zuckerdosen, die von den Gästen selbst nicht mehr benötigt werden, mitgebracht werden sollen, um die Ausstattung des Ortes damit aufzustocken. Neben der dadurch ermöglichten Aneignung von Orten, kann dies auch als Ausdruck der Share-Economy und damit eines alternativen Milieus gelesen werden. Es sind weitere Initiativen dieser Art an einigen der thematisierten Orte auszumachen: „Ach und was man hier auch machen kann, das finde ich übrigens ziemlich cool. [Äähm] wenn man nachher zahlt, [äähm] werden sie uns wahrscheinlich auch fragen, ob du schon eine Stempelkarte hast (..) wenn du eine möchtest, dann (...)| Oder oft ist ja das Argument‚

176 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

ne ich möchte keine, weil man schon so viele Karten hat und das alles ins Portemonnaie packen muss (=mhhm=). Hier kannst du die Karte in so eine kleine Schachtel da vorne reinlegen, diesem kleines| Wie beim Arzt, ne. Wo du dann eine Karteikarte hast und immer wenn du hier bist, kannst du sozusagen hier deine Karte dann einfach rausnehmen und dann abstempeln lassen.“ (IP5a: 88)

Als weitere Einschreibungs- beziehungsweise Aneignungsmöglichkeiten an den Orten werden gebotene Beschäftigungsoptionen von den Proband_innen hervorgehoben, die jenseits des reinen Konsums von gastronomischen Angeboten beziehungsweise jenseits der originären Funktion der Orte liegen 36. Dabei handelt es sich beispielweise um klassische Kneipenbeschäftigungen wie Tischfußball, Billard, Darts oder um die Möglichkeit, am Ort Fußball zu schauen 37. Diese Tätigkeiten verknüpfen die Proband_innen allerdings meist mit anderen Personen, vor allem auch außerhalb des eigenen Milieus. Die Möglichkeit, verschiedene Brettspiele zu spielen 38 wird von den Proband_innen jedoch als bereichernd für die Orte und sich selbst hervorgehoben. „Wenn man sich treffen will, trifft man sich halt (..) dann nicht einfach nur auf ein Getränk oder so, sondern zum Spielen. Also die haben da ganz viele Spielesammlungen und alles Mögliche. Also da kannst du (..) halt vor Ort gucken ‚was möchte ich spielen?‘ und suchst dir dann was gemeinsam aus und dann spielst du dort halt und trinkst.“ (IP5b: 1) „Und [ähm] wenn man| auch wenn man selbst nicht spielt, sieht man die Leute spielen und das macht total viel Freude. Also das hat mir so viel Freude gemacht als ich dann immer [ähm] […]. Also es regt mich so an so mitzumachen und es macht so Freude die anderen| die anderen zu sehen, die sich so über diese Spiele austauschen und so viel Spaß dabei haben.“ (IP8: 365)

Ebenso wird das Angebot von aktuellen Printmedien und kostenfreien W-LANZugängen für die Gäste positiv erwähnt 39. Das Vorhandensein von W-LAN ist in Einzelfällen sogar der einzige Grund, einen Ort aufzusuchen 40. Ein Proband berichtete andererseits davon, dass es für ihn einen ausschlaggebenden Faktor zum

36 Vgl. IP2, IP4, IP5a, IP5b, IP6, IP8, IP9, IP10, IP11,12, IP13, IP14. 37 Vgl. IP2, IP4, IP8, IP10. 38 Vgl. IP5a, IP8. 39 Vgl. IP8, IP10, IP14. 40 Vgl. IP8.

Empirischer Teil | 177

Besuch eines Ortes darstellt, wenn dort eine Spielzeugkiste für seine Kinder vorhanden ist und diese dort sicher spielen können 41. Vermeintliche Kleinigkeiten in der Ausstattung der Orte können folglich darüber entscheiden, ob ein Dritter Ort eine Anziehungskraft für das kreativurbane Milieu entwickelt. In die gleiche Richtung weist die Aussage einer Probandin, in der sie beschreibet, dass bereits kleine Veränderungen oder auch nur Bemühungen zur Attraktivitätssteigerung positiv aufgenommen werden (vgl. Abbildung 5-14): „Und ich glaube, die TU versucht auch, das ein bisschen zu beleben, zu verjüngen und da jetzt auch diese alte Telefonzelle hingestellt hat mit alten Büchern.“ (IP2: 52)

Abbildung 5-14: Versuch der Attraktivitätssteigerung

Quelle: A. Bruhl

Die Möglichkeit, sich selbst an den Orten einzuschreiben, sie selbst, wenn auch nur in geringer Ausprägung verändern zu können, lässt sich in einer poststruktu41 Vgl. IP6.

178 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

ralistischen und handlungsorientierten Sichtweise interpretieren. Es zeigt sich auch anhand der Aussagen der Proband_innen, dass Orte keine in sich geschlossenen und unveränderbaren Behälter sind und auch nicht so wahrgenommen werden. Sie sind zwar physisch konkret greifbar, aber gleichzeitig auch Orte der Einschreibung und Einverleibung des Sozialen, also Verkörperungen und damit materielle Repräsentationen und Reproduktionen sozialer Konstruktionen (vgl. Kapitel 2.2.2). 5.3.5 Entdeckungen von und an Dritten Orten Zwei weitere wichtige Motive der Interviewten, die einen Ort für Mitglieder des kreativ-urbanen Milieus interessant werden lassen, können unter der Bezeichnung Entdecken zusammengefasst werden 42. So sind einerseits Orte interessant, die an sich, in ihrer Gänze, entdeckt werden können 43. Gleichzeitig werden Orte als interessant wahrgenommen, an denen es etwas zu entdecken gibt 44. „Braunschweig hat ganz verstecke Orte, die man auch nach fünf Jahren jetzt noch gar nicht gesehen hat.“ (IP14: 117)

So werden Orte bevorzugt, die beim bloßen Vorbeigehen nicht wahrgenommen werden, beispielsweise aufgrund ihrer Lage im Hinterhof oder einer engen Gasse. Den Besuchenden müssen sie entweder durch Erzählungen anderer bekannt sein, sie müssen an den Ort mitgenommen werden oder die Orte werden aus dem Zufall heraus entdeckt. „Mh, mir gefällt der Ort. Ich mag, dass es (...)| Ich mag, dass es mitten in der Stadt ist (=mhm=) und ich mag es, dass es [ähm] in so einem Hinterhof ist. Dass es entdeckt werden kann.“ (IP12: 4)

Interessant ist, dass einige der „Entdeckorte“ (IP12: 68) immer wieder als Entdeckung von den Proband_innen wahrgenommen werden, auch wenn sie ihnen längst bekannt sind. „Dass man nicht dran vorbeiläuft und denkt sich ‚boah, hier ist Theater‘, sondern dass man nur weiß| nur wenn man weiß, dass es da ist, findet man es auch, obwohl jeder weiß,

42 Vgl. IP2, IP4, IP6, IP7, IP8, IP9, IP10, IP11, IP12, IP13, IP14. 43 Vgl. IP2, IP10, IP11, IP12, IP13, IP14. 44 Vgl. IP2, IP4, IP6, IP7, IP8, IP9, IP12, IP13.

Empirischer Teil | 179

dass es das gibt, ist es so eine Art Entdeckung. Das frag mich nicht, ne. Ich sage dann| wenn ich die Rampe hochgehe, denke ich ‚jaa, mal wieder gefunden.‘“ (IP12: 4)

Ein Proband erzählt im Interview, dass er einen Ort zwar bereits kannte und dort auch mehrfach etwas konsumiert hat, ihn aber erst mit der Zeit bewusst für sich selbst entdeckt hat, ihm erst später dessen Bedeutung für sein kreatives Umfeld bewusst wurde 45. Es wird auch davon berichtet, dass insbesondere die weiblichen Interviewten ganz bewusst auf „Entdeckungstour“ (IP2: 18) gehen, um für sie neue, attraktive Dritte Orte zu finden beziehungsweise Orte kennenzulernen, von denen sie durch andere Mitglieder ihres Milieus erfahren haben. Dies gilt gleichermaßen für Probandinnen, die schon lange in Braunschweig leben als auch für jene, die dies erst seit kurzer Zeit tun. Manche führen – teils gedanklich, teils physisch – Listen mit Orten, die sie besuchen wollen 46, weil ihnen andere positiv davon berichtet haben. Sie wollen bewusst nicht immer die gleichen Orte frequentieren, um neue Erfahrungen zu sammeln und ihre eigenen Grenzen zu erweitern 47. Insbesondere temporäre Dritte Orte 48 oder auch öffentliche Freiflächen bieten den Interviewten vor diesem Hintergrund vielfach die Möglichkeit, besondere oder für sie bedeutungsvolle Orte zu entdecken. „[Ähm] und bei den Naturorten einerseits, weil man es kennengelernt hat, weil es einer einem gezeigt hat, aber auch durch so eine Neugierde, dass man gemerkt hat [ähm] ‚mh, wenn ich jetzt hier geradeaus weiter fahre, was kommt denn da eigentlich noch?‘“ (IP13: 18)

Neben dem Entdecken von Orten an sich, ist die Möglichkeit, etwas an den Orten zu entdecken ein wichtiger Faktor für deren Attraktivität innerhalb des Milieus (vgl. Abbildung 5-15).

45 Vgl. IP10. 46 Vgl. IP2, IP4, IP11. 47 Vgl. IP2. 48 Vgl. IP2, IP13.

180 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Abbildung 5-15: Beispiele für Orte, an denen etwas entdeckt werden kann

Quelle: A. Bruhl

Dabei handelt es sich zum einen um fassbare Gegenstände und spezielle Inhalte wie Film- oder Theatervorführungen 49, die entdeckt werden können, aber auch um Personen 50. „Aber ich mag generell, man kann halt| Man hat halt immer was zu entdecken. Das finde ich eigentlich| Das finde ich ganz spannend. […] [Ähm] ja, ich mag das ganze Klimbim da.“ (IP6: 71-73) „Also da würde ich mich auch hinsetzen und einfach nur rumstarren und das finde ich ja schon eine Leistung. Also dass ich in einem Café oder einer Kneipe mich einfach setze und rumstarre und mich des Lebens erfreue (..) das ist das Riptide.“ (IP8: 365)

Es handelt sich bei dem zu Entdeckendem aber auch um eigene Gefühle und Empfindungen oder gar um das eigene Selbst 51. Oftmals erzählen die Proband_innen davon, dass Orte sie inspirieren oder sie zu etwas anregen, sie dort

49 Vgl. IP2, IP6, IP7, IP8, IP12, IP13. 50 Vgl. IP3, IP7, IP10, IP12. 51 Vgl. IP8.

Empirischer Teil | 181

„Energie ziehen“ (IP8: 235), die Orte ihnen Kraft geben oder sie wieder neugierig werden lassen 52. „Ich finde es immer unheimlich inspirierend und fühle mich selbst gleich kreativer, bloß, weil ich da bin und das schätze ich total an dem Ort. Wenn ich da bin, denke ich ‚ja‘.“ (IP11: 141)

Orte tragen laut den Interviewten dazu bei, ihre eigene Kreativität zu entdecken, zu wecken oder sie zu unterstützen, indem sie „Lust auf etwas“ (IP8: 243) bekommen beziehungsweise die Orte eine Stimmung transportieren, von der die Proband_innen in ihren kreativen Tätigkeiten profitieren. Sie werden dazu angeregt, über Dinge nachzudenken, über die sie vorher nicht nachgedacht haben 53 (vgl. Kapitel 4.4). Die Proband_innen entdecken für die Zeit des Aufenthalts an den Orten das Leben im Moment, sie fühlen sich geerdet 54, sozusagen rückgebettet in räumliche und soziale Kontexte (vgl. Kapitel 3.1.1). „Ich fühle mich besser und deswegen fühle ich mich bei der Arbeit kreativer. Ich glaube schon, dass es funktioniert. Es war bei mir zumindest von meinem Gefühl her immer so. Wenn es ein Gedanke ist, ist es auch ok, weil dann funktioniert es [Lachen].“ (IP8: 257)

Gerade für die Proband_innen, die relativ neue Akteur_innen im kreativ-urbanen Milieu sind und aus diesem Grund eine eher niedrigere Zentralität in diesem Netzwerk einnehmen, fungieren bestimmte Dritte Orte auch als Orte der Entdeckung der künstlerisch-kreativen Szene an sich. Hier können sie ihre Neugierde befriedigen, das Milieu „schnuppern“ (IP7: 24), insbesondere das Milieusegment der freien Künstler_innen, das innerhalb des Milieus nur schwach eingebunden ist (vgl. Bingel et al. 2017: 465) und damit für Neuankömmlinge im Milieu ein gewisses Mysterium darstellt. „Also man hat ja dann irgendwie so| Das ist ja dieser Voyeurismus, dass man einmal doch mal reingucken kann, was die den ganzen Tag so treiben und womit sich diese (..) verrückten Künstler da beschäftigen.“ (IP2: 28)

52 Vgl. IP1, IP2, IP8, IP9. 53 Vgl. IP12. 54 Vgl. IP2, IP11, IP12.

182 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

5.3.6 Anziehende und abstoßende Sinneseindrücke an Dritten Orten Ebenso wie Entdeckungsempfindungen der Proband_innen im Zusammenhang mit dem Aufenthalt an den Dritten Orten eine Bedeutung haben, verhält es sich mit sinnlichen Eindrücken. Neben den von den Interviewpartner_innen primär beschriebenen visuellen Eindrücken, handelt es sich dabei insbesondere um spezifische olfaktorische Reize. Dies unterstützt die Annahme, dass Gerüche ein wesentlicher Bildungsfaktor spezifischer Atmosphären sind, jedoch als eine Art sekundäre Atmosphärenquelle fungieren (vgl. Kapitel 2.1.5). Gerüche werden an den Orten von den Proband_innen einerseits als angenehm und einladend, andererseits aber auch als störend und abstoßend beschrieben. Vor allem das Rauchen an den genannten Orten wird sehr unterschiedlich bewertet, teilweise sogar von derselben Person 55. Meist wird das Gestatten des Rauchens an den Orten jedoch positiv erwähnt. Dies liegt nicht daran, dass die Interviewten selbst Raucher sind, dies trifft nur auf eine Minderheit der Befragten zu, sondern vor allem daran, dass mit der verrauchten Luft eine Art Heimeligkeit verbunden wird oder es für die Proband_innen zu Kneipen oder Cafés atmosphärisch richtiggehend dazugehört 56. Ein Proband beschreibt verrauchte Luft gar als eine Art Stallgeruch des Milieus. „[…] und dann geht man ein paar Stufen runter, es ist total verquarzt, finde ich toll. Für mich ist das Atmosphäre. Ich weiß, es ist| für Nichtraucher muss es die Hölle sein so ein Laden, aber [ähm] vielleicht macht das auch (..) ich überlege gerade. Jetzt gerade, wo ich drüber nachdenke, (5) Zigarettenrauchschwaden geschwängerte Luft hat| Wer dann da drin sitzt, der gehört dazu.“ (IP12: 40)

Ein weiterer Vorteil der Raucherlaubnis liegt für den Probanden darin, dass es ihm die Aneignung des Ortes (vgl. Kapitel 5.3.4) leichter macht: „[…] die eigene [ähm] so eine leichte Anspannung, die ich empfinde, wenn ich irgendwo neu reinkomme, um die abzubauen. Und da helfen mir Läden, die Rauchen erlauben.“ (IP12: 44)

55 Vgl. IP2, IP3, IP4, IP5a, IP5b, IP10, IP11, IP12. 56 Vgl. IP2, IP3, IP5a, IP5b, IP10, IP11, IP12, analog dazu verhält es sich mit dem Geruch nach Fritteuse in einem von Mitgliedern des Milieus frequentierten Imbiss (vgl. IP1).

Empirischer Teil | 183

An Orten, deren primäre Funktion das Anbieten von Speisen ist, in klassischen Restaurants, wo über Pommes Frites, Sandwiches oder Eintöpfe hinaus Gerichte zu sich genommen werden können, wird das Rauchen von den Proband_innen allerdings konsequent abgelehnt 57. Orte dieser Kategorie spielen im kreativurbanen Milieu Braunschweigs jedoch eine sehr untergeordnete Rolle. Aber auch bezüglich beliebter Dritter Orte des Milieus wird vereinzelt von Situationen berichtet, in denen Besuche aufgrund der allzu verrauchten Luft abgebrochen wurden 58. Im Gegensatz zur ambivalenten Einstellung gegenüber dem Rauchen an den Dritten Orten werden vor allem Gerüche nach Kaffee und Gewürzen als durchgehend positiv eingeordnet, wobei dies ausschließlich Probandinnen hervorheben 59. Diese Gerüche sind aufgrund der mit ihnen in Verbindung gebrachten positiven Erfahrungen oder Erlebnisse an anderen (nicht unbedingt Dritten) Orten positiv besetzt (vgl. Kapitel 2.1.5) und sprechen eine Art Geruchsgedächtnis an. 5.3.7 Konsumverhalten und qualitativer Anspruch an Dritte Orte Bezüglich des Konsums von Speisen an den Dritten Orten tritt ein divergierendes Verhalten von Probanden und Probandinnen zutage, indem die Probandinnen den Verzehr von Speisen an „ranzigen“ (IP4: 272) Orten ablehnen, wohingegen dies für die befragten Probanden kein Hinderungsgrund zu sein scheint und die Speisen, die an gerade wenig sterilen und hygienischen Orten durchaus gelobt werden 60. „[…] wenn man irgendwo essen kann, möchte ich das schon auch so hygienisch haben, also dann nicht so ranzig […].“ (IP4: 272)

Obwohl eine Probandin anmerkt: „Aber sonst, keine Ahnung, finde ich, braucht es nicht viel außer Getränke“ (IP3: 244), kommt dem spezifischen gastronomischen Angebot durchaus eine Bedeutung bei der Wahl der Dritten Orte zu. Einige Probandinnen fotografierten ihre Getränke (vgl. Abbildung 5-16) und drücken damit explizit eine gewisse Bedeutung aus, auch wenn sich die individuellen

57 Vgl. IP4. 58 Vgl. IP3. 59 Vgl. IP2, IP15a. 60 Vgl. IP1, IP7, IP14.

184 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Bewertungen durchaus voneinander unterscheiden 61. So werden bestimmte Dritte Orte aufgrund spezifischer Speisen und Getränke aufgesucht, die beispielsweise mehrfach als die besten der Stadt bezeichnet werden 62. Abbildung 5-16: „Der beste Kaffee der Stadt“, fotografiertes Getränk im Kaffeehaus Kiwi

Quelle: A. Bruhl

Das Angebot von Suppen wird von mehreren Proband_innen hervorgehoben 63 und damit das Angebot einfacher, bodenständiger Gerichte als positiv angesehen. Ausgefallene und aufwändige Küche ist lediglich an zwei der von den Proband_innen genannten Orte vorzufinden. Vielmehr bevorzugen es einige Mitglieder des kreativ-urbanen Milieus, wenn vegetarische oder vegane Speisen angeboten werden, die im Idealfall selbst gemacht sind und bei deren Komponenten auf Nachhaltigkeit Wert gelegt wird 64, wobei Orte wie der Schnellimbiss Bier- und Wurstkontor – Futtern wie bei Muttern dem vollkommen entgegenstehen und trotzdem für dieselben Personen wichtig sind (vgl. Kapitel 5.3.16). Aus der Schilderung dieser Umstände kann ein Bedürfnis nach Rückbettung oder Rückbesinnung auf das Einfache, das Gute, das Authentische gelesen werden (vgl. Kapitel 3.1.1; vgl. Kapitel 5.3.12). Einigkeit besteht unter den Interviewten darin, dass spezifische Atmosphären von Orten auch ein spezifisches Angebot an

61 Vgl. IP 1, IP2, IP3, IP4, IP5a, IP6, IP8, IP7, IP10, IP14. 62 Vgl. IP2, IP7. 63 Vgl. IP8, IP9, IP14. 64 Vgl. IP2, IP6, IP10.

Empirischer Teil | 185

Getränken und Speisen erfordern 65. Eine übertriebene Form von Trendhaftigkeit wird jedoch kritisch gesehen beziehungsweise machen sich Proband_innen darüber lustig. „Ist ja auch ein bisschen so das Ladenkonzept würde ich sagen (=ja genau=). Das findet sich ein in die Berlin - ja, was man so sagen würde - Hipsterleben [äähm] von der Getränkeauswahl - ich weiß gar nicht, was ich da mal| Irgendwie so ein spezielles Brausegetränk, was es sonst halt nicht unbedingt in Braunschweig gibt. Da kennt man vielleicht Fritz Kola oder so und was hatte ich da? Ich weiß es gar nicht. Das war irgendwas Gurkenwasser [Lachen]. Also halt so hip. Ja, genau. Aber so ein bisschen, ja.“ (IP4: 49) „Ja, ich kann auch genauso gut irgendwo anders einen Burger essen und muss nicht das überteuerte handgeklöppelte Kuhbeef mir zuführen.“ (IP10: 120)

Obwohl die Proband_innen eine gewisse Schäbigkeit von Orten präferieren, die durchaus improvisiert anmuten dürfen, ist ihnen gleichzeitig eine hohe Qualität des an dem Ort Gebotenen wichtig 66. Dies bezieht sich sowohl auf gastronomische Angebote 67, als auch auf Inhalt und Organisation von Veranstaltungen, Vorführungen und Konzerten 68, sowie auf die zum Verkauf angebotenen Produkte 69. Allein die Befürchtung, dass die Qualität des Gebotenen schlecht oder minderwertig sein könnte, führt bei mehreren der Interviewten zur Ablehnung von Veranstaltungen, die an bestimmten Orten stattfinden: „Was mich daran abhält, Veranstaltungen in der Kaufbar zu besuchen ist, dass, obwohl ich erst bei einer einzigen Veranstaltung war und die war tatsächlich gut, [ähm] habe ich bei der Kaufbar immer den Verdacht, dass da so Kleinkünstler sind, die nicht mal annähernd professionell sind. Also da darf jeder mal auf die Bühne und so […], aber ich denke immer: ‚Ok, da ist jetzt irgendein Singer/Songwriter und der kann ja nicht gut sein, sonst würde er nicht in der Kaufbar auftreten.‘“ (IP12: 116) „Es gibt so eine Screening-Phase, wo ich mir einfach alles angucke und wie machen die das und das. Also ich scanne halt einfach und dann wenn ich das aber| nichts Neues mehr erkenne, dann fange ich an Dinge zu sehen, die ich scheiße finde.“ (IP6: 41)

65 Vgl. IP2, IP5a, IP8, IP7, IP10. 66 Vgl. IP2, IP3, IP4, IP5a, IP7, IP10, IP12, IP14. 67 IP2, IP5a, IP7, IP10. 68 IP3, IP4, IP5a, IP12, IP14. 69 IP5a.

186 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

„Brunsviga, niederschwellig, Kulturzentrum. Auch so eine sehr subkulturelle Szene, viele Konzerte, auch alternative Konzerte. Auch vom qualitativen Anspruch teilweise etwas niedrigschwelliger, um es mal vorsichtig auszudrücken.“ (IP7: 44)

5.3.8 Temporäre vs. institutionalisierte Dritte Orte Als zunächst widersprüchlich kann die Einstellung der Proband_innen bezüglich der Präferenz von institutionalisierten Dritten Orten gegenüber temporär eingerichteten oder temporär bespielten Dritten Orten angesehen werden. Vielfach werden relevante Orte dadurch beschrieben, dass sie schon lange existieren, eine große Beständigkeit und somit eine gewisse Geschichte 70, oftmals im Zusammenhang mit ihren Betreiber_innen, ausstrahlen (vgl. Kapitel 5.3.9; vgl. Kapitel 5.3.10). Andererseits üben aber gleichermaßen auch temporäre Orte eine hohe Anziehungskraft aus 71. „Aber auch dieses selbst| diese selbst gebaute Bar, die [ähm] da eben temporär war und gerade für die Zeit, solange sie eben hält (..)“ (IP13: 4)

Diese Orte müssen allerdings auf das Temporäre hin ausgelegt sein, um für die Mitglieder des kreativ-urbanen Milieus attraktiv zu sein. Neu entstehende Orte, die auf dauerhafte Bespielung angelegt sind, werden eher kritisch betrachtet 72, unter anderem aufgrund dessen, dass sie noch keine „Identität“ (IP10: 50) entwickelt haben, es wird ein Mangel an Historie empfunden. Bei gewollt temporären Orten oder temporären Bespielungen von Orten wird dies hingegen nicht als Manko aufgefasst, sondern als positive Eigenschaft hervorgehoben (vgl. Abbildung 5-17). Das Einzigartige, das Vorhandensein von etwas, das genauso schnell verschwunden sein könnte, wie es erschienen ist, wird als etwas Besonderes beschrieben, bei dem eine Art Glück darüber empfunden wird, dass es erlebt werden konnte.

70 Vgl. auch Kapitel 5.3.9. 71 Vgl. IP2, IP13. 72 Vgl. IP2, IP5a, IP10, IP11.

Empirischer Teil | 187

Abbildung 5-17: Beispiel eines gewollt temporären Orts

Quelle: A. Kliche „Jaa, also auch so in seiner Einzigartigkeit passiert das ja dann auch nicht nochmal. Das ist halt wie gesagt| das fällt mir jetzt gerade beim Reden so auf. Es ist immer sowas Arrangiertes, Nettes ist und dann wird es abgebaut und das wird es noch| nicht nochmal geben. Das ist einfach so eine Performance.“ (IP2: 86)

Eine Probandin beschreibt solche temporären Orte als „Performance“ (IP2: 86). Für sie findet sich dieses Motiv insbesondere auf Flohmärkten, die für sie gleichzeitig als Entdeckungsort fungieren (vgl. Abbildung 5-18; vgl. Kapitel 5.3.5). Abbildung 5-18: Beispiel eines temporären Entdeckungsorts

Quelle: A. Bruhl

In Bezug auf das Verhältnis von Stetigkeit und Wandel von Orten ist der Umstand, dass manche Dritte Orte sich seit langer Zeit nicht verändert haben und somit eine gewisse Erwartbarkeit und Berechenbarkeit an den Tag legen, für die

188 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Proband_innen wichtig. Ein Wandel, insbesondere in der gegenständlichen Einrichtung der Orte, wird insgesamt durchaus kritisch gesehen 73 und mit dem Verlust von Atmosphäre, Authentizität und nostalgischen Gefühlen verbunden (vgl. Kapitel 5.3.9; vgl. Kapitel 5.3.12). „Die hat sich über die Jahre nicht wirklich vom Innendesign weiter entwickelt. Da ist dieser abgeschnittene VW-Bus drin, diese etwas aus Styropor, ein [ähm] diese Inneneinrichtung wirkt halt noch so richtig handmade und so ein bisschen künstlerisch. Die Karte ist auch extrem für heutige Verhältnisse überfrachtet und [ähm] so ein buntes Sammelsurium durch die Küchen [Lachen] der Nation. […] Der halt nicht| sage ich mal, weil jetzt gerade Chrom und viel Glas modern ist, reißen wir das ganze Interieur raus und machen es irgendwie neu, sondern die sind so in ihrer Linie, auch wenn sie heute nicht mehr vielleicht dem Standard entspricht, sind sie sich einfach treu geblieben und das macht es auch| irgendwie finde ich total sympathisch. […] Auf der einen Seite denkt man sich ‚oh Gott, oh Gott, oh Gott. Ist hier die Zeit stehen geblieben?‘. Da fällt man so in eine Erinnerungsschleife von früher zurück, aber auf der anderen Seite ist das auch so ja, dann fühlt man sich dort einfach wohl. […] Es ist halt einfach ein Ort, da komme ich hin, da setze ich mich hin, da weiß, was ich zu erwarten habe. Da gibt’s vielleicht auch nicht große Überraschungen, sondern das| das läuft so durch und es ist gut. “ (IP10: 38-40)

Im Gegensatz dazu werden allerdings auch Orte als attraktiv beschrieben, die einen gewissen Überraschungsfaktor bereithalten 74. Dies gilt insbesondere für Orte, an denen Veranstaltungen wie Filmvorführungen oder Theaterauftritte stattfinden, weniger für Cafés oder Bars. „Aber man wird immer überrascht. An diesem Ort bin ich glaube ich noch nie mit der (..)| noch nie wurden meine Erwartungen zu 100 Prozent erfüllt oder noch nie ist genau das passiert, was ich gedacht habe. Ich hatte immer das Gefühl ‚huch... joa, kann man so machen‘ oder ich bin an Dingen hängen geblieben, an die ich vorher nicht dachte.“ (IP12: 135)

73 Vgl. IP10, IP11, IP12. 74 Vgl. IP9, IP12.

Empirischer Teil | 189

5.3.9 Nostalgische Empfindungen an und durch Dritte Orte Eines der häufig wiederkehrenden atmosphärischen Attribute, die mit beliebten Dritten Orten verbunden werden, sind nostalgischer Art 75. Das Gefühl der Nostalgie ergibt sich für die Proband_innen einerseits durch mit den Orten verbundene Geschichten und Legenden (vgl. Kapitel 5.3.12), es findet aber auf drei weiteren Ebenen statt. Erstens werden mit den Orten bestimmte prägende Erlebnisse verbunden, auf die nostalgisch zurückgeblickt wird 76. Diese Erlebnisse haben oftmals einen Bezug zum kreativ-urbanen Milieu. Es wird davon berichtet, wie man in das Milieu eingetreten ist, wie erste Kontakte geknüpft wurden oder wie erste Erfolge innerhalb der kreativen Tätigkeiten erfahren wurden. „[…] weil ich da meine erste Firma gegründet habe. [Ähm] und auch das erste Interview von der Zeitung über die erste Firma hatte (=ok=) und [ähm] das ist halt immer wieder ein Ort ist, wo man zu| Also wo man weiß, wo man halt Verträge unterschrieben hat. Die ersten in seinem Leben und das war halt in der Kneipe. Da an der Ecke an einem Tisch um zwei Uhr nachts. Genau.“ (IP14: 12)

Zweitens wird mit den Orten aufgrund bestimmter Merkmale die eigene Kindheit oder Jugend verbunden 77. Einerseits dadurch, dass manche der Dritten Orte bereits während der Schulzeit oder während des Studiums von einigen der Proband_innen besucht wurden und sie mit den Orten sozusagen gewachsen sind, andererseits aufgrund bestimmter Merkmale von Orten, die sie an früher erinnern. „[Ähm] (..) also das ist so auch mein Stammkiosk muss ich halt sagen, weil der natürlich noch eine klassische Bunte Tüte anbietet zum selbst Zusammensortieren.“ (IP10: 68) „[…] und da gibt’s einfach auch keine Ahnung| Das Getränk für 1,80 und dann ich mir so ‚das ist wie auf dem Dorf‘, so.“ (IP2: 78)

Anhand dieser oder ähnlicher Aussagen kann mit dem Attribut der Nostalgie der Wunsch nach einer Einbettung in klare und überschaubare Strukturen erkannt werden, wie sie die Proband_innen aus ihrer Kindheit oder Jugend kennen (vgl.

75 Vgl. IP1, IP2, IP3, IP4, IP5a, IP5b, IP7, IP8, IP10, IP11, IP12, IP13, IP14. 76 Vgl. IP2, IP4, IP12, IP14. 77 Vgl. IP1, IP2, IP3, IP4, IP5b, IP10, IP11, IP12, IP13, IP14.

190 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Kapitel 3.1.1). Wenn Dinge „wie auf dem Dorf“ (IP2: 78) oder wie „ein bisschen so zu Hause“ (IP1: 8) sind, werden sie insbesondere, aber nicht ausschließlich, von Proband_innen, die ursprünglich aus ländlichen Gebieten stammen, positiv hervorgehoben. Dies geht auch über die Beschreibung der konkreten Dritten Orte hinaus. Selbst das gesamte Milieu wird als ein Konstrukt verstanden, dass sich mit einem kindlichen Freundeskreis vergleichen lässt. Hier fühlen sich die Proband_innen eingebettet und weisen stabile soziale Beziehungen auf. Auch wenn die Beziehungen, je nach individuellem Netzwerktyp (vgl. Bingel et al. 2017: 462ff.), weniger durch echte Freundschaft als vielmehr durch eine Mischung aus Bekanntschaft und Arbeitskontakt geprägt sind. „Und das finde ich schon sehr besonders so und mich erinnert es auch ein bisschen an meine Kindheit [ähm], weil das da auch so war. [Ähm] und ich finde das echt schön. Da war es halt so ‚Ja ich gehe mal kurz zu XY‘ und dann klingelte man ‚Kommste raus spielen?‘. Und wenn derjenige nicht konnte, ist man eine Tür weiter gezogen und hat halt den nächsten gefragt. Und ich finde das echt schön. Also dass man da nicht so, oah, sich ewig verabreden muss […].“ (IP13: 50)

Auch anhand des Wunsches nach funktionaler Mischung auf Stadtquartiersebene werden nostalgische Gefühle erkennbar. Die Proband_innen wünschen sich Quartiere, in denen noch kleine inhabergeführte Geschäfte und Handwerksbetriebe ansässig sind und in denen Wohnen und Handel gleichzeitig stattfindet. „Orte mit Altbau, wo die Geschäfte noch unter den Gebäuden drin sind im alten und Leute noch drüber wohnen. Das ist halt ein urbanes Leben, das ist halt nich so dieser Großstadtflair, wo einfach nur Glasgebäude sind, sondern wo man wirklich noch Menschen trifft, wo man noch so Einzelhändler hat, was für mich einfach schön ist, immer da zu sein.“ (IP1: 2) „Ja, weil ich bin ja so der Handwerkstyp so. Also ich unterstütze dann lieber so den Braunschweiger Einzelhandel. So wurde ich erzogen.“ (IP1: 158)

Die Nostalgie weist zudem aber auch über das selbst Erlebte, über die eigene Lebenszeit hinaus. Denn drittens werden die Orte mit vergangenen Zeiten oder Stilepochen in Verbindung gebracht 78 und erfahren dadurch eine große Beliebtheit.

78 Vgl. IP1, IP2, IP3, IP4, IP5a, IP5b, IP7, IP8, IP10, IP11, IP12, IP13, IP14.

Empirischer Teil | 191

„Ich glaube, wenn man da noch an früher denkt, die ganzen Schreiberlinge und ganzen Autoren, die in Cafés gesessen haben. Also ich war auch in Wien letztes Jahr und da gibt es ja diese riesig großen Kaffeehäuser, wo sich auch alle Literaten getroffen haben und Akademiker und Künstler und (...) ihren Kaffee getrunken haben oder ihre Wiener Melange und dann die tollsten Bücher geschrieben haben.“ (IP2: 72)

Ein Beispiel für einen solchen Ort findet sich im Café Strupait wieder. Dabei handelt es sich um ein Café, das durch seine Inneneinrichtung, das gastronomische Angebot und das Verhalten des Personals auf offensichtliche Weise den als urkreativ empfundenen Wiener Kaffeehäusern nachempfunden ist und damit auf vergangene Zeiten verweist. Innerhalb des Milieus besteht durchaus das Selbstbewusstsein, sich mit Literaten oder hochintellektuellen Köpfen zu vergleichen, beziehungsweise sich in deren Tradition einzureihen. „Das hat so eine spezielle Architektur, die erinnert mich tatsächlich an frühere Einkaufszentren aus den 20er Jahren oder was weiß ich, die man zum Teil auch in England noch findet.“ (IP8: 368)

Weitere Verweise, die auf vergangene Zeiten Bezug nehmen, finden sich vornehmlich in Beschreibungen von architektonischen Merkmalen der Dritten Orte (vgl. Kapitel 5.3.3), sowohl auf die Innenarchitektur bezogen 79, als auch auf die Architektur bestimmter Gebäude sowie auf die gesamte Architektur eines Quartiers 80. Aber auch in Bezug auf grüngeprägte städtische Freiräume 81 werden nostalgische Empfindungen offenbar. Stadtparks werden insbesondere von den Probandinnen romantisiert und als Orte des Flanierens, der Ruhe und Kontemplation (vgl. Kapitel 5.3.17) verstanden. Zudem wecken einige Dritte Orte durch das dortige Warenangebot nostalgische Empfindungen, beispielsweise durch das Angebot von Schallplatten oder Antiquarischem 82 oder, in Bezug auf gastronomische Einrichtungen, das Angebot von bodenständiger Küche (vgl. Kapitel 5.3.7).

79 Vgl. bspw. IP1. 80 Vgl. bspw. IP1. 81 Vgl. IP13. 82 Vgl. bspw. IP2.

192 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

5.3.10 Freunde ohne Freundschaft Neben den in den vorangestellten Kapiteln thematisierten eher atmosphärischen Attributen relevanter Dritter Orte nimmt für die befragten Akteur_innen das Personal, vor allem in Gestalt der Betreiber_innen, eine enorm wichtige Stellung in der Bedeutung jener Orte für das kreativ-urbane Milieu ein 83. Durch die Anwesenheit des mehrheitlich immer gleichen Personalstamms wird eine persönliche Bindung zu den Besucher_innen aufgebaut. Es wird eine gewisse Beständigkeit der Orte produziert, die dazu führt, dass sich die Besuchenden wie „Freunde ohne Freundschaft“ (IP12: 46) oder zumindest wie Bekannte 84 mit den Betreiber_innen sowie weiteren Besucher_innen und damit letztlich mit dem Ort selbst verbunden fühlen. Dies lässt sich auf die uneingeschränkte Identifikation der Betreiber_innen oder auch der Bedienungen und Verkäufer_innen mit dem eigenen Ort zurückführen, die sich mittels Unterhaltungen und nonverbalen Handlungen auf die Gäste überträgt und eine persönliche Bindung aufbaut 85. Damit wird der Ort zum eigenen Ort der Besucher_innen. Das Gefühl der Wertschätzung gegenüber dem Besucher oder der Besucherin ist in diesem Zusammenhang ein ausschlaggebendes Kriterium. „Ich glaube das gehört untrennbar zusammen, weil [ähm] wenn (..)| Also Korbi ist halt jemand, der eine Atmosphäre schafft und diese ist halt mega gut so. Du fühlst dich immer krass gewertschätzt und es kommt halt null so an, als ob er| Natürlich, er macht das, damit er Geld verdient. Keine Frage. Aber der macht das auf so eine authentische Art und Weise bringt er diese Wertschätzung rüber, also nicht nur mir, sondern allen, die da hingehen. Das ist halt unfassbar| Das macht den Laden einfach unfassbar authentisch und man fühlt sich total| Man fühlt sich da voll wohl.“ (IP6: 67)

Bestimmte als positiv erachtete charakterliche Eigenschaften der Betreiber_innen und Angestellten werden in diesem Zusammenhang durch die Proband_innen besonders hervorgehoben. Dabei handelt es sich um Attribute wie „angenehmes Herz“ (IP1: 86), „liebe Seele“ (IP7: 40), „den Ort magisch machen“ (IP10: 46), „nahbar“ (IP5a: 128), „offen“ (ebd.: 128), „freundlich“ (IP3: 1) und „nett“ (IP14: 113). Es erscheint zunächst als selbstverständlich, dass Personal an konsumorientierten Orten freundlich sein sollte, um Kunden und Kundin-

83 Vgl. IP1, IP2, IP3, IP5a, IP5b, IP6, IP7, IP8, IP10, IP11, IP12, IP13, IP14. 84 Vgl. IP5a, IP11,12. 85 Vgl. IP3, IP5a, IP6, IP8, IP9, IP10, IP13, IP11, IP12, IP13, IP14.

Empirischer Teil | 193

nen zu gewinnen. Interessant ist aber, dass eine als übertrieben empfundene Nettigkeit, ein übertriebenes Kümmern eine gegenteilige Wirkung erzielt: „Vor lauter Freundlichkeit hat sich keiner getraut, als erste zur Toilette zu gehen. […] Ich finde es nicht natürlich, deswegen kommt es mir wie aufgesetzt vor und deswegen [ähm] ist es vielleicht auch ein bisschen schwer zu ertragen. (=mhm=) Dabei meinen die es vielleicht auch so. Mag ja sein. Genau. Also das ist auf jeden Fall ein Ort, wo ich nicht unbedingt hin muss. Da gibt‘s genug andere.“ (IP9: 43-45)

Gleichzeitig können auch üblicherweise als negativ kategorisierte Charaktereigenschaften des Personals als positiv angesehen werden 86, insofern sie als natürlich und authentisch eingeordnet werden. „Also es ist eine richtige thailändische Köchin und irgendwie auch ein bisschen mürrisch, aber großartig und super, super lecker und super toll.“ (IP2: 100)

Zudem werden die Betreiber_innen selbst als Mitglieder des Braunschweiger kreativ-urbanen Milieus identifiziert. An dieser Stelle zeigt sich deutlich, dass das betrachtete Milieu über innerhalb der Kultur- und Kreativwirtschaft tätige Personen hinausgeht (vgl. Kapitel 4). Die Möglichkeit, mit ihnen Gespräche zu führen oder auch nur potentiell führen zu können, die über einen reinen Bestellvorgang hinausgehen, macht einige der Dritten Orte für die Proband_innen aus 87, teilweise ist dies sogar der ausschlaggebende Grund für einen Besuch des Ortes 88. „[…] würde ich wahrscheinlich auch mit dem Typen hinter dem Tresen quatschen und mir Musik empfehlen lassen, aber es ist schon was Anderes im Riptide, wenn man da sitzt und [ähm] vielleicht ein bisschen länger quatscht.“ (IP3: 265)

In diesem Zusammenhang ist auch anzuführen, dass Mitglieder des kreativurbanen Milieus Wert darauf legen, dass Gespräche oder zumindest das Gegrüßtwerden auch außerhalb des originären Ortskontexts stattfindet, die persönliche Bindung also über den Dritten Ort hinaus aufrechterhalten wird 89. Damit wird ein Gefühl der eigenen Zugehörigkeit zum Milieu transportiert. Allerdings

86 Vgl. IP2. 87 Vgl. IP2, IP3, IP5a, IP8, IP12. 88 Vgl. IP3, IP7, IP14. 89 Vgl. IP3, IP11, IP12.

194 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

ist auch in diesem Zusammenhang erkennbar, dass der Kontakt innerhalb 90 und außerhalb des Ortskontextes aus Sicht der Proband_innen nicht als Zwang zur Konversation oder Interaktion empfunden werden darf. „[…] wobei die mich schon fast nervt. Also die hat mich dann irgendwann auch als Freundin bei Facebook hinzugefügt und lädt mich zu jedem Scheiß ein, schreibt mir private Nachrichten, dass ich ihre Sachen liken soll. Und das ist mir dann auch wieder zu viel.“ (IP2: 124)

5.3.11 Engagement im kreativ-urbanen Milieu Neben der persönlichen Einschätzung der charakterlichen Eigenschaften der Betreiber_innen (vgl. Kapitel 5.3.10) spielt auch deren Bekanntheit im gesamtgesellschaftlichen Leben in der Stadt eine Rolle. Einige Betreiber werden als „Marke“ (IP1: 148), „Ankerpunkt“ (IP10: 48) oder „Legende“ (IP5b: 3) auch über das eigene Milieu hinaus betitelt, sind namentlich bekannt 91 oder durch hervorstechende sichtbare Attribute 92 beschreibbar. Ein Grund für die Bekanntheit der Betreiber_innen ist jedoch das große Engagement für die Belange des kreativ-urbanen Milieus innerhalb des Gesamtstadtgefüges 93: „Auch ein sehr offener Typ [äähm] (..) Ja, der ist glaube ich sehr wichtig für die Stadt. Ich hoffe, dass die Stadt das weiß.“ (IP5a: 126)

Innerhalb des Milieus ist das Engagement einzelner Betreiber_innen von Dritten Orten sichtbar und wird deutlich hervorgehoben. Insbesondere ein bestimmter Betreiber wird als der Netzwerkknoten und aktive Player im Netzwerk des kreativ-urbanen Milieus schlechthin beschrieben 94. Gegenseitige Hilfe und Unterstützung 95 innerhalb des Milieus beispielsweise durch niedrigschwellige Beratung für andere Kreative 96 an dem eigenen Dritten Ort, Möglichkeiten der Ausstellung und des Verkaufs der Produkte und künstlerischen Erzeugnisse und von Kreativen des Braunschweiger Milieus (vgl. Abbildung 5-19) sowie ehrenamtli-

90 Vgl. IP2, IP3. 91 Vgl. IP2, IP3, IP5a, IP7, IP10, IP14. 92 Vgl. IP2, IP3, IP5b, IP7. 93 Vgl. IP2, IP3, IP5a, IP7, IP12, IP14. 94 Vgl. IP3, IP7, IP5a, IP12. 95 Vgl. IP5a, IP14. 96 Vgl. IP3.

Empirischer Teil | 195

ches, eigeninitiiertes und über einen längeren Zeitraum hinweg andauerndes Engagement 97 für deren Belange werden von den Proband_innen besonders hervorgehoben und geschätzt. Abbildung 5-19: Beispiel eines Ortes, der das Milieu unterstützt

Quelle: P. Schmitz

Ein weiterer Grund, bestimmte Dritte Orte zu besuchen, liegt darin, dass mit dem Besuch bestimmte Personen beziehungsweise etwas unterstützt wird, was aus idealistischen Gesichtspunkten heraus als unterstützenswert angesehen wird. Beispielsweise handelt es dabei um den gewünschten Erhalt der Braunschweiger Kioskkultur 98 (vgl. Abbildung 5-20).

97 IP5a, IP14. 98 Vgl. IP3, IP5a, IP5b, IP6, IP8, IP7, IP10, IP11, IP12, IP14.

196 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Abbildung 5-20: „ … support the local dealer.“

Quelle: C. Cordes

Als uneingeschränkt positives Merkmal beliebter Orte des Milieus kann die Identifikation des Personals mit dem jeweiligen Dritten Ort angesehen werden (vgl. Kapitel 5.3.10). Es wird von den Proband_innen honoriert, wenn sich die Betreiber_innen mit den eigenen Produkten identifizieren und sie sich in ihrem Metier auskennen 99. Wenn dies der Fall ist, wird zu diesem spezifischen Ort auf bewusste Art und Weise beigetragen. Das Konsumieren am Ort wird dann im Selbstverständnis als Spende oder Akt der Unterstützung gefasst, um die Betreiber_innen und somit das Milieu ideell und monetär zu stützen, insbesondere sofern die Betreiber_innen als dem Braunschweiger Milieu zugehörig identifiziert wurden 100. „[…] habe ich mit jedem Bier als Spender gefühlt ein bisschen.“ (IP11: 52)

Allerdings werden nicht nur die Betreiber_innen unterstützt. Auch wohltätige Zwecke, die darüber hinausgehen, werden anerkannt. Ein Dritter Ort, an dem die

99

Vgl. IP3, IP5a, IP6, IP7, IP11,12.

100 Vgl. IP5a, IP5b, IP8, IP10, IP12, IP14.

Empirischer Teil | 197

Erlöse dem Roten Kreuz zugutekommen, wird durchaus aus diesem Grund frequentiert: „Es ist halt was Anderes als eine normale Bar oder sowas halt und da steckt ja auch halt immer so der Charitygedanke noch damit. Genauso wie die Leute Krombacher trinken, ‚jetzt rette ich den Regenwald‘.“ (IP1: 98)

Allerdings kann anhand der Erzählungen der Proband_innen auch erkannt werden, dass Engagement für etwas Gutes, das hinter manchen Orten steht oder zu stehen scheint, nicht zwingend dazu führt, dass diese Orte gerne frequentiert werden. Der „Charitygedanke“ (IP1: 98) alleine reicht nicht aus, um Orte für das Milieu attraktiv zu machen, es bedarf vielmehr immer auch eines individuellen Mehrwerts oder Gewinns, den die Akteur_innen durch den Besuch des Ortes erfahren. „Ich war ja ein paar Mal drin und wenn ich drin war, habe ich mir die anderen Leute angeguckt und habe mir gedacht ‚ah, gute Menschen‘. […] Das sind gute Menschen, die rauchen sicherlich nicht, die trinken grünen Tee. [Ähm] Gerne vegan oder sind zumindest mal bio oder verzichten auf Kunststoff. So, ich bin selber (...) nur bedingt ökologisch. Ich gebe mir Mühe, aber die Mühe ist nicht immer ausreichend. Ich kann mir das| Ich kann mir kein Ökolabel aufdrücken, ich kann mir kein Gesundes-Essen-Label aufdrücken, kein Tierschutz-Label. Für all diese Label bin ich nicht genug von der Sorte.“ (IP12: 129)

Ähnlich wie das Engagement der Betreiber_innen für das lokale Gesamtmilieu oder gesamtgesellschaftliche Belange, wird von den Proband_innen betont, dass es unterstützenswert und wichtig ist, dass einige Betreiber_innen Möglichkeiten für Auftritte lokaler Künstler_innen bieten oder deren Kunstwerke beziehungsweise Produkte verlegen, verkaufen oder auch reine Ausstellungsmöglichkeiten für Künstler_innen bieten, denen die finanziellen Möglichkeiten für eine reguläre Vernissage fehlen. Dritte Orte fungieren somit als „Schaufenster“ (IP7: 50) für das kreativ-urbane Milieu 101. „Ja, die ha| verkaufen auch unsere Musik dort und also man hilft sich so gegenseitig irgendwie [ähm] die haben halt auch Interesse daran, lokale Bands zu unterstützen. Engagieren sich allgemein auch [ähm] (..) dadurch, dass sie ja auch ein kleines Plattenlabel sind. Neulich haben sie mit BoyOmega ein Konzert veranstaltet [äähm] also die sind ganz

101 Vgl. IP3, IP5a, IP10, IP14.

198 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

gut vernetzt so in der Stadt glaube ich und [ähm] im Herbst habe ich da – Sommer| es war Sommer – habe ich da ausgestellt.“ (IP5a: 136)

Die Erkenntnis, dass der Ort über das Medium Personal eine Aneignung erfährt (vgl. Kapitel 2.3; vgl. Kapitel 5.3.4), wird durch die meist sehr konsequente Ablehnung der Proband_innen gegenüber durch einen hohen Grad an Filialisierung gekennzeichneten Dritten Orten gestützt. Die Filialisierung an sich ist dabei nicht problematisch (vgl. Abbildung 5-21), sondern die Tatsache, dass hochfilialisierte Orte durch Personal bewirtschaftet werden, das nicht zugleich Betreiber_in des Ortes ist. „Ja (...) Was glaube ich auch noch so ein bisschen dazukommt ist| Es ist halt| Also die haben schon auch noch zwei weitere Filialen in Deutschland. Ich glaube eine auf Sylt und eine in Celle oder so, aber es ist halt nicht so eine Riesenkette […]. Und man kennt halt den| man kennt halt den Geschäftsführer oder den| den| den| den Betreiber halt für die Braunschwei| Also für die Filiale in Braunschweig auch. Der ist halt auch sehr bekannt.“ (IP10: 74)

Abbildung 5-21: Beispiel eines filialisierten, aber dennoch attraktiven Orts

Quelle: C. Cordes

Bei hochfilialisierten Dritten Orten kommt es zu häufigeren Personalwechseln und einer geringeren Identifikation des Personals mit dem Ort selbst und somit der Besucher_innen mit dem Ort. Jenen Orten fehlt sozusagen ein Gesicht, eine Identität.

Empirischer Teil | 199

5.3.12 Authentizität als Qualitätsmerkmal Dritter Orte Die Proband_innen sind bezüglich der Wahl ihrer Orte äußerst sensibel in der Wahrnehmung von Authentizität 102. Als authentisch werden von den Proband_innen vor allem Orte empfunden, die über eine eigene, im Idealfall lange Geschichte verfügen und denen diese lange Zeit der Existenz gleichfalls anzusehen ist (vgl. Kapitel 5.3.8; vgl. Kapitel 5.3.9). „Das ist ja auch, du kommst rein und es sieht, glaube ich, immer noch genauso aus wie vor dreißig Jahren. Die ganzen Bücher und alten Telefone und Hörer und alles stapelt sich und da ist noch ein Zigarettenautomat, der kein Ausweis braucht.“ (IP2: 78)

Darüber hinaus entsteht Authentizität für die Interviewpartner_innen aber auch mittels Geschichten, die über erfolgreiche Dritte Orte, im Sinne eines Storytellings, erzählt werden 103. So merkt ein Proband an, dass über bestimmte Orten jede und jeder Einzelne etwas zu erzählen habe, alle zu den Orten eine Erinnerung oder Gesichte erzählen könnten 104. Diese Geschichten können zum einen von den Proband_innen selbst in bestimmten Situationen erlebt worden sein und auch deutlichen Bezug zum kreativ-urbanen Milieu aufweisen, indem sie auf gemeinsam Erlebtes oder Initiiertes verweisen und somit zur gemeinsamen Identitätsbildung und in gewisser Weise auch Abgrenzung des eigenen gegenüber anderen Milieus beitragen 105 (vgl. Abbildung 5-22).

102 IP1, IP2, IP3, IP5a, IP5b, IP6, IP7, IP8, IP10, IP12, IP14. 103 Vgl. IP1, IP2, IP7, IP8,9, IP10, IP12, IP14. 104 Vgl. IP10. 105 Vgl. auch IP10.

200 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Abbildung 5-22: Beispiel eines durch einen milieueigenen Mythos geprägten Ortes

Quelle: C. Cordes „Es gab mal ein Problem und deswegen habe ich die auch noch so, glaube ich, im Bewusstsein abgespeichert. Es gab mal ein Problem mit den Anwohnern in diesem Haus und [ähm] Erna und Käthe haben damals über Unterschriftenlisten zum Erhalt des Ladenlokals […] dort vor Ort [ähm] aufgerufen. Und diese Revoluterkultur zu sagen, lass uns nicht Erna & Käthe wegnehmen, unseren Hotspot, diese Identifikation mit der Heinrichstraße und dem Ort, das ist mir auch noch so in Erinnerung geblieben.“ (IP10: 10)

Zum anderen werden aber auch Narrative über die Orte weitergetragen, ohne dass die heutigen Mitglieder des kreativ-urbanen Milieus selbst daran beteiligt gewesen wären. Eine gewisse Bildung von Legenden beziehungsweise Mythen, die sich um Orte ranken 106, spielen für die Attraktivität vieler Dritter Orte eine Rolle. Dies gilt auch für rein öffentliche Orte wie bestimmte Straßenzüge oder Straßenkreuzungen. „Diese Ecke hat für mich diesen anderen magischen Punkt, nämlich ein Mal im Jahr zu Silvester. (=Ok=) Da ist nämlich das öffentliche Walzertanzen mit 800 Leuten. […] Das ist genau diese Ecke, wo praktisch [ähm] das alles abgesperrt wird und Bierbuden aufgestellt werden und da findet praktisch dieser kulturelle| Wo man jeden trifft [ähm], der dort

106 Vgl. IP1, IP2, IP8, IP10, IP14.

Empirischer Teil | 201

einfach auf der Straße Walzer tanzt mit diesen Lautsprechern, die früher aus den Fenstern der Wohnräume oben früher rausgestellt wurden, um das Ganze zu beschallen. Das ist eher so eine Guerillaaktion wie das damals zustande gekommen ist und ja, das ist einfach dieser Ort.“ (IP10: 20-22)

Dass solche Legenden- oder Mythenbildungen durch die Proband_innen durchaus auch als solche entlarvt oder relativiert werden, ist dabei irrelevant und tut der Authentizität interessanterweise keinen Abbruch. „Es war schon mal hoch da in den 80ern, da haben auch die Ärzte gespielt. Bei den| In jedem Jugendzentrum haben früher mal die Beatsteaks oder die Ärzte| aber da auch […].“ (IP14: 7)

Neben Geschichten über die Orte hat bei der Frage nach Authentizität auch das Personal am Ort eine große Bedeutung inne (vgl. Kapitel 5.3.10) 107. So macht es konsumorientierte Orte für die Proband_innen authentisch, wenn das Personal sich selbst mit dem kreativen Milieu identifiziert 108, aber auch, wenn das Personal beispielsweise durch seine Herkunft mit den angebotenen Speisen oder Getränken identifiziert wird. Beispielsweise wird von den Interviewpartner_innen betont, dass „eine richtige thailändische Köchin“ (IP2: 100) in einem Imbiss mit asiatischer Küche anzutreffen ist. In Bezug auf ein Café mit neuseeländischen Kaffeespezialitäten wird hervorgehoben, dass der Betreiber tatsächlich aus Neuseeland stammt 109. Ebenso wichtig ist es für die Interviewten, dass an den Orten ein natürlicher Umgang mit den Besucher_innen gepflegt wird, dass das Verhalten des Personals also nicht als gezwungen und aufgesetzt wahrgenommen wird 110, man als Gast „nicht so bechichiet und betüddelt“ (IP8: 86) wird. „Eigentlich hat der Laden alles, was| was| was| was sich| mein Blick drauf gefallen ist. Eigentlich müsste der alles haben, was ich schätze an so einem Laden. Ein bisschen versteckt und jetzt nicht, ne. Also nicht versteckt, aber da kommt man nicht automatisch vorbei. Er hat die Fenster, dass man reingucken kann, er hat die Fenster, dass man rausgucken kann, es ist zusammengewürfelt und| und| und, aber trotzdem mag ich ihn nicht. Ich mag die Kaufbar nicht. Ich habe keine Ahnung warum. Ich| ob mir das zu sozial ist? Also ne| mein Gott. Beim LOT-Theater habe ich das Gefühl, ich gebe dem Verein irgendwas, ja?

107 Vgl. IP1, IP2, IP3, IP5a, IP5b, IP6, IP8, IP10. 108 Vgl. IP2, IP3, IP5a, IP10. 109 Vgl. IP7. 110 Vgl. IP1, IP8, IP9, IP12.

202 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Oder wenn ich bei Achim was getrunken habe, denke ich ‚das tut dem Wirt echt gut‘. Der hat es echt nötig. Bei der Kaufbar weiß ich gar nicht. Da habe ich irgendwie das Gefühl, das ist so ein| so ein| (...) da ist man zu sehr Gutmensch. […] [Ähm] ich finde| ich finde das ist zu sozial. Zu sozial, um sich zu amüsieren.“ (IP12: 106-109)

Orte, die die Proband_innen als nicht authentisch empfinden, werden gemieden 111. Dies lässt sich unter anderem daran erkennen, dass den präferierten Orten eine gewisse Schäbigkeit oder Rauheit bzw. Antiperfektionismus innewohnt und sie damit dem Fremdbild des Milieus entgegenstehen, aber auch daran, dass allzu offensichtlich inszenierte Dritte Orte wie beispielsweise die Schlossarkaden (vgl. Abbildung 5-23) durch alle Proband_innen abgelehnt werden (vgl. Kapitel 5.3.3). Abbildung 5-23: Beispiel eines als zu inszeniert empfundenen Orts

Quelle: A. Pause

Diese Ablehnung wird oftmals mit Kapitalismuskritik und Charakterlosigkeit der Orte in Verbindung gebracht. Generell werden Orte, die als Symbole für etwas stehen (vgl. Kapitel 2.3), das von den Proband_innen aus ihren politischen oder ethischen Überzeugungen heraus abgelehnt wird, als nicht authentisch und unpassend für das eigene Milieu empfunden.

111 Vgl. IP1, IP2, IP3, IP4, IP5a, IP8, IP9, IP10, IP11, IP12, IP14.

Empirischer Teil | 203

„Ne, das ist so ein| Das ist so für mich so [ähm] das eines der Symbolläden so von Kommerz (=ja=) so.“ (IP14: 65) „Die gehen nicht in jede Stadt, sondern die suchen sich halt auch Ladenlokale und Stadtgrößen aus, wo sie den und den Umsatz zu erwarten haben und das war| Also wenn dann praktisch schon ein Einkauf| neuer Einkaufstempel, der da entsteht, einen Starbucks bekommt, ist das irgendwie so der interne Oskar des Handels [ähm] oder irgendwas so in der Richtung. […] Ja und deswegen ist das für mich komplett das Gegenteil. Also deswegen mag ich das nicht.“ (IP10: 76-78)

Aber auch Orte, die genau das zu bedienen scheinen, was von den Proband_innen in der Regel befürwortet und als angenehm empfunden wird, dies aber in einer Weise tun, die den Interviewten als aufgesetzt oder zu bemüht erscheint, werden kritisiert und teilweise kategorisch abgelehnt 112, da sie als etwas „Gelabeltes“ (IP2: 90) oder als „zu hip“ (IP11: 56) kategorisiert werden (vgl. Abbildung 5-24). Abbildung 5-24: Beispiel eines als „gelabelt“ empfundenen Orts

Quelle: K. Bingel

Gleichzeitig wird allerdings der Versuch, etwas für das Braunschweiger kreativurbane Milieu anzubieten oder zu schaffen, seine ihm unterstellten Bedürfnisse zu befriedigen, durchaus anerkannt 113. Die Versuche werden jedoch von den Proband_innen als zu sehr an Vorbildern von hippen Orten in Kreativmetropolen

112 Vgl. IP1, IP2, IP5a, IP8, IP10, IP11, IP12. 113 Vgl. IP2, IP11,12.

204 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

wie Berlin orientiert entlarvt und damit lediglich als ‚Abklatsch‘ und folglich als nicht authentisch wahrgenommen 114. „Ach du liebes bisschen. Mit Verlaub. Allein der Name würde mich schon leicht abschrecken. (=Der Untertitel ist - Café, Bar, Wohnzimmer.=) Dieser Name würde mich noch mehr abschrecken. Das ist dann glaube ich aus Berlin| Also das ist so aus Berlin importiert und da wir nicht in Berlin sind, kann es (...) das Ikealiche| weiß ich nicht. Das ist mir zu aufgesetzt, glaube ich.“ (IP12: 179-181)

Ein weiterer Aspekt, über den die Proband_innen bei der Bewertung hinsichtlich der Authentizität berichten, ist die Erfüllung bzw. Nicht-Erfüllung der Primärfunktion des Ortes 115. Orte, die ihrer originären Funktion (beispielsweise das Angebot einer Tasse guten Kaffees an Orten, die sich als Cafés verstehen und präsentieren) nicht oder nur in rudimentärem Maße nachkommen, werden von den Interviewten kritisiert. „[Ähm] ich habe vorhin gesagt, wenn ich einen Kaffee bestelle, will ich einen Kaffee bekommen. (=Mhm=) Funktioniert da nicht.“ (IP14: 65)

Neben Kapitalismuskritik 116 und dem Beklagen einer gewissen Uneinzigartigkeit der Innenstädte aufgrund der zunehmenden Filialisierung und der damit einhergehenden Abnahme inhabergeführter Geschäfte und Cafés 117, führt auch das zu „durchgestylte“ (IP11: 175), das „gewollt hippe“ (IP5a: 138) das „klischeehafte“ (IP3: 241) dazu, dass jene Orte gemieden werden 118. Als Paradebeispiel eines nicht attraktiven konsumorientierten Ortes wird vielfach auf Starbucks verwiesen 119, wobei anerkannt wird, dass dieser Ort ehemals durchaus ein Ort kreativurbaner Milieus war, sich aber das Image und im gleichen Zuge die Klientel gewandelt habe. „Es ist ja einfach gar nicht mehr schick, mit einem Starbucks rumzulaufen.“ (IP2: 132)

114 Vgl. IP3, IP10, IP12. 115 Vgl. IP2, IP4, IP14. 116 Vgl. IP2, IP4, IP10, IP11, IP14. 117 Vgl. IP1, IP10. 118 Vgl. IP1, IP2, IP3, IP4, IP5, IP8, IP11,12, IP14. 119 Vgl. IP2, IP4, IP6, IP8, IP9, IP11, IP14.

Empirischer Teil | 205

Weiterhin versuchen die Proband_innen des kreativ-urbanen Milieus durch die Wahl ihrer Dritten Orte, dem durch Medien und Narrative platzierten Image ‚der Kreativen‘ (vgl. bspw. urbanshit 2015: o.S.; vgl. Stollowsky 2017: o.S; vgl. Rübsamen 2017: o.S.; vgl. Fellmann 2014: o.S) entgegenzustehen, insbesondere dem Image der Kultur- und Kreativwirtschaft. Dies lässt sich sehr deutlich anhand der Beschreibung des Ortes Starbucks durch mehrere Probanden nachvollziehen. „Starbucks ist für mich kein Ort von kreativen Milieus. Also da trifft man auch mal Leute, das ist dann eher so die| doch. Also ich glaube die, die sich selber unbedingt in die Situation begeben müssen und sich selber das Gefühl zwanghaft aufnehmen müssen, sind nun an einem metropolitischem Ort, einem großstädtischem Ort, die gehen zu Starbucks. Also so die, die das irgendwie| Früher hat man ja in Filmen, da haben die Leute Zigaretten geraucht. Wurden ja auch gesponsert, damit die Leute denken, es ist cool, eine Zigarette zu rauchen. Und heute ist es so mit den Kaffeebechern in den Filmen und dadurch sind ein Teil der Szene und der coolen Leute der Meinung, sie sind dann cooler, wenn sie einen Starbuckskaffee trinken. Deswegen hängt glaube ich ein Teil dieser Leute bei Starbucks rum. [Ähm] nüchtern betrachtet, ist es für mich aber nicht ein Ort von kreativen Milieus oder Kultur- und Kreativwirtschaft, sondern maximal aufgrund der Leute, die einen Starbucksbecher brauchen, weil sie denken, dass sie jetzt cooler sind.“ (IP7: 42) „Das ist so boaah, Sehen und Gesehenwerdenscheiße. Also das ist halt markenverseuchte Jugendliche, also ich weiß nicht.“ (IP6: 47)

Dass Mitglieder des kreativ-urbanen Milieus sich gerade nicht in die Schublade des Kreativmenschen, der seine ‚vermeintliche Arbeit‘ im Café bestreitet, legen lassen wollen, beschreibt ein Proband, während er den Umstand begründet, dass ein Ort, der vormals wichtig für das kreativ-urbane Milieu gewesen ist, nach einem Betreiberwechsel jedoch uninteressant für diese Zielgruppe geworden ist: „Es haben jetzt Leute übernommen. Es läuft weiter, aber letztes Jahr ist halt da dann im Nachgang nach so einer riesigen Eröffnung mit in jeder Zeitung war ja irgendwas und alle haben sich da auch hingestellt, um zu sagen, dass sie der Starbucksszene helfen. Danach ist halt nicht mehr viel passiert“ (IP14: 18).

5.3.13

Brüche und Kontraste im Raum und am Dritten Ort

Ein Merkmal, das in den Darstellungen der Proband_innen zu ihren beliebten Dritten Orten während der Interviews sehr präsent ist und immer wiederkehrt,

206 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

ergibt sich aus deren räumlicher Positionierung im Stadtgefüge. Von den Akteur_innen empfundene Kontraste oder Brüche im Raum, in der Stadtgestalt oder -atmosphäre oder auch bezüglich der an den Orten anzutreffenden Klientele sind attraktiv für die Mitglieder des kreativ-urbanen Milieus 120. Viele der Erzählsequenzen bearbeiten – mal implizit, mal explizit – diese Thematik. „Also wir waren im Theaterpark und dieses, dieses Modelleisenbahn, dass du irgendwie von oben drauf guckst und alles ist irgendwie rund und niedlich und alles ergibt irgendwie Sinn (...). Finde ich sehr schön. Also klar, es ist auch ein bisschen gutbürgerlich und spießig, wenn das alles so arrangiert ist, aber ich mag das. Ich finde das nett, weil es ja dann auch doch wieder Orte gibt, wo es auch wild und chaotisch ist (..), genau.“ (IP2: 48)

Selbst die Interpretation von Eigennamen beliebter Orte des Milieus spiegelt das Faible für Kontraste wider. „Ja, aber auch der Name. Also ich finde den Namen ja [ähm]| Der Inhaber ist glaube ich ein Türke oder Syrer oder Ähnliches. Also jedenfalls aus dem arabisch-südlichem Raum und nennt das Ding ‚Bier- und Wurstkontor - Futtern wie bei Muttern‘.“ (IP10: 88)

Am deutlichsten treten Kontraste beziehungsweise Brüche für das Milieu an insgesamt vier prominenten Stellen in der Stadt Braunschweig auf. Es handelt sich dabei einerseits um das Areal Breite Straße/Görderlinger Straße, zwei Parallelstraßen, die durch den Handelsweg miteinander verbunden sind (vgl. Abbildung 5-25) und andererseits um drei Bereiche innerhalb des so genannten FriedrichWilhelm-Viertels (vgl. Abbildung 5-6), das von wenigen Akteur_innen auch als ‚Kultviertel‘ bezeichnete Ausgeh- und Amüsierviertel Braunschweigs.

120 Vgl. IP 1, IP2, IP7, IP8, IP9, IP10, IP11, IP12, IP14.

Empirischer Teil | 207

Abbildung 5-25: Der Handelsweg als räumlicher Bruch

Quelle: eigene Abbildung auf Basis von openstreetmap.de

Der Handelsweg ist eine Verbindungsgasse, die früher durch eine Glaskuppelkonstruktion überdacht wurde. Es handelt sich um eine ehemalige Handelspassage mit einer bis ins 17. Jahrhundert zurückreichenden Geschichte. Er liegt zwischen zwei größeren Straßen in der westlichen Innenstadt Braunschweigs, sein Zugang befindet sich heute relativ versteckt innerhalb der gläsernen Fassade eines Möbel- und Inneneinrichtungsgeschäftes. Die Gasse wird von den Proband_innen sowohl in ihrer Gänze als Dritter Ort beschrieben (vgl. Abbildung 5-26), als auch einige der sich in ihm befindlichem Geschäfte, Cafés und Kneipen.

208 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Abbildung 5-26: Der Handelsweg als Dritter Ort

Quelle: C. Cordes

Er weist auf relativ kleinem Gebiet eine immense Angebotsvielfalt auf, die wiederum durch Kontraste bezüglich der Atmosphäre und des Kundenstamms geprägt ist 121. Das kreativ-urbane Milieu wird von bestimmten Orten innerhalb der Gasse explizit als Zielgruppe angesprochen. Dort befindet sich unter anderem dessen beliebtester Dritter Ort, das Riptide, das sich ungefähr auf halber Höhe der Passage über beide Straßenseiten erstreckt (vgl. Abbildung 5-26; vgl. Abbildung 5-27).

121 Vgl. IP8.

Empirischer Teil | 209

Abbildung 5-27: Der beliebteste Dritte Ort des Milieus, das Riptide

Quelle: C. Cordes

Die Beliebtheit des Ortes innerhalb des Milieus und die damit zusammenhängende große Bedeutung lässt sich sowohl quantitativ anhand sehr häufigen Nennung dieses Orts 122 in den Interviews sowie durch die im Zuge der Autofotografie aufgenommenen Fotos erkennen als auch qualitativ anhand der jeweiligen Aussagen und Beschreibungen in den Interviews (vgl. Kapitel 5.3.14). Der Handelsweg bildet zunächst einen städtebaulichen Kontrast zu seiner Umgebung und wird mit der Geschichte der Stadt Braunschweig verknüpft (vgl. Kapitel 5.3.9). „Und [ähm] der Handelsweg ist direkt in der Stadt, da ist aber trotzdem so ein bisschen| nee kein Kulturschock, aber so ein bisschen| es ist so ein bisschen, als würde man eine Tür in eine andere Welt aufmachen auf beiden Seiten. Man taucht ein in so eine Welt und geht aus der Welt wieder raus. Das ist| die hatte| diese Straße hat so eigene Spielregeln. Alles ein bisschen gemütlicher, es ist alles ein bisschen enger.“ (IP7: 30)

Mit dem Eintritt in diese Gasse wird ein angenehmer Atmosphärenwechsel verbunden (vgl. Kapitel 2.1.5), der sich einerseits durch die sich zur räumlichen Umgebung unterscheidende bauliche Struktur und Architektur ergibt. Anderer-

122 Vgl. IP1, IP2, IP3, IP5a, IP6, IP7, IP8, IP10, IP11, IP14.

210 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

seits spielt auch die Tatsache, dass es dort ruhiger und frei von Autoverkehr ist 123 eine Rolle. Mittels aufgestellter Bäume und über die Straße gespannter Lichterketten 124 oder Girlanden (vgl. Abbildung 5-26) wird durch das Betreiberkollektiv bewusst eine andere Atmosphäre geschaffen, die den Eindruck des Atmosphärenwechsels, den Eintritt in eine andere Welt 125, noch verstärkt. Das zweite Areal, in dem ein Bruch im Raum für die interviewten Mitglieder des kreativ-urbanen Milieus offensichtlich wird, ist im östlichen Bereich des Friedrich-Wilhelm-Viertels in Braunschweig zu finden. Dieses Viertel ist von der Existenz der Bruchstraße geprägt, in der sich Etablissements des Rotlichts befinden. Diese Straße ist durch Absperrungen, ähnlich der Herbertstraße in Hamburg, abgegrenzt und weist einen explizit ausschließenden Charakter in Bezug auf Frauen auf. Weiterhin befinden sich in dem Viertel vor allem Spielotheken, Nagelstudios, An- und Verkäufe, türkische/kurdische Bäckereien und Obst- und Gemüseläden, Handygeschäfte und Tabledance-Bars. Obwohl an dieser Stelle in der Stadt kein Bahnhof mehr vorhanden ist, herrscht dort die Atmosphäre eines Bahnhofsviertels. Im Zuge dessen wird das Viertel auch als Kristallisationspunkt von Drogenkriminalität und zwielichtigen Gestalten wahrgenommen, insbesondere zu den Tagesrandzeiten. Durch eine Quartiersinitiative (vgl. Kultviertel 2017: o.S) wird seit mehreren Jahren versucht, dem Trading-Down-Effekt entgegenzuwirken und das Image des Viertels zu wandeln. Dies gelingt auch zusehends, sodass sich für die Proband_innen anregende Kontraste ergeben (vgl. Abbildung 5-28). Der initiierte Wandel des Viertels wird durch die Interviewten auch durchgängig anerkannt und wertgeschätzt, wobei das Labeling als „Kultviertel“ von den Mitgliedern des kreativ-urbanen Milieus meist abgelehnt wird (vgl. Kapitel 5.3.12), insofern sie nicht selbst als Akteur an dieser Initiative beteiligt sind. „Also daran reibe ich mich auch so ein bisschen, an diesen Kultbegriff. Wenn du irgendwas schon als irgendwas bezeichnest, was es sein soll, ist es das nicht. Also sonst musst du es nicht bezeichnen und labeln.“ (IP2: 90)

123 Vgl. IP1, IP2. 124 Vgl. IP2. 125 Vgl. IP7.

Empirischer Teil | 211

Abbildung 5-28: Kontraste innerhalb des Friedrich-Wilhelm-Viertels

Quelle: P. Ziebart

Innerhalb des Viertels wird ein bestimmter Ort in besonderer Weise von den Interviewten hervorgehoben, der sich deutlich von seiner Umgebung unterscheidet, das Kaffeehaus Kiwi (vgl. Abbildung 5-29). Diesen Ort zeichnen einerseits atmosphärische Qualitäten aus, die durch Attribute wie Inneneinrichtung, ein spezifisches gastronomisches Angebot mit hoher Qualität, positiv besetzte Gerüche, freundliches, qualifiziertes und authentisches Personal etc. beschrieben werden (vgl. Kapitel 5.3.6; vgl. Kapitel 5.3.7; vgl. Kapitel 5.3.10). Der Ort wird aber auch explizit als Kontrast zu seiner Umgebung wahrgenommen und geschätzt. Insbesondere Probandinnen, aber nicht ausschließlich, heben dieses Café als willkommenen Kontrast zu dem Viertel hervor, gerade deshalb, weil von ihnen erkannt wird, dass es sich um eine „schwierige Lage“ (IP7: 54) handelt. Gleichzeitig wird dabei der geschützte Raum des Cafés als angenehm empfunden.

212 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Abbildung 5-29: Beispiel eines atmosphärischen und klientelbezogenen Bruchs

Quelle: K. Bingel

Der dritte Bereich, an dem ein solcher Bruch stattfindet, befindet sich ebenfalls innerhalb des Friedrich-Wilhelm-Viertels, allerdings im nördlicheren Teil, dem Bankplatz (vgl. Abbildung 5-30). Hier wird, namentlich durch das Café/Restaurant Vielharmonie, von den Interviewten ein Bruch beschrieben, der konträr zu dem beschriebenen Bruch durch das Kaffeehaus Kiwi steht. Abbildung 5-30: Karte des Bankplatzes mit Markierung des Dritten Ortes Vielharmonie

Quelle: eigene Abbildung auf Basis von google.maps

Empirischer Teil | 213

Die Klientel in diesem Bereich der Stadt ist laut den Proband_innen, zumindest tagsüber an Werktagen, durch Bankangestellte und Wirtschaftsvertreter_innen geprägt, mit denen sich die Mitglieder des kreativ-urbanen Milieus nicht identifizieren. Mit dem Eintritt in den Ort Vielharmonie verändert sich das Klientel allerdings zum Positiven für die Interviewten. „[…] selbst die Leute, die hier förmlich reinkommen, also mit Anzug und Schlips und Krawatte und die hier irgendwelche förmlichen Treffen abhalten, werden dann so in eine lockere Atmosphäre untergeordnet quasi, weil sie gleich geduzt werden und weil hier irgendwelche lässigen […] und also selbst wenn man hier mit einem Stock im Arsch reinkommt, muss man quasi gleich ein bisschen lockerer werden, weil es der Ort quasi hergibt.“ (IP7: 8)

Der vierte Bereich eines von den Interviewpartner_innen geschätzten Kontrastes liegt auf dem Friedrich-Wilhelm-Platz selbst. Dort wurden Designerbänke aufgestellt, die nachts beleuchtet sind (vgl. Abbildung 5-31) und als Treffpunkt von Mitgliedern des kreativ-urbanen Milieus in den Sommermonaten dienen. Abbildung 5-31: Beispiel eines atmosphärischen Bruchs

Quelle: N. Jonscher

Obwohl in den lokalen Medien über Vandalismus und Verschmutzungen der Bänke berichtet wird (vgl. Obi-Preuß 2016: o.S.), lobt ein Proband explizit deren Sauberkeit 126, die in einem gewissen Kontrast zu dem als schmuddelig empfundenen öffentlichen Raum des Viertels steht. Darüber hinaus wird auch schlicht und einfach das Design der Bänke als ansprechend empfunden. 126 Vgl. IP1.

214 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

„Da möchte ich mich auch gerne drauf setzen, weil es nicht einfach so ein Kunstwerk ist, was von den Tauben in Beschlag genommen wurde.“ (IP1: 16)

Mit der Beleuchtung der Bänke wird ein gesteigertes Sicherheitsempfinden verbunden, dies gilt sowohl für die weiblichen als auch für die männlichen Probanden. Dies steht ebenfalls in Kontrast zu den allgemeinen Empfindungen in dem durch das Rotlicht geprägte Viertel. Wobei der Friedrich-Wilhelm-Platz sowie der Dritte Ort Kaffeehaus Kiwi auch durchaus dem Voyeurismus einzelner Probanden zuträglich sind und gleichzeitig einen klientel- oder milieubezogenen Bruch darstellen. „[…] es ist auch interessant, wenn man sich mal so am Friedrich-Wilhelm-Platz mal hinsetzt und mal so sieht, was für Leute aus der Breiten Straße 127 rauskommen.“ (IP1: 28) „Also ich kenne das auch von den Betreibern und auch Gästen, die sagen ‚ich finde das eigentlich gerade witzig, im Kiwi zu sitzen und gegenüber so das Treiben von Freiern‘.“ (IP7: 56)

Eine weitere Art eines räumlichen und atmosphärischen Bruchs, der sich an mehreren, dispers verteilten Orten im Stadtgebiet findet, wird von den Proband_innen mithilfe des Bildes Urlaub 128 beschrieben (vgl. Abbildung 5-32). Abbildung 5-32: Beispiel eines Ortes, der mit Urlaub assoziiert wird

Quelle: A. Bruhl

127 Durch Nachfrage hat sich ergeben, dass der Proband die „Bruchstraße“ meint, nicht die „Breite Straße“. 128 Vgl. IP1, IP2, IP8, IP9, IP10, IP11,12.

Empirischer Teil | 215

Einige der Dritten Orte weisen danach bestimmte bauliche oder atmosphärische Merkmale auf, die die Interviewten mit Urlaub und Erholung verbinden, insbesondere mit mediterranem Flair und der Destination Italien 129. In diesem Zusammenhang kann auch das Fotografieren von verschiedenen Schwimmbädern durch mehrere Proband_innen interpretiert werden (vgl. Abbildung 5-33). Abbildung 5-33: Schwimmbäder als Orte, die mit Urlaub assoziiert werden

Quelle: oben A. Pause/unten T. Wiatrowski

Aber auch an rein öffentlichen, grüngeprägten Dritten Orten wie Stadtparks werden Kontraste als positiv empfunden und von den Proband_innen als Dritte Orte temporärer Art identifiziert. „Also dieses Haus mitten im Wald (..). Auch so ein bisschen auf einer Lichtung (..), das die ganze Zeit Krach macht und leuchtet und blinkt und da finde ich diesen Kontrast so schön zwischen diesen sehr kitschigen Motiven, diesen Herzen und es sah ein bisschen aus wie Jahrmarkt oder (..)| Also diese Lichterketten haben mich an Jahrmarkt erinnert und gleichzeitig aber auch so eine verstörende Musik, die irgendwie aus einem Horrorfilm kommen könnte.“ (IP2: 44)

In diesem Zitat findet sich die Beschreibung eines doppelten Kontrasts. Einerseits der eines Hauses inmitten des als Natur klassifizierten Theaterparks, andererseits der Kontrast zwischen dem pittoresk anmutenden Haus und der verstörenden Musik, die dort zu hören ist. Es handelt sich hierbei um einen temporären Ort, die Installation „...But No One’s Home“ des Künstlers Kevin Schmidt (vgl.

129 Vgl. IP1, IP2, IP10.

216 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Abbildung 5-34) anlässlich des Lichtparcours im Jahr 2016 der Stadt Braunschweig (vgl. Stadt Braunschweig 2016: o.S.). Kontraste werden als positiv empfunden, da die Proband_innen davon erzählen, dass es etwas mit ihnen mache (vgl. IP2: 50), sie berühre und inspiriere 130. Abbildung 5-34: Beispiel eines doppelten Kontrasts

Quelle: A. Bruhl

Die Suche nach Inspiration zeigt sich auch in der Hervorhebung des Kontrasts, der sich in Bezug auf im engeren Sinn künstlerische Orte im Vergleich zu einer als sehr nüchtern und funktional empfundenen Umgebung ergibt 131. Also, ich finde das ist so ein ganz wilder, chaotischer Ort, der gar nicht so richtig in die Stadt gehört. […] Also das sind ja nicht unbedingt Kunstwerke und Bilder, die man auf dem Bild sieht, sondern eher Schmierereien und Graffiti (..) und trotzdem ist es| Man merkt | Vielleicht wenn man es weiß, merkt man, dass da irgendwie Künstler arbeiten. (IP2: 20)

Dies zeigt sich am deutlichsten innerhalb des westlichen Ringgebiets, das einerseits durch Geschosswohnbauten in geschlossener Bauweise mit einer sozioöko130 Vgl. IP10, IP14. 131 Vgl. IP8, IP10, IP12.

Empirischer Teil | 217

nomisch schwächeren Bewohnerschaft gekennzeichnet ist, andererseits aber auch die Ateliergebäude der Hochschule für Bildende Künste beherbergt. Insbesondere die Blumenstraße und der Innenhof der Hochschule werden dabei von den Interviewten als „Insel […], auf die ich manchmal in den Urlaub fahre“ (IP11: 141) bezeichnet, worin sich erneut das Motiv des Urlaubs wiederfindet (vgl. Abbildung 5-35). Abbildung 5-35: Beispiel eines (Durch-)Bruchs im westlichen Ringgebiet

Quelle: A. Bruhl

Als weiterer Hinweis darauf, dass Kontraste als angenehm empfunden werden, kann darin gesehen werden, dass von mehreren Probandinnen Orte gewürdigt werden, an denen urbanes Gärtnern stattfindet (vgl. Kapitel 2.3). Dies bringt sowohl funktionale, stadtgestalterische und atmosphärische, als auch in einigen Fällen klientelbezogene Kontraste zum Vorschein (vgl. Kapitel 5.3.17) 132. 5.3.14

Hybridität und funktionale Unbestimmtheit Dritter Orte

Ein weiteres Merkmal, das sich in den Erzählungen der Proband_innen zu den von ihnen bevorzugt frequentierten Orten zeigt, ist deren Hybridität. Es finden sich bei allen Akteur_innen explizite Verweise auf die Bevorzugung funktionaler Unbestimmtheit beziehungsweise komplementärer, aber auch kontrastierender

132 Vgl. IP2, IP7, IP9.

218 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Funktionen 133. Lediglich ein Proband lehnt dies an mehreren Stellen des Interviews völlig ab 134. Der Grund für die Bevorzugung latent unbestimmter Funktionen der Orte liegt für die Proband_innen darin, dass die Hybridität oder Variabilität der Orte für die Akteur_innen eine gewisse Handlungsoffenheit ermöglicht. Sie werden damit im wörtlichen Sinne als Möglichkeitsräume wahrgenommen, die diverse Formen der Aneignung eröffnen (vgl. Kapitel 2.3). So werden mehrere Orte erwähnt und für essentiell für das eigene Milieu befunden, die nicht eindeutig einem Ortsgenre zuzuordnen sind und gerade dadurch stimulierend auf die Kreativität ihrer Besucher_innen einwirken (vgl. Kapitel 4.4). Explizit handelt es sich dabei vor allem um das Riptide, ein Café mit inkludiertem Plattenladen sowie gelegentlicher Livemusik und Ausstellungen lokaler, dem kreativ-urbanen Milieu zugehöriger Künstler_innen (vgl. Abbildung 5-36). „[…] die sind so ne ganz nette Schnittstelle zwischen Café und (..) Kulturveranstalter mit Konzerten und Ausstellungen […]. Die kriegen viele interessante Dinge so zusammengefügt (...)“ (IP5a: 136)

Abbildung 5-36: Beispiel eines mehrfach hybriden Ortes

Quelle: A. Riedel

Inwiefern die verschiedenen Funktionen des Ortes von den Proband_innen tatsächlich in Anspruch genommen werden, die Möglichkeitsoptionen also tatsäch133 Vgl. IP1, IP2, IP3, IP4, IP5a, IP6, IP7, IP8,9, IP10, IP11, IP13, IP14. 134 Vgl. IP12.

Empirischer Teil | 219

lich ausgereizt werden, ist dabei für sie nicht entscheidend. Es genügt allein der Anschein von Hybridität beziehungsweise die theoretische Möglichkeit, an dem Ort auch etwas anderes machen zu können als das, was als seine primäre Funktion gedacht zu sein scheint. „[…] für mich sind die Platten, die da verkauft werden, reine Deko. Also ich weiß, dass Menschen da Platten kaufen und dass die sich da total gut auskennen. Auch die Verkäufer und da ich aber selber keine Platten kaufe und auch nicht Platten höre, ist das für mich wirklich nur ein hippes Ambiente eben.“ (IP11: 121)

Beachtlich ist, dass selbst die Vorspiegelung einer Funktionsmischung für die Interviewten ausreichend ist, um den Ort für sie attraktiv erscheinen zu lassen. In diesem Zusammenhang spielt eine Legendenbildung bezüglich des Ortes eine Rolle, die dazu führt, dass der Ort dennoch weiterhin als authentisch wahrgenommen wird (vgl. Kapitel 5.3.12). „Das Lindbergh hieß doch früher mal Hotel Lindbergh. Das war schon immer so einen Charakter, als wenn man da angeblich auch schlafen könnte, aber die haben ja keine Zimmer.“ (IP1: 106)

Generell wird das Anbieten von verschiedenen Veranstaltungsformaten, die teilweise keinerlei Gemeinsamkeiten aufweisen 135, als bereichernd und den eigenen Horizont erweiternd wahrgenommen 136. Dies gilt auch für Orte, die an sich nicht für das Austragen von Veranstaltungen konzipiert und geeignet sind 137. So wird beispielsweise gelobt, dass sich Cafés immer mehr auch zu Galerien entwickeln und dort beispielsweise Vernissagen stattfinden 138. „dieses unendliche Gefühl| oder dieses| diese scheinbar unendliche Freiheit, die da herrscht. Dass dieser Raum mit allem benu| mit allem bespielt werden kann, was es gibt.“ (IP12: 133)

Insgesamt handelt es sich bei diesen hybriden Orten in der Mehrzahl um Cafés. In einigen dieser Cafés besteht die Möglichkeit, Teile der Inneneinrichtung käuflich zu erwerben.

135 Vgl. IP3, IP4. 136 Vgl. IP3, IP4, IP5a, IP7, IP9, IP10, IP12, IP14. 137 Vgl. IP10. 138 Vgl. IP10.

220 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

„[…] auch was man da halt alles kaufen kann. Man sagt da auch ‚ach der Stuhl ist ganz bequem, den nehme ich mit‘.“ (IP1: 96)

Dabei handelt es sich entweder um Second-Hand-Artikel oder um qualitativ sehr hochwertige Produkte wie Porzellan, Delikatessen, besondere Gewürze oder Zubehör zur Kaffee- oder Teezubereitung (vgl. beispielhaft Abbildung 5-37; vgl. Kapitel 5.3.7). Abbildung 5-37: Beispiel eines hybriden Ortes (Café Tante Emmelie)

Quelle: C. Lischka

Eine Hybridität tritt aber nicht nur in der Möglichkeit des erweiterten Konsums zu Tage, sondern die Proband_innen verweisen auf eine Reihe anderer Kombinationen. Beispielsweise wird die Nahversorgungsfunktion 139, die einige der Orte neben ihrer eigentlichen Bestimmung aufweisen, betont. „Der verkauft dir Fahrkarten für die Verkehrs-AG, der bestellt Zeitungen […], hat der Brötchen sonntags verkauft, der nimmt Pakete an. Das ist [ähm] (..) ja, das ist so das kleine soziokulturelle Zentrum [ähm] der Gliesmaroder Straße, weil der einfach so viele Sachen halt auch bietet.“ (IP10: 68)

139 Vgl. IP1, IP9, IP10.

Empirischer Teil | 221

Das Motiv der gegenseitigen Unterstützung im eigenen Milieu spielt an vielen der funktional gemischten Orte eine Rolle 140. Einerseits hat die Hybridität für die Interviewten Vorteile, da lokalen Künstler_innen an einigen Orten die Möglichkeit gegeben wird aufzutreten, auszustellen oder zu proben und so mit dem Besuch der Orte einerseits verbunden wird etwas Gutes zu tun (vgl. Kapitel 5.3.11), andererseits Kunst konsumiert werden kann. „Die machen halt auch (...)| Ja, die machen einfach gute Sachen und geben halt auch Bands die Möglichkeit, da zu proben, ne. Da gibt‘s ja auch Proberäume und [äähm] ja, ganz wichtig für die Stadt.“ (IP5a: 168)

Gleiches wird über einen eigentlich auf den Einzelhandel ausgerichteten Dritten Ort berichtet, indem hervorgehoben wird, dass dort niedrigschwellige Beratungsangebote für kreativ Tätige stattfinden, die das Ziel haben, sich innerhalb der Kultur- und Kreativwirtschaft selbstständig zu machen. „[…] und dann gibt es da ja auch die [äähm] Beratung für Kreative, also Gründerberatung mit dem Kulturinstitut, ne mit dem Gründerzentrum zusammen.“ (IP4: 159)

Darüber hinaus werden Ladengeschäfte, öffentliche Plätze und Cafés als Treffpunkte zum Zweck der informellen und spontanen Kommunikation innerhalb des kreativ-urbanen Milieus verwendet (vgl. Kapitel 4.4; vgl. Kapitel 5.3.15), aber auch als Arbeitsorte 141. Dies gilt vor allem an Orten, die gewisse Merkmale aufweisen, die das Arbeiten ermöglichen (beispielsweise durch W-LAN, ausreichend große Tische, nicht zu laute Musik 142) und wo es durch das Personal unterstützt beziehungsweise zumindest nicht unterbunden oder gestört wird. „Und wenn man nett fragt, drucken die einem sogar was aus.“ (IP3: 60)

Allerdings werden die Orte in den seltensten Fällen aus dem Grund heraus aufgesucht, dort viel und lange zu arbeiten. Vielmehr wird es als angenehm empfunden, dort nebenbei auch etwas arbeiten zu können oder sich mit Personen verabreden zu können, mit denen eine wie auch immer geartete Arbeitsbeziehung besteht. Solche Treffen im eigenen Büro oder an der originären Arbeitsstel-

140 Vgl. IP1, IP4, IP5a, IP14. 141 Vgl. IP3, IP5b, IP6, IP7, IP10, IP14. 142 Vgl. IP3, IP5b, IP10, IP14.

222 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

le abzuhalten, ist für einige der Befragten nicht möglich, da sie oftmals von zu Hause aus tätig sind (vgl. Kapitel 3.1.1). „Und so diesen Mix aus ich muss jetzt irgendwas| irgendein Treffen machen, aber es ist nicht richtig Arbeit, sondern ein Zwischending, da ist das einer der ersten Anlaufpunkte, wo| oder hier mal kurz arbeiten, weil die auch W-LAN haben […].“ (IP14: 95)

Dies gilt selbst für Orte, die primär die Funktion eines Arbeitsortes innehaben, beispielsweise Co-Working-Spaces, aber von den Interviewten vielmehr als Café oder Begegnungsraum des eigenen Milieus verstanden werden (vgl. Abbildung 5-38) 143. Abbildung 5-38: Hybridität von Arbeit und milieuinterner Kommunikation

Quelle: R. Knoll

Eine von vorneherein angelegte Funktionsvielfalt von Orten wird von den Proband_innen ebenso geschätzt. Dabei handelt es sich insbesondere um Kulturzentren 144. Hier wird allerdings darauf verwiesen, dass Kulturzentren für spezifische Personengruppen eine besonders große Bedeutung haben. Dabei nennen die Proband_innen insbesondere Personen mit eigenen Kindern, ältere Personen, Migrant_innen und Personen mit körperlichen Einschränkungen, aber auch die Subszene der freien Künstler_innen innerhalb des kreativ-urbanen Milieus (vgl. Kapitel 5.3.17). „Benjamin von Stuckrad-Barre hat gelesen. Ja, sonst ist es aber nichts, wo ich jetzt sage ich mal im Sommer hingehen würde, um ein Bier zu trinken. Also die haben da ja auch 143 Vgl. IP7, IP14. 144 Vgl. IP1, IP3, IP4, IP5a, IP7, IP14.

Empirischer Teil | 223

Restaurantbetrieb und es ist so […] nur Veranstaltungen. Ja aber, weil das Publikum da auch ein bisschen älter ist, würde ich jetzt sagen da.“ (IP3: 147)

Meist werden die Kulturzentren von den Befragten nur zu bestimmten Veranstaltungen frequentiert, die innerhalb des jeweiligen Interessengebiets liegen. Im Gegensatz zu anderen Dritten Orten brauchen die Proband_innen also einen konkreten Grund oder Anlass, um den Ort zu besuchen, was unter anderem auch mit dem qualitativen Anspruch der Akteur_innen in Verbindung gebracht werden kann (vgl. diesbezüglich Kapitel 5.3.7). Es wird aber gleichzeitig explizit davon gesprochen, dass sie als Dritte Orte des kreativ-urbanen Milieus einzuordnen sind 145. 5.3.15 Ungeplante, aber planbare Begegnungen an Dritten Orten Bezüglich der Dritten Orte wird von allen Proband_innen davon berichtet, dass dort informelle Begegnungen möglich sind und damit Kommunikation und Interaktion betrieben werden (vgl. Kapitel 3.1.2; vgl. Kapitel 4.4). Dies wird von allen Interviewten als ein Hauptgrund beschrieben, warum sie die Orte überhaupt aufsuchen. Die Begegnungen sind dabei zwar oftmals nicht geplant, aber durchaus planbar. So planen die Besucher_innen weniger, wen genau sie wann genau dort treffen, als vielmehr, dass sie den Ort besuchen, um (irgend)jemanden aus ihrem Milieu zu treffen. Zwar wird sich an diesen Orten auch verabredet, aber das, was die Interviewten an den Orten explizit schätzen, ist die Möglichkeit spontaner Begegnungen 146. „Da sind alle, mit denen man nicht reden möchte, aber über die man reden möchte und [ähm] und alle, die| mit denen man redet und es auch tut. Und der, der immer da ist, ist auch immer da.“ (IP3: 144)

Bei den spontanen Begegnungen handelt es sich meist um Begegnungen mit Personen, die den Proband_innen bereits bekannt sind. Entweder sind sie mit den betreffenden Personen befreundet, sie kennen sich aus dem kreativ-urbanen Milieu oder es besteht eine Mischung aus Freundschaft, Bekanntschaft und Arbeitsbeziehung (vgl. Bingel et al. 2017: 464). 147

145 Vgl. IP7. 146 Vgl. IP1, IP2, IP3, IP4, IP5a,b, IP6, IP7, IP8, IP9, IP10, IP11, IP12, IP13. 147 Vgl. IP1, IP2, IP3, IP4, IP5a,b, IP6, IP7, IP8, IP10, IP11, IP12, IP13, IP14:43.

224 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

„[…] besuche das Riptide schon sehr häufig und auch dort ist| das ist ein Ort für mich, wo viele [ähm] wo ich viele Bekannte treffe und auch viel über Kultur nachdenke, spreche und [ähm] viele Menschen treffe, die sonst im Kulturleben unterwegs sind. (IP3: 1)

Die Interviewpartner_innen erzählen davon, dass sie auf jeden Fall einen oder mehrere der Gäste kennen würden, unabhängig davon, wann sie die Orte aufsuchen würden. Dies motiviert sie dazu, die Orte zu besuchen, da sie sicher sein können, auf jemanden zu treffen, mit dem sie sich unterhalten können. „Ja, also dann (..) wenn ich da hingehe, treffe ich ja eh wen, den ich kenne.“ (IP14: 43) „Ja das Riptide ist so, wenn man da hinkommt, da sieht man immer jemanden, den man flüchtig kennt oder mindesten vom Sehen. Also das ist mir noch nie passiert| Also manchmal gehe ich auch nur lang, bin im Puttchen, aber gehe am Riptide irgendwie vorbei oder hole mir da ein Essen. [Ähm] und dann sehe ich ‚ah, da sitz XY‘. Das ist schon bemerkenswert. So klein ist Braunschweig ja auch nicht, aber anscheinend (..) konzentriert sich das da.“ (IP11: 56)

Einerseits ist dies insbesondere für die Probandinnen ein Umstand, der den Besuch der Orte erleichtert (vgl. Kapitel 5.3.17) 148. Es spielt aber auch durchaus die Motivation eine Rolle, den Ort zu besuchen, um Informationen über Vorkommnisse und Planungen innerhalb des kreativ-urbanen Milieus, über anstehende Veranstaltungen oder Ähnliches zu erfahren 149. Es wird auch davon berichtet, dass an den Dritten Orten oftmals gemeinsame Projekte überlegt und initiiert werden, es in einer ungezwungenen und informellen Atmosphäre zu Synergieeffekten über Professions- und Hierarchiegrenzen hinweg kommt 150, was gerade für oftmals in befristeten Projekten tätige Kreative von besonderer Wichtigkeit ist, um potentielle Anschlussprojekte für sie zu identifizieren oder anzuregen und damit die Unsicherheit zu minimieren (vgl. Kapitel 3.1.1). „Ich war auch in der Tat nicht da, um was zu kaufen, sondern [ähm] was habe ich gemacht? Wir haben glaube ich über Stadtfinder irgendwas geplant gehabt.“ (IP10: 65)

148 Vgl. IP3. 149 Dies gilt insbesondere für Mitglieder der Kultur- und Kreativwirtschaft i.e.S. (vgl. Kapitel 3.2) und Akteur_innen der intermediären Ebene (vgl. Bingel et al. 2017: 465f.; vgl. Abbildung 4-2). 150 Vgl. IP1, IP2, IP3, IP6, IP7, IP8, IP9, IP11, IP12, IP13, IP14.

Empirischer Teil | 225

Anhand der Erzählungen der Proband_innen kann konstatiert werden, dass die, wenn auch nur vermeintlich existierende Möglichkeit, bei Prozessen anwesend sein zu können, die eine Bedeutung für das Gesamtmilieu oder auch darüber hinaus haben, für sie ein Grund für den Besuch einiger Dritter Orte ist (vgl. Abbildung 5-39). Abbildung 5-39: Hinterzimmer des KingKing-Shops als Netzwerk-Ort für das kreativ-urbane Milieu

Quelle: P. Schmitz „[…] hat Bock gebracht, weil da halt Programmierer, Filmeleute, Designer, App-Leute alle an einem Tisch saßen und da kamen halt Synergieeffekte bla, blubb und man hat ein paar Projekte zusammen gemacht und man hat da einfach die Kontakt| Die Kontakte [ähm][ähm] gebündelt den Sommer, die jetzt immer noch da sind so (=mhm=).“ (IP14: 33)

Dabei berichten die Interviewten davon, dass sie je nach Intention, je nach Anliegen, Idee oder Projekt, das sie beschäftigt und über das sie sich gerne austauschen wollen, ganz spezifische Dritte Orte aufsuchen. Ihnen ist bewusst, welche Personen oder Personengruppen sich an den jeweiligen Orten höchstwahrscheinlich aufhalten. „Das ist ja auch so in Braunschweig. Du weißt immer, wer wo hingeht. Du weißt, wer in der Walhalla in die Konzerte geht, kannst dir vorstellen, wer in die Klaue geht oder ins B28 (=58=) 58. Also irgendwie, das ist so ein bisschen berechenbar. Also weil man (..) [ähm] (..)| genau. Wenn man da hingeht weiß man, wer da auf einen wartet sozusagen.“ (IP2: 124)

226 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Face-to-Face-Kontakte spielen für die Mitglieder des kreativ-urbanen Milieus folglich eine sehr große Rolle (vgl. Kapitel 2.4.2). Einerseits da sich die Proband_innen im Zusammenkommen mit anderen ihrer gemeinsamen Lebenswelt versichern, sich verstanden fühlen. Andererseits dadurch, dass Gespräche zwischen den Akteur_innen entstehen, in denen implizites Wissen zirkuliert, was als inspirierend und der eigenen Kreativität zuträglich empfunden wird (vgl. Kapitel 3.1.2) und resultierend daraus gemeinsame Ideen und konkrete Projekte entstehen, die von einer Person alleine nicht getragen werden könnten. „Also meine Inspiration resultiert nicht so sehr aus Kunst oder aus Dingen, die [ähm], die irgendwie von Menschen geschaffen sind, sondern viel, viel mehr inspirieren mich eigentlich andere| Also mich inspirieren Emotionen, mich inspirieren raus gehen, was sehen und [ähm] selten, selten so Menschengemachtes.“ (IP6: 61)

Aus den Erzählungen der Interviewten ergibt sich weiterhin, dass die Möglichkeit, bei dem Entstehungsprozess von Kunst oder künstlerischen Produkten anwesend zu sein, als Motivation für das Frequentieren von bestimmten Orten eine Rolle spielt. Die schöpferischen Akte wahrzunehmen, darüber zu reden, zu diskutieren, sie zu begleiten, wird als hilfreich für das Entwickeln eigener Inspiration und Kreativität empfunden (vgl. Abbildung 5-40; vgl. Kapitel 5.3.2). Abbildung 5-40: Tatendrang als Inspirationsort für das kreativ-urbane Milieu

Quelle: T. Wiatrowski

Empirischer Teil | 227

Die informellen Begegnungen gehen an den Orten auch über bereits bekannte Personen hinaus 151. Die Befragten haben allesamt ein Interesse daran, auch neue Leute kennenzulernen, neue Kontakte innerhalb des Milieus zu knüpfen. Den beliebten Dritten Orten ist gemein, dass dies an ihnen als leicht realisierbar empfunden wird. IP8: „Weißt du, sie wird ja angesprochen. Das ist ja das Lustige. Du wurdest dieses Mal angesprochen.“ IP9: „Herrgott, weil ich zum Bezahlen an die Theke gegangen bin.“ [Lachen] IP8: „Ja, aber da sieht man wie leicht es war. Es war sehr leicht.“ (IP8,9: 321-332)

Vielfach wird beschrieben, dass die Orte Kommunikation und Interaktion auch zwischen sich fremden Besucher_innen unterstützen. Ein an sich selbstverständliches Merkmal solcher Orte liegt beispielsweise in der nicht zu lauten Musik. Dies stellt für manche der Interviewten durchaus ein Qualitätsmerkmal für Orte dar. Laute Musik hingegen wird als Kommunikationshindernis angesehen 152. Die Unterrepräsentation von Orten wie Clubs, Diskos oder Tanzlokalen bei der Nennung und Fotografie wichtiger Dritter Orte für das kreativ-urbane Milieu weist in die gleiche Richtung. Orte werden zu dem Zweck aufgesucht, an ihnen verbal zu kommunizieren. Aber auch andere ganz konkrete physische Merkmale der Orte erleichtern die Kommunikation zwischen Fremden. Beispielsweise handelt es sich dabei um das Vorhandensein einer langen Theke, das gemeinsame Schlange stehen aber auch lange Sitzbänke, die man zwangsläufig mit fremden Personen teilen muss. „Es entstehen da auch immer so kleine Gespräche mit den [ähm] mit Michael und aber auch mit denen, die in der Kaffeeschlange stehen und warten oder eben dann auch auf der Treppe sitzen und den Kaffee trinken, genau.“ (IP3: 1) „[…] das ist so eine Stätte der Begegnung, so Biergartenatmosphäre, im Sommer draußen sitzen. [Äähm] An den langen Tischen im Biergarten und [äh] auch da trifft man Leute, kommt ins Gespräch bei einem Bier oder einer Weißwurst“ (IP4: 29)

Ein Ort, der die Kommunikation zwischen sich fremden Personen besonders unterstützt, wird von mehreren Probandinnen hervorgehoben. Dabei handelt es sich um die Expertise, eine Kneipe, in der Brettspiele gespielt werden können. Dabei

151 Vgl. IP1, IP3, IP4, IP5b, IP7, IP8, IP9, IP10, IP11, IP12, IP14. 152 Vgl. IP4, IP5a,b.

228 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

ist es notwendig, sich mit anderen zusammenzutun, um überhaupt spielen zu können. Über das gemeinsame Spiel werden gemeinsame Gesprächsthemen gefunden, die dazu beitragen, dass sich Personen kennenlernen. Bestimmte Charaktereigenschaften oder Verhaltensweisen der Mitspielenden können im Spiel beobachtet werden. In die gleiche Richtung weisen Dritte Orte, an denen Urban Gardening stattfindet (vgl. Abbildung 5-41; vgl. Kapitel 2.3; vgl. Kapitel 2.4.2; vgl. Kapitel 2.4.3). Abbildung 5-41: Gemeinsame Interessen ergeben gemeinsame Dritte Orte

Quelle: oben A. Bruhl/unten K. Hollstein

Die Personen haben etwas gemeinsam, allein deshalb, weil sie am selben Ort sind. Dies ist auch daran zu erkennen, dass ein Programmkino, das Universum Filmtheater, interessanterweise als kommunikativer Ort beschrieben wird. Obwohl Kinos an sich wenig Raum für Kommunikation und Interaktion zwischen den Besucher_innen bieten, wird dennoch davon berichtet, dass Personen miteinander in Kontakt treten, indem sie sich während des Abspanns über Themen des Films unterhalten. Den die Kommunikation unterstützenden Orten ist allen gemein, dass die Begegnungen dort auf einer sehr informellen Ebene stattfinden. „Man kommt da halt einfach gut in Kontakt und in ein Gespräch mit Leuten, die man vielleicht auch noch nicht so gut kennt [ääh] ja, weil halt die Kommunikation| Der Kommunikationspunkt das Spiel dann ist, ne, und man muss nicht sich nonstop über irgendwas Konkretes unterhalten, sondern man spielt halt so.“ (IP5b: 1)

Empirischer Teil | 229

„Also das Schöne daran ist, finde ich, dass man ins Gespräch kommt mit anderen Leuten, die sich zumindest schon mal auf jeden Fall fürs Gärtnern interessieren, sonst wären sie nicht da.“ (IP9: 138)

Darüber hinaus weisen jedoch alle Orte, die mit konkreten Ausstattungen die Kommunikation unterstützen, zeitgleich viele andere Merkmale auf, die von den Mitgliedern des Milieus präferiert werden (vgl. bspw. Kapitel 5.3.8 und Kapitel 5.3.9), sodass das reine Vorhandensein von die Kommunikation unterstützenden Ausstattungen nicht als alleinige Erklärungsvariable für die Beliebtheit der Orte identifiziert werden kann. Ein weiteres Merkmal von Orten, die die Kommunikation zwischen Fremden unterstützen, liegt in einer gewissen Enge und in Teilen sogar einer gewissen Überlaufenheit der Orte. „Ja, und das Riptide an sich innen (..). Also was ich schräg finde ist, dass es eigentlich ganz wenig Plätze gibt, ne!? (=ja=). Also es ist ja wirklich| Gut, außer man geht jetzt in den anderen Raum, aber meistens habe ich in dem Kuschelraum gesessen und es ist so kuschelig, aber trotzdem findet man Platz. Es ist vollkommen schräg.“ (IP8: 374)

Die Proband_innen sind sich gleichzeitig jedoch durchaus darüber bewusst, dass in Bezug auf bestimmte Dritte Orte die Regeln der dortigen Kommunikation erst erlernt werden müssen. Sie bedürfen einer Dekodierung durch die Akteur_innen und werden erst mit der längeren Eingebundenheit in das Milieu verstanden und inkorporiert. Bei Nichtbeachtung dieser erst zu entschlüsselnden Verhaltens- und Kommunikationsregeln besteht die Gefahr der ungewollten sozialen Exklusion an den Orten (vgl. Kapitel 5.3.17). „Aber ich glaube, da haben wir die Kommunikation auch nicht ganz verstanden [Lachen]. Also ich glaube, da haben wir immer auch zu viel erwartet.“ (IP8: 304)

Die Kritik an unpassenden, „esoterischen“ (IP7: 52) Öffnungszeiten mancher Orte beziehungsweise das positive Hervorheben sehr langer Öffnungszeiten 153 korrespondiert mit der vielfach durch die Proband_innen artikulierten Intention, mit Mitgliedern des kreativ-urbanen Milieus in Kontakt zu treten, zu kommunizieren und so der – zumindest gefühlten – arbeitszeitlichen und räumlichen Entgrenzung zu begegnen (vgl. Kapitel 3.1). Es wird davon berichtet, dass Dritte Orte dabei helfen, der eigenen sozialen Isolation zu entgehen, die einerseits

153 Vgl. IP2, IP7, IP10, IP14.

230 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

durch das Arbeiten jenseits von festen Arbeitsorten und festen zeitlichen Strukturen stattfindet, andererseits aber auch aufgrund konkreter persönlicher Umstände. So beschreibt ein Proband, dass er während seiner Elternzeit mit seinem Kind Dritte Orte aufgesucht hat, um mit anderen Mitgliedern seines Milieus in Kontakt zu kommen. „Also mein erster Sohn, da war er ein halbes Jahr, ein Jahr alt, quasi bevor er in die Krippe gekommen ist. Dann bin ich teilweise mit ihm halt in den Handelsweg und habe mich da irgendwie morgens hingesetzt, Kaffee getrunken und halt gearbeitet und er hat halt auf der Straße da gespielt [ähm] ja.“ (IP6: 69)

Auch wenn von einem Probanden das Gesehenwerden an den Orten als Intention für den Besuch kategorisch ausgeschlossen wird (vgl. Kapitel 5.3.3), findet sich dieses Motiv durchaus in den Erzählungen der Proband_innen wieder, indem beispielsweise davon berichtet wird, dass man sich durch die Anwesenheit an einem Ort „aufgewertet“ (IP11: 219) und zugehörig fühlt. Es wird allerdings lediglich von einem Probanden explizit zugegeben. „[Ähm] möchte man sich natürlich auch selber an solchen Orten sehen, möchte man sich mit solchen Orten vernetzen und im geringsten Fall wenigstens an solchen Orten gesehen werden. Deshalb ist das hier ein unheimlich beliebter Ort und hier […] tummeln sich hier ganz viele Leute, die in dem kreativen Milieu aktiv sind. Also weil es Architekten sind. Also weil sie zur Kultur- und Kreativwirtschaft gehören. Weil sie selber Veranstaltungen machen. Weil sie vielleicht einfach nur hier rumhängen, um sich zu betrinken. Also es ist ein sehr informeller Ort […]“ (IP7: 6)

5.3.16

Entzug vom kreativ-urbanen Milieu

Ebenso, wie Kontraste an den Dritten Orten selbst oder bezüglich ihrer Positionierung im Stadtgefüge als inspirierend von den Interviewpartner_innen empfunden werden (vgl. Kapitel 5.3.13), werden gelegentliche ‚Ausflüge‘ oder Ausflüchte an Dritte Orte anderer, teilweise als von den Proband_innen gegensätzlich empfundener Milieus vorgenommen (vgl. Abbildung 5-42). Dies erfolgt auf ganz bewusste Weise, aber aus unterschiedlichen Motivationen heraus 154.

154 Vgl. IP1, IP2, IP3, IP4, IP5a, IP6, IP7, IP8, IP10, IP13.

Empirischer Teil | 231

Abbildung 5-42: Beispiel eines dem Image des Milieus entgegenstehendem Dritten Ortes (Bier- und Wurstkontor)

Quelle: C. Lischka „Das ist so ein Lokal, wo man wirklich [ähm] auf [ähm] prollige, pöbelnde Gesellschaft, die auch nicht so aus seinem Bereich kommt, treffen will, dann geht man da hin. […]Und da weiß man, ok, da ist man nicht unter Gleichen sondern da ist man eher mehr unter anderen. Das ist so ein Ort [Lachen], da bin ich mir auch sehr sicher, da treffe ich keinen von den Kreativheinis.“ (IP10: 94)

Die Proband_innen schätzen es durchaus, dass sie jederzeit jemanden aus ihrem Milieu sehen können und dessen Strukturen, dessen Ebenen, Cliquen und Subszenen verstehen und überblicken können. „Also was ich hier gut finde, ist in der Tat natürlich einfach hier die Netzwerke sind halt viel, viel kleiner so. Das heißt, man ist| Also ich bin ja auch jemand, der einfach verschieden Dinge macht auf verschiedensten Ebenen und [ähm] das bedeutet halt einfach, dass man (..)| Dass es halt von Vorteil ist, wenn man, oh Gott [Lachen]| Dass es ein Vorteil ist, halt wenn man schnell die Strippen ziehen kann und Entscheidungen quasi über Netzwerke abbilden kann. Und es ist halt| Da muss man wirklich sagen, da ist Braunschweig zwar im Vergleich zu Berlin Provinz [ähm], aber [ähm] Sachen hier zu machen und sich mit denen halt irgendwie [ähm] zu positionieren und Dinge in Bewegung zu treten| Das ist halt viel| Also das ist hier viel einf| viel, viel einfacher wirklich.“ (IP6: 93)

232 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Aber so sehr sie die Proband_innen die Eingebundenheit in ein relativ überschaubares, sehr dichtes Netzwerk schätzen, in dem annähernd jede/r jede/n kennt (vgl. Bingel et al. 2017: 463), erzählen einige auch über Episoden, während denen sie es schätzen, niemanden zu treffen, den sie kennen, niemanden, mit dem sie sich, wenn auch nur aus Gründen der Höflichkeit, unterhalten müssen. Aus dieser Motivation heraus werden episodisch Orte aufgesucht, die gemeinhin von einer anderen Klientel besucht werden. Sie erhoffen von einem Besuch von Dritten Orten anderer Milieus frische Impulse, andere Gesprächsthemen jenseits ihrer kreativen Tätigkeiten, Berufe oder Funktionen. „Ich habe aber bis [ähm] einer halben Stunde vorher gearbeitet oder bis eine Stunde vorher gearbeitet und bin dann nicht hingegangen, weil ich keine Lust hatte, mit den ganzen Leuten zu reden oder Small-Talk zu machen.“ (IP3: 230) „Manchmal ist es auch anstrengend, wenn man nur mit sich| [Ääh] nur mit Kreativen umgeht, weil’s dann irgendwie immer nur so dasselbe Thema ist und es ist auch mal schön, wenn man auch irgendwo anders hingeht, wo man mal keine Kreativen trifft, weil man auch mal andere Themen anspricht oder einen anderen Blickwinkel erfährt.“ (IP1: 72)

Dennoch werden selbst während solcher Episoden weiterhin Dritte Orte aufgesucht, die von anderen Mitgliedern des Milieus hoch frequentiert sind, um die jeweilige Atmosphäre aufzunehmen. Dabei wird aber gleichzeitig durch die eigene Platzierung, das Spacing des eigenen Körpers an den Orten (vgl. Kapitel 2.1.3) signalisiert, dass man keine Konversation betreiben möchte. „Dann versuche ich mich zum Beispiel hier hinzusetzen. Also möglichst abgekapselt, um meine Ruhe zu haben. Um es möglichst nicht darauf ankommen zu lassen, viele Leute zu sehen. Es gibt ja hier auch Plätze, von denen man einen Rundumblick hat. Ich versuche mich dann an Plätze zu setzen, an denen mich möglichst niemand sieht. Also einfach nur, weil ich die Orte sehr angenehm finde von der Atmosphäre, aber ich möchte jetzt nicht networken, hier drin sein. Sondern ich möchte das gerne schnuppern und spüren, aber ich muss das jetzt nicht darauf ankommen lassen.“ (IP7: 66) „[…] es war halt auch schon spät und ich hatte einen schlechten Tag und irgendwie hat einen das Kino dann ein bisschen umarmt und eingefangen und gemeint, es ist alles nicht so schlimm und entspann dich […].“ (IP2: 90)

Empirischer Teil | 233

Die permanent geforderte Kommunikation über Ideen und neue Kooperationsmöglichkeiten (vgl. Kapitel 5.3.15) wirkt auf manche der Interviewten zeitweise richtiggehend auslaugend. Sie tun sich schwer damit, Freizeit und Arbeit zu trennen, was auf Dauer als sehr anstrengend empfunden wird (vgl. Kapitel 3.1). Ein Proband erzählt davon, dass er zu der Entscheidung gelangt ist, nach Berlin zu ziehen, da ihm die Enge und die Dichte im Braunschweiger kreativ-urbanen Milieu zu anstrengend wurden, er nur noch damit beschäftigt war, zu Netzwerken und Socialising zu betreiben und aufgrund dessen in seiner eigenen kreativen Tätigkeit nicht mehr voran gekommen ist. Die Anonymität innerhalb des Berliner Kreativmilieus erscheint ihm zu dem Zeitpunkt des Interviews als Vorteil. Er spricht davon, dass er „Berlin gerade so schätze, weil es da ruhig ist“ (IP14: 135). In eine größere Großstadt zu ziehen, um dort Ruhe zu finden, erscheint zunächst paradox, wird vor diesem Hintergrund aber verständlich. „Ist schon gut, wenn man halt immer wen trifft so, aber irgendwann nervt’s halt auch. […] Wenn sich alles vermischt, bist du halt immer da drin und du bist halt weder raus aus der Feierei noch raus, dass du immer arbeitest, weil dich immer einer mit irgendeiner Scheiße voll labert, dass er irgendwas Tolles machen will. Und das wird ja| Die Ideen werden ja nicht schlechter, je später es wird. Die werden ja immer besser [ironisch]. Das [ähm]| Manchmal sind auch Ideen rausgekommen, die wurden umgesetzt. Das ist gut. Manchmal muss das auch sein, aber man braucht das halt nicht Donnerstag bis Samstag oder jeden Tag, den man weggeht. Diese Ideen.“ (IP14: 47)

Es wird allerdings ebenso davon berichtet, dass gerade das „Familiäre“ (IP2: 66) an dem Braunschweiger Milieu geschätzt wird, das Eingebettet-Sein in relativ stabile soziale Beziehungen. Dies ist jedoch abhängig vom Lebensabschnitt (vgl. Kapitel 5.3.17). Gleichzeitig mit eher konsumorientierten Dritten Orten werden öffentliche Grün- und Freiflächen, insbesondere größere Stadtparks als wichtige Orte des Milieus identifiziert (vgl. Kapitel 2.4.3). Diese Orte werden von nahezu allen Proband_innen vielfach aus der Intention heraus aufgesucht, auf bewusste Weise dem Milieu zu entgehen, sich seinen Mitgliedern für eine gewisse Zeit bewusst zu entziehen 155. Paradox daran ist jedoch, dass es sich dabei wiederum um immer die gleichen städtischen Freiräume handelt (vgl. Abbildung 5-43), obwohl deren Lage nicht mit den Wohn- oder Arbeitsorten der Befragten in der Stadt korrespondiert.

155 Vgl. IP1, IP2, IP3, IP4, IP5a, IP6, IP7, IP8, IP10, IP11, IP12, IP13, IP14.

234 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Abbildung 5-43: Beliebte städtische Freiräume des kreativ-urbanen Milieus

Quelle: eigene Abbildung auf Basis von openstreetmap.de

Insbesondere der Theaterpark, der Westpark sowie der Prinz-Albrecht-Park („Prinzenpark“) sind bei den Proband_innen für diese Zwecke beliebt 156. Daraus resultiert allerdings auch, dass sich Proband_innen vereinzelt bereits wieder von diesen beliebten Parks abwenden und sich neue Orte des Sich-Entziehens suchen. Dabei handelt es sich aber wiederum oftmals um die östliche Verlängerung des Prinz-Albrecht-Parks durch die Ebertallee, das Landschaftsschutzgebiet Riddagshausen (vgl. Abbildung 5-44), sodass auch hier keine vollständige Abgeschiedenheit von Mitgliedern des Milieus möglich ist. „Im Park, öhm ne, da sind alle. […] so richtig Ruhe hast du auch nicht.“ (IP5a: 42) „Also das Urbane nähert sich zumindest diesen Naturorten immer mehr und da ist immer mehr los. Ich habe auch das Gefühl, dass [ähm] - weiß ich nicht, ob das auch mit dem Alter zu tun hat und Wahrnehmung - aber dass diese Orte immer voller werden eigentlich so. Also auch wenn ich (..)| Also ich gehe halt echt gerne in den Wald und entspanne und so, um runterzufahren und da ist immer mehr los irgendwie. […] aber [ähm] ich habe den Eindruck, dass es [ähm] schon irgendwie immer voller wird und dass es keine Geheimtipps mehr gibt so richtig eigentlich, sondern dass [ähm] sich das schon verändert.“ (IP13: 40)

156 Vgl. IP2, IP5a, IP6, IP8, IP13, IP14.

Empirischer Teil | 235

Abbildung 5-44: Das Landschaftsschutzgebiet Riddagshausen als Ort des Sich-Entziehens vom kreativ-urbanen Milieu

Quelle: K. Bingel

5.3.17

Inklusion und Exklusion an Dritten Orten unter Genderund Intersektionalitätsaspekten

Genderspezifische und intersektionale Aspekte spielen in der Wahrnehmung der Proband_innen sowohl in Bezug auf ihr Milieu als auch in Bezug auf ihre Dritten Orten zunächst keine oder lediglich eine sehr untergeordnete Rolle. Bereits im Vorfeld der Interviews wurde von einem Großteil der Proband_innen angemerkt, dass sie Fragen nach Geschlechts- und Genderaspekten für ihr Milieu als obsolet oder irrelevant ansehen beziehungsweise schlicht und einfach nichts dazu sagen könnten. Dies ist insofern interessant und bemerkenswert, da sich aus den Erzählungen während der Interviews durchaus Aspekte der Ungleichheit einerseits bezüglich der sozialen Produktion und Aneignung der Dritten Orte, andererseits bezüglich existierender Exklusionslinien ergeben. Vordergründig werden die benannten Dritten Orte folglich zunächst insgesamt als inkludierend beschrieben, ihnen wird von den Interviewten ein durchaus egalitärer Charakter zugesprochen 157. An vielen Stellen zeigt sich, dass dies von den Proband_innen auch explizit gewünscht wird. Beispielsweise werden Orte mit einer vielfältigen Klientel, die auch über das eigene Milieu hinausgeht, fotografiert, beschrieben und für gut befunden. Bestimmte Dritte Orte werden in diesem Zusammenhang begeistert als „nicht streng mit seinen Gästen“ (IP12: 16),

157 Vgl. IP1, IP2, IP4, IP5a, IP7, IP8, IP9, IP10, IP11, IP12.

236 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

als „niedrigschwellig“ (IP11: 26) und „keine Regeln gestaltend“ (IP7: 12) beschrieben. Als Orte, an denen es niemanden geben könnte, der als unpassend angesehen werden würde und an denen sich die Proband_innen genauso geben können, wie sie sind. Sie haben dort das Gefühl, sich nicht verstellen zu müssen, um an dem Ort akzeptiert zu werden. „So wie ich sein will und wenn ich heute schlecht drauf bin, setze ich mich in die Ecke und es ist auch ok. So. So ein Gefühl. Du kannst dich dahin setzen und die Leute sagen ‚okay, so ist sie‘.“ (IP8: 405) „Also man| Da findet tatsächlich jeder was zum Essen und da kann auch jeder hingehen und da ist auch vom| von der Skatrunde bis hin zum Betriebsrätestammtisch ganz unterschiedliche Leute, die sich da treffen. Auch Leute, die in Braunschweig studiert haben, [ähm] jetzt bei VW arbeiten, aber dann abends da doch mit Kapuzenpullis sitzen. Es ist so ein ganz, nicht so richtig greifbares Klientel von nur Leuten, die man da und da speziell trifft, sondern da trifft man wirklich alles (=völlig bunt=) ja. Und das ist [ähm] (..) zeigt glaube ich so ein bisschen die Bewohnerstruktur des Stadtteils. Spiegelt das halt wieder, diese Vielfältigkeit, die auch vorhanden ist und es ist halt (..) ja es ist ein Laden, der sehr authentisch geblieben [ist].“ (IP10: 38)

Von einigen Proband_innen wird auch erläutert, dass sie den Eindruck haben, dass auch Orte, die ganz explizit das kreativ-urbane Milieu als Zielgruppe ansprechen, einen egalitären Charakter aufweisen. An diesen Orten findet für sie sozusagen eine milieuinterne Inklusion statt. „Also finde ich dann wird man in Berlin öfters komisch angeguckt, wenn man vielleicht nicht die tollen schwarzen Mäntel trägt und Stirnbänder und irgendwie dann doch nicht nach Neukölln passt. Also wird man glaube ich öfters von oben bis unten gemustert als hier. Hier ist es dann relativ egal, wie man rumläuft. Das ist ganz schön, echt schön.“ (IP2: 246)

Teilweise werden von den Befragten auch selbst Orte geschaffen, die ihrer Meinung nach der Inklusion über Grenzen von Milieus oder sozioökonomischen Schichten hinweg dienen. Eine Probandin erzählt diesbezüglich von einem Ort des Urban Gardening innerhalb eines Stadtviertels mit einer sozioökonomisch schwächeren Bewohnerschaft, dem so genannten Bebelhof. Dieses Projekt wurde initiiert, um die Anwohner_innen zu erreichen, zur Kommunikation und Interaktion zu motivieren und damit den Zusammenhalt und die soziale Einbettung der Bewohner_innen zu stärken (vgl. Kapitel 2.3). Es wird allerdings von mehreren

Empirischer Teil | 237

Proband_innen erläutert, dass dies gerade von der von ihnen gewünschten Zielgruppe nicht gut angenommen wird. „Allerdings gerade im Stadtteil selber stößt das nicht so auf Resonanz, weil die Leute da offenbar nicht so viel Interesse am Gärtnern haben. Vielleicht ist denen das auch nichts mit anderen zusammen zu gärtnern und nich zu wissen, was ist jetzt mein Anteil daran, den darf ich dann ernten. Das ist möglicherweise| Es ist meine Vorstellung, dass das ein Problem ist oder vielleicht auch die Struktur der Ehrenamtler, die da sonst noch so rumhüpfen. Also wir haben alle eigentlich oder (..) doch| ich möchte annehmen, dass eigentlich alle studiert sind und dementsprechend sich auch unterscheiden so soziodemographisch von dem Viertel da, was sicherlich auch eine Hürde ist. Aber nichtsdestotrotz fahren wir das halt schon ganz| also versuchen wir halt nochmal wieder den Kontakt da herzustellen.“ (IP9: 138) „Also, ich bin da tatsächlich weit weg von. […] also für mich hat das immer so ein Ziel, man will ja Menschen helfen und sowas. Will sie einbinden und dann sehe ich aber nicht, dass das passiert, weil sich halt genau die, für die es ja gemacht ist, also für diese Umgebung im Bebelhof […], das die dann halt gar keinen| dass man den Bezug gar nicht kriegt zu den Menschen, ja?!“ (IP8: 142)

Dennoch kann diese Projektinitiierung als ein Versuch interpretiert werden, einen identifikations- und sinnstiftenden Ort zu schaffen, der sich Verbindung mit der mehrfach beschriebenen Sehnsucht nach sozialer Einbettung analog eines dörflichen Lebens jenseits großstädtischer Anonymität lesen lässt (vgl. Kapitel 3.1.1). Hier finden direkte raumgestalterische, raumaneignerische und soziale, ehrenamtliche Absichten ihren Ausdruck (vgl. Kapitel 2.3). Neben diesen Exklusionstendenzen, von denen die Probandinnen offen erzählen, existieren aber durchaus auch Zugangsbarrieren oder zumindest Zugangshemmnisse, von denen die Akteur_innen nur implizit berichten 158. Dies ist zum einen anhand recht offensichtlicher Tatsachen wie mangelhafter Barrierefreiheit (insbesondere in grüngeprägten Freiräumen) oder dem relativ hohen Preisniveau einzelner Orte ersichtlich 159, was dazu führt, dass bestimmte Orte nicht oder nur selten von bestimmten Gruppen aufgesucht werden (können). Dies betrifft auch durchaus Personen innerhalb des eigenen Milieus, das von einer großen Einkommensspanne geprägt ist, schließlich umfasst das Milieu sowohl recht gut verdienende Akteur_innen der Kultur- und Kreativwirtschaft oder

158 Vgl. IP1, IP2, IP3, IP4, IP5a, IP7, IP8, IP9, IP10, IP11, IP12, IP13, IP14. 159 Vgl. IP4, IP5b, IP7, IP10.

238 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Angestellte im Öffentlichen Dienst, andererseits aber beispielsweise auch freischaffende Künstler_innen, deren monatliches Einkommen eher gering oder zumindest nicht sicher planbar ist (vgl. Kapitel 3.1.1; vgl. Kapitel 4.2) 160. Generell wird der Konsumzwang an den Dritten Orten durchaus kritisch gesehen. Er wird aber zumeist als notwendiges Übel hingenommen, indem anerkannt wird, dass manche der Dritten Orte nur existieren können, wenn sie Umsatz erzielen 161. Zum anderen ist der elitäre Charakter einiger Dritter Orte aber auch anhand von Aussagen der Proband_innen nachvollziehbar, die darauf hinweisen, dass manche der Orte durchaus einen exklusiven Charakter aufweisen, da sie entweder ausschließlich für das kreativ-urbane Milieu selbst oder nur für Teile dessen als „passend“ (IP9: 122) angesehen werden. Die Trennungslinie von in place zu out of place (vgl. Kapitel 2.2.2) verläuft diesbezüglich einerseits zwischen dem eigenen und den anderen Milieus, andererseits aber auch innerhalb des Milieus zwischen Orten der etablierten Kreativen der Kultur- und Kreativwirtschaft und den freien (Lebens-)Künstler-Kreativen 162. „Und [ähm] das ist für mich so ein Umschlagplatz auch von insbesondere Kultur- und Kreativwirtschaft. Weniger von sozusagen Kunstkultur, sondern mehr von denen, die mit KKW, also mit kreativen Leistungen, ihr Geld verdienen.“ (IP7: 24)

Der Ausschluss findet in diesem Zusammenhang zwar bei Weitem nicht umfassend, explizit und verbal statt, wohl aber durch ab- und ausgrenzendes nonverbales Verhalten entlang mehrerer Exklusionslinien 163. Die milieuübergreifenden Exklusionslinien, die von den Proband_innen vornehmlich angerissen werden, beziehen sich auf das Alter der Besucherschaft 164, verschiedene Berufsgruppen 165 und Familienstände 166, nur in Einzelfällen auf Herkunft 167 sowie auf rein körperliche Aspekte wie Behinderung oder Befähigung 168. Wobei die Proband_innen darauf hinweisen, dass es auch auf die eigene Persönlichkeit an-

160 Vgl. IP7. 161 Vgl. IP8,9, IP10. 162 Vgl. IP2, IP5a, IP7, IP11,12, IP14. 163 Vgl. IP1, IP2, IP3, IP4, IP5a,b, IP7, IP8, IP9, IP10, IP11, IP12, IP13, IP14. 164 Vgl. IP2, IP3, IP4, IP5a, IP7, IP8, IP9, IP10, IP11, IP12. 165 Vgl. IP1, IP7, IP10. 166 Vgl. IP3, IP8, IP9, IP10. 167 Vgl. IP7. 168 Vgl. IP13.

Empirischer Teil | 239

kommt, ob man sich ausgrenzen lässt oder nicht beziehungsweise sich selbst als ausgegrenzt wahrnimmt. Als maximale Ausprägung von Ausgrenzungsverhalten werden zumeist wertende oder abschätzige Blicke innerhalb der Orte des kreativ-urbanen Milieus beschrieben. Verbale Äußerungen, die der Ausgrenzung dienen oder gar körperliche Gewalt werden von den Proband_innen nicht einmal ansatzweise toleriert und mit den Orten in Verbindung gebracht. Lediglich an zwei der von den Interviewten besprochenen Dritten Orte wird von gleich mehreren Proband_innen von stark ausgrenzendem Verhalten berichtet 169. Dabei handelt es sich einerseits um das Kinder- und Jugendzentrum B58 am Bültenweg in der nordöstlichen Braunschweiger Innenstadt und andererseits um das Kulturzentrum Nexus an der Frankfurter Straße in der südwestlichen Innenstadt. Die Aspekte der Exklusion beziehen sich dabei allerdings nicht auf das Kinder- und Jugendzentrum beziehungsweise auf das Kulturzentrum an sich, sondern auf die dort integrierten Live-Clubs. Exklusionslinien, die sich an diesen Orten finden, bestehen in der klaren politischen Verortung des Publikums, der Betreiber_innen und des Personals sowie des damit in Verbindung stehenden Kleidungsstils, der dort vorherrschend ist. Die Orte werden als „linksorientiert“ (IP7: 38) beschrieben. „Ich mag den Laden eigentlich ganz gerne (...) ja. Wobei (...) da dazuzugehören wäre mir glaube ich echt zu stressig. Weil das ist| das ist echt| das ist politisch. Das ist eine politische Clique, deren Ansichten ich (..) zum (..) überwiegenden Teil teile, aber ich weiß auch, dass das anstrengend ist, weil das sehr, sehr wenig Freiraum lässt für andere Interpretationen oder andere Sichtweisen. […] Da denke ich immer ‚ouh, das ist dünnes Eis jetzt‘. Jetzt mal kurz sagen ‚wo bleibt denn hier die Wertschöpfung?‘ [Lachen] […] Da weiß ich gar nicht, wo man schnell genug rauskommt, dass man die Flaschen nicht mehr erwischt, die man hinterhergeschmissen bekommt. […] Ich würde jetzt keine Diskussion anfangen wie gesagt über [ähm], dass sich der Kommunismus wohl nicht wirklich rechnet. Das würde ich mir, glaube ich, sparen.“ (IP12: 187-204) „Ich glaube beim Nexus fühlen die sich noch viel mehr ausgegrenzt. Also ich war ein, zwei Mal im Nexus auf Konzerten und ich habe mich nicht sonderlich wohl gefühlt. Also [ähm] es ist, wenn man das jetzt politisch einordnen möchte, eher link| durchaus links gelagert. […] Also wenn ich da mit normalen Klamotten oder| Einfach etwas schicker hinkomme, erntet man schon komische Blicke und [ähm] da ist, glaube ich, die Ausgrenzung ein bisschen bewusster […].“ (IP7: 38-40)

169 Vgl. IP7, IP11, IP12.

240 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

„Die Klamotten dürfen| Also du bist völlig gut angezogen mit Bundeswehrstiefeln, einer kurzen| einer abgeschnittenen Bundeswehrhose, die ordentlich Löcher hat, eine dicke fette Kette, die hängt an der Seite und ein schwarzes T-Shirt. Passt. Sodass du auch zum schwarzen Block gehören könntest. Das ist absolut ok. Damit bist du auch sofort glaube ich drin.“ (IP12: 193)

Dritte Orte, die aus einer idealistischen Sichtweise heraus einen originär inkludierenden Charakter aufweisen, wie beispielsweise Stadtteilkulturzentren, zeigen aber auch aus einem anderen Grund Tendenzen der Exklusion auf. Es wird diesbezüglich von „vielen schwelligen“ (IP7: 40) Veranstaltungen berichtet, die nur von bestimmten Personengruppen wahrgenommen werden können. Die große Vielfalt der Veranstaltungen und Angebote, die zwar jede für sich gewisse Zugangshindernisse aufweisen, macht diesen Umstand allerdings bei den meisten in den Interviews thematisierten Kulturzentren, wie der Brunsviga – Kultur- und Kommunikationszentrum in der Karlstraße im östlichen Ringgebiet, für die Proband_innen wieder wett. Seitens der befragten Akteur_innen wurde zu Beginn der Untersuchung durchaus Skepsis gegenüber der Beforschung an sich und gegenüber der damit verbundenen Offenlegung ihrer wichtigen Dritten Orte geäußert. In diesem Zusammenhang kann auch die Aussage einer Probandin (IP13) gewertet werden, die bereits im Vorfeld des Interviews anmerkte, dass sie nur wenig Fotos gemacht habe, da sie bestimmte Orte nicht offenlegen wolle. Sie empfindet diese Orte als geheime Orte, die nicht von zu vielen Leuten besucht werden sollen, damit sie ihren Charme erhalten können. Ähnliches berichtet eine andere Probandin über einen ihrer relevanten Dritten Orte, erzählt aber im weiteren Interviewverlauf dennoch bereitwillig davon. „Den wollte ich eigentlich gar nicht fotografieren, weil es immer noch der Geheimtipp bleiben soll [Lachen]. Das war echt so eine| Das will ich nicht preisgeben.“ (IP2: 100)

Die Skepsis gegenüber der offenen Präsentation der Orte lässt sich teilweise damit erklären, dass bereits überregional in den Medien über einige der Dritten Orte berichtet wurde (vgl. bspw. Wallasch 2015; vgl. Merian 2016; vgl. Merian 2017). „Ist auch schon wieder 15 Jahre her, aber irgendwann stand dieser Ort ernsthaft unter den zehn romantischsten Orten der Stadt […] hier im Stadtmagazin und man las es so und dachte ‚neeein‘ […]. Ist es euer Ernst? Und man konnte danach halt nicht mehr da hingehen. Es war super schade.“ (IP2: 22)

Empirischer Teil | 241

Die Proband_innen befürchten eine Überinanspruchnahme dieser Orte bei gleichzeitiger Sorge, dass die Dritten Orte einer neoliberalen Stadt- und Immobilienpolitik zum Opfer fallen könnten, sollten sie nicht genügend nachgefragt werden. Daraus kann gefolgert werden, dass trotz des von allen Proband_innen explizit gewünschten inkludierenden Charakters der Orte, doch zumindest implizit eine gewisse Exklusivität erhalten werden soll. In diesem Zusammenhang kann auch die Beliebtheit von „Entdeckorten“ (IP12:68; vgl. Kapitel 5.3.5) als Wunsch nach Exklusivität gelesen werden. Orte, die nicht allen bekannt sind, die nicht ohne weiteres frequentiert werden können, haben eine besondere Bedeutung für das Milieu und dienen so in gewisser Weise auch der eigenen Abgrenzung gegenüber anderen Personen und deren Milieus. Zudem finden sich auch Hinweise darauf, dass sich die Proband_innen in Bezug auf gewisse Orte selbst eine Exklusion auferlegen. Sie erkennen an, dass andere Milieus ihre eigenen Dritten Orte haben. Zu diesen Milieus und damit zu diesen Orten grenzen sie sich selbst ganz bewusst ab. „Dann gibt‘s diese anderen

Prolloschuppen, wo irgendwie die [ähm]

VW-

Unterabteilungsleiter und Doktoranden dann irgendwie im Privileg [ähm] eine 1,5 Liter Magnum Dom Perignon Flasche irgendwie verköstigen […]. Wo ich mir auch so denke ‚ja, wir leben in einer so automobilgetriebenen Region, aber ich muss jetzt hier nicht einen auf dicke Hose Werk 1 München oder Ähnliches machen‘.“ (IP10: 96)

Ein weiterer Ort, an dem Exklusion stattfindet und wo dies auch zu großen Teilen durchaus gewollt ist, ist die Hochschule für Bildende Künste zwischen Johannes-Selenka-Platz und Pippelweg im westlichen Ringgebiet. „Die wollen da schon unter sich bleiben, aber ist auf jeden Fall ein toller Ort.“ (IP2: 24)

Dieser Ort wird zwar als einer des kreativ-urbanen Milieus anerkannt, allerdings vor allem als Ort der freien Künstler_innen und nicht als Ort der Kultur- und Kreativwirtschaft oder anderer Mitglieder des Milieus, die keinem dieser beiden Bereich zuzuordnen sind. Innerhalb des Netzwerks des Milieus spielen die Akteur_innen der HBK nur eine sehr randständige Rolle und werden „als sich bewusst isolierende ,Ufos‘ oder als ,Welt für sich‘“ eingeordnet (Bingel et al. 2017:466). Dies kann auch durch die Erzählungen der Proband_innen über Besuche des Orts HBK bestätigt werden. Er wird als kreative Insel angesehen, auf die die Proband_innen ab und an in den Urlaub fahren (vgl. Kapitel 5.3.13) 170, an

170 Vgl. IP5a, IP11.

242 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

dem sie sich aber nicht als zugehörig oder inkludiert empfinden. Wobei eine Probandin diesbezüglich anmerkt, dass sich die Exklusion lediglich im eigenen Kopf abspielt, also mehr eine Empfindung als eine Tatsache ist 171. Die Exklusivität des Ortes HBK ergibt sich für die Proband_innen vor allem dadurch, dass an dem Ort eine gewollte, teils als bemüht empfundene Individualität zur Schau getragen wird, insbesondere durch den Kleidungsstil. „Ja, HBK. (...) Kreativer Umschlagplatz. Finde ich immer manchmal ein bisschen anstrengend, die Leute versuchen immer kreativer zu sein als der andere.“ (IP1:86) „[…] das liegt daran, dass wir halt dann tatsächlich nicht in dem künstlerischen [ähm] Kleidungsstil auch beiwohnen.“ „Manchmal habe ich das Gefühl, dass wenn man zu normal aussieht, schon auffällt. Weil man| Das ist auch so ein bisschen das, was ich kritisieren würde an der HBK. Dass jeder versucht, so individuell zu sein, […] also es sind auch einfach die wildesten Chaoten (..) und eigentlich fällt man nicht auf, aber vielleicht fühlt man sich dann manchmal ein bisschen fehl am Platz, wenn man nicht dazu gehört. Aber man wird jetzt nicht blöd angemacht oder angeguckt - immerhin.“ (IP2: 22)

Neben diesen intersektionalen Aspekten der Inklusion und Exklusion, die kaum eine Geschlechts- oder Genderorientierung im engeren Sinne (vgl. Kapitel 2.2) aufweisen, ergeben sich anhand der Erzählungen der Proband_innen auch Aspekte, die einen deutlichen Genderbezug aufweisen (vgl. Kapitel 5.3.9; vgl. Kapitel 5.3.13; vgl. Kapitel 5.3.14; vgl. Kapitel 5.3.15) 172. Recht deutlich zeigen sich solche Aspekte in Bezug auf die Raumaneignung (vgl. Kapitel 2.3). So divergiert die Aneignung der Dritten Orte genderspezifisch im Raumgreifen. Dies zeigt sich vor allem an Orten, die eher dem Nachtleben zuzurechnen sind. Die interviewten Probandinnen eignen sich die Orte langsam mit der Hilfe von Routinen und meist nicht alleine an. „[…] kommen wir an, schließen die Fahrräder ab, bleiben dann auf jeden Fall erstmal eine Zigarette lang draußen und gucken. Gehen dann rein, holen uns ein Bier, gehen dann in die Ecke, gucken, legen Jacken, gegebenenfalls je nach Wetter, gucken und fangen dann erst an zu tanzen. Und meistens haben wir so ungefähr dieselbe Wegrichtung. Also, ne? Wir sind immer so an den gleichen Ecken.“ (IP3: 209)

171 Vgl. IP9. 172 Vgl. IP1, IP2, IP3, IP4, IP5a, IP8, IP9, IP11, IP12, IP13.

Empirischer Teil | 243

Die Probanden hingegen eignen sich eher spontan den Raum an oder sind sich ihrer Routinen zumindest nicht bewusst. Zudem sind sie teilweise der Überzeugung, dass allein durch ihre Anwesenheit an einem Ort ebendieser zu einem kreativen Ort wird. Diese durchaus selbstbewusste Zuschreibung findet sich bei den befragten Probandinnen nicht. „[…] ich würde mich als einen Teil der Szene betiteln, also der Braunschweiger Szene. Aber deswegen – das klingt so(...), aber eigentlich beschreibt es das ungefähr. Durch die Anwesenheit solcher Leute an solchen Orten, suggeriert man ja, dass der Ort quasi die Legitimation für die Szene hat und ich glaube, freien Leuten würde es komisch vorkommen, wenn sie herkämen und niemand aus der Szene wäre hier. […] Und deswegen würde ich im Umkehrschluss sagen, ich habe sozusagen| trage schon etwas bei oder habe eine Rolle inne, wenn ich hier bin, dass man dem Rest der Szene suggeriert […]. Hier sind wir. Der Ort hat den Proof.“ (IP7: 68)

Probandinnen berichten hingegen davon, dass sie sich nicht trauen, manche Dritte Orte zu betreten, die sie an sich sehr interessant und anziehend finden. Dies hat zunächst weniger etwas mit der Angst um ihre körperliche Unversehrtheit zu tun, sondern geschieht vielmehr aus der Sorge heraus, dass sie als nicht passend, als nicht zugehörig zu dem Ort angesehen werden könnten (vgl. Abbildung 5-45). „[…] wo man dachte ‚och, das klingt ja eigentlich ganz nett‘, aber man ist letztendlich nie hingegangen, weil ich vermute, dass das ein ganz kleiner Raum ist, den nur Eingeweihte betreten oder sich da wohlfühlen. Also das ist für mich| hat das so eine Hemmschwelle (...) [ähm] muss ich da nicht dazugehören, um da reinzugehen?“ (IP11: 71) „Traue ich mich nie rein, weil der immer draußen vor sitzt und ich weiß nicht. Ich glaube, ich muss dann mit ihm reden und ich weiß nicht, ob ich das möchte. Aber ich finde ihn total spannend.“ (IP3: 92)

244 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Abbildung 5-45: Gefühlte Exklusivität eines Dritten Ortes

Quelle: S. Dietl

Ein weiterer Aspekt bezüglich genderspezifischer Differenzen der Interviewten findet sich im Wording für atmosphärische Attribute und Ausstattungen von Orten. Es handelt sich dabei einerseits um offensichtliche Unterschiede bezüglich der bei der Beschreibung verwendeten Worte. „[…] dieses Süße, Niedliche, Arrangierte, Hübsche mit den Lichterketten. Das war sehr süß.“ (IP2: 48)

Es geht aber über die reine Verwendung bestimmter verbaler Ausdrücke hinaus. Es werden auch Bedeutungsunterscheide von städtischen Freiräumen (vgl. Kapitel 2.4.3) zwischen Probanden und Proband_innen sichtbar. So benennen die Probandinnen die Stadtparks eher als „Naturorte“ (IP13: 6) und verbinden damit Ruhe und Erholung. Sie erleben bewusst die Natur 173, fühlen sich beruhigt 174, geerdet 175, spüren die Sonne 176, die eigene Kraft 177 und romantisieren diese Orte 178 zu einem gewissen Grad (vgl. Abbildung 5-46). 173 Vgl. IP13. 174 Vgl. IP13. 175 Vgl. IP2. 176 Vgl. IP5a. 177 Vgl. IP5a. 178 Vgl. IP5a.

Empirischer Teil | 245

Abbildung 5-46: Naturorte als Orte der Ruhe

Quelle: A. Kliche „Es ist ja schon so, dass man manchmal ein bisschen vergisst, wenn man den ganzen Tag im Büro ist, mal rauszugehen und eigentlich wäre es so leicht, ne. Draußen ist gleich eine Bank, wo du dich einfach auch mal hinsetzen kannst oder mal einfach eine Runde spazieren gehst. Ja (...) es gibt eigentlich schon ein paar schöne Plätze in Braunschweig (..) man muss sie halt nur kennen, also ich finde gerade die Parks sind eigentlich super. Ich war neulich […] war es so eisig kalt und (..) die Sonne hat aber geschienen […] und schön warm angezogen und bin runter durch den Bürgerpark gelaufen. Es war so schön. Es war wirklich traumhaft (...).“ (IP5a: 28)

Gleiches verbinden die Probandinnen auch mit Orten des Urban Gardening, während diese Orte in den Ausführungen der Probanden keinerlei Rolle spielen. Probanden verstehen grüngeprägte Freiräume hingegen eher als Orte zur Sportausübung. „Wenn man viel [ähm] son Kopfmensch ist und viel nachdenkt, dann (..)| Oder auch so einen Kopfjob-Leben hat, ne?! Und viel mit dem Kopf macht, dann kann einen das wirklich so richtig auf den Boden der Tatsachen zurückbringen und (..)“ (IP5a: 52, weiblich) „Also ich gehe viel joggen, gehe viel raus. Deswegen war das bei mir auch so| okay, das Bild war jetzt auch so ein Ding, so ein Sinnbild, was für Orte steht, die ich halt mag.“ (IP6: 17, männlich; vgl. Abbildung 5-47)

246 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Abbildung 5-47: Städtische Freiräume als Orte der Sportausübung

Quelle: J. Beddig

Letztlich versuchen jedoch sowohl Probandinnen als auch Probanden mithilfe der städtischen Freiräume innere Ruhe zu finden, das „kreative Chaos“ (IP6: 21) in sich zu ordnen. „Also ich bin ganz schnell für Dinge entflammbar, ich bin ganz, ganz schnell aber auch dabei, dass mich diese ganzen Dinge auf einmal einholen und mir über den Kopf wachsen und raus in die Natur zu gehen ist für mich halt so eine Kanalisierung dieser ganzen Gedanken. Also ich schaffe auf diese Art und Weise, diese ganzen Puzzleteile wieder zu einem ganzen Bild irgendwie zusammenzusetzen und dafür ist Laufengehen für mich halt total essentiell, weil ich| genau das dabei passiert. Es macht den Kopf halt total frei. Ich kann halt quasi Gedanken sachlich abarbeiten dabei und das ist [ähm] der Grund, warum ich das hauptsächlich tue.“ (IP6: 21)

Zudem zeigt sich ein weiterer Unterschied in der Bedeutung städtischer Freiräume. Sie werden einerseits mit steigendem Alter, aber vor allem mit der Eingebundenheit in eine eigene Familie, zunehmend gegenüber konsumorientierten Dritten Orten präferiert (vgl. Abbildung 5-48). Dies lässt sich damit erklären, dass die Proband_innen in dieser Lebensphase keinen gesteigerten Wert mehr auf soziale Beziehungen außerhalb ihres engsten Familien- und Freundeskreises legen beziehungsweise Dritte Orte nicht mehr so häufig mit dem Ziel aufsuchen, ihnen bisher unbekannte Leute kennenzulernen. Sie sind nicht mehr primär da-

Empirischer Teil | 247

rauf angewiesen, eine soziale Einbettung an den Dritten Orten zu erfahren (vgl. Kapitel 5.3.15). Abbildung 5-48: Wahl der Dritten Orte ist abhängig von Familienstand

Quelle: J. Beddig

Ein weiterer Unterschied besteht in der ambivalenten Einstellung zum unbegleiteten Besuch von Orten. Dies betrifft zunächst konsumorientierte Dritte Orte. Probandinnen suchen ihre Dritten Orte seltener alleine auf. Sie berichten jedoch davon, dass wenn sie dies tun, sie einen Grund beziehungsweise eine Aufgabe an dem Ort haben wollen oder sich eine Aufgabe suchen, um die eigene Anwesenheit richtiggehend zu legitimieren. „[…] was denken jetzt die anderen, warum ich jetzt alleine hier rumhänge. Es sei denn, ich hätte jetzt tatsächlich was zu tun so. Dass ich irgendwie das W-LAN bräuchte oder irgendwas und dann arbeiten würde. […] Also wenn ich alleine unterwegs bin, dann gehe ich nicht in gastronomische Einrichtungen (...) oder bin lieber zu Hause allein als in der Öffentlichkeit, weil ich mir dann so allein vorkommen würde, glaube ich.“ (IP11: 30) „Also in Cafés gehe ich irgendwie nicht so alleine (5). Ja aber mein Freund macht das manchmal und sagt, dass das total toll ist [Lachen].“ (IP5a: 98) „Da würde ich wahrscheinlich auch nicht alleine hingehen, weil ich mich da unwohl fühle.“ (IP4: 88)

Dabei ist meist nicht das allein an den Ort kommen für die Probandinnen problematisch, sondern das längere unbegleitete Verweilen an dem Ort.

248 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

IP3: „Und auch alleine zu einer Party würden wir auch gehen, wenn da keiner mitkommen würde. Also ins Nexus würde ich schon alleine gehen und ins Lindbergh auch, weil ich weiß, dass da Leute sind.“ IP4: „Getreu dem Motto ‚man trifft ja wen‘ und wenn man keinen trifft, dann fährt man halt wieder nach Hause, genau.“ (IP3, IP4: 174f.)

Ein weiterer Unterschied zeigt sich im unbegleiteten Besuch einerseits grüngeprägter Freiräume, andererseits aber auch bestimmter Stadtviertel, in denen sich zwar beliebte Dritte Orte des Milieus befinden, die aber ansonsten eher von Prostitution und Drogenkriminalität gekennzeichnet sind (vgl. Kapitel 5.3.13) und wiederum für öffentliche Räume, in denen sich selbst keinerlei Dritte Orte befinden, die aber durchquert werden müssen, um an die Dritten Orte zu gelangen. Während die Probanden mehrheitlich keine Einschränkungen beim Besuch der Parks oder besagter Viertel empfinden, obwohl sie im Gegensatz zu den Probandinnen teilweise bereits Opfer von Überfällen 179 wurden, sind sich die Probandinnen ausnahmslos darüber bewusst, dass ein unbegleiteter Besuch bestimmter Areale vor allem zu den Tagesrandzeiten 180 aufgrund möglicher Übergriffe „gefährlich“ (IP8: 205) sei (vgl. Kapitel 2.4.4). „Gibt vielleicht bestimmte Uhrzeiten, wo ich da nicht mehr hingehen würde. [Ähm] also gerade eben Natur und mh, im Winter im Dunkeln. Das sind dann manchmal auch relativ abgeschiedene Orte oder man müsste dann nochmal durch den Wald fahren. [Ähm] als Frau würde ich das vielleicht in bestimmten Momenten eher lassen.“ (IP13: 34)

Es sind allerdings weniger die Orte oder Räume, die den Probandinnen ein Unsicherheitsgefühl vermitteln, sondern vielmehr die sich in ihnen befindlichen Personen und die sich mit ihnen ergebenden Situationen. „Also es sind eher Situationen dann wenn. Wenn so eine Gruppe alkoholisierter Männer irgendwo sind, die man dann nicht einschätzen kann. Das ist dann auch schon fast egal, wo das wäre.“ (IP9: 215) „Das ist immer situationsabhängig.“ (IP8: 220)

179 Vgl. IP1. 180 Vgl. IP2.

Empirischer Teil | 249

Unsicherheitsgefühle, die sich aus bestimmten Situationen heraus ergeben, kommen in den Erzählungen aller Probandinnen vor. Allerdings berichten insbesondere homosexuelle Probandinnen in besonderem Maße davon. Sie geben gleichzeitig zu bedenken, dass sie aufgrund ihrer Homosexualität durchaus sensibel für soziale Situationen sind, aus denen sich Gefährdungslagen für sie ergeben könnten. Bestimmte Erlebnisse, in denen sie diskriminierendes Verhalten selbst erlebt haben und Berichte von Freundinnen oder Bekannten, die selbst Opfer körperlicher Gewalt wurden, hallen diesbezüglich nach und sensibilisieren die Probandinnen 181. „Ja gut, andererseits musst du natürlich auch sagen, dass du - wenn man jetzt über unsere Homosexualität redet – dass wir an bestimmten Orten auch vorsichtig sind, ne!?“ (IP8: 216) „Aber es hat auch eher dann mit den Menschen, die man da sieht, zu tun.“ (IP9: 219)

Es besteht allerdings bei ausnahmslos allen Probandinnen ein explizites Interesse darin, Unsicherheitsgefühle im öffentlichen Raum nicht als intrinsisch begründet anzuerkennen, sondern als eingeredet und aufoktroyiert zu entlarven. Die Probandinnen weisen an dieser Stelle eine hohe Selbstreflexivität auf, was zu einer gewissen Dekonstruktion von Angsträumen und -orten führt. „Also sie sind schon da und ich versuche das eben mir auch bewusst zu machen, weil ich manchmal auch ein bisschen zu lax bin, weiß ich. Oder wenn meine Eltern dann auch immer sagen ‚was, da warst du alleine?‘, ‚mhh, jaa, ihr doch früher auch‘ und so. ‚Aber heute geht das doch nicht mehr‘, ‚Ja, wieso denn nicht?‘, also ich will das immer nicht einsehen. [Ähm] versuche da aber auch aufzupassen oder auch [ähm]. Also ich habe noch nicht so ein Pfefferspray oder so, aber ich überlege ständig, ob ich mir sowas nicht mal besorgen sollte. So für den Fall, dass doch mal irgendwie|.“ (IP13: 36) „Also ich wie gesagt, habe mir irgendwann habe ich aufgehört da mitzumachen, mir einzureden man müsste Angst haben irgendwo und [ähm]. Ich weiß, dass das| an unserem letzten Wohnort gab es ein Viertel bei uns in der Nachbarschaft, da sind Freundinnen von uns auch – ich hätte jetzt fast gesagt gezücktem Pfefferspray – langgegangen. Also die haben abends tatsächlich, wenn die nach Hause gegangen sind – und die haben da gewohnt eine Zeit lang – haben sie grundsätzlich nur mit Pfefferspray sind sie da nach Hause ge-

181 Dies trifft im Übrigen auch auf einen homosexuellen Probanden zu, dessen genaue Aussage hier allerdings auf expliziten Wunsch der Person keine Erwähnung findet, um Rückschlüsse auf seine Identität zu vermeiden.

250 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

gangen, weil sie ein latentes Gefühl der Bedrohung hatten oder sowas und das [ähm] fände ich schlimm, wenn das so wäre. Das möchte ich auch gar nicht.“ (IP9: 215)

Aus dieser Dekonstruktion, die von allen Probandinnen geleistet wird, ergibt sich allerdings seltener eine bewusste Subversion. Eher berichten die Probandinnen davon, Umwege in Kauf zu nehmen oder Alternativrouten zu wählen, um manche Areale, insbesondere das Friedrich-Wilhelm-Viertel, zu umgehen. „Also ich meine, es ist nicht so, dass ich mich da ängstigen würde oder so, zumal auf dem Fahrrad. Aber es ist einfach unangenehm, da langzufahren. Wenn diese potentiellen Luden oder was auch immer da sind oder Kunden. […] Es muss ja nicht sein, da langzugehen. Es gibt ja genug Alternativwege.“ (IP9: 188-190)

Es zeigt sich also, dass obwohl Angsträume von den Probandinnen selbst dekonstruiert werden, sie dennoch ihre Handlungspraktiken beeinflussen. So fühlen sich die Probandinnen sicherer, wenn sie mit dem Fahrrad solche Areale durchqueren (vgl. Abbildung 5-49). Das Gehen durch die Gebiete wird als bedrohlicher empfunden. „Weil man einfach überhaupt nicht| also gar nicht mal die Idee, jetzt könnte jemand hinterm Baum warten. Das finde ich ziemlich albern. Das habe ich auch als Kind natürlich eingeredet bekommen, aber davon habe ich mich frei gemacht, weil ich das lächerlich finde. Dann müsste man ständig Angst haben, weil man weiß ja nicht, hinter welchem Busch jemand hocken könnte theoretisch und warum sollte da jemand auf mich warten. Also das [ähm]. Deswegen fahre ich auch nachts durch Parks. Also fahren definitiv.“ (IP9: 211) „Ich fahre auch gerne alleine (=mit dem Rad?=). Jaa, und da habe ich ja, jetzt nich irgendwie Angst oder so. Also, ne. Gar nicht.“ (IP4: 182)

Empirischer Teil | 251

Abbildung 5-49: Das Fahrrad als Medium der subversiven Auseinandersetzung mit Angsträumen

Quelle: K. Hollstein

Zwei der Probandinnen berichten allerdings davon, dass sie immer wieder versuchen, ihr Verhalten zu hinterfragen und subversiv gegen ihre Angst oder Unsicherheit in bestimmten Räumen anzugehen und dies auch offensiv nach außen zu tragen. „[…] da habe ich regelmäßig so einen Schauer gekriegt irgendwie und ich glaube das liegt halt auch (..) daran, dass man eine Frau ist und man dann ja auch weiß (..)| Also man bekommt ja von klein auf mit (..) Mädchen, pass auf| Und das ist ganz schwer, aus dem eigenen Kopf rauszubekommen und [äähm] da habe ich halt auch schon öfter versucht, bewusst gegen anzukämpfen, indem ich es trotzdem einfach gemacht habe, jaa.“ (IP5a: 108) „Ja, aber ich glaube es ist auch sowas, dass man zum Beispiel sich bewusst entscheidet, jetzt im Friedrich-Wilhelm-Viertel zu wohnen. Also man wird auch schnell stigmatisiert und gefragt ‚häh, direkt am Puff, oder was?‘. Ich so ‚jaa genau‘. Gibt aber auch noch ein paar andere Sachen als den Puff. Also es ist jetzt gerade wichtig, dass man an so Orten wie jetzt hier (..) trotzdem sagt ‚hier ist es aber auch lebenswert und hier wohne ich gerne‘. Also das man sich dafür jetzt nicht rechtfertigt. Ich glaube dann trägt man in dem Augenblick auch dazu bei, dass es irgendwie auch mal ein bisschen Umdenken ist, dass man tagsüber oder abends auch Menschen gibt, die hier wohnen einfach und nicht nur zum Feiern und zum Vögeln herkommen so. Ja.“ (IP2: 140)

Es wird deutlich, dass die Aneignung von Dritten Orten abhängig von der Vorstellung, Wahrnehmung und Konstruktion von Raum und Ort und von der Vorstellung, Wahrnehmung und Konstruktion von Geschlechterverhältnissen ist

252 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

(vgl. Kapitel 2.2; vgl. Kapitel 2.3), auch wenn dies den Proband_innen nicht immer bewusst zu sein scheint. Dies widerlegt klar die Annahme, dass Dritten Orten aufgrund ihrer Erscheinung als Phänomene des öffentlichen Raums über eine ihnen inhärente „social equality“ verfügen (Oldenburg 1989: 42; vgl. Kapitel 4.4). An den teilöffentlichen Dritten Orten und im rein öffentlichen Raum (vgl. Kapitel 2.4) kommt es, abhängig von den Akteur_innen (Kreative, Betreiber_innen), intersektionalen und genderspezifischen Merkmalen, den Besitzverhältnissen und Handlungsmöglichkeiten, der Ausstattung und der Verwendung von Symbolen, durchaus zu inkludierendem und exkludierendem Handeln an den Dritten Orten.

5.4 NEUN THESEN ZU DRITTEN ORTEN DES KREATIV-URBANEN MILIEUS Aus den empirischen Ergebnissen heraus lassen sich thesenförmig aggregierte Aussagen zu den Dritten Orten kreativ-urbaner Milieus in mittleren Großstädten machen: •





• • •



Es herrscht ein Nebeneinander von konsumorientierten teilöffentlichen und rein öffentlichen Dritten Orten, wobei grüngeprägte Freiräume insbesondere dem Sich-Entziehen vom Milieu dienen. Attraktive und erfolgreiche Dritte Orte suggerieren eine Privatheit im Öffentlichen und unterstützen gleichzeitig Kommunikation und Interaktion zwischen den Besucher_innen; informell in Kontakt treten zu können ist das Hauptmotiv zum Besuch Dritter Orte. Ein gewisser Anti-Perfektionismus wird gegenüber zu offensichtlich durchgestylten Dritten Orten bevorzugt, gleichzeitig ist aber ein qualitativ hochwertiges Angebot an den Dritten Orten wichtig. Authentizität ist wichtiger als das Label, das ein Ort innehat. Alt gewinnt gegenüber Neu, Temporäres muss temporär bleiben, fehlende Geschichte kann durch Geschichten zum Dritten Ort kompensiert werden. Nostalgie, Entdeckungen, Kontraste und funktionale Unbestimmtheit sind wichtige Motive, die die Frequentierung Dritter Orte begünstigen. Betreiber_innen der Dritten Orte sind im Idealfall Freunde ohne Freundschaft, ihr milieuinternes oder gesamtstädtisches Engagement wird mit dem Besuch von und dem Konsum an diesen Orte honoriert. Die Modi der Aneignung der Dritten Orte sind genderspezifisch.

Empirischer Teil | 253





Auch wenn egalitäre Dritte Orte explizit gewünscht werden, sind sie doch zumindest implizit exklusiv. An ihnen existieren tendenziell weniger genderspezifische als vielmehr intersektionale Exklusionslinien. Angsträume und -orte werden dekonstruiert und teilweise einer Subversion zu unterwerfen versucht.

6

Fazit

In den folgenden Unterkapiteln des Fazits werden die in der Einleitung formulierten forschungsleitenden Fragenkomplexe (Kapitel 1.2) unter Einbezug der theoretischen und empirischen Betrachtungen beantwortet. Dabei wird zunächst auf die Bedeutung Dritter Orte kreativ-urbaner Milieus für die Stadtentwicklung im Allgemeinen und für die kreativ-urbanen Milieus selbst abgestellt (Kapitel 6.1). Darauf folgend wird die Entstehung von relevanten Dritten Orten des Milieus beschrieben, indem zunächst darauf eingegangen wird, wie sich diese Orte identifizieren lassen, um sie als Untersuchungsgegenstand fassbar zu machen. Darauf aufbauend wird dargestellt, auf welche Weise sie sozial produziert und angeeignet werden und welche konkreten physischräumlichen Attribute und sozialen Prozesse dazu beitragen (Kapitel 6.2). In Kapitel 6.3 werden die sozialen, insbesondere die genderspezifischen und intersektionalen, In- und Exklusionslinien, die sich an den Dritten Orten identifizieren lassen, nachgezeichnet. Darauf aufbauend wird dargestellt, inwiefern Dritte Orte dennoch als integrierende und gemeinschaftsbildende Konstrukte aufgefasst werden können. Kapitel 6.4 zeigt schließlich die sich aus der vorliegenden Arbeit ergebenden Implikationen für eine gendersensitive und nachhaltige Stadtentwicklung auf und formuliert damit zusammenhängenden weiteren Forschungsbedarf.

6.1 BEDEUTUNG DRITTER ORTE KREATIV-URBANER MILIEUS In Bezug auf die Bedeutung Dritter Orte kreativ-urbaner Milieus für die Stadtentwicklung im Allgemeinen muss auf den wechselseitigen Konnex von Kreativität und Urbanität verwiesen werden, in dem kreative Szenen, in der Kulturund Kreativwirtschaft Tätige und deren Umfelder bestimmte (Dritte) Orte als at-

256 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

traktiv einordnen und diese frequentieren und damit diese (Dritten) Orte wiederum sozial und räumlich-physisch (re-)produzieren. Jene Orte sind aber nicht nur für ‚die Kreativen‘ interessant und tragen insofern zur Attraktivitätssteigerung von Städten bei. Auch für andere soziale Gruppen oder Milieus üben Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus eine gewisse Anziehung aus. Dies kann insbesondere anhand von Städten wie Barcelona, Berlin oder New York nachvollzogen werden. Aber auch in Bezug auf weniger bekannte Städte scheint dies zu funktionieren. In Braunschweig ist diesbezüglich insbesondere der Handelsweg zu nennen. Auch über das betrachtete Milieu hinaus, weisen die dort vorhandenen Dritten Orte, vor allem das Riptide eine hohe Beliebtheit auf, sowohl bei Einwohner_innen als auch bei Besucher_innen der Stadt unterschiedlichen Alters, sozioökonomischer und lebensstilbezogener Verortung. Dies kann allerdings dazu führen, dass solche Dritten Orte bei einer Überbeanspruchung durch andere, in ihren Wertehaltungen teils stark abweichende Milieus weniger attraktiv, insbesondere weniger authentisch für das eigene Milieu werden, sodass sich die relevanten Dritten Orte im Zeitverlauf ändern können. Damit steht in Verbindung, dass ein gewisser Anti-Perfektionismus von Orten gegenüber eines zu offensichtlichen Stylings und Labelings bevorzugt wird. Im betrachteten Braunschweiger Fall kann dies beispielsweise anhand von Starbucks nachvollzogen werden. Hier kann festgestellt werden, dass es bezüglich der Verknüpfung von Ort und Identifikation zu einem Übergang von einer ehemals vorhandenen Identifikation mit einem solchen Ort zu einer Identifikation gegen den Ort als Ausdruck der Kritik an kapitalistischen Strukturen am Ort kommt beziehungsweise eine Nicht-Identifikation mit dem Ort stattfindet, indem sich Milieumitglieder von dem Ort entfremden oder von anderen sozialen Gruppen verdrängt werden. Diese im geografischen Sinne räumliche Verschiebung von relevanten Dritten Orten der kreativ-urbanen Milieus kann aber durchaus als ‚Entwicklungshilfe‘ oder als Wertschöpfungspotenzial für wenig attraktive Städte oder Stadtquartiere angesehen werden, indem der materielle Stadtraum eine Aufwertung erfährt, beispielsweise auch durch temporäre Dritte Orte. Insofern kann durchaus davon gesprochen werden, dass kreativ-urbane Milieus als Impulsgeber für Stadtentwicklungsprozesse dienen können, und das nicht nur aus ökonomischer, sondern auch aus im engeren Sinne räumlicher Perspektive. In diesem Zusammenhang können (müssen aber nicht) Gentrifizierungsprozesse die Folge sein. In Bezug auf die Bedeutung Dritter Orte für das kreativ-urbane Milieu selbst, sprich für dessen Mitglieder, kann zunächst konstatiert werden, dass sie in Bezug auf die lebens- und arbeitsweltlichen Umstände Kreativer eine Art Rückverbindung, eine Ortsverankerung, ein ‚Regrounding‘ bieten. Dort können sie ihren

Fazit | 257

Entgrenzungs- und unter Umständen Überforderungsgefühlen und Zukunftsängsten, die sich beispielsweise aus der Unsicherheit bezüglich der künftigen Erwerbsverhältnisse ergeben, im Austausch mit anderen begegnen. In Verbindung mit einem durch den Besuch digitaler Räume nicht erfüllbares steigendes Bedürfnis an sinnlich Spürbarem und real erlebbaren Interaktionen sind sowohl konsumorientierte Dritte Orte als auch urbane Freiräume für kreativ-urbane Milieus unverzichtbar. So kann durchaus von einer Rückbesinnung auf eine Öffentlichkeitskultur gesprochen werden. Die durch Digitalisierung und Globalisierung begründeten Entlokalisierungen werden durch die Frequentierung gemeinsamer Dritter Orte und der damit zusammenhängenden realen, face-to-face-Kommunikation aufzufangen versucht. Über räumliche Verortungen und -verankerungen findet also eine Kompensation der permanenten digitalen ortsungebundenen Vernetzung statt. In diesem Zusammenhang kann auch die Rückbesinnung und Attraktivität von Dritten Orten, an denen Qualität mehr zählt als Quantität, von Dritten Orten, die nachhaltige, gute und bodenständige Produkte anbieten, gelesen werden. Neben der eher auf gesamtgesellschaftliche Wandlungstendenzen zurückführbaren Bedeutungszuschreibung Dritter Orte für kreativ-urbane Milieus kann zudem eine große Bedeutung in Bezug auf sehr konkrete ökonomische, wenn auch auf idealistischen Ansichten beruhende Vorteile beschrieben werden. Einerseits indem es durch das Aufeinandertreffen von Milieumitgliedern zu gemeinsamen Ideen und Projekten kommt, andererseits aber auch durch den Umstand, dass an den Dritten Orten Erzeugnisse und Produkte milieuzugehöriger Personen präsentiert beziehungsweise verkauft werden. Dadurch erlangt die eigene kreative Schaffenskraft eine öffentliche Sichtbarkeit und kann unter Umständen eine ökonomische Verwertung erfahren. In diesem Zusammenhang ist die Betonung der Stellung, die die Betreiber_innen und das Personal an den Dritten Orten einnehmen, zu lesen. Betreiber_innen und Personal der Dritten Orte sind im Idealfall Freunde ohne Freundschaft, denen ein zumindest milieuinternes oder ein einigen Fällen gesamtstädtisches Engagement zugesprochen wird. Mit dem Besuch von und dem Konsumverhalten an ‚deren‘ Dritten Orten wird jenes Engagement honoriert – ideell und ökonomisch. Im Sinne des Place-Konzepts sind Dritte Orte in der Wahrnehmung der Akteur_innen auf verschiedene Weisen konsumierbar und haben einen stark erkennbaren Gebrauchswert inne (Inspiration, Kontakte, Information, Kommunikation, Interaktion aber auch Kontemplation). Sie weisen jeweils, insofern sie nicht temporärer Art sind, eine Vertrautheit für die Akteur_innen auf und werden im alltäglichen Handeln und Verhalten produziert und reproduziert. Dies geschieht über eigene Erfahrungen und Erlebnisse, ebenso aber auch mittels Ge-

258 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

schichten, Mythen und Narrativen, die mit den Dritten Orten in Verbindung stehen wie auch über die Aneignung der Orte auf individueller oder auf kollektiver Milieuebene. Zudem empfinden sich die Akteur_innen an den Dritten Orten als Teil einer sozialen Gemeinschaft, in der sie als Individuen wertgeschätzt werden und mittels derer sie einerseits ihrer eigenen Isolation entgehen können und andererseits in Bezug auf ihre Kreativität und ihre kreativen Tätigkeiten profitieren. Indem Dritte Orte gleichsam sowohl die Kommunikation als auch die Interaktion zwischen den Besucher_innen unterstützen, diesbezüglich sind naturgemäß einige Dritte Orte erfolgreicher als andere, bieten sie Möglichkeiten und Gelegenheiten, um informell mit anderen in Kontakt zu treten, was als Hauptmotiv zum Besuch jener Dritten Orte angesehen werden kann. Dritte Orte sind Möglichkeitsräume, und zwar nicht nur im metaphorischen Sinne. Sie bieten verschiedene konkrete Möglichkeiten der Raumaneignung, der Wahrnehmung von Atmosphären, der Bildung von Beziehungen und damit der Erfahrung von Vielfalt einerseits und Homogenität andererseits sowie letztlich Möglichkeiten von räumlichen, ökonomischen und letztlich sozialen Veränderungen. In diesem Sinne können die Dritten Orte für das betrachtete Milieu als Kondensationspunkte des „Zufallsgenerators Stadt für Kontakte, Informationen und Gelegenheiten“ (Growe 2009: 385) angesehen werden. Dies begründet sich darin, dass sie tatsächlich als Entstehungsbasis der Formierung kreativ-urbaner Milieus fungieren, indem sie Kommunikation und Interaktion, aus denen Kreativität erwachsen kann, kontextualisieren. So ergeben sich an den Dritten Orten, ganz im Sinne der an sich auf größere Maßstabsebenen bezogenen Agglomerationsthese, soziale und auch ökonomische Vorteile für die Kreativen aus der räumlichen Bindung. Indem es an den Orten zu spontanem, weitestgehend ungeplantem Austausch von impliziten Wissen kommt, das Kreativität bedingt, und zudem Informationen darüber geteilt werden, was innerhalb der kreativen Szenen passiert, was geplant wird, wie und ob eine Teilhabe daran möglich und gewünscht ist, gewinnen Dritte Orte als Umgebungen mit hoher Interaktionsdichte und damit face-to-face-nahen Anregungs-, Inspirations- und Kreativitätspotenzialen an Bedeutung. An den Orten werden also tatsächliche soziale und ökonomische Prozesse und Möglichkeiten konkret. Damit in Verbindung steht, dass auch im betrachteten Milieu sowohl bauliche Dichte als auch personale Dichte und Vielfalt an den Dritten Orten selbst als vernetzungs- und damit kreativitätsfördernd erachtet werden, ebenso wie unerwartete Begegnungen mit vielfältigen sozialen Interaktionen, unerwartete Entdeckungen an und von Orten (auch in Gestalt temporärer Dritter Orte) und ein gewisses Maß an Heterogenität in der Klientel, die die Orte

Fazit | 259

frequentiert. Dritte Orte können insofern im wahrsten Sinne als Verbindungsmedium zwischen den einzelnen Akteur_innen des Milieus gefasst werden. Einen Sonderfall innerhalb des Netzes der Dritten Orte des kreativ-urbanen Milieus stellen städtische Freiräume dar. Diese werden von den Akteur_innen insbesondere aus der Motivation heraus aufgesucht, Ruhe, Entspannung und Entschleunigung zu finden und sich des durchaus empfundenen Zwangs zur Kommunikation mit anderen Milieumitgliedern zu entziehen. In diesem Zusammenhang kann die Frequentierung insbesondere von grüngeprägten Freiräumen als bewusste Distanzierung zu den alltäglichen Anforderungen, denen Kreative ausgesetzt sind, verstanden werden. Dennoch ist auch der Besuch von Freiräumen mit der Motivation verknüpft, Inspiration und damit Kreativität aus sich selbst heraus empor zu befördern. Es kann also durchaus davon gesprochen werden, dass auch der urbane Freiraum als Erfahrungsraum verstanden wird, der die Kreativität durch Inspiration fördert und damit die eigene ökonomische Vermarktbarkeit steigert. An diesem Umstand wird eine der arbeitsweltlichen Flexibilisierung geschuldete lebensweltliche Flexibilisierung Kreativer ersichtlich. Zudem wird das Bild kollektiver Kreativität, das einerseits dem Konzept der kreativ-urbanen Milieus und andererseits auch den in der vorliegenden Arbeit thematisierten kreativitätsorientierten Ansätzen für den urbanen Raum zugrunde liegt, als nicht vollständig von den Akteur_innen inkorporiert offenbar. Vielmehr ist das Bild des kreativen Genies weiterhin vorhanden und bildet sich im Selbstverständnis der Proband_innen ab, allerdings in durchaus unterschiedlicher Ausprägung 1. Letztlich lassen sich Dritte Orte des kreativ-urbanen Milieus metaphorisch als eine Überlagerung von vier verschiedenen, mal eng- mal weitmaschigeren Netzen beschreiben, deren Fäden untereinander verwoben sind und die gemeinsam an den Dritten Orten selbst verknotet sind (vgl. Abbildung 6-1). Die für die Mitglieder des Milieus vordergründigen Eigenschaften dieses Netzes bestehen darin, auf verschiedenen Ebenen einen Rückhalt in ihrer entgrenzten und hoch flexibilisierten Lebens- und Arbeitswelt zu bieten und durch face-to-faceKontakte ihre eigene Inspiration und Kreativität zu befördern.

1

In diesem Zusammenhang mag es interessant sein zu erwähnen, dass eine Probandin im Rahmen der Vorstudie anmerkte, dass Kreativität ausschließlich aus der eigenen Person entstehen kann und Inspiration von außen überflüssig, wenn nicht gar unmöglich ist.

260 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Abbildung 6-1: Dritte Orte als System untereinander verknüpfter Netze

Quelle: eigene Darstellung

Ein erstes Netz ist physisch-räumlicher Natur. Die Knoten jenes Netzes bestehen aus den physischen Elementen der Dritten Orte des kreativ-urbanen Milieus. Die Fäden beziehungsweise Kanten des Netzes sind die physisch-räumlichen Verbindungswege zwischen den Orten. Ein zweites Netz ist als soziales Netz zu betiteln, in dem die Knoten die realen face-to-face-Kontakte zwischen den Akteur_innen des Milieus an den Dritten Orten beschreiben, aus denen Inspiration und Kreativität entstehen, während die Kanten die Beziehungen zwischen den Akteur_innen darstellen, die im Konzept der kreativ-urbanen Milieus als Netzwerk-Ressourcen gefasst werden. Ein drittes verknüpftes Netz ist am besten mit dem Begriff idealistisch zu beschreiben. Dabei bestehen die Knoten jenes Netzes aus dem idealismusgeleiteten Konsum an den Dritten Orten und der Sichtbarmachung von (kreativen) Erzeugnissen milieuzugehöriger Personen. Die Kanten jenes Netzes bestehen dementsprechend in der gegenseitigen Unterstützung der Akteur_innen und Betreiber_innen der Dritten Orte auf ideeller Ebene. Ein viertes Netz ist in der ökonomischen Verwobenheit der Akteur_innen zu sehen. Die Knoten stellen dabei die Informationen zu Projekten, aktuellen und zukünftigen Erwerbsmöglichkeiten sowie der Verkauf von Produkten milieuzugehöriger Personen am jeweiligen Dritten Ort dar, während die Kanten die ge-

Fazit | 261

genseitige ökonomische Unterstützung zwischen Milieuangehörigen verbildlichen. Die Anzahl der an einem Dritten Ort verknoteten Netze kann als Attraktivitätsindikator für Dritte Orte des kreativ-urbanen Milieus angesehen werden: Je mehr Netzebenen dem Ort zugeschrieben werden, umso attraktiver beziehungsweise relevanter wird er für Mitglieder des Milieus.

6.2 GENESE DRITTER ORTE KREATIV-URBANER MILIEUS Um die Erkenntnisse über das Entstehen und die Entwicklung Dritter Orte kreativ-urbaner Milieus zusammenfassend darlegen zu können, muss an dieser Stelle zunächst ein Rückgriff auf die Erläuterung der angewandten der Methodik stattfinden. Um die Genese der relevanten Orte nachzeichnen zu können, müssen die Orte zunächst identifiziert werden, wofür es unumgänglich ist, zunächst das kreativ-urbane Milieu selbst zu erheben. Nur auf diese Weise können tatsächlich diejenigen Orte betrachtet werden, die eine Relevanz für das Milieu aufweisen. Da ein kreativ-urbanes Milieu als Spezialform eines verorteten Beziehungsnetzwerks angenommen wird, bedarf es wiederum der Identifikation der einzelnen Mitglieder des Milieus. Dies kann über das Instrument der sozialen Netzwerkanalyse geschehen, in der unter Anwendung von Reputationsmethode und in der Folge relationaler Methode Beziehungen zwischen Akteur_innen der kreativen Szenen, der Kultur- und Kreativwirtschaft und deren Umfeldern sichtbar gemacht werden. Über eine solche Netzwerkanalyse können zudem schon erste Hinweise auf relevante Dritte Orte der Akteur_innen generiert werden. Dies kann geschehen, indem neben einem Namensgenerator und der Abfrage von Eigenschaften der Beziehungen der Akteur_innen untereinander auch Angaben zu Orten abgefragt werden, an denen sich die jeweils genannten Akteur_innen begegnen. Diese Angaben können aber tatsächlich nur als grobe Orientierung beziehungsweise erster Überblick über potentielle räumliche Cluster Dritter Orte dienen. Mittels der Methoden der Autofotografie und der episodisch-narrativen Interviews ergibt sich ein differenzierteres Bild über Anzahl und jeweilige Relevanz, Bedeutung und Wichtigkeit der Dritten Orte. So werden einerseits anzahlmäßig mehr Orte durch die Proband_innen als relevant erachtet, als es während der Netzwerkanalyse den Anschein hat. Andererseits stellt sich heraus, dass je nach augenblicklicher individueller Verfasstheit und Intention verschiedene Orte

262 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

als wichtig erachtet werden. Mittels der Netzwerkanalyse können also nur solche Dritten Orte identifiziert werden, die gerade in diesem einen Moment der Erhebung relevant erscheinen und dies nur in Bezug auf die jeweils wichtigsten sozialen Beziehungen des kreativen Umfelds des oder der in diesem Moment befragten Proband_in. Die Methode der Autofotografie erweist sich in Verbindung mit qualitativen Interviews als geeignetes Instrument, um die beschränkte Aussagekraft einer quantitativen Abfrage von wichtigen Dritten Orten zu erweitern. Für die Identifizierung der Gesamtheit der relevanten Orte ist es geboten, eine Methode zu wählen, die über einen längeren Zeitraum Ergebnisse liefert. Dies ist bei der Autofotografie der Fall. Wichtig ist es zudem, auch Räume, die im rechtlichen Verständnis nicht den rein öffentlichen oder teilöffentlichen Räumen zuzurechnen sind, in die Gesamtheit der Dritten Orte einfließen zu lassen. Es geht darum, die Orte der Akteur_innen des kreativ-urbanen Milieus zu identifizieren und aus deren Sicht – aus Nutzer_innensicht – ist dies mit dem in der vorliegenden Arbeit angewandten Begriffsverständnis möglich. Letztlich ist ein Nebeneinander von konsumorientierten teilöffentlichen und rein öffentlichen Dritten Orten feststellbar, deren Gesamtheit mithilfe des quantitativen Kriteriums der Zugänglichkeit und Nutzbarkeit und des diskursiven Kriteriums der potentiellen Interaktionsmöglichkeiten als öffentlich eingeordnet werden kann. Lediglich in Bezug auf das qualitative Kriterium der Erfahr- und Erlebbarkeit von Heterogenität bestehen bei der Einordnung der Dritten Orte deutliche Unterschiede. Obwohl seitens bestimmter Probandinnen zu Beginn der Untersuchung eine gewisse Skepsis gegenüber der Offenlegung ihrer wichtigen Orte auszumachen ist, können die Dritten Orte auf diese Weise identifiziert werden. Die öffentlichen Räume und Freiräume im Sinne Dritter Orte bilden ein über dem Stadtraum liegendes, relativ engmaschiges Netz, wobei die Variation der Maschenweite unterschiedlich ist. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass sich das räumliche Netz (vgl. Abbildung 6-1) identifizierter Dritter Orte bei einer Wiederholung der Untersuchung durchaus variabel darstellen dürfte. Indem sich auch Dritte Orte im Sinne von Spacing und Syntheseleistung und der sich daraus ergebenden Raumkonstitution mit der Zeit verändern, ist anzunehmen, dass die Relevanz bestimmter Orte im zeitlichen Verlauf zu- oder abnimmt. Durch die Prozesse des Spacings und der Syntheseleistung werden Orte sozial produziert, sowohl individuell durch die jeweiligen Akteur_innen, als auch kollektiv mittels geteilter Bedeutungszuschreibungen und Codierungen durch das kreativ-urbane Milieu in seiner Gesamtheit. Über vornehmlich informelle Kommunikation und Interaktion, über spezifische Symbole und Zeichen finden Prozesse der Raumaneignung statt, die sich darüber hinaus in einer Veränderung

Fazit | 263

gegebener Situationen und räumlich-dinglicher Arrangements sowie der eigenen räumlichen Platzierung zeigen. Über geteilte Erfahrungen in einer milieuspezifischen Lebens- und Arbeitswelt werden diese Zeichen der Raumaneignung für andere Milieumitglieder lesbar. Auf diese Weise verfestigt sich die Bedeutung der Dritten Orte für das Milieu, sodass die Gebundenheit an konkrete, physisch existierende Dritte Orte zumindest für einen gewissen Zeitraum persistent ist, auch wenn Leben und Arbeit der Kreativen durch Flexibilisierungs- und Entgrenzungstendenzen geprägt sind. Im Sinne von Spacingprozessen werden die betrachteten Räume durch das Erschließen im Sinne der Frequentierung des Raums, durch materielles und wahrnehmungsbedingtes Begreifen sowie durch das Umfunktionieren von Ensembles im Sinne von dinglichen und sozialen Arrangements als Dritte Orte konstituiert. Dies geschieht in Verbindung mit Syntheseleistungsprozessen, also über Imaginationen und Wahrnehmungen zu und selbst durch Erleben geschaffene oder durch Narrative zugeschriebene Erinnerungen an die Orte. Indem sich Milieumitglieder an dem so konstituierten Ort platzieren und ihn physisch und emotional einnehmen, werden die Orte, durchaus auch in im wahrsten Sinne des Wortes spielerisch, angeeignet. Im Sinne Lefebvres werden diese Individuen an dem Dritten Ort als legitimiert wahrgenommen. Insofern sind die Akteur_innen aktiv an der Aneignung und Bedeutungszuschreibung ebenjener Orte beteiligt und erfahren in dieser Weise eine Raumbindung. Bei der Analyse der Entstehung der Dritten Orte ist der Aspekt der Atmosphäre zentral. Nur wenn die atmosphärischen Qualitäten bestimmter Räume (positiv beziehungsweise negativ) wahrgenommen werden, lässt sich mit dem Betreten eines bestimmten räumlichen Areals eine (angenehme beziehungsweise unangenehme) Umstimmung für die Proband_innen erfahren, was bei ihnen zu einer Ortskonstitution beiträgt. Darauf weist beispielsweise die große Bedeutung von räumlich-baulichen und atmosphärischen Brüchen in der Wahrnehmung relevanter Dritter Orte hin. Die Potentialität bestimmter Räume für die Entwicklung von als angenehm oder passend erscheinenden Atmosphären ergibt sich in Bezug auf die betrachteten Orte insbesondere durch die am Ort selbst suggerierte Privatheit in einer an sich öffentlichen Sphäre. An den Orten besteht durchaus eine „Atmosphäre der Familiarität und Intimität“ (Steets 2011: 98), die dazu beiträgt, sich ausprobieren zu können, informell in Kontakt mit anderen zu kommen, Bekanntschaften zu machen und Freundschaften zu schließen. Weiterhin tragen Attribute des Orts, die die Kommunikation und Interaktion zwischen den Besucher_innen unterstützen, teils gar forcieren, in Verbindung mit Artefakten, die bei den Proband_innen nostalgische Gefühle auslösen und auf die Geschichte(n) des Ortes verweisen, zur Raumkonstitution bei. Die tat-

264 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

sächliche oder gefühlte funktionale Unbestimmtheit führt dabei zu einer erhöhten Potentialität der Dritten Orte. Individuelle Gefühle, sowohl im Sinne einer inneren Gestimmtheit als auch im Sinne augenblicklicher Wahrnehmungen, sowie Sinneseindrücke, insbesondere visueller und olfaktorischer Art, die mit Vorerfahrungen der Akteur_innen in Verbindung stehen, individuelle und kollektive Assoziationen sowie materielle Gegebenheiten im Zusammenspiel mit Handlungen und Interaktionen sind insofern als wesentliche Faktoren an der kollektiven Raumkonstitution beteiligt. In einem Zusammenhang mit den atmosphärischen Qualitäten der Orte steht der jeweilige sense of place. Indem die Bedeutung von Orten sinnlich durch die Akteur_innen wahrgenommen wird und eine Identifikation mit den Orten stattfindet, werden die Dritten Orte als bedeutungsvolle Konstrukte erlebt.

6.3 SOZIALE IN- UND EXKLUSIONSLINIEN DRITTER ORTE KREATIV-URBANER MILIEUS In der zu Beginn der Untersuchung von den Akteur_innen formulierten Wahrnehmung, dass genderspezifische und intersektionale Aspekte sowohl in Bezug auf ihr Milieu als auch in Bezug auf ihre Dritten Orten keine oder lediglich eine sehr untergeordnete Rolle spielen und insofern Fragen nach Geschlechts- und Genderaspekten für ihr Milieu obsolet sind, kann eine Bestätigung der These gesehen werden, dass das Alltagswissen zu raum- und ortsbezogenen genderspezifischen und intersektionalen Aspekte auch in hochgebildeten, eher progressiven, urbanen Milieus unausgeprägt ist. Im betrachteten kreativ-urbanen Milieu besteht die Auffassung, dass Geschlecht für ihre Lebens- und Arbeitswelt einen irrelevanten Faktor darstellt. Dies ist zunächst positiv zu bewerten, indem es so scheint, als würden in diesem Milieu geschlechterspezifische Zuweisungen keine Rolle mehr spielen. Vordergründig werden die benannten Dritten Orte folglich zunächst insgesamt als inkludierend beschrieben, ihnen wird ein egalitärer Charakter zugesprochen. An viele Stellen zeigt sich, dass dies von den Proband_innen auch explizit gewünscht wird und in diesem Zusammenhang auch die implizierte soziale Erwünschtheit ihrer Aussagen dazu beiträgt. Durch die vertiefte Auseinandersetzung der Proband_innen mit ihren Dritten Orten innerhalb der Methoden der Autofotografie und der episodisch-narrativen Interviews, wird jedoch deutlich, dass insbesondere die Aneignung von Dritten Orten durchaus abhängig von der Vorstellung, Wahrnehmung und Konstruktion von Raum und Ort und von der Vorstellung, Wahrnehmung und Konstruktion

Fazit | 265

von Geschlechterverhältnissen ist, auch wenn dies den Proband_innen nicht immer bewusst zu sein scheint. Da die empirische Erfassung von Unterschieden zwischen Frauen und Männern unter Umständen zu einer Verfestigung von Geschlechtsstereotypen beiträgt, wird bei der Betrachtung der Dritten Orte und ihrer sozialen Produktion der Fokus nicht ausschließlich auf geschlechter- oder genderdifferente Ausprägungen gelegt, sodass neben geschlechterspezifischen Aneignungspraxen intersektionale Analysekategorien betrachtet werden. Zunächst kann aber konstatiert werden, dass die Modi der Aneignung der Dritten Orte genderspezifisch sind. Dies betrifft insbesondere die Raumaneignung im physisch-materiellen Sinn durch raumgreifendes Verhalten und raumgreifende Handlungen. Während die Probandinnen den Raum langsam, mittels Routinen und eher gemeinsam aneignen, findet bei den Probanden eher eine spontane und selbstbewusstere Raumaneignung statt. In diesem Zusammenhang ist auch der Umstand zu interpretieren, dass Probandinnen in Bezug auf bestimmte Orte eher die Befürchtung artikulieren, als nicht passend, nicht zugehörig angesehen zu werden. Recht deutlich werden genderspezifische Differenzen in den Bedeutungszuschreibungen zu grüngeprägten städtischen Freiräumen. Diese werden von Probandinnen eher als romantisierte Orte der Natur in der Stadt wahrgenommen, die ihnen dabei helfen, Ruhe und Entspannung zu finden, während für die Probanden städtische Freiräume eher der Sportausübung dienen. Die Motivation, innere Ruhe und Inspiration zu finden, verbindet aber Probandinnen und Probanden gleichermaßen. Die am augenfälligsten Differenzen zeigen sich in der Bewertung bezüglich unbegleiteter Besuche von Dritten Orten. Probandinnen suchen ihre Dritten Orte seltener alleine auf und wenn sie dies tun, benötigen sie dafür konkrete Anlässe, die ihre Anwesenheit vor anderen Personen legitimieren sollen. In Bezug auf sogenannte Angsträume kann festgestellt werden, dass bei dem unbegleiteten Besuch einerseits grüngeprägter Freiräume, andererseits aber auch bestimmter Stadtviertel und öffentlicher Räume, in denen sich selbst keinerlei relevante Dritte Orte befinden, die aber durchquert werden müssen, um an die relevanten Dritten Orte zu gelangen, von den Probandinnen als bedrohlich, mindestens aber unangenehm empfunden werden, während dies bei den Probanden mehrheitlich nicht der Fall ist. Bei den Probandinnen zeigt sich also durchaus eine Projektion von Unsicherheit, Furcht und Angst auf den öffentlichen Raum. Dies ist insofern bemerkenswert, als dass Frauen im Allgemeinen einem weit geringeren Risiko unterliegen, Opfer von Gewaltverbrechen im öffentlichen Raum zu werden als Männer. Dies zeigt sich im Speziellen auch bezüglich der befrag-

266 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

ten Mitglieder des betrachteten Milieus, in dem lediglich Probanden Opfer von Verbrechen wurden. In ihrer Projektion von Furcht auf den öffentlichen Raum sind sich die Probandinnen allerdings sehr wohl darüber bewusst, dass ihnen weniger die Orte oder Räume ein Unsicherheitsgefühl vermitteln, sondern vielmehr die sich in ihnen befindlichen Personen und die sich ergebenden sozialen Situationen. Insbesondere homosexuelle Probandinnen äußern dies sehr deutlich, indem sie zu bedenken geben, dass sie aufgrund ihrer Homosexualität durchaus sensibel für soziale Situationen sind, aus denen sich Gefährdungslagen für sie ergeben könnten. Dies kann dahingehend interpretiert werden, dass die zumindest unterstellte, aber auch explizit selbst erfahrene hegemoniale heteronormative Kultur des öffentlichen Raums dazu beiträgt, dass sich bestimmte Proband_innen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung als nicht zugehörig und als out of place wahrnehmen. Herausgestellt werden kann in diesem Zusammenhang allerdings, dass bei den Probandinnen ein explizites Interesse darin besteht, Unsicherheitsgefühle im öffentlichen Raum nicht als intrinsisch begründet anzuerkennen, sondern als eingeredet und aufoktroyiert zu entlarven. Die Probandinnen weisen an dieser Stelle eine hohe Selbstreflexivität auf, was zu einer gewissen Dekonstruktion von Angsträumen und -orten führt. Aus dieser Dekonstruktion, die teilweise auch nach außen zu tragen versucht wird, ergibt sich allerdings seltener eine bewusste Subversion. Letztlich zeigt sich, dass obwohl Angsträume von den Probandinnen selbst dekonstruiert werden, sie dennoch ihre Handlungspraktiken und Verhaltensweisen beeinflussen, indem sich ihre Raumaneignung von derjenigen der Probanden unterscheidet. Auch wenn von den Milieumitgliedern egalitäre Dritte Orte explizit gewünscht werden, sind sie doch zumindest implizit exklusiv. An ihnen existieren neben genderspezifischen auch intersektionale Exklusionslinien, insbesondere handelt es sich dabei um die politische Verortung, Szenen und Subkulturen sowie eine Exklusionslinie zwischen freien Künstler_innen und in der Kultur- und Kreativwirtschaft Tätigen, seltener um Alter, Familienstand, ethnische oder soziale Herkunft, sozioökonomische Lage und körperliche Befähigung. Bei häufiger artikulierten Exklusionstendenzen, die auf Zugangshindernisse für bestimmte Personen schließen lassen, zeigt sich, dass bestimmte Dritte Orte entweder ausschließlich für das kreativ-urbane Milieu selbst oder nur für Teile dessen als ‚passend‘ angesehen werden. Die Trennungslinie von in place zu out of place verläuft diesbezüglich einerseits zwischen dem eigenen und den anderen Milieus, andererseits aber auch innerhalb des Milieus zwischen Orten der etablierten Kreativen der Kultur- und Kreativwirtschaft und den freien (Lebens-) Künstler-Kreativen, zwischen unterschiedlichen politischen Verortungen und

Fazit | 267

verschiedenen Szenen des Milieus. Der Ausschluss findet allerdings nicht umfassend, explizit und verbal statt, wohl aber durch ab- und ausgrenzendes nonverbales Verhalten. Als maximale Ausprägung von Ausgrenzungsverhalten werden wertende oder abschätzige Blicke innerhalb der Orte des kreativ-urbanen Milieus beschrieben. Verbale Äußerungen, die der Ausgrenzung dienen oder gar körperliche Gewalt werden von den Proband_innen nicht mit den Dritten Orten in Verbindung gebracht. Lediglich bei einem sehr geringen Anteil der betrachteten Dritten Orte kommt es zu stark ausgrenzendem Verhalten. Neben Exklusionslinien, die an den Dritten Orten bestehen, findet zusätzlich eine selbst auferlegte und in diesem Sinne gewollte Exklusion des kreativurbanen Milieus statt. Die Milieumitglieder erkennen an, dass andere Milieus oder soziale Gruppen ihre ‚eigenen‘ Dritten Orte haben. Zu diesen Milieus und damit zu diesen Orten grenzen sie sich selbst ganz bewusst ab. Dass implizit durchaus eine gewisse Exklusivität Dritter Orte des kreativurbanen Milieus gewünscht wird, zeigt sich zum einen in der Skepsis gegenüber der Offenlegung der Orte. Es wird eine Überinanspruchnahme der Orte befürchtet, im Zuge derer sich eine Identifikation mit dem Ort verbieten würde. Paradoxerweise wird allerdings gleichzeitig befürchtet, dass die Dritten Orte einer neoliberalen Stadt- und Immobilienpolitik zum Opfer fallen könnten, sollten sie nicht genügend nachgefragt und frequentiert werden. Daraus kann gefolgert werden, dass trotz des von allen Proband_innen explizit gewünschten inkludierenden Charakters der Orte, doch implizit eine gewisse Exklusivität erhalten werden soll. Zum anderen zeigt sich dieser Wunsch anhand der Beliebtheit von zu entdeckenden Dritten Orten. Orte, die nicht allen bekannt sind, die nicht ohne weiteres frequentiert werden können, haben eine besondere Bedeutung für das Milieu und dienen so in gewisser Weise auch der eigenen Abgrenzung gegenüber anderen Personen und deren Milieus. Der explizite Wunsch nach inkludierenden, sozial vielfältigen Dritten Orten äußerst sich neben der reinen Verbalisierung auch darin, dass von den Proband_innen selbst Orte initiiert werden, die ihrer Meinung nach der Inklusion über Grenzen von Milieus oder sozioökonomischen Schichten hinweg dienen und zu Kommunikation und Interaktion zwischen verschiedensten Personen beitragen. Auf diese Weise wird versucht, identifikations- und sinnstiftende Orte zu schaffen. Hier finden direkte raumgestalterische, raumaneignerische und ideelle Absichten ihren Ausdruck und es zeigt sich ein Bedürfnis nach sozialer Einbettung. Die Annahme, dass Dritten Orten aufgrund ihrer Erscheinung als Phänomene des öffentlichen Raums über eine ihnen inhärente soziale Gleichheit verfügen, kann durch die Analyse der betrachteten Dritten Orte weitgehend widerlegt wer-

268 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

den. An den teilöffentlichen Dritten Orten und im rein öffentlichen Raum kommt es, abhängig von den Akteur_innen, intersektionalen und genderspezifischen Merkmalen, den Besitzverhältnissen sowie Handlungs- und Verhaltensmöglichkeiten, der Ausstattung und der Verwendung von Symbolen, durchaus zu inkludierendem und exkludierendem Handeln an den Dritten Orten. Auf Grundlage der dahingehenden Artikulation der Proband_innen, dass Orte, die ganz explizit das kreativ-urbane Milieu als Zielgruppe ansprechen, einen egalitären Charakter aufweisen, kann von einer milieuinternen Inklusion an den Dritten Orten gesprochen werden. So kann zu diesem Themenkomplex abschließend festgestellt werden, dass Dritte Orte durchaus auch der Abgrenzung zu anderen sozialen Gruppen, Szenen oder Milieus dienen. Sind sie aber dennoch als integrierende Konstrukte zu begreifen, zumindest milieuintern. Insofern sind die relevanten Cafés, Kneipen und Bars keineswegs als Nicht-Orte der Übermoderne im Sinne Marc Augés zu begreifen. Denn sie sind, so hat die Untersuchung gezeigt, genau das, was er als „anthropologischen Ort“ (vgl. 2012: 50ff.) bezeichnet. Sie sind identitätsstiftend, relational und beziehungsstiftend sowie, zumindest in ihrer Mehrzahl, historisch.

6.4 IMPLIKATIONEN FÜR DIE STADTENTWICKLUNG Wenn nur solche Städte in einer globalisierten Wissensgesellschaft zukunftsfähig sein können, die ihre vielfältige Kreativ- und Wissenselite an sich binden können, wenn Kreative als Impulsgeber für eine nachhaltige Stadtentwicklung als maßgebliche Voraussetzung angesehen werden, um neue und innovative Wege zu denken und Perspektivwechsel auf verschiedensten Ebenen, im Sinne einer ‚kreativen Stadt‘ einzuleiten, dann ist es unerlässlich, darauf zu achten, dass die spezifischen räumlichen und sozialen Bedarfe Kreativer in der Stadtentwicklung eine starke Berücksichtigung finden, um die Städte nicht an ihnen vorbei zu entwickeln. Dabei ist insbesondere dem Bedürfnis nach sozialer Rückbettung und dem damit zusammenhängendem Bedürfnis nach räumlicher Verortung Aufmerksamkeit zu schenken. Dies gilt nicht nur in Bezug auf die Kulturund Kreativwirtschaft im engeren Sinne, sondern auch in Bezug auf Personen, die zu Kreativität in den Städten jenseits ökonomischer Verwertungsabsichten beitragen. Die vordergründigen Aussagen in der Betrachtung der Dritten Orte kreativurbaner Milieus, in denen Gender- und Intersektionalitätsaspekte als obsolet dargestellt werden, sollten nicht zur Annahme verleiten, Gender- und Intersektionalitätsaspekte in der physisch-räumlichen und sozialen Umgebung der Kreativen

Fazit | 269

unberücksichtigt zu lassen. Gerade vor dem Hintergrund, dass Frauen in ihrer doppelten Vergesellschaftung umso stärker von gesellschaftlichen Wandlungstendenzen wie Flexibilisierung und Entgrenzung betroffen sind und dass die Implikationen, die sich daraus ergeben, für Frauen eine besondere Herausforderung darstellen, sollte sich an Gender-Care- und Gender-Pay-Gap nichts Grundlegendes ändern. Im Zuge dessen ist es, wenn es das Ziel sein soll, eine strukturelle Chancengleichheit für Frauen und Männer zu erreichen, notwendig, neben Maßnahmen der baulich-physischen Stadtgestaltung als Ausdruck einer Symptombehandlung, auch eine stärkere Teilhabe und Einbindung von Frauen und Männern mit unterschiedlichen intersektionalen Hintergründen in Planungs- und Leitbildprozesse (vor dem Hintergrund von Entgrenzung, Flexibilisierung und Multilokalität) zu ermöglichen und letztlich gesellschaftlich bedingte räumliche Zuschreibungen zu den Geschlechtern offenzulegen und zu überwinden. Dabei sollte gleichsam bedacht werden, dass sich in jüngerer Zeit auch in Bezug auf Männer eine Art der doppelten Vergesellschaftung abzeichnet, wenn auch zaghaft und diametral entgegengesetzt zur der von Frauen. Auf der Grundlage der dargestellten Erkenntnisse über die Bedeutung und Entstehung Dritter Orte für kreativ-urbane Milieus, über intersektionale und genderspezifische Aspekte bei der sozialen Konstruktion dieser Orte, über Inund Exklusionslinien, die diese Orte durchziehen, können Räume (im physischmateriellen und im übertragenen Sinn) zu inkludierenden, kreativitätsfördernden Dritte Orten und Freiräumen entwickelt werden, die für Kreative und ihr Umfeld und letztlich für alle Einwohner_innen ohne physische, soziale oder ökonomische Einschränkungen nutzbar sind. Dabei muss allerdings anerkannt werden, dass es für bestimmte Milieus wichtig ist, auch eigene Räume und Orte zu haben, über die sie sich abgrenzen können, über die sie geteilte Erfahrungs- und Bedeutungszusammenhänge erlebbar machen können. Dies bedeutet aber gleichsam nicht, dass bestimmte Exklusionslinien akzeptiert werden sollten, die intersektionale Aspekte wie Geschlecht, ethnische und soziale Herkunft, sozioökonomische Lage und körperliche Befähigung betreffen. An ihrem Abbau sollte, ganz im Sinne der durch die Milieumitglieder gewünschten Integrationsfunktion Dritter Orte, gearbeitet werden. Das kreativ-urbane Milieu der Stadt Braunschweig zeichnet sich trotz anfänglicher Skepsis vereinzelter Akteur_innen in seiner Gesamtheit durch große Offenheit gegenüber dem Forschungsinteresse aus. Gleichzeitig zeigt sich durch die Beforschung eine Veränderung des Milieus. Bereits durch das Nachdenken der Proband_innen über ihre Netzwerkverbindungen, ihre Positionen im Netzwerk und die Beschaffenheit beziehungsweise die soziale Bedeutung ihrer Dritten Orte für sich, ihr Milieu sowie die Stadt in ihrer Gesamtheit, verändert sich

270 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

im Sinne Löws das Spacing und die Syntheseleistung bezüglich der Konstitution der Dritten Orte. Der Untersuchungsgegenstand verändert sich folglich sowohl während als auch durch dessen Beforschung, sodass Betrachtungen kreativurbaner Milieus immer nur ein „flüchtiges Abbild darstellen können“ (Bingel/Wotha 2018: 104). Aufgrund dieses Umstands, erscheint es angebracht, die aufgestellten Thesen zu den Dritten Orten anhand eines anderen kreativurbanen Milieus zu prüfen und weiterzuentwickeln beziehungsweise Thesen bezüglich Dritter Orte in Städten anderer Größenordnung zu entwickeln. Zudem ist in der Erweiterung der forschungsleitenden Fragen der vorliegenden Arbeit auf virtuelle Dritte Orte eine Option für Folgeforschungen zu sehen. Die Thematik findet in dieser Arbeit zwar insofern Beachtung, als dass zu ergründen versucht wird, ob „die sich rasant entwickelnden Informations- und Kommunikationstechnologien den Stadtraum verändern“ und es sich bei virtuellen und physisch existierenden öffentlichen Räumen und Orten „um ein Tandem oder um eine Geisterfahrt der Urbanität“ (Klamt 2012: 800) handelt. Die Bedeutung virtueller Dritter Orte, insbesondere onlinebasierter sozialer Netzwerke, für kreative Milieus zu eruieren und herauszufinden, inwiefern diese ‚OnlineMilieus‘ einen physischen Raum- oder Ortsbezug aufweisen, leistet die vorliegende Arbeit jedoch nicht. Damit kann in diesem Zusammenhang auch nicht analysiert werden, inwiefern solche digitalen Kreativnetzwerke überhaupt als Milieus (im sozialgeografischen und/oder soziologischen Sinn) und insbesondere als urbane Milieus (im Sinne einer Raumbindung an ein bestimmtes geografisches Gebiet) zu fassen sind. Das Potenzial Kreativer für Prozesse und Pfade einer in die Zukunft gerichteten strategischen Stadtentwicklung, die gender- und intersektionale Aspekte in den Blick nimmt, aber auch die Hemmnisse, die sich aus gesamtgesellschaftlichen Wandlungstendenzen ergeben, wurden in der vorliegenden Arbeit herausgestellt. In einem folgenden Schritt bedarf es der Analyse und eines ergebnisoffenen Ausprobierens bezüglich dessen, welche konkreten Formate oder Instrumente für die Beteiligung von Mitgliedern kreativ-urbaner Milieus in Angelegenheiten der Stadtentwicklung im Allgemeinen und der Stadtplanung im Besonderen als adäquat gelten können. Kreativ-urbane Milieus entwickeln sich zwar selbst aus urbanen Strukturen heraus. Ein (An-)Erkennen ihrer Ansprüche an städtische Räume und Orte sowie eine Nutzbarmachung ihres Potenzials für die Stadtentwicklung, gerade in Bezug auf die Flexibilisierungs- und Entgrenzungstendenzen, denen Mitglieder kreativurbaner Milieus unterworfen sind, bedarf allerdings eines strategischen Umdenkens in der Stadtentwicklungspolitik und -planung. Inwiefern ein Konzept der „Planung einer Nicht-Planung“ (Frey 2009: 87ff.) bezüglich der Sphäre der öf-

Fazit | 271

fentlichen Räume und der Räume der ‚Freizeit‘gestaltung angemessen ist, ist weiterhin zu analysieren, auch in Bezug auf neoliberale städtische Entwicklungstendenzen. Denn gerade vor dem Hintergrund, dass äußerst beliebte Dritte Orte des untersuchten kreativ-urbanen Milieus aufgrund mangelnder ökonomischer Verwertbarkeit geschlossen werden (sowohl im Vorfeld der Untersuchung als auch währenddessen), sollte über eine gewisse Steuerung seitens der Stadtentwicklungspolitik durchaus nachgedacht werden, wenn Kreative als Attraktivitätsgenerator_innen, gerade in Städten, die aus dem Fremdbild heraus als wenig attraktiv angesehen werden, gewonnen und idealerweise auch als Einwohner_innen gehalten werden wollen. Problematisch ist, dass es bezüglich der Attraktivität und Relevanz Dritter Orte nicht nur auf physisch-bauliche und personale Merkmale ankommt, sondern insbesondere auch implizite Attribute wie Atmosphäre, Authentizität, Nostalgie und Geschichte(n) dazu beitragen. Jene Attribute sind schwierig zu planen, schwierig in Formen zu gießen und zu institutionalisieren. Sie können lediglich durch ihre soziale (Re-)Produktion geschaffen werden. Dies kann allerdings durch das Eröffnen und Erhalten von wenig formalisierten Räumen, die keiner strengen Verwertungslogik unterliegen, unterstützt werden. Letztlich kann zusammengefasst werden, dass die in der Einleitung aufgeworfene Frage, ob öffentliche und teilöffentliche Räume und Orte zu einer sozialen Integration und sozialen Kohäsion in einer vielfältigen, multioptionalen und globalisierten Gesellschaft, in einer durch Digitalisierung geprägten Welt beitragen können, unter Berücksichtigung der Ergebnisse eindeutig mit ja beantwortet werden muss, obwohl die betrachteten Dritten Orte durchaus von Exklusionslinien durchzogen sind. Um mit einem Zitat zu enden: „Da wir in einer hoch mobilen Gesellschaft […] nicht mehr von einer existenziellen Angewiesenheit auf den öffentlichen Raum sprechen können, ist die Pflege eines vitalen urbanen Geflechts alles andere als ein Selbstläufer. Urbanität gibt es in der europäischen Stadt nicht zum Nulltarif. Urbanität verlangt mehr denn je ein Bekenntnis zur Stadt – von selbstbewussten Kommunen und einer engagierten Bürgerschaft, die sich einer zivilen Stadtgesellschaft verpflichtet fühlt.“ (Pesch 2008: 36)

7

Quellenverzeichnis

7.1 LITERATURVERZEICHNIS Adam, Brigitte/Sturm, Gabriele (2012): Die Attraktivität großer Städte: ökonomisch, demografisch, kulturell. Ergebnisse eines Ressortforschungsprojekts des Bundes. Bonn: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). Albers, Gerd (2005): Stadtentwicklungsplanung. In: Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hrsg.): Handwörterbuch der Raumordnung. Hannover: Verlag der ARL, S. 1067-1071. Alisch, Monika (1993): Frauen und Gentrification: der Einfluß von Frauen auf die Konkurrenz um den innerstädtischen Wohnraum. Wiesbaden: Deutscher Universitätsverlag. Alisch, Monika/May, Michael (2008): Kompetenzen im Sozialraum: Sozialraumentwicklung und -organisation als transdisziplinäres Projekt. Opladen: Verlag Barbara Budrich. Alisch, Monika (2010): Sozialraummodelle im arbeitsmarktpolitischen Kontext: Ein unvollständiger Überblick über die sozialwissenschaftlichen Diskussionen zum Sozialraumbegriff. In: BBSR Informationen zur Raumentwicklung, 2010(2/3): Bildung, Arbeit und Sozialraumorientierung, S. 103-109. Apel, Dieter (1995): Stadtstraßen als öffentlicher Raum: Grenzen stadtverträglicher Belastbarkeit mit Kfz-Verkehr. In: Archiv für Kommunalwissenschaften. Jg. 35(1), S. 90-118. Apel, Dieter (2012): Landschaft und Landnutzung: Vom richtigen Umgang mit begrenzten Flächen. München: Oekom Verlag. Apitzsch, Birgit/Shire, Karen A./Heinrich, Steffen/Mottweiler, Hannelore/Tünte, Markus (2015): Flexibilität und Beschäftigungswandel. Weinheim/Basel: Beltz Juventa.

274 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Arendt, Hannah (2003 [1958]): Vita Activa oder vom tätigen Leben. München: Pieper Verlag. Arendt, Hannah (2006 [1960]): Der Raum des Öffentlichen und der Bereich des Privaten. In: Dünne, Jörg/Günzel, Stephan (Hrsg.): Raumtheorie: Grundlagentexte aus Philosophie und Kulturwissenschaften. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, S. 420-433. Asheim, Bjørn T./Coenen, Lars (2005): Knowledge Bases and Regional Innovation Systems: Comparing Nordic Clusters. In: Research Policy 34(8), S. 1173-1190. Asheim, Bjørn T./Gertler, Meric S. (2005): The Geography of Innovation: Regional Innovation Systems. In: Fagerberg, Jan/Mowery, David C./Nelson, Richard R. (Hrsg.): The Oxford Handbook of Innovation. Oxford: Oxford University Press, S. 291-317. Aufhauser, Elisabeth (2005): Vom Widerstand gegen die Differenz zum Plädoyer für eine Geographie der Differenzen: Zur Vorortung der poststrukturalistischen Wende in der feministischen Geographie. In: Strüver, Anke (Hrsg.): Macht Körper Wissen Raum? Ansätze für eine Geographie der Differenzen. Wien: Eigenverlag des Instituts für Geographie der Universität Wien, S. 932. Augé, Marc (2012): Nicht-Orte. München: C. H. Beck Verlag. Aulenbacher, Brigitte (2008): Geschlecht als Strukturkategorie: Über den inneren Zusammenhang von moderner Gesellschaft und Geschlechterverhältnis. In: Wilz, Sylvia M. (Hrsg.): Geschlechterdifferenzen – Geschlechterdifferenzierungen: Ein Überblick über gesellschaftliche Entwicklungen und theoretische Positionen. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 139-166. Bahrdt, Hans Paul (2006 [1961]): Die moderne Großstadt: Soziologische Überlegungen zum Städtebau. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften. Bakradze, Luka (2011): Öffentlicher Raum: Vom Verkehrsraum zum Lebensraum. In: Flecken, Ursula/Calbeti Elias, Laura (Hrsg.): Der öffentliche Raum: Sichten, Reflexionen, Beispiele. Berlin: Universitätsverlag der TU Berlin, S. 49-60. Banks, Marcus (2001): Visual Methods in Social Research. Thousand Oaks/London/New Delhi: Sage Publications. Barth, Bertram/Flaig, Bodo B. (2013): Was sind Sinus-Milieus? Eine Einführung in die sozialwissenschaftliche Fundierung und Praxisrelevanz eines Gesellschaftsmodells. In: Thomas, Peter M./Calmbach, Marc (Hrsg.): Jugendliche

Quellenverzeichnis | 275

Lebenswelten: Perspektiven für Politik, Pädagogik und Gesellschaft. Berlin/Heidelberg: Springer Spektrum, S. 11-35. Basten, Lisa (2017): Kreativwirtschaft: Arbeit 4.0 oder hochqualifiziertes Prekariat? In: spw 2017(2), S. 39-43. Baum, Martina (2008): Urbane Orte: Ein Urbanitätskonzept und seine Anwendung zur Untersuchung transformierter Industrieareale. Karlsruhe: Universitätsverlag Karlsruhe. Baur, Nina (2013): Die Interaktion von Mensch und Raum durch Raumproduktion, Raumwahrnehmung und Raumaneignung. Online abrufbar unter: //soziologie.de/blog/2013/03/die-interaktion-von-mensch-und-raum-durchraumproduktion-raumwahrnehmung-und-raumaneignung/ [Zugriff: 17.04.2016] Bauriedl, Sybille/Schier, Michaela/Strüver, Anke (2010): Räume sind nicht geschlechtsneutral: Perspektiven der geographischen Geschlechterforschung. In: Bauriedl, Sybille/Schier, Michaela/Strüver, Anke (Hrsg.): Geschlechterverhältnisse, Raumstrukturen, Ortsbeziehungen: Erkundungen von Vielfalt und Differenz im spatial turn. Münster: Westfälisches Dampfboot, S. 10-25. Beauvoir, Simone de (1968): Das andere Geschlecht: Sitte und Sexus der Frau. Reinbek: Rowohlt Verlag. Beck, Christian (2003): Fotos wie Texte lesen: Anleitung zur sozialwissenschaftlichen Fotoanalyse. In: Ehrenspeck, Yvonne/ Schäffer, Burkhard (Hrsg.): Film- und Fotoanalyse in der Erziehungswissenschaft: Ein Handbuch. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 55-71. Becker, Howard S. (1995): Visual Sociology, Documentary Photography, and Photojournalism: It’s (almost) all a Matter of Context. Visual Sociology 10(1/2), S. 5-14. Becker, Rolf (2012): Bildung: Die wichtigste Investition in die Zukunft. In: Hradil, Stefan (Hrsg.): Deutsche Verhältnisse: Eine Sozialkunde. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, S. 123-154. Becker, Ruth (2000): Riskante Sicherheiten: Von gefährlichen Orten und sicheren Räumen. In: Zeitschrift für Frauenforschung und Geschlechterstudien 18(4), S. 49-65. Becker, Ruth (2004): Feministische Kritik an Stadt und Raum: Gender Mainstreaming und Managing Diversity. In: Sozialwissenschaften und Berufspraxis 27(4), S. 377-386. Becker, Ruth (2008): Angsträume oder Frauenräume? Gedanken über den Zugang von Frauen zum öffentlichen Raum. In: Feministisches Kollektiv (Hrsg.): Street Harrassment: Machtprozesse und Raumproduktion. Wien: Mandelbaum Verlag, S. 56-74.

276 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Becker-Schmidt, Regina (2001): Was mit Macht getrennt wird, gehört gesellschaftlich zusammen: Zur Dialektik und Anerkennung in Phänomenen sozialer Ungleichstellung. In: Knapp, Gudrun-Axeli/ Wetterer, Angelika (Hrsg.): Soziale Verortung der Geschlechter: Gesellschaftstheorie und feministische Kritik. Münster: Westfälisches Dampfboot, S. 91-131. Becker-Schmidt, Regina (2003): Zur doppelten Vergesellschaftung von Frauen: Soziologische Grundlegung, empirische Rekonstruktion. Gender…Politik… online. Online abrufbar unter: www.fu-berlin.de/sites/gpo/soz_eth/Geschlecht_als_Kategorie/Die_doppelte _Vergesellschaftung_von_Frauen/becker_schmidt_ohne.pdf [Zugriff: 15.02.17] Bell, Michael Mayerfeld (1997): The Ghosts of Place. In: Theory and Society (26), S. 813-836. Berding, Ulrich/Kuklinski, Oliver/Selle, Klaus (2003): Städte als Standortfaktor: Öffentlicher Raum. In: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg.): Werkstatt: Praxis, Nr. 2. Bonn. Berding, Ulrich/Selle, Klaus (2006): Tot oder lebendig? Gibt es noch soziales Leben in den öffentlichen Räumen? In: Hatzfeld, Ulrich/Pesch, Franz (Hrsg.): Stadt und Bürger. Darmstadt: Verlag Das Beispiel, S. 187-191. Berding, Ulrich (2013): Einführung. In: Beeren, Willem-Jan/Berding, Ulrich/Kluge, Florian (Hrsg.): RAUMaufZEIT: Temporäre Interventionen im öffentlichen Raum. Euskirchen/Aachen: Beeren Berding Kluge, S. 8-13. Berndt, Christian (2014): Arbeiten und Produzieren. In: Lossau, Julia/Freytag, Tim/Lippuner, Roland (Hrsg.): Schlüsselbegriffe der Kultur- und Sozialgeographie. Stuttgart: UTB Verlag, S. 227-242. Betti, Emilio (1967): Allgemeine Auslegungslehre als Methodik der Geisteswissenschaften. Tübingen: Mohr & Siebeck Verlag. Berger, Manuel/Jucker, Andreas H./Locher, Miriam A. (2016): Interaction and Space in the Virtual World of Second Life. In: Journal of Pragmatics (101), S. 83-100. Bingel, Katharina/Leßmann, Grit/Nußbaum, Jens/Wotha, Brigitte (2017): Netzwerkstrukturen kreativ-urbaner Milieus in mittleren Großstädten. In: Raumforschung und Raumordnung 75(5), S. 455-469. Bingel, Katharina/Leßmann, Grit/Nußbaum, Jens (2017): Lebensqualität als Standortfaktor von Gesundheitsregionen. In: Pfannstiel, Mario A./Focke, Axel/Mehlich, Harald (Hrsg.): Management von Gesundheitsregionen II: Regionale Vernetzungsstrategien und Lösungsansätze zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung. Wiesbaden: Springer Fachmedien, S. 71-80.

Quellenverzeichnis | 277

Bingel, Katharina/Wotha, Brigitte (2018): Egalitär oder exklusiv? Die Aneignung Dritter Orte kreativ-urbaner Milieus. In: Onnen‚ Corinna/RodeBreymann‚ Susanne (Hrsg.): Wiederherstellen – Unterbrechen – Verändern? Politiken der (Re-)Produktion. Leverkusen: Verlag Barbara Budrich, S. 93107. Bischoff, Werner (2014): „Korrespondierende Orte“: Zum Erscheinen olfaktorischer Stadtlandschafen. In: Berndt, Christian/Pütz, Robert (Hrsg.): Kulturelle Geographien: Zur Beschäftigung mit Raum und Ort nach dem Cultural Turn. Bielefeld: transcript Verlag, S. 189-212. Blokland, Talja/Giustozzi, Carlotta/Krüger, Daniela/Schilling, Hannah (2016): Creating the Unequal City. In: Blokland, Talja/Giustozzi, Carlotta/Krüger, Daniela/Schilling, Hannah (Hrsg.): Creating the Unequal City: The Exclusionary Consequences of Everyday Routines in Berlin. Farnham: Ashgate Verlag, S. 1-28. Blotevogel, Hans Heinrich (2007): Die Bedeutung der Metropolregionen in Europa. In: Ministerium für Infrastruktur und Raumordnung, Land Brandenburg (Hrsg.): MIR aktuell (1), S. 7-10. Bochnig, Stefan/Selle, Klaus (1992): Aufgaben, Ziele und Wege der Freiraumpolitik in den Städten. In: Bochnig, Stefan/Selle, Klaus (Hrsg.): Freiräume für die Stadt: Sozial und ökologisch orientierter Umbau von Stadt und Region. Band 1. Wiesbaden, Berlin: Bauverlag, S. 41-60. Böhme, Gernot (1995): Atmosphäre. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. Böhme, Gernot (1998a): Anmutungen: Über das Atmosphärische. Ostfildern: Edition Tertium. Böhme, Gernot (1998b): Die Atmosphäre einer Stadt. In: Breuer, Gerda (Hrsg.): Neue Stadträume: Zwischen Musealisierung, Medialisierung und Gestaltlosigkeit. Basel: Stroemfeld Verlag, S. 149-162. Böhme, Gernot (2001): Aisthetik: Vorlesungen über Ästhetik als allgemeine Wahrnehmungslehre. München: Wilhelm Fink Verlag. Bollnow, Otto Friedrich (1963 [1989]): Mensch und Raum. Stuttgart: Kohlhammer. Bondi, Liz/Domosh, Mona (1998): On the contours of public space: A tale of three women. In: Antipode 30(3), S. 270-289. Bontje, Marco/Musterd, Sako (2009): Creative Industries, Creative Class and Competitiveness: Experts Opinions Critically Appraised. In: Geoforum 40(5), S. 843-852. Borries, Friedrich von (2010): Kreativität: Fünf Thesen. In: Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg.): Kreativität planen: Positio-

278 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

nen zum Wesen unserer gebauten und gelebten Umwelt. Berlin: Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, S. 4. Bourdieu, Pierre (1991): Physischer, sozialer und angeeigneter physischer Raum. In: Wentz, Martin (Hrsg.): Stadt-Räume: Die Zukunft des Städtischen. Frankfurter Beiträge (2). Frankfurt am Main: Campus Verlag, S. 25-34. Bourdieu, Pierre (1982): Die feinen Unterschiede. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. Bourdieu, Pierre (1983): Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital. In: Kreckel, Reinhard (Hrsg.): Soziale Ungleichheiten. Göttingen: Schwartz Verlag, S. 183-198. Bourdin, Alain/Eckardt, Frank/Wood, Andrew (2014): Die ortlose Stadt: Über die Virtualisierung des Urbanen. Bielefeld: transcript Verlag. Bosch, Gerhard (2000): Entgrenzung der Erwerbsarbeit: Lösen sich die Grenzen zwischen Erwerbs- und Nichterwerbsarbeit auf? In: Minssen, Heiner (Hrsg.): Begrenzte Entgrenzungen: Wandlungen von Organisation und Arbeit. Berlin: Edition Sigma, S. 249-268. Brake, Klaus (2012): Reurbanisierung: Interdependenzen zum Strukturwandel. In: Brake, Klaus/Herfert, Günter (Hrsg.): Reurbanisierung: Materialität und Diskurs in Deutschland. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 22-33. Brake, Klaus/Herfert, Günter (Hrsg.) (2012): Reurbanisierung: Materialität und Diskurs in Deutschland. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften. Brand, Karl-Werner (1998): Soziologie und Natur – eine schwierige Beziehung: Zur Einführung. In: Brand, Karl-Werner (Hrsg.): Soziologie und Natur: Theoretische Perspektiven. Wiesbaden: Springer Verlag, S. 9-29. Braum, Michael/Schröder, Thies (2010) (Hrsg.): Freiraum: Wie findet Freiraum Stadt? Fakten, Positionen, Beispiele. Bericht der Baukultur 2010. Basel: Birkhäuser Verlag. Braun, Karl-Heinz/Wetzel, Konstanze (2007): Foto und Text: Eine anspruchsvolle Beziehung. In: Sozial Extra 31 (11/12), S. 6-11. Bredgens, Giudo (2005): Vom Verlust des öffentlichen Raums: Simulierte Öffentlichkeit in Zeiten des Neoliberalismus. In: Utopie kreativ (182), S. 10881097. Breuer, Bernd (2003): Öffentlicher Raum: Ein multidimensionales Thema. In: Informationen zur Raumentwicklung, 2003 (1/2), S. 5-13. Breuer, Franz (2009): Reflexive Grounded Theory: Eine Einführung für die Forschungspraxis. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften.

Quellenverzeichnis | 279

Breuer, Franz/Mey, Günter/Mruck, Katja (2011): Subjektivität und Selbst/Reflexivität in der Grounded-Theory-Methodologie. In: Mey, Günter/Mruck, Katja (Hrsg.): Grounded Theory Reader. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 427-448. Bröckling, Ulrich (2004): Kreativität. In: Bröckling, Ulrich (Hrsg.): Glossar der Gegenwart. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, S. 139-144. Bröckling, Ulrich (2007): Das unternehmerische Selbst: Soziologie einer Subjektivierungsform. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. Brodbeck, Karl-Heinz (1996): Erfolgsfaktor Kreativität: Die Zukunft unserer Marktwirtschaft. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Bühler, Elisabeth (2003): Vergeschlechtlichte Orte: Einblicke in die aktuelle Gender-Forschung in der Schweiz. In: Geographische Rundschau 55(9), S. 45-48. Bulka, Thomas (2015): Stimmung, Emotion, Atmosphäre: Phänomenologische Untersuchungen zur Struktur der menschlichen Affektivität. Münster: mentis Verlag. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) (2013): Suburbaner Raum im Lebenszyklus. BMVBS-Online-Publikation (24). Online abrufbar unter: www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Veroeffentlichungen/BMVBS/Online/2013/D L_ON24013.pdf [Zugriff: 11.09.2017] Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) (2016): Monitoringbericht 2016: Ausgewählte wirtschaftliche Eckdaten der Kultur- und Kreativwirtschaft (Kurzfassung). Berlin: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (2009): Gesamtwirtschaftliche Perspektiven der Kultur- und Kreativwirtschaft in Deutschland: Forschungsbericht. Berlin: Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie. Bundesverfassungsgericht (2017): Personenstandsrecht muss weiteren positiven Geschlechtseintrag zulassen. Pressemitteilung Nr. 95/2017 (08.11.2017). Online abrufbar unter: www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2017 /bvg17-095.html [Zugriff: 09.11.2017] Burt, Ronald S. (1992): Structural Holes: The Social Structure of Competition. Cambridge: Harvard University Press. Butler, Judith (1991): Das Unbehagen der Geschlechter. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. Butler, Judith (1997): Körper von Gewicht. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag.

280 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Buttenberg, Lisa/Overmeyer, Klaus/Spars, Guido (2013) (Hrsg.): Raumunternehmen: Wie Nutzer selbst Räume entwickeln. Berlin: Jovis Verlag. Büttner, Claudia (2013): Kunst im urbanen Raum: Von Analyse und Intervention, Zwischennutzern und Mitgestaltern. In: Oswalt, Philipp/Overmeyer, Klaus/Misselwitz, Philipp (Hrsg.): Urban Catalyst: Mit Zwischennutzungen Stadt entwickeln. Berlin: DOM Publishers, S. 139-150. Cabane, Philippe (2012): Das Elend des Genius Loci: Oldenburgs suggerierter Ortsmythos. In: REVUE: Magazine for the next society 1(11), S. 16-19. Camagni, Roberto (1991): Innovation Networks: Spatial Perspectives. London: Belhaven Press. Carlino, Gerald A. (2001): Knowledge Spillovers: Cities’ Role in the New Economy. In: Business Review 2001(4), S. 17-26. Castel, Robert/Dörre, Klaus (2009): Prekariat, Abstieg, Ausgrenzung: Die soziale Frage am Beginn des 21. Jahrhunderts. Frankfurt am Main/New York: Campus Verlag. Castells, Manuel (1999): Space Flow: Der Raum der Ströme. In: Bollmann, Stefan (Hrsg.): Kursbuch Stadt. Kursbuch Stadt - Stadtleben und Stadtkultur an der Jahrtausendwende. Stuttgart: Deutsche Verlagsanstalt, S. 39-81. Chambers, Elizabeth G./Foulon, Mark/Handfield-Jones, Helen/Hankin, Steven M./Michaels, Edward G. III. (1998): The War for Talent. In: The McKinsey Quarterly 1(3), S. 44-57. Christmann, Gabriela B. (2016): Zur kommunikativen Konstruktion von Räumen. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 7-25. Ciompi, Luc (1988): Außenwelt – Innenwelt: Zur Entstehung von Zeit, Raum und psychischen Strukturen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Clausen, Marco (2013): Der Prinzessinnengarten Berlin: Nicht Sehnsucht nach dem Land, sondern Sehnsucht nach einer anderen Stadt. In: Bosshard, Marco T./Döhling, Jan-Dirk/Janisch, Rebecca/Motakef, Mona/Münter, Angelika/Pellnitz, Alexander (Hrsg.): Sehnsuchtsstädte: Auf der Suche nach lebenswerten urbanen Räumen. Bielefeld: transcript Verlag, S. 153-156. Cohen, Larry/ Felson, Marcus (1979): Social Change and Crime Rate Trends: A Routine Activity Approach. In: American Sociological Review 44(4), S. 588-608. Connell, Raewyn (2012): Gender. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften. Crevoisier, Olivier (2001): Der Ansatz des kreativen Milieus: Bestandsaufnahme und Forschungsperspektiven am Beispiel urbaner Milieus. In: Zeitschrift für Wirtschaftsgeographie 45(3/4), S. 246-256.

Quellenverzeichnis | 281

Currid, Elizabeth (2007): The Warhol Economy: How Fashion, Art and Music Drive New York City. Princeton: Princeton University Press. Czollek, Lea C./Perko, Gudrun/Weinbach, Heike (2009): Lehrbuch Gender und Queer: Methoden und Praxisfelder. Weinheim/München: Juventa Verlag. Damyanovic, Doris/Wotha, Brigitte (2010): Die Bedeutung von Geschlecht im Veränderungsprozess Ländlicher Räume. In: Bauriedl, Sybille/Schier, Michaela/Strüver, Anke (Hrsg.): Geschlechterverhältnisse, Raumstrukturen, Ortsbeziehungen: Erkundungen von Vielfalt und Differenz im spatial turn. Münster: Westfälisches Dampfboot, S. 75-99. Dangschat, Jens S. (2006): „Creative Capital“: Selbstorganisation zwischen zivilgesellschaftlichen Erfindungen und der Instrumentalisierung als Standortfaktor. In: Rehberg, Karl-Siegbert (Hrsg.): Soziale Ungleichheit, kulturelle Unterschiede. Frankfurt am Main: Campus Verlag, S. 615-632. Dangschat, Jens/Kiefer, Gabriele G./Löw, Martina (2010): Freiraumverantwortung: Wer nutzt den öffentlichen Raum? Wem nutzt der öffentliche Raum? In: Braum, Michael/Schröder, Thies (Hrsg.): Wie findet Freiraum Stadt? Fakten, Positionen, Beispiele. Basel: Birkenhäuser Verlag, S. 24-33. David, Benjamin (2006): Feste, Märkte und Proteste: Die (Rück-)Eroberung des öffentlichen Raums in München durch organisierte Ereignisse. In: Wiegandt, Claus-Christian (Hrsg.): Öffentliche Räume – öffentliche Träume: Zur Kontroverse über die Stadt und ihre Gesellschaft. Münster: LIT Verlag, S. 13-28. Deinet, Ulrich/Reutlinger, Christian (2005): Aneignung. In: Kessel, Fabian/Reutlinger, Christian/Maurer, Susanne/Frey, Oliver (Hrsg.): Handbuch Sozialraum. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 295312. Deinet, Ulrich (2005): Sozialräumliche Jugendarbeit. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften. Deinet, Ulrich (2014): Vom Aneignungskonzept zur Activity Theory: Transfer des tätigkeitsorientierten Aneignungskonzepts der kulturhistorischen Schule auf heutige Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen. Online abrufbar unter: www.socialnet.de/materialien/197.php [Zugriff: 15.09.2017] Denzin, Norman K. (1989): Interpretive Interactionism. London/Thousand Oaks/New Delhi: Sage Publications. Derecik, Ahmet (2015): Sozialräumliche Aneignung von Räumen durch Jugendliche: Theoretische Grundlagen und beanspruchte Raumtypen in öffentlichen Räumen. In: Erhorn, Jan/Schweir, Jürgen (Hrsg.): Die Eroberung urbaner Bewegungsräume: SportBündnisse für Kinder und Jugendliche. Bielefeld: transcript Verlag, S. 13-29.

282 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Dhawan, Nikita (2011): Transnationale Gerechtigkeit in einer post-kolonialen Welt. In: Castro Varela, María do Mar/Dhawan, Nikita (Hrsg.): Soziale (Un)Gerechtigkeit: Kritische Perspektiven auf Diversity, Intersektionalität und Antidiskriminierung. Münster: LIT Verlag, S. 5-28. Dietze, Gabriele/Hornscheidt, Antje(Lann)/Palm, Kerstin/Walgenbach, Katharina (2007): Gender als interdependente Kategorie: Neue Perspektiven auf Intersektionalität, Diversität und Heterogenität. Leverkusen: Verlag Barbara Budrich. Dirksmeier, Peter (2014): Ist Kreativität ein subjektives oder ein kollektives Phänomen? Über eine ungeklärte Frage in der Non-representational Theory und eine denkbare Antwort der Philosophie der symbolischen Formen. In: Geographica Helvetica 69(3), S. 147-155. Dirmoser, Gerhard (2002): Die Welt der Atmosphären: Emotionale Wahrnehmung sinnlicher Ereignisse. Online abrufbar unter: //gerhard_dirmoser.public 1.linz.at/A0/Atmosphaeren.pdf [Zugriff: 19.02.2017] Dörfler, Thomas/Manns, Carsten (2012): Suburbane Atmosphären als relationale Milieuräume. Ausdruck und Gebrauch. In: Ausdruck und Gebrauch. Themenheft: Raum und Erleben: Über Leiblichkeit, Gefühle, und Atmosphären in der Architektur (11). Herzogenrath: Shaker Verlag, S. 128-155. Dörhöfer, Kerstin/Terlinden, Ulla (1998): Verortungen: Geschlechterverhältnisse und Raumstrukturen. Basel/Boston/Berlin: Birkhäuser. Dörhöfer, Kerstin (2000): „Halböffentlicher Raum“: Eine Metapher zur Auflösung (nicht nur) räumlicher Polarität. In: Imboden, Monika/ Meister, Franziska/Kurz, Daniel (Hrsg.): Stadt – Raum – Geschlecht: Beiträge zur Erforschung urbaner Lebensräume im 19. und 20. Jahrhundert. Zürich: Chronos Verlag, S. 101-118. Döring, Uta (2008): Angstzonen: Rechtsdominierte Orte aus medialer und lokaler Perspektive. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften. Döring, Nicola/Bortz, Jürgen (2016): Stichprobenziehung. In: Döring, Nicola/Bortz, Jürgen (Hrsg): Forschungsmethoden und Evaluation in den Sozialund Humanwissenschaften. Berlin/Heildelberg: Springer Verlag, S. 291-319. Dörry, Sabine/Rosol, Marit (2011): Kreativwirtschaft als Motor der Stadtentwickung? Das Beispiel Zürich. In: Metznetter, Walter/Musil, Robert (Hrsg.): Europa: Metropolen im Wandel. Wien/Berlin: Mendelbaum Verlag, S. 139152. Drlik, Stephanie/Lička, Lilli (2010): Städte im Klimawandel: Strategien für eine nachhaltige Parkentwicklung. In: Braum, Michael/Schröder, Thies (Hrsg.):

Quellenverzeichnis | 283

Wie findet Freiraum Stadt? Fakten, Positionen, Beispiele. Basel: Birkenhäuser Verlag, S. 44-49. Dürr, Susanne/Simon-Philipp, Christina (2013): Stadterneuerung und öffentlicher Raum: Wohnraum Stadt – Strategien, Perspektiven. In: Altrock, Uwe/Kunze, Ronals/Schmitt, Gisela/Schubert, Dirk (Hrsg.): Jahrbuch Stadterneuerung: Das Ende der Behutsamkeit. Berlin: Universitätsverlag der TU Berlin, S. 303-315. Dzudzek, Iris (2016): Kreativpolitik: Über Machteffekte einer neuen Regierungsform des Städtischen. Bielefeld: transcript Verlag. Eckardt, Frank (2014): Stadtforschung: Gegenstand und Methoden. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften. Eckel, Eva Maria (1998): Individuum und Stadt-Raum: öffentliches Verhalten im Wandel. Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag. Eco, Umberto (2002 [1972]): Einführung in die Semiotik. München: Wilhelm Fink Verlag. Ebert, Ralf/Danielzyk, Rainer/Carl, Cord Rüdiger/van Ooy, Uwe (2008): Kreative Ökonomie und Kreative Räume: Kultur- und Kreativwirtschaft in der integrierten Stadtentwicklung. Forschungsbericht. Dortmund: STADTart. Eder, Johanna G. (2016): Homo Creans: Kreativiät und Kreativitätsbildung im Kontext transmedialer Kunst. Bielefeld: transcript Verlag. Egg, Rudolf (2011): Kriminalität: Furcht und Realität. In: Zoche, Peter/Kaufmann, Stefan/Haverkamp, Rita (Hrsg.): Zivile Sicherheit: Gesellschaftliche Dimensionen gegenwärtiger Sicherheitspolitik. Bielefeld: transcript Verlag, S. 129-138. Egner, Heike (2010): Theoretische Geographie. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Einem, Eberhard von (2011): Wissensabsorption in Städten und Regionen. In: Jahrbuch für Regionalwissenschaft 31(2), S. 131-153. Einstein, Albert (2012): Über die spezielle und allgemeine Relativitätstheorie. 24. Auflage. Heidelberg: Springer Spektrum. Eisner, Elliot W. (2008): On the Differences between Scientific and Artistic Approaches to Qualitative Research. In: Visual arts research, 29(57), S. 5-11. Engelmann, Jan/Drewes, Sabine (2008): Re-Build This City! Online abrufbar unter: www.boell.de/de/navigation/kreativwirtschaft-4647.html [Zugriff: 17.10.17] Escher, Anton/Petermann, Sandra (2016) (Hrsg.): Raum und Ort: Basistexte. Stuttgart: Franz Steiner Verlag.

284 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Etzkowitz, Henry/Leydesdorff, Loet (1997) (Hrsg.): Universities and the Global Knowledge Economy: A Triple Helix of University-Industry-Government Relations. London: Cassell Academic. European Centre for Creative Economy (2015): Kreative Milieus in Europa – Creative Milieus in Europe. Dortmund: European Centre for Creative Economy. Felde, Wolfgang zum/Alisch, Monika (1992): Die Bedeutung des Raumes für die Lebensbedingungen und Lebensstile von Bewohnern innenstadtnaher Nachbarschaften. In: Hradil, Stefan (Hrsg.): Zwischen Bewußtsein und Sein. Opladen: Leske + Budrich, S. 173-196. Fellmann, Christoph (2014): Das ich im Einmachglas. Online abrufbar unter: www.tagesanzeiger.ch/leben/gesellschaft/Das-Ich-im-Einmachglas/story/ 14564120 [Zugriff: 22.08.2017] Feltz, Nina (2002): Bewegung und die Aneignung öffentlicher Räume in Lebensläufen von Frauen und Mädchen. In: Kramer, Caroline (Hrsg.): FREIRäume und FREI-Zeiten: Raum-Nutzung und Zeit-Verwendung im Geschlechterverhältnis. Baden-Baden: Nomos Verlag, S. 49-59. Fergen, Andrea (2015): Neue Zeiten mit mobiler Arbeit: Herausforderungen durch örtliche und zeitliche Entgrenzung. In: Schröder, Lothar/Urban, HansJürgen (Hrsg.): Gute Arbeit Ausgabe 2015: Qualitative Tarifpolitik – Arbeitsgestaltung – Qualifizierung. Frankfurt am Main: Bund Verlag, S. 194207. Flick, Uwe/Kardoff, Ernst von/Steinke, Ines (2004): Was ist qualitative Forschung? Einleitung und Überblick. In: Flick, Uwe/Kardoff, Ernst von/Steinke, Ines (Hrsg.): Qualitative Forschung: Ein Handbuch. Reinbek: Rowohlt Verlag, S. 13-29. Flick, Uwe (2007): Triangulation in der qualitativen Forschung. In: Flick, Uwe/Kardoff, Ernst von/Steinke, Ines (Hrsg.): Qualitative Forschung: Ein Handbuch. Reinbek: Rowohlt Verlag, S. 309-318. Flick, Uwe/Kardoff, Ernst von/Steinke, Ines (2007): Qualitative Forschung: Ein Handbuch. Reinbek: Rowohlt Verlag. Flick, Uwe (2010): Qualitative Sozialforschung: Eine Einführung. Reinbek: Rowohlt Verlag. Flick, Uwe (2011): Das Episodische Interview. In: Oelrichs, Gertrud/Otto, HansUwe (Hrsg.): Empirische Forschung und Soziale Arbeit: Ein Studienbuch. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 273-280. Flohé, Alexander/Knopp, Reinhold (2009): Umkämpfte Räume, städtische Entwicklungen, öffentliche Räume und die Perspektive Jugendlicher. In: Deinet, Ulrich/Okroy, Heike/Dodt, Georg/Wüsthof, Angela (Hrsg.): Betreten er-

Quellenverzeichnis | 285

laubt! Projekte gegen die Verdrängung Jugendlicher aus dem öffentlichen Raum. Opladen: Verlag Barbara Budrich, S. 29-42. Florida, Richard (2002): The Rise of the Creative Class and how it’s transforming work, leisure, community and everyday life. New York: Basic Books. Florida, Richard (2005): Cities and the Creative Class. London/New York: Routledge. Florida, Richard (2006): The Flight of the Creative Class. New York: Harper Collins. Foucault, Michel (1993 [1967]): Andere Räume. In: Barck, Karlheinz (Hrsg.): Aisthesis: Wahrnehmung heute oder Perspektiven einer anderen Ästhetik. Leipzig: Reclam Verlag. Frank, Susanne (1999): Stadtlandschaften und Geschlechtergeographien. In: Nachrichtenblatt zur Stadt- und Regionalsoziologie 13(2), S. 76-82. Frank, Susanne (2011): Neue Perspektiven in der Stadt- und Geschlechterforschung: Gentrifizierung und Suburbanisierung in der Diskussion. In: Messing, Markus/Läpple, Dieter/Trabant, Jürgen (Hrsg.): Stadt und Urbanität. Berlin: Kulturverlag Kadmos, S. 89-103. Fraser, Nancy (1996): Öffentlichkeit neu denken: Ein Beitrag zur Kritik real existierender Demokratie. In: Scheich, Elvira (Hrsg.): Vermittelte Weiblichkeit: Feministische Wissenschafts- und Gesellschaftstheorie. Hamburg: Hamburger Edition, S. 151-182. Fraser, Nancy (1997): Justice Interruptus: Critical Reflections on the “Postsocialist“ Condition. London/New York: Routledge. Fraser, Nancy (2001): Die halbierte Gerechtigkeit Schlüsselbegriffe des postindustriellen Sozialstaats. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. Fredrich, Bettina (2012): verorten – verkörpern – verunsichern: Eine Geschlechtergeografie der Schweizer Sicherheits- und Friedenspolitik. Bielefeld: transcript Verlag. Freericks, Renate/Hartmann, Rainer/Stecker, Bernd (2010): Freizeitwissenschaft: Handbuch für Pädagogik, Management und nachhaltige Entwicklung. München: Oldenbourg Verlag. Frevel, Bernhard (2012): Kriminalität und lokale Sicherheit. In: Eckardt, Frank (Hrsg.): Handbuch Stadtsoziologie. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 593-611. Frey, Oliver (2009): Die amalgame Stadt: Orte. Netze. Milieus. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften. Frey, Oliver (2011): Kreative Milieus und ihre Orte: Ist dies planbar? In: Reicher, Christa/Heider, Katharina/Schlickewei, Sven/Schröter, Sabrina/Waldmüller, Johannes (Hrsg.): Kreativwirtschaft und Stadt: Konzepte und Hand-

286 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

lungsansätze zur Stadtentwicklung. Dortmund: Institut für Raumplanung, S. 169-180. Frey, Oliver (2012): Städtische Milieus. In: Eckardt, Frank (Hrsg.): Handbuch Stadtsoziologie. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 503-525. Frey, Otto/Keller, Donald A./Klotz, Arnold/Koch, Michael/Selle, Klaus (2003): Rückkehr der großen Pläne? Ergebnisse eines internationalen Workshops in Wien. In: disP 39(153), S. 13-18. Freytag, Tim (2014): Raum und Gesellschaft. In: Lossau, Julia/Freytag, Tim/Lippuner, Roland (Hrsg.): Schlüsselbegriffe der Kultur- und Sozialgeographie. Stuttgart: UTB Verlag, S. 12-24. Friedrich, Bettina/Herzig, Pascale/Richter, Marina (2007): Geschlecht räumlich betrachtet: Ein Beitrag aus der Geografie. In: Grisard, Dominique/Häberlein, Jana/Kaiser, Anelis/Saxer, Sybille (Hrsg.): Gender in Motion: Die Konstruktion von Geschlecht in Raum und Erzählung. Frankfurt am Main: Campus Verlag, S. 56-80. Friedrich, Stefanie (2013): Brüderlich geteilt? Politische Teilhabe aus der Geschlechterperspektive. In: Wilde, Gabriele/Friedrich, Stefanie (Hrsg.): Im Blick der Disziplinen: Geschlechterverhältnisse in der wissenschaftlichen Analyse. Münster: Westfälisches Dampfboot, S. 55-70. Frisch, Max (1988): Tagebuch 1946-1949. Berlin: Volk und Welt Verlag. Fritsch, Michael/Stützer, Michael (2006): Die Geografie der Kreativen Klasse in Deutschland. Freiberg: Freiberger Arbeitspapiere 2006(11). Fritsch, Michael/Stützer, Michael (2007): Die Geographie der kreativen Klasse in Deutschland. In: Raumforschung und Raumordnung 65(1), S. 15-29. Fritsch, Michael/Stützer, Michael (2012): The Geography of Creative People in Germany revisited. Jena: Friedrich-Schiller-University, Max-Planck-Institute for Economics. Fritsche, Caroline/Reutlinger, Christian (2015): Der öffentliche Raum ist (k)ein Problem. In: Kemper, Raimund/Reutlinger, Christian (Hrsg.): Umkämpfter öffentlicher Raum: Herausforderungen für Planung und Jugendarbeit. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 193-206. Fritzsche, Bruno (2000): Stadt – Raum – Geschlecht: Entwurf einer Fragestellung. In: Imboden, Monika/ Meister, Franziska/Kurz, Daniel (Hrsg.): Stadt – Raum – Geschlecht: Beiträge zur Erforschung urbaner Lebensräume im 19. und 20. Jahrhundert. Zürich: Chronos Verlag, S. 19-27. Fromhold-Eisebith, Martina (1999): Das „kreative Milieu“: Nur theoretisches Konzept oder Instrument der Regionalentwicklung?. In: Raumforschung und Raumordnung 57(2/3), S. 168-175.

Quellenverzeichnis | 287

Gajevic, Mira (2012): Das neue Geschlechter-Einerlei. In: Frankfurter Rundschau, 14.12.2017. Online abrufbar unter: www.fr.de/politik/unisex-tarifedas-neue-geschlechter-einerlei-a-784235 [Zugriff: 02.11.2017] Gälzer, Ralph (2001): Grünplanung für Städte. Stuttgart: Ulmer. Garreau, Joel (1991): Edge City: Life on the New Frontier. New York: Anchor Books. Gebhard, Hans (2003): Stadt, Land, Frau: Interdisziplinäre Genderforschung in Kulturwissenschaft und Geographie. Heidelberg: Geographisches Institut der Universität Heidelberg. Gebhardt, Hans/Reuber, Paul/Wolkersdorfer, Günter (2003; Hrsg.): Kulturgeographie: Aktuelle Ansätze und Entwicklungen. Heidelberg: Spektrum. Gebhardt, Hans (2008): Place und Space. In: Knox, Paul L./Marston, Sallie A.; Gebhardt, Hans/Meusburger, Peter/Wastl-Walter, Doris (Hrsg.): Humangeographie. Heidelberg: Spektrum, S. 3. Gehl, Jan (2006): Life between Spaces: Using public Space. Kopenhagen: Danish Architectural Press. Geissler, Rainer (2014): Die Sozialstruktur Deutschlands. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften. Gerlmaier, Anja (2013): Projektarbeit in der Wissensökonomie und ihre Auswirkungen auf die Work Life Balance, in: Kastner, Michael (Hrsg.): Die Zukunft der Work Life Balance: Wie lassen sich Beruf und Familie, Arbeit und Freizeit miteinander vereinbaren. Asanger: Kröning Verlag, S. 282-304. Giddens, Anthony (1991): Modernity and Self-Identity: Self ans Society in the Late Modern Age. Cambridge: Polity Press. Gieryn, Thomas F. (2000): A Space for Place in Sociology. In: Annual Review of Sociology 26, S. 463-496. Gildemeister, Renate (2004): Geschlechterdifferenz – Geschlechterdifferenzierung: Beispiele und Folgen eines Blickwechsels in der empirischen Geschlechterforschung. In: Buchen, Sylvia/Helfferich, Dornelia/Maier, Maja S. (Hrsg): Gender methodologisch: Empirische Forschung in der Informationsgesellschaft vor neuen Herausforderungen. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 27-46. Giseke, Undine (2004): Die zentrale Stellung der Freiraumplanung bei der sozialen und kulturellen Ausgestaltung der postindustriellen Stadt. In: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 11/12, S. 669-678. Glaeser, Edward L. (1994): Cities, Information, and Economic Growth. In: Cityscape 1(1), S. 9-47. Glasauer, Herbert (2008): Das Phantom der ‚Kreativen Klasse‘. In: Gestring, Norbert/Glasauer, Herbert/Hannemann, Christine/Petrowsky, Werner/

288 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Pohlan, Jörg (Hrsg.): Jahrbuch StadtRegion 2007/2008. Opladen/Farmington Hills: Budrich Verlag, S. 109-114. Glaser, Barny G./Strauss, Anselm L. (1967): The Discovery of Grounded Theory: Strategies for qualitative Research. Chicago: Aldine. Glasze, Georg (2012): Eine politische Konzeption von Räumen. In: Dzudzek, Iris/Kunze, Caren/Wullweber, Joscha (Hrsg.): Diskurs und Hegemonie: Gesellschaftskritische Perspektiven. Bielefeld: transcript Verlag, S. 151-171. Glißmann, Wilfried (2001): Tarifliche Regelung der Arbeitszeit. In: Glißmann, Wilfried/Peters, Klaus (Hrsg.): Mehr Druck durch mehr Freiheit: Die neue Autonomie in der Arbeit und ihre paradoxen Folgen. Hamburg: VSA Verlag, S. 53-59. Gnad, Friedrich/Ebert, Ralf/Kunzmann, Klaus R. (2016): Kultur- und Kreativwirtschaft in Stadt und Region: Branchen – Orte – Netze. Stuttgart: Kohlhammer Verlag. Goffman, Erving (2001 [1959]): Wir alle spielen Theater: Die Selbstdarstellung im Alltag. München: Pieper Verlag. Gornig, Martin/Mundelius, Marco (2012): Reurbanisierung und wissensbasierte Ökonomie. In: Brake, Klaus/Herfert, Günter (Hrsg.): Reurbanisierung: Materialität und Diskurs in Deutschland. Wiesbaden . Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 130-150. Göschel, Albrecht (2007): The Rise of the Creative Class: Zur Karriere eines Buches. In: Kulturpolitische Mitteilungen 119, S. 41. Gosztonyi, Alexander (1976): Der Raum. Band 1 und 2. Freiburg: Karl Alber Verlag. Gottschalk, Christian/Hamm, Rüdiger/Imöhl, Isabell (2010): Die Bedeutung der Kreativen Klasse für die wirtschaftliche Entwicklung der nordrheinwestfälischen Regionen: Abschlussbericht. Mönchengladbach: Hochschule Niederrhein. Gottschalk, Christian/Hamm, Rüdiger (2011): Toleranz, Talente und Technologien: die räumliche Verteilung der Kreativen Klasse in Deutschland. In: Statistische Monatshefte 2011(9), Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie Niedersachsen, S. 516-523. Gottschall, Karin (2000): Soziale Ungleichheit und Geschlecht: Kontinuitäten und Brüche, Sackgassen und Erkenntnispotentiale im deutschen soziologischen Diskurs. Opladen: Leske + Budrich. Gottschall, Karin/Voß, G. Günter (2003) (Hrsg.): Entgrenzung von Arbeit und Leben: Zum Wandel der Beziehung von Erwerbstätigkeit und Privatsphäre im Alltag. München: Hampp Verlag.

Quellenverzeichnis | 289

Götzfried, August (2005): FuE-Aufwendungen und FuE-Personal in den europäischen Regionen: Deutschland hat die höchste Anzahl FuE-intensiver Regionen. Luxembourg: Eurostat. Grabher, Gernot (2002): Cool Projects, Boring Institutions: Temporary Collaborations in Social Context. In: Regional Studies 36(3), S. 205-214. Graham, Stephen (2009): Cities under Siege: The New Military Urbanism. London: Verso. Grazian, David (2009): Urban Nightlife, Social Capital, and the Public Life of Cities. In: Sociological Forum 24(4), S. 908-917. Gregory, Derek/Johnston, Ron/Pratt, Geraldine/Watts, Michael/Whatmore, Sarah (2009): The Dictionary of Human Geography. Oxford: Blackwell. Gregory, Derek (2000): Human Geography and Space. In: Johnston, Ron/Gregory, Derek/Pratt, Geraldine/Watts, Michael (Hrsg.): The Dictionary of Human Geography. Oxford: Blackwell, S. 767-773. Grell, Britta (2014): Recht auf Stadt. In: Belina, Bernd/Naumann, Matthias/Strüver, Anke (Hrsg.): Handbuch Kritische Stadtgeographie. Münster: Westfälisches Dampfboot, S. 238-244. Grisard, Dominique/Häberlein, Jana/Kaiser, Anelis/Saxer, Sibylle (2007): Gender in Motion: Die Konstruktion von Geschlecht in Raum und Erzählung. In: Grisard, Dominique/Häberlein, Jana/Kaiser, Anelis/Saxer, Sybille (Hrsg.): Gender in Motion: Die Konstruktion von Geschlecht in Raum und Erzählung. Frankfurt am Main: Campus Verlag, S. 11-31. Grothues, Rudolf (2006): Lebensverhältnisse und Lebensstile im urbanisierten ländlichen Raum: Analyse anhand ausgewählter Ortsteile im münsterländischen Kreis Steinfurt. Münster: Aschendorff Verlag. Growe, Anna (2009): Wissensträger und Wissensvernetzung in Metropolregionen. Raumansprüche von Wissensträgern und die Verknüpfung von Politiken. In: Raumforschung und Raumordnung 67(5/6), S. 383-394. Growe, Anna (2012): Raummuster unterschiedlicher Wissensformen: Der Einfluss von Transaktionskosten auf Konzentrationsprozesse wissensintensiver Dienstleister im deutschen Städtesystem. In: Raumforschung und Raumordnung 70(3), S. 175-190. Grüger, Christine (2000): Nachhaltige Raumentwicklung und Gender Planning: Das Beispiel der Regionalplanung beim Verband Region Stuttgart. Dortmund: Institut für Raumplanung der Universität Dortmund. Günzel, Stephan (2007): Topologie: Zur Raumbeschreibung in den Kultur- und Medienwissenschaften. Bielefeld: transcript Verlag. Günzel, Stephan (2010): Raum: Ein interdisziplinäres Handbuch. Stuttgart: J. B. Metzler Verlag.

290 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Günzel, Stephan (2012): Raumwissenschaften. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. Haak, Caroll/Schmidt, Günter (1999): Arbeitsmärkte für Künstler und Publizisten: Modelle einer zukünftigen Arbeitswelt. Berlin: WZB. Häberlin, Udo W./Furchtlehner, Jürgen (2017): Öffentlicher Raum für alle? Raumaneignung versus Gemeinwesen in der Wiener Praxis. In: Hauck, Thomas E./Hennecke, Stefanie/Körner, Stefan (Hrsg.): Aneignung urbaner Freiräume: Ein Diskurs über städtischen Raum. Bielefeld: transcript Verlag, S. 171-200. Habermas, Jürgen (1990): Strukturwandel der Öffentlichkeit: Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. Hafner, Sabine/Streit, Anne von (2010): Erfolgsfaktor Kultur: Die Ansprüche kreativer Wissensarbeiter an ihre Stadt. In: Pechlaner, Harald/Bachinger, Monika (Hrsg.): Lebensqualität und Standortattraktivität: Kultur, Mobilität und regionale Marken als Erfolgsfaktoren. Berlin: Erich Schmidt Verlag, S. 67-87. Hagemann-White, Carol (1988): Wir werden nicht zweigeschlechtlich geboren. In: Hagemann-White, Carol/Rerrich, Maria (Hrsg.): FrauenMännerBilder: Männer und Männlichkeit in der feministischen Diskussion. Bielefeld: AJZ Verlag, S. 224-235. Hamm, Rüdiger/Jäger, Angelika/Keggenhoff, Katja (2017): Facetten der Reurbanisierung: Das Beispiel Mönchengladbach. In: Standort 41(2), S. 93-98. Hard, Gerhard/Bartels, Dietrich (1977): Eine „Raum“-Klärung für aufgeweckte Studenten. In: Escher, Anton/Petermann, Sandra (Hrsg.): Raum und Ort: Basistexte. Stuttgart: Franz Steiner Verlag, S. 27-41. Hark, Sabine (2004): Lesbenforschung und Queer Theory. In: Becker, Ruth/Kortendiek, Beate (Hrsg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung: Theorien, Methoden, Empirie. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 104-111. Harvey, David (1973): Social Justice and the City. Oxford: Blackwell. Harvey, David (1989): The Condition of Postmodernity: An Enquiry into the Origins of Cultural Change. Oxford: Blackwell. Harvey, David (1993): From Space to Place and back again: Reflections on the Condition of Postmodernity. In: Bird, Jon/Curtis, Barry/Putnam, Tim/Robertson, George/Tickner, Lisa (Hrsg.): Mapping the Futures: Local Cultures, global Change. London/New York: Routledge, S. 3-29. Harvey, David (2013): Rebellische Städte. Berlin: Suhrkamp Verlag.

Quellenverzeichnis | 291

Hasse, Jürgen (2002a): Zum Verhältnis von Stadt und Atmosphäre: Wo sind die Räume der Urbanität? In: Albrecht, Volker/Hasse, Jürgen/Sulger, Ellen (Hrsg.): Subjektivität in der Stadtforschung, Natur – Raum – Gesellschaft 3, Frankfurt am Main: Selbstverlag Institut für Didaktik der Geographie, S. 1940. Hasse, Jürgen (2002b): Die Atmosphäre einer Straße: Die Drosselgasse in Rüdesheim am Rhein. In: Albrecht, Volker/Hasse, Jürgen/Sulger, Ellen (Hrsg.): Subjektivität in der Stadtforschung, Natur – Raum – Gesellschaft 3, Frankfurt am Main: Selbstverlag Institut für Didaktik der Geographie, S. 61-113. Hasse, Jürgen (2014): Der pathische Raum: Die Leiblichkeit bestimmt die Stadtwahrnehmung. In: Denk, Andreas/Schröder, Uwe (Hrsg.): Stadt der Räume. Tübingen/Berlin: Ernst Wasmuth Verlag, S. 63-68. Hassenpflug, Dieter (2006): Reflexive Urbanistik: Reden und Aufsätze zur Europäischen Stadt. Weimar: Verlag der Bauhaus Universität. Hauck, Thomas E./Hennecke, Stefanie/Körner, Stefan (2017): Aneignung urbaner Freiräume: Einleitung. In: Hauck, Thomas E./Hennecke, Stefanie/Körner, Stefan (Hrsg.): Aneignung urbaner Freiräume: Ein Diskurs über städtischen Raum, Bielefeld: transcript Verlag, S. 7-20. Hauser, Susanne (2001): Metamorphosen des Abfalls: Konzepte für alte Industrieareale. Frankfurt am Main: Campus Verlag. Häußermann, Hartmut/Läpple, Dieter/Siebel, Walter (2008): Stadtpolitik. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. Hauskeller, Michael (1995): Atmosphären erleben. Berlin: Akademie Verlag. Hayden, Dolores (2005 [1995]): Urbane Landschaftsgeschichte: Der „Sense of Place“ und die Politik des Raumes. In: Franzen, Brigitte/Krebs, Stefanie (Hrsg.): Landschaftstheorie. Köln: Walter König Verlag, S. 204-237. Hebert, Saskia (2012): Gebaute Welt – Gelebter Raum. Berlin: Jovis Verlag. Heckmann, Friedrich (1992): Interpretationsregeln zur Auswertung qualitativer Interviews und sozialwissenschaftlich relevanter „Texte“: Anwendungen der Hermeneutik für die empirische Sozialforschung. In: Hoffmeyer-Zlotnik, Jürgen (Hrsg.): Analyse verbaler Daten: Über den Umgang mit qualitativen Daten. Opladen: Westdeutscher Verlag, S. 142-167. Heidegger, Martin (1985 [1954]): Vorträge und Aufsätze. Pfullingen: Neske Verlag. Heidenreich, Martin / Zirra, Sascha (2012): Arbeitswelt: Die Entgrenzung einer zentralen Sphäre. In: Hradil, Stefan (Hrsg.): Deutsche Verhältnisse: Eine Sozialkunde. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, S. 313-333. Heider, Katharina (2011): Kreativwirtschaft und Quartiersentwicklung: Strategische Ansätze zur Entwicklung kreativer Räume in der Stadt. In: Frey, Oli-

292 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

ver/Koch, Florian (Hrsg.): Die Zukunft der Europäischen Stadt: Stadtpolitik, Stadtplanung und Stadtgesellschaft im Wandel. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 136-152. Heider, Katharina/Petzinger, Tana (2011): Urbane und kreative Quartiere der Kultur- und Kreativwirtschaft in Mittelzentren: Regionale Strategieansätze im Ruhrgebiet. In: Baumgart, Sabine/Overhageböck, Nina/Rüdiger, Andrea (Hrsg.): Eigenart als Chance? Strategische Positionierungen von Mittelstädten. Berlin: LIT Verlag. Heider, Katharina (2012): Strategien zur Entwicklung kreativer Quartiere. In: Scharting, Julia/Mittendorfer, Johannes (Hrsg.): DoKoNaRa 2011: 5. Internationales DoktorandInnenkolleg Nachhaltige Raumentwicklung „Verantwortung für die Region?“. Innsbruck: Innsbruck Univer. Press, S. 113-129. Heinelt, Hubert (2009): Governance und Wissen. Matthiesen, Ulf/Mahnken, Gerhard (Hrsg.): Das Wissen der Städte: Neue stadtregionale Entwicklungsdynamiken im Kontext von Wissen, Milieus und Governance. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 347-363. Heinze, Marie-Christine (2006): Weiblichkeit und Öffentlicher Raum im Jemen. Bonner islamwissenschaftliche Hefte (1). Schenefeld: EB-Verlag. Henaff, Marcel/Strong, Tracy B. (2001): Public Space and Democracy. Minneapolis: Minnesota University Press. Helbrecht, Ilse (1998): The Creative Metropolis: Services, Symbols, and Spaces. In: International Journal of Architectural Theory 3(1). Online abrufbar unter: www.geographie.hu-berlin.de/de/Members/helbrecht_ilse/downloadsenglish/ creativemetropolis [Zugriff: 18.10.17] Hempel, Leon/Metelmann, Jörg (2005): Bild – Raum – Kontrolle: Videoüberwachung als Zeichen gesellschaftlichen Wandels. In: Hempel, Leon/Metelmann, Jörg (Hrsg.): Bild – Raum – Kontrolle: Videoüberwachung als Zeichen gesellschaftlichen Wandels. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, S. 9-21. Hentig, Hartmut von (1998): Kreativität: Hohe Erwartungen an einen schwachen Begriff. Wien: Carl Hanser Verlag. Herlyn, Ulfert (1990): Zur Aneignung von Raum im Lebenslauf. In: Bertels, Lothar/Herlyn, Ulfert (Hrsg.): Lebenslauf und Raumerfahrung. Opladen: Leske + Budrich, S. 7-35. Herlyn, Ulfert/Seggern, Hille von/Heinzelmann, Claudia/Karow, Daniela (2003): Jugendliche in öffentlichen Räumen der Stadt: Chancen und Restriktionen der Raumaneignung. Opladen: Leske + Budrich. Herlyn, Ulfert (2003): Zur Bedeutung öffentlicher Räume in Wohnquartieren. In: Selle, Klaus (Hrsg.): Was ist los mit den Öffentlichen Räumen? Analysen,

Quellenverzeichnis | 293

Positionen, Konzepte. Dortmund: Dortmunder Vertrieb für Bau- und Planungsliteratur, S. 121-126. Heßler, Martina (2007): Die kreative Stadt: Zur Neuerfindung eines Topos. Bielefeld: transcript Verlag. Heßler, Matina/Zimmermann, Clemens (2008): Creative Urban Milieus: Historical Perspectives on Culture, Economy and the City. Frankfurt am Main: Campus Verlag. Hielscher, Volker (2000): Entgrenzung von Arbeit und Leben? Die Flexibilisierung von Arbeitszeiten und ihre Folgewirkungen für die Beschäftigten. Eine Literaturstudie. Berlin: WZB. Hildebrandt, Paula Marie (2012): Urbane Kunst. In: Eckardt, Frank (Hrsg.): Handbuch Stadtsoziologie. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 721-744. Hilti, Nicola (2009): Multilokales Wohnen: Bewegungen und Verortungen. In: Informationen zur Raumentwicklung 14(1/2), S. 77-86. Hirschauer, Stefan (1989): Die interaktive Konstruktion von Geschlechtszugehörigkeit. In: Zeitschrift für Soziologie, 18(2), S. 100-118. Hiss, Tony (1990): Ortsbesichtigung: Wie Räume den Menschen prägen und warum wir unsere Stadtplanung und Landschaftsplanung verändern müssen. Hamburg: Kabel Verlag. Hofmeister, Sabine/Katz, Christine/Mölders, Tanja (2013): Grundlegungen im Themenfeld Geschlechterverhältnisse und Nachhaltigkeit. In: Hofmeister, Sabine/Katz, Christine/Mölders, Tanja (Hrsg.): Geschlechterverhältnisse und Nachhaltigkeit: Die Kategorie Geschlecht in den Nachhaltigkeitswissenschaften. Opladen: Verlag Barbara Budrich, S. 33-76. Hohn, Uta/Rabe, Anne (2015): Die jungen Alten als Bewohner der Inneren Stadt?: Eine Untersuchung von handlungsleitenden Motiven und Wohnpräferenzen am Beipsiel der Stadt Bonn. In: RaumPlanung 179(3), S. 50-54. Holm, Andrej/Gebhardt, Dirk (2011): Initiativen für ein Recht auf Stadt: Theorie und Praxis städtischer Aneignungen. Hamburg: VSA Verlag. Holm-Hadulla, Rainer M. (2013): The Dialectic of Creativity: A Synthesis of Neurobiological, Psychological, Cultural and Practical Aspects of the Creative Process. In: Creativity Research Journal 25(3), S. 266-299. Holtgrewe, Ursula/Hofbauer, Johanna (2011): Dark Stars der Dienstleistungsforschung: zur Relationierung von Arbeit, Organisation und Geschlecht. In: Mikl-Horke, Gertraude (Hrsg.): Sozioökonomie: die Rückkehr der Wirtschaft in die Gesellschaft. Marburg: Metropolis-Verlag, S. 271-290. Hopf, Christel (2016): Die Pseudo-Exploration: Überlegungen zur Technik qualitativer Interviews in der Sozialforschung. In: Hopf, Christel (Hrsg.: Hopf,

294 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Wulf/Kuckartz, Udo): Schriften zur Methodologie und Methoden qualitativer Sozialforschung. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 47-80. Hopf, Christel (2016): Norm und Interpretation: Einige methodische und theoretische Probleme der Erhebung und Analyse subjektiver Interpretationen in qualitativen Untersuchungen. In: Hopf, Christel (Hrsg.: Hopf, Wulf/Kuckartz, Udo): Schriften zur Methodologie und Methoden qualitativer Sozialforschung. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 81-117. Höpner, Lars (2012): Protestbewegungen der Kreativen und ihre Auswirkungen auf die Stadtentwicklung am Beispiel Hamburg. In: Wehrhahn, Rainer/Tölle, Alexander (Hrsg.): Aktuelle Entwicklungen in norddeutschen und westpolnischen Stadtregionen. Kiel: Geographisches Institut der CAU Kiel, S. 63-80. Houellebecq, Michel (2001): Elementarteilchen. München: List Verlag. Hradil, Stefan (2012): Bevölkerung: Die Angst vor der demografischen Zukunft. In: Hradil, Stefan (Hrsg.): Deutsche Verhältnisse: Eine Sozialkunde. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, S. 41-66. Huchler, Andreas (2009): Kreatives Zentrum trotz geographisch peripherer Lage? Ein inter-regionaler Vergleich des Strukturwandels deutscher Top-20Regionen und Implikationen für den Bodenseekreis. Jansen, Stephan A./Schröter, Eckhard/Stehr, Nico (Hrsg.): Rationalität der Kreativität: Multidisziplinäre Beiträge zur Analyse der Produktion, Organisation und Bildung von Kreativität. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 93120. Huchler, Andreas/Jansen, Stephan A. (2009): Rationalität der Kreativität? Ein kritischer, multidisziplinärer Diskurs im Überblick. In: Jansen, Stephan A./Schröter, Eckhard/Stehr, Nico (Hrsg.): Rationalität der Kreativität: Multidisziplinäre Beiträge zur Analyse der Produktion, Organisation und Bildung von Kreativität. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 711. Inglehart, Ronald (1989): Kultureller Umbruch: Wertwandel in der westlichen Welt. Frankfurt am Main/New York: Campus Verlag. Ipsen, Detlev (2002): Die Kultur der Orte: ein Beitrag zur sozialen Strukturierung des städtischen Raumes. In: Löw, Martina (Hrsg.): Differenzierungen des Städtischen. Opladen: Leske + Budrich Verlag, S. 233-245. Ipsen, Detlev (2006): Ort und Landschaft. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften. Jackson, Peter (2000): Rematerializing social and cultural geography. Social & Cultural Geography 1(1), S. 9-14.

Quellenverzeichnis | 295

Jacobs, Jane (1963): Tod und Leben großer amerikanischer Städte. Berlin: Ullstein Verlag. Jacobs, Jane (1969): The Economies of Cities. New York: Random House. Jansen, Dorothea (2006): Einführung in die Netzwerkanalyse. Grundlagen, Methoden, Forschungsbeispiele. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften. Jensen, Olaf/Welzer, Harald (2003): Ein Wort gibt das andere, oder: Selbstreflexivität als Methode. In: Roth, Wolff-Michael/Breuer, Franz/Mruck, Katja (Hrsg.): Subjectivity and Reflexivity in Qualitative Research II, Forum Qualitative Sozialforschung 4(2), o. S. Online abrufbar unter DOI: //dx.doi.org/10.17169/fqs-4.2.705 [Zugriff: 03.01.2017] Jonscher, Norbert (2015): „Kultviertel“ am alten Bahnhof erstrahlt in neuem Licht. Online abrufbar unter: www.braunschweiger-zeitung.de/braun schweig/article152122905/Kultviertel-am-alten-Bahnhof-erstrahlt-in-neuemLicht.html [Zugriff: 22.08.2017]. Kaiser, Stephan/Kozica, Arjan (2014): Über Grenzverschiebungen in der neuen, vernetzten Arbeitswelt. In: Richter, Alexander (Hrsg.): Vernetzte Organisation. München: Oldenbourg Verlag, S. 6-14. Kallus, Rachel (2003): Gender Reading of the Urban Space. In: Terlinden, Ulla (Hrsg.): City and Gender: International Discourse on Gender, Urbanism and Architecture. Opladen: Leske + Budrich, S. 105-129. Kaltenbrunner, Robert (2004): Der subsidiäre Raum: Landschaftsersatz oder: Welchen Freiraum braucht die Stadt? In: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 11/12, S. 631-644. Kaspar, Heidi/Bühler, Elisabeth (2006): Räume und Orte als soziale Konstrukte: Plädoyer für einen verstärkten Einbezug sozialer Aspekte in die Gestaltung städtischer Parkanlangen. In: RaumPlanung (125), S. 91-95. Kaspar, Heidi (2013): Raumkonstruktionen aus Erzählungen rekonstruieren. Reflexionen aus einem Forschungsprojekt zur Untersuchung von „ParkRäumen“. In: Rothfuß, Eberhard/Dörfler, Thomas (Hrsg.): Raumbezogene qualitative Sozialforschung. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 175-199. Katz, Christine (2011): Im Wald: Doing Gender while Doing Nature: Geschlechteraspekte der Gestaltungspraktiken eines Naturraums. In: Scheich, Elvira/Wagels, Karen (Hrsg.): Körper – Raum – Transformation: genderDimensionen von Natur und Materie. Münster: Westfälisches Dampfboot, S. 176-197.

296 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Kaufmann, Diana (2012): Vom „Dritten Ort“ zum „Place of me“: Gestaltung moderner Arbeits- und Freizeitwelten. In: REVUE: Magazine for the next society 1(11), S. 122-125. Kazig, Rainer (2007): Atmosphären: Konzept für einen nicht repräsentationellen Zugang zum Raum. In: Berndt, Christian/Pütz, Robert (Hrsg.): Kulturelle Geographien: Zur Beschäftigung mit Raum und Ort nach dem Cultural Turn. Bielefeld: transcript Verlag, S. 167-187. Kazig, Rainer/Frank, Julia/Reiter, Tanja (2011): Die alltägliche Wahrnehmung von Videoüberwachung: Konstruktionen und Handlungsrelevanz eines Kontrollinstrumentes öffentlicher Räume. In: Wiegandt, Claus-C. (Hrsg.): Öffentliche Räume – öffentliche Träume: Zur Kontroverse über die Stadt und die Gesellschaft. Berlin: LIT Verlag, S. 61-72. KEA – European Affairs (2009): The Impact of Culture on Creativity: A Study Prepared for the European Commission (Directorate-General for Education and Culture). Online abrufbar unter: www.keanet.eu/docs/impactculture creativityfull.pdf [Zugriff: 10.10.2017] Kennedy, Beate (2014): Irmgard Keun – Zeit und Zitat: Narrative Verfahren und literarische Autorschaft im Gesamtwerk. Berlin: Akademie Verlag. Kessel, Fabian/Reutlinger, Christian/Maurer, Susanne/Frey, Oliver (Hrsg.): Handbuch Sozialraum. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften. Kirchberg, Volker (2010): Kreativität und Stadtkultur: stadtsoziologische Deutungen. In: Hannemann, Christine/Glasauer, Herbert/Pohlan, Jörg/Pott, Andreas/Kirchberg, Volker (Hrsg.): Jahrbuch StadtRegion 2009/2010: Stadtkultur und Kreativität. Opladen: Verlag Barbara Budrich, S. 19-44. Klamt, Martin (2006): Raum und Norm: Zum Verhalten und seiner Regulierung in verschiedenen öffentlichen Räumen. In: Wiegandt, Claus-Christian (Hrsg.): Öffentliche Räume – öffentliche Träume: Zur Kontroverse über die Stadt und ihre Gesellschaft. Münster: LIT Verlag, S. 29-45. Klamt, Martin (2007): Verortete Normen: Öffentliche Räume, Normen, Kontrolle und Verhalten. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften. Klamt, Martin (2010): Ästhetik der Grenzen – Grenzen der Ästhetik: Zur Wahrnehmung und Wahrnehmbarkeit des öffentlichen Raums aus Nutzersicht. In: Berding, Ulrich/Havemann, Antje/ Pegels, Juliane/Perenthaler, Bettina/Selle, Klaus (Hrsg.): Stadträume in Spannungsfeldern: Plätze, Parks und Promenaden im Schnittbereich öffentlicher und privater Aktivitäten. Detmold: Verlag Dorothea Rohn, S. 190-199.

Quellenverzeichnis | 297

Klamt, Martin (2012): Öffentliche Räume. In: Eckardt, Frank (Hrsg.): Handbuch Stadtsoziologie. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 775-804. Klaphake, Axel/Meyerhoff, Jürgen (2003): Der ökonomische Wert städtischer Freiräume: Eine Anwendung der Kontingentenbewertung auf eine städtische Parkanlage in Berlin. In: Raumforschung und Raumordnung 61(1/2), S. 107117. Klaus, Philipp (2006): Stadt, Kultur und Innovation: Kulturwirtschaft und kreative innovative Kleinstunternehmen in der Stadt Zürich. Zürich: Seismo Verlag. Klaus, Philipp (2008): Industriebrachen und Kulturblüten: Vom Wert und dem Dilemma von Zwischennutzungen. In: disP 175(4), S. 73-76. Klauser, Francisco Reto (2006): Die Videoüberwachung öffentlicher Räume: Zur Ambivalenz eines Instruments sozialer Kontrolle. Frankfurt am Main: Campus Verlag. Klieber, Anna V./Schmidt, Klemens (2015): „Ziel muss es sein [...] ‚bauliche Angsträume‘ zu vermeiden und damit insbesondere Frauen bei der ungehinderten und sicheren Aneignung des öffentlichen Raumes zu unterstützen.": Über das Geschlechterwissen im politischen Sicherheitsdiskurs im öffentlichen Raum. Universität Graz. Online abrufbar unter: //static.unigraz.at/fileadmin/sowi-institute/Soziologie/Geschlechtersoziologie/Fopra/ KlieberSchmidt2015_GeschlechterwissenPolitischerSicherheitsdiskurs.pdf [Zugriff: 30.03.2017] Klinger, Cornelia (2004): Macht – Herrschaft – Gewalt. In: Rosenberger, Sieglinde K./Sauer, Birgit (Hrsg.): Politikwissenschaft und Geschlecht: Konzepte – Verknüpfungen – Perspektiven. Wien: UTB Verlag, S. 83-105. Klose, Andreas (2012): Treffpunkt Straße? Öffentlicher Raum zwischen Verdrängung und Rückgewinnung: Einige geschichtliche und aktuelle Entwicklungen. In: sozialraum.de, Ausgabe 2012(2). Online abrufbar unter: www.sozialraum.de/treffpunkt-strasse.php [Abgerufen: 19.05.2017] Klotz, Constanze (2014): Vom Versuch, Kreativität in der Stadt zu planen: Die internationale Bauausstellung IBA Hamburg. Bielefeld: transcript Verlag. Knapp, Gudrun-Axeli (2007): Konstruktion und Dekonstruktion von Geschlecht. In: Becker-Schmidt, Regina/Knapp, Gudrun-Axeli: Feministische Theorien. 4. Auflage. Hamburg: Junius Verlag, S. 65-104. Knapp, Gudrun-Axeli (2008): „Intersectionality“: Ein neues Paradigma der Geschlechterforschung? In: Casale, Rita/Rendtorff, Barbara (Hrsg.): Was kommt nach der Genderforschung?: Zur Zukunft der feministischen Theoriebildung. Bielefeld: transcript Verlag, S. 33-53.

298 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Knierbein, Sabine (2010): Die Produktion zentraler öffentlicher Räume in der Aufmerksamkeitsökonomie: Ästhetische, ökonomische und mediale Restrukturierungen durch gestaltwirksame Koalitionen in Berlin seit 1980. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften. Knox, Paul L./Marston, Sallie A. (2008): Humangeographie. Hrsg.: Gebhardt, Hans/Meusburger, Peter/Wastl-Walter, Doris. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag. Kohler, Martin (2015): Freunde und Nachbarn: Stadt als Campus und ähnliche Trends in der Stadtentwicklung. In: Below, Sally/Schmidt, Reiner (Hrsg.): Auf dem Weg zur Stadt als Campus. Berlin: jovis Verlag, S. 30-36. Koolhaas, Rem (2001): Preface. In: Chung, Chuihua Judy/Inaba, Jeffrey/Koolhaas, Rem/Leong, Sze Tsung (Hrsg.): The Harvard Design School Guide to Shopping. Köln: Taschen Verlag, S. 1. Körner, Tilman (2011): „… Rumlungern, Alkohol und … und … und …“: Sicherheits- und Ausschließungsstrategien in der Münchner Innenstadt. In: Wiegandt, Claus-C. (Hrsg.): Öffentliche Räume – öffentliche Träume: Zur Kontroverse über die Stadt und die Gesellschaft. Berlin: LIT Verlag, S. 4759. Krais, Beate/Gebauer, Gunter (2002): Habitus: Einsichten. Bielefeld: transcript Verlag. Krajetzke, Laura/Schroer, Markus (2010): Sozialer Raum: Verräumlichung. In: Günzel, Stephan (Hrsg.): Raum: Ein interdisziplinäres Handbuch. Stuttgart: J. B. Metzler Verlag, S. 90-99. Krätke, Stefan (2002): Urbane Cluster und globale Zentren der Kulturproduktion. Opladen: Leske + Budrich. Krätke, Stefan (2010): „Creative Cities“ and the Rise of the Dealer Class: A Critique of Richard Florida’s Approach to Urban Theory. In: International Journal of Urban and Regional Research 34(4), S. 835-853. Krätke, Stefan (2011): The Creative Capital of Cities: Interactive Knowledge Creation and the Urbanization Economies of Innovation. Oxford: WileyBlackwell. Kratzer, Nick/Sauer, Dieter (2005): Flexibilisierung und Subjektivierung von Arbeit. In: Kratzer, Nick/Sauer, Dieter (Hrsg.): Berichterstattung zur sozioökonomischen Entwicklung in Deutschland: Arbeits- und Lebensweisen. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 125-149. Krause, Karl-Jürgen (1999): Sicherung und Pflege des Genius loci. In: Thabe, Sabine (Hrsg.): Räume der Identität – Identität der Räume. Dortmund: Dortmunder Beiträge zur Raumplanung (98), S. 38-58.

Quellenverzeichnis | 299

Kreisky, Eva (2004): Geschlecht als politische und politikwissenschaftliche Kategorie. In: Rosenberger, Sieglinde K./Sauer, Birgit (Hrsg.): Politikwissenschaft und Geschlecht: Konzepte – Verknüpfungen – Perspektiven. Wien: UTB Verlag, S. 23-43. Krugmann, Paul (1991): Geography and Trade. Cambridge: MIT Press. Krupa, Jörn/Schmidt, Suntje (2009): Fachhochschulen als Wissensknoten in metropolnahen Stadtregionen. In: Matthiesen, Ulf/Mahnken, Gerhard (Hrsg.): Das Wissen der Städte: Neue stadtregionale Entwicklungsdynamiken im Kontext von Wissen, Milieus und Governance. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 275-289. Kruse, Jan (2014): Qualitative Interviewforschung: Ein integrativer Ansatz. Weinheim/Basel: Beltz Juventa Verlag. Kühl, Jana (2016): Erschließung alltäglicher Raumproduktionen am Beispiel von „urbanem Grün“: Konzeptionelle Grundlagen und empirische Zugänge. In: Ludwig, Joachim/Ebner von Eschenbach, Malte/Kondratjuk, Maria (Hrsg.): Sozialräumliche Forschungsperspektiven: Disziplinäre Ansätze, Zugänge und Handlungsfelder. Opladen/Berln/Toronto: Verlag Barbara Budrich, S. 227-242. Kühn, Manfred (2008): Strategische Stadt- und Regionalplanung. In: Raumforschung und Raumordnung 66(3), S. 230-243. Kühne, Olaf (2008): Distinktion – Macht – Landschaft: Zur sozialen Definition von Landschaft. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften. Kultviertel (2017): Quartiersinitiative im Friedrich-Wilhelm-Viertel. Online abrufbar unter: www.kultviertel.de/ [Zugriff: 22.08.2017]. Kunzmann, Klaus R. (2009): Kreativwirtschaft und strategische Stadtentwicklung. In: Lange, Bastian/Kalandides, Ares/Stöber, Birgit/Wellmann, Inga (Hrsg.): Governance der Kreativwirtschaft: Diagnosen und Handlungsempfehlungen. Bielefeld: transcript Verlag, S. 33-45. Kunzmann, Klaus R. (2012): Das urbane Pentagon von Konsum, Tourismus, Kultur, Wissen und Kreativwirtschaft. In: Brake, Klaus/Herfert, Günter (Hrsg.): Reurbanisierung: Materialität und Diskurs in Deutschland. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 151-163. Küppers, Carolin (2012): Soziologische Dimensionen von Geschlecht. In: Aus Politik und Zeitgeschichte (APUZ) 2012(20/21), S. 3-8. Kutschinske, Karin/Meier, Verena (2000): „…sich diesen Raum zu nehmen und sich freizulaufen…“: Angst-Räume als Ausdruck von Geschlechterkonstruktionen. In: Geographica Helvetica 55(2), S. 138-145. Laimer, Christoph (2013): Es geht nicht um ein Stück vom Kuchen, es geht um das Rezept: Aktuelle städtische Bewegungen und die Forderung nach einem

300 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

„Recht auf Stadt“. In: Lange, Bastian/Prasenc, Gottfried/Saiko, Harald (Hrsg.): Ortsentwürfe: Urbanität im 21. Jahrhundert. Berlin: Jovis Verlag, S. 88-91. Lamnek, Siegfried (2005): Qualitative Sozialforschung. Weinheim/Basel: Beltz Verlag. Lamnek, Siegfried/Krell, Claudia (2016): Qualitative Sozialforschung. Weinheim/Basel: Beltz Verlag. Landry, Charles (2008 [2000]): The Creative City: A Toolkit for Urban Innovators. London/New York: Routledge Verlag. Landry, Charles (2011): The Origins and futures of the creative city. In: Reicher, Christa/Heider, Katharina/Schlickewei, Sven/Schröter, Sabrina/Waldmüller, Johannes (Hrsg.): Kreativwirtschaft und Stadt: Konzepte und Handlungsansätze zur Stadtentwicklung. Dortmund: Institut für Raumplanung, S. 229242. Landry, Charles/Bianchini, Franco/Ebert, Ralf/Gnad, Friedrich/Kunzmann, Klaus R. (2011): The Creative City in Britain and Germany. In: Reicher, Christa/Heider, Katharina/Schlickewei, Sven/Schröter, Sabrina/Waldmüller, Johannes (Hrsg.): Kreativwirtschaft und Stadt: Konzepte und Handlungsansätze zur Stadtentwicklung. Dortmund: Institut für Raumplanung, S. 137160. Landsberg, Alexandra/Braun, Nomo (2010): Kreative Klasse in Deutschland 2010: Technologie, Talente und Toleranz stärken Wettbewerbsfähigkeit – eine Chance für offene Städte und Kreise. Mühlheim: agiplan. Lange, Bastian (2007): Die Räume der Kreativszenen: Cultrepreneurs und ihre Orte in Berlin. Bielefeld: transcript Verlag. Lange, Bastian/Kalandides, Ares/Stöber, Birgit/Wellmann, Inga (2009): Fragmentierte Ordnungen. In: Lange, Bastian/Kalandides, Ares/Stöber, Birgit/Wellmann, Inga (Hrsg.): Governance der Kreativwirtschaft: Diagnosen und Handlungsoptionen. Bielefeld: transcript Verlag, S. 11-31. Lange, Bastian (2011): Neue Organisationsformen in der Kultur- und Kreativwirtschaft. In: Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg.): Kultur- und Kreativwirtschaft in Stadt und Region: Voraussetzungen, Handlungsstrategien und Governance. Bonn: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, S. 52-62. Lange, Bastian (2012): Neue Formen des Arbeitens in Netzwerken. In: Ziehl, Michael/Oßwald, Sarah/Hasemann, Oliver/Schnier, Daniel (Hrsg.): Second Hand Spaces: Über das Recyceln von Orten im städtischen Wandel. Berlin: Jovis Verlag, S. 116-126.

Quellenverzeichnis | 301

Lange, Bastian/von Streit, Anne/Hesse, Markus (2011): Kultur- und Kreativwirtschaft in Stadt und Region: Voraussetzungen, Handlungsstrategien und Governance. Bonn: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung. Lange, Bastian (2013): Neue Orte des Städtischen durch soziale Innovationen: „Sharing ist he new black“. In: Lange, Bastian/Prasenc, Gottfried/Saiko, Harald (Hrsg.): Ortsentwürfe: Urbanität im 21. Jahrhundert. Berlin: Jovis Verlag, S. 14-24. Lange, Hans-Jürgen/Behr, Rafael/Gusy, Christoph/Kutsch, Martin/Liebl, Karlhans/Nitschke, Peter/Prätorius, Rainer (1999): Memorandum zur Entwicklung der Inneren Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland. Regensburg: Roderer Verlag. Online abrufbar unter: www.arbeitskreis-inneresicherheit.de/files/memorandum.pdf [Abgerufen: 18.05.2017] Läpple, Dieter (1991): Essay über den Raum: Für ein gesellschaftswissenschaftliches Raumkonzept. In: Häußermann, Hartmut/Ipsen, Detlev/KrämerBadoni, Thomas/Läpple, Dieter/Rodenstein, Marianne/Siebel, Walter (Hrsg.): Stadt und Raum: Soziologische Analysen. Pfaffenweiler: Centaurus Verlag, S. 157-207. Läpple, Dieter (2001): Stadt und Region in Zeiten der Globalisierung und Digitalisierung. In: Deutsche Zeitschrift für Kommunalwissenschaften 40(2), S. 12-36. Läpple, Dieter (2004): Thesen zur Renaissance der Stadt in der Wissensgesellschaft. In: Gestring, Norbert/Glasauer, Herbert/Hannemann, Christine/Petrowsky, Werner/Pohlan, Jörg (Hrsg.): Jahrbuch StadtRegion 2003: Schwerpunkt: Urbane Regionen, Opladen: Leske + Budrich Verlag, S. 61-77. Läpple, Dieter/Stohr, Henrik (2010): Arbeits- und Lebenswelten im Umbruch: Herausforderungen für die Entwicklung sozialer Infrastrukturen in Stadtquartieren. In: Läpple, Dieter/Mückenberger, Ulrich/Ossenbrügge, Jürgen (Hrsg.): Zeiten und Räume der Stadt: Theorien und Praxis. Opladen: Verlag Barbara Budrich, S. 27-44. Lauterbach, Wolfgang (1998): Die Multilokalität später Familienphasen: Zur räumlichen Nähe und Ferne der Generationen. In: Zeitschrift für Soziologie 27(2), S. 113-132. Lee, Kun Chang/Namho, Chung (2008): Empirical Analysis of Consumer Reaction to the Virtual Reality Shopping Mall. In: Computers in Human Behavior 24(1), S. 88-104. Lefebvre, Henri (1976): Die Revolution der Städte. München: Syndikat Verlag. Lefebvre, Henri (1991 [1974]): The Production of Space. Oxford, Cambridge: Blackwell. Lefebvre, Henri (1974): La production de l’espace. Paris: Gallimard.

302 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Lefebvre, Henri (2016 [1968]): Das Recht auf Stadt. Hamburg: Edition Nautilus. Lenger, Alexander/Schneickert, Christian/Schumacher, Florian (2013): Pierre Bourdieus Konzeption des Habitus. In: Lenger, Alexander/Schneickert, Christian/Schumacher, Florian (Hrsg.): Pierre Bourdieus Konzeption des Habitus: Grundlagen, Zugänge, Forschungsperspektiven. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 13-18. Lenz, Ilse (2004): Frauenbewegungen: Zu den Anliegen und Verlaufsformen von Frauenbewegungen als sozialen Bewegungen. In: Becker, Ruth/Kortendiek, Beate (Hrsg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung: Theorien, Methoden, Empirie. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 665-675. Leontjew, Alexei N. (1973): Probleme der Entwicklung des Psychischen. Berlin: Volk und Wissen Volkseigener Verlag. Limmer, Ruth/Schneider, Norbert F. (2008): Studying Job-related Spatial Mobility in Europe. In: Schneider, Nordert F.; Meil, Gerardo (Hrsg.): Mobile Living Across Europe I: Relevance and Diversity of Job-Related Spatial Mobility in Six European Countries. Opladen/Farmington Hills: Verlag Barbara Budrich, S. 13-46. Lippuner, Roland (2005): Raum – Systeme – Praktiken. Wiesbaden: Franz Steiner Verlag. Lootsma, Bart (1998): Der öffentliche Raum in Bewegung. In: Auer, Gerhard/Conrads, Ulrich/Feuerstein, Günther (Hrsg.): Daidalos 67: Positionen im Raum. Gütersloh: Bertelsmann Verlag, S. 116-123. Lossau, Julia/Lippuner, Roland (2004): In der Raumfalle: Eine Kritik des spatial turn in den Sozialwissenschaften. In: Mein, Georg/Riegler-Ladich, Markus (Hrsg.): Soziale Räume und kulturelle Praktiken. Bielefeld: transcript Verlag, S. 47-64. Lossau, Julia (2013): The Art of Place-making: Städtische Raumkonstitution als soziale Praxis. In: Europa Regional (21), S. 72-82. Lossau, Julia (2014): Kultur und Identität. In: Lossau, Julia/Freytag, Tim/Lippuner, Roland (Hrsg.): Schlüsselbegriffe der Kultur- und Sozialgeographie. Stuttgart: UTB Verlag, S. 25-37. Löw, Martina (1994): Raum ergreifen: Alleinwohnende Frauen zwischen Arbeit, sozialen Beziehungen und der Kultur des Selbst. Bielefeld: Kleine Verlag. Löw, Martina (2015 [2001]): Raumsoziologie. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. Löw, Martina/Steets, Silke/Stoetzer, Sergej (2007): Einführung in die Stadt- und Raumsoziologie. Opladen: Verlag Barbara Budrich.

Quellenverzeichnis | 303

Löw, Martina (2016): Kommunikation über Raum: Methodologische Überlegungen zur Analyse der Konstitution von Räumen. In: Christmann, Gabriela B. (Hrsg.): Zur kommunikativen Konstruktion von Räumen. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 79-88. Lucas, Robert E. (1988): On the Mechanism of Economic Development. In: Journal of Monetary Economics 22(1), S. 3-42. Ludwig-Mayerhöfer, Wolfgang (2012): Arbeitsmarkt: Für alle wichtig, für viele unsicher. In: Hradil, Stefan (Hrsg.): Deutsche Verhältnisse: Eine Sozialkunde. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, S. 289-312. Luff, Johannes (2016): Raum für Kriminalität. In: SIAK - Journal: Zeitschrift für Polizeiwissenschaft und polizeiliche Praxis 2016(4), S. 41-48. Luhmann, Niklas (1987): Rechtssoziologie. Opladen: Leske + Budrich. Lurker, Manfred (1982): Zur symbolwissenschaftlichen Terminologie in den anthropologischen Disziplinen. In: Lurker, Manfred (Hrsg.): Beiträge zu Symbol, Symbolbegriff und Symbolforschung. Baden-Baden: Koerner Verlag, S. 95-108. Madanipour, Ali (2003): Public and Private Spaces of the City. New York: Rouledge. Mahnken, Gerhard (2003): Zwischen Eigensinn und Fremdbild: Regionales Binnenmarketing am Beispiel der metropolitanen Region Brandenburg/Berlin. In: Raumforschung und Raumordnung 60(4), S. 268-277. Mahtani, Minelle (2001): Radical Remappings: The Potential of Paradoxical Space. In: Gender, Place, and Culture 8(3), S. 299-305. Malecki, Edward J. (2000): Creating and Sustaining Competitiveness: Local Knowledge and Economic Geography. In: Bryson, John R./Daniels, Peter W./Henry, Nick/Pollard, Jane (Hrsg.): Knowledge, Space, Economy. London/New York: Routledge, S. 103-119. Malecki, Edward J./Moriset, Bruno (2008): The Digital Economy: Business Organization, Production Processes and Regional Developments. London/New York: Routledge. Manderscheid, Katharina (2004): Milieu, Urbanität und Raum: Soziale Prägung und Wirkung städtebaulicher Leitbilder und gebauter Räume. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften. Manske, Alexandra (2013): Kreative als aktivierte Wirtschaftsbürger: Zur wohlfahrtsstaatlichen Rahmung von künstlerisch-kreativer Arbeit. In: Österreichische Zeitschrift für Soziologie 38(3), S. 259-276. Markusen, Ann (1996): Sticky Places in Slippery Space. In: Economic Geography 72(3), S. 293-313.

304 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Markusen, Ann (1980): City Spatial Structure: Women’s Household Work and National Urban Policy. In: Signs 5(3), S. 22-44. Online abrufbar unter: urbansocg.lesliemartin.net/wp-content/uploads/2015/05/Markusen.pdf [Zugriff: 17.03.2017] Markusen, Ann (2006): Urban Development and the Politics of a Creative Class: Evidence from a Study of Artists. In: Environment and Planning A 38(10), S. 1921-1940. Martin-Berlot, Helene/Grossetti, Michel/Eckert, Denis/Grisati, Olga/Kovács, Zoltan (2010): The Spatial Mobility of the ‘Creative Class’: A European Perspective. In: International Journal of Urban and Regional Research 34(4), S. 854-870. Maslow, Abraham (1943): A Theory of Human Motivation. In: Psychological Review, 50(4), S. 370-396. Online abrufbar unter: //psychclassics.yorku.ca/ Maslow /motivation.htm [Zugriff: 20.09.2017] Massey, Doreen (1993 [1992]): Raum, Ort und Geschlecht: Feministische Kritik geographischer Konzepte. In: Bühler, Elisabeth (Hrsg.): Ortssuche: Zur Geographie der Geschlechterdifferenz. Dortmund/Zürich: eFeF Verlag, S. 109122. Massey, Doreen (1994): Space, Place, and Gender. Minneapolis: University of Minnesota Press. Massey, Doreen (1999a): Space-time, ‘Science’ and the Relationship between Physical Geography and Human Geography. In: Transactions of the Institute of British Geographers (24), S. 261-276. Massey, Doreen (1999b): Philosophy and politics of spatiality: some considerations. In: Gebhardt, Hans/Meusburger, Peter (Hrsg.): Power-geometries and the politics of space-time. Heidelberg: Hettner Lecture, S. 27-42. Massey, Doreen (2005): Spaces of Politics. In: Massey, Doreen/Allen, John/ Saree, Philip (Hrsg.): Human Geography Today. Cambridge: Polity Press, S. 279-294. Massey, Doreen (2010a [1992]): Politik und Raum/Zeit. In: Belina, Bernd/Michel, Boris (Hrsg.): Raumproduktionen: Beiträge der Radical Geography: Eine Zwischenbilanz. Münster: Westfälisches Dampfboot, S. 111132. Massey, Doreen (2010b): Vorwort. In: Bauriedl, Sibylle/Schier, Michaela/Strüver, Anke (Hrsg.): Geschlechterverhältnisse, Raumstrukturen, Ortsbeziehungen: Erkundungen von Vielfalt und Differenz im spatial turn. Münster: Westfälisches Dampfboot, S. 7-9. Matthiesen, Ulf/Bürkner, Hans-Joachim (2004): Wissensmilieus: Zur sozialen Konstruktion und analytischen Rekonstruktion eines neuen Sozialraum-

Quellenverzeichnis | 305

Typus. In: Matthiesen, Ulf (Hrsg.): Stadtregion und Wissen: Analysen und Plädoyers für eine wissensbasierte Stadtentwicklung. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 65-89. Matthiesen, Ulf/Mahnken, Gerhard (2009): Das Wissen der Städte – Zur Einleitung. In: Matthiesen, Ulf/Mahnken, Gerhard (Hrsg.): Das Wissen der Städte: Neue stadtregionale Entwicklungsdynamiken im Kontext von Wissen, Milieus und Governance. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 13-29. Matuschewski, Anke (2006): Kreative Milieus in der Stadt: Das Beispiel der Informationswirtschaft in Hamburg. In: Gans, Paul/Priebs, Axel/Wehrhahn, Rainer (Hrsg.): Kulturgeographie der Stadt. Kiel: Kieler Geographische Schriften (111), S. 271-282. McCracken, Grant (1988): The Long Interview. London: Sage Publications. McGranahan, David/Wojan, Timothy (2007): Recasting the Creative Class to Examine Growth Processes in Rural and Urban Counties. In: Regional Studies 41(2), S. 197-216. Meissner, Hanna (2008): Die soziale Konstruktion von Geschlecht: Erkenntnisperspektiven und gesellschaftstheoretische Fragen. Gender…Politik…online. Online abrufbar unter: www.fu-berlin.de/sites/gpo/soz_eth/Geschlecht_ als_Kategorie/Die_soziale_Konstruktion_von_Geschlecht_Erkenntnisperspe ktiven_und_gesellschaftstheoretische_Fragen/index.html [Zugriff: 15.02.17] Merian (2016): Braunschweig. München: Travel House Media. Merian (2017): Top 10 Sehenswürdigkeiten in Braunschweig: Handelsweg. Online abrufbar unter: www.merian.de/europa/deutschland/braunschweig/galerie/top-10sehenswuerdigkeiten-in-braunschweig#page11 [Zugriff: 25.08.2017] Merkel, Janet (2008): Kreativquartiere: Urbane Milieus zwischen Inspiration und Prekarität. Berlin: Edition Sigma. Merkel, Janet (2012a): Kreative Milieus. In: Eckardt, Frank (Hrsg.): Handbuch Stadtsoziologie. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 689-710. Merkel, Janet (2012b): Kreativität und Stadt: Zu Rolle, Wirkung und Formen horizontaler Kooperationsformen in der Beförderung von Kultur- und Kreativwirtschaft. Dissertation. Online abrufbar unter: //edoc.hu-berlin.de/handle/ 18452/17544 [Zugriff: 18.10.2017] Merkel, Janet/Oppen, Maria (2012): Bedeutungsvolle Orte: Eine kultursoziologische Annäherung an kreative Handlungsressourcen in Städten. Discussion Paper SP III 2012-401. Berlin: Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung.

306 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Merleau-Ponty, Maurice (1966): Phänomenologie der Wahrnehmung. Berlin: de Gruyter. Metzger, Birgit (2008): Creative Milieus: Concepts and Failures. In: Heßler, Martina/Zimmermann, Clemens (Hrsg.): Creative Urban Milieus: Historical Perspectives on Culture, Economy, and the City. Frankfurt am Main/New York: Campus Verlag, S. 379-408. Metzger, Joscha (2014): Urban Gardening. In: Belina, Bernd/Naumann, Matthias/Strüver, Anke (Hrsg.): Handbuch Kritische Stadtgeographie. Münster: Westfälisches Dampfboot, S. 244-249. Meusburger, Peter (1999): Handlungszentrierte Sozialgeographie: Benno Werlens Entwurf in kritischer Diskussion. Stuttgart: Franz Steiner Verlag. Meyer, Kurt (2007): Von der Stadt zur urbanen Gesellschaft: Jacob Burckhardt und Henri Lefebvre. München: Wilhelm Fink Verlag. Meyer, Thomas (2014): Der Wandel der Familie und anderer privater Lebensformen. In: Geißler, Rainer (Hrsg.): Die Sozialstruktur Deutschlands. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 413-454. Meyrowitz, Joshua (1986): No Sense of Place: The Impact of Electronic Media on Social Behavior. Oxford: Oxford University Press. Miggelbrink, Judith (2002a): Der gezähmte Blick: Zum Wandel des Diskurses über „Raum“ und „Region“ in humangeographischen Forschungsansätzen des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Leipzig: Selbstverlag Institut für Länderkunde Leipzig e.V. Miggelbrink, Judith (2002b): Konstruktivismus? „Use with caution“: Zum Raum als Medium der Konstruktion gesellschaftlicher Wirklichkeit. In: Erdkunde 56(4), S. 337-350. Mika, Bascha (2011): Die Feigheit der Frauen: Rollenfaden und Geiselmentalität. München: Bertelsmann Verlag. Miklautz, Elfie (2011): Creative Industries: Eine antiökonomische Ökonomie? In: Mikl-Horke, Gertraude (Hrsg.): Sozioökonomie: Die Rückkehr der Wirtschaft in die Gesellschaft. Marburg: Metropolis Verlag, S. 349-365. Minssen, Heiner (2011): Arbeit in der modernen Gesellschaft: Eine Einführung. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften. Misoch, Sabrina (2015): Qualitative Interviews. Berlin/München/Boston: De Gruyter. Mittag, Jürgen/Oerters, Kathrin (2009): Kreativwirtschaft und Kulturhauptstadt: Katalysoren urbaner Entwicklung in altindustriellen Ballungsregionen? In: Quenzel, Gudrun (Hrsg.): Entwicklungsfaktor Kultur: Studien zum kulturellen und ökonomischen Potential der Europäischen Stadt. Bielefeld: transcript Verlag, S. 61-94.

Quellenverzeichnis | 307

Mölders, Tanja (2017): Gesellschaftliche Raumverhältnisse: Ein Forschungsprogramm zu den Verbindungen von ‚Natur‘, ‚Raum‘ und ‚Geschlecht‘. In: Onnen, Corinna/Rode-Breymann, Susanne (Hrsg.): Zum Selbstverständnis der Gender Studies: Methoden – Methodologien – theoretische Diskussionen und empirische Übersetzungen. Opladen: Verlag Barbara Budrich, S. 89105. Mölders, Tanja/Kühnemann, Pia (2017): Vom Recht auf Garten: Aneignung urbaner Freiräume als Kritik und Vision gesellschaftlicher Raumverhältnisse. In: Hauck, Thomas E./Hennecke, Stefanie/Körner, Stefan (Hrsg.): Aneignung urbaner Freiräume: Ein Diskurs über städtischen Raum. Bielefeld: transcript Verlag, S. 281-302. Mruck, Katja/Breuer, Franz (2003): Subjectivity and Reflexivity in Qualitative Research: The FQS Issues. In: Roth, Wolff-Michael/Breuer, Franz/Mruck, Katja (Hrsg.): Subjectivity and Reflexivity in Qualitative Research II, Forum Qualitative Sozialforschung 4(2), o. S. Online abrufbar unter DOI: //dx.doi.org/10.17169/fqs-4.2.696 [Zugriff: 06.01.2017] Müller, Christa (2013): Sehnsucht statt Landlust: Wie postindustrielle Sehnsuchtsorte des Selbermachens und der Naturbegegnung neue Bilder von Urbanität entwerfen. In: Bosshard, Marco Thomas/Döhling, Jan-Dirk/Janisch, Rebecca/Motakef, Mona/Münter, Angelika/Pellnitz, Alexander (Hrsg.): Sehnsuchtsstädte: Auf der Suche nach lebenswerten urbanen Räumen. Bielefeld: transcript Verlag, S. 141-151. Müller, Hans-Peter (2012): Werte, Milieus und Lebensstile: Zum Kulturwandel unserer Gesellschaft. In: Hradil, Stefan (Hrsg.): Deutsche Verhältnisse: Eine Sozialkunde. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, S. 189-212. Muri, Gabriela (2016): Die Stadt in der Stadt: Raum-, Zeit- und Bildrepräsentationen urbaner Öffentlichkeiten. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften. Neff, Gina/Wissinger, Elizabeth/Zukin, Sharon (2005): Entrepreneurial Labor among Cultural Producers: “Cool“ Jobs in “Hot“ Industries. In: Social Semiotics 15(3), S. 307-334. Nelkert, Denise (2011): Wachstum kreativer Räume: Eine quantitative Untersuchung der räumlichen Entwicklung der kreativen Branche in Amsterdam (zwischen 1996 und 2009). Berlin: Institut für Stadt- und Regionalplanung, TU Berlin. Neméth, Jeremy (2009): Defining a Public: The Management of Privately Owned Public Space. In: Urban Studies 46(11), S. 2463-2490.

308 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Neumayer, Christina/Stald, Gitte (2014): The mobile phone in street protest: Texting, Tweeting, Tracking and Tracing. In: Mobile & Communication 2(2), S. 117-133. Newman, Oscar (1973): Defensible Space: Crime Prevention through Urban Design. New York: Macmillan. Nohl, Werner (2002): Freiraumplanung zu Beginn des 21. Jahrhunderts: Gesellschaftliche Entwicklungen und ihr Einfluss. In: Stadt + Grün (8), S. 9-16. Nohl, Werner (2005): Entdeckung der Gegenwelt. In: Politische Ökologie (10), S. 36-38. Obi-Preuß, Ingeborg (2017): „Ausgezeichnet“, aber dreckig. Online abrufbar unter: www.unser38.de/braunschweig-innenstadt/politisches/ausgezeichnetaber-dreckig-d17861.html [Zugriff: 22.08.2017]. Oelsnitz, Dietrich von/Stein, Volker/Hahmann, Martin (2007): Der TalenteKrieg: Personalstrategie und Bildung im globalen Kampf um Hochqualifizierte. Bern: Haupt Verlag. Offe, Claus (2000): Anmerkungen zur Gegenwart der Arbeit. In: Kocka, Jürgen/Offe, Claus (Hrsg.): Geschichte und Zukunft der Arbeit. Frankfurt am Main: Campus Verlag, 493-501. Oldenburg, Ray (1989): The Great Good Place: Cafes, Coffee Shops, Community Centers, Beauty Parlors, General Stores, Bars, Hangouts, and how they get you through the Day. New York: Marlowe & Company. Oßenbrügge, Jürgen/Vogelpohl, Anne (2010): Entgrenzte Zeiten – begrenzte Räume: Stadt(teil)entwicklung in raum-zeitlicher Perspektive. In: Läpple, Dieter/Mückenberger, Ulrich/Ossenbrügge, Jürgen (Hrsg.): Zeiten und Räume der Stadt: Theorien und Praxis. Opladen: Verlag Barbara Budrich, S. 6588. Oswalt, Philipp/Overmeyer, Klaus/Misselwitz, Philipp (2013): Urban Catalyst: Mit Zwischennutzungen Stadt entwickeln. Berlin: DOM Publishers. Overmeyer, Klaus (2010): Kreative Milieus und offene Räume in Hamburg: Forschungsbericht. Hamburg: Amt für Landes- und Landschaftsplanung, Freie und Hansestadt Hamburg. Paech, Niko/Rehm, Annika (2012): Second Hand Spaces: Möglichkeitsräume für urbane Subsistenz. In: Ziehl, Michael/Oßwald, Sarah/Hasemann, Oliver/Schnier, Daniel (Hrsg.): Second Hand Spaces: Über das Recyceln von Orten im städtischen Wandel. Berlin: Jovis Verlag, S. 221-229. Peck, Jamie (2005): Struggling with the Creative Class. In: International Journal of Urban and Regional Research 29(4), S. 740-770. Pesch, Franz (2008): Stadtraum heute: Betrachtungen zur Situation des öffentlichen Raumes. In: RaumPlanung (136), S. 32-36.

Quellenverzeichnis | 309

Petrow, Constanze A. (2010): Die Landschaft der Stadt: Urbane Freiräume im Kontext der Kulturlandschaft. In: Thüringer Ministerium für Bau, Landesentwicklung und Verkehr (Hrgs.): Kulturlandschaft Thüringen. Weimar: Verlag der Bauhaus Universität, S. 244-260. Petrow, Constanze A. (2012): Städtischer Freiraum. In: Eckardt, Frank (Hrsg.): Handbuch Stadtsoziologie. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 805-837. Petzold, Knut (2011): Die europäische Stadt und multilokale Lebensformen: Eine Beziehung mit Zukunft? In: Frey, Oliver/Koch, Florian (Hrsg.): Die Zukunft der Europäischen Stadt: Stadtpolitik, Stadtplanung und Stadtgesellschaft im Wandel. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 153-172 Pfahl, Svenja/Reuyß, Stefan/Hobler, Dietmar/Weeber, Sonja (2014): Nachhaltige Effekte der Elterngeldnutzung durch Väter: Gleichstellungspolitische Auswirkungen der Inanspruchnahme von Elterngeldmonaten durch erwerbstätige Väter auf betrieblicher und partnerschaftlicher Ebene. Online abrufbar unter: www.sowitra.de/wp-content/uploads/2016/01/projektbericht-elterngeld v%C3%A4ter_2014-12-04_END.pdf [Zugriff: 13.09.2017] Pfotenhauer, Erhart (2015): Auto und Stadt: Von der autogerechten Stadt zur Mobilität der Zukunft. In: Deutsche Akademie für Städtebau und Landesplanung (Hrsg.): Stadt & Auto: Almanach 2014/2015. Berlin: Deutsche Akademie für Städtebau und Landesplanung, S. 241-254. Pieper, Jan (2014): Der Platz: Ein Grundelement der Europäischen Stadt. In: Denk, Andreas/Schröder, Uwe (Hrsg.): Stadt der Räume. Tübingen: Ernst Wasmuth Verlag, S. 101-112. Plöger, Jörg/Dittrich-Wesbuer, Andrea (2013): Multilokalität und Transnationalität: Neue Herausforderungen für Stadtentwicklung und Stadtpolitik. In: Raumforschung und Raumordnung 71(3), S. 195-205. Plum, Oliver/Hassink, Robert (2011): Wissensbasen als Typisierung für eine maßgeschneiderte regionale Innovationspolitik von morgen? In: Ibert, Oliver/Kujath, Hans Joachim (Hrsg.): Räume der Wissensarbeit: Zur Funktion von Nähe und Distanz in der Wissensökonomie. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 171-188. Plum, Oliver/Hassink, Robert (2014): Knowledge Bases, Innovativeness and Competitiveness in Creative Industries: the Case of Hamburg’s Video Game Developers. In: Regional Studies, Regional Science 1(1), S. 248-268. Pohl, Thomas (2009): Entgrenzte Stadt: Räumliche Fragmentierung und zeitliche Flexibilisierung in der Spätmoderne. Bielefeld: transcript Verlag.

310 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Pohl, Thomas (2010): Reurbanisierung als Trend?: Folgen des Wandels der raumzeitlichen Alltagsorganisation in Familienhaushalten. In: Läpple, Dieter/Mückenberger, Ulrich/Oßenbrügge, Jürgen (Hrsg.): Zeiten und Räume der Stadt: Theorie und Praxis. Opladen/Farmington Hills: Verlag Barbara Budrich, S. 45-64. Popp, Monika (2006): Die Privatisierung von Konsumräumen und die Gefährdung des öffentlichen Raums: Ein Vergleich von Einkaufszentren und Fußgängerzonen. In: Wiegandt, Claus-Christian (Hrsg.): Öffentliche Räume – öffentliche Träume . Zur Kontroverse über die Stadt und ihre Gesellschaft. Berlin: LIT Verlag, S. 105-120. Pott, Andreas (2007): Identität und Raum: Perspektiven nach dem Cultural Turn. In: Berdt, Christian/Pütz, Robert (Hrsg.): Kulturelle Geographien: Zur Beschäftigung mit Raum und Ort nach dem Cultural Turn. Bielefeld: transcript Verlag, S. 27-52. Prosser, Jon (1998) (Hrsg.): Image-based Research: a Sourcebook for qualitative Researchers. London: Falmer Press. Przyborski, Aglaja/Wohlrab-Sahr, Monika (2014): Qualitative Sozialforschung: Ein Arbeitsbuch. München: Oldenbourg Verlag. Rand, Ayn (2000 [1943]): Der Ursprung. Hamburg: GEWIS Verlag. Ranga, Marina/Etzkowitz, Henry (2013): Triple Helix Systems: An Analytical Framework for Innovation Policy and Practice in the Knowledge Society. In: Industry and Higher Education, 27(4), S. 237-262. Rau, Susanne (2013): Räume: Konzepte, Wahrnehmungen, Nutzungen. Frankfurt am Main/New York: Campus Verlag. Rauh, Andreas (2012): Die besondere Atmosphäre: Ästhetische Feldforschungen. Bielefeld: transcript Verlag. Rauhut, Daniel/Hatti, Neelambar (2017): Cities and Economic Growth: A Review. In: Social Science Spectrum 3(1), S. 1-15. Rauterberg, Hanno (2013): Wir sind die Stadt!: Urbanes Leben in der Digitalmoderne. Berlin: Suhrkamp Verlag. Rehwaldt, Till (2013): Urbane Orte – Plätze, Promenaden. In: Jirku, Almut (Hrsg.): StadtGrün. Stuttgart: Fraunhofer IRB Verlag, S. 91-96. Reich, Mathias Peter (2013): Kultur- und Kreativwirtschaft in Deutschland: Hype oder Zukunftschance der Stadtentwicklung? Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften. Reiß-Schmidt, Stephan (2006): Von der Stadtentwicklungsplanung zum Stadtentwicklungsmanagement. In: Selle, Klaus/Zalas, Lucyna (Hrsg.): Praxis in der Stadt- und Regionalentwicklung: Analysen, Erfahrungen, Folgerungen. Dortmund: Verlag Dorothea Rohn, S. 129-146.

Quellenverzeichnis | 311

Reuband, Karl-Heinz (2009): Kriminalitätsfurcht: Erscheinungsformen, Trends und soziale Determination. In: Lange, Hans-Jürgen/Ohly, H. Peter/ Reichertz, Jo (Hrsg.): Auf der Suche nach neuer Sicherheit: Fakten, Theorien und Folgen. Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 233-252. Reuber, Paul/Pfaffenbach, Carmella (2005): Methoden der empirischen Humangeographie. Braunschweig: Westermann Verlag. Reutlinger, Christian/Fritsche, Caroline (2011): Spannungsfeld öffentlicher Raum. In: laut & leise: Magazin der Stellen für Suchtprävention im Kanton Zürich (1), S. 5-8. Reutlinger, Christian (2015a): Aneignung öffentlicher Räume durch Jugendliche: Konflikte und Potentiale. In: Kemper, Raimund/Reutlinger, Christian (Hrsg.): Umkämpfter öffentlicher Raum: Herausforderungen für Planung und Jugendarbeit. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 4761. Reutlinger, Christian (2015b): Der öffentliche Raum: (k)ein Problem?!: Sozialräumliche Gedanken zu fünf Jahren Fair-Play-Team Wien. In: Wissenschaftliches Journal österreichischer Fachhochschul-Studiengänge Soziale Arbeit. Nr. 14, S. 340-350. Richter, Gerhard (1981): Handbuch Stadtgrün: Landschaftsarchitektur im städtischen Freiraum. München: BLV. Rieniets, Tim (2014): Begegnungsräume: Öffentlich genutzte Räume als das Verbindende in der Stadt. In: Rieniets, Tim/Kretschmann, Nicolas/Perret, Myriam/Christiaanse, Kees (Hrsg.): Die Stadt als Ressource: Texte und Projekte 2005-2014. Berlin: jovis Verlag, S. 181-191. Ritter, Ernst-Hasso (2006): Strategieentwicklung heute: Zum integrativen Management konzeptioneller Politik (am Beispiel der Stadtentwicklungsplanung). In: Selle, Klaus (Hrsg.): Zur räumlichen Entwicklung beitragen: Konzepte. Theorien. Impulse. Dortmund: Verlag Dorothea Rohn, S. 129-146. Rose, Gillian (1993a): Feminism & Geography: The Limits of Geographical Knowledge. Minneapolis: University of Minnesota Press. Rose, Gillian (1993b): Some notes towards thinking about the spaces of the future. In Bird, Jon/Curtis, Barry/Putnam, Tim/Robertson, George/Tickner, Lisa (Hrsg.): Mapping the Futures: Local Cultures, Global Change. London/New York: Routledge, S. 70-83. Rose, Gillian (1995): Place and Identity: A Sense of Place. In: Massey, Doreen/Jess, Pat (Hrsg.): A Place in the World? Places, Cultures and Globalization. Oxford: The Open University, S. 87-132.

312 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Rose, Gillian (2016): Visual Methodologies: An Introduction to Researching with Visual Materials. London/Thousand Oaks/New Delhi/Singapore: Sage Publications. Roßbach, Michael (2009): Creative Innovation: Insights from Neurobiology and Economics an Their Implications for Social Decision-Making. In: Jansen, Stephan A./Schröter, Eckhard/Stehr, Nico (Hrsg.): Rationalität der Kreativität: Multidisziplinäre Beiträge zur Analyse der Produktion, Organisation und Bildung von Kreativität. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 13-29. Rossteutscher, Sigrid (2013): Werte und Wertewandel. In: Mau, Steffen/Schöneck, Nadine M. (Hrsg.): Handwörterbuch zur Gesellschaft Deutschlands. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 936948. rp-online (2017): #Metoo-Protestmärsche gegen sexuelle Übergriffe in Frankreich. Online abrufbar unter: www.rp-online.de/panorama/ausland/metooprotestmaersche-gegen-sexuelle-uebergriffe-in-frankreich-aid-1.7175351 [Zugriff: 30.10.2017] Rübsamen, Rafaela (2017): Laptop, Kaffee, WLAN: Arbeiten in Cafés. Online abrufbar unter: //merkurist.de/frankfurt/work-life-balance-laptop-kaffeewlan-arbeiten-in-cafes_ENv [Zugriff: 15.06.2017]. Rudolph, Clarissa (2015): Geschlechterverhältnisse in der Politik: Eine genderorientierte Einführung in Grundfragen der Politikwissenschaft. Opladen: UTB. Rüger, Heiko/Sulak, Harun (2017): Wochenendpendeln von Erwerbstätigen in Deutschland: Analysen mit den Mikrozensen 1991 bis 2012. In: Raumforschung und Raumordnung, Online First. Online abrufbar unter DOI: 10.1007/s13147-017-0496-x [Zugriff: 20.09.2017] Ruhne, Renate (2003): Macht Raum Geschlecht: Zur Soziologie eines Wirkungsgefüges am Beispiel von (Un)Sicherheiten im öffentlichen Raum. Opladen: Leske + Budrich. Ruhne, Renate (2011): Macht Raum Geschlecht: Zur Soziologie eines Wirkungsgefüges am Beispiel von (Un)Sicherheiten im öffentlichen Raum. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften. Runco, Mark A. (2007): Creativity: Theories and Themes: Research, Development, and Practice. Amsterdam/London: Elsevier Academic Press. Santagata, Walter (2004): Creativity, Fashion and Market Behaviour. In Power, Dominic/Scott, Allen J. (Hrsg.): Cultural Industries and the Production of Culture. London/New York: Routledge, S. 75-90.

Quellenverzeichnis | 313

Sassen, Saskia (1996): Metropolen des Weltmarkts: Die neue Rolle der Global Cities. Frankfurt am Main/New York: Campus Verlag. Sauer, Dieter (2012): Entgrenzung – Chiffre einer flexiblen Arbeitswelt: Ein Blick auf den historischen Wandel von Arbeit. In: Badura, Bernhard/Ducki, Antje/Schröder, Helmut/Klose, Joachim/Meyer, Markus (Hrsg.): FehlzeitenReport 2012: Gesundheit in der flexiblen Arbeitswelt: Chancen nutzen, Risiken minimieren. Berlin/Heidelberg: Springer Verlag, S. 3-13. Scambor, Elli/Zimmer, Fränk (2012): Die intersektionelle Stadt: Geschlechterforschung und Medienkunst an den Achsen der Ungleichheit. Bielefeld: transcript Verlag. Schäfers, Bernhard (2006a): Architektursoziologie: Grundlagen, Epochen, Themen. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften. Schäfers, Bernhard (2006b): Stadtsoziologie: Stadtentwicklung und Theorien, Grundlagen und Praxisfelder. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften. Schamp, Eike W. (2009): Wissen, Netzwerk und Raum: offen für ein Konzept der „co-evolution“? In: Matthiesen, Ulf/Mahnken, Gerhard (Hrsg.): Das Wissen der Städte: Neue stadtregionale Entwicklungsdynamiken im Kontext von Wissen, Milieus und Governance. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 33-45. Scheiner, Joachim/Blotevogel, Hans-Heinrich/Frank, Susanne/Holz-Rau, Christian/Schuster, Nina (2013): Mobilitäten und Immobilitäten: Menschen – Ideen – Dinge – Kulturen – Kapital: Eine Einleitung. In: Scheiner, Joachim/Blotevogel, Hans-Heinrich/Frank, Susanne/Holz-Rau, Christian/Schuster, Nina (Hrsg.): Mobilitäten und Immobilitäten: Menschen – Ideen – Dinge – Kulturen – Kapital. Essen: Dortmunder Beiträge zur Raumplanung, S. 9-18. Scherr, Albert (2011): Männer als Adressatengruppen und Berufstätige in der Sozialen Arbeit. In: Thole, Werner (Hrsg.): Grundriss Soziale Arbeit. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 559-568. Scherrer, Walter (2009): Region, Innovation, Regionales Innovationssystem, Governance: Konzepte und Verbindungen. In: Dimmel, Nikolaus/Pichler, Wolfgang (Hrsg.): Governance: Bewältigung von Komplexität in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. Frankfurt am Main: Peter Lang Verlag, S. 269-292. Schier, Michaela (2010): Mobilität und Multilokalität aus Sicht der Geschlechterforschung. In: Bauriedl, Sibylle/Schier, Michaela/Strüver, Anke (Hrsg.): Geschlechterverhältnisse, Raumstrukturen, Ortsbeziehungen: Erkundungen von Vielfalt und Differenz im spatial turn. Münster: Westfälisches Dampfboot, S. 121-144.

314 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Schier, Michaela/Jurczyk, Karin/Szymenderski, Peggy (2011): Entgrenzung von Arbeit und Familie: mehr als Prekarisierung. In: WSI Mitteilungen 2011(8), S. 402-408. Schier, Michaela (2013): Multilokale Wohnarrangements von Müttern Vätern und ihren Kindern nach Trennung und Scheidung. In: Schwedes, Oliver (Hrsg.): Räumliche Mobilität in der zweiten Moderne: Freiheit und Zwang bei Standortwahl und Verkehrsverhalten. Berlin: LIT Verlag, S. 189-212. Schimank, Uwe (2012): Sozialer Wandel: Wohin geht die Entwicklung? In: Hradil, Stefan (Hrsg.): Deutsche Verhältnisse: Eine Sozialkunde. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, S. 17-40. Schipper, Sebastian (2013): Von der unternehmerischen Stadt zum Recht auf Stadt. In: Emanzipation 3(2), S. 21-34. Schlickewei, Sven/Schröter, Sabrina/Waldmüller, Johannes (2011): Kreativwirtschaft. In: Reicher, Christa/Heider, Katharina/Schlickewei, Sven/Schröter, Sabrina/Waldmüller, Johannes (Hrsg.): Kreativwirtschaft und Stadt: Konzepte und Handlungsansätze zur Stadtentwicklung. Dortmund: Institut für Raumplanung, S. 17-52. Schlicksupp, Helmut (1999): Innovation, Kreativität und Ideenfindung. Würzburg: Vogel Verlag. Schlögel, Karl (2003): Im Raume lesen wir die Zeit: Über Zivilisationsgeschichte und Geopolitik. München: Hanser Verlag. Schmid, Christian (2005): Stadt, Raum und Gesellschaft: Henri Lefebvre und die Theorie der Produktion des Raums. Stuttgart: Steiner Verlag. Schmidt-Thomé, Kaisa (2005): Europäische Perspektiven auf die Beziehungen zwischen Stadt und Land. In: Altrock, Uwe/Günther, Simon/Hunig, Sandra/Nuissl, Henning/Peters, Deike (Hrsg.): Landliebe – Landleben: Ländlicher Raum im Spiegel von Sozialwissenschaften und Planungstheorie. Cottbus: Altrock, S. 13-30. Schmitz, Hermann (1985): Phänomenologie der Leiblichkeit. In: Petzold, Hilarion (Hrsg.): Leiblichkeit: Philosophie, gesellschaftliche und therapeutische Perspektiven. Paderborn: Junfermannsche Verlagsbuchhandlung, S. 71-106. Schmitz, Hermann (1994): Neue Grundlagen der Erkenntnistheorie. Bonn: Bouvier Verlag. Schmitz, Hermann (1998): Der Leib, der Raum und die Gefühle. Ostfildern: Edition Tertium. Schroer, Markus (2005): Stadt als Prozess: Zur Diskussion städtischer Leitbilder. In: Berking, Helmut/Löw, Martina (Hrsg.): Die Wirklichkeit der Städte. Baden-Baden: Nomos Verlag, S. 327-344.

Quellenverzeichnis | 315

Schroer, Markus (2008): „Bringing space back in“: Zur Relevanz des Raums als soziologische Kategorie. In: Döring, Jörg/Thielmann, Tristan (Hrsg.): Spatial Turn: Das Raumparadigma in den Kultur- und Sozialwissenschaften. Bielefeld: transcript Verlag, S. 125-148. Schubert, Herbert (2000): Städtischer Raum und Verhalten: Zu einer integrierten Theorie des öffentlichen Raumes. Opladen: Leske + Budrich. Schumpeter, Joseph A. (1997 [1934]): Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung: Eine Untersuchung über Unternehmergewinn, Kapital, Kredit, Zins und den Konjunkturzyklus. Berlin: Duncker & Humblot. Schuster, Nina (2010): Andere Räume: Soziale Praktiken der Raumproduktion von Drag Kings und Transgender. Bielefeld: transcript Verlag. Schuster, Nina (2012): Queer Spaces. In: Eckardt, Frank (Hrsg.): Handbuch Stadtsoziologie. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 633-659. Schütze, Fritz (1983): Biographieforschung und narratives Interview. Neue Praxis: Kritische Zeitschrift für Sozialarbeit und Sozialpädagogik 13(3), 283– 293. Scott, Allen J. (1997): The Cultural Economy of Cities. In: International Journal of Urban and Regional Research 21(2), S. 323-339. Scott, Allen J. (2006): Creative Cities: Conceptual issues and policy questions. In: Journal of Urban Affairs 28(1), S. 1-17. Selle, Klaus (2003) (Hrsg.): Was ist los mit den Öffentlichen Räumen? Analysen, Positionen, Konzepte. Dortmund: Dortmunder Vertrieb für Bau- und Planungsliteratur. Selle, Klaus (2004): Öffentliche Räume in der europäischen Stadt: Verfall und Ende oder Wandel und Belebung? Reden und Gegenreden. In: Siebel, Walter (Hrsg.): Die europäische Stadt. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, S. 131-145. Selle, Klaus (2008): Öffentliche Räume – eine Einführung: Begriff, Bedeutung und Wandel der öffentlich nutzbaren Räume in den Städten. Online abrufbar unter: www.pt.rwth-aachen.de/dokumente/lehre_materialien/c3a_oeffentlich er_ raum.pdf [Abgerufen: 20.05.2017] Selle, Klaus (2005): Planen. Steuern. Entwickeln: Über den Beitrag öffentlicher Akteure zur Entwicklung von Stadt und Land. Dortmund: Verlag Dorothea Rohn. Selle, Klaus (2013): Geleitwort. In: Beeren, Willem-Jan/Berding, Ulrich/Kluge, Florian (Hrsg.): RAUMaufZEIT: Temporäre Interventionen im öffentlichen Raum. Euskirchen/Aachen: Beeren Berding Kluge, S. 6-7.

316 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Sennett, Richard (2004 [1974]): Verfall und Ende des öffentlichen Lebens: Die Tyrannei der Intimität. Frankfurt am Main: Fischer Verlag. Shaftoe, Henry (2008): Convival Urban Spaces: Creating Effective Public Places. London: Earthscan. Siebel, Walter/Wehrheim, Jan (2003): Öffentlichkeit und Privatheit in der überwachten Stadt. In: DISP 153, S. 4-12. Siebel, Walter (2004): Die europäische Stadt. In: Siebel, Walter (Hrsg.): Die europäische Stadt. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, S. 11-50. Siebel, Walter (2006): Wandel, Rationalität und Dilemmata der Planung. In: Selle, Klaus (Hrsg.): Zur räumlichen Entwicklung beitragen: Konzepte. Theorien. Impulse. Dortmund: Verlag Dorothea Rohn, S. 195-209. Siebel, Walter (2008): Was macht eine Stadt kreativ? In: Wagner, Bernd (Hrsg.): Jahrbuch für Kulturpolitik 2008. Essen: Klartext Verlag, S. 273-284. Sieverts, Thomas (1996): Die Gestaltung des öffentlichen Raums. In: Klein, Peter (Hrsg.): Die Stadt: Ort der Gegensätze. Bonn: Vorwärts Verlag. Sieverts, Thomas (1998): Zwischenstadt: Zwischen Ort und Welt, Raum und Zeit, Stadt und Land. Braunschweig: Vieweg Verlag. Simmel, Georg (1903): Die Großstädte und das Geistesleben. In: Die Großstadt: Vorträge und Aufsätze zur Städteausstellung. Petermann, Theodor (Hrsg.): Jahrbuch der Gehe-Stiftung Dresden (9), S. 185-206. Online abrufbar unter: www.gsz.hu-berlin.de/de/gsz/zentrum/georg-simmel/die-grossstaedte-unddas-geistesleben [Zugriff: 07.02.2017] Simmel, Georg (1998 [1908]): Soziologie der Sinne (Auszug). In: Gebauer, Gunter (Hrsg.): Anthropologie. Leipzig: Reclam Verlag, S. 136-142. Soja, Edward (1990): Die Trialektik der Räumlichkeit. In: Stockhammer, R. (2005): TopoGraphien der Moderne: Medien zur Repräsentation und Konstruktion von Räumen. München: Wilhelm Fink Verlag, S. 93-123. Soja, Edward (1996): Thirdspace: Journeys to Los Angeles and other Real-andImagined Places. Cambridge/Oxford: Blackwell Publishers. Söndermann, Michael (2004): Kulturberufe: Statistisches Kurzportrait zu den erwerbstätigen Künstlern, Publizisten, Designern, Architekten und verwandten Berufen im Kulturberufemarkt in Deutschland 1995-2003. Bonn: Arbeitskreis der Kulturstatistik im Haus der Kultur. Söndermann, Michael/Backes, Christoph/Arndt, Olaf/Brünink, Daniel (2009): Kultur- und Kreativwirtschaft: Ermittlung der gemeinsamen charakteristischen Definitionselemente der heterogenen Teilbereiche der Kulturwirtschaft zur Bestimmung ihrer Perspektiven aus volkswirtschaftlicher Sicht. Köln, Bremen, Berlin: Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie.

Quellenverzeichnis | 317

Sonnenburg, Stephan (2007): Kooperative Kreativität: Theoretische Basisentwürfe und organisationale Erfolgsfaktoren. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften. Sorokin, Pitirim Alexandrowitsch (1927): Social Mobility. New York: Harper and Brothers. Späte, Katrin (2013): Von der „Stellung der Frau“ zur „Dekonstruktion von Geschlecht“: Kleine Geschichte sozialwissenschaftlicher Unterscheidungen und ihrer (un)politischen Folgen. In: Wilde, Gabriele/Friedrich, Stefanie (Hrsg.): Im Blick der Disziplinen: Geschlecht und Geschlechterverhältnisse in der wissenschaftlichen Analyse. Münster: Westfälisches Dampfboot, S. 107-126. Stadt Braunschweig (2016): Lichtparcours 2016. Online abrufbar unter: www.braunschweig.de/lichtparcours2016/lp16/ [Zugriff: 22.08.2017] Staeheli, Lynn/Mitchell, Don (2007): The People's Property? Power, Politics, and the Public. London/New York: Routledge. Stampfl, Nora S. (2011): Die Zukunft der Dienstleistungsökonomie: Momentaufnahme und Perspektiven. Berlin/Heidelberg: Springer Verlag. Statistisches Bundesamt (2015a): Wie die Zeit vergeht: Ergebnisse für die Zeitverwendung in Deutschland 2012/2013. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt. Statistisches Bundesamt (2015b): Arbeitsmarkt: Erwerbstätige im Inland nach Wirtschaftssektoren. Online abrufbar unter: www.destatis.de [Zugriff: 08.01.2017] Statistisches Bundesamt (2016): Gender Pay Gap. Online abrufbar unter: www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Indikatoren/QualitaetArbeit/Dimension1/ 1_5_GenderPayGap.html [Zugriff: 22.02.2017] Steets, Silke (2007): „Wir sind die Stadt!“: Kulturelle Netzwerke und die Konstitution städtischer Räume in Leipzig. Frankfurt am Main: Campus Verlag. Steets, Silke (2011): Die Stadt als Wohnzimmer und die Floridarisierung der Stadtpolitik. In: Herrmann, Heike/Keller, Carsten/Neef, Rainer/Ruhne, Renate (Hrsg.): Die Besonderheit des Städtischen: Entwicklungslinien der Stadt(soziologie). Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 87-103. Steets, Silke (2015): Der sinnhafte Aufbau der gebauten Welt: Eine Architektursoziologie. Berlin: Suhrkamp Verlag. Stehr, Nico/Adolf, Marian (2009): Die neue Macht der Kreativität: Wissensklassen in modernen Gesellschaften. In: Jansen, Stephan A./Schröter, Eckhard/Stehr, Nico (Hrsg.): Rationalität der Kreativität: Multidisziplinäre Beiträge zur Analyse der Produktion, Organisation und Bildung von Kreativität. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 185-206.

318 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Steinke, Ines (1999): Kriterien qualitativer Forschung: Ansätze zur Bewertung qualitativ-empirischer Sozialforschung. Weinheim: Juventa Verlag. Sternberg, Robert J./Lubart, Todd I. (1999): The Concepts of Creativity: Prospects and Paradigms. In: Sternberg, Robert J. (Hrsg.): Handbook of Creativity. Cambridge: Cambridge University Press. Sternberg, Rolf (2012): Learning from the past? Why creative industries can hardly be Created by Local/Regional Government Policies. In: Die Erde 143(4), S. 293-315. Stollowsky, Oliver (2017): Café wird als kostenloser Arbeitsplatz missbraucht. Online abrufbar unter: www.tagesspiegel.de/berlin/st-oberholz-in-mitte-cafewird-als-kostenloser-arbeitsplatz-missbraucht/19865596.html [Zugriff: 15.06.2017]. Strambach, Simone/Kohl, Hendrik (2015): Mobilitätsdynamiken und Wissensarbeit: Zum Wandel berufsbedingter zirkulärer Mobilität. In: Raumforschung und Raumordnung 73(4), S. 257-268. Strauss, Anselm L. (1991): Grundlagen qualitativer Sozialforschung. München: Fink Verlag. Strauss, Anselm L./Corbin, Juliet (1996): Grounded Theory: Grundlagen qualitativer Sozialforschung. Weinheim: Beltz Verlag. Ströhl, Andreas (2014): Medientheorien kompakt. Konstanz: UVK Verlag. Strübing, Jörg (2014): Grounded Theory: Zur sozialtheoretischen und epistemologischen Fundierung des Verfahrens der empirisch begründeten Theoriebildung. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften. Strüver, Anke (2005): Macht Körper Wissen Raum?: Ansätze für eine Geographie die Differenzen. Wien: Institut für Geographie und Regionalforschung der Universität Wien. Strüver, Anke (2010): KörperMachtRaum und RaumMachtKörper: Bedeutungsverflechtungen von Körpern und Räumen. In: Bauriedl, Sibylle/Schier, Michaela/Strüver, Anke (Hrsg.): Geschlechterverhältnisse, Raumstrukturen, Ortsbeziehungen: Erkundungen von Vielfalt und Differenz im spatial turn. Münster: Westfälisches Dampfboot, S. 217-237. Strüver, Anke (2014a): Zum Zusammenwirken von Materialität und Repräsentation: Donna Haraway und Judith Butler. In: Oßenbrügge, Jürgen/Vogelpohl, Anne (Hrsg.): Theorien in der Raum- und Stadtforschung. Münster: Westfälisches Dampfboot, S. 290-309. Strüver, Anke (2014b): Doreen Massey: Stadt und Geschlecht. In: Belina, Bernd/Naumann, Matthias/Strüver, Anke (Hrsg.): Handbuch Kritische Stadtgeographie. Münster: Westfälisches Dampfboot, S. 37-42.

Quellenverzeichnis | 319

Strüver, Anke (2014c): Geschlecht und Sexualität. In: Lossau, Julia/Freytag, Tim/Lippuner, Roland (Hrsg.): Schlüsselbegriffe der Kultur- und Sozialgeographie. Stuttgart: UTB Verlag, S. 138-152. Suddaby, Roy (2006): From the Editors: What Grounded Theory is not. In: Academy of Management Journal 49(4), S. 633-642. Suwala, Lech (2014): Kreativität, Kultur und Raum: Ein wirtschaftsgeographischer Beitrag am Beispiel des kulturellen Kreativitätsprozesses. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften. Swanwick, Cary/Dunnett, Nigel/Wolley, Helen (2003): Nature, Role an Value of Green Space in Towns and Cities: An Overview. In: Built Environment 29(2), S. 94-106. Tatschmurat, Carmen (2007): Gender Troubles in der Beratung. In: Nestmann, Frank/Engel, Frank/Sickendiek, Ursel (Hrsg.): Das Handbuch der Beratung. Band 1. Tübingen: dgvt Verlag, S. 231-243. Taylor, Peter J. (1999): Places, Spaces and Macy’s: Place-space-tensions in the Political Geography of Modernities. In: Progress in Human Geography 31(1), S. 7-26. Tessin, Wulf (2008): Ästhetik des Angenehmen: Städtische Freiräume zwischen professioneller Ästhetik und Laiengeschmack. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften. Tessin, Wulf (2011): Freiraum und Verhalten: Soziologische Aspekte der Nutzung und Planung städtischer Freiräume. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften. Thibaud, Jean-Paul (2003): Die sinnliche Umwelt von Städten: Zum Verständnis urbaner Atmosphären. In: Hauskeller, Michael (Hrsg.): Die Kunst der Wahrnehmung: Beiträge zu einer Philosophie der sinnlichen Erkenntnis. Kusterdingen: SFG Fachverlage, S. 280-297. Thiel, Joachim (2011): Hoffnungsträger Kreativität?: Ambivalenzen einer (Sozial-) Ökonomie der kreativen Stadt. In: Herrmann, Heike/Keller, Carsten/Neef, Rainer/Ruhne, Renate (Hrsg.): Die Besonderheit des Städtischen: Entwicklungslinien der Stadt(soziologie). Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 105-123. Thiem, Anja (2009): Leben in Dörfern: Die Bedeutungen öffentlicher Räume für Frauen im ländlichen Raum. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften. Thiessen, Barbara (2008): Feminismus: Differenzen und Kontroversen. In: Becker, Ruth/Kortendiek, Beate (Hrsg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung: Theorie, Methoden, Empirie. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 37-44.

320 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Thürmer-Rohr, Christina (2004): Mittäterschaft von Frauen: Die Komplizenschaft mit der Unterdrückung. In: Becker, Ruth/Kortendiek, Beate (Hrsg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung: Theorien, Methoden, Empirie. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 85-90. Thurnher, Rainer (1992): Lebenswelt und gelebter Raum. In: Mayer, Jörg (Hrsg.): Die aufgeräumte Welt. Loccum: Evangelische Akademie, S. 243262. Tuan, Yi-Fu (2001): Space and Place: The Perspective of Experience. Minneapolis: University of Minnesota Press. Tulving, Endel (1972): Episodic and Semantic Memory. In: Tulving, Endel/Donaldson, Wayne (Hrsg.): Organization of Memory. London: Academic Verlag, S. 381-402. Online abrufbar unter: //alicekim.ca/12.EpSem72.pdf [Zugriff: 04.01.2017] Unger, Hella von (2014): Forschungsethik in der qualitativen Forschung: Grundsätze, Debatten und offene Fragen. In: Unger, Hella von/Narimani, Petra/M’Bayo, Rosaline (Hrsg.): Forschungsethik in der qualitativen Forschung: Reflexivität, Perspektiven, Positionen. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 15-39. urbanshit (2015): Eine App simuliert Café-Sound zum kreativen Arbeiten für urbane (Pseudo) Freelancer. Online abrufbar unter: //urbanshit.de/eine-appsimuliert-cafe-sound-zum-kreativen-arbeiten-fuer-urbane-pseudo-freelancer/ [Zugriff: 15.06.2017]. Valena, Thomás (1994): Beziehungen: Über den Ortsbezug in der Architektur. Berlin: Ernst & Sohn Verlag. Valentine, Gill (2007): Theorising and researching intersectionality: A challenge for feminist geography. In: The Professional Geographer 59(1), S. 10-21. Verwoert, Jan (2003): Unternehmer unserer Selbst. In: Verwoert, Jan (Hrsg.): Die Ich-Ressource: Zur Kultur der Selbstverwertung. München: Volk Verlag, S. 44-55. Virilio, Paul (1997): Rasender Stillstand: Essay. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag. Vogelmayr, Irmtraud (2016): Umkämpfter Angstraum. In: an.schläge: Das feministische Magazin. 16(1), o. S. Vogelpohl, Anne (2011): Städte und die beginnende Urbanisierung: Henri Lefebvre in der aktuellen Stadtforschung. In: Raumforschung und Raumordnung 69(4), S. 233-243. Wallasch, Alexander (2015): Gestrandet in Braunschweig. In: DIE ZEIT, 47. Online abrufbar unter: www.zeit.de/2015/47/niedersachsen-braunschweigsehenswuerdigkeiten [Zugriff: 23.04.2017].

Quellenverzeichnis | 321

Wardenga, Ute (2006): Raum- und Kulturbegriffe in der Geographie. In: Dickel, Mirka/ Kanwischer, Detlef (Hrsg.): TatOrte: Neue Raumkonzepte didaktisch inszeniert. Berlin: LIT Verlag, S. 21-47. Ward Thompson, Catherine (2002): Urban Open Space in the 21st Century. In: Landscape and Urban Planning (60), S. 59-72. Wastl-Walter, Doris (2010): Gender Geographien: Geschlecht und Raum als soziale Konstruktionen. Stuttgart: Franz Steiner Verlag. Wattanasuwan, Kritsadarat/Buber, Renate/Meyer, Michael (2009): Das narrative Interview und die narrative Analyse. In: Buber, Renate/Holzmüller, Hartmut H. (Hrsg.): Qualitative Marktforschung: Konzepte – Methoden – Analysen. Wiesbaden: Springer Gabler, S. 359-380. Weber, Max (1980): Wirtschaft und Gesellschaft: Grundriß der verstehenden Soziologie. 5. Auflage. Tübingen: Mohr & Siebeck Verlag. Weber, Max (1988 [1912]): Geschäftsbericht und Diskussionsreden auf den deutschen soziologischen Tagungen (1910). In: Weber, Max (Hrsg.): Gesammelte Aufsätze zur Soziologie und Sozialpolitik. Tübingen: Mohr & Siebeck Verlag, S. 431-491. Online abrufbar unter: //verlag.ub.unipotsdam.de/html/494/html/GASS.pdf [Zugriff: 13.02.2017] Weckerle, C.; Söndermann, M. (2003): Das Umsatz- und Beschäftigungspotential des kulturellen Sektors: Erster Kulturwirtschaftsbericht Schweiz. Zürich: Selbstverlag der Hochschule für Gestaltung und Kunst Zürich. Wehinger, Brunhilde (2006): Georg Sand. In: Metzlar Lexikon Weltliteratur. Band 3. Stuttgart: Verlag J. B. Metzler, S. 189-190. Wehmeyer, Karin (2013): Aneignung von Sozial-Raum in Kleinstädten: Öffentliche Räume und informelle Treffpunkte aus der Sicht junger Menschen. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften. Wehrhahn, Rainer/Sandner Le Gall, Verena (2011): Bevölkerungsgeographie. Geowissen kompakt. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Wehrheim, Jan (2009): Der Fremde und die Orientierung der Räume. Opladen: Leske + Budrich. Weichhart, Peter (1993): Vom ‚Räumeln‘ in der Geographie und anderen Disziplinen. In: Mayer, Jörg (Hrsg.): Die aufgeräumte Welt. Loccum: Evangelische Akademie, S. 225-242. Weichhart, Peter (2008): Entwicklungslinien der Sozialgeographie: Von Hans Bobek bis Benno Werlen. Stuttgart: Franz Steiner Verlag. Weichhart, Peter (2009): Multilokalität: Konzepte, Theoriebezüge und Forschungsfragen. In: Informationen zur Raumentwicklung 2009(1/2), S. 1-14.

322 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Weiske, Christine/Petzold, Knut/Zierold, Diana (2009): Multilokale Haushaltstypen: Bericht aus dem DFG-Projekt „Neue multilokale Haushaltstypen“ (2006-2008). In: Informationen zur Raumentwicklung 2009 (1/2), S. 67-75. Wentz, Martin (2015): Mobilität und Stadtplanung: Wechselwirkungen im Wandel. In: Deutsche Akademie für Städtebau und Landesplanung (Hrsg.): Stadt & Auto: Almanach 2014/2015. Berlin: Deutsche Akademie für Städtebau und Landesplanung, S. 333-354. Werlen, Benno (1995): Sozialgeographie alltäglicher Regionalisierungen. Band 1: Zur Ontologie von Gesellschaft und Raum. Stuttgart: Franz Steiner Verlag. Werlen, Benno (2008): Sozialgeographie. 3. Auflage. Bern: UTB. Werlen, Benno (2012): Geographie/Sozialgeographie. In: Günzel, Stephan (Hrsg.): Raumwissenschaften. 3. Auflage. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, S. 142-158. Werlen, Benno (2016): Gibt es eine Geographie ohne Raum? Zum Verhältnis von traditioneller Geographie und zeitgenössischen Gesellschaften. In: Escher, Anton/Petermann, Sandra (Hrsg.): Raum und Ort: Basistexte. Stuttgart: Franz Steiner Verlag, S. 43-62. West, Candace/Zimmerman, Don (1987): Doing Gender. In: Gender & Society 1987(1), S. 125-151. Wetterer, Angelika (2004): Konstruktion von Geschlecht: Reproduktionsweisen der Zweigeschlechtlichkeit. In: Becker, Ruth/Kortendiek, Beate (Hrsg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung: Theorien, Methoden, Empirie. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 122-131. Wetterer, Angelika (2009): Gleichstellungspolitik im Spannungsfeld unterschiedlicher Spielarten von Geschlechterwissen: Eine wissenssoziologische Rekonstruktion. In: GENDER Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft 1(2), S. 45-60. White, Clarissa/Woodfield, Kandy/Ritchie, Jane/Ormston, Rachel (2014): Writing up Qualitative Research. In: Ritchie, Jane/Lewis, Jane/McNaughton Nicholls, Carol/Ormston, Rachel (Hrsg.): Qualitative Research Practice: A Guide for Social Science Students and Researchers. London/Thousand Oaks/ New Delhi/Singapore: Sage Publications, S. 367-400. Wilde, Gabriele/Friedrich, Stefanie (2013): Geschlecht und Geschlechterverhältnisse im Blick der Disziplinen. In: Wilde, Gabriele/Friedrich, Stefanie (Hrsg.): Im Blick der Disziplinen: Geschlecht und Geschlechterverhältnisse in der wissenschaftlichen Analyse. Münster: Westfälisches Dampfboot, S. 720.

Quellenverzeichnis | 323

Wildner, Kathrin (2005): Alltagspraxis und Inszenierung: Ethnographische Ansätze zur Untersuchung öffentlicher Räume in Mexiko. In: Berking, Helmut/Löw, Martina (Hrsg.): Die Wirklichkeit der Städte. Baden-Baden: Nomos Verlag, S. 135-158. Wilson, James Q./Kelling, Georg L. (1982): Broken Windows: The police and neighborhood safety. In: Atlantic Monthly. Online abrufbar unter: www.theatlantic.com/magazine/archive/1982/03/broken-windows/304465/ [Zugriff: 15.06.2017] Winkler, Gabriele/Degele, Nina (2010): Intersektionalität: Zur Analyse sozialer Ungleichheiten. 2. Auflage. Bielefeld: transcript Verlag. Wirth, Louis (1938): Urbanism as a Way of Life. In: The American Journal of Sociology 44(1), S. 1-24. Online abrufbar unter: choros.epfl.ch/ files/content/sites/choros/files/shared/Enseignement/Sciences%20de%20la% 20ville/11-12/Wirth%20-%20Urbanism.pdf [Zugriff: 13.10.17] Wittel, Alexander (2001): Toward a Network Sociality. In: Theory, Culture & Society 18(6), S. 51-76. Wolf, Angelika/Appel-Kummer, Elisabeth (2009) (Hrsg.): Naherholung in Stadt und Land. Norderstedt: Books on Demand GmbH. Wolter, Birgit (2008): Die Gestalt des öffentlichen Raumes: Stadträume in der Wahrnehmung der Nutzer. In: Briefe zur Interdisziplinarität (1). München: Oekonom Verlag, S. 33-42. Wood, Phil (2003): Der Kreislauf urbaner Kreativität: The Cycle of Urban Creativity. In: Liebmann, Heike/Robischon, Thomas (Hrsg.): Städtische Kreativität: Potenzial für den Stadtumbau. Erkner/Darmstadt: Schader-Stiftung, S. 26-38. Wotha, Brigitte (2013): Urban Governance and Gender-aware Planning. In: Sánchez de Madariaga, Inés/Roberts, Marion (Hrsg.): Fair Shared Cities: The Impact of Gender Planning in Europe. Farnhem: Ashagte, S. 137-157. Wucherpfennig, Claudia/Fleischmann, Katharina (2008): Feministische Geographien und geographische Geschlechterforschung im deutschsprachigen Raum. In: An International E-Journal for Critical Geographies (ACME) 7(3), S. 350-376. Wucherpfennig, Claudia (2010): Geschlechterkonstruktionen und öffentlicher Raum. In: Bauriedl, Sibylle/Schier, Michaela/Strüver, Anke (Hrsg.): Geschlechterverhältnisse, Raumstrukturen, Ortsbeziehungen: Erkundungen von Vielfalt und Differenz im spatial turn. Münster: Westfälisches Dampfboot, S. 48-73. Zierhofer, Wolfgang (2003): Natur – das Andere der Kultur? Kontur einer nicht essentialistischen Geographie. In: Gebhardt, Hans/Reuber,

324 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Paul/Wolkersdorfer, Günter (Hrsg.): Kulturgeographie: Aktuelle Ansätze und Entwicklungen. Heidelberg/Berlin: Spektrum Verlag, S. 193-212. Zierold, Steffen (2012): Stadtentwicklung durch geplante Kreativität?: Kreativwirtschaftliche Entwicklung in ostdeutschen Stadtquartieren. HoFArbeitsbericht. Halle-Wittenberg: Institut für Hochschulforschung. Zimmermann, Olaf/Schulz, Gabriele (2009): Zukunft Kulturwirtschaft: Zwischen Künstlertum und Kreativwirtschaft. Essen: Klartext Verlag. Zurstiege, Guido (2008): Der Konsum Dritter Orte. In: Hellmann, KaiUwe/Zurstiege, Guido (Hrsg.): Räume des Konsums: Über den Funktionswandel von Räumlichkeit im Zeitalter des Konsumismus. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, S. 121-141.

Quellenverzeichnis | 325

7.2 ABBILDUNGSQUELLEN Abbildung 2-1: Länderkundliches Schema nach Alfred Hettner (1932) www.el.rub.de/wiki/Meki/index.php/Länderkundliches_Schema [Zugriff: 22.10.2017] Abbildung 2-11: Virtual Reality Shopping www.research-live.com/article/news/virtual-shopping-deal-for-instoremarketing-firm-/id/4006086 [Zugriff: 19.11.2017] Abbildung 2-12: Virtuelle Räume abseits der materiellen Wirklichkeit www.dresdengallery.de/common/img/img_museum_003.jpg [Zugriff: 05.03.2017] Abbildung 2-13: #metoo-Protestmarsch in den USA www.deutschlandfunk.de/metoo-hunderte-protestieren-in-hollywood.2849 .de.html?drn:news_id=814933 [Zugriff: 19.11.2017] Abbildung 5-31: Beispiel eines atmosphärischen Bruchs www.braunschweiger-zeitung.de/braunschweig/article152122905/Kultviertelam-alten-Bahnhof-erstrahlt-in-neuem-Licht.html [Zugriff: 03.07.2017]

Proband_innen der Untersuchung Tabelle: Proband_Innen der Untersuchung

Alias

Gender

ZentraBeruf/Tätigkeit

lität im Milieu

Fotograf, Grafiker, IP1

IP2

m

w

Mediengestalter, Freiberufler

Studentin der Urbanen Kultur, Gesellschaft, Raum

Ort

Datum

Dauer

17.01.17

00:31

31.01.17

00:55

Kaffeemittel

gering

haus Kiwi

Kaffeehaus Kiwi

328 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Alias

IP3

Gender

w

Beruf/Tätigkeit

Kultur- und Literaturwissenschaftlerin,

Zentralität im Milieu

hoch

VerlagsmitarIP4

w

IP5

w

Kommunikationsdesignerin,

IP6

m

Freiberufler

Dauer

private Woh-

15.01.17

00:56

15.01.17

00:56

10.01.17

01:32

24.01.17

00:32

private gering

mittel

Selbstständige

Rapper, Produzent,

Datum

nung

Projektleiterin

beiterin, Naturwissenschaftlerin

Ort

hoch

Wohnung

Büro Zentral

Studio B12

Proband_innen der Untersuchung | 329

Alias

Gender

Beruf/Tätigkeit

Zentralität im Milieu

IP7

m

Journalist, Citymanager

hoch

Wissenschaftlerin

gering

IP8

w

IP9

w

Landschaftsarchitektin

Ort

Datum

Dauer

Vielharmo-

12.04.17

00:47

05.06.17

01:31

05.06.17

01:31

01.02.17

00:42

nie

gering

privater Garten

privater Garten

Pädagoge, IP10

m

Medienwissenschaftler, Leiter Co-WorkingSpace

hoch

Schiller40

330 | Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus

Alias

IP11

Gender

w

Beruf/Tätigkeit

Übersetzerin

Zentralität im Milieu

gering

Ort

Datum

Dauer

private Woh-

26.04.17

01:30

26.04.17

01:30

30.01.17

00:30

20.01.17

00:44

nung

private IP12

IP13

m

Sozialarbeiter

mittel

w

angestellte Kultur-

mittel

vermittlerin

Wohnung

HBKMensa

Stadt- und IP14

m

Kulturentwickler, Programmierer, Selbstständiger

Quelle: eigene Zusammenstellung

hoch

Café Riptide

Soziologie Sighard Neckel, Natalia Besedovsky, Moritz Boddenberg, Martina Hasenfratz, Sarah Miriam Pritz, Timo Wiegand

Die Gesellschaft der Nachhaltigkeit Umrisse eines Forschungsprogramms Januar 2018, 150 S., kart. 14,99 € (DE), 978-3-8376-4194-3 E-Book kostenlos erhältlich als Open-Access-Publikation PDF: ISBN 978-3-8394-4194-7 EPUB: ISBN 978-3-7328-4194-3

Sabine Hark, Paula-Irene Villa

Unterscheiden und herrschen Ein Essay zu den ambivalenten Verflechtungen von Rassismus, Sexismus und Feminismus in der Gegenwart 2017, 176 S., kart. 19,99 € (DE), 978-3-8376-3653-6 E-Book PDF: 17,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3653-0 EPUB: 17,99 € (DE), ISBN 978-3-7328-3653-6

Anna Henkel (Hg.)

10 Minuten Soziologie: Materialität Juni 2018, 122 S., kart. 15,99 € (DE), 978-3-8376-4073-1 E-Book: 13,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4073-5

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de

Soziologie Robert Seyfert, Jonathan Roberge (Hg.)

Algorithmuskulturen Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit 2017, 242 S., kart., Abb. 29,99 € (DE), 978-3-8376-3800-4 E-Book kostenlos erhältlich als Open-Access-Publikation PDF: ISBN 978-3-8394-3800-8 EPUB: ISBN 978-3-7328-3800-4

Andreas Reckwitz

Kreativität und soziale Praxis Studien zur Sozial- und Gesellschaftstheorie 2016, 314 S., kart. 29,99 € (DE), 978-3-8376-3345-0 E-Book: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3345-4

Ilker Ataç, Gerda Heck, Sabine Hess, Zeynep Kasli, Philipp Ratfisch, Cavidan Soykan, Bediz Yilmaz (eds.)

movements. Journal for Critical Migration and Border Regime Studies Vol. 3, Issue 2/2017: Turkey’s Changing Migration Regime and its Global and Regional Dynamics 2017, 230 p., pb. 24,99 € (DE), 978-3-8376-3719-9

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de