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German Pages 312 Year 2018
Raphael Schwegmann Macht-(W)Orte
Sozial- und Kulturgeographie | Band 22
Raphael Schwegmann (Dr. rer. nat.) forscht zur Globalisierung des Rechts und der Ökonomie, zu Ansätzen der Stadt- und Regionalentwicklung sowie zu Fragen von Mobilität und Migration. Zuvor bei transcript erschienen: »Nacht-Orte. Eine kulturelle Geographie der Ökonomie« (2016) und »Kraft-Horte. Mobile Vergnügungstopographien europäischer Großstadtnächte« (2017).
Raphael Schwegmann
Macht-(W)Orte Kulturelle Geographien des Rechts und der Ökonomie am Beispiel südasiatischer Migrationsgeschichten
Dissertation der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und der École des Hautes Études en Sciences Sociales (EHESS) Paris
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Inhalt
Vorwort und Dank: Macht-(W)Orte | 9 1
Navigation: Wirtschaft und Recht in Raum und Zeit | 15
a) b) c)
Rahmungen | 15 Ordnungen | 21 Grenzen | 23
2
Kontextualisierung: Macht on the move | 29
a)
Vorarbeiten und Forschungsstand | 29 (1) Migrationsgeschichte(n) des Indischen Ozeans | 29 (2) Performativität normativer Ordnungen | 39 (3) Kulturtheorie zwischen den Disziplinen | 48
b) c)
Eine kurze Kolonialgeschichte Südasiens | 52 Eine maritime Handelsgeschichte des Indischen Ozeans | 57 (1) Das British Empire | 58 (2) Der maritime Arbeitsmarkt | 66 (3) Das ‚Steamship Empire‘ | 74
3
Quelle und Methode: Zwischen Mensch und Materialität | 79
a) b)
Historische Kulturgeographien | 80 Oral History | 86 (1) Die Hauptquelle | 86 (2) Quellenkritische Betrachtungen | 92
c)
Diskurs- oder Dispositivforschung? | 99
4
Textualisierung: Eine Dispositivanalyse der Macht | 105
a)
Wirtschaft und Recht nach den Cultural Turns | 105 (1) Verlebendigung ‚kalter‘ Ökonomie | 105 (2) Normierung durch Normalisierung? | 107 (3) Identität – Macht – Ökonomie | 112 (4) Recht – Wissen – Macht | 120 (5) Kulturelle Geographien des Rechts | 128 (6) Recht als performatives Dispositiv | 148
b)
Dimensionen der Wirtschaftswirkung und der Rechtsrealisierung | 162 (1) Geld | 164 (2) Konsum | 168 (3) Arbeit | 172 (4) Netzwerke | 177 (5) Orte | 182 (6) Nation | 192 (7) Bildung | 201 (8) Normen | 210 (9) Infrastrukturen | 213
5
Horizonte: Subtile Subjektivierungen | 219
a)
Konklusionen | 220 (1) Selbstökonomisierung | 220 (2) Selbstverrechtlichung | 226
b) c)
Perspektiven | 231 Reflexionen | 247
6
Anhang | 253
a) b) c)
Zeittafel | 253 Karten | 256 Bibliographie | 268 (1) Primärquellen | 268 (2) Sekundärquellen | 269
Bei einem Denker sollte man nicht fragen: welchen Standpunkt nimmt er ein, sondern: wie viele Standpunkte nimmt er ein? Mit anderen Worten: hat er einen geräumigen Denkapparat oder leidet er an Platzmangel [...]? Egon Friedell, Steinbruch, 1922
Vorwort und Dank: Macht-(W)Orte1
Wirtschaft und Recht durchdringen zahlreiche Facetten menschlicher Lebenswirklichkeiten. Sie sind gleichsam konstitutiv für unser Verständnis von Arbeit und Beruf, von Gesellschaft, Kultur und Wissenschaft.2 Dabei wirken beide Ordnungen oft unbewusst fort: Nicht nur offensichtlich in Bilanzen, Verträgen und Regularien, in unterschiedlichsten kodifizierten Rechtsgrundlagen und quantifizierten Kalkulationsinstrumenten – sie nehmen auch und besonders implizit in gesellschaftlichen Diskursen wie auch im Zuge diverser alltäglicher Praktiken Schlüsselrollen in der inhärenten Zuschreibung von Bedeutung(en) ein. So wirken Wirtschaft und Recht schließlich ‚performativ‘, indem sie vielerlei Denkund Distinktionsprozesse sowie konkrete Handlungen erst ermöglichen oder aber auch verhindern. Die Studie „Macht-(W)Orte“ möchte diesen oftmals verdeckte Wirk(un)möglichkeiten und Realisierungsraten in weiten Teilen dieser Arbeit geschichtsund geographietheoretisch fundiert begegnen, aber im weiteren Verlauf der folgenden Ausführungen auch empirisch in den Lebensgeschichten südasiatischer Migranten nachspüren.3 Denn gerade aktuelle Migrations- und Flüchtlingsdebat-
1
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde in dieser Arbeit auf die gleichzeitige Verwendung männlicher, weiblicher und sonstiger geschlechtsspezifischer Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichwohl für alle Geschlechter.
2
Dazu ein Zitat von Daly: „We are living in a new financial colonialism, based on statel-level coercion and the benefits of divide and rule, determined increasingly, at all levels, in courts of law“ (Daly 2003: 124).
3
Zum Begriff ‚südasiatisch‘ lässt sich mit Leonard definieren: „‚South Asian‘ can include people from India, Pakistan, Bangladesh, Sri Lanka, Nepal, Bhutan, the Maldive Islands, Afghanistan and even those of Indian origin from places like Fiji and the
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ten machen den Bedarf an grundlagentheoretischen Arbeiten zu ökonomischer und rechtlicher Macht in Raum und Zeit deutlich, sofern wir augenblickliche weltpolitische Konstellationen auch vor der Schablone vergangener Geographien des Kapitalismus betrachten (vgl. Dicken 2011: 14).4 Um die komplexen rechtlichen und wirtschaftlichen Wirkkräfte zwischen den Akteuren z.B. in Bezug auf die Erzeugung von Wünschen und Motiven zur Auswanderung sichtbar zu machen, soll Macht in dieser Arbeit ‚ver(w)ortet‘ werden: In den besagten biographischen Aussagen der Migranten beispielhaft mitschwingend, sind wirtschaftliche und rechtliche (Be-)Deutungen gleichwohl Indikator für vielerlei alltägliche, gesamtgesellschaftlich wirkmächtige Selbst- und Fremdverortungen. Auf diese Weise möchte das Vorhaben einen Einblick in verschiedene Wirkfelder der Macht geben. Zugleich versteht es sich als Einladung zu weitergehenden Beschäftigungen mit normativen Ordnungen. Im Zuge dessen assistiert der ambitionierte Gedanke, verschiedene geistesund sozialwissenschaftliche Disziplinen – insbesondere die Geographie und die Geschichtswissenschaft – an die Themen Ökonomie und Recht heran- sowie dort zusammenzuführen, um diese letztlich in fruchtbarer Atmosphäre eines multiperspektivischen Ansatzes neu denken zu können. Diebezüglich versucht diese Arbeit die Potenziale der Beschäftigung mit Text und Sprache für eine rematerialisierte Kultur- und Gesellschaftsforschung aufzuzeigen, gerade mit Blick auf die Erschließung neuer Themenfelder (z.B. ‚Recht und Raum‘), auf die gesellschaftliche und politische Relevanz einer ungleiche Lebensbedingungen und Machtverhältnisse adressierenden Forschung im Nord-Süd-Kontext postkolonialer Glokalität zu verweisen, Brücken zu anderen (Sub-)Disziplinen zu bauen und durch ihre Multiperspektivität neue, theoretisch fundierte und zugleich aber auch empirisch rückgekoppelte Blickwinkel auf raum-zeitliche Mobilisierungen von Macht unter Berücksichigung erkenntnistheoretischer Fragen zu schaffen. Kurzum: Diese Studie setzt sich über universitäre, fachliche sowie nationale Grenzen hinweg und spricht damit ein entschiedenes ‚Macht-Wort‘ für eine maximal offene, disziplinär ‚ent-grenzte‘ Wissenschaftslandschaft. Das Projekt hat im Laufe der Jahre mehrere konzeptionelle Veränderungen durchlaufen – in fachlich-disziplinärer Hinsicht, aber auch was die Struktur und
West Indies“ (Leonard 2013: 271). Ähnliches gilt auch für die hier in dieser Arbeit erfolgende Verwendung von ‚südasiatisch‘. 4
Zur Zitierweise in dieser Arbeit: In aller Regel zitiert bzw. belegt der Autor dieser Zeilen nach dem ‚Harvard-System‘, d.h. mit Kurzzitaten in Klammern. In Fußnoten finden lediglich weiterführende Erläuterungen und Verweise sowie (zumeist längere,) nicht für den Fließtext gedachte Zitate Erwähnung.
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die Präsentationsweise anbelangt. So war die Arbeit zeitweise als Trilogie angelegt, d.h. als Gesamtheit von bis zu drei Teilprojekten bzw. -monographien (jeweils eine Studie zu Recht, Ökonomie und Politik). Letztlich schien es sinnvoll, es bei einem Buch zu belassen und sich in diesem (trotz gelegentlicher im- oder expliziter Hinweise auf politikbezogene Inhalte) primär auf Recht und Wirtschaft zu konzentrieren. Diese Arbeit verkörpert zugleich den letzten Band eines größeren historischgeographischen Forschungsprojekts mit dem Titel „Ökonomie verorten: RaumZeit-Reisen“, das sich mit Verfestigungsrhythmen hegemonialer ökonomischer Machtapparaturen in unterschiedlichen empirischen Kontexten unter besonderer Berücksichtigung der Rolle von Orten für Identitätsbildungen beschäftigt: die ersten beiden Monographien (Schwegmann 2016, 2017) am Beispiel mobiler urbaner Vergnügungstopographien der europäischen Großstadtnacht, die hier vorliegende Studie in der Analyse südasiatischer Migrationsgeschichte(n).5 Die Gesamttrilogie nahm dabei am akademischen Mehrkampf teil und übte sich nicht nur im Marathon eines mehrjährigen Großprojekts, im Zuge dessen diverse Zwischenspurts vonnöten waren; das vorliegende Vorhaben legte auch so manchen Hoch- und Weitsprung zu scheinbar nicht artverwandten Disziplinen hin, reicht dadurch die Staffel des Dialogs weiter und verzichtete während seiner Ausarbeitung auf zwischenzeitliche Regenerationsphasen. Zwischen Ende 2013 und Ende 2017 recherchiert und geschrieben, bis Ende 2018 dann publiziert, mutet dieser vorliegende letzte Band der angesprochenen Trilogie auf den ersten Blick – in den Maßstäben akademischer Arbeitsweise gemessen – als in relativ komprimierter Zeitspanne entstanden an. Gleichwohl liegt zumindest der erste Gedanke an die intensive Beschäftigung mit Migranten des Indischen Ozeans schon länger zurück, fußt er doch bereits in meinem Bachelorstudium an der Georg-August-Universität Göttingen: namentlich in einem Aufbauseminar des Sommersemesters 2010 zum Thema „Pilger, Händler und ‚Coolies‘: Migranten des Indischen Ozeans“. Stefan Tetzlaff, Dozent dieser erkenntnisreichen Veranstaltung, gebührt daher an erster Stelle Dank; in der von ihm betreuten Hausarbeit wurzelt eine erste Entwicklungslinie dieser Zeilen. Eine zweite beruht auf flüchtigen Kontakten zu verschiedenen Historikern der Universität Heidelberg vor, während sowie nach dem Ende meines humangeo-
5
Eine alternative Lesart könnte als Thema der historisch-geographischen Trilogie die Beschäftigung mit verschiedenen normativen Ordnungen und ihrer globalisierenden Mobilität in Raum und Zeit fassen: Die erste mit primärem Blick auf Ökonomie (Schwegmann 2016), die zweite mit einem Fokus auf Politik(modelle) (Schwegmann 2017), die dritte mit einem Schwerpunkt auf Recht (der hier vorliegende Band).
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graphischen Masterstudiums 2012. Aus unterschiedlichen Gründen – namentlich ob meiner Priorität auf der zunächst geschriebenen geographischen Dissertationsschrift zum Thema „Nacht-Orte. Eine kulturelle Geographie der Ökonomie“ (2016) an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt – konnten diese Kontakte zunächst nicht intensiviert werden. Nichtsdestotrotz blieb das Vorhaben, zu jener Zeit erst rudimentär skizziert, auf meinem mentalen Notizzettel – und nach der Beendigung meiner ersten Dissertation schien die Zeit reif, mich der vertieften Recherche hinzugeben: mit dem Ziel einer zweiten Promotion im Rahmen des Deutsch-Französischen Doktorandenprogramms in Geschichtswissenschaften der Universität Heidelberg und der École des Hautes Études en Sciences Sociales (EHESS) Paris.6 Umfangreiche Unterstützung verdanke ich diesbezüglich Rainer Maria Kiesow, Professor für die „Ordnung des Rechts“ an der EHESS, der sich von Anfang an sehr für mein Projekt interessierte und als Betreuer meiner Arbeit von französischer Seite aus fungierte. Gita Dharampal-Frick, Professorin für Geschichte am SüdasienInstitut der Universität Heidelberg, übernahm dankenswerterweise den ‚deutschen‘ Part und sicherte so die Möglichkeit, meine Arbeit im Rahmen des Deutsch-Französischen Doktorandenprogramms beider Einrichtungen zu realisieren. Mein Dank richtet sich daher vor allem an meine beiden Betreuer, die mein Vorhaben im Kontext einer binationalen cotutelle begleiteten. Sie gewährten mir die mir wichtige Freiheit zur Realisierung meines Ansatzes und leisteten bei allen notwendigen fachlichen wie zum Teil auch sonstigen Fragen stets zielführende Hilfe. Das Programm, dessen Programmbeauftragtem Nikolas Jaspert und dem Fachstudienberater Sebastian Kolditz für ihr Engagement in organisatorischen Dingen großes Lob gebührt, wurde überdies von der Deutsch-Französischen Hochschule/Université Franco-Allemande (DFH/UFA) gefördert; an dieser Stelle bedanke ich mich herzlich für die gewährte Mobilitätshilfe im Kontext von Forschungsaufenthalten in Paris. Neben administrativen und wirtschaftlichen Erleichterungen war aber vor allem die inhaltliche und speziell die wissenschaftskulturelle Komponente überaus bereichernd. So ist die französische historiographische Tradition grundsätzlich interdisziplinärer, vor allem in starker Verbindung mit geographischen Perspektiven, sowie allgemein auch epochenübergreifender ausgerichet, stärker an den ‚langen Linien‘ der Geschich-
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Der Originaltitel der in Heidelberg und Paris eingereichten sowie schließlich verteidigten Dissertation lautet „Macht-(W)Orte. Kulturelle Geographien des Rechts und der Ökonomie am Beispiel südasiatischer Migrationsgeschichte(n)“ und wurde demzufolge für die vorliegende Publikation marginal verändert.
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te interessiert und als weniger detailversessen sowie weniger chronologisch vorgehend als die deutsche zu bezeichnen (vgl. z.B. Armitage & Guldi 2015), was man dieser Arbeit und ihrem Fokus auf große ‚Zeit-Räume‘ des Kapitalismus in seinen ökonomischen und rechtlichen Facetten anmerken dürfte. Wichtige fachliche Anregungen durfte ich – neben jenen, die mir die beiden (Haupt-)Betreuer dieser Arbeit zuteil werden ließen – auch von anderen Wissenschaftlern wie auch von vielen Studierenden direkt oder indirekt entgegennehmen. Entscheidenste theoretisch-konzeptionelle Einflüsse verdanke ich Marc Boeckler vom Institut für Humangeographie der Frankfurter Goethe-Universität. Seit meiner Zeit im Masterstudiengang „Geographien der Globalisierung“ interessiere ich mich für auch von ihm angestoßene kulturtheoretische Debatten zu jener Wirkmächtigkeit ökonomischer Imperative, die unter den Vorzeichen des Cultural bzw. Performative Turn in der jüngeren Vergangenheit weitreichende Beachtung erfahren (haben). Von „kulturellen Geographien der Ökonomie“ zu „kulturellen Geographien des Rechts“, von „performativer Ökonomie“ zu „performativem Recht“, wie es im Rahmen dieser Studie heißt, war es sodann nicht mehr weit (vgl. z.B. Berndt & Boeckler 2007, Boeckler & Berndt 2011). Daneben sollte in dieser Danksagung Hans Hopfinger, zuvor Betreuer meiner Dissertation im Fach Geographie, erwähnt werden. Die stimulierende Atmosphäre an seinem Eichstätter Lehrstuhl für Kulturgeographie hat sich, gerade in der Anfangszeit des Projekts, als überaus bereichernd herausgestellt. Apropos Eichstätt: Auch und besonders die Mitglieder des Graduiertenkollegs „Philosophie des Ortes“ müssen hier gebührend gewürdigt werden; die fruchtbaren Kolloquiumstreffen in den Räumlichkeiten des Kollegs zeigten mir regelmäßig neue Perspektiven wie Alternativen durch die vielfältig-vielseitigen Denkweisen anderer Geisteswissenschaften auf. Mein rechtswissenschaftliches Debüt gab derweil meine von Thomas Vesting (Goethe-Unversität Frankfurt am Main) und Gregory Lewkowicz (Université Libre de Bruxelles) betreute Masterarbeit (Schwegmann 2015) im Rahmen des LLM-Studiums in Legal Theory der European Academy of Legal Theory. Allen Mitstudierenden und Lehrkräften dieses europäischen Masterstudienganges gebührt größter Dank für ihre Impulse. Nicht zuletzt kann die Studie „Macht-(W)Orte“ als genuin europäisches, weil nationenübergreifendes Forschungsvorhaben betrachtet werden, dass sich zwar vom sozialräumlichempirischen Fallbeispiel her primär mit England beschäftigt, aber daneben auch Impulse von Hochschuleinrichtungen aus mehreren anderen europäischen Ländern verliehen bekam (insbesondere aus Belgien, Frankreich und Deutschland). Damit erscheint dieses Forschungsvorhaben als Versuch, international reflexiv(e) Wissenschaft zu betreiben.
Deutschen Kongress für Geographie 2017 in Tübingen mich zum End jekts nochmal sehr motiviert hat. Neben den hier genannten haben mich auch viele andere auf vers Wegen unterstützt. So danke ich erneut S.P. und Luise Thierack fü schen- bzw. Endlektorat. Von unschätzbarem Wert waren schließlich milie und Freunde, die auf unterschiedlichste Arten und Weisen – in nicht inhaltlich – Beiträge zu meiner hiermit vorliegenden zweiten Dis schrift beisteuerten. Ihnen allen möchte ich meinen aufrichtigen Dan chen.
1 Navigation: Wirtschaft und Recht in Raum und Zeit
A) R AHMUNGEN Hypernervöse Märkte im Zeichen der Wirtschafts- und Finanzkrise sowie Staatsverschuldung auf der einen, Debatten um ‚rechtsfreie Räume‘, Einwanderung und Terrorismus auf der anderen Seite – schon diese wenigen Schlagworte zeugen nicht zuletzt von der großen Relevanz von Wirtschaft und Recht als überaus wirkmächtige Parameter des in vielerlei Hinsicht ‚unsicher‘ gewordenen 21. Jahrhunderts. Doch ist dies tatsächlich ein ‚neues‘ Phänomen, ist es auf westlich-kapitalistische Gesellschaften begrenzt?1 Oder handelt es sich um hochgradig mobile, möglicherweise auch veränderbare Ordnungen in Raum und Zeit? Wie wirken, was bewirken Wirtschaft und Recht im Kontext der Globalisierung? Und wer oder was sind die Akteure und Architekten dahinter? Im Rahmen der Studie „Macht-(W)Orte“ sollen einige jener Ausdrücke und Anleitungen globaler, wenngleich nicht flächendeckender, sondern zeit-räumlich 1
Siehe zum Kapitalismusbegriff insbesondere Kockas Erläuterungen (2013: 6 ff.) sowie zur ideengeschichlichen Einordnung den von Kocka und van der Linden herausgegebenen Sammelband „Capitalism. The Reemergence of a Historical Concept“ (2016). Darin nennt Kocka drei Hauptmerkmale des Kapitalismus: Erstens sei Recht essentiell, damit die Akteure des Kapitalismus autonome und dezentralisierte wirtschaftliche Entscheidungen treffen können (auch Diaz-Bone stellt heraus: „Keine moderne Ökonomie ist denkbar ohne die fundamentalen juristischen Grundlagen wie Eigentumsrecht oder Vertragsrecht“, Diaz-Bone 2017: 94); zweitens würden Ressourcen, Produkte und Arbeit in der Welt des Kapitalismus kommodifiziert, d.h. zur handelbaren Ware werden; drittens sei Kapital ein zentrales Merkmal dieser Wirtschafsform, d.h. insbesondere das Investieren von Erspartem oder auch von Erträgen mit der Hoffnung auf höhere Gewinne in der Zukunft (Kocka 2016: 4 f.).
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fragmentierter sowie immer unterschiedlich stark ausgeprägter Rechts- und Ökonomieherrschaft aufgezeigt werden. Deren alltägliche Herstellungen können am hochaktuellen Gegenstand Migration anschaulich illustriert werden. Dabei empfiehlt es sich, auch und besonders die Verstrickungen zwischen beiden normativen Ordnungen zu beleuchten. Ambitioniertes Ziel dieses Projekts ist schließlich der Versuch, ein integratives Analyse- und Interpretationsraster zu entwickeln, das Wirtschaft und Recht in ihrer historischen wie geographischen Wirkmächtigkeit sichtbar machen möchte. Zugleich soll hiermit ein Impuls gegeben werden: für weitergehende Beschäftigungen dieser als auch anderer normativer Ordnungen durch die Linse einer alternativen Betrachtung eben dieser dominanten Sphären des menschlichen Lebens. Damit wird ein maximal offenes Gesprächsangebot präsentiert, das die wissenschaftliche Be- und Verhandlung von Neukonzeptualisierungen normativer Ordnungen gezielt (heraus-)fordern möchte. Als empirisches Fallbeispiel dienen in diesem Zusammenhang Lebensgeschichten südasiatischer Lascars (Adams [Hrsg.] 1987a),2 die in den 20er, 30er und 40er Jahren des 20. Jahrhunderts gen England emigrierten und sich im Zuge derartiger Bewegungen sowie insbesondere rückblickend in ihren Selbstzeugnissen in komplexe wirtschaftliche und rechtliche Räume einfügten (oder einfügen mussten?). Anhand ihrer in den 1980er Jahren von ihnen erzählten und von der Herausgeberin Caroline Adams verschriftlichten Biographien können so historische Parameter dichter Verstrickungen in Macht- und Regulationsmechanismen aufgezeigt werden, die als Teil eines Prozesses hin zu unseren heutigen Wirtschafts- und Rechtshegemonien bzw. deren Wirk(un)möglichkeiten aufgefasst werden können. Denn „the world economic crisis that struck in late 2008 highlighted above all the relevance of global, macro-economic, structural factors, and how they ‚drive‘ migration, both positively and negatively“ (King 2012: 138). Gleichzeitig erlaubt ein Blick auf die alltäglichen Wirkweisen von Wirtschaft und Recht im Kontext von Migrationsbewegungen auch eine Beschäftigung mit ‚dem Kleinen‘
2
Die Bezeichnung Lascar stammt wohl ursprünglich vom persischen Wort lashkar/ lashkari und bedeutete soviel wie ‚Soldat‘ oder ‚Armee‘, wie Ahuja (2002: 39 f.) oder auch Ghosh (2010: 16) erklären. Diese militärische Bedeutung hatte das freie lexikalische Morphem lange Zeit noch auf dem indischen Subkontinent, während sich der Begriff in Europa eher in nautische Richtung entwickelt hat: Seit ca. 1600 wurde mit Lascar im Portugiesischen ein (aus Afrika oder Asien stammender) Seemann bezeichnet, später fand sich diese semantische Verknüpfung auch im Englischen wieder (ebd.).
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– mit einzelnen Akteuren, oftmals, zumindest situativ, auch räumlich eher in der Peripherie verortet, die im Zuge von Subjektivierungsprozessen responsibilisiert und ‚er-mächtigt‘ werden.3 Denn „Gesellschaft erwächst aus der Alltagspraxis an bestimmten Orten und zu bestimmten Zeiten“ (Osterhammel 2009a: 1056 f.). Daraus sollte nicht nur eine historisch-geographische Herangehensweise folgen, sondern insbesondere die wissenschaftliche Wertschätzung alltäglicher Gesellschafts(re)produktion. „Im Kleinen das Große suchen“ (Hiebl & Langthaler [Hrsg.] 2012), so könnte man diesen Ansatz nennen, wenn durch eine mikrogeschichtliche Perspektive ‚große‘ Themen wie machtvolle normative Ordnungen verfolgt werden.4 Mit diesem Forschungsprojekt lassen sich neben Synergieeffekten für ein gesamtgesellschaftliches Verständnis von Recht und Wirtschaft im Migrationskontext zwei wissenschaftsinterne Hauptziele anpeilen, die mit dem Label einer integrativen Inter- und Intradisziplinarität versehen werden könnten. Zum einen soll das Vorhaben integrativ für das Verhältnis verschiedener universitärer Fächer zueinander wirken. Die Untersuchung versteht sich als kreative Zusammenführung verschiedenster geistes- und sozialwissenschaftlicher Disziplinen – insbesondere, aber bei weitem nicht ausschließlich, der Geschichts- und der Rechtswissenschaft mit der Humangeographie – und findet das verbindende Element in einer konstruktivistischen Prämissen folgenden, kulturtheoretisch fundierten Per-
3
‚Subjektivierung‘ wird hier unter Bezugnahme auf den ‚Späten Foucault‘ gedacht: Während dieser in früheren Arbeiten vom eher einseitigen Festschreiben eines Individuums auf eine konkrete Subjektposition innerhalb einer normativ wirkenden Ordnung ausgeht (vgl. Foucault 1975), betont er später stärker die Selbstgestaltungen, -techniken und -regierungen, mithin die aktiven Reproduktionen der konkreten Ordnungen durch die subjektivierten Individuen selbst im Sinn einer „Sorge um sich“, einer ‚Selbst-Abrichtung‘, die zur Subjektivierung und den in ihr enthaltenen Machtverhältnissen beiträgt (vgl. Foucault 1985, 1989, 1993, 2008). Daher „lässt sich [...] nicht auf einen eindeutigen Gegensatz von aktiven Kolonisatoren und passiven Kolonisierten schließen“ (Reinhard 2016: 26). Laut Reinhard könne man auch nicht immer klar zwischen Opfer und Täter entscheiden; sowohl innerhalb der großen, heterogenen Gruppe der Kolonisatoren als auch innerhalb der Gesamtheit der Kolonisierten müsse man dementsprechend differenzieren. In jedem Fall hätten die Kolonisierten die koloniale wie die postkoloniale Welt aktiv mitgestaltet (ebd.).
4
Beckert (2014: 441) sieht den Kapitalismus gerade im ländlichen Raum, teilweise fernab der urbanen Zentren (re-)produziert.
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formativitätsforschung.5 Vor diesem Hintergrund verortet sich das Vorhaben im Grenzgebiet der Disziplinen, indem es die „Pluralisierung der theoretischen und methodischen Ansätze“ (Reuber 2012: 22) mit einschließt, wenn diese Arbeit zwar ein Plädoyer für eine bestimmte Herangehensweise, aber kein hegemoniales Patentrezept sein möchte. Auf die kulturwissenschaftliche Durchdringung ökonomischer und rechtlicher Prozesse abzielend, begreift sie sich als schlichter Versuch, diesen innovativen Zwischenraum in wissenschaftlicher Hinsicht fruchtbar ‚nutzbar‘ zu machen. Zum anderen soll versucht werden, verschiedene Subdisziplinen innerhalb der Humangeographie, die hier ob ihrer Stärke im interdisziplinären und multiperspektivischen Arbeiten als Leitwissenschaft dient,6 einander zuzuführen. Mit Blick auf die Humangeographie ließen sich etwa ein sozial-, politik- bzw. migrationsgeographischer Gegenstand, eine kulturgeographische Perspektive sowie schließlich die übergeordnete thematische Ausrichtung auf wirtschafts- und rechtsgeographische Inhalte ausmachen. Ziel ist mit der konsequenten Fokussierung auf Macht die Entwicklung eines integrativen Ansatzes, der humangeographische Subdisziplinen unter dem ‚Dach der Macht‘ einer zumindest ansatzweise ganzheitlichen Humangeographie wieder zusammenführt, statt einer weiteren intradisziplinären Fragmentierung neuen Nährboden zu bereiten. Machtfragen sollen somit nicht nur vorrangig und explizit in der Politischen Geographie (vgl. dazu Painter 2015), sondern von allen Humangeographen sowie generell von allen Geistes- und Sozialwissenschaften näher betrachtet werden, um sich der gesellschaftlichen Verantwortung als Wissenschaftler im Kontext zunehmend komplexerer Welten angemessen zu stellen. Diese Studie adressiert und schließt dabei zugleich zwei größere subdisziplinäre Forschungslücken innerhalb der Humangeographie: eine erste im Zwischenraum von Historischer Geographie und Neuer Kulturgeographie (Neue
5
Zum Konzept der Performativität sei an dieser Stelle auf das Subkapitel 2a 2 verwiesen.
6
Diese Arbeit ist genuin geographisch: Sie befasst sich mit ‚klassisch‘ geographischen Kategorien wie Ort und Verortung – und Grenzen. Es geht beispielsweise um Grenzen im Migrationskontext (empirisch), um Grenzen des global wirkmächtigen und lokal sichtbaren Kapitalismus (thematisch), um Grenzen zwischen verschiedenen kulturtheoretischen Deutungsangeboten (theoretisch-konzeptionell), um Grenzen methodischer Herangehensweisen (methodologisch) wie auch um Grenzen zwischen der
Geographie,
der
Geschichtswissenschaft
und
weiteren
geistes-
und
sozialwissenschaftlichen Disziplinen, ihren Erklärungsansätzen und Subdisziplinen (inter- und eben intradisziplinär).
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Kulturgeographie meets Historische Geographie: ‚Historische Kulturgeographien‘) und eine zweite im Spannungsfeld von Recht und Geographie, insbesondere vor dem Hintergrund des Mangels an kulturgeographischer Rechtsforschung (Neue Kulturgeographie meets Recht: ‚Kulturelle Geographien des Rechts‘). Die Relevanz der zweiteren soll an dieser Stelle bereits kurz verdeutlicht werden, da das Forschungsfeld Recht und Geographie auf den ersten Blick höchst irritierend wirken dürfte.7 Doch tatsächlich nur auf den ersten Blick. Denn im globalen Kontext unserer heterogenen postmodernen Welt sind neue Perspektiven auf das Verhältnis von Recht, Raum und Macht notwendiger denn je. Stichworte wie Rechtspluralismus sowie die steigende Diversifizierung und Digitalisierung, Fragmentierung und Mobilisierung des Rechts auf allen räumlichen Maßstabsebenen stellen Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor große Herausforderungen. 8 Die Humangeographie mit ihrer Expertise in raum- und ortstheoretischen Fragestellungen, ihrem methodischen Knowhow bei der Beschäftigung mit empirischen Fällen des alltäglichen Lebens, ihrer Multiperspektivität, Vernetzungsbereitschaft und grundsätzlichen Offenheit gegenüber unterschiedlichsten Erschließungsmöglichkeiten kann diesbezüglich als ‚Globalwissenschaft‘ per se dabei helfen, Rechtstransfer, -mobilität und -pluralismus im globalen Zeitalter analytisch umfangreicher zu durchdringen als herkömmliche rechtswissenschaftliche Ansätze.9 Kulturtheoretische Impulse könnten sodann als kritisch-reflektierende Brücke zwischen beiden sowie weiteren geistes- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen fungieren und die Macht des Rechts theoretisch gesättigt rekonstruieren. Das Forschungsvorhaben formuliert in diesem Tenor erste Gedanken zur Entwicklung eines neuen emerging field einer zusehends inter-, bisweilen gar transdisziplinären Wissenschaftslandschaft im Sinne einer ‚Cultural Legal Geography‘.10 Diese fragt im Anschluss an den Cultural Turn nach der (Re-) Produktion von Recht, was diskursive, praktische sowie materielle Auf- und Ausführungen rechtlicher (Be-)Deutungen auf unterschiedlichen räumlichen
7
Genaueres zu dem Spannungsverhältnis von Recht und Geographie folgt im Subkapitel 4a 6.
8
Grundsätzlich gilt: „Mobility not only challenges the everyday lives of millions of people, it also challenges scientific understandings of society and culture“ (Verne 2012: 1).
9
Zum Themenkomplex ‚Recht und Globalisierung‘ empfiehlt sich insbesondere das umfassende Werk „Globalisation, Law and the State“ (Auby 2017).
10 Alternativ ließe sich diese Forschungsperspektive auch als ‚Cultural Geography of Law‘ bezeichnen.
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Maßstabsebenen beinhaltet.11 Empirisch gesehen beschäftigt sich der Ansatz mit südasiatischen Migrationsbiographien des 20. Jahrhunderts. Dabei wird versucht, eine Brücke zwischen kolonialen und postkolonialen Rechtsverständnissen in Indien nachzuzeichnen.12 Das Projekt verbindet dabei nicht ‚nur‘ Rechtswissenschaft und Geographie, sondern insbesondere noch zwei weitere Disziplinen: die Geschichtswissenschaft, da es um raum-zeitliche Verortungen langfristiger hegemonialer Denkordnungen geht, sowie die Wirtschaftswissenschaften13, da rechtliche Bedeutungszuschreibungen immer vor dem Hintergrund der Einbindung in kapitalistische Strukturen des alltäglichen Wirtschaftens gesehen werden müssen. So skizziert das vorgestellte Vorhaben auch die Macht normativer Ordnungen im Kontext des maritimen Arbeitsmarktes zwischen Südasien und Europa, der Migrationsentscheidungen beeinflussen konnte. Beides, die historisch-kulturgeographische sowie die rechtsgeographische Herangehensweise, ließe sich zu ‚Historischen Kulturgeographien des Rechts‘ verbinden – oder, weiter gefasst, zu ‚Historischen Kulturgeographien des Rechts und der Ökonomie‘ (im Anschluss an den Cultural Turn als Alternative zu herkömmlicher Law and Economics-Forschung, wie bislang vor allem von Rechtsund Wirtschaftswissenschaftlern betrieben) bzw. gar zu ‚Historischen Kulturgeographien normativer Ordnung‘, um auch andere machtvolle Gefüge wie insbesondere Politik oder Religion neben Recht und Wirtschaft als potenzielle Forschungsgegenstände nicht auszuschließen und gerade auch die reziproken Ver-
11 ‚Der‘ Cultural Turn wird hier maximal weit gedacht: im Sinne von eigentlich mehreren Cultural Turns, was jüngere Paradigmen wie den Practice oder den Material Turn mit einschließt. 12 Zur postkolonialen Theorie empfiehlt sich als Einführung das hervorragende Überblickswerk von Castro Varela und Dhawan (2015). 13 An dieser Stelle versteht der Autor ‚Wirtschaftswissenschaften‘, im herkömmlichen Sprachgebrauch ansonsten die Bezeichnung für die Volkswirtschafts- und die Betriebswirtschaftslehre, durchaus im erweiterten Verständnis einer Pluralen Ökonomik, welche die Pluralität und das bewusste Nebeneinander verschiedenster paradigmatischer,
disziplinärer,
theoretisch-konzeptioneller
wie
methodischer
Zugriffsmöglichkeiten bewusst fördert, ergo als ‚Wirtschafts-Wissenschaften‘, d.h. im Sinne aller sich in den unterschiedlichsten Formen mit Wirtschaft beschäftigenden Wissenschaften. Analoges gilt für die von mir zuvor adressierte Rechtswissenschaft: Meine Arbeit richtet sich letztlich an alle sich für Recht Interessierenden, an alle ‚Rechts-Wissenschaften‘, ergo nicht nur – wenngleich natürlich auch und besonders – an Juristen, sondern z.B. auch an Kulturanthropologen, Soziologen, Philosophen, Politikwissenschaftler und viele mehr.
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bindungen zwischen eben diesen normativen Ordnungen multiperspektivisch sowie speziell räumlich und zeitlich reflektierend zu behandeln: Historische Kulturgeographien möchten im wahrsten Sinne des Wortes ‚Welt-Bilder‘ – dieser Ausdruck zielt nicht zuletzt auf das raumbezogene Selbstverständnis und die visuelle Ausrichtung der Geographie ab – re- bzw. dekonstruieren. Als ein nicht zwingend übergeordnetes, aber sicher weiteres Ziel dieser Arbeit könnte man vor diesen Hintergründen die Stärkung eines entschieden grundlagenorientierten, geisteswissenschaflichen Bausteins in der Geographie benennen (vgl. Korf & Verne 2016). Dies sind die grundsätzlichen inhaltlichen und perspektivischen Rahmungen einer Arbeit, die zugleich nicht auf Ordnung und Struktur verzichten möchte. An dieser Stelle werden deshalb Gliederung und Aufbau vorgestellt.
B) O RDNUNGEN „Geographen haben einen nahezu leidenschaftlichen Hang zu gliedern, zu regionalisieren, zu charakterisieren und zu strukturieren. […]. Wissen braucht […] Struktur und wer die Welt verstehen will, sucht nach Ähnlichkeiten, nach einer inhaltlichen Dimension […] und globalen Ordnungsmustern als Orientierungswissen“ (Gebhardt et al. 2011d: 14).
Auch dieser Studie muss eine – möglichst überzeugende – Struktur gegeben werden. Diese soll dem Leser hier begründet dargelegt werden. Diese Arbeit sei grob in fünf Akten abgehandelt: Der erste (Kap. 1) umfasst – unter dem Titel ‚Navigation‘ – eine grundlegende Einleitung zwecks Herleitung des Vorhabens in dreierlei Hinsicht: mit Betonung der Relevanz von Wirtschaft und Recht in Raum und Zeit (a), mit Blick auf die der Studie inhärenten Ordnungen (b) sowie durch Vorstellung der Grenzen des Vorhabens (c). Hiernach soll die Kontextualisierung erfolgen (Kap. 2): Zunächst mit Blick auf die Historiographie, auf sinnvolle Vorarbeiten anderer Autoren und den allgemeinen Forschungsstand (a), wobei ein Überblick über den Gegenstand ‚Migrationsgeschichte(n) des Indischen Ozeans‘, über den theoretischen Zugang der Arbeit via das Konzept der ‚Performativität normativer Ordnungen‘ sowie zur inter-, transoder bisweilen auch postdisziplinären Kulturtheorie gegeben wird. Sodann folgen ein kurzer Abriss über die Kolonialgeschichte Südasiens (b) und eine Erläuterung zentraler Aspekte der maritimen Handelsgeschichte des Indischen Ozeans (c) mit Subkapiteln zum British Empire, zum maritimen Arbeitsmarkt sowie zum
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sogenannten ‚Steamship Empire‘ zwecks Kontextualisierung des empirischen Fallbeispiels. Anschließend widmet sich das nächste Kapitel der behandelten Hauptquelle – den Lebensgeschichten im von Adams herausgegebenen Buch „Across Seven Seas and Thirteen Rivers. Life Stories of Pioneer Sylhetti Settlers in Britain“ (1987a) – und der Methode dieser Arbeit (Kap. 3). Dabei werden die in kulturtheoretischer Lesart ausgerichtete historisch-geographische Herangehensweise dieser Studie (a), der Quellen- und Methodenbegriff Oral History nach Vorstellung der Hauptquelle und unter Berücksichtigung quellenkritischer Reflexionen (b) sowie Überlegungen zur hier verwendeten diskurs- bzw. dispositivanalytischen Methode (c) diskutiert. Das Kapitel fungiert somit letztlich als methodologisches Schanier zwischen einerseits den zuvor getroffenen grundlegenden historiographischen und kontextualisierenden Erwägungen sowie andererseits der erkenntnisgenerierenden, recht ausführlichen Analyse unter dem Titel ‚Textualisierung: Eine Dispositivanalyse der Macht‘ (Kap. 4), die sich zunächst allgemein-theoretisch und dann konkret-empirisch mit den Wirkweisen und Realisierungen von Wirtschaft und Recht befasst. Dieses Kapitel beginnt in diesem Sinne mit einem Überblick über ‚Wirtschaft und Recht nach den Cultural Turns‘ (a), der seine Berechtigung aus einer notwendigerweise möglichst umfassenden, integrativ Ökonomie und Recht behandelnden Einbettung dieser stark grundlagentheoretisch ausgerichteten Arbeit in den größeren Zusammenhang des Oberthemas normative Ordnungen bzw. ‚Macht-(W)Orte‘ einerseits sowie in aktuelle (über-)fachliche Debatten bzw. den Forschungs(gegen)stand andererseits zieht. Wie sich allerdings zumindest rückblickend, d.h. nach Erfassung der Gesamtheit der vorliegenden Arbeit durch den Leser zeigen wird, ist diese Ausführlichkeit überaus sinnvoll, um den anschließenden empirischen Nachvollzug der komplexen Wirkkraft und Reproduktionen der ökonomischen und rechtlichen Macht gewährleisten zu können: Sinn dahinter ist die gezielte Vorbereitung des Lesers auf die Auseinandersetzung mit den Lebensgeschichten der behandelten Migranten (b). Diese spannt als die eigentliche Analyse einen Bogen, der empirisch gesättigt die vielfältigen Wirtschaftswirkungen und Rechtsrealisierungen in bzw. durch die Lebensgeschichten der südasiatischen Lascars kennzeichnet. Dabei werden, ohne Vollständigkeit zu beanspruchen, die neun Kategorien Geld, Konsum, Arbeit, Netzwerke, Orte, Nation, Bildung, Normen sowie Infrastrukturen gebildet – als zentrale Dimensionen ökonomischer und/oder rechtlicher Realitäten. Die jeweils zugeordneten Zitate könnten in diesem Kontext oftmals eigentlich unter mehrere dieser Dimensionen fallen; um Redundanzen zu vermeiden sowie aus Platzgründen, hat sich der Verfasser allerdings für klare Zuordnungen zu jeweils einer der Kategorien ent-
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schieden. Gleichwohl soll des Öfteren auf Verknüpfungsmöglichkeiten und Querverbindungen hingewiesen werden. Im letzten Teil (Kap. 5) der Arbeit möge schließlich nachbereitend ein mit dem Terminus ‚Horizonte‘ betiteltes, vorsichtiges wie vorläufiges Fazit gezogen werden, das auch als Ausblick auf weitergehende, in Verbindung mit den Inhalten dieser Arbeit stehende Forschungsfragen gelesen werden kann, sich im Sinne einer erneuten triadischen Struktur in drei Unterkapitel auffächert und schlussendlich den Blick auf den Anhang (Kap. 6) incl. einer Zeittafel (a), wichtigen Karten (b) und den abschließenden, obligatorischen bibliographischen Angaben nebst Quellenverzeichnis (c) freigeben wird. Auf regelmäßige Teilzusammenfassungen und Zwischenstände wird vor dem Fazit weitestgehend verzichtet; dies soll insbesondere in den ‚Konklusionen‘ (a), durch die Nennung der wichtigsten Ergebnisse dieser Arbeit – unter die Konzepte ‚Selbstökonomisierung‘ (1) und ‚Selbstverrechtlichung‘ (2) subsumiert – nachgeholt werden. In den ‚Perspektiven‘ (b) geht es dagegen eher um potenzielle anschließende Fragen, die sich aus dieser Arbeit unmittelbar ergeben (könnten); als konkretes Beispiel werden dabei insbesondere der Bereich der Politik als eine weitere normative Ordnung großer Wirkkraft vorgestellt und im Zuge dessen erste Assoziationen dargelegt. Das letzte Unterkapitel ‚Reflexionen‘ (c) geht gar noch einen Schritt weiter und reflektiert grundlegende Ökonomisierungsprozesse unserer heutigen Zeit. Gleichwohl, aller versuchten Struktur zum Trotze, wirkt hier möglicherweise bewusst nicht alles wie aus einem Guss. Die im Folgenden angewendete assoziativ arrangierte Perspektive (er-)öffnet nämlich so manche unerwartete Dependance bzw. Zweigstelle, macht des Öfteren neue Bearbeitungsfelder auf, um regelmäßig auf potenzielle Anknüpfungspunkte für den Leser hinzuweisen.
C) G RENZEN Da die beiden Themen Wirtschaft und Recht in einer Monographie verhandelt werden und dabei unter einer übergreifenden Fragestellung, mit dem gleichen Quellenkorpus und dem gleichen methodischen wie theoretisch-konzeptionellen Ansatz erarbeitet wurden, können durchaus Dopplungen zwischen einzelnen Passagen dieser Arbeit auftreten. Dies lässt sich kaum vermeiden und ist gleichzeitig notwendig, wenn die Studie mit dem Ziel geschrieben wird, die Interdependenzen zwischen den beiden normativen Ordnungen in ihrem hegemonialen Zusammenspiel zu dekonstruieren. Beispielsweise können einige Zitate sowohl mit Bezug zu Wirtschaft als auch mit Blick auf Recht analysiert werden. Solch potenzielle Dopplungen oder sinngemäße Wiederholungen sollten nicht gerügt,
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sondern als Indikator für die Verwebungen von Ökonomie und Recht akzeptiert und gerne auch eingefordert werden, da dies erklärtes Ziel des großen Vorhabens mit dem Oberbegriff „Macht-(W)Orte“ ist. Auch wird sich so manche inhaltlich und/oder sprachlich ähnlich klingende Aussage finden, was – neben den zuvor schon erwähnten Punkten – nicht zuletzt der einen Feder, aus der die Sätze der vorliegenden Arbeit entspringen, geschuldet ist. Die Studie „Macht-(W)Orte“ möchte allerdings nie ein Fazit ziehen, sondern eher als Aufmunterung und Anreiz verstanden werden, als interessierter Leser Macht weiter und breiter zu denken. Auch andere Macht-Felder jenseits von Wirtschaft und Recht sind sicherlich denkbar und sollten in anderen Arbeiten auch diskutiert werden. Neben diesen inhaltlichen Warnungen muss auf sprachlich-expressives Konfliktpotenzial eingegangen werden. Schließlich gilt immer: „We are, it would seem, caught up in language and the very process of arriving at a research question obviously takes place within language“ (Allen 2003: 12). Dieses Unterkapitel zu den Grenzen dieser Studie widmet sich daher auch der Sprache dieser Arbeit. Denn ‚Geschichte schreiben‘ zu wollen, beinhaltet immer auch eine Reflexion über den eigenen sprachlichen Stil.14 Wie in der geographischen Dissertation des Autors (Schwegmann 2016), wagt sich auch diese Arbeit bisweilen an einen essayistischen Ausdruck, wie er in literarischen oder journalistischen Abhandlungen anzutreffen ist.15 Dabei finden sich im Rahmen dieser Arbeit gleichwohl auch eher ‚gewöhnliche‘ Formulierungen, die Hand in Hand mit stärker bildreich-essayistischen Stilen gehen.16
14 Ein anregender selbstreflektierender Text, insbesondere für diskurstheoretisches Schreiben, findet sich in Angermullers Abhandlung „Zum wissenschaftlichen Schreiben in der Diskursforschung“ (Angermuller 2014b). 15 Dabei könnte man sich Schärf anschließen, der betont: „Der Essay lässt sich nicht als bloß literarisches Phänomen bestimmen, sondern ist stets in einer Lebenshaltung oder gar Lebenskunsthaltung verwurzelt. Darum kann man von Essayistischem auch dann sprechen, wenn gar kein Essay im Sinne eines in nichtfiktionaler Prosa gehaltenen Textes vorliegt“ (Schärf 2014: 51). 16 In den Worten von Boeckler: „Auch wenn kulturelle Geographien keine Normierung des Schreibprozesses anstreben, so tendieren sie doch zur essayistischen und narrativen Seite der Auseinandersetzung. Hin und wieder wechseln sie aber auch die Fronten, formulieren einzelne Abschnitte stärker in einer analytischen Art und Weise, werden mitunter sehr konventionell und sehen sich genötigt, daran zu erinnern, warum sie es tun: Weil es kontingente Normierungsversuche sind, die sich als Lese-Erwartungen der scientific community erhalten haben, und man beispielsweise aus biographischen
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Diese „Widersprüche muss man aushalten können, wer hat heute schon noch Konsistenzerwartungen?“ (Berndt & Boeckler 2008: 70). Hintergrund dieser Attitüde ist, erstens, zu neuen Gedanken zu (ver-)führen. Denn wenn in der Wissenschaft nicht die Ballzauberer, sondern die Platzwarte das Sagen haben, bleiben Innovationen weitgehend aus. Daher geht es zwar, zweitens, auch um Freude beim Schreiben (vgl. „pleasurably write“, Bingham 2003: 161), doch noch vielmehr, drittens, um reflexives, sich selbst reflektierendes Schreiben („writing reflexively“, ebd.: 145 ff.). In eigenwilliger Eigenreflexion sollen hier neue Denkzentralen installiert werden. Eigenreflexion, in ihrer spezifisch subjektiven Form, meint allerdings nicht Beliebigkeit.17 Schärf schreibt in diesem Zusammenhang auch von einem „Prozessparallelogramm zwischen Leben, Denken und Schreiben“ (Schärf 2014: 52). Er konstatiert: „Was den Essay […] von […] den meisten […] Darstellungsweisen abhebt, ist die Signatur der produktiven Selbstreflexion im Schreibprozess“ (ebd.: 55). Mit pikanter Note versetzt, suggerieren kulturtheoretische Lesarten nämlich voll unberechenbarer Polemik prächtige Prozesse der Entstehung neuer Denkräume durch „die konsequente Anwendung des schöpferischen Prinzips der Neugier“ (Helbrecht 2003a: 149). Der Hintergrund dieser Ausrichtung: Vom Mainstream abweichendes Verhalten kann überaus innovative Ergebnisse ermöglichen. Eine der vielen Geschichten, die sich über Ökonomie und Recht schreiben lassen, soll hier daher erzählt werden. Gleichwohl, und dies soll nicht unerwähnt bleiben: Diese Darstellung kassiert sicherlich auch Kritik. Dennoch: Nicht jede Abweichung vom wissenschaftlichen Mainstream verdient es, gewissermaßen automatisch, reflexartig, pathologisiert zu werden. Kreatives Querdenken mit unorthodoxen Lösungs-Mitteln sollte stattdessen als intendierte Reizzufuhr, die Neues – gleichsam durch bewusst gesetzte, aber daneben auch zufällig (im Ent-) stehen gelassene Reibungsprozesse als Injektion einer bloßen Möglichkeitsvorstellung, anders zu arbeiten – schaffen kann, bewertet werden. In irritierender
Gründen diese Erwartungen zu erfüllten hat. Nicht aber, weil es die beste Form der Darstellung ist“ (Boeckler 2005: 17 f.). 17 Denn „Thema und Gegenstand sind dem Essayisten nicht irgendwie gegeben, sondern werden mit der Abfassung des Essays, in der Schreibbewegung, überhaupt erst hervorgebracht. Und doch sind Gegenstand und Schreibbewegung keineswegs identisch. In den seltensten Fällen schreibt ein Essayist allein darüber, dass er schreibt. Aber er schreibt darüber immer auch. Ein Thema wird schreibend aus einem Erzählverfahren geboren, das sich selbst als performativer Akt, als Schreibakt, mitreflektiert. Eben darin ist der Essay von anderen Spielarten […] zu unterscheiden“ (Schärf 2014: 51 f.).
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Absicht schleudert der Autor potenziell provokant wirkende Frage- und Ausrufezeichen in die Manege der Leser. Dabei geht es nicht um Fragen der ‚objektiven‘ Richtigkeit, sondern um reüssierende Argumentationslinien, die Diskursmuster entschleiern wollen. Es geht um das Aufzeigen der (all-?)umfassenden Wirkung von Ökonomie und Recht, es geht um die Betonung des verunordnenden Hineinwirkens dieser machtvollen Ordnungssysteme in sämtliche menschliche Lebensbereiche und vielerlei Realitäten, um die Dechiffrierung normativer Systemimmanenz. Mit Kaube (2014: 60) können wir nämlich, hieran anschließend, feststellen, dass ein derartiges hermeneutisches Arbeiten, vom Ausdruck her als wissenschaftlicher Essay auffassbar, als hochgradig subjektiv und konstruktivistisch angelegt ist.18 Als Arbeit, die von einem wissenschaftlich in der Humangeographie – noch dazu in einer kulturtheoretischen Les- bzw. Abart dieser – sozialisierten Forscher geschrieben wurde, mag in dieser vielfach eine ‚andere‘ Herangehensweise als in anderen rechts- oder geschichtswissenschaftlichen Abhandlungen sowie eine ‚spezielle‘, eigenwillige Sprache verwendet werden. Kurzum: Die Affinität des Autors für zäh- und dickflüssiges Konterkarieren könnte so manchen Leser düpieren. Denn eine sich verspielt verspielende Schreibweise, gleich einer spielerisch bespielbaren Spielwiese, die vom Publikum als essayistisch entlarvt – oder ge(t)adelt? – werden könnte, dürfte den Bogen insofern in sprachlich-expressiver Hinsicht so manches Mal überspannen, als sie allzu strenge Gestaltungsregeln über Bord wirft.19 Im Laufe der vorliegenden Abhandlung wird der Pinsel mal schraffierend, mal konturierend angesetzt. Dabei zeichnet sich eine verwinkelte Szenerie voll assoziativer Kombinationen, die ökonomische und rechtliche Welten in neue Kategorien auf-fassen, be-greifen, ver-handeln möchte. In einer derartigen Abhand-
18 Kaube (2014: 60) charakterisiert den Essay gerade als „Mitteilung eines Individuums über Individuelles“, als „höchste Freizeitform der schönen Geisteswissenschaften“, was spezifische Aussagen über den Autoren zulasse und zugleich konkrete Anforderungen an den Leser stelle. 19 Dadurch erscheinen diese Zeilen schnell als wenig authentisch, als artifiziell, überladen – was aber durchaus seine Berichtigung haben kann, wenn wir Kaube folgen. So sei „jeder Beitrag eine Welt für sich und zwar eine schöne oder jedenfalls berührende. Schreiben ist hier der Versuch, eine der Sache selbst – nicht dem Publikum und der Sprech- oder Schreibsituation – angemessene Darstellung zu finden. Und die Sache selbst ist schön, Kultur, Bedeutung, Wahrheit anstatt bloß Richtigkeit […]. Das ‚Hauptsache die Information kommt an‘ vieler Disziplinen erscheint darum hier inadäquat“ (Kaube 2014: 59).
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lung lassen sich bisweilen gar Spuren von Poesie finden. Denn Kulturtheorie, wie der Autor sie versteht, ist ständig auf der Suche nach neuem Vokabular. Daher versucht sie sich nun in der Subsumtion wirtschafts- und rechtsbezogener Fragestellungen unter innovative Konzepte, semantische Gabelungen. Diese theoretische Grundlagenforschung ist dabei ein probates Mittel, um neue Denkarchitekturen zu ermöglichen, indem sie eigenwillig(e) Geschichte(n) erzählt. Recht und Wirtschaft werden so auch sprachlich in eine neue Form gegossen, werden so gerade in radikal-essayistischen Kulturtheoretisierungen mitunter beißend satirisch bis zur Unkenntlichkeit verfremdet. Denn das jeweilige Rechtsbewusstsein und die jeweiligen Wirtschaftsverständnisse reproduzieren Recht und Ökonomie. Die hier vorgestellte Art des Arbeitens, zur Essenz postmoderner Studien geronnen, okkupiert vor diesem Hintergrund immer neue Räume wirtschaftlicher wie rechtlicher Relevanz – mit dem Ziel, unaufhörlich neu(e) transoder zumindest interdisziplinär(e) Brücken zu bauen und disziplinär(e) Ketten zu sprengen.
2 Kontextualisierung: Macht on the move
Das Kapitel 2 möchte zunächst über den Forschungstand bzw. sinnvolle Vorarbeiten anderer Autoren informieren (a), bevor in den nächsten beiden Unterkapiteln dieser Kontextualisierung (b und c) auf zentrale Aspekte der Kolonialsowie der Handelsgeschichte Südasiens respektive des Indischen Ozeans eingegangen wird, um dem dann historisch und geographisch unterrichteten Leser anschließend die (Haupt-)Quelle und Methode dieser Arbeit zu präsentieren (Kap. 3). Kapitel 2 und 3 dienen damit der Vorbereitung auf die Analyse (Kap. 4).
A) V ORARBEITEN UND F ORSCHUNGSSTAND Die Alchemie dieser wissenschaftlichen Alliterationen schreibt sich in vielerlei wissenschaftliche Diskurse ein. Einige von ihnen sollen hier vorab vorgestellt werden. (1) Migrationsgeschichte(n) des Indischen Ozeans Migration ist schon deshalb ein überaus spannender und relevanter Forschungsgegenstand, da sie schon immer Verunsicherung auslöste. Der moderne Staat ist an Formen der Kontrolle seiner Staatsbürger gebunden, die idealerweise – zumindest zunächst einmal – einen festen Wohnsitz haben sollten, um erfasst, beherrscht, aber auch beschützt werden zu können. Hier streifen wir bereits in historischer Perspektive das Verhältnis von Geographie und Recht, wenn Elemente staatsräumlicher Machtausübung offenbar notwendigerweise an Erfassbarkeit, Standardisierung und Vereinfachung gekoppelt sind, welche wiederum Voraus-
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setzung und Resultat raumwirksamer, materiell-territorialer (Rechts-)Staatlichkeit darstellen.1 Zugleich gilt: „Das heutige Gesicht Europas ist geprägt von den großen Migrationsbewegungen des 20. Jahrhunderts“, so der Ethnologe Schiffauer (2006: 95). Unzählige, häufig öffentlich ausgetragene Debatten über die Rolle von Migranten und deren Nachfahren belegen dies (z.B. Sarrazin 2010). Ein besonderes Beispiel stellt diesbezüglich England dar: Allein aus der ehemals britischindischen Provinz Sylhet, im Nordosten des heutigen Bangladesh gelegen, stammen „35,000 who are now living in East London, and […] thousands more who live throughout this country“ (Ahmed 1987: viii). Auch im 21. Jahrhundert ist der Einfluss Südasiatischstämmiger und ihrer Nachfahren in Großbritannien unverkennbar (vgl. z.B. Peach 2006). Die erste Generation dieser Migranten bestand vor allem aus sogenannten Lascars: afrikanische oder asiatische Seemänner, meist Muslime, die auf den Handelsschiffen der europäischen Ostindienkompanien arbeiteten (Ahuja 2009: 14). Dazu Gardner: „The lascars were the first pioneers to tread a path which by the latter part of the twentieth century was to link particular districts closely to Britain through the international labour market“ (Gardner 1995: 36). „Britain offered the best prospects for maritime employment and attracted the largest number of foreign sailors“, stellt Balachandran (2003: 90) diesbezüglich fest. Der größte Teil der südasiatischen Arbeitsmigranten stammte aus den unterschiedlichsten Regionen des indischen Subkontinents, unter anderem eben auch aus Sylhet im heutigen Bangladesh (Hyslop 2009: 55). Besonders im 20. Jahrhundert ließ sich eine große Anzahl an Menschen aus den Kolonien2 auf der Su-
1
Vgl. neben dem von Bourbeau herausgegebenen „ Handbook on Migration and Security“ (2017) vor allem Scott (1998), der versucht hat zu ergründen, warum Staaten ‚schon immer‘ Probleme mit mobilen Menschen wie Nomaden, Beduinen und ‚fahrendem Volk‘ hatten.
2
Zur Definition: Osterhammel (2009: 8 f.) bezeichnet mit ‚Kolonisation‘ den Prozess der Landnahme, mit ‚Kolonie‘ eine besondere Art von politisch-gesellschaftlichem Personenverband und mit ‚Kolonialismus‘ ein Herrschaftsverhältnis. Grundsätzlich gehe es dabei immer um Expansion über einen urspünglichen Lebensraum hinaus. Ergänzend können wir Reinhard (2016: 27) heranziehen, der zwischen Imperialismus (als Überbegriff für die europäische Expansion des 19. und 20. Jahrhunderts) und Kolonialismus unterscheidet; letzteres leitet er etymologisch vom römischen colonia ab und trennt nochmal zwischen dem Minimalinhalt Siedlung oder Herrschaft und dem Maximalinhalt Siedlung und Herrschaft. Britisch-Indien sei dabei eine typische Herrschaftskolonie ohne durchgängige Neubesiedelung, aber jenseits einer bloßen Stütz-
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che nach Arbeit dauerhaft im Staat der (Post-)Kolonialmacht nieder (RobinsonDunn 2003). (Britisch-)Indien erscheint dabei schon allein ob der schieren quantitativen Dimensionen als (ge-)wichtiges Beispiel für Migrationsprozesse in historisch-geographischer Perspektive, wie auch Tabelle 1 zeigt.3 Wie Panayi in seiner „Immigration History of Britain“ (2010) aufgeführt hat, sind zwischen 1800 und 1945 insgesamt 2.339.000 Menschen nach Großbritannien migriert (durchschnittlich 16.131 pro Jahr), davon 20.000 Menschen aus Südasien. Zwischen 1945 und 2010 kamen dann in der Summe 6.231.000 Menschen in das Vereinigte Königreich (jährlich im Schnitt 95.862), davon ca. 1.000.000 Südasiaten. Tabelle 1: Südasiaten im Vereinigten Königreich Jahr
Gesamt
Davon Lascars
Mitte des 19. Jhs.
40.000
Mehr als 25.000 (1855)
Um 1900
70.000
51.616 (1914)
1932
7.128
Keine Zahlen
1961
182.172
Keine Zahlen
punktkolonie wie jene der Portugiesen im Indischen Ozean. Migration sei dabei in globalhistorischer Hinsicht immer und überall typisch für Kolonien (ebd.: 27 ff.). 3
Ein Zitat von Osterhammel soll an dieser Stelle die quantitative Dimension indischer Emigration zusätzlich unterstreichen: „[Die indische Migration] begann in den 1820er Jahren, erreichte dann schnell einen absoluten Höhepunkt in den 1850er Jahren und hielt sich bis um 1910 auf einem hohen Durchschnittsniveau von 150 000 bis 160 000 Menschen pro Dekade. Dieser Menschenexport war ein Überschwappen einer generell beschleunigten Binnenmigration und ein Nebeneffekt der umfangreicheren Wanderung nach Burma und anderen Gegenden Südostasiens. Die Emigrationszahlen zeigen einen Zusammenhang nicht nur mit der Nachfrage im britischen Empire, sondern auch mit der Chronologie der Hungersnöte in den verschiedenen Regionen Indiens. Ein starker Schub ging auch von den repressiven und chaotischen Verhältnissen nach der Unterdrückung des Aufstandes von 1857 aus. Aber auch längerfristig wirkende Faktoren spielten eine Rolle“ (Osterhammel 2009a: 242). Daran anschließend erläutert Reinhard: „1834 bis 1937 sind 30,2 Millionen Inder ausgewandert und 24,1 Millionen zurückgekehrt; 6,1 Millionen sind also in der Fremde geblieben“ (Reinhard 2016: 799).
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Wie Tabelle 1 zeigt, 4 lebten um die Mitte des 19. Jahrhunderts etwa 40.000 Inder in Großbritannien (Fisher 2007), davon arbeiteten mehr als 25.000 auf britischen Schiffen (Ansari 2004: 35, Fisher 2006, Visram 2002). Anfang des 20. Jahrhunderts lebten 70.000 Inder in Großbritannien (Visram 2002); Zahlen vom Beginn des Zweiten Weltkrieges zeigten, dass 51.616 Inder zu jener Zeit auf britischen Schiffen arbeiteten (Ansari 2004: 37). 1932 lebten laut Schätzungen des India National Congress 7.128 Inder im Vereinigten Königreich (Visram 1986). 1961 waren gemäß UK Census schon 151.435 Inder sowie 30.737 Menschen aus Pakistan im Vereinigten Königreich ansässig (vgl. auch Choudhury 1993: 132, Visram 1986), wobei das Männer-Frauen-Verhältnis unter den Indern 3:1, unter den Pakistani gar 40:1 betrug (Choudhury 1993: 132). Die Gruppe der britischen Bangladeshi umfasste laut UK Census (2011a, b) für das Jahr 2011 451.529 Menschen, was 0,7 % der gesamten Bevölkerung des Vereinigten Königreiches entsprach und letztlich eine der zahlenmäßig größten dort vertretenen Diasporagruppen überseeischer Migranten ausmachte; etwa die Hälfte der Bangladeshi lebte 2011 in London und dort vor allem im Stadtbezirk London Borough of Tower Hamlets östlich der Innenstadt. Gleichzeitig ist ihr ökonomischer Status auch in den letzten Jahrzehnten noch als ziemlich niedrig zu bewerten, was ihre Erwerbsarbeit in Bereichen mit niedrigen Qualifikationsanforderungen nahelegt (vgl. z.B. Choudhury 1993: 198, 227 ff., 192). Spezifische Fragen, die sich an derartige Erläuterungen anschließen, könnten nun folgendermaßen lauten: „Why did so many men leave Sylhet and come to Britain? What made them bring their families and finally, settle here in U.K.? “ (Choudhury 1993: 1)5
Diesen Überlegungen, die auf die Voraussetzungen und mental-identitären sowie gleichzeitig real-alltagspraktisch und -materiell wirksamen Implementierungen von Migration im Kontext von Ökonomie und Recht abzielen, sollen in dieser Arbeit adressiert werden. Die vorliegenden zehn Lebensgeschichten stellen dabei lediglich einen kleinen Ausschnitt aus den – Wirtschaft und Recht ‚machenden‘, (re-)produzierenden – Migrationsströmen von Sylhet über den Indischen Ozean im 19. und
4
Diese Tabelle wurde vom Autor dieser Arbeit selbst erstellt – auf der Grundlage der auf dieser sowie der vorangegangenen Seite genannten Zahlen.
5
Bezüglich der Motivation zur (E-)Migration sei generell angemerkt, dass Menschen nur in den seltensten Fällen freiwillig ihre Heimat verlassen, wie z.B. Mann (2004: 123) betont.
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20. Jahrhundert dar. So verweist beispielsweise Hyslop (2011) auf weitere Männer, die auf britischen Schiffen anheuerten und auch (zunächst) andere Ziele als England, z.B. Südafrika, ansteuerten. Ahuja verdeutlicht: „The ‚age of the lascar‘ […] lasted from about the 1890s until mid-twentieth century“ (Ahuja 2002: 39). Der Anteil der Lascars auf britischen Schiffen betrug 1914 17,5 Prozent, 1935 stellten Inder die viertgrößte Gruppe unter den Seemännern, wenn man nach Nationen gruppiert (Desai 1940, Dixon 1980: 265; zit. nach Hyslop 2011: 45). Insgesamt etwa „thirty million Indians traveled overseas between the 1830s and the 1930s“ (Bose 2006: 274), so Schätzungen zu quantitativen Umfängen Indischer (Übersee-)Migration im 19. und 20. Jahrhundert. Die südasiatische Diaspora zählt heute ebenfalls etwa (etwas mehr als) 30 Millionen Menschen in aller Welt (nach Rai & Reeves 2009: 2). 6 Neben den zahlenmäßig größeren Binnenwanderungen (vgl. Gans & Pott 2011: 732) emigrierten viele Südasiaten, um nur einige Beispiele zu nennen, in andere, oft angrenzende, nicht selten ebenfalls südasiatische Regionen und Länder (vgl. Kaur 2011) – so etwa nach Südostasien (vgl. z.B. Choenni 2009, Devasahayam 2009, Jen 2009, Kaur 2009, Rai 2009) – bzw. in andere Anreinerstaaten des Indischen Ozeans (vgl. z.B. Freitag 2011). Daneben lassen sich historische wie auch aktuellere Migrantionsbewegungen nach Australien (vgl. z.B. Voigt-Graf 2005), Mauritius (vgl. z.B. Carter 2009, Pearson 2003: 258 f.), Ost- (vgl. z.B. ders.: 250) und das schon erwähnte Südafrika (vgl. z.B. Hofmeyr 2013, Hofmeyr & Williams [Hrsg.] 2011b, Kaarsholm 2010, Pearson 2003: 223), nach Fidschi (vgl. z.B. Lal 2009) sowie in die USA (vgl. z.B. Shukla 2013) belegen. Auch die Wanderungen von Menschen aus dem heutigen Bangladesh in die USA und die ehemalige UdSSR müssen in diesem Kontext erwähnt werden (vgl. z.B. Khondker 2009: 125). Dabei lässt sich eine große Vielfalt an südasiatischen Migrantentypen identifizieren, denn schon für das 19. Jahrhundert – und später noch verstärkt – galt: „Migration betraf viele Berufe, viele Schichten, Frauen und Männer. Sie verknüpfte materielle und immaterielle Motive. Kein Auswanderungsgebiet und kein Einwanderungsland blieb unverändert“ (Osterhammel 2009a: 199). So gab
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Diese Zahl bezieht sich nicht auf alle jemals Ausgewanderten, sondern nur auf die aktuelle südasiatische Diaspora zu Beginn des 21. Jahrhunderts (vgl. auch Brown 2006). Derweil lässt sich das Konzept der Diaspora etwa mit Osterhammel als „Gemeinschaft, die außerhalb ihres tatsächlichen oder imaginierten Herkunftsgebietes lebt, aber gegenüber der ‚Heimat‘ weiterhin Loyalität und emotionale Anhänglichkeit empfindet“ (Osterhammel 2009a: 174) (be-)greifen. Zur weiteren Diskussion des Konzepts siehe auch den teilweise kritischen Kommentar von Leonard (2013: 271).
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es beispielsweise Künstler (vgl. z.B. Roy & Haynes 2013), Kulis (vgl. z.B. Mann 2011) und mehr oder minder ‚gut betuchte‘ – Stichwort: Textilindustrie – Händler (vgl. z.B. Markovits 2000, 2011, 2013); auch Elitenwanderung bzw. Hochqualifiziertenmobilität fand – wenngleich im deutlich geringeren Umfang – statt (vgl. z.B. Chatterji 2013b: 183). Kurz gesagt: Die Diaspora war keinesfalls eine homogene Gemeinschaft (ebd.). Der Indische Ozean, den die Südasiaten in dieser Zeit in aller Regel auf Schiffen überquerten, erscheint dabei als transnationaler, -regionaler oder auch -lokaler Raum, der durch Migrationsbewegungen geprägt ist und diese zugleich beeinflusst – nicht erst seit dem 19. oder gar 20. Jahrhundert (Ahuja 2007, Verne 2012): „The ocean was – and, in many ways, continues to be – characterized by specialized flows of capital and labor, skills and services, ideas and culture“ (Bose 2006: 3). Nicht zuletzt deshalb lässt sich feststellen: „Oceanic studies have expanded greatly in the last few years“, so Pearson (2010: xv) im von Moorthy und Jamal (2010a) herausgegebenen Sammelband „Indian Ocean Studies. Cultural, Social, and Political Perspectives“. Insbesondere seit etwa dem Jahr 2000 mehren sich die Publikationen zum Indischen Ozean explosionsartig. Der gerade im Vergleich zum Atlantik – möglicherweise aufgrund wissenschafts- und geopolitischer Zentrierungen um Europa und vor allem die USA im 20. Jahrhundert – lange Zeit unterschätzte, kaum beachtete Gegenstand wurde seitdem binnen weniger Jahre relativ breit gefächert in den unterschiedlichsten Disziplinen wie auch disziplinenübergreifend thematisiert und erforscht, zunehmend unübersichtlicher wird die Gesamtheit der Abhandlungen (vgl. z.B. Rothermund 2004: 271).7 Nichtsdestotrotz lassen sich sehr wohl noch Forschungslücken identifizieren, von denen hier lediglich eine aufgegriffen werden soll: Die Einfügung von be-
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Rothermund (2004: 271) unterteilt diesbezüglich vier große thematische Bereiche (mit im Einzelnen vielfältigen Überschneidungen), um die Literatur zum Indischen Ozean zumindest ansatzweise zu ordnen: Er erwähnt zunächst Werke, welche in der Tradition von Fernand Braudel und seiner monumentalen Arbeit zum Mittelmeer die Gesamtgeschichte des Indischen Ozeans darstellen wollen; sodann ein zweiter Block zum 17. Jahrhundert, in dem der Indische Ozean welthistorisch besondere Bedeutung zugeschrieben wurde; als drittes ein Schwerpunkt zu den Menschen, den Einzelschicksalen, den Individuen des Indischen Ozeans; schließlich als viertes Feld die Geschichte des maritimen Handels, der Wirtschaft und der Märkte mit all seinen vielfältigen Akteuren und den Machtasymmetrien zwischen ihnen. Letzterem Bereich könnte auch die Arbeit „Macht-(W)Orte“ zugeschrieben werden, so sie – im weitesten Sinne – das „Spannungsfeld von Markt und Macht“ (ebd.: 271 f.) untersucht.
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stimmten Gruppen oder Individuen der Migrationsgeschichte des Indischen Ozeans in ‚größere‘ ökonomische und/oder rechtliche Ordnungen wurde bis dato nur recht stiefmütterlich behandelt; speziell die Erfassung beider miteinander korrespondierenden Diskurshegemonien im Aufzeigen ihrer Verstrickungen und reziproken (Re-)Produktionsmuster fristet ein marginalisiertes Dasein als Forschungsgegenstand. Dies soll sich hiermit ändern. Entscheidend wird dabei sein, Migration als polyvalente Beeinflussung der Situation in Ziel- wie in Herkunftsländern zu betrachten. Hofmeyr und Williams bezeichnen diese Schwierigkeit als „one-way problem“ (2011a: 5): Migration beinhalte immer auch Implikationen für den verlassenen Raum – nicht nur für die Region, die aufnimmt (ebd.). Im Zentrum des Erkenntnissinteresses dieser Arbeit sollen allerdings die identitären Transformationen der Migranten selbst stehen, da Migration in hohem Maße die Identität aller Involvierten betrifft (vgl. z.B. Gardner 1995: vii). Zugleich empfehlen Hofmeyr und Williams (2011a), transnationale Geschichte(n) durch die Hervorhebung von Interdependenzen, Transfers, Mobilitäten und Vernetzungen beteiligter Regionen zu erfassen. Gerade der Indische Ozean könne so als multipler Verbindungsraum verstanden werden, der durch materielle und immaterielle Verstrickungen erfahrbar werde. Materiell-räumlich, d.h. vor allem physisch-geographisch betrachtet, gehen diese Verbindungen laut Hofmeyr und Williams über die Anreinerstaaten des Indischen Ozeans weit hinaus, wenn man beispielsweise Indien in den Blick nimmt (ebd.: 4 ff.): Zum Ersten wurden bislang oft intraregionale Verbindungen gezogen, zum Beispiel innerhalb des Konstrukts einer Großregion wie ‚Südasien‘. Neuere Untersuchungen (vgl. z.B. Hofmeyr & Williams [Hrsg.] 2011b) fokussieren nun stärker auf die Verbindungen zwischen Anreinerstaaten und -regionen, z.B. Indien und Südafrika. Zum Zweiten lassen sich Transfer- und Austauschbeziehungen aber nicht nur innerhalb der Großregion des Indischen Ozeans, sondern über ganze Kontinente hinweg beobachten, etwa – im Zuge der Kolonialgeschichte – bis nach Europa. Zum Dritten implizieren diese Kontakte nicht nur sozialen und wirtschaftlichen Austausch, auf den im Zuge von Arbeitsmigration gerne verwiesen wird, sondern auch – und besonders – auf kulturell-identitären (Hofmeyr & Williams 2011a: 5). Da speziell die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht ohne das 19. Jahrhundert denkbar ist und (auch) gerade dieses 19. Jahrhundert migrationshistorisch als besonders relevant eingestuft werden kann – „Keine andere Epoche der Geschichte war in einem ähnlichen Maße wie das 19. Jahrhundert ein Zeitalter massenhafter Fernmigration“, so Osterhammel (2009a: 235) –, wird in dieser Arbeit des Öfteren Bezug auf Osterhammels Werk „Die Verwandlung der Welt. Eine
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Geschichte des 19. Jahrhunderts“ (2009a) genommen.8 Ein Klassiker der zahlreichen Abhandlungen zum Indischen Ozean ist ferner Pearsons „The Indian Ocean“ (2003), gerade im Hinblick auf notwendige Kontextualisierungen. Selbstverständlich haben sich auch schon viele andere Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen und Perspektiven mit Migranten – und insbesondere mit Lascars – aus Indien oder Bangladesh und mit deren Lebensgeschichten befasst. Einen guten Überblick über aktuelle Forschungsdebatten sowie -themenfelder vermittelt der Sammelband „Routledge Handbook of the South Asian Diaspora“ (Chatterji & Washbrook [Hrsg.] 2013b), der ein sehr reichhaltiges Reservoir an Autoren und Ansätzen bereitstellt; diesbezüglich finden sich auch umfangreiche Quellen zu „South Asians in Britain up to the mid-nineteenth century“ im Beitrag von Fisher (2013) und zum „Age of the ‚lascar‘“ von Ahuja (2013), z.B. auch kolonialstaatlich-behördlich-administrative oder zeitgenössisch-wissenschaftliche Einschätzungen und Erhebungen (wie jene von Desai 1940, Hood 1903, Kanekar 1928, dem Manning Committee 1896, dem Mercantile Marine Committee 1903 oder von Mowat 1949). Konkret genannt werden müssen daneben die vom nicht-professionellen Lokalhistoriker Choudhury erstellten Arbeiten zu Sylheter Migranten („The Roots and Tales of the Bangladeshi Settlers“, Choudhury 1993; „Sons of Empire. Oral history from the Bangladeshi seamen who served on British ships during the 1939-45 world war“, Choudhury [Hrsg.] 1995)9 sowie die ethnologischen Studien von Gardner (z.B. 1995, 2002, 2008, 2013, 2015). Daneben ist das Projekt „The Bengal Diaspora. Rethinking Muslim Migration“ von Alexander et al. (2016) erwähnenswert. Obwohl schon etwas länger zurückliegend, darf des Weiteren „Ayahs, Lascars and Princes: Indians in Britain 1700-1947“ von Visram (1986) nicht vergessen werden.
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Zur globalen Wirkmächtigkeit des ‚europäischen‘ 19. Jahrhundert vgl. auch Osterhammel (2009a: 20). Im Gegensatz zu ihm differenziert der Autor dieser hier vorliegenden Studie dabei aber nicht zwischen Macht, Einfluss und Vorbildwirkung; alle drei Wirkungen Europas auf die Welt fallen im Folgenden unter den Oberbegriff ‚Macht‘.
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Wie Choudhury in der Einleitung von „The Roots and Tales of the Bangladeshi Settlers“ (1993) schreibt, kam er selbst nach Großbritannien „in my 20’s, as a single man with a seaman’s connection. The Bangladeshis in this country were all men, ex-war seamen from the first and second world wars, most of them were grey haired, and as they were of my father and my grandfather’s age group, I hardly met anyone who was my age“ (Choudhury 1993: ix).
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All diese Autoren bieten nicht nur umfangreiche Anregungen für die Analyse von Selbstzeugnissen und Biographien, sondern auch konkrete Quellen in Form von gesammelten Lebensgeschichten; nicht selten gehen die Autoren auch mehr oder minder detailliert auf die südasiatische Kolonial- und Migrationsgeschichte, bzw. genauer: auf die Geschichte der Sylheter Lascars, ein und offerieren ferner diverse Statistiken wie auch Kartenmaterial. 10 Überaus großen Stellenwert, gerade für diese Arbeit hier, muss insgesamt den Studien Ahujas (z.B. 1999, 2000, 2002, 2004, 2006, 2007, 2009, 2013), insbesondere zum maritimen Arbeitsmarkt des Indischen Ozeans und zur Rolle der Lascars, eingeräumt werden. Als sehr hilfreich in Bezug auf eine angemessene Kontextualisierung der Situation der Lascars kann in diesem Sinne vor allem „Subaltern Networks under British Imperialism. Exploring the Case of South Asian Maritime Labour (c. 1890-1947)“ (Ahuja 2002) betrachtet werden. In Bezug auf maritime Arbeitsmarktforschung sind zudem zwei Sammelbände von Behal und van der Linden – „Coolies, Capital and Colonialism“ (2006) und „India's Labouring Poor“ (2007) – zu benennen. Generell sind Fallstudien zu Migranten des Indischen Ozeans in der Historiographie sehr beliebt. So rekonstruierte beispielsweise Freitag (2003) die von der zwischen dem Oman und dem Golf von Aden gelegenen Region Hadramaut ausgehenden Migrationsdynamiken im 19. und 20. Jahrhundert, den Aufbau von neuen und die Pflege von alten Netzwerken, die Beziehungen der Migranten zum ‚homeland‘ sowie die Einbettung dieser Prozesse in größere politische, ökonomische und soziale Kontexte des Indischen Ozeans. Des Weiteren analysierte Gosh (2010) die Berichte von Lascars aus dem 19. Jahrhundert, die ebenfalls ihre Heimat Sylhet verließen – gen Australien. Als wirtschaftshistorisches Grundlagenwerk der Südasienforschung, insbesondere für die im Rahmen dieser Studie behandelte Dimension ‚Netzwerke‘ (Kap. 4b 4), kann zudem „The Global World of Indian Merchants, 1750-1947. Traders of Sind from Bukhara to Panama“ von Markovits (2000) angesehen werden. Daneben verfolgte Subramanian (2010b) anhand der Publikationen (Zeitungsartikel, Kolumnen etc.) von (hoch-)gebildeten, meist mindestens bilingualen, indischstämmigen Diasporagruppen deren Identitätsbildung in einer postkolonialen Phase anhand der Herstellung eines spezifischen Gemeinschaftsbewusstseins, das stark durch eine Rekurrierung auf die vorgestellte (indische) Nation und deren ‚Kultur‘ geprägt sei. Über spezielle Kommunikationskanäle näh-
10 Siehe bzgl. historischer und aktueller Karten zum Indischen Ozean, zum indischen Subkontinent und speziell auch zu Sylhet ebenfalls den Anhang dieser Studie.
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men insbesondere die großen Metropolen des Indischen Ozeans (z.B. Kalkutta, 11 Bombay, Singapur etc.) Schlüsselrollen in der Herstellung und Reproduktion von Identitätsentwürfen der Diaspora ein. Deren komplexe Organisation korrespondiere als ein eigenes diskursives Feld mit anderen, ebenfalls zirkulierenden Wissensregimes und Identitätssystemen (vgl. ebd.: 48). Im 19. und frühen 20. Jahrundert seien derartige Netzwerke, auch als „channels of mercantile activity“ (ebd.: 49) zu bezeichnen, stärker durch die europäischen Kolonialmächte kontrolliert worden (ebd.: 49 f.). Zur kolonialen und/oder postkolonialen Geschichte Indiens haben ansonsten Banerjee-Dube (2015), Bhattacharya et al. (2007), Chandra et al. (2000), Chandra et al. (1987), Chatterjee (2012), Dharampal-Frick (1994), Dharampal-Frick und Ludwig (2009), Kulke und Rothermund (2010), Markovits (2002), Rothermund (1993) oder auch Tharoor (2016) wichtige Monographien, Buchbeiträge und Artikel publiziert. Mitunter wird im Folgenden auf einige dieser Arbeiten, Quellen und Interpretationen zwecks Kontextualisierung Bezug genommen, doch möchte diese hier vorliegende Arbeit selbst primär ‚nur‘ die von Adams herausgegebenen Geschichten als Gegenstand dieser eigenen Zeilen betrachten, da zum einen auch der Autor ‚ökonomisch‘, mit Blick auf die vorhandenen Zeit- und Geldressourcen blicken muss; das Projekt muss noch bearbeitbar sein. Diese Studie möchte zum anderen keinen Anspruch auf Repräsentativität erheben, sondern lediglich eine mögliche Form der Auffassung und wissenschaftlichen Auswertung von wirtschaftlicher und rechtlicher Wirkweise vorstellen. Mit Boeckler lässt sich nämlich die „kreative Kraft zur Irritation“ kultureller Geographien erkennen, „die fest entschlossen sind, aus einer Gewissheit und Objektivität produzierenden Wissenschaft herauszutreten und in das Zeitalter unsicherer und risikoreicher Forschung einzutauchen“ (Boeckler 2005: 11).12 Entscheidend für diesen
11 Heute offiziell Kolkata genannt, soll die reguläre Schreibweise der Stadt in dieser Arbeit aus Gründen der Einheitlichkeit beim veralteten deutschen Kalkutta bleiben, da in der deutschen Sekundärliteratur zumeist noch von Kalkutta die Rede ist und zu viele unterschiedliche Nennungen (neben dem englischen Calcutta) beim Lesen verwirren könnten. 12 Risikoreich ist diese Forschung nicht zuletzt ob der (str)engen Hierarchien des Wissenschaftssystems angeführt werden. Es geht dabei nicht zuletzt um die Frage, wie insbesondere die deutsche Wissenschaftslandschaft „als disziplinäres Machtfeld institutionalisiert ist, vor allem dieses spezifisch deutsche Abhängigkeitsverhältnis von Mitarbeiter und Professor. […] Vielleicht erklärt das mehr als alles andere, […] warum Innovationen hierzulande generell so schwierig sind. […] Ich rede nicht von Hierarchien, ich rede von existenziellen Abhängigkeiten“ (Berndt & Boeckler 2008:
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Ansatz ist vor diesem Hintergrund „die Konstruktivismus-Prämisse“ (Reuber 2012: 119 f.), welche „die Subjektivität und Relativität jeglicher Erkenntnis der Welt durch die handelnden Menschen zu einem zentralen Bestandteil der Theorie“ (ebd.: 119) erklärt. Auch dieser Ansatz „fußt […] auf einem konstruktivistischen Fundament“ (ebd.). Darunter versteht der Autor, dass die Grundlage menschlichen „Handelns immer eine subjektiv wahrgenommene ‚Realität‘ ist, oder exakter: eine subjektive Konstruktion“ (ebd.: 120). Dieser Ansatz ist deshalb für die hier vorgestellte Fragestellung fruchtbar, weil er jegliche Identität, sowohl jene der untersuchten Migranten als auch die eigene des hier Schreibenden (sowie nicht zuletzt auch jene der Lesenden), als eben nicht selbstverständlich, sondern in (be-)ständiger raum-zeitlicher Aushandlung zwischen Eigenem und Fremdem begreift (vgl: ebd.: 44). Es handelt sich um die Vorstellung eines subjektiven Deutungsangebots vor der Prämisse multipler Realitäten, ohne Verallgemeinerungs(hinter)gedanken: als bewusstes Zulassen und Einfordern alternativer Betrachtungsweisen. Mit Gardner lässt sich somit konstatieren, dass es sich um „only […] one part of what is really a far more complex story“ (Gardner 1995: 4) handelt. (2) Performativität normativer Ordnungen „Das britische Empire war darin einzigartig, dass sein territorial definierter Kern (das formal empire) von zwei weiteren konzentrischen Kreisen umgeben war: der nicht randscharf begrenzten Sphäre, in welcher Großbritannien ‚informell‘ maßgebenden Einfluss ausüben konnte, sowie dem globalen Raum einer britisch geprägten, aber nicht britisch kontrollierten Weltwirtschaftsund Weltrechtsordnung“ (Osterhammel 2009a: 661).
Diese beiden hegemonialen Ordnungen lassen sich unter Berücksichtigung des Konzepts der Performativität gewinnbringend näher betrachten. Dieses geht insbesondere auf die Sprechakttheorie von Austin (1962) und Searle (1974) zurück und verweist auf die Realisierung von Wirklichkeit in der Sprache (vgl. „The Relevance of Linguistic Theory for the Understanding of Law“, Morlok 2008). Übersetzt in eine vom Cultural Turn inspirierte Analyse von Ökonomie und Recht bedeutet dies die Ausführung wirtschaftlicher sowie rechtlicher Wirklichkeit in der – sprachlichen, praktischen, materiellen etc. – Aufführung dieser (vgl. analog Boeckler & Berndt 2011: 914), gewissermaßen die Herstellung einer be68). Kritik, oder zumindest Eigenreflexion, als Grundlage von Innovation, ist in einem derartigen
Wissenschaftssystem
Konsequenzen fürchten zu müssen.
praktisch
kaum
möglich,
ohne
ernsthafte
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stimmten Wirklichkeit – hier insbesondere ökonomischer oder rechtlicher Art – bereits in der Vorstellung eben dieser. Denn gerade das Verhältnis von „Diskurs und Realität“ (Goertz 2001: 53 ff.) bedarf genauer Bestimmung. „Die Geschichtswissenschaft ist unsicher geworden. Einst war klar, was erforscht und dargestellt werden sollte. Jetzt beginnt der Gegenstand undeutlich zu werden“, so Goertz (ebd.: 7). Wo früher noch von einer objektiven vergangenen – oder heutigen – Wirklichkeit ausgegangen wurde und damit klar war, was wie von der Geschichtswissenschaft erforscht werden konnte und durfte, kann diese sich seit dem Cultural Turn „ihres Gegenstands nicht mehr sicher sein“ (ebd.: 103). Der Cultural Turn hat nämlich nicht nur die Geographie, sondern insbesondere auch die Geschichtswissenschaft verunsichert – Goertz (2001) schreibt von „unsichere[r] Geschichte“ und verweist auf das Infragestellen der Grundlagen des geschichtswissenschaftlichen Selbstverständnisses:13 Die ‚Wirklichkeit‘ sei zu einem grundlegenden Problem der eigenen Erkenntnis geworden: „Welche Möglichkeiten hat der Mensch, etwas zu erkennen, und welchen Charakter nimmt das Erkannte an? Ist es real oder imaginär?“ (ebd.: 86). Eine ‚Performativitäts-Perspektive‘ gibt darauf die klare Antwort, dass schon das Imaginäre real, weil wirklichkeitsproduzierend, oft gar unmittelbar handlungsanleitend ist. Nicht nur materielle ‚Dinge‘ und menschliche Praktiken, auch virtuelle Welten, sprachliche Einheiten und imaginäre Gedankenräume sind überaus real vor dem Hintergrund multipler und immer subjektiver Realitäten. Schon die „Konstruktion der Geschichte“ (ebd.: 83 ff.) stellt diese her, vollzieht sie, macht sie real, weswegen diese Arbeit im engeren Sinne eine postkonstruktivistische ist: In der Vorstellung erfolgt die Herstellung; es geht nicht nur um ein (z.B. diskursives) Konstrukt, sondern die darin enthaltene direkte Realisierung von Wirklichkeit. Dies hat auch Konsequenzen für das Selbstverständnis von in der Wissenschaft Arbeitenden: Auch und besonders sie produzieren am laufenden Band Realitäten. Dabei „kann ein gegenseitiges Beeinflussungsverhältnis zwischen wissenschaftlichem und alltäglichem Geographie-Machen postuliert werden“ (Werlen 1997: 2). Daraus folgt kurzum: „Die Bemühung um die wahrheitsgetreue Darstellung eines vergangenen ‚Gegenstandes‘ erscheint [...] als eine Spiegelfechterei, mit Wirklichkeit und Sinn hat sie nichts zu tun“ (Goertz 2001: 102). Oder anders ausgedrückt: Es geht nicht um diskursive Repräsentationen einer Wirklichkeit, sondern um die konkreten, tatsächlichen Realisierungen und unmittelbaren, gleichwohl oft unintendierten Vollzüge eben dieser
13 So konstatiert z.B. der Historiker Haas einen „Theory Turn“ in der Geschichtswissenschaft (2015).
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in Prozessen des eigenen Denkens, Beobachtens oder vielerlei anderer Praktiken.14 Im Kontext des Forschungsvorhabens kann in diesem Sinne untersucht werden, wie sich die betrachteten Migranten (scheinbar?) selbst in britische mental maps über ökonomische wie auch rechtliche Zusammenhänge einfügen, sich mithin selbst ökonomisieren bzw. verrechtlichen und demnach zu (Re-)Produzenten ihrer eigenen (oder doch der ihnen vermittelten?) Wahrnehmung bzw. Wirklichkeitskonstruktion werden. Wenn nämlich Menschen beispielsweise in nach westlichem Muster rational wirtschaftende Akteure transformiert werden, wenn diese ökonomischen Logiken als normal und selbstverständlich erscheinen, wenn westlich-europäische Ökonomien und Märkte in ihren Aufführungen und ihren Ausdrücken performativ werden können (vgl. Berndt & Boeckler 2007, Boeckler & Berndt 2011), dann stellt sich die Frage, wie ein auf ökonomischen Logiken aufbauender Diskurs durch Machtasymmetrien hegemonial wird. Die hier präsenierte theoretisch-konzeptionelle Herangehensweise weist in diesem Sinne vielerlei Überschneidungen zu in der Tradition poststrukturalistischer Analyseansätze stehenden Forschungen auf, von denen an dieser Stelle einige kurz angerissen werden solen. Mit Bezug auf Nonhoff könnte diese Arbeit etwa „als Hegemonieanalyse, genauer als Analyse hegemonialer Strategeme“ (Nonhoff 2014: 185) bezeichnet werden, wenn der Frage nachgegangen wird, „wie eine bestimmte Denkweise oder Perspektive politisch vorherrschend werden konnte“ (ebd.). Die Frage wäre nun, ob auch nicht-politische Ordnungen mittels einer Hegemonieanalyse betrachtet werden können, wenn man davon ausgeht, dass auch ökonomische und rechtliche, d.h. ökonomisierte und ökomisierende bzw. verrechtlichte und verrechtlichende Diskurse große Wirkung entfalten.
14 Barad erklärt dies wie folgt: „Ein performatives Verständnis diskursiver Praktiken stellt den repräsentationalistischen Glauben an die Macht der Wörter in Frage, schon vorhandene Dinge zu repräsentieren. Im Unterschied zum Repräsentationalismus, der uns über oder außerhalb der Welt ansiedelt, auf die wir angeblich nur reflektieren, hebt ein performativer Ansatz das Verständnis des Denkens, Beobachtens und der Theoriebildung als Praktiken der Auseinandersetzung mit der Welt, in der wir existieren, und als Teil dieser Welt hervor. Die richtig verstandene Performativität ist keine Aufforderung, alles (unter anderem auch materielle Körper) in Wörter zu verwandeln; im Gegenteil, die Performativität bestreitet gerade die übermäßige Macht, die der Sprache zugestanden wurde, um zu bestimmen, was wirklich ist“ (Barad 2012: 9). Zum Wirklichkeitsbegriff in der kulturtheoretischen informierten Geschichtswissenschaft siehe auch Haas & Wischermann (Hrsg.) (2015).
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Des Weiteren spricht Reuber etwa mit Bezug zu Foucault (1981) von „Archive[n]“ (Reuber 2012: 188 ff.) als „tief in den gesamtgesellschaftlichen Diskurs eingeschriebenen Wissensordnungen“ (ebd.: 188). Wirtschaft und Recht (sowie weitere normative Ordnungen wie Religion) erscheinen demnach als archivierte und gleichzeitig archivierende Formationen mit hohem Wirkpotenzial durch alltägliche, unbewusste Reproduktionen, Stabilisierungen und/oder Verstetigungen von Seiten subjektivierter Menschen. Denn normative Ordnungen „bekommen eine besondere Macht, wenn sie über eine gewisse Zeit stabil bleiben und als hegemoniale Deutungsschemata eine breite Akzeptanz erfahren“ (ebd.: 201). Auffällig ist an diesem Zitat, dass Reuber von „bekommen“ schreibt – normative Ordnungen wirken nämlich nicht ‚einfach so‘, sondern bedürfen der (unbewussten oder bewussten) Akzeptanz; normative Ordnungen „bekommen“ demnach performativ(e) Macht ‚verliehen‘: durch aktive, gleichwohl oftmals nicht reflektierte, Zuschreibung seitens subjektivierter Menschen. „Aus dieser Sicht ist beispielsweise auch der kleine, alltägliche Nationalismus ein Vollzug, eine Bestätigung und damit eine ‚Er-Mächtigung‘ der entsprechenden diskursiven Ordnung“, erläutert Reuber (ebd.: 204). In diesem Zusammenhang ist überdies eine Erkenntnis von Eade erwähnenswert: „Although the literature on the colonial period primarily focuses on migrants themselves, attention must also be paid to the […] economic structures within which the migrants moved“ (Eade 2013: 282). Ergänzt werden müsste hier – in der Ausrichtung der Studie „Macht(W)Orte“ auf ökonomische, aber eben auch auf rechtliche Hegemonien – zumindest noch die Dimension Recht, denn um der „Vielfalt normativer Ordnungen“ (Fahrmeir & Imhausen [Hrsg.] 2013) zumindest annähernd gerecht zu werden, sollen im Rahmen des Projekts „Macht-(W)Orte“ gleich zwei dieser Ordnungskonglomerate anhand eines empirischen Fallbeispiels vorgestellt werden. Über ein simplifizierendes Strukturverständnis versucht der Autor allerdings hinauszugehen, indem mit dem Konzept normativer Ordnungen auch deren aktive (Re-) Produktionen in alltäglichen Imaginationen, Diskursen, Praktiken sowie bedeutungsvollen nicht-menschlichen, d.h. materiellen sowie technischen ‚Akteuren‘ als gleichzeitige Vor- und Herstellung von Machtrealitäten adressiert werden. Für das Verständnis dieser Selbst-Ermächtigungen, dieses Sich-selbst-Einfügens in normative Ordnungen in Korrespondenz mit gesellschaftlichen Diskursen, der Bedeutung und Wirkkraft von materiellen und technischen Arrangements sowie praktischen Aufführungen hilft uns das Konzept der Gouvernementalität, das Foucault in zwei Vorlesungsreihen aus den Jahren 1977 bis 1979 mit den Titeln „Sécurité, Territoire, Population“ (2004b) und „Naissance de la Bio-
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politique“ (2004a) am Collège de France vorstellte.15 Foucault spricht diesbezüglich zusammenfassend von einer „régulation interne de la rationalité gouvernementale“ (Foucault 2004a: 12); Gouvernementalität lässt sich demnach als internalisierte Responsibilisierung (be-)greifen.16 Menschliche und nicht-menschliche Akteure reproduzieren in diesem Sinne den Diskurs, realisieren ihn performativ, vollziehen ihn in der – bewussten oder (zumeist) unbewussten – Bestätigung, ‚er-mächtigen‘ ihn so. Denn die Frage ist: „War und ist denn jede Akteurshandlung ‚bewusste‘ Konstruktion“ (Schulze 2016: 283) von Realität? Wer „alles Handeln als intentional begreift, alles Handeln auf ein Ergebnis rückbindet“ (ebd.), macht es sich sicher zu leicht – vielerlei Realitäten entstehen gerade nicht-intentional, nicht selten zufällig, im Zu-
15 Foucault definiert darin: „Par ce mot de ‚gouvernementalité‘, je veux dire trois choses. Par ‚gouvernementalité‘, j’entends l’ensemble constitué par les institutions, les procedures, analyses et réflexions, les calculs et les tactiques qui permettent d’exercer cette forme bien spécifique, quoique très complexe, de pouvoir qui a pour cible principale la population, pour forme majeure de savoir l’économie politique, pour instrument technique essential les dispositifs de sécurité. Deuxièmement, par ‚gouvernementalité‘, j’entends la tendance, la ligne de force qui, dans tout l’Occident, n’a pas cessé de conduire, et depuis fort longtemps, vers la prééminence de ce type de pouvoir qu’on peut appeler le ‚gouvernement‘ sur tous les autres: souveraineté, discipline, et qui a amené, d’une part, le développement de toute une série d’appareils specifiques de gouvernement [et d’autre part], le développement de toute une série de saviors. Enfin, par ‚gouvernementalité‘, je crois qu’il faudrait entendre le processus, ou plutôt le résultat du processus par lequel l’État de justice du Moyen Âge, devenu aus XVe et XVIe siècles État administrative, s’est trouvé petit à petit ‚gouvernementalisé‘“ (Foucault 2004b: 111 f.). 16 Reuber erläutert dies wie folgt: „Das zentrale Moment der GouvernementalitätsAnsätze besteht darin, dass man deutlicher als bisher die Verbindungen zwischen Formen der Fremd- und Selbststeuerung in den Blick bekommt. Foucault kann mit seinen Analysen deutlich machen, wie stark insbesondere die Sicherheitsgesellschaften der Moderne dadurch gekennzeichnet sind, dass ihre Mitglieder nicht nur durch übergeordnete ‚Fremdtechnologien‘ angeleitet werden. Sie haben vielmehr die gesellschaftlich hegemonialen Rationalitäten so weit verinnerlicht, dass sie als ‚Technologien des Selbst‘, als internalisierte Normen und Wertvorstellungen die Praktiken bzw. Handlungen der Menschen anleiten. Die Individuen disziplinieren sich selbst in einer Weise, dass sie zu funktionierenden Bestandteilen der hegemonialen diskursiven Ordnung werden“ (Reuber 2012: 205).
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sammenspiel von Mensch und Materialität, Diskurs und Praxis.17 Denn kolonialistisches Denken konnte auch von den Kolonisierten übernommen werden; es fand „durch Erziehung, Gewohnheit, Mangel an Alternativen und eine Art von Identifikation mit dem Aggressor oft Eingang in deren eigenen psychischen Habitus“ (Osterhammel 2009b: 117). Dieses kolonialistische Denken äußerte sich auch, so der Ansatz des Autors der hier vorliegenden Studie, in einer generellen Identitifikation mit der kolonialen rechtlichen und ökonomischen Ordnung, denn „ein Gefühl des Ungenügens gehört zur mentalen Grundbefindlichkeit eines jeden kolonisierten Volkes“ (ebd.: 118), das sich im Bestreben des Sich-Einfügens in diese Ordnungen und der damit einhergehenden – ja: diese erst ermöglichende – extern (d.h. durch sozio-materielle Repräsenten und Realisationen der Kolonialmacht) induzierten Selbst-Unterwerfung unter die „‚legitimen‘ Modelle des Deutens und Handelns“ (Truschkat 2017: 149 ff.) Anerkennung und Akzeptanz versprach. Damit nähern wir uns einer ‚Historischen Kulturgeographie des Unbewusstseins‘, wie der Autor sie als Weiterentwicklung eines schon etablierten Ansatzes vorstellen möchte.18 Mit diesem Verständnis lässt sich im Rahmen dieses Vorhabens insbesondere folgender Frage nachgehen: In welche Welt-Bilder und, im wahrsten ökonomischen Sinne des Wortes, ‚Wert‘-Vorstellungen – hier sind dies die in den betrachteten Lebensgeschichten der Migranten imaginierten (und damit performativ wirkmächtigen) Imperative wirtschaftlicher und rechtlicher Logiken, die (oft auch miteinander verwoben) die konkrete Wirklichkeitsvor- und damit gleichzeitig -herstellungen anleiten und von den Migranten in ihrer Wirk-
17 Schulze (2016: 283) geht etwa auf die Krafwerksarbeiter von Fukushima oder auf einen Sklaven auf einer Plantage in der Karibik des 18. Jahrhunderts ein, die die globalen Auswirkungen, das eigene ‚Globalisierung-Machen‘, was wir ihnen heute zuschreiben, gar nicht reflektiert haben. Aktive Herstellung sei daher eher selten. 18 Damit spielt der Verfasser auf ein Konzept an, das Reinhard erwähnt: „Im Mittelpunkt der Kulturgeschichte des Imperialismus steht die Kolonisation des Bewusstseins (colonization of consciousness), die Internalisierung des Imperialismus, aber eben nicht nur bei den Untertanen der Imperien – das wäre nichts Neues –, sondern auch bei den Reichsvölkern selbst. Dabei handelte es sich aber auf beiden Seiten nicht nur um Beeinflussung oder sogar Manipulation seitens der imperialistischen Eliten und ihrer Vertreter, sondern ebenso um willige Selbstkolonisation der betroffenen Massen, um Akzeptanz als Selbstläufer“ (Reinhard 2016: 871 f.). Reinhard geht allerdings (fälschlicherweise?) immer von „williger“, d.h. offenbar bewusster Selbstkolonisation aus – im Rahmen dieser Arbeit betone ich die Kolonisation des Unbewusstseins.
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mächtigkeit reproduziert werden – fügen sich die Migranten durch ihre (zur Sprache gebrachten) Vorstellungen unbewusst und nicht-intentional ein? Bei der Beantwortung dieser Frage wird sich für die im Folgenden betrachteten Migranten zeigen: Diese Vorstellungen sind erstaunlich kohärent – als ob ein stark wirkender, gesellschaftlicher Konsens hierüber bestünde.19 Die hier analysierten Teilordnungen Wirtschaft und Recht stehen zudem, wie sich zeigen wird, nicht im Widerspruch zueinander, sondern reproduzieren sich diskursiv gegenseitig in der Interaktion mit sie ‚wert-schätzenden‘ Menschen. Es darf allerdings vorab schon festgehalten werden, trotz aller prozessorientierten Gouvernemenetalitäts-Archiv-Perspektive in diesen Zeilen, die wegen der in den betrachteten Lebensgeschichten hervorstechenden – zumindets groben – Übereinstimmung von (Be-)Deutungen seitens der Migranten ihre Berechtigung haben sollte, dass normative Ordnungen (sich) mit der Zeit auch verändern können (vgl. Reuber 2012: 201 f.) – je nach Stärke und Richtung der unbewussten und/oder bewussten Bedeutungszuschreibung. Normative Ordnungen sind damit kraftvolle, meist unbewusst wirkende, im Falle der vorliegenden Arbeit (post-)koloniale Machtkonglomerate unter dem Einfluss von Zivilisierungsdiskursen.20 In dieser Forschung geht es dabei gerade um den sich selbst hervorbringenden Vollzug von normativen Ordnungen: „Macht-(W)Orte” dekonstruieren die Performativität dieser kraftvollen mental maps. Normative Ordnungen erscheinen so als unbewusste „Rechtfertigungsnarrative“ (Fahrmeir [Hrsg.] 2013), die durch Subjektivierungsprozesse entstehen. Mit Deleuze und Guattari (1977) ließen sich normative Ordnungen ferner auch als „Rhizom“ deuten, als vielfach miteinander verworren verwobenes, in großen Teilen ihrer Gesamtheit auf den ersten Blick weitgehend unsichtbares und zudem noch in weiten Teilen undurchsichtiges, wild wucherndes Wurzelgeflecht im Kontext einer immer wieder von Neuem beginnenden „Herausbildung normativer Ordnungen“ (Forst & Günther [Hrsg.] 2011).
19 Dies verweist auf den Einzelfallcharakter, dem sich die hier vorliegende Studie verschreibt. Insgesamt gilt nämlich für die im Rahmen dieses Vorhabens betrachteten Zeiträume, dass vorkapitalistische und kapitalistische Wirtschaftsformen teils bis nach dem Zweiten Weltkrieg oftmas ko-existierten (vgl. Bhattacharya 2006: 7). Dafür mag es vielerlei Beispiele geben; in dieser Arbeit erscheint das Leben der aus Südasien stammenden Männer indes ausschließlich in stark kapitalistisch aus- und abgerichteter Form. 20 Schon Scott (1998) analysierte implizit die performative, wirklichkeitshervorbringende Macht europäischer Staatengenese.
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Zentral für die in Kapitel 4 dieser Arbeit noch näher vorzustellenden Kategorien Wirtschaftswirkung und Rechtsrealisierung ist dabei das Konzept der Identität, denn „migration involves a process of recreating oneself, and one’s community“ (Gardner 1995: 8). Neben „kollektive[n] Identitätsformen wie Geschlecht, Sexualität, Ethnizität, Rasse oder nationale[r] Identität“ (Pott 2007: 32) lassen sich diesbezüglich auch Ökonomie und Recht als weitere Träger von Identität feststellen. Dabei gilt nach dem Cultural Turn, dass Identitäten immer flüssige, wandelbare und ambivalente Formen sind (ebd.: 28). Gerade im Kontext von Migrationsbewegungen „entstehen neue Identitäten, die ihrerseits hybride Züge annehmen. Beobachtet wird eine narrative Deplatzierung und Neusituierung. Diese muss nicht als Verlust empfunden werden. Im Gegenteil eröffnet dieser Prozess neue Lebenschancen“ (ebd.: 31 f.). Es gilt somit, neutral formuliert, die Prämisse: „Migration bedeutet zunächst Grenzüberschreitung – und zwar ebenso in einem physischen wie in einem metaphorischen Sinn. Der Migrant bricht auf – und aus“ (Schiffauer 2006: 103). Wenn wir in diesem Zusammenhang „Identities between integration and conflict“ (Toledano [Hrsg.] 2012) (be-)greifen, leuchtet es ein, vielerlei sich potenziell wandelnde „Selbstdarstellungsanstrengungen“ (Pott 2007: 38) in den Blick zu nehmen, die den erwähnten Lebensgeschichten inhärent sind. Verschiedene Facetten der Wissensproduktion sowie Identitätsformation spielen in diesem Kontext eine Rolle, wobei gerade die migrantischen Selbstformatierungen betrachtet werden müssen, da Auswanderer auch ihre Lebensgeschichten oft in der Ausrichtung auf bestimmte Kategorien bzw. Verständnisse von Migration hin erzählen und diese Kategorien bzw. Verständnisse dadurch dann reproduzieren (vgl. McKeown 2011: 63). Derartige Selbst-Verständnisse und deren Herstellungs(un)möglichkeiten müssen im Rahmen des Projekts kritisch diskutiert werden. Bislang wurde die Wirkmächtigkeit von Ökonomie und Recht in Bezug auf Migration noch kaum zusammen betrachtet – in ihren Inderdependenzen und ihrer Reziprozität. In hart geschnittenen Szenen wirft das Vorhaben gerade in diesem Tenor Schlaglichter auf diese beiden normativen Ordnungen in ihren jeweiligen Herstellungs- und Verfestigungsrhythmen, unter die Termini ‚Rechtsrealisierung‘ sowie ‚Wirtschaftswirkung‘ subsumiert. Beide Prozesse mögen aus Gründen der Eingängigkeit und ‚Griffigkeit‘ unterschiedlich benannt sein und im Einzelnen unterschiedliche Ausformungen, Ausdrücke und Akzente aufweisen, meinen aber im Kern das Gleiche: die (Re-)Produktion hegemonialer Narrative und diskursiver Machtapparaturen. Dabei soll nicht zuletzt auf „inszeniertes Wissen“ (Kiesow & Schmidgen [Hrsg.] 2006) eingegangen werden. Denn analog zu den Selbstinszenierungen von Wissenschaftlern, die nicht nur die Wissenschaft selbst, sondern gleichermaßen das Bild von ihr prägen können (vgl. z.B.
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Breidbach 2006, Hilgartner 2006), personalisieren auch die Migranten nicht nur Wirtschaft und Recht, sondern prägen das Bild von diesen wirkmächtigen Ordnungen ihrerseits selbst, stellen sie schließlich her. Derartige Prozesse sind dabei „immer in ein Spiel der Macht eingeschrieben, immer aber auch an eine Begrenzung oder besser gesagt: an Grenzen des Wissens gebunden, die daraus hervorgehen, es gleichwohl aber auch bedingen“ (Foucault 1978: 123). In diesem Kontext geht es hier um jene „Strategien von Kräfteverhältnissen, die Typen von Wissen stützen und von diesen gestützt werden“ (ebd.). Das Ritornell der Wirkmächtigkeit von Wirtschaft und Recht wurde dabei schon vielfach aufgezeigt, auch ihre performativen Realisierungen (vgl. z.B. Berndt und Boeckler 2007 zu marktförmigem Handeln in der Agrar- und Bioökonomie Ghanas, in Grenzregimen zwischen den Mexiko und den USA oder in der ‚Vertrauensarbeit‘ syrischer Unternehmer; Diaz-Bone und Krell [Hrsg.] 2009 zur Wirkkraft ökonomischer Diskurse; Müller-Mall 2012 zur Realisierung von Recht in alltäglichen juristischen Sprechakten). In gebündelter Form sollen hier derartige Ansätze aufgegriffen und akut aktuelle Thematiken (die Vermarktlichung von Bildung in Wissensökonomien; die polyvalenten Effekte von Migration; die zunehmende Bedeutung des Indischen Ozeans als identifizierbarer geistes- und sozialwissenschaftlicher Forschungsschwerpunkt der letzten Jahre, aber auch gesamtgesellschaftlich: in der Betrachtung des Indischen Ozeans als hochgradig relevant erscheinender geostrategischer, wirtschaftspolitischer und soziokultureller, schließlich ökologischer [Berg et al. 2002: 597] Hotspot des 21. Jahrhunderts)21 aufgezeigt, in historische Kontexte – „There can be little question that the global forces of imperial domination played out their historical drama on the Indian ocean stage in the nineteenth and the twentieth centuries“ (Bose 2006: 273) – eingebettet und in vom Cultural Turn inspirierter Form kulturtheoretisch informiert gedacht werden. Dabei müssen ergebnisoffene Formulierungen angepeilt werden, wenn diese Arbeit lediglich als eine Form der Wirklichkeitsauffassung vor der Prämisse multipler Realitäten konzipiert ist. So gestrickt ergeben sich vielerlei heterogene Ansätze und Entwicklungsstränge, die in offenen Dialog treten sollen und fruchtbare Reibungspunkte auf dem multiperspektivischen Spielplatz kulturtheoretisch informierter Disziplinen aufzeigen könnten.
21 Wenn der Globale Süden im post-amerikanischen Zeitalter zunehmende – wirtschaftliche und politische – Bedeutung erfährt, dann gilt dies insbesondere für seine jetzt schon dynamischsten Akteure. Als einer von ihnen gilt gemeinhin Indien (vgl. z.B. Hilger & Unger 2012: 9, Hofmeyr & Williams [Hrsg.] 2011b).
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(3) Kulturtheorie zwischen den Disziplinen Das Forschungsprojekt geht der Frage nach, wie Logiken westlich-kapitalistischer Wirtschafts- und Rechtsordnungen in alltäglichen Situationen performativ werden, d.h. wie „das alltägliche Geographie-Machen“ (Werlen 1997: 2) von Menschen qua rechtlicher und ökonomischer Bedeutungszuschreibungen seine Welt-hervorbringende Realisierung findet. Dabei bemüht es Anleihen aus den verschiedensten kulturtheoretisch ausgerichteten humanwissenschaftlichen Disziplinen, ohne einer oder mehreren von ihnen übermäßige Priorität einzuräumen. Insbesondere verkörpert es Elemente einer kulturwissenschaftlich betriebenen Rechtswissenschaft22, Humangeographie23 sowie wirtschafts- und globalbezogener Geschichtswissenschaft24 (gleichsam sollen auch andere Geistes- und So22 Wie z.B. bei Cottier et al. (Hrsg.) (2010), Diehl et al. (Hrsg.) (2006b), Kahn (1999), Leonard (Hrsg.) (1995), Müller-Mall (2012), Sarat und Simon (2001) oder auch Senn und Puskás (Hrsg.) (2007) diskutiert. 23 Siehe z.B. Berndt und Boeckler (2007) oder Boeckler und Strüver (2011). 24 Siehe z.B. Bayly (2006), Beckert (2014), Conrad (2016), Frank (1998), Osterhammel (2009a), Reinhard (2016) oder Subramanian (2010a); vgl. auch Rothermund (2004: 281 ff). Zum Begriff ‚Globalgeschichte‘: Maßstäbe im Bereich globalhistorischer Forschung setzte in jüngerer Vergangenheit neben Osterhammels „Die Verwandlung der Welt“ (2009a) und Reinhards „Die Unterwerfung der Welt“ (2016) insbesondere Beckerts „Empire of Cotton“ (2014). Beckerts Ansicht nach spricht generell vieles für eine globale Perspektive: „Yet only a global viewpoint allows us to understand the great realignment that each of the[] local stories was part of” (ebd.: xxi). Dies gelte insbesondere für den Gegenstand Ökonomie, denn „capitalism has been globespanning since its inception and [...] fluid spatial configurations of the world economy have been a common feature of the last three hundred years. The book argues [...] that for most of capitalism’s history the process of globalization and the needs of nationstates were not conflicting, as is often believed, but instead mutually reinforced one another“ (ebd.). Mit seinem globalhistorischen Ansatz adressiert Beckert „a larger conversation among historians, trying to rethink history by looking at it within a transnational, even global, spatial frame. History as a profession emerged hand in hand with the nation-state, and played an important part in its constitution. But by assuming national perspectives, historians have often underemphasized connections that transcend state borders, settling for explanations that can be drawn from events, people, and processes within particular national territories“ (ebd.). Dabei muss beachtet werden: „Globalgeschichte ist weder ein eigenständiges Forschungsgebiet mit charakteristischen Methoden noch ein inhaltliches Dogma“, so Osterhammel (2007: 19). Oftmals werde auch von ‚Weltgeschichte‘ gesprochen – „will man differenzieren,
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zialwissenschaften – wie etwa die Soziologie und die Wirtschaftswissenschaften – adressiert werden); zwischen sowie jenseits Cultural Economic/Legal Geography und Cultural Economic/Legal History, um die englischen Termini zu benutzen, spannt sich sein inter-, trans- oder bisweilen postdisziplinärer Rahmen – „like a flickering slide show“ (Moorthy & Jamal 2010b: 17). In dieser Gemengelage sind die Übergänge zwischen den Disziplinen fließend – und doch spürbar. Ein derartiger Ansatz verortet sich deshalb als Scharnier zwischen bzw. mitunter gar oberhalb der verschiedenen Wissenschaftskulturen. Damit könnte die vorliegende Arbeit in jeder von ihnen sowie in ihren jeweiligen Nachbardisziplinen fruchtbar wirken. In dieser entsprechenden Ausrichtung geht die Studie mit Bender und Eck konform, deren Selbstbeschreibung auch für diese Arbeit zutreffend ist: „Das hier vorgeschlagene Unternehmen […] erweist sich als anschlussfähig für Forschungen im Rahmen der Cultural Studies, der Wissenssoziologie, Diskurs- und Biografie- sowie Dispositiv- und Gouvernementalitätsforschung“ (Bender & Eck 2014: 496). Vom Cultural Turn inspiriert, versucht das vorliegende Vorhaben dabei letztlich, Chancen – mithin Windows of Opportunity – zum alternativen Verständnis von Ökonomie und Recht zu eröffnen sowie dezidiert aufzuzeigen. Neben traditionellen Mainstream-Richtungen in Wirtschafts- und Rechtswissenschaft können nämlich kulturtheoretische, d.h. insbesondere in der Tradition des
dann wäre ‚Weltgeschichte‘ die Geschichte der verschiedenen Zivilisationen auf der Welt unter besonderer Berücksichtigung des Vergleichs zwischen ihnen, ‚Globalgeschichte‘ hingegen primär die Geschichte der Kontakte und Interaktionen zwischen diesen Zivilisationen“ (ebd.: 18 f.). Auch Gerstenberger und Glasman konstatieren: „Unter dem Label ‚Globalgeschichte‘ werden ganz unterschiedliche, z.T. widersprüchliche Auffassungen des Globalen als Maßstab – von einer reinen Fiktion über eine legitimierende Erzählperspektive bis zur vermeintlich natürlichen planetarischen Gegebenheit – postuliert. [...] Unklar beibt in globalhistorischen Publikationen oft, ob Globalisierung der erklärende Faktor oder das zu erklärende Phänomen ist – und ob ‚global‘ überhaupt als ein Begriff mit analytischem Wert fungiert“ (Gerstenberger & Glasman 2016a: 40). Im Gegensatz zu globalhistorischen Ansätzen verstehen kulturelle Geographien, d.h. eine kulturtheoretisch induzierte, vom Cultural Turn inspirierte Humangeographie, „Globalisierung […] nicht als beschreibende Kategorie ökonomischer Internationalisierung, sondern als epistemologischen Begriff, der im Bündnis mit ‚postkolonialen Theorien‘ den Blick wieder freigegeben hat auf die Kontingenz vertrauter binärer Oppositionen“ (Boeckler 2005: 11 f.). Boeckler hatte 2005 gleichwohl noch nicht jüngere globalhistorische Ansätze vor Augen, die das Globale als Perspektive begreifen (z.B. Conrad 2016).
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Cultural Turn stehende Wege aufgezeigt werden, die den Blick auf Wirtschaft und Recht facettenreich erweitern bzw. modifizieren könnten. Wie eingangs schon erwähnt: Diese alternative Perspektive möchte damit keinesfalls Deutungshoheit beanspruchen, sondern einen gleichberechtigten Platz neben anderen theoretischen Ansätzen bzw. Lösungswegen anstreben und dabei am empirischen Beispiel des Indischen Ozeans und seiner facettenreichen Geschichte(n) und Geographie(n) zum Dialog anregen.25 Gleichermaßen möchte der Autor nicht als kulturtheoretischer Rattenfänger erscheinen, der die ‚harten‘ juristischen und ökonomischen Imperative durch kulturwissenschaftliche Konjunktive ‚aufweicht‘ (wohl aber: deren Wirkmächtigkeit aufzeigt);26 im Gegenteil: Durch die performative Linse auf wirklichkeitsmachende Materialitäten lässt sich über einen rein diskursorientierten Konstruktivismus hinausgehen und gerade die etwa in der Humangeographie schon seit längerem verortete Debatte um den wirkmächtigen Stellenwert von Technologie und Materialität (vgl. z.B. Müller 2013) in die Rechts- sowie die Geschichtswissenschaft tragen. Die Affinität von Geographen zu materiellen und visuellen Aspekten der Welt ist dabei ein Kontinuum ihrer Disziplingeschichte. Gräbel, der eine detailreiche Studie zur deutschen Kolonialgeographie vorgelegt hat (2015), formuliert beispielsweise: „Die deutschen Kolonien wurden mit Taschenuhr, Kompass und Notizbuch erobert. [...] Die Bemächtigung von Raum, Mensch und Ressourcen beruhte auf geographischen Wissensformen: Karten, Statistiken, Verzeichnissen
25 Moorthy und Jamal (2010b: 18) preisen in diesem Sinne insbesondere das immense Reservoir an fruchtbaren potenziellen Verknüpfungen von Kulturtheorie im Sinne der Cultural Studies sowie des Gegenstandes Indischer Ozean. Weiter lässt sich in diesem Zusammenhang auf das kreative und innovative wie auch auf das reflektierende, kritische, sich einbringende Potenzial der Cultural Studies verweisen (vgl. hierzu ebd.: 19, Subramanian 2010a: 138). Indian Ocean Studies müssen in diesem Kontext, bei aller Spezialisierung, transdisziplinär und multiperspektivisch die Einbindung ihres jeweiligen Gegenstandes, in diesem Falle der Konstruktion und (Re-)Produktion von positiv aufgeladenen Bildern von Europa bzw. England, in ökonomische, rechtliche, soziale und kulturelle Implikationen durch die Rekurrierung auf verschiedene humangeographische, kulturwissenschaftliche oder verwandte Konzepte gewährleisten, wenn die Errungenschaften des Cultural Turn nicht negiert werden wollen (Hofmeyr & Williams 2011a: 7, Bachmann-Medick 2006). Diese Arbeit gedenke ich somit im Rahmen der Indian Ocean Cultural Studies zu verorten, wie sie Muecke (2010) entwirft. 26 Dazu auch Schwegmann (2016: 28).
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und länderkundlichen Berichten“ (ebd.: 9), oft bewegte man sich zudem „in den Netzen kolonialer Infrastruktur“ (ebd.: 158 ff.). Materialitäten und Techniken wurden gleichwohl nicht nur als nützliches praktisches Instrument für WeltErschließungen verwendet, sie waren auch oft genug der Forschungsgegenstand geographischer Analysen (vgl. ebd: 201 ff., 298). Damit (re-)produzierte sich regelmäßig die traditionelle geographische Sicht, dass scheinbar alles materiell und räumlich erklärbar sei (vgl. Gräbel 2015, Schröder 2011). Ihre Technikaffinität verschränkte sich in der Kolonialzeit insbesondere in der Euphorie für Verkehrstechnologien wie dem Eisenbahnbau (vgl. Gräbel 2015: 335 ff.) oder der Dampfschifffahrt. Diese technik- und infrastrukturaffinen Diskurse ‚färbten‘ zudem auf die Kolonisierten ab – wie auch die ökonomische Bewertung der „Kolonien als Wirtschaftsraum der Zukunft“ (ebd.: 311 ff.): Deartige Bewertungen der Welt – und insbesondere der Kolonien – nach ökonomischen Kriterien wurden von den Kolonisierten (in aller Regel unbewusst) angenommen und dadurch realisiert und reproduziert. Neben diesen materialitäts- und technikaffinen Traditionssträngen in der Humangeographie erkennt Kirsch in den letzten Jahren einige Material Turns oder „Materialist turns“ (Kirsch 2013) in der Humangeographie als ‚geerdete‘ Antwort auf innerfachliche Identitätskrisen, ausgelöst von poststrukturalistischen, (de-)konstruktivistischen Wörterwüsten: „A series of ‚cultural turns‘ across human geography have left cultural geography itself with something of an identity crisis“ (ebd.: 433). In desem Sinne plädiert Kirsch für ein entschiedenes „re-‚thinging‘ the Anthropocene landscape“ (Kirsch 2015) in kulturtheoretisch ausgerichteter historisch-geographischer Perspektive. Diese Anregungen sollen in dieser Arbeit aufgenommen werden. Aus humangeographischer Sicht kann zugleich dem „Trend von einer zunehmenden Ausdifferenzierung einzelner Teildisziplinen der Humangeographie (‚Bindestrich-Geographien‘) hin zu einer stärker problem- und themenzentrierten humangeographischen Querschnittsforschung“ (Gebhardt & Reuber 2011: 645) sowie dem „Trend von der disziplinären Verengung hin zu einer stärker interdisziplinären Öffnung in Richtung der gesellschaftlichswissenschaftlichen Nachbardisziplinen und einer aktiven, konzeptionell reflektierten Teilnahme an den transdisziplinär verhandelten ‚großen Debatten‘“ (ebd.) Rechnung getragen werden, indem sich diese Arbeit – inter- oder gar transdisziplinär anschlüssig – mit dem geistes- und sozialwissenschaftlichen ‚Großthema‘ normative Ordnungen beschäftigt – und zwar aus einer kulturtheoretisch reflektierten Humangeographie heraus; diese Überlegungen versucht der Autor dabei gleichermaßen auch für die Binnendifferenzierung bzw. Außendarstellung sowie das Selbstbild der Geschichts- und der Rechtswissenschaft zu denken.
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Überdies sei es sodann de rigueur, bei aller qualitativ-hermeneutisch ausgerichteten Verfassung des vorgestellten Ansatzes, eine Weiterentwicklung kulturwissenschaftlichen Arbeitens zu forcieren. Eine kulturwissenschaftliche Rechts- und Ökonomieanalyse kann dabei in ihrer alternativ-querdenkenden Rolle als konstruktive Antwort auf die z.B. in den Finanz- und Wirtschaftskrisen, aber auch in den Migrationsdebatten und Terrorismusproblematiken der letzten Jahre zu Tage getretene Krise orthodoxer, normativer MainstreamRechts- und Wirtschaftswissenschaft in ihren Mängeln an grundlagentheoretischen, selbstreflexiven, interdisziplinär anschlussfähigen und historisch-geographisch informierten Ausrichtungen angesehen werden. Im Folgenden soll nach diesem eher theoretisch-konzeptionellen und metareflektierenden Unterkapitel über den Forschungsstand und potenzielle Vorarbeiten anderer Autoren eine erste empirische Kontextualisierung mit Blick auf die Kolonialgeschichte Südasiens folgen. Anschließend wird dann in einem zweiten kontextualisierenden Block stärker thematisch – mit Blick auf die beiden inhaltlichen Stoßrichtungen dieser Arbeit: Wirtschaft und Recht – auf die maritime Handelsgeschichte des Indischen Ozeans eingegangen. Hierdurch soll der größere historisch-geographische Rahmen dieser Arbeit in Grundzügen erläutert werden.
B) E INE
KURZE
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Eine geographisch informierte (Kurz-)Erzählung der indischen – oder auch allgemeiner: der südasiatischen – Kolonialgeschichte könnte schon viel früher beginnen als bei jener Ankunft Vasco da Gamas im Jahr 1498. Denn vor der Ankunft der Portugiesen über den Seeweg war der indische Subkontinent bereits Schauplatz vieler Volksgruppen, die gleichwohl nicht als Kolonisatoren auftraten: Griechen, Hunnen, Araber, Türken, um nur einige zu nennen, kamen seit jeher in der Regel über den Landweg, genauer: über den 1070 m hohen KhyberPass zwischen dem heutigen Pakistan und Afghanistan, jenem politischmilitärisch wie auch wirtschaftlich schon seit dem Altertum wichtigem Nadelöhr zum indischen Subkontinent und seinen vielfachen Verheißungen, das schon Alexander der Große wie auch Marco Polo und die muslimischen Mogulen nutzten. Letztgenannte errichteten, aus Zentralasien stammend, mit ihrer Herrschaft über die südasiatischen Völker ein von 1526 bis ins 18. Jahrhundert Bestand ha-
27 Vgl. zur Unterstützung der hier dargelegten Gedanken auch die Karten im Anhang dieser Arbeit (Kap. 6b).
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bendes Großreich, das neben Teilen des heutigen Afghanistans nahezu den gesamten Subkontinent umfasste und lange Zeit parallel zu – mit der Zeit stärker werdenden – europäischen Einflüssen über den Seeweg existierte (vgl. Markovits 2002). Die Portugiesen, deren maritime Vorherrschaft in Asien um 1500 kein territoriales Äquivalent fand – bis auf Goa, das bis 1961 unter portugiesischer Kontrolle blieb, beschränkte sich ihre Herrschaft auf einige Stützpunkte an den Küsten des Indischen Ozeans (vgl. Coutansais 2016: 93 ff., 97 ff.) – waren somit nicht die ersten Neuankömmlinge. Und doch läutete ihre Ankunft eine Welle europäischer Kontrahenten ein, die ebenfalls auf dem Seeweg – und allesamt kommerziell motiviert durch ostindische Handelskompanien – noch folgen sollten: Engländer, Niederländer und Franzosen (vgl. auch Dharampal-Frick 1994: 5, 21). Durchsetzen konnten sich schließlich ab dem späten 17. und vor allem im Laufe des 18. Jahrhunderts die Briten nach dem Ausbau ihrer Handelsstandorte in Madras, Bombay und Kalkutta. Ihr Kolonialreich auf dem indischen Subkontinent sollte schließlich von 1858 bis zur Unabhängigkeit nebst blutiger Teilung Indiens 1947 Bestand haben.28 Die britische Eroberung als Kolonie erfolgte dabei durch die englische East India Company, die von 1600 bis 1857 als privatwirtschaftliche Vereinigung mit der Unterstützung durch den britischen Staat den Subkontinent über erste Stützpunkte bis hin zu einem umfassend gesicherten Handelsmonopol zunehmend territorial beherrschte, bevor Britisch-Indien dann direkt der britischen Krone unterstellt wurde. Britisch-Indien entwickelte sich dabei ergo von einer Stützpunkt- zu einer Herrschaftskolonie, ohne je Siedlungskolonie gewesen zu sein, d.h. ohne je – wie etwa Australien – mit dem Ziel belegt worden zu sein, von Briten besiedelt zu werden (vgl. Dharampal-Frick & Ludwig 2009: 149). Die englische Einflusssphäre umfasste schließlich die heutigen Staaten Indien, Pakistan und Bangladesh. Dabei muss beachtet werden, dass die britische Herrschaft sich nicht nur über politische und wirtschaftliche Machtausübung, sondern insbesondere auch über mental-kulturelle Formen sowie deren prakti-
28 Die hier getroffenen zeitlichen Umgrenzungen der beiden angesprochenen Imperien auf indischem Boden, jenem der Mogulen sowie jenem der Briten, sind durchaus umstritten. So umreißt beispielsweise Markovits (2002) ersteres mit der Zeit von 1580 bis 1739 und ordnet letzteres in eine Periode von 1818 bis 1947 ein. Tatsächlich gab es mehr oder minder umkämpfte Übergangszeiten politischer ‚Reorganisation‘ ohne gesicherte Herrschaftsverhältnisse: Schon ab 1707, nach dem Tode des Großmoguls Aurangzebs, bestand das Mogulreich nur noch als symbolische Form.
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sche Realisierungen und Effekte im alltäglichen Leben der Südasiaten materialisierte (vgl. ebd.). Großbritannien nutzte für den geopolitischen und weltwirtschaftlichen Aufstieg bereits bestehende Handelsnetzwerke im Indischen Ozean, wobei es bis in die letzten Dekaden des 18. Jahrhunderts noch um den Handel mit Fertigwaren (u.a. Textilien) aus Indien nach Großbritannien ging. Ab dem Ende des 18. bzw. dem Beginn des 19. Jahrhunderts wurden dann Rohstoffe aus Indien exportiert. Als Folge wurde Indien von einem Fertigwarenexporteur zu einem Rohstofflieferanten degradiert und so die dortige Industrialisierung verhindert (vgl. Rothermund 1993: 50 ff.). Hohe Einfuhrzölle und Kollaborationen mit der indischen (ökonomischen) Elite – die später als ambivalente Allianz gegen die, zeitweilig aber auch mit der sich formierenden Nationalbewegung auserkoren wurde – avancierten ebenfalls zu Wegbereitern der ökonomischen Kolonialisierung, die zudem auf geostrategischer sowie regionalpolitischer Ebene durch die Ausschaltung des Rivalen Frankreich und die zunehmend instabile Lage des islamischen Mogulreichs begünstigt wurde. Als Schlüsselereignis gilt diesbezüglich die Schlacht von Plassey (1757), als Truppen der East India Company unter Robert Clive den Statthalter des Mogulkaisers in Bengalen besiegten. Infolgedessen erzielte Großbritannien große Landgewinne in Ostindien und zum Ende des 18. und Anfang des 19. Jhs. durch militärische Vorstösse in anderen Teilen des Subkontinents, wobei ökonomisch wenig profitabel erscheinende Gebiete als Fürstenstaaten unter offiziell indischer Herrschaft blieben, wenngleich auch diese Enklaven indirekt unter britischer Kontrolle standen (vgl. ebd.: 30). 1765 verlieh der Großmogul der East India Company umfangreiche Steuerrechte; die von der EIC betriebene wirtschaftliche Ausbeutung führte insbesondere in den 1770er Jahren zu Hungersnöten in Bengalen. In diese Zeit fallen auch Umstrukturierungen der Landwirtschaft (z.B. mit der Umstellung auf eine Plantagenwirtschaft zur gezielten Produktion von Cash Crops, also der exportorientierte Produktion für den Markt und nicht mehr zur Selbstversorgung), die zu umfangreichen Binnenmigrationsbewegungen führten. Parallele Bürokratisierungsbemühungen führten zur zunehmenden Regulierung, kodifizierten Verrechtlichung und engmaschigen Verwaltung des Subkontinents unter dem vereinheitlichenden politischen Konstrukt des British Raj, während zugleich Herrschafts- und Zivilisierungsdiskurse die kolonial-binäre Stereotypenbildung forcierten – wenngleich weder die Südasiaten noch die Europäer intern homogene Gemeinschaften bildeten (vgl. Dharampal-Frick & Ludwig 2009: 150 ff.). Trotz multipler Wechselbeziehungen zwischen Kolonisierten und Kolonialisten „reichte das Ausmaß der kolonialen Intervention [...] bis in die indische Selbstwahrnehmung und ist somit keinesfalls zu unterschätzen“ (ebd.: 152).
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Mitte des 19. Jahrhunderts war Indien de facto in Gänze der britischen Herrschaft unterworfen. Gleichwohl formierte sich Widerstand gegen die neuen Machthaber, wie etwa der zwei Jahre andauernde Aufstand von 1857 bis 1859 aufzeigt. In der Folge wurde die Ostindiengesellschaft, die sich ohnehin seit 1784 durch die neu errichtete Board of Control von Seiten der britischen Regierung einer staatlichen Kontrollinstanz ausgesetzt sah, aufgelöst, sodass die britische Herrschaft nun auch offiziell nicht mehr durch Händler ausgeübt wurde – die Krönung Queen Victorias zur Kaiserin von Indien (1877) war der letzte Akt auf dem Weg der Implementierung staatlicher Herrschaftssicherung. Diese lässt sich unter das strategische Credo des divide et impera fassen, was auf die selektive Bevorzugung bestimmter Bevölkerungsgruppen bzw. auf das bewusste Gegeneinanderausspielen der heterogenen indischen Bevölkerung untereinander bei gleichzeitiger administrativ-identitärer Vereinheitlichung des Subkontinents verweist. Insbesondere religiöse Zugehörigkeiten – wie vor allem jene zunehmend spannungsgeladene Untergliederung in Muslime und Hindus – wurden im Zuge dessen politisch instrumentalisiert (vgl. ebd.: 150 ff.). Die sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts verstärkt formierende indische (Bildungs-)Elite entpuppte sich zeitgleich als zunehmend kritischer Bevölkerungsteil, der die mangelnden Mitbestimmungsrechte, die von britischer Seite nach weitgehend verhinderte Aufnahme in den prestigeträchtigen Indian Civil Service sowie die wirtschaftliche Ausbeutung des Landes anprangerte, woraus infolgedessen die Gründung des Indischen Nationalkongresses resultierte (1885). Diese elitäre Gruppierung sicherte zwar einerseits in gewisser Weise bis 1919 noch loyal die britische Herrschaft in Form von Bittschriften an die koloniale Verwaltung, aber radikalisierte sich andererseits parallel dazu zunehmend (z.B. terroristische Gewaltakte nach der Teilung Bengalens 1905). Mit dem charismatischen Auftreten Mahatma Gandhis (1869-1948) auf der politischen Bühne im Jahre 1915 änderte sich zudem der Charakter der vormals elitären Vereinigung hin zu einer breitenwirksamen Massenbewegung unter Einbezug der Bauern. Der von Gandhi ausgerufene zivile Ungehorsam unterminierte im Zuge dessen die britische Herrschaftslegitimation, die sich immer auf die Zustimmung der indischen Bevölkerung berufen hatte. Gleichwohl zeigte der zunehmende Protest anfangs wenig Wirkung: Die britischen Machthaber reagierten mit Gewalt, aber auch mit wachsenden Zugeständnissen (z.B. durch das Government of India Act 1935, das die Bildung von Provinzregierungen ermöglichte), um den kolonialen Staat zu stabilisieren. Im Hintergrund behielt der Vizekönig das Vetorecht (vgl. ebd.: 153 f.). Angespornt durch die zunehmend besseren Ergebnisse bei Provinzwahlen (besonders 1937), proklamierte Nehru für den Indischen Nationalkongress die
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alleinige Vertretungsmacht über die indische Bevölkerung, was zu Konflikten mit der 1906 gegründeten Muslimliga, seit Mitte der 1930er Jahre unter Führung von Mohammed Ali Jinnah, und schließlich 1940 zu ihrer Forderung nach einem separaten muslimischen Staat in Südasien führte. Nachdem der Vizekönig Lord Linlithgow 1939 eigenmächtig den Kriegseintritt Indiens verkündete und in der Folge alle Kongressminister ihre Posten in den Provinzregierungen niederlegten, was der Muslimliga wiederum politische Vorteile verschaffte, nahmen die Spannungen weiter zu. Parallel zur zunehmend repressiven britischen Innenpolitik als Reaktion auf die sich verstärkenden Unruhen in Indien ab Ende 1941 entsandte die britische Regierung die Cripps Mission unter der Führung von Sir Crafford Cripps auf den Subkontinent, um die dortige Situation nach innen und außen – eine japanische Invasion schien im Bereich des Möglichen – zu stabilisieren. Dies führte jedoch nicht zur Beruhigung der Lage, sondern eher im Gegenteil: Gandhi startete im August 1942 seine Quit-India-Kampagne, im Zuge dessen der Indische Nationalkongress den sofortigen Abzug aller Briten aus Indien forderte. Die gleichzeitige außenpolitische Bedrohung durch potenzielle deutschjapanische Angriffe führte alsdann zur endgültigen Eskalation, da sich die britischen Machthaber nun genötigt fühlten, mit rigoroser Härte gegen den angekündigten innenpolitischen Aufstand der Inder vorzugehen. In der Folge starben ca. 1.000 Aufständische und 100.000 wurden verhaftet, darunter die komplette Kongress-Führung. Das Jahr 1945 brachte dann neue Impulse auf dem Weg zur Unabhängigkeit: Nach dem Sieg der Labour-Partei bei den britischen Parlamentswahlen trafen sich die Repräsentanten der einzelnen Lager (Vizekönig Lord Wavell, Nehru, Jinnah sowie im Hintergrund Gandhi, der im Januar 1948, kurz nach der tatsächlichen Unabhängigkeit, von einem fanatischen Hindu ermordet werden sollte) und diskutierten gemeinsam die Lage Indiens, die von schweren inneren Unruhen, einem kaum mehr funktionierenden Verwaltungsapparat und zunehmenden Sympathien auch vonseiten der kolonialen Streitkräfte (als Beleg dazu die Meuterei der Royal Indian Navy) gekennzeichnet war. Die Idee eines eigenen muslimischen Staates war für die Briten zunächst nicht denkbar, da sie ein geeintes Indien als Teil des British Commonwealth anstrebten – Nehru wollte dagegen ein blockfreies Indien, Jinnah die vollständige pakistanische Souveränität. Blutige Zusammenstöße zwischen Hindus und Muslimen führten schließlich dazu, dass sich Englands Premier Attlee im Februar 1947 aus Angst vor internationalem Prestigeverlust und innenpolitischen Schwierigkeiten dazu entschloss, Indien bis zum Sommer 1948 die Macht zu übertragen (vgl. ebd.: 154 f.). In Anbetracht der öffentlichen Unruhen wurde die Machtübergabe aber um ein Jahr vorgezogen: auf den 15. August 1947. Indien und Pakistan sollten beide
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den Status von Dominions erhalten (ab dem 26. Januar 1950 wurde Indien dann unabhängige Republik, blieb zugleich aber Teil des Commonwealth; 1971 wurde Bangladesh, bis dato Teil Pakistans, unabhängig). Die für einige Beobachter überstürzt und hektisch anmutende Machtübergabe erklärt dabei nicht nur die multiplen, oft traumatischen Migrationsbewegungen innerhalb des Subkontinents dieser Zeit, die als weltweit größte Flüchtlingskatastrophe der Geschichte angesehen werden kann, sondern auch heutige Konflikte über Grenzverläufe zwischen Indien und Pakistan (vgl. ebd.: 155; vgl. für die Zeit nach der Unabhängigkeit auch Chandra et al. 2000). Gleichzeitig wirkten politisch-administrative, militärische, infrastrukturelle wie auch kulturelle, mentale und psychologische Aspekte der Kolonialzeit vielfach fort, überdauerten diese, wurden auf verschiedenen Ebenen reproduziert, was sich insbesondere in den vielfältigen Ausdrücken der beiden Ordnungen Wirtschaft und Recht nachvollziehen lässt. So bezeichnet Tharoor (2016) die Zeit der britischen Herrschaft über Indien rückblickend in Anbetracht der umfassenden Ausbeutung als „An Era of Darkness“ und die daraus resultierenden, multiplen mentalen wie ökonomischmateriellen Auswirkungen auf die postkoloniale Zeit als „the messy afterlife of colonialism“ (ebd.: 275 ff.). An dieser Stelle setzt die vorliegende Studie an, indem sie zunächst noch einen kurzen historisch-geographischen Abriss über wirtschafts- und rechtsbezogene Entwicklungen im Kontext maritimer Handelsbewegungen des Indischen Ozeans herausarbeitet.
C) E INE MARITIME H ANDELSGESCHICHTE DES I NDISCHEN O ZEANS Im Folgenden sollen – der Stoßrichtung und dem begrenzten Platz dieser Arbeit geschuldet – einige Facetten der maritimen Handelsgeschichte des Indischen Ozeans im 19. und (frühen) 20. Jahrhundert präsentiert werden, um die zu analysierenden Lebensgeschichten an dieser Stelle nicht nur in kolonialpolitischer, sondern auch wirtschafts- und rechtsbezogen gebührend zu kontextualisieren. Dabei werden Rahmungen vorgestellt, die das Wirtschafts- und Rechtsgeschehen insbesondere in jener Zeit und in jenem Raum anleiteten. Konkret wird auf das British Empire, den maritimen Arbeitsmarkt sowie das sogenannte ‚Steamship Empire‘ eingegangen, welche – oft miteinander verwoben, sich bedingend oder ineinander verschränkt (das British Empire kann auch als Oberkategorie verstanden werden, unter die u.a. der maritime Arbeitsmarkt sowie das ‚Steamship Empire‘ subsumiert werden könnten) – die normative kapitalistische Ordnung in
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ihren multiplen wirtschaftlichen Wirkweisen und rechtlichen Realisierungen ermöglichten bzw. stark beeinflussten. (1) Das British Empire „The interface between land and sea is an area where humans have found resources since pre-historical times“ (Göransson 2002: 502).
Auch der Indische Ozean und seine Küsten wurden seit alters her vom Menschen genutzt, etwa im Zuge vielerlei Handelsbeziehungen und insbesondere für umfangreichen Fischfang (Jiddawi & Öhman 2002: 518). Wie ebenfalls Pearce und Pearce (2010), Pearson (2003: 3), Ptak (2007) oder Rothermund und WeigelinSchwiedrzik (2004: 7) gezeigt haben, ist die „Indian Ocean Seascape” (Deutsch & Reinwald [Hrsg.] 2002) durch eine jahrtausendealte, im wahrsten Sinne des Wortes ‚bewegte’ Vergangenheit und Geschichte der transozeanischen Migration und des Handels geprägt.29 Seit den Anfängen menschlicher Besiedlung wurde auf verschiedenen Maßstabsebenen gehandelt, ausgetauscht und Wirtschaft – Menschen und Materialitäten, Ideen und Identitäten – so mehr oder minder expansiv mobilisiert (Pearce & Pearce 2010, Washbrook 2013b: 13). Dies gilt auch für die im nordöstlichen Gebiet des Subkontinents gelegene Region Sylhet – und schon für die Phase vor jener Zeit unter britischer Herrschaft, sodass wir konstatieren können: „All Sylhetis are therefore genealogically linked to migrant peoples, as are the vast majority of mankind“ (Gardner 2002: 88). Viele dieser historischen Prozesse sollen uns aber nicht im Detail interessieren. 30 Festzuhalten gilt in jedem Fall: „The rise of British power in the subcontinent
29 Gleichwohl stellen die transozeanischen Wanderungen nur einen kleinen, wenn auch jenen oft als besonders wichtig empfundenen Teil aller Migrationsbewegungen dar: „Die meisten Wanderungen sind Binnenwanderungen. Gleichwohl erfahren internationale Migrationen deutlich mehr Aufmerksamkeit“ (Gans & Pott 2011: 732). 30 So kann ob des bregrenzten Raumes dieser Arbeit nicht näher auf einzelne Wirtschaftszweige im kolonialen Indien eingegangen werden – wie beispielsweise der für die Wirtschaftsgeschichte Indiens besonders relevanten Textilindustrie; diesbezüglich verweise ich z.B. auf Parthasarathi und Riello („From India to the World: Cotton and Fashionability“, 2012). Weiteres zur Bedeutung der Textilindustrie – und damit zum Wechselspiel von Materialität und Ökonomie – im Zusammenhang mit der südasiatischen Diaspora findet sich bei Tarlo („Dress and the South Asian diaspora“, 2013).
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transformed many of these earlier patterns“ (Chatterji & Washbrook 2013a: 2),31 was im Folgenden näher ausgeführt werden soll. Zentrale politische Rahmung der Wirtschaftsordnung des Indischen Ozeans im 19. sowie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war nämlich die britische Herrschaft (vgl. Bose 2006: 73 ff., Osterhammel 2009a: 159, Pearson 2003: 191).32 Diese war nicht zuletzt ökonomischer Natur. So schreiben Osterhammel und Petersson zur „Entstehung der Weltwirtschaft“ (2007: 60 ff.) im 19. Jahrhundert: „Die sich industrialisierenden Länder, an erster Stelle Großbritannien, waren die Herren und Organisatoren der neuen Phase weltwirtschaftlicher Integration“ (ebd.: 61). Angelehnt an diese ersten Gedanken, wollen wir uns in diesem Subkapitel mit der Rolle des British Empire im Indischen Ozean bzw. mit dessen Bedeutung innerhalb der südasiatischen Wirtschafts- und Handelsgeschichte befassen. In vielen Untersuchungen wurde bereits nachgewiesen, dass der Indische Ozean ‚schon immer’ ein Raum vielfältiger ökonomischer und kultureller Verflechtungen war (vgl. z.B. Bose 2006: 15). Laut Boses Ausführungen (2006) zur Zeitspanne zwischen 1830 und 1970 gilt dies auch für eben diese Periode. Bose konzentrierte sich dabei u.a. auf „the relationship of people to commodities and the interregional networks of capital and labor that made their production and marketing possible“ (ebd.: 30 f.). Sie stellte dabei insbesondere für jene Zeit fest: „Highly specialized capital and labor flows connected different parts of the Indian Ocean rim. Migrant labor movements […] certainly had a global reach“ (ebd.: 274). Nach Bose sollte der Indische Ozean mit dieser Erkenntnis als interregionaler Interaktionsraum gedeutet werden, wobei gerade dessen Wirtschaftsgeschichte und -geographie zwischen 1850 und ca. 1930 von starken Interdependenzen zwischen dem Ozean (und Verbindungen zu anderen Ozeanen und Kontinenten), den großen Hafenstädten sowie dem jeweiligen Hinterland in Bezug auf „migrant capital and labor“ geprägt gewesen sei (ebd.: 13). Dabei habe der Indische Ozean weder seine Identität als kohärenter Raum verloren, noch seien die lokalinterregionalen Ökonomien desselben durch die Eingliederung in die kapitalistische Weltwirtschaftsordnung verschwunden (Ray 1995: 553 f.; zit. nach Bose
31 Gleichwohl gilt es zu beachten, dass diese Veränderungen nicht alle zur gleichen Zeit und im gleichen Umfang eintraten (Washbrook 2013b: 15). 32 Vor den Briten waren gleichwohl schon andere europäische Großmächte an Asiens Küsten vorstellig geworden, vor allem Portugiesen, Spanier und Niederländer (vgl. z.B. Reinhard 2016: 111 ff. und 177 ff.).
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2006: 13).33 Eine angebliche Einheit des Indischen Ozeans, d.h. eine ‚innere‘ Kohärenz sowie eine nach ‚außen‘ gegebene Abgrenzung, wären dabei vor allem mit dem jahrhundertealten maritimen Handel erklärbar, so lange Zeit der Tenor in Forschungen zum Indischen Ozean, wie Bose moniert (Bose 2006.: 10 f.). Dagegen seien die Kontinente verbindenden kulturellen Netze aus Ideen, Gedanken und Kognition nur selten thematisiert worden (ebd.: 11). Diese Gegenüberstellung von Bose erachtet der Autor dieser Studie als zu dualistisch – beide Bereiche bedingen sich in einer kulturtheoretischen Lesart, können in dieser kulturellen Wirtschaftsgeschichte bzw. -geographie gewissermaßen als die zwei Seiten einer Medaille begriffen werden: Wenn nämlich Ökonomie in ihrer Verquickung mit politischen Prozessen (z.B. der Kolonialisierung) nicht nur materiell, sondern auch und im Besonderen von den zugleich mit materiellen, technischen und/oder infrastrukturellen ‚Dingen‘ zusammenhängenden – ja: diese oftmals erst erschaffenen –, mentalen Konstrukten, oftmals gar emotionalen Vorstellungen influenziert, geprägt und gar hervorgebracht wird, dann sollte auch die imaginative Verfasstheit sowie die daraus resultierende, Ökonomie realisierende kulturelle Wirkmächtigkeit wirtschaftlicher Ordnungen in den Vordergrund rücken, dann können die im Folgenden skizzierten Geschichten und Geographien der Ökonomie, ihre Diskurse und Dispositive, am Beispiel der vorgestellten Lascars nur durch ein umfassendes Durchleuchten der mentalen und gleichzeitig performativ wirkenden, kognitiven Reservoirs der entsprechenden Arbeitsmigranten analysiert und interpretiert werden. Ihre Heterotopien – hierbei können wir uns auf Foucaults Konzept (2005) materieller „Gegenräume“ zum Alltag stützen – manifestieren sich in real existierenden Ausformungen der Ökonomie des Indischen Ozeans, wenn die mental maps, jene kognitiven Landkarten und Vorstellungswelten der Migranten, mit Strukturen einer britisch-westlichen Wirtschaftsordnung verschmelzen, diese reproduzieren und Praxisrelevanz entfalten. Daher schließt diese Arbeit an Forderungen von Bose (2006) und Muecke (2010) an, Ökonomien generell und die des Indischen Ozeans im Speziellen als kulturell-emotional wirksam, d.h. als identitätsstiftend, und dabei als imaginiert-konstruiert zu identifizieren, um deren Facettenreichtum in Bezug auf ihre performative Wirkmächtigkeit zumindest ansatzweise fassen zu können. Der Indische Ozean ist weit mehr als eine Handelszone; bereits eine Handelszone ist mehr als die quantifizierbaren Ströme von Menschen, Gütern und Kapital. Speziell die (post-)kolonialen Verflechtungen
33 Diesbezüglich verdeutlicht z.B. Bose (2006: 14), dass zwischen 1800 und 1930 die schon vorher bestehenden Netzwerke von den westlichen Kolonialmächten genutzt und modifiziert wurden.
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von imaginierten und materialisierten Ökonomien lassen sich mit diesem Verständnis von Wirtschaft im Rahmen dieser Analyse vorstellen, denn koloniale Dominanz in materieller und militärischer Hinsicht fand nicht selten Eingang in das Selbstverständnis der Kolonisierer, die sich dann nicht selten auch kulturell bzw. moralisch überlegen fühlten (vgl. Pearson 2003: 191). Tatsächlich war es die britische Herrschaft, die tiefgreifende Veränderungen mit sich brachte: „With the advent of British rule in Sylhet in 1765, however, the character of migration changed, and it is from this that Sylhet’s distinctive link with Britain can be traced“ (Gardner 2002: 88 f.).34 Die britische Herrschaft trug maßgeblich zur Entstehung einer neuen Qualität von (ökonomisch motivierter) Mobilität und Migration bei: „British rule created a novel kind of state in India, which tried to curtail certain forms of mobility while enabling others“ (Chatterji & Washbrook 2013a: 2 f.), denn „perhaps the most pronounced change during the imperial period was in the role of the state in migration“ (ebd.: 3), insbesondere durch die Etablierung des staatlich organisierten Systems der Kontraktarbeit (vgl. Kap. 2c 2). Dies wiederum hatte tiefgreifende ökonomische Restrukturierungen zufolge: Im Zuge der kolonialen Herrschaft wurde Indien in eine verarmte, geschwächte Agrarkolonie transformiert, die damit nicht mehr attraktives Zielland für auswärtige Migranten war. Die Veränderung der wirtschaftlichen Lage begünstigte stattdessen neue Formen der Migration, besonders jene der massenhaften Emigration (vgl. z.B. Washbrook 2013b: 17).35 Dennoch: Unmittelbar nach der Besetzung Bengalens (inklusiv Sylhets) in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts durch die Briten änderte sich für das dünn besiedelte Sylhet „with its rural people living in remote villages situated far apart from one another“ (Choudhury 1993: 20) zunächst wenig: Die Menschen lebten vom selbst Angebauten, es gab keine überlokalen, gar überregionalen Kommuniationsstrukturen (ebd.: 20 f.).36 Nichtsdestotrotz war Ostbengalen in dieser Zeit keinesfalls isoliert oder gar unberührt vom britischen Kapitalismus, da Indien schon seit dem 17. Jahrhundert nach und nach in Bezug auf Rohstoffe und als Absatzmarkt, z.B. im Zuge des Handels mit Textilien, ausgebeutet wurde; ab dem späten 19. Jahrhundert avancierte dann die Ressource Arbeit zum ökonomisch wertvollsten Gut (Gardner 1995: 40). Sylhets als peripheres, unsi-
34 Zur genaueren Kontextualisierung lässt sich z.B. auf Reinhard (2016: 769) verweisen. 35 Reinhard (2016: 795 f., 802) bietet in wenigen Sätzen einen hervorragenden Überblick über wirtschaftsgeographische Verhältnisse im kolonialen, ländlichen und landwirtschaftlich geprägten Indien. 36 Siehe dazu auch das Kapitel „Sylhet came under British Rule“ von Choudhury (1993: 20 ff.).
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cheres, landwirtschaftlich geprägtes Grenzgebiet des Empires wurde während der britischen Herrschaft trotz seiner Lage – oder gerade deswegen –zunehmend in kapitalistische Strukturen eingebunden wurde, wie Gardner verdeutlicht (ebd.: 37).37 Britisch-Indien nahm dabei für das Empire eine zentrale geostrategische Rolle in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht im Indischen Ozean ein (Bose 2006: 73 ff.) und wirkte damit auch ungemein wichtig für das nationale Selbstverständnis Englands.38 (Fern-)Migration als „prägender gesellschaftlicher Faktor“ (Osterhammel 2009a: 199) hat neben einer ökonomischen Seite – „ihr Antriebsmotor war der Arbeitskräftebedarf einer expandierenden kapitalistischen Weltwirtschaft“ (ebd.) – aber auch nahezu immer rechtliche Implikationen und Influenzen: „If the physicality, the brute force of law is ever clearly implicated outside of criminal law, it is in immigration. […] Law is integral to immigration“ (Sterett 2004: 354). Dies hat seine historisch gewachsenen und politisch notwendigen Gründe, da Indien aus Gründen der Effektivität im 19. Jahrhundert zum ersten Mal in seiner Geschichte einer zentral organisierten und vor allem tatsächlich flächendeckend implementierten Kontrolle, nämlich der britischen, unterworfen wurde (Osterhammel 2009a: 604) – die wiederum eine Eingliederung in kapitalistische Arbeitsmärkte und den damit verbundenen, migrationsauslösenden Arbeitskräftebedarf bedingte. Die britische Kontrolle speiste sich aus vielerlei Ordnungsmechanismen, die oftmals aufgrund ihrer subtilen Wirkweise von den subjektivierten Einwohnern der beherrschten Gebiete unbewusst internalisiert wurden. Eine dieser normativen Ordnungen war – neben einer spezifischen Wirkweise ökonomischer Dispositive – ein spezifisches Verständnis von Recht, das über das Zusammenspiel praktischer und diskursiver, menschlicher und nicht-menschlicher Elemente bzw. Akteure realitätskonstituierend, ja: -anleitend, wirkte. Auch hierin zeigte
37 Verglichen mit anderen Districts Britisch-Indiens wies Sylhet aber einige politische sowie ökonomische Besonderheiten auf: „The political and economic structure laid down by the British in Sylhet was therefore significantly different from other districts. Instead of a small élite of landlords, and a large majority of tenants, much of the rural Sylheti population tended land which, despite the revenues paid to the British, was their own. Others cultivated land which was sublet to them“ (Gardner 1995: 38). 38 Osterhammel verdeutlicht: „Wenige andere Kolonien wurden mit solchem symbolischen Gewicht befrachtet wie Indien. Wenige waren auch so reich und so leicht ausbeutbar, dass koloniale Pracht sich lokal finanzieren ließ, denn ein Zuschussgeschäft durften Kolonien nur werden, wenn es sich aus Gründen internationalen Prestiges nicht vermeiden ließ“ (Osterhammel 2009a: 413 f.).
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sich ein Merkmal der Macht des British Empire, jenes „erfolgreichste[n] Reich[es] der Epoche“ (ebd.: 657), das seine Wirkkraft gerade aus der unbewussten Responsibilisierung bzw. Inkorporierung durch die sich nicht intentional, aber dennoch gleichsam durch ihr ‚bloßes Sein‘, ihre schiere sozio-kulturelle Existenz aktiv selbst beherrschenden Subjekte gewann. Diesen Prozess gouvernementaler Selbstbeherrschung im schieren systemkonformen Selbst-Existieren könnte man als ‚Unbewusst-Sein‘ definieren. Recht und Wirtschaft waren dabei oftmals die zwei Seiten einer kolonialpolitischen Medaille der Macht. Als Beispiel für das Zusammenwirken beider Ordnungen, d.h. von wirtschaftlicher und von rechtlicher Macht, kann hier das Permanent Settlement gelten, das, 1793 von den Briten eingeführt, die dauerhafte Festlegung der Grundsteuer in Bengalen bedeutete und im Sinne fiskalpolitischregionalökonomischer Planung raum-zeitliche Stabilität in Hinblick auf zu erwartende Steuereinkünfte versprach. Allgemein ließ sich nach dem Beginn der britischen Herrschaft schnell eine Europäisierung der indischen Rechtskultur bemerken, die durch Orient-Forscher auf einer brahmanischen Grundlage geschaffen wurde (vgl. Osterhammel 2009b: 65 ff.). Diese produzierte spezifische, vereinheitlichende Rechtsgeographien des Subkontinents: „Zu Beginn des 20. Jahrhunderts unterschied man im britischen Kolonialrecht mehr als vierzig Statusarten überseeischer Gebiete, deren Kontrolle sich auf drei Ministerien verteilte: Colonial Office, India Office und Foreign Office“ (ebd.: 55). Schon dieser Umstand verweist auf die herausragende Stellung Indiens im British Empire. Gleichwohl war Britisch-Indien kein durchgängiges, kohärentes Territorium, da die etwa 40 großen und über 500 kleinen ‚quasi-autonomen‘, in der Praxis unter britischem Einfluss stehenden Fürstenstaaten als Enklaven eingesprengselt waren (vgl. z.B. ebd.: 55 f., Reinhard 2016: 788). Bestimmte Verständnisse von Recht wurden dabei von der Bevölkerung im Zusammenspiel mit materiellen Arrangements, öffentlich wirksamen (Zivilisierungs-)Diskursen und (unbewusst?) systemkonformen Imaginationen wie konkreten Praktiken (re-)produziert, was der britischen Herrschaft ihre gewaltige Macht verlieh: „Im 19. Jahrhundert war die britische Herrschaft über Südasien der kardinale politische Tatbestand in der Region. Indien war der Mittelpunkt eines politisch-militärischen […] Kraftfeldes von weiträumiger Wirkung“ (Osterhammel 2009a: 159). Derartig(e) gouvernementale Dispositive der Realitäts(re)produktion wirkten gleichwohl nicht nur im 19. Jahrhundert, mit dem sich Osterhammel in seinem monumentalen Werk „Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts“ (2009a) beschäftigt hat. Sie wirkten ob ihrer von Kolonialisierten und Kolonialisierenden wechselseitig und langfristig reproduzierten immensen Wirkmacht insbesondere im postkolonialen Kontext deko-
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lonialisierter Globalisierung (be-)deutungsschwer nach, so sie nämlich – mit Bezug zu Foucault (1981) – als „Archive“ (Reuber 2012: 188 ff.) gesellschaftlich machtvolle Prozesshaftigkeit über große Zeiträume entfalten konnten. Eine umfassende „Zivilisierung durch Recht“ (Osterhammel 2009a: 1180 ff.) war in diesem Kontext erklärtes Ziel wie Ergebnis britischer Kolonialpolitik. Generell galten imperialistische Mächte schließlich als ‚modern‘, wenn sie „ihre Verwaltung rationalisierten und zentralisierten, die Ausbeutung wirtschaftlicher Ressourcen effektiver und rentabler gestalteten und sich die Mühe machten, die ‚Zivilisation‘ zu verbreiten“ (ebd.: 672). „Imperialer Nationalismus und globale Vision“ (ebd.: 646 ff.) hingen dabei direkt miteinander zusammen; zumindest die britische Elite dachte bereits ab den 1760er Jahren global (ebd.: 649). Diese globale Vision, dieses zugleich Rationalität und Effizienz gutheißende Ordnungsmodell mit seinen vielfachen normativen Facetten wurde von einer großen Anzahl an beherrschten Subjekten – gezwungenermaßen – unbewusst aufgenommen und verstärkt abgegeben, indem sie ‚wert-geschätzt‘ oder gar als Ideal betrachtet wurden – nicht ‚nur‘ im kolonialen, sondern auch noch im postkolonialen Kontext.39 Hierzu zählt auch die Durchsetzung einer kohärenten Rechtsordnung. Britisch konzipiertes Recht – im Rahmen dieser Studie, wie noch näher erläutert wird, als Dispositiv gedacht (vgl. Kap. 3c) – hatte im kolonialen Kontext eines größeren Zivilisierungsdiskurses dabei vor allem die Funktion der Herrschaftssicherung inne, wie Banerjee-Dube („The search for laws to govern ‚Hindus‘ and ‚Muslims‘ went hand in hand with efforts at establishing colonial governance on a solid footing“, Banerjee-Dube 2015: 56) oder auch Mann mit Blick auf die Sklaverei und deren Limitierungen erklären. Denn durch die Konservierung der Sklaverei und ihrer Ineinklangbringung mit den vermuteten indischen Rechtsgepflogenheiten sollten die Steuereinnahmen durch die indischen Grundeigentümer, die zugleich Sklavenbesitzer sein konnten, gesichert werden (Mann 2012: 190). Altindische Rechtsgewohnheiten wurden somit nach Ankunft der Europäer bzw. insbesondere der Briten nicht (immer) unverzüglich ausradiert, sondern stattdessen oft neu verhandelt und britisch rekonzeptualisiert, d.h. in Abstimmung mit britischen Rechtsverständnissen so abgewandelt, dass britische Herrschaft und Macht gesichert werden konnte. Denn nicht selten trafen in Südasien
39 Als gleichzeitig ‚Gefangene und Bewunderer des Systems‘ und seinen sie nachhaltig beeinflusstenden Machtasymmetrien waren sie so zugleich unbewusst – und weit über dessen offizielle Existenz hinweg – dessen Stabilisatoren.
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brahmanisch-„altindische Rechtsvorstellungen und neuzeitliche Rechtspraxis“ (ebd.: 78 ff.) aufeinander.40 Die Effekte derartiger Rechtsverhandlungen, dieser Rechtsverwandlungen, lassen sich insbesondere in drei größere Konglomerate unterteilen: Sie führten zur Regularisierung der Steueranforderungen, zur Durchsetzung des Privatrechts auf dem Lande incl. ihrer potenziellen Überprüfung vor kolonialen Gerichten sowie zur Privilegierung der Kolonialmacht und der neu geschaffenen Aristokratie auf indischem Boden (Osterhammel 2009a: 968). Recht wurde im Zuge dessen schnell von den Menschen Südasiens als wichtig empfunden. Der Glaube an britisches Recht hatte im kolonialen Indien wie auch in postkolonialen Diasporagruppen des 20. Jahrhunderts somit bereits eine längere Tradition und konnte mit Blick auf das Rechtsverständnis der Einheimischen große Wirkung in mentalen Zuschreibungen sowie schließlich auch handlungsanleitend in Praktiken entfalten. Denn wenn wir „den Indischen Ozean als einen Raum [...] begreifen, der sich durch die Bewegung von Menschen, Gütern und Ideen auszeichnet“ (Mann 2012: 24), dann lässt sich nachvollziehen, dass ein britisches Rechtsverständnis im kolonialen Kontext von Machtasymmetrien dispositiv schnell wirksam werden konnte – schließlich haben die „Bewegungen und Austauschbeziehungen über den Ozean hinweg [...] die Lebens-, Denk und Handlungsweisen der in sie involvierten Menschen nachhaltig beeinflusst“ (ebd.).41 Um in diesem hierarchisch-dualen kolonialen System Anerkennung zu finden oder auch einfach ‚nur‘ handlungsfähig zu sein, mussten die Südasiaten wiederum selbst das britische Recht – und damit seine Grundlagen, die Rechtsordnung bzw. das Rechtssystem per se, seine Auswirkungen, Institutionen und Akteure – (an-)erkennen. Diese Art der Rechtsrealisierung von Seiten der subjektivierten Südasiaten setzte selbstverständlich einen umfassenden, indoktrinierenden Diskurs voraus, der von britischer Seite formuliert wurde und dispositiv vielfältige Formen annehmen konnte – eine lange Linie der Geschichte, die, wie sich zeigen wird, auch im postkolonialen Zeitalter noch nachwirkte, wenn die
40 Siehe diesbezüglich auch Reinhard (2016: 790 f.), der die Rechtshistorie des kolonialen Indiens gut zusammenfasst. 41 Zugegebenermaßen gilt dies im besonderen Maße erst für neuzeitliche transozeanische Migration: „In der frühen Neuzeit fehlte noch die Überzeugung, es gebe auf der Welt nur eine einzige maßstäbliche Zivilisation: die europäische. Diese Globalisierung zivilisatorischer Normen war etwas Neues im langen 19. Jahrhundert. Sie setzte voraus, dass ältere militärische, wirtschaftliche und kulturelle Gleichgewichte zwischen Europa und den anderen Kontinenten, insbesondere Asien, aus dem Lot geraten waren“ (Osterhammel 2009a: 1174).
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betrachteten Migranten auch in den 1980er Jahren, als sie ihre Lebensgeschichten erzählten, noch (unbewusst) die (An-)Erkennung des durch britisch-hegemoniale ‚Macht-(W)Orte‘ (als nicht nur sprachliche, sondern auch praktische sowie materielle Verortungen zu verstehen!) verbreiteten Rechts äußerten. In diesem Kontext britischer Kolonialherrschaft entwickelte sich ein spezifischer maritimer Arbeitsmarkt. Dieser war durch regen Austausch geprägt und soll im Folgenden noch etwas näher vorgestellt werden. (2) Der maritime Arbeitsmarkt Sylhet war ab Mitte der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in wirtschaftlicher Hinsicht zunehmend vom Teeanbau geprägt (Choudhury 1993: 3). In jener Zeit entstand zugleich eine neue Quantität und Qualität globaler wirtschaftlicher Wirkungen (vgl. Pearson 2003: 193). Die Verstrickungen Indiens in ökonomische „flows of capitalists, laborers, and commodities“, z.B. in den Bereichen Öl-, Sklaven-, Elfenbein- und später Finanzhandel, resultierten nicht nur aus den umfangreichen Handelswegen in asiatische Regionen, sondern insbesondere auch aus den maritimen intra- und interkontinentalen Austauschbeziehungen (Bose 2006: 73). Indien stellte darüber hinaus „the source of some of the largest circular migrations of labor in the modern world“ (ebd.: 75) dar – ein Faktum, dass sich vor allem aus dem offiziellen Verbot der Sklaverei speiste: „The abolition of slavery gave rise to insistent demands for Indian […] labor from the 1830s onward“ (ebd.).42 Hintergrund der massenhaften Arbeitsmigration aus Indien war somit u.a. auch die Abschaffung der Sklaverei: „Once slavery was abolished a new form of labour was required. This was the indentured labour system, whereby poor people were recruited for a set number of years to work for low wages, after which they were free to work for themselves“ (Pearson 2003: 223).43 42 Eine Chronologie der Abschaffung der Sklaverei findet sich bei Reinhard (2016: 482 ff.): „Nachdem das aufgeklärte Dänemark bereits 1803 den Sklavenhandel verboten hatte, schaffte ein britisches Gesetz 1807 den Sklavenhandel ab. 1808 folgte der USKongress. Nach kompliziertem Hin und Her wurde 1833 im britischen Empire auch die Sklaverei selbst abgeschafft, mit einer Übergangslösung auf Kosten der Sklaven, die als Freie zunächst umsonst weiterarbeiten sollten, und mit üppigen Entschädigungszahlungen an die westindischen Pflanzer, die sich aber dennoch nicht behaupten konnten“ (ebd.: 483). 43 Hierzu auch Lal: „Indian indentured emigration was started in direct response to the shortage of labour in the tropical colonies caused by the abolition of slavery in the British Empire in 1833 and by the termination of the system of apprenticeship (for six
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Diese Kontraktarbeit war staatlich organisiert und band Arbeitswillige für bestimmte Zeit an vertraglich fixierte Bedingungen, die allerdings zu Beginn weder einheitlich formuliert noch überall praktische Realisierung fanden (vgl. Lal 2013: 80 ff.). Kalkutta war dabei einer der Hauptumschlagsplätze für die maritime Arbeit.44 Die Kontraktarbeiter stammten größtenteils aus dem ländlichen Raum. Zwar waren die meisten von ihnen männlich, doch es emigrierten auch Frauen und ganze Familien (ebd.: 86 f., Sen 2013). Allgemein waren die psychisch-emotionalen Begleitumstände sowie die Folgen der Emigration und der in aller Regel überaus harten, streng überwachten und reglementierten Arbeit – „Just as recruitment and shipment of labourers was regulated by legislation, so too were the conditions of employment on the plantations. By the late nineteenth century, a uniform set of rules and procedures had been finalised“ (Lal 2013: 88) – nicht selten traumatisch, bargen aber auch, ohne zu romantisieren, Potenzial für z.B. neue soziale Kontakte und Vergemeinschaftungsprozesse (vgl. ebd.). Trotz Protest aus den Kolonien erfolgte 1916 die Abschaffung des indentured labour-Systems, da die Kolonialregierung Indiens Angst hatte, für Missbräuche und Unregelmäßigkeiten im Rekrutierungsprozess verantwortlich gemacht zu werden (ebd.: 83). Die im Rahmen dieser Arbeit analysierten Lebensgeschichten stammen demgegenüber von ‚Freiwilligen‘, die gleichwohl aus der Not heraus den Entschluss zur Arbeit auf britischen Schiffen und zur Emigration gefasst haben. Doch nochmal zurück zum indentured labour system: Im globalisierenden Kontext der Kontraktarbeit ließ „die leichte Verfügbarkeit billiger Arbeitskräfte“ (Osterhammel 2009a: 968) insbesondere Indien schnell zu einem der wichtigsten Motoren sich mobilisierender kapitalistischer Ökonomie avancieren. 45 Osterhammel sieht diesbezüglich Zusammenhänge zwischen „Migration und Kapitalismus“ (ebd.: 235 ff.) und definiert gerade das 19. und beginnende 20. Jahrhun-
years) under which, until 1838, the planters had been able to obtain slave labour“ (Lal 2013: 80). 44 So formuliert Lal zu den Herkunftsregionen der Kontraktarbeiter (Lal 2013: 83 ff.): „Indian indentured labourers to various parts of the world came from different parts of India. Predominantly, they came from the north and embarked for the colonies from the port of Calcutta. In 1856-61, 66 per cent embarked at Calcutta and 30 per cent from Madras. In 1907-08 and 1916-17, 62 per cent embarked at Calcutta and 30 per cent from Madras“ (ebd.: 83). 45 Grundvoraussetzung hierfür waren Verstaatlichungen der kolonisierten Gesellschaften, die damit einhergehende Besteuerung sowie die daraus wieder resultierende Verbreitung von Geldwirtschaft und Marktbeziehungen (vgl. Osterhammel 2009b: 79).
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dert als „eine Epoche der interkontinentalen Arbeitsmigration“ (ebd.: 221), welche „nicht immer ganz freiwillig, aber doch in der Gesamtbilanz durch freie, nicht unter fremden Zwang getroffene Lebensentscheidungen Einzelner charakterisiert“ (ebd.) gewesen sei. Auch Pearson konstatiert: „To call this a new system of slavery is perhaps to paint too black a picture. It is true that conditions […] could be very harsh, but on the other hand skilled labour could do very well“ (Pearson 2003: 223). Entsprechende Migrationen „fanden nicht ausschließlich, aber doch zu einem sehr großen Teil innerhalb des British Empire oder zumindest unter britischer Regie statt“ (Osterhammel 2009a: 239). Arbeitsmigrationen bzw. -migranten wurden dabei geradezu durch die Wirtschaftsordnung des British Empire ‚gemacht‘, d.h. produziert und auf vielerlei Arten und Weisen reproduziert, da die neue Wirtschaftsordnung etwa Eigentumsrechte zur Bodenund Ressourcennutzung geschaffen hatte, welche die ehemaligen Bewohner kriminalisierten und schließlich aus Armutsgründen vertrieben – aus dem System der Selbstversorgung wurden so Arbeitssuchende (Mann 2004: 139 f.). Unterstützt wurden diese Entwicklungen von der ‚Transportrevolution‘ in den Bereichen Dampfschifffahrt und Eisenbahnbau in der zweiten Hälft des 19. Jahrhunderts, was Indiens wirtschaftlicher Entwicklung vom Exporteur von Fertigwaren zum Rohstofflieferanten durch neue bzw. schnellere Exportmöglichkeiten von Weizen, Baumwolle, Jute, Tee und Ölsamen in Zeiten des zunehmenden Welthandels zugute kam (Washbrook 2013b: 18). Dennoch: Nicht erst seit dem 19. Jahrhundert, sondern von Beginn der britischen Herrschaft an arbeiteten Männer aus Sylhet auf britischen Schiffen. Schon seit Beginn des 17. Jahrhunderts arbeiteten Männer asiatischer und afrikanischer Herkunft auf britischen Handels- und Kriegsschiffen, wie Hyslop feststellte (2011: 39). Ein nicht unerheblicher Teil der Streitkräfte während der Napoleonischen Kriege etwa sei nicht-britischer Herkunft gewesen. Somit lässt sich konstatieren: „As we have seen, from the earliest days of the East India Company, Bengali men employed as servants and ship-workers were arriving in Britain“ (Gardner 1995: 39). Die Anfänge der Lascar-Beschäftigung können dabei in der ‚Übernahme‘ bzw. Adaption der jahrhundertealten binnenschifffahrtlichen Traditionen des Sylhet Districts gesehen werden (Choudhury 1993: 29 ff., insbesondere 34). Menschen aus Sylhet haben also schon vor Ankunft der Briten auf Booten oder Schiffen gearbeitet. Doch auch die Überseeschiffahrt entstand nicht erst mit Ankunft der Briten: „The people of Bangladesh, especially the coastline inhabitants, were historically a seafaring race, voyaging across the seas over the centuries“ (ebd.: 33). Die Geschichte der Migration aus Sylhet – und aus Südasien generell – nach England
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reicht sodann bis in die Anfänge britischer Kolonialherrschaft zurück;46 zugleich lässt sie sich nicht auf Arbeitsmigration reduzieren (vgl. ebd.) Nach einem zwischenzeitlichen Rückgang der ‚Native‘-Quote stieg diese ab Mitte des 19. Jahrhunderts an, da Lascars wieder verstärkt als kostengünstige und zudem mit den lokalen Gegebenheiten des Indischen Ozeans vertraute Arbeitskräfte aufgefasst wurden. Insbesondere ab Anfang des 20. Jahrhunderts wuchsen die bis dato zwar kontinuierlich fließenden, aber quantitativ nach wie vor auf einem relativ niedrigen Niveau gebliebenen Migrantenströme stark an (für die zunächst geringe Anzahl von Lascars gab es mehrere Gründe, die hier nicht im Einzelnen erläutert werden können47).48 Die höhere Zahl an Südasiaten auf britischen Schiffen bereitete den Nährboden für Protest und Diskriminierung von Seiten der britischen Seemänner, die asiatische und afrikanische Arbeiter als Konkurrenz erachteten (nach Hyslop 2011: 39).49 Auch in der britischen Öffentlichkeit per se entwickelten sich rege Debatten über das Für und Wider des Anstiegs der Lascar-Beschäftigung auf britischen Schiffen, wie beispielsweise Ahuja (2013: 113) feststellte. Befürwor-
46 Einen guten Überblick zur generellen Emigration von Südasien nach England bis Mitte des 19. Jahrhunderts bietet Fisher in „South Asians in Britain up to the midnineteenth century“ (2013). 47 Diese waren nicht zuletzt rechtlicher Natur: „Since the British went to the Calcutta ports with their sailing boats, they had Chinese and Indian crews but only a limited number. This was due to Section 7 of the Navigation Act of 1660 which said that 75% of the crew of a British owned ship had to be British. The Indian crews were known as lascar to British people. Before 1802 there was another law in this country which forbade the employment of lascar on the ships sailing west of the Cape of Good Hope“ (Choudhury 1993: 33). Daneben konnten auch soziale Faktoren (neue Bekannt- und Liebschaften, die Arbeit und/oder Migration ermöglichen, aber auch verhindern konnten) oder infrastrukturelle Aspekte (Unterbringung, Erreichbarkeit) Einfluss haben (ebd.: 34). 48 Generell lässt sich fesstellen: „The in-take of seamen increased in Calcutta during those years. So, more and more people from Sylhet started to go to Calcutta to find jobs on ships. Within a few years, the number of Sylheti seamen increased dramatically. ‚The Clan lines‘ and ‚The Orient lines‘ shipping companies had many Sylhetie crews in their ships“ (Choudhury 1993: 35 f.). Siehe dazu auch die Statistiken zur Lascar-Beschäftigung zwischen 1871 und 1914 in Choudhury (ebd.: 40). 49 Gleichsam muss akzentuiert werden, dass nur sehr wenige Menschen während des 19. und frühen 20. Jahrhunderts in England heimisch wurden; erst nach dem Ersten Weltkrieg stieg deren Anzahl langsam an (vgl. Gardner 2002: 90).
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ter wie Gegner von Lascar-Arbeit und den damit verbundenen Einwanderungsentwicklungen bedienten sich rassistischer Argumente zur Stützung ihres jeweiligen Standpunktes (ebd.: 113 ff.).50 Wechselseitig interagierten derartige Diskurse mit der Produktion von migrantischer Illegalität (Ahmad 2013). Ohnehin waren die Beziehungen zwischen Migranten und (lokalen) Arbeitgebern in England häufig Spannungen unterworfen (Bose 2006: 29). Wie Hyslop ferner anführt, kulminierten diese Ressentiments gar in „intrabureaucratic struggle within and between the various ministries of the British state and the viceroy’s government of India over the management of this workforce“ (Hyslop 2011: 39). Indische Arbeitsmigrationen, ihre maritimen Ökonomien sowie deren Geschichte(n) und Geographie(n), lassen sich dabei nur als im Zusammenhang mit Urbanisierungstendenzen im kolonialen Sozial- und Wirtschaftsgefüge stehend verstehen. In diesem Kontext müssen insbesondere intranationale (Im-)Mobilitäten berücksichtigt werden. Ohne die massiven Wanderungen, ihre Bedingungen, Ursachen und Voraussetzungen, in die großen indischen Hafen- und Industriestädte, vor allem Bombay und Kalkutta, können weitergehende Mobilitäten Geringqualifizierter gen Westen kaum nachvollzogen werden. Generell gilt hierfür: „Menschen entscheiden sich zur Migration, um ihre momentane Situation am künftigen Zielort zu verbessern und nicht, um sie dort zu reproduzieren; kurz: die soziale oder vertikale Mobilität ist ein entscheidender Auslöser für Migration“ (Mann 2004: 123 f.). Diesbezüglich lässt sich feststellen, dass in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zwar einerseits britisch-kolonial bedingte Formen der Ausbeutung und Unterentwicklung des indischen Hinterlandes, aber auch intrakommunale Beziehungen, d.h. innerhalb der komplexen indischen Dorfgemein- und gesellschaften, Migration auslösenden Charakter aufwiesen. Dennoch planten viele der inadäquat qualifizierten Arbeitsmigranten keinen langfristigen, dauerhaften, endgültigen Aufenthalt in der Großstadt (nach Bonner 2011: 220 f.). Die Ströme der Migranten wurden dabei vor allem zu Beginn der Einwanderungsbewegungen kaum institutionell begleitet, kontrolliert oder gar gelenkt (ebd.: 227). Mit steigenden Zuwanderungszahlen entwickelten sich dann regulierende Strukturen (vgl. Gardner 1995: 43). In der Großstadt erwartete gerade die
50 Ahuja dazu genauer: „Between 1888 and 1901, the employment of Asian seafarers on British merchant steamers more than doubled, which triggered off a fierce debate among the British public on the desirability of this development. Much of this debate was framed in the language of race by both the proponents and the opponents of ‚lascar‘ employment“ (Ahuja 2013: 113).
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Geringqualifizierten – „die meisten Emigranten, ob nun aus Europa, Indien oder China, stammten aus der Unterschicht“ (Osterhammel 2009a: 250) – oft große Unsicherheit: „Low wages, job insecurity, irregular work, and a shortage of adequate and affordable accommodation all contributed towards this inclination“ (Bonner 2011: 228). Analog zu den sozialen Netzen der dörflichen-ruralen Gesellschaften schlossen sich die Neuankömmlinge in den Metropolen zusammen, bildeten Netzwerke (ebd.: 229). Zusammenfassend lässt sich feststellen: „The first decades of emigration were risky, exciting, and lucrative for those who recognized the financial benefits of work abroad, and had access to the slowly developing network of migrants“ (Gardner 1995: 53). Bonner, der Arbeitsmigration und Urbanisierung in Indien und Südafrika kontrastiv behandelte (2011), stellte zudem in Bezug auf Eigenschaften der Migrierenden fest: „Single-male migrancy dominated the Indian labour market during its formative phases and was set in place without [a] complex political apparatus and range of coercive interventions“ (ebd.: 220). Nichtsdestotrotz gab es regionale Unterschiede: Im Westen und Süden des indischen Subkontinents migrierten auch ganze Familien (ebd.: 234). Während des Ersten Weltkriegs dienten viele Männer aus dem heutigen Bangladesh in der britischen Armee; nach dem Krieg sind die meisten von ihnen wieder zurück in ihre angestammte Heimat gegangen. Ihr dort zur Schau gestellter bescheidener Wohlstand dürfte einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf ihre Mitmenschen gehabt haben (vgl. Choudhury 1993: 50 f.). Einige dieser „Pre-Second World War Bangladeshi in the East-End“ (ebd.: 68 ff.) blieben nach ihrer Tätigkeit auf See in England, um dort ob ihrer mangelnden Qualifikation in den Hafen- und/oder Industriestädten wie Glasgow, Liverpool und Cardiff zu arbeiten; die meisten verschlug es aber in den Osten Londons, wo sich nach und nach eine Community entwickelte, die weitere Landsleute anzog (ebd.: 68). In England angekommen, arbeiteten grundsätzlich viele Menschen aus Sylhet in Fabriken, wie z.B. Choudhury zu „Bangladeshi in Garment Manufacture“ (ebd.: 70) konstatiert. Auch im Gastgewerbe bzw. in Restaurants – ab den 1930er Jahren und verstärkt dann ab etwa Mitte des 20. Jahrhunderts – fassten die Migranten Fuß (vgl. ebd.: 63 ff.). Dennoch muss beachtet werden: Schon der Sprung vom Schiff nach Ankunft im britischen Hafen erwies sich als überaus riskant; selbst wenn die ‚Flucht‘ gelang, war der Migrationsprozess längst nicht abgeschlossen. Denn die Migranten mussten zunächst (zumindest übergangsweise bzw. für die erste Zeit) eine Bleibe finden (vgl. ebd.: 51).
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Nach dem Ersten Weltkrieg kamen auch zunehmend junge Männer mit höherem sozio-ökonomischen Status, aus ‚besseren‘ Familien nach England. 51 Dennoch: Eine elitäre, d.h. stark mit kulturellem, edukativem, sozialen und nicht zuletzt auch ökonomischem Kapital versehene Netzwerkdiaspora – wie im späteren 20. oder gar 21. Jahrhundert52 – konnte unter dem hegemonialen Charakter der kolonialen Regime nur in Ausnahmefällen entstehen: „Im Einwanderungsland bildeten die Migranten zunächst eine ethnic under-class: Sie arbeiteten in Bereichen und zu Löhnen, für die sich kein Einheimischer mehr bereit fand“ (Schiffauer 2006: 102). Die Frage, warum gerade Menschen aus dem Sylhet District verstärkt, d.h. in relativ großer Zahl, den Weg nach England suchten – „Why then did it, rather than other districts in Northern Bengal, become established as a sender of lascars?“ (Gardner 1995: 40) –, ist derweil nicht leicht zu beantworten. Gardner sieht vor allem – wenngleich nicht nur – sozio-ökonomische Gründe im Vordergrund (ebd.). Festzuhalten gilt gleichwohl: Die Männer aus Sylhet gehörten nicht zu den Allerärmsten.53
51 Choudhury erläutert: „Traditionally, the boatmen and the small farmers of Sylhet used to go to Calcutta for seamen’s jobs, there were others but not many. Now things began to change. The rich land owners adventurous sons who were engaged neither in study, nor in any particular job, started to turn to Calcutta for seamen’s jobs. From 1920 onwards, more members of the better-off families from the central lowland of Sylhet gradually began to enter the sailors profession with great enthusiasm. Their aim was not to continue as seamen on the ship, but to build a career in a new land“ (Choudhury 1993: 51). 52 Wie der Elitenforscher Hartmann in seinem Buch „Die globale Wirtschaftselite. Eine Legende“ (2016) auf der Grundlage seiner empirischen Studien darlegt, ist die angeblich so globale Superelite nur ein medialer Mythos. Stattdessen war und ist gerade die (alteingesessene) Oberschicht immer schon stark national organisiert, auch hinsichtlich der durchlaufenen Bildungsinstitutionen. Einheimische Eliten des British Empire, die zum Studium von Indien nach England gingen (z.B. Gandhi), zählen letztlich ebenfalls zu einer national organisierten Elite: Sie bewegten sich zwar kontinentübergreifend, aber immer nur innerhalb der nationalen Grenzen des British Empires. Wirklich global bzw. transnational mobil sind heutzutage nur die vielen Globalisierer der Mittelschicht, die z.B. über ihre Arbeit als Unternehmens- oder Politikberater den mobilen Kapitalismus in besonderem Maße reproduzieren. Diese zählen nach Hartmann aber nicht zur Spitzenelite. 53 Gardner erläutert im Detail: „Whilst there is no simple answer to this, some of the reasons may be linked to Sylhet’s particular socio-economic characteristics laid down
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Indische Arbeitskraft wurde indes nicht nur innerhalb des Indischen Ozeans, sondern – immer in durch die koloniale Herrschaft reglementierter und regulierter Form – global ‚exportiert‘ (Bose 2006: 76). Indisches Kapital und indische Arbeitsmigranten waren im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert von entscheidender Wichtigkeit für das Funktionieren des globalen Kapitalismus unter britisch-kolonialer Flagge, wie Bose verdeutlichte (ebd.: 77 f.). Global entstehende Wertschöpfungsketten und vermeintlich neue Handelswege nutzten dabei nicht selten frühere, d.h. präkoloniale Geographien der Ökonomie, wurden allerdings gleichzeitig durch westlich-kapitalistische Normierungsversuche und Regulierungsmechanismen überformt und modifiziert (vgl. ebd.: 78). Die gleichzeitige Abhängigkeit wie Verschmelzung mit den westlich-europäisch entworfenen und sodann global implementierten Wirtschaftsformen machte die indischen Arbeitsmigranten dabei extrem verwundbar, was sich in den Folgen der ‚Großen Depression‘ der 1930er Jahre widerspiegele (ebd.). Diese war nur eine der vielen „globale[n] Krisen und Konflikte[n]“ (Osterhammel & Petersson 2007: 77 ff.), die Osterhammel für die Zeit von 1918 bis 1945 konstatiert und die auch auf Britisch-Indien großen Einfluss hätten (ebd.: 77 f.). Die britische Hegemonie setzte sich in diesem Kontext aus mehreren, gleichsam oftmals miteinander verschränkten Bausteinen zusammen: aus einer wirtschaftlich-kommerziellen, einer maritim-kontrollierenden und einer kriegerischexpansiven Praxis (vgl. Jackson 2011). Der Indische Ozean jener Zeit kann dementsprechend als regulierter Raum gedacht und damit gedeutet werden, der u.a. durch die britische Hegemonie in Form eines „maritimen Regimes“ beherrschbar gemacht wurde (M. Gupta 2010). Dieser Machtapparatus umfasste unterschiedlichste Sphären einer „Ocean Governance“ (ebd.: 29 f.). Osterhammel spricht in diesem Kontext z.B. von einer „Zivilisierung durch Markt und Gewalt“ (Osterhammel 2009a: 1182 f.), denn „Marktwirtschaft, Recht und Religion waren die
during British Colonialism. Since competition between families over land, and thus social status, was a key feature of taluk dar areas, migration may have been a means to compete, enabling families to improve their economic position through earning foreign wages. Whereas Chittagong already had a flourishing sector, enabling the most enterprising to make their profits at home, in Sylhet there were less opportunities. Taluk dar families were independently minded and accustomated to thinking in terms of enterprise and profit. They also tended to be several steps above the margins of subsistence, and could thus afford to take the risk inevitably attached to migration in those early days. Many households had sufficient surplus wealth to pay for papers and fares, and could also afford to lose the labour of one or more members“ (Gardner 1995: 40).
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drei Säulen, auf denen die weltweit wirkungsvollste Variante des mächtigsten Projekts der Zivilisierungsmission ruhte, die britische“ (ebd.: 1183). Insbesondere die Idee eines ‚natürlichen‘ Marktes rührt aus dieser Zeit (vgl. ebd.: 1182). Neben derartigen ideen- bzw. mentalitätsgeschichtlichen Entwicklungen von britischer Ökonomieherrschaft sind auch die – damit oft untrennbar verbundenen, ja: oft aus ihnen resultierenden, von ihnen performativ beeinflussten und gar angeleiteten – materiellen bzw. sich materialisierenden Facetten, wie insbesondere die Mobilisierung von Menschen, derselben zu berücksichtigen (vgl. Mann 2004: 124). Der Indische Ozean wurde im Zuge dessen aber auch durch die Qualität sowie die Quantität des Volumens von Handelsbeziehungen durchdrungen, um machtpolitische und wirtschaftliche Ansprüche geltend zu machen bzw. durchzusetzen (vgl. Osterhammel 2009a: 665 f.). Wie Osterhammel somit schließlich verdeutlicht: „Handel und Migration, beides durch die Einführung der Dampfschifffahrt und die Öffnung des Suezkanals unterstützt, wurden zu den wichtigsten Integrationskräften“ (ebd.: 159). (3) Das ‚Steamship Empire‘ Generell war der maritime Arbeitsmarkt zwischen ca. 1880 und 1945 stark durch das britische „Steamship Empire“ geprägt (Hyslop 2011; vgl. auch Ahuja 2013: 113) und wies eine Reihe von Besonderheiten bzw. Neuheiten auf. In diesem Zeitraum dominierte das durch Kohle angetriebene Dampfschiff den Welthandel auf See – und die mental maps indigener Bevölkerungsgruppen als Heterotopie einer europäisch-westlichen Welt (nach Foucault 2005). Nach Hyslop (2011: 55) bedingte dabei die neue Technologie der kohlebetriebenen Dampfschiffe eine große Nachfrage nach kostengünstiger Arbeit durch Geringqualifizierte. Diese seien seiner Ansicht nach dabei als aktive Globalisierungsmacher und Raumüberwinder in der Lage gewesen, durchaus eigenständig Handlungs- und insbesondere Mobilitätsentscheidungen zu treffen (ebd.; vgl. auch Wenzlhuemer 2013). Zwar machte sich schon 1825 das erste Dampfschiff von England gen Indien auf die Reise, dennoch dauerte es bis ca. 1880, bis die neue Technologie die traditionellen Segelschiffe weitgehend marginalisiert hatte – wenngleich diese nie gänzlich verschwanden (Hyslop 2011: 42). Große Teile der maritimen Ökonomie wurden ab diesem Zeitpunkt per Dampfschiff abgewickelt. Die großen Shipping Companies, aber auch kleinere Schiffseigentümer, waren weitestgehend in britischer Hand – zumindest wenn die jeweilige Gesellschaft oder der Eigentümer Überseefahrten durchführte. Demgegenüber war etwa ein Viertel der küstennahen Schifffahrt im Jahr 1939 „locally owned“ (Desai 1940: 17; zit. nach Hyslop 2011: 43). Zudem orderten indigene Herrscher, z.B. des Oman, von Zan-
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zibar, Burma oder aus Thailand schon seit dem 19. Jahrhundert Dampfschiffe, so Hyslop (2011: 43). Als weitere Gruppe arbeitete Hyslop die afrikanischen und asiatischen Arbeitskräfte, teilweise auch aus der Karibik, heraus. Diese wurden, wie bereits zu Beginn dieser Arbeit dargelegt, gemeinhin als Lascar bezeichnet, was ursprünglich lediglich Ausdruck für indische Seemänner war, über einen längeren Zeitraum aber auf sämtliche Nationalitäten der maritimen Arbeitskräfte des Indischen Ozeans, also primär auf Südasiaten und Ostafrikaner, übertragen wurde (nach ebd.: 43 f.). Sie stammten vor allem aus den großen Hafenstädten des Indischen Ozeans bzw. – meist ursprünglich – aus dem jeweiligen Hinterland. Die Hauptrekrutierungsorte waren demnach für den indischen Subkontinent Kalkutta, Bombay und Karachi, stellt Hyslop fest (ebd.: 45). Aus europäisch-kolonialer Sicht gab es viele Gründe für die Beschäftigung von Lascars auf den Schiffen des Indischen Ozeans: Sie galten als gute Segler, kannten als Einheimische die natürlichen Gegebenheiten der Region, waren diszipliniert (sie betrieben nicht – wie europäische Seeleute – exzessiven Alkoholkonsum) und stellten eine große Masse an arbeitswilligen, ungelernten Menschen dar, sodass Lohndumping möglich war. Darüber hinaus befanden sich die Lascars in einem juristischen Vakuum, einer gesetzlichen Grauzone: Es gab kaum adäquate Gesetze oder Verordnungen, die die Arbeitsbedingungen der Lascars hätten schützen können, sodass es den Schiffseignern möglich war, die Arbeitswilligen zu den von ihnen vorgegebenen Konditionen zu beschäftigen (vgl. Ahuja 2013: 115, Choudhury 1993: 50). Das nicht selten von rassistischen Vorurteilen geprägte Bild des Lascars führte überdies dazu, dass die wenigen Verordnungen bezüglich der maritimen Arbeit zu ihren Ungunsten ausgelegt werden konnten: Ihre angeblich natürliche Unterwürfigkeit – „the ‚docility‘ of the ‚lascar‘“ (Ahuja 2013: 113 ff.) – ‚rechtfertigte‘ die Machtasymmetrien. Angeblich bräuchten sie weniger Platz und Verpflegung an Bord, seien hitzeresistenter, zäher und entwickelten sich körperlich schneller als ‚der Europäer‘ (Manning Committee 1896, Mercantile Marine Committee 1903, Hood 1903), sodass die Arbeitszeiten nicht reguliert wurden und Altersbeschränkungen praktisch nicht vorhanden waren – was wiederum dazu führte, dass schon Jugendliche zu menschenunwürdigen Bedingungen verpflichtet wurden (vgl. ebd.: 114). „Low cost and greater controllability“ – so fasst Ahuja diesbezüglich zusammen und spricht von „‚labour catchment areas‘“ in Südasien, von bestimmten Gebieten, in denen die Einheimischen organisiert angeworben wurden (Ahuja 2002: 40 ff., 2009: 13 ff.). An Bord sind die Lascars in der Regel einem (oder auch mehreren) Serang unterstellt worden (Hyslop 2011: 38). Serang – oder auch Sarong (vgl. Choud-
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hury 1993) – war die Bezeichnung für Bootsmänner und Aufseher, ergo in der Hierarchie über den Lascars stehende, in der Regel ebenfalls gebürtig aus den (ehemaligen) Kolonien stammende ‚Natives‘ – nicht zu verwechseln mit den Eigentümern der Schiffe (vgl. Ahuja 2002: 44, Choudhury 1993: 42). In diesem disziplinierenden Beziehungsgeflecht erscheinen die Identitäten der Lascars als situationsbezogen und insbesondere von ihrem jeweiligen Gegenüber abhängig. Wie Hyslop (2011: 46) herausgearbeitet hat, konnte die Arbeit an Bord der Dampfschiffe sodann in drei Großgruppen unterteilt werden, die jeweils eng an die regionale Herkunft der Lascars gekoppelt waren. So arbeiteten im „saloon“, etwa als Kellner, Koch, Reinigungskraft etc., vor allem christliche Männer aus Kalkutta und Goa. Dagegen arbeiteten an Deck eher Muslime aus Malabar, z.B. als Be- und Entlader der Ladung. Arbeiter aus Sylhet verdingten sich vor allem im „engine room“: Sie mussten die körperlich härteste, gesundheitlich risikoreichste und gefährlichste Arbeit rund um die mit Kohle zu gewährleistende Befeuerung des Schiffs durchführen (nach ebd.).54 Die oftmals menschenunwürdigen Arbeits- und Lebensbedingungen, speziell auf den Schiffen, ein unzureichender Rechtsschutz der Migranten sowie die oft fragwürdigen Rekrutierungsmechanismen lassen letztlich auf ein qualitativ kaum besseres Arbeiten auf britischen Schiffen als zu Zeiten der Sklaverei schließen (Bose 2006: 75 f.).55 Das Schiff blieb während der menschenunwürdigen Überfahrt eine Heterotopie als materiell reale, disziplinierende Utopie (vgl. Foucault 2005), aber nun als furchtbarer Gegenort der Tyrannei, der ‚in Kauf‘ genommen wurde bzw. werden musste.56 Einmal in Europa angekommen, warteten sodann oft weitere Beschwerlichkeiten – von denen nur einige wenige hier skizziert werden können – auf die Männer aus Südasien: Es mussten etwa neue Sozialkontakte aufgebaut werden und die wirtschaftlichen Hoffnungen auf eine lukrative Arbeit erfüllten sich nicht immer, sodass nicht wenige wieder verarmt nach Südasien zurückkehren mussten (Mann 2014: 124). Abgelöst wurde die Ära des ‚Steamship Empire‘ schließlich durch ölbetriebene Schiffe und kleinere Mannschaften an Bord nach dem Zweiten Weltkrieg, eine weitere Revolution des Transportwesens erfolgte sodann 1960 durch die Einführung des stärker standardisierten Containersystems: „There were dramatic
54 Nichtsdestotrotz soll darauf hingewiesen werden, dass viele die Arbeit an Bord von vornherein ohnehin nur als ersten, eben notwendigen Schritt auf dem Weg zur schließlichen Auswanderung betrachtet haben (vgl. Gardner 1995: 42). 55 Detaillierte Schilderungen der harten Bedingungen an Bord liefert insbesondere Choudhury (1993: 42 f.). 56 Siehe auch die Schilderungen Gardners (2002: 90).
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changes in shipping after World War II. The old tramp steamers were often replaced by container ships and bulk ore and oil tankers“ (Pearson 2003: 262). Zudem verlor der Handel auf dem Seeweg durch die neu entstandene Mobilität auf dem Luftweg an Bedeutung (nach Hyslop 2011: 55, vgl. auch McPherson 2007: 44). Gleichwohl begann das „‚golden age‘ der Migration nach Großbritannien/England“ (Gardner 2002: 93) erst nach dem Zweiten Weltkrieg, als in Europa viel billige Arbeitskraft vonnöten war (ebd.: 42 f., 92 f.; vgl. auch Ballard 2003). Nach zunehmenden Reglementierungen des Zustroms an Migranten in den 1960er und vor allem 1970er Jahren wanderten viele Menschen aus Sylhet in den folgenden Jahrzehnten schließlich in andere Zielländer aus, so z.B. in den Nahen Osten (siehe z.B. Gardner 1995: 58 ff.). Diese Entwicklungen (sowie die folgenden) können hier allerdings nicht weiter vertieft werden. 57 Die betrachteten Migranten und ihre Lebensgeschichten sind somit Teil einer Speerspitze an Auswanderern, die in den folgenden Jahrzehnten in weitaus größeren Strömen gen England wanderten: „When the second world war broke out in 1939, there were about 150 to 200 Bangladeshi then living in the East-end of London. […]. As the war went on, the Bangladeshi population began to increase in the U.K.“ (Choudhury 1993: 68).58 Zugleich muss festgehalten werden: „Beiden [Weltkriegen] ist gemein, dass sie in Asien Dekolonisationsschübe ausgelöst haben“ (Reinhard 2016: 1099).
57 Dazu siehe z.B. Eade (2013: 291 f.). 58 Siehe dazu auch Alexander et al. (2016), Eade (2013: 283) und Gardner (2013: 263). Gleichwohl waren es in jener Zeit wegen des noch nicht gegründeten neuen Staates Bangladesh noch keine „Bangladeshi“, sondern East Bengalis.
3 Quelle und Methode: Zwischen Mensch und Materialiät
Die vorliegende Arbeit möchte keine ‚Elfenbeinturmforschung in Reinform‘, d.h. in Form puren Theoretisierens sein, sondern im späteren Verlauf auch – wenngleich primär geschichts- und geographietheoretisch ausgerichtet, um dem übergeordneten Ziel, unterschiedliche universitäre Disziplinen vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Großthemen verstärkt ins Gespräch miteinander zu bringen, gebührend Rechnung zu tragen – empirisch unterfütterte Wissenschaft betreiben. „Ein [zumindest annähernd bzw. situativ, Anm. d. Verf.) ausgewogenes Verhältnis von empirischer Sachverarbeitung und theoretischer Reflexion“ (Reinhard 2016: 12) ist dabei schon deshalb ein Ziel dieser Zeilen, da nicht nur die Humangeographie, sondern auch die in dieser Arbeit assistierende „Geschichtswissenschaft [...] das intensive, in die Tiefe bohrende Studium umgrenzbarer Fälle [verlangt]“ (Osterhammel 2009a: 14). Demzufolge sollen im Rahmen des Forschungsprojektes als empirischer Gegenstand Lebensgeschichten südasiatischer Lascars dienen, die im 20. Jahrhundert auf britischen Schiffen arbeiteten und anschließend versuchten, in Europa Arbeit zu finden.1 Inwiefern hier von einer Transformation in – nach europäischen Maßstäben – wirtschaftlich kalkulierende und Recht in dessen vielfachen Ausführungen ‚wert-schätzende‘ Subjekte gesprochen werden kann, soll multikonzeptionell, vor allem unter Rückgriff auf tendenziell poststrukturalistische Theorieangebote, aufgezeigt werden: Handelt es sich etwa – analog zum Konzept der „Selbstkulturalisierung“ von Reckwitz (2009) – um eine ‚Selbstökonomisierung‘ bzw. eine ‚Selbstverrechtlichung‘? Hyslop, beispielsweise, unterstellt den Arbeitsmigranten des Indischen Ozeans eine „active role in shaping their futures“ (Hyslop 2011: 40). In diesem Sinne muss z.B. erläutert werden, wie im 1
Eine Fokussierung auf Lascars des 20. Jahrhunderts scheint deshalb sinnvoll, da so die koloniale mit der postkolonialen Zeit über die Biographien verbunden werden kann.
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Zusammenspiel von Mensch und Materialität, Praktiken und Diskursen, konkret etwa zwischen Lascars und britischen Schiffen als Gegenräume zum traditionellen Leben in Südasien oder zwischen der Arbeit auf den Schiffen als Aufführung sowie Verstetigung einer ökonomischen Praxis und identitätsstiftenden Diskursen über räumlich gekoppelte Ökonomien Individuen responsibilisiert werden (vgl. Foucault 2005). In diesem Kapitel soll näher auf die Quelle sowie auf Fragen der Methodik eingegangen werden. Dabei gilt: „In studying the Indian Ocean world, in itself the most hybrid of cultural interpenetrations, our methodology must likewise be hybrid“ (Moorthy & Jamal 2010b: 17).
A) H ISTORISCHE K ULTURGEOGRAPHIEN Das Gesamtprojekt „Macht-(W)Orte“ lässt sich in methodischer Hinsicht, grob gesagt, als historisch arbeitende Geographie – während es in theoretischer Hinsicht eher eine kulturelle, d.h. kulturtheoretisch ausgerichtete Geographie und/oder Geschichte ist – lesen, die „als Geographie der Vergangenheit verstanden werden“ (Dix & Schenk 2011: 1064) kann. Zugleich kann diese Studie als Beitrag zur Fortentwicklung des weiten Feldes historisch-geographischer Arbeiten betrachtet werden, das hier in Bezug auf seine insbesondere jüngere Entwicklung näher charakterisiert werden soll. Die Historische Geographie sieht sich in den letzten Jahren mit spezifischen Herausforderungen im Spannungsfeld von institutioneller Schrumpfung und gleichzeitigem gesteigertem Interesse vielerlei (Sub-)Disziplinen konfrontiert (vgl. Steinkrüger & Schenk 2015: ix). Dabei erweist sich dieser disziplinär kaum eindeutig zuzuordnende, multiperspektivische, differenziert ausstaffierte Zwischenraum als überaus wertvoller Nährboden kreativer Erkenntnisgenerierung: „When historical geography is an island, what matters is the amount of boat traffic, the interactions on the shore and the quality of the hospitality. Such a metaphor shifts emphasis from bridging to contact, sharing, voyaging and interconnection, and thus suggests historical geography as a contact zone in its own right“ (Winder 2015: 8). Winder spezifiziert: „From this perspective, historical geography has become a contact zone where scholars with diverse disciplinary training can meet to pursue interdisciplinary projects“ (ebd.: 8 f.). Das neue große Interesse an historisch-geographischen Herangehensweisen kann dabei durchaus überraschen, galten sie doch auch innerhalb der Humangeographie lange Zeit „als theoriearme Melange gut abgehangener wissenschaftlicher Traditionsbestände aus der Mottenkiste“, „als erzkonservativ und reaktionär“ (Gebhardt 2015: 1). Heute stellt sich die Situation anders dar, wenngleich gerade Geogra-
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phen noch zu wenig zur Stärkung historisch-geographischer Forschung beitragen (ebd.: 3). Reuber sieht in der jüngeren Vergangenheit das Buch „Im Raume lesen wir die Zeit. Über Zivilisationsgeschichte und Geopolitik“ des Historikers Schlögel (2003) als bahnbrechenden Grundstein eines neuen, theoretisch-konzeptionell zeitgemäßen Dialogs von Geographie und Geschichtswissenschaft im deutschsprachigen Raum – insbesondere deshalb, weil Schlögels Ausführungen „ein dekonstruktivistisches Weltbild“ und theoretisch-konzeptionelle Arbeiten von Geographen zugrunde liegen – nicht mehr (‚nur‘) deskriptive Überlegungen zu Raum und Ort aus der Geschichtswissenschaft (Reuber 2005: 6). In der Tat zeigt Schlögels Monographie die Bedeutung des Cultural Turn wie auch den Trend zur Rolle der Geographie als großer ‚Theorieexporteur‘ (vgl. Warf & Arias 2009a: 1) auf. Daneben kann sie aber auch allgemein als Beleg für die Relevanz des Spatial Turn in der Geschichtswissenschaft aufgefasst werden. Schnell konnte festgestellt werden: „Eine Geographie, die die ‚Kultur‘ und eine Geschichtswissenschaft, die den ‚Raum‘ (wieder-)entdecken, scheinen neue Berührungsebenen entwickeln zu können“ (Wardenga 2005: 17). Auch Dix erkennt in diesem Sinne „neue Berührungsebenen von Geographie und Geschichtswissenschaft“ (2005), insbesondere wegen der großen Relevanz und dem gesteigerten Interesse an der Globalisierung.2 Gebhardts flammendes Plädoyer: „Ohne die Kenntnis früherer gesellschaftlicher Organisationsformen, historischer Akteure und deren Interessen und Machtressourcen wird man hier nicht weiterkommen. Damit könnte die historisch-geographische Forschung in Deutschland auch ihre bisher sehr auf Mitteleuropa eingegrenzte Perspektive ausweiten. Es ist somit für die Humangeographie an der Zeit, sich auf historisch-geographische Perspektiven zu besinnen, allerdings eben nicht in direkter Anknüpfung an das verblichene Erbe, sondern in Anlehnung an die aktuellen konzeptionellen Diskurse und emerging fields in der Humangeographie“ (Gebhardt 2015: 4 f.).
Mit ‚kulturellen Geographien des Rechts‘ (kulturtheoretisch informierte Rechtsgeographie) und ‚Historischen Kulturgeographien‘ (kulturtheoretisch informierte Historische Geographie), die sich auch durchaus zu ‚Historischen Kulturgeographien des Rechts‘ verbinden ließen (historisch und kulturtheoretisch informierte Rechtsgeographien), besetzt diese Arbeit – neben einigen schon etablierten Pers-
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Auch Middell sieht den Boom globalhistorischer Ansätze – bzw. allgemeiner: „das Interesse an der Globalisierung in der gegenwärtigen Geschichtswissenschaft“ (Middell 2005) – als weiteren Verstärker historisch-geographischer Forschung (ebd.: 33).
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pektiven wie etwa „kulturellen Geographien der Ökonomie“ (Berndt & Boeckler 2007), die sich ebenfalls mit den beiden soeben vorgestellten Ansätzen verbinden ließen zu einer historisch und kulturtheretisch informierten Rechts- und Wirtschaftsgeographie – gleich zwei aktuelle, innovative emerging fields in der Humangeographie. Ferner geht sie über Mitteleuropa als Fallbeispiel hinaus, indem Aspekte der Geschichte Südasiens und des Indischen Ozeans aufgegriffen und zugleich mit britischer Kolonialgeschichte in Beziehung gesetzt werden. Durch ein in diesem Sinne ausgerichtetes (Be-)Schreiben einer „Geographie der Vergangenheit“ (Dix & Schenk 2011: 1064) befassen wir uns mit den Grundlagen des Selbstverständnisses der (Human-)Geographie, insbesondere mit den „beiden zentralen Kategorien der Geographie“ (Gebhardt et al. 2011c: 11) Raum und Zeit (vgl. diesbezüglich auch Gebhardt et al. 2011e), deren beider Verhältnis besonders gut durch eine historisch induzierte Geographie, wie sie hier vorgestellt wird, behandelt werden kann. Denn „schon für den Philosophen Immanuel Kant bildeten die Kategorien Raum und Zeit die Grundlagen der Erkenntnismöglichkeit. Ohne diese Kategorien ist die Möglichkeit der sinnlichen Wahrnehmung unmöglich; sie erst ermöglichen den Zugang zur Welt“ (ebd.: 38). Nichtsdestoweniger bevorzugt der im Rahmen der vorliegenden Studie zu entwickelnde Ansatz keine der beiden – weder Zeit, noch Raum –, sondern plädiert stark für eine „Veränderung des Blickwinkels hin zu einer stärkeren Gleichberechtigung“ (ebd.). Zwar muss die von Geographen vielfach geäußerte – und mit Blick auf die Wissenschaftsgeschichte: berechtigt geäußerte – Angst vor der „Kolonisierung des Raumes durch die Zeit“ (ebd.: 38 f.) ernst genommen werden. Und doch sollte sie deswegen längst nicht zwangsläufig in eine übertriebene Bevorzugung des Raumes umschlagen. Genauso wenig möchte der Autor eine dominante Ausrichtung seiner Zeilen auf zeitliche Prozesse in den Blick nehmen und dennoch – oder gerade deswegen? – die trotz des Spatial Turn nach wie vor bestehenden Ängste von Historikern vor geodeterministischen und/oder reifizierenden Raumkonzeptionen ernst nehmen. Eine ausgewogene konstruktivistische – und dennoch zugleich die performativen Realisierungen räumlicher und zeitlicher (Re-)Produktionen in alltäglichen Aufführungen berücksichtigende – Herangehensweise erscheint im Anschluss an den Cultural Turn und dessen Weiterentwicklungen am angemessensten. Wenn sich die Historische Geographie also der „Rekonstruktion raumzeitlicher Strukturen“ (Dix & Schenk 2011: 1064) verschreibt, dann muss an dieser Stelle erneut betont werden, dass es sich hier nur um die subjektive Re- und Dekonstruktion subjektiver Rekonstruktionen handeln kann, wenn der Wissenschaftler subjektiv (der Wissenschaftler selbst als subjektiver Konstrukteur von Wirklichkeit) subjektiv-unbewusste Bedeutungszuschreibungen (von Seiten der
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Migranten) aufzeigt. Dies wird deshalb explizit erwähnt, da Geographien der – in der Auffassung des Autors: immer konstruierten, aber letztlich auch performativ wirksamen und realisierten – Vergangenheit als Perspektive auf verschiedene Arten und Weisen theoretisch gefüllt werden können: Es soll nicht gezeigt werden, ‚wie es war‘, sondern wie Menschen Vergangenheit (re-)konstruieren – immer subjektiv, als Teil multipler Realitäten. Denn es ist „für jede Gesellschaft und jedes Individuum konstitutiv, dass sie Bedeutungen schaffen, schöpfen, produzieren – indem sie Wirklichkeiten konstruieren“ (Helbrecht 2003a: 14). Diesbezüglich kann aber noch einen Schritt weiter gegangen und von der gleichzeitigen Realisierung von Wirklichkeit ausgegangen werden, wenn bestimmte Bedeutungszuschreibungen identitätsstiftend und/oder handlungsanleitend fungieren. Es sollen auch keine generalisierenden Aussagen über Vergangenheit gemacht, sondern ‚nur‘ ein Einzelbeispiel – das sich aus mehreren, in vielerlei Hinsicht ähnlichen Lebensgeschichten speist – aufgezeigt werden, das von anderen Wissenschaftlern auch durchaus anders interpretiert werden darf. Hierbei muss angemerkt werden: „Man gewinnt auf diese Weise schlaglichtartige Informationen, die nur qualitative Aussagen zulassen“ (Dix & Schenk 2011: 1064). Um die Quelle gebührend einordnen zu können, empfiehlt es sich dann auch, dem Leser zunächst eine zumindest grobe Orientierung anhand einer Kontextualisierung zu bieten. In diesem Sinne möchte diese Studie auch einen wenigstens fragmentarischen historischen Rückblick wagen, indem – thematisch mit besonderem Fokus auf Wirtschaft bzw. Recht – überblicksartig auf die Migrationsgeschichte(n) des Indischen Ozeans, auf historiographische Ergebnisse und multiperspektivische Erlebnisse Bezug genommen wird. Dabei werden nur einige dieser Linien nachgezogen, um sie dem Leser insofern präsent zu machen, als er anschließend einen besseren Überblick über die ‚großen‘ historisch-geographischen Panoramen des hier vorgestellten Themas haben soll. Im Zuge dessen sollen nicht zuletzt Querverbindungen zur heutigen Relevanz des Indischen Ozeans auf den verschiedensten Ebenen skizziert werden. Gleichwohl ist die Interpretation und Kontextualisierung der erwähnten Lebensgeschichten, jener zehn in „Across seven seas and thirteen rivers“ präsentierten Biographien, sowie ihre Verwendung als Quelle alles andere als neu; schon die Herausgeberin Adams analysierte die life stories und bettete sie in historische Zusammenhänge ein (Adams 1987b). Eine explizite Fokussierung auf das (eigenmächtige?) Selbst-Einfügen der Migranten in ökonomische und rechtliche Kontexte wurde im Zuge dessen hingegen nicht vorgenommen. An dieser Stelle setzt das Forschungsprojekt an.
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Die wiederholte detaillierte historische Einordnung bzw. einen exakten Nachvollzug der in den Lebensgeschichten genannten Ereignisse und Prozesse wird dabei ob dieser primär theoretisch-konzeptionell ausgerichteten Arbeit nicht geliefert (höchstens fragmentarisch); in diesem Sinne hat schon die Herausgeberin Adams eine eindrucksvolle, wenngleich populärwissenschaftliche Skizzierung vorgelegt (ebd.). Ihre Deutung soll bewusst nicht verdrängt, sondern lediglich – in Form einer anderen, durch eine alternative Geschichte – ergänzt werden. Ohne Anspruch auf Repräsentativität oder gar Vollständigkeit zu erheben, sollen hier den jeweiligen Dimensionen der Wirtschaftswirkung bzw. Rechtsrealisierung relevante Aussagen als prägnante Beispiele aus den erwähnten Lebensgeschichten zugeordnet werden, um mögliche Fälle der Vor- und gleichzeitigen Herstellung ökonomischer sowie rechtlicher Wirklichkeiten zu präsentieren. Das Buch „Across seven seas and thirteen rivers. Life Stories of Pioneer Sylhetti Settlers in Britain“ – incl. der vorgeschalteten Kontextualisierung der Herausgeberin Adams – „tries to tell the personal tales of a few Bengalispeaking (Banglabhashi) settlers in the UK from among the first three hundred or so who came to this island during the early part of the century“ (Ahmed 1987: viii). Genauer gesagt geht es um „Bangladeshis who had migrated to Britain in the 20’s, 30’s and 40’s“ (ebd.). Diese waren alle „ex-seamen who served on the British Merchant Navy ships in peace and war“ (ebd.) und kamen auf der Suche nach Arbeit aus dem ärmlichen, bäuerlich-ländlich geprägten Sylhet zunächst in die große Hafenstadt Kalkutta, heuerten auf Schiffen an und kamen so schließlich nach Europa. Die Selbstzeugnisse der Lascars können vor diesem Hintergrund als materialisierte Diskursindikatoren für rechts- und ökonomiebezogene Ordnungen sowie damit zusammenhängende Identitäten angesehen werden. Methodisch soll dementsprechend, um nun innerhalb dieser hier vorgestellten historisch informierten Geographie etwas weiter zu spezifizieren, versucht werden, die historiographische Tradition der Arbeit mit biographischen Selbstzeugnissen unter kulturtheoretischen Prämissen für Nachbarwissenschaften der Geschichtswissenschaft – z.B. für die Humangeographie, aber auch für die Rechtswissenschaft – fruchtbar zu machen.3 In diesem Sinne können wir uns Moorthy und Jamal anschließen, die fordern:
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Methodische Fragen werden im Rahmen dieser Arbeit immer an (meta-)theoretische Grundannahmen gekoppelt betrachtet, denn „in the messiness of research, the concerns of theory and research already run together, even for those who see themselves as free from such supposedly dispassionate pursuits. After all, the idea of rigour and rigorous research, the easy division between inside and outside (‚going out and doing
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„The ocean must be anthropomorphized, as though it could not exist or possess a meaning were it not a mirror of humankind. […] To write a story of an ocean, then, is to write the story of those who have traversed it, who have inhabited its shores, and who, through the power of imagination, have conjured its many meanings“ (Moorthy & Jamal 2010b: 1).
Da die ehemaligen Seemänner in Netzwerke eingebunden waren, bietet es sich überdies an, ihre Identitäten mit Bezug auf ihre Mitmenschen zu ergründen. Insbesondere potenzielle Spielräume und Grenzen ihrer imaginierten Geographien der Ökonomie und des Rechts werden dabei Teil der Überlegungen sein (vgl. Gregory 1995); situative Identitäts-, Raum-, sowie Machtaspekte und -kategorien müssen in diesem Kontext angemessen berücksichtigt werden (vgl. Pott 2007). Die erwähnten Prozesse sollen dabei in größere Zusammenhänge der Migrationsbewegungen und -geschichte zwischen Asien und Europa eingebettet werden, um letztlich einen Interpretationsansatz zur weitergehenden Analyse entsprechender Austauschbeziehungen zu offerieren. Zwar primär theoretischdeduktiv ausgerichtet, verfolgt die Arbeit demnach dennoch auch das Ziel eines empirisch unterfütterten Forschungsdesigns, welches sich aus der (mehr oder minder) konsequenten Rekurrierung auf die erwähnten Lebensgeschichten speist; aus ihnen lassen sich vielerlei Prozesse der Vermarktlichung und Verrechtlichung global-lokaler Wissensgeographien ableiten – ohne sie in ihrer jeweiligen Einzigartigkeit in Frage zu stellen. Eine historisch arbeitende Geographie zeichnet sich dabei insbesondere durch die Auseinandersetzung mit historischen Quellen aus – auch diese Arbeit wird sich in ihren „Fragestellungen und Methoden auf das vorhandene historisch überlieferte Material stützen“ (Dix & Schenk 2011: 1064). Als umfang- und aufschlussreiches Quellenreservoir finden sich in diesem Sinne in „Across seven seas and thirteen rivers. Life Stories of Pioneer Sylheti Settlers in Britain“ – wie bereits erwähnt – zehn im Rahmen eines Oral History-Projekts generierte Lebensgeschichten der erwähnten Migranten (Adams [Hrsg.] 1987a). Auch wenn
research‘), all betray a certain philosophical position around the world, about the researcher and the objects (humans and non-humans) to be encountered in the research process. Even something seemingly as innocuous as ‚writing up‘ is not a theory-free zone, in so far as the process of writing is itself not free from conjecture and issues such as representation and reflexivity, forms of analysis, and writer-audience relationships. Equally, philosophical standpoints, as ways of understanding the world, contribute significantly to the formulation of a research question, in that they draw attention to issues of creativity, originality and, indeed, the limits of what it is possible to ask“ (Pryke et al. 2003: 2).
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der Autor dieser Arbeit diesen Prozess der Generierung von empirischem Material also nicht selbst gestaltet hat – da dies schon durch die Herausgeberin Adams geleistet wurde und das Ergebnis in Buchform vorliegt –, möchte er dennoch im Folgenden diese Methode sowie Quellenart, die vorrangig in der Geschichtswissenschaft verwendet wird, fragmentarisch erläutern, um die Entstehung einer derartigen Form empirischen Materials und potenziell angemessene wissenschaftliche Erschließungsmöglichkeiten zu plausibilisieren. Denn – speziell deutschsprachige – Geographen haben in aller Regel kaum historisches Erkenntnisinteresse, was mit den vorbelastenden Verstrickungen der eigenen Zunft mit der Geopolitik der Kolonial-, Imperial- und NS-Zeit zusammenhängen könnte:4 In der Kolonialzeit um 1900 spielte die „Erforschungs- und Eroberungsgeschichte“ (Gräbel 2015: 229 ff.) eine gewichtige Rolle in geographischen Arbeiten: mit dem Ziel der Legitimierung von Herrschaft durch angeblichen Fortschritt (vgl. ebd.: 238 ff.). Gräbel konstatierte zwar für die Kolonialgeographie um 1900 bereits Oral-History-Forschungen (ebd.: 248), aber diese waren doch eher Ausnahmen in der Wissenschaftsgeschichte der (deutschsprachigen) Geographie.
B) O RAL H ISTORY (1) Die Hauptquelle Die in dieser Studie verhandelte Hauptquelle ist ein 1987 publiziertes Buch von Caroline Adams (1949-2001). Diese war keine professionelle Wissenschaftlerin, sondern widmete sich Zeit ihres Lebens mit großem Engagement der praktischen, gemeinnützigen Arbeit für Bangladesh und von dort Stammenden, die in England heimisch wurden. Nach ihrem Abschluss in Politikwissenschaften ging sie zunächst nach Kalkutta und half dort Flüchtlingen im Zuge des Krieges, der 1971 zur Unabhängigkeit von Bangladesh führte. Später war sie im East End in London sehr aktiv in der Jugendarbeit tätig, arbeitete an einer Reihe von Filmen mit, lernte auch Bengali und setzte sich insgesamt über 25 Jahre stark für die Community der East Bengali bzw. Bangladeshi in Großbritannen ein; zudem kämpfte sie mit viel Einsatz gegen Rassismus und Faschismus. Ihr populärwis4
Einen weiteren Grund könnten die in theoretisch-konzeptioneller Hinsicht lange Zeit ‚blutleeren‘ und ‚verstaubt‘ wirkenden, weil nicht an aktuelle Debatten im Anschluss an die Cultural Turns anschlüssigen Arbeiten der Subdisziplin Historische Geographie darstellen, die historisches Arbeiten für Geographen oftmals als nicht attraktiv erscheinen ließen.
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senschaftliches Oral History-Projekt „Across seven seas and thirteen rivers. Life Stories of Pioneer Sylheti Settlers in Britain“, in der Verlagssektion des gemeinnützigen, von Kultur- und Kunstschaffenden im Jahr 1976 ins Leben gerufenen Tower Hamlet Art Projects (THAP) in London publiziert, wurde zu einem wichtigen Werk zur bengalischen Auswanderung nach Großbritannien. Darin hat Adams die Lebensgeschichten von zehn Bengalisch sprechenden Männern, die in den 20er, 30er und 40er Jahren des 20. Jahrhunderts aus dem heutigen Bangladesh (damals noch Britisch-Indien) nach England emigrierten, um der Armut in ihrem Heimatland zu entkommen, aufgenommen und in ihrem Buch verschriftlicht. Die Männer, die dabei zu Wort kommen, sind Mr. Nawab Ali, Haji Shirajul Islam, Mr. Abdul Malik, Haji Kona Miah, Shah Abdul Majid Qureshi, Syed Rasul, Mr. Attar Ullah, Mr. Hasmat Ullah und Mr. Abdul Wahab. Sie kamen alle über den Seeweg nach England, was via Passagierschiff zur damaligen Zeit in der Regel drei bis vier Wochen gedauert hätte. Gleichwohl arbeiteten die Männer in der Regel zunächst über viele Monate auf den Schiffen, die sie schließlich nach Europa brachten (Ahmed 1987: viii). Die erwähnten Männer stammen alle aus dem Sylhet District, einer Region im Nordosten des heutigen Staates Bangladesh, der an seiner nordöstlichen Grenze u.a. an die indische Region Assam grenzt, die wiederum in der Nähe der heutigen Staaten Bhutan und Myanmar liegt (vgl. Karten im Anhang dieser Arbeit). Zu Zeiten der Kolonialherrschaft war Sylhet Teil Britisch-Indiens. Sylhet selbst ist im Osten zwar hügelig – die dortige Region ist bekannt für ihren Teeanbau –; zumeist handelt es sich aber um flaches, sehr fruchtbares und daher landwirtschaftlich genutztes Land, das stark durch den Monsun beeinflusst ist. In der Regenzeit, für die Region Fluch und Segen zugleich, wird wegen weitreichender Überschwemmungen der gesamte Transport von Menschen, Tieren und Gütern über Boote abgewickelt. Abgelegene Dörfer sind in diesen Perioden nicht selten gänzlich von der Außenwelt abgeschnitten (vgl. Adams 1987b: 1 f.). Wichtigster Ort des Distrikts ist das gleichnamige Sylhet, eine Großstadt mit heute (Stand 2011) etwa einer halben Million Einwohnern, umgeben von vielen kleineren Städten und hunderten von Dörfern. Der Distrikt Sylhet wurde 1782 als Teil der Provinz Bengalen ins Leben gerufen und war dann von 1878 bis 1947 (abgesehen von einer kleineren Etappe von 1905 bis 1911 – da für kurze Zeit wieder Teil von Bengalen) Teil der neu geschaffenen Region Assam, wurde nach der Teilung Britisch-Indiens 1947 Teil von Ostpakistan und nach der Unabhängigkeit Ostpakistans 1971 Teil des heutigen Staates Bangladesh. Kultur und Sprache des Distrikts sind stark bengalisch geprägt. Bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts und der Ankunft der muslimischen Mogulen war Sylhet in religiöser Hinsicht teils buddhistisch, teils hinduis-
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tisch formatiert, bevor sich der Islam schließlich durchsetzte. Die Briten nutzten Sylhet für die Bepflanzung und den späteren Export von Jute. Diese und andere landwirtschaftliche Erzeugnisse wurden per Boot über die zahlreichen Flüsse des Distrikts an die Küste von Britisch-Indien gebracht. Nachdem 1856 wilder Tee in Sylhet entdeckt wurde, entwickelte sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts ein ausgefeilter Teeanbau, der heute noch typisch für die Region ist (ebd.: 2 ff.).5 Die Affinität der Sylheter zur Emigration hat laut Adams vielfältige Gründe: die wasserreiche Geographie des Landes, die ursprüngliche Abstammung der in Sylhet Lebenden von umherwandernden Arabern, oder einfach nur die Hoffnung auf ein besseres Leben, dazu vielleicht auch die bloße Lust auf Abenteuer und Neues – all dies sind Erklärungsansätze, die im Verbund wichtige Motive für die Auswanderung bilden könnten (ebd.: 13 f.). Die Tradition, dass indische Bauern auf ausländischen Schiffen arbeiteten, reicht bis zu den Anfängen der europäischen Kolonialzeit zurück, als Südasiaten auf portugiesischen Schiffen mitfuhren. Mit der Zeit wuchs dabei die Zahl dieser sogenannten Lascars. Um europäische Arbeitskraft zu schützen und zu bevorzugen, durften indische Seemänner lange Zeit nur östlich des Kaps der Guten Hoffnung eingesetzt werden. Im 17. Jahrhundert dienten sie gleichwohl auch als Ersatz für die dezimierten Crews britischer Kolonialisten, die auf dem Heimweg von Südasien nach Europa wegen Krankheit, Tod und Fahnenflucht oft nicht mehr genug Personal für eine angemessene Mannschaftsstärke auf der Rückfahrt hatten – der Konflikt mit Frankreich sorgte für eine Lockerung der zuvor rigiden Lascar-Politik. In der Folgezeit wurden immer mehr Männer in Kalkutta und indischen Hafenstädten rekrutiert, um auf den Schiffen der britischen East India Company zu dienen. Nach Abschaffung dieser waren es die großen Schiffskompanien, die in Zeiten der Dampfschifffahrt zwischen Mitte des 19. und Mitte des 20. Jahrhunderts, jener Hochzeit der Lascar-Beschäftigung, hohen Bedarf an Arbeitskräften hatten (ebd.: 15 f.). Insbesondere für die früheren Lascars war das Leben sowohl in den indischen Hafenstädten wie auch gerade an Bord der Schiffe sowie schließlich nach Ankunft in London äußerst beschwerlich. Gerade die Schiffsfahrt war geprägt
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Siehe zur Art sowie Quantität der entsprechenden landwirtschaftlichen Erzeugnisse insbesondere auch die offiziellen district gazetteers, die schon zur Zeit der britischen Kolonialherrschaft umfassende Erhebungen, Umfragen sowie Statistiken bereitstellten und damit allgemein historische, soziologische, ökonomische, politische Beschreibung einzelner Provinzen darstellten. Für (Britisch-)Indien existierten sie von 1833 bis 1962. Aber auch danach gab es etwa noch die von der entsprechenden Regierung initiierten Bangladesh district gazetteers, so z.B. auch zu Sylhet (Rizvi [Hrsg.] 1970).
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von mangelnden hygienischen Bedingungen an Bord, überfüllten Decks und mangelhafter Versorgung; dazu kamen Gängelungen durch die Besatzung bzw. die Aufseher, die sogenannten Serangs.6 Ab 1795 stellte die East India Company, ab 1832 durch den Lascar Act auch offiziell verantwortlich für die Unterbringung und Rückführung der Lascars, immerhin Unterkünfte in London für die Zeit nach der Ankunft bereit (gleichwohl handelte es sich um kostengünstige Baracken, die ebenfalls überfüllt waren). Mit dem zunehmenden Bedeutungsverlust und der schlussendlichen Abschaffung der Ostindiengesellschaft entstand im Verlauf des 19. Jahrhunderts ein Vakuum in der Zuständigkeit für die ankommenden Seemänner, was zu skandalösen Zuständen in London führte, da die Lascars nun eigenständig eine erste Bleibe finden mussten und über die Stadt verteilt die Bordelle, Spiel- und Opiumhöllen frequentierten, bettelten oder in andere englische Städte weiterreisten. Nicht wenige erfroren oder verhungerten (ebd.: 17 ff.). Das Rekrutierungssystem in Kalkutta blieb in der Zeit von 1783, als es vom Generalgouverneur Bengalens, Warren Hastings (1732-1818), initiiert wurde, bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts größtenteils unverändert.7 Es folgt der indischen Tradition des indirekten Zugangs zu bezahlter Beschäftigung, das sich aus einer Kombination aus familiären Kontakten und professionellen Vermittlern speiste – letztere mit extremer Macht ausgestattet im Kontext des Rekrutierungsund Beschäftigungsprozesses. Diese Mittelsmänner waren einerseits der Serang, der für die Anwerbung an Land – in der Regel in der eigenen Herkunftregion bzw. gar im Heimatdorf des entsprechenden Serangs – sowie die Überwachung auf dem Schiff verantwortlich war, sowie der Ghat (= Hafen) Serang, der sich um den Geldverleih – z.B. um den Transport von Sylhet nach Kalkutta durch Vorschüsse oder Kredite zu finanzieren – sowie die Unterkunft der Lascars kümmerte (ebd.: 20 f.). Im Zuge des Exports von Tee und Jute rückte Sylhet im Laufe des 19. Jahrhunderts verstärkt in den Fokus der britischen Machthaber, sodass die dort lebenden Männer auch als Arbeitskräfte auf britischen Schiffen – verstärkt – in Betracht gezogen wurden. Mit dem Aufkommen der Dampfschifffahrt wurden mehr und mehr indische Seemänner angeheuert, die für die harte und gefährliche Arbeit unter den heißen Temperaturen in den Maschinenräumen wie gemacht
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Siehe diesbezüglich die Schilderungen der Überfahrt und ihre Folgen von Abrar und Seeley (Hrsg.) (2009), Ahuja (2006), Gardner (2002, 2015) und Hossain (2014).
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Siehe dazu insbesondere auch die Erläuterungen von Hossain, der „The World of the Sylheti Seamen in the Age of the Empire, from the late eighteenth century to 1947“ eindrücklich schildert (2014).
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galten: Die südasiatischen Lascars galten, wie bereits im Subkapitel 2c 3 zum ‚Steamship Empire‘ angerissen, als zäh, hitzeresistent, loyal, respektvoll und diszipliniert, als kostengünstig, engagiert und ohne störendes Privatleben. Innerhalb der Gruppe der südasiatischen Seemänner wurden rassistisch motivierte Einteilungen auf Grundlage der jeweiligen Herkunftsregion und der Religion vorgenommen, sodass die muslimischen Lascars aus Sylhet vorrangig die besonders gefährlichen Arbeiten im Maschinenraum durchführen mussten. Gleichwohl war die bloße Bereitschaft, die lebensgefährlichen Aufgaben und schlechten Arbeitsbedingungen an Bord überhaupt zu akzeptieren, wohl Resultat der Hoffnung auf ein besseres Leben in Europa. Die südasiatischen Seemänner wurden dabei durchweg schlechter bezahlt als ihre europäischen Pendants – beispielsweise wurden die Löhne der Lascars im Jahr 1919 trotz immenser Inflation nicht erhöht, während jene der britischen Seemänner jeden Monat während des Krieges um 14 Pfund angehoben wurden. Außerdem war die Versorgung mit Nahrungsmitteln schlechter und der pro Seemann zur Verfügung gestellte Platz kleiner als bei europäischen Schiffsarbeitern; zudem wurden Südasiaten primär in tropischen Gewässern eingesetzt wegen ihrer regionalen Expertise sowie angeblich besseren Eignung für die höheren Temperaturen – aber auch um, wie erwähnt, den europäischen Arbeitsmarkt für Seemänner zu schützen (ebd.: 21 ff.). Die erste Aufgabe für die in Kalkutta Ankommenden aus Sylhet bestand darin, eine Unterkunft zu finden, was noch relativ leicht zu bewerkstelligen war. Schwieriger war schon die konkrete Jobsuche – in Kalkutta waren immer etwa zwei Drittel aller Seemänner vor Ort arbeitslos. Über geduldiges Warten, die Aufnahme von Krediten, das Bezahlen von Vermittlergebühren und den Aufbau von Kontakten zu (ghat) serangs konnte die Suche nach Arbeit aber schließlich von Erfolg gekrönt sein. Erst 1941 wurde das jahrhundertealte Rekrutierungssystem geändert: Von nun an mussten alle Interessierten mit entsprechenden Erlaubnispapieren zu einer bestimmten Zeit (10 Uhr morgens) an einem konkreten Ort (dem shipping office) warten, um dort idealerweise auserwählt zu werden. In diesem Umfeld gedieh die Korruption nachvollziehbarerweise vorzüglich (ebd: 25 ff.). An Bord waren die ersten Tage schließlich die härtesten, nicht zuletzt aufgrund der Umstellung auf bzw. Gewöhnung an die hohe Arbeitsbelastung und die harten -bedingungen. In der wenigen freien Zeit rotteten sich die Männer an Deck zusammen, um frische Luft zu schnappen, etwas zu essen und sich von der schweißtreibenden und gefährlichen Arbeit im Maschinenraum auszuruhen. Nicht wenige starben während der Überfahrt, während andere, die Londonis, zu den Pionieren der späteren Massenemigration nach dem zweiten Weltkrieg
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avancierten. Auch in den beiden Weltkriegen arbeiteten, kämpften und starben viele Südasiaten auf britischen Schiffen (ebd.: 29 ff.). Bereits nach dem Ersten Weltkrieg haben sich einige Ex-Seemänner im Osten Londons angesiedelt und die Tradition einer kleinen Sylheter Gemeinschaft in England, die sich seit den Tagen der East India Company enwickelt hatte, fortgesetzt. Gleichwohl sind in den 1920er Jahren noch die meisten Lascars nach kürzeren Landgängen mit kleineren Ver- und Einkäufen oder auch Besichtigungen wieder zurück an Bord gegangen, nachdem sie in London angekommen waren. Ab Mitte der 1930er Jahre wurde die Praxis des ‚jumping ship‘, des inoffiziellen und auf Dauer angelegten Von-Bord-Gehens, dann immer häufiger (ebd.: 39 f.). Grundsätzlich konnten die britischen Behörden nichts dagegen tun, da die Lascars als Teil der Bevölkerung des Empires auch britische Staatsbürger waren. Allerdings brachen die Lascars ihre Arbeitsverträge mit den Schiffsgesellschaften. Zudem hatten die Seemänner in der Regel kein Geld, da der Lohn erst nach der Rückreise in Kalkutta ausgezahlt werden würde. Daher war es für die Neuankömmlinge, gerade auch wegen der hohen Lebenshaltungskosten und den vielen Verlockungen in London (z.B. Glücksspiel), von oberster Priorität, möglichst bald einer bezahlten Tätigkeit nachzugehen. Die Männer arbeiteten daher – gerade wegen ihrer mangelnden Bildung – in der Textilindustrie, in der Gastronomie und dem Hotelgewerbe oder in Fabriken; nach einiger Zeit eröffneten einige auch eigene Coffee Shops oder indische Restaurants. 1946 gab es etwa 20 dieser Restaurants in London, 1960 waren es schon 300 indische Restaurants im ganzen Land und 1980 schließlich über 3000, die meisten dabei im Besitz von Familien aus Sylhet. Für das Eröffnen von Restaurants waren Lizenzen notwendig, die gegen den Nachweis der britischen Staatsbürgerschaft zu bekommen waren (ebd.: 42 ff.). In den frühen 1950er Jahren lebten in London schon etwa 300 Männer aus Sylhet. Ihre Treffpunkte waren vor allem im East End, Moktar Miah’s Café in der Cable Street und im West End das Green Mask Restaurant in der Brompton Road. In dieser Zeit politisierte sich die Gemeinschaft zusehends stärker in der Solidarität mit der Unabhängigkeitsbewegung in Ost-Pakistan, das 1971 dann als neuer Staat Bangladesh seine Unabhängigkeit erlangen sollte (ebd.: 54 f.). In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg und der Unabhängigkeit Indiens sowie Pakistans gab es keine Einwanderungsbeschränkungen von Seiten der britischen Regierung, da Arbeitskräfte für den Wiederaufbau des Landes und in Zeiten des britischen Wirtschaftsbooms notwendiger und auch willkommener denn je waren. Restriktionen wurden in dieser Zeit eher von pakistanischer Seite wegen der zunehmend massenhaften Auswanderung aus Südasien initiiert. So
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gab es Ausweise für die Ausreise nur in West-Pakistan, sodass Menschen aus Sylhet via Nordindien entweder zunächst dorthin – und mit der Motivation, in West-Pakistan zu arbeiten – reisen mussten, um von dort dann im Idealfall weiter gen England zu emigrieren, oder als Student nach England zu gehen. Ab den 1950er Jahren reisten einige der Emigranten auch mit dem Flugzeug nach England. Im Jahre 1987, als das Buch von der Herausgeberin Caroline Adams herauskam, lebten etwa 200.000 Bangladeshi in Großbritannien, davon ca. 35.000 in England (ebd.: 58 ff.).8 (2) Quellenkritische Betrachtungen „L’Histoire, dans sa plus simple acceptation, est la reconstitution du passé humain. Toute société a un passé, donc une histoire“ (Gayibor 2011: 17)
– doch jenseits dieses kleinsten gemeinsamen Nenners wurden in der Geschichtswissenschaft lange Zeit erbitterte Kämpfe geführt, was als historische Quelle, was als empirisch Interpretierbares fungieren dürfe. Während zunächst konservative Positivisten – aus dem Selbstverständnis der Geschichtswissenschaft als einer ‚Textwissenschaft‘ heraus – lediglich schriftliche Dokumente als zu ‚Lesendes‘ bestimmten, setzte durch die Vordenker der französischen historiographischen Schule der ‚Annales‘ ein Paradigmenwechsel ein, durch den auch Außertextliches, Materielles und gar Gesprochenens in den Fokus der Geschichtswissenschaft rückte (ebd.: 17 f.). Dadurch erhielten neben mündlichen Überlieferungskulturen, z.B. in Afrika, auch neue Formen der Quellengewinnung, etwa (narrative) Interviews und mündlich vorgetragene Lebensgeschichten, ihre Legitimation (ebd.: 18). Oral History trat deshalb insbesondere seit den 1960er Jahren verstärkt auf, vor allem im Zusammenhang mit der postkolonialen Erschließung afrikanischer Quellen (Perrot 2011: 11). Denn traditionelle Geschichtsüberlieferung in außereuropäischen Kontexten erfolgt(e) zumeist mündlich und verlangt(e) demzufolge im Zuge des gesteigerten Interesses an nichteuropäischer Historie im postkolonialen Zeitalter nach speziellen Methoden. Unterschieden werden muss nun in diesem Zusammenhang zunächst einmal zwischen Oral History und Oral Tradition. Während Oral History auf die mündliche Überlieferung, Konstruktion und (Re-)Produktion von Vergangenem ab8
Siehe zur Bevölkerungsentwicklung von Bangladesh auch den Bereich zu Sylhet aus dem Bangladesh Population Census (1984). Zur näheren Schilderung der Lebensbedigungen der Sylheter Auswanderer in England und insbesondere in London siehe z.B. Basu (2002), Chatterji (2013a), Eade und Garbin (2002, 2006), Gardner (2008), Glynn (2010) oder Wemyss (2006).
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zielt, impliziert Oral Tradition die Überlieferung von Mündlichem, die Gesamtheit mündlicher ‚Kulturgüter‘ und Ausdruckskulturen, ergo auch jahrhunderteoder jahrtausendealte Liedtexte oder Erzählungen (Watson & Favis 2009: 10, 53). An dieser Stelle soll der im Kontext dieser Zeilen relevante Terminus Oral History näher definiert werden, indem wir uns diesbezüglich an Jordan anlehnen: „Als Oral History bezeichnet man eine Methode der Geschichtswissenschaft, die auf die Untersuchung mündlicher Überlieferung historischer Inhalte gerichtet ist, bevorzugt mit Befragungen und Interviews arbeitet und naturgemäß fast ausschließlich in der Zeitgeschichte angewandt wird“ (Jordan 2009: 160).
Oral History als Methode der Geschichtswissenschaft ist also letztlich ein Prozess, der sich von der eigenständigen Erstellung einer letztlich meist schriftlich fixierten Quelle, in der Regel durch Interviews, über die Recherche von Kontextinformationen, theoretischen Abwägungen und konzeptionellen Bearbeitungen bis hin zur Interpretation und Präsentation eines wissenschaftlichen Narrativs erstreckt (Watson & Favis 2009). Daneben gilt zu beachten: „in einem erweiterten Sinn bezeichnet man […] mit Oral History auch einen Quellentypus (z.B. aufgezeichnete und/oder transkribierte, also in Schriftform gebrachte, Gesprächs- oder Interviewmitschnitte)“ (Jordan 2009: 160). Somit kann die in dieser Studie verwendete Quelle als transkribierter Interviewmitschnitt und demnach auch als Oral History bezeichnet werden. Bei der Beschäftigung mit im Rahmen von Oral History-Projekten generierten Lebensgeschichten müssen eine Reihe von Spezifika beachtet werden (vgl. z.B. Halbmayr 2009, Hamilton & Shopes [Hrsg.] 2008, Hengen 2007, Kurkowska-Budzan & Zamorski (Hrsg.) 2009, Maher (Hrsg.) 2012, Maïga 2010, Miller 2011, Stögner 2009). Einige dieser Facetten sollen hier näher reflektiert werden. Grundsätzlich gilt: Das Erzählte sollte immer in den „structures de la société qui l’a produite“ (Gayibor 2011: 28) gesehen werden, im jeweiligen soziohistorischen Kontext, ohne die Handlungsmacht des jeweiligen Individuums zu negieren. Dabei muss darauf hingewiesen werden, dass allem Erzählten zwar einerseits eine „finalité“ (ebd.: 31), also eine Abgeschlossenheit durch die Vergangenheit des Erlebten bzw. Erfahrenen, zugeschrieben werden muss, andererseits wird dieser Inhalt immer vor dem Hintergrund der eigenen Lebensgeschichte und Identität des Individuums rekonstruiert – eine Selbstvergewisserung des Erzählers geht mit seinem präsentierten Narrativ parallel zur räumlichen und zeitlichen Distanz zum Erlebten einher und führt zu Modifikationen in der Darstellung, die durch den Empfänger, d.h. demjenigen (Wissenschaftler), der die Oral History interpretiert und aus ihr eine Erzählung ‚strickt‘, anders aufgefasst wer-
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den kann, als eigentlich gemeint: „Entre l’informateur et le chercheur, il existe toute une chaîne de transmission dudit témoignage“ (ebd.: 28). Diese Differenz muss bei Oral History-Projekten gleichzeitig akzeptiert wie berücksichtigt werden und führt zu der Erkenntnis, dass die Interpretation, d.h. das Narrativ des Wissenschaftlers genauso ein Konstrukt ist wie die subjektive Wahrnehmung und Erfahrung des Erzählenden. Somit kann im engeren Sinne kein Oral History-Projekt, wie auch kein geographisches oder (geschichts-)wissenschaftliches Projekt im weiteren Sinne, Repräsentativität des vorgestellten Einzelfalls, Allgemein- oder gar Alleingültigkeit der jeweiligen subjektiven Empfindung, Analyse und Interpretation, des jeweiligen Narrativs gewährleisten. Dennoch leitet sich daraus keine Irrelevanz des Präsentierten ab; im Gegenteil: Jede Geschichte hat ihre Berechtigung, da sie immer mehr als ein reines diskursives Konstrukt ist. Sie ist Ausdruck, Auf- und Ausführung von Bedeutung, sie ist Produkt wie Autor von Wirkung – sonst wäre sie so nicht erfahren oder erzählt worden. Damit wiederum hat jede Geschichte, jedes Narrativ und jede „message“ (ebd.: 27) ihre Berechtigung als Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtung, Analyse und Interpretation. Die hier betrachtete Hauptquelle braucht an dieser Stelle nicht noch separat durch ein durchzuführendes Interview erstellt werden, sondern liegt bereits seit 1987 vor. Über konkrete Umstände sowie Art und Weise der Befragung können an dieser Stelle keine weiteren Erläuterungen folgen, da es sich bei dem vorliegenden Quellenreservoir um bereits verschriftlichte Interviews handelt. Damit kann nicht auf die verschiedensten Einflussfaktoren im Rahmen des Entstehungskontextes der Quelle eingegangen werden, denn „life stories, experiences and feelings are not just expressed through what people say or write down“ (Gardner 2002: 2). Mit Gardner könnten wir etwa fragen: „What is the role of the body in expressing the shifting and multiple constructions of identity of different elders? How does the body, its physical presentation as well as stories about it, reflect history? And to what extent is ‚body talk‘ used to convey other hidden or not so hidden meanings and messages, complaints, anxieties and forms of resistance?“ (ebd.: 3).
Wenn die im Rahmen eines Oral History-Projektes generierten Lebensgeschichten bereits in fertig verschriftlichter Form vorliegen, müssen diese Fragen ausgeblendet werden, sodass beispielsweise nicht auf derartige körperliche Rahmun-
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gen der Entstehungs- bzw. Interviewphase eingegangen werden kann.9 Ebenso kann nicht die Erzählsituation, können nicht verschiedene „ways of telling“ (ebd.: 41 ff.) berücksichtigt werden, obgleich festzuhalten bleibt: „If narratives about the past are to be understood as social processes then we must pay as much attention to the form and contexts in which they are produced as to their content“ (ebd.: 41). Im Zuge von Migrationsprozessen entsteht zudem Hybridität, nicht zuletzt Sprache und Identität betreffende (vgl. z.B. Rubdy & Alsagoff [Hrsg.] 2014). Gerade das Englische – wie aber auch viele andere hegemoniale Sprachen – unterliegt und unterlag dabei kontinuierlichen Modifikationen und Kreolisierungen (vgl. z.B. Rubdy 2014). Die vorliegenden Lebensgeschichten sind vor diesem Hintergrund aber nicht (nur) als Ausdruck sprachlicher Beschränkung, sondern (auch) als Resultat kreativer Neuschöpfungen zu sehen. Dadurch dass das vorliegende Quellenreservoir ein Ensemble bereits verschriftlichter, mithin materialisierter Erinnerung darstellt, kann die Intonation der einzelnen Passagen und Morpheme nicht mehr berücksichtigt werden. Stattdessen kann ‚nur‘ – mit größtmöglicher Vorsicht – ein Transfer des geschriebenen Wortes in die vorliegende Arbeit, die als eine wissenschaftliche Interpretation auch immer ‚nur‘ ein Deutungsangebot darstellt, versucht werden. All diese Einflussfaktoren auf die Selbtzeugnisse, deren Entstehungsbedingungen und ihre Urheber können nicht näher be- und verhandelt werden, was aber für die theoretische Stoßrichtung sowie letztlich die Fragestellung dieser Arbeit auch nicht entscheidend ist. (Wissenschaft bedeutet Auswahl, Reduktion, Zuspitzung und nicht zuletzt eine gesunde Portion Pragmatismus, um zu Resultaten zu gelangen – was beileibe nicht im Widerspruch zum hoffentlich intrinsischen Idealismus des Forschenden stehen muss.) Daneben gilt es zu beachten, dass im Rahmen von Oral History-Projekten generierte Quellen an sich, d.h. ihre Entstehungebedingungen, Inhalte und potenziellen Aussagen selten wirklich ‚neutral‘ sind, sondern – vor allem, wenn es sich um Lebensgeschichten handelt – aus einer bestimmten Perspektive erzählt werden, denen – oftmals unbewusst – bestimmte Identitätsauffassungen sowie – in der Regel verdeckte – Vorannahmen des Erzählers bzw. Interviewten zugrunde liegen (Watson & Favis 2009). Auch in den hier vorliegenden Selbstzeugnissen sehen wir die für Lebensgeschichten typische „tension between me-
9
Gleichsam wird hier die Ansicht geteilt, dass „our life histories are not simply expressed through words. They are also ‚told‘ through our bodies, narrated physically through our postures, our medical histories, our movements, our aches and pains“ (Gardner 2002: 34).
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mory and nostalgia“ (Kabir 2013: 392) im Zuge einer „reconstruction of history“ (ebd.); hier offenbart sich zudem besonders eindrucksvoll „the relationship between roots and routes“ (ebd.: 389). Neben dem Punkt der selektiven Erinnerung – man bedenke neben oftmals profunder „nostalgia for times gone by“ (Gardner 2002: 103 ff.), denn „the telling of the past is a selective process: not all events are remembered or recounted by individual narrators. Others, however, are returned to again and again“ (ebd.: 85) – lassen sich in diesem Kontext sämtliche Aussagen als Konstrukte verstehen, als Ereignisse und (Be-)Wertungen, denen besondere Bedeutung zugeschrieben wird, die für das Leben der Erzählenden offenbar von hoher Relevanz sind. Zugleich ist zu beachten, dass der historische ‚Korpus‘ auch deshalb problematisch ist, da er neben dieser persönlichen und zeitlichen Filterung der ‚sprechenden‘ Migranten von einer AmateurEthnographin editiert wurde, die daraus ein populärwissenschaftliches Buch über, so der etwas reißerische bzw. sensationsträchtige Titel, „life stories“ generierte. Um die Frage nach der ‚Richtigkeit‘ oder ‚Falschheit‘ von Erinnerung soll es allerdings auch gar nicht gehen (vgl. Stögner 2009: 213 f.), da es hier um die Identität der ehemaligen Lascars, ihrer (unbewussten?) Identifikation mit, ihrer Bewertung von bzw. ihrer Positionierung zu ‚Ökonomie‘ bzw. ‚Recht‘ geht – um zu sehen, ob und wie ihre Leben von wirtschaftlichen und rechtlichen Ordnungen durchdrungen waren, ob und wie die ehemaligen Seemänner in oder über diese Kategorien (bewusst oder unbewusst) dachten. Es geht somit nicht um die Überprüfung von historischen ‚Fakten‘ bzw. um „the ‚Truth of Memory‘“ (Stögner 2009), da angemerkt werden muss: „Oral History is people’s testimony of what happened in the past; events they were part of, events they witnessed or events they heard about. It is people’s views, opinions and understanding of how and why things happened the way they did“ (Watson & Favis 2009: 2). Diese Ansichten, Meinungen, Verständnisse oder Erinnerungen, diese (Be-) Deutungszuschreibungen sind – in der theoretisch-konzeptionellen Ausrichtung dieser hier vorliegenden Arbeit – immer hochgradig subjektive Konstruktionen, deren ‚Wahrheit‘ für die Fragestellung der hier vorliegenden Studie schlicht nicht relevant sind. Denn erneut muss darauf verwiesen werden, dass es sich um ein Deutungsangebot des hier Schreibenden, um eine Konstruktion seinerseits mit Blick auf die Konstruktionen der Migranten handelt. Als eine Möglichkeit der Wirklichkeitsauffassung möchte ein derartiger Interpretationsansatz Optionen zur Durchdringung wirtschaftlicher und rechtlicher Wirkweisen vorlegen, ohne Anspruch auf Allgemeingültigkeit und in der Einforderung weiterer, gerne auch alternativer Sichtweisen. Da die zehn Lebensgeschichten und ihre Urheber alle individuell und somit verschieden sind, sollen sie selbstverständlich nicht als
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stellvertretend für die – gesamte Bandbreite an – (ökonomischen und rechtlichen) Wirklichkeit(en) der Migranten im 20. Jahrhundert gelten, sondern lediglich als Möglichkeiten der subjektiven Wirklichkeitskonstruktion und -reproduktion aufgefasst werden. Ebenso geht es nicht um historische ‚Wahrheit‘, sondern allgemein um Interpretationsoptionen in der Erfahrung von Zeit und Raum (ebd.: 11 ff.). Diese Grundannahmen erscheinen banal, müssen aber dennoch betont werden, um von vornherein den Konstruktcharakter von Geschichte zu erwähnen: Es wird hier im Sinne einer Wahrnehmungs- oder Deutungsgeographie bzw. -geschichte (d.h. kein ‚So-war-es‘ im Sinne einer einzigen historisch ‚richtigen‘ Wirklichkeit‚ sondern eher ein ‚So-wurde-es-empfunden‘ der Vergangenheit) eine Konstruktion einer Konstruktion einer Konstruktion vorgelegt. Diese betrachtet jedwede Form der hier – wie im nächsten Unterkapitel mit Bezug zu Foucault (1978) noch näher zu erläutern ist – als Dispositiv verstandenen, ergo nicht nur sprachlich und imaginiert, sondern auch in vielerlei alltäglichen Praktiken sowie Materialisierungen gedachten und damit ‚gemachten‘ Realität als subjektiv, konstruiert, aber gleichzeitig performativ wirklichkeitsmachend, praktisch Relevanz entfaltend, materiell wirksam. Dies bedeutet, dass der Wissenschaftler subjektiv eine Realität konstruiert (die wiederum seine, aber auch die Lebenswirklichkeit der Leser direkt und/oder indirekt beeinflussen kann) 10, eine Realität jenes konstruierten Bildes, dass die Migranten in den 1980er Jahren in den Lebensgeschichten zeichnen, ein Bild von jener Zeit in den 1920er, -30er und -40er Jahren, die selbst im Sinne multipler Realitäten von den zeitgenössischen Subjekten in jener Zeit immer ‚nur‘ konstruierten, aber gleichzeitig natürlich vielfach handlungsanleitenden Charakter verkörperte. Diese drei Zeitschienen (die 2010er Jahre der Entwicklung dieser hier vorliegenden Arbeit, die 1980er Jahre der Befragung der Männer, die 1920er/-30er/-40er Jahre des Erlebten, dem sich die Erzählenden aus der Erinnerung heraus – die wiederum ein kohärentes, weil selbstvergewisserndes, identititätsstabilisierendes Gesamtbild am Ende des Lebens dieser Männer abgeben ‚muss‘ – nähern) gilt es mitzudenken. Ebenso wie der Interviewte sollte dabei auch der Wissenschaftler als zwar nach wissenschaftlichen Maßstäben handelnder, aber nie als gänzlich ‚neutraler‘ Beobachter gewertet werden, der möglicherweise gar außerhalb sozialer Kontexte, Machtverhältnisse oder frei von bestimmten subjektiven Vorannahmen stün-
10 Schon immer galt: „Geographen schrieben nicht nur für Kollegen“ (Gräbel 2015: 103) – nämlich auch für Nachbarwissenschaften, die interessierte Öffentlichkeit, aber auch, in historischer Betrachtung, mit mehr oder minder großem Einfluss auf Wirtschaft und Politik.
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de. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, auch diesen wissenschaftlichen Text als ein Konstrukt verstanden zu wissen, als einen (potenziell wirkmächtigen, ‚realitätsmachenden‘)11 Deutungsentwurf und gleichzeitig ein Verständnisangebot für den Leser, der durch diese Zeilen zu eigenen Überlegungen und Schlüssen ermutigt werden soll. Letztlich sind in diesem Vorhaben, und dies muss nochmal betont werden, mehrere zeitliche Ebenen zu unterscheiden: Als Wissenschaftler (re-)konstruiert man – immer subjektiv – die Bedeutungszuschreibungen von Menschen, die selbst auf ihr Leben zurückblicken: Man schaut also vom heutigen Standpunkt (2010er Jahre) auf die Bedeutungszuschreibungen der Migranten (1980er Jahre), die rückblickend, d.h. mit Blick auf die von ihnen erlebte Vergangenheit (primär der 1920er, 1930er und/oder 1940er Jahre – als Zeit der Emigration – sowie der daran anschließenden Jahrzehnte des Lebens in der Diaspora) einige ihnen relevant erscheinende Panoramen ihres Lebens (re-) konstruieren und Bedeutungen schaffen. Es geht dem Autor somit primär um die momentane Sichtweise der Migranten in den 1980er Jahren, die in dieser Zeit ein bestimmtes, oftmals unbewusstes Verhältnis zur Ökonomie und zum Recht pflegten und dieses in ihren Erzählungen ausdrückten. Wir durchleuchten die Lebensgeschichten daher auf mögliche Verständnisse von Ökonomie und Recht – indem gefragt wird, welche Kategorien, Konzepte, ‚Dinge‘, Diskurse, Technologien und Praktiken ökonomisch und/oder rechtlich ‚aufgeladen‘, d.h. mit Ökonomie und/oder Recht verknüpft werden, sodass schließlich bestimmte Wirklichkeitsverständnisse (nämlich ökonomische und/ oder rechtliche) performativ realisiert werden. Dabei handelt es sich von Seiten des Autors um ein mögliches Verständnis ihrer Ausführungen, die sicherlich auch anders aufgefasst und interpretiert werden können. Mehr als subjektive Aussagen zu subjektiven Beeinflussungen eines auf die vom Urheber dieser Zeilen betrachteten Migranten primär unbewusst wirkenden ökonomischen sowie eines rechtlichen Diskurses in den 1980er Jahren kann und möchte der Autor hier nicht treffen. Wenn Geschichte durch Bedeutungszuschreibung und Interpretation ‚gemacht‘ wird („Il n’y a pas d’histoire gratuite“, Gayibor 2011: 31), wenn Geschichte ein sozio-kulturelles Produkt und Konstrukt ist, dann kann es auch immer – mindestens – eine „contre-histoire“ zu der jeweils vorgestellten, subjektiven Erzählung geben (ebd.: 32), dann wirken in ihr aber auch immer Machtverhältnisse (ebd.: 33 ff.). Jede Geschichte schließt etwas aus, ist in ihrem Umfang
11 Es geht somit auch um wiederkehrende Auseinandersetzungen mit dem wissenschaftlichen Selbst als ‚Wirklichkeits-Macher‘, wenn wir Boeckler (2005: 17) folgen, der Wissenschaft auch immer als selbstreflexive „Selbstuntersuchung“ versteht.
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und Inhalt endlich und setzt sich zudem aus den Identitätszuschreibungen ihres Autors bzw. Senders zusammen, der als soziales Wesen in mehr oder weniger umfangreiche Netzwerke und sozio-ökonomische Machtasymmetrien verschiedenster Art eingebunden ist (ebd.: 34 f.). Damit darf schon an dieser Stelle auch zu alternativen Deutungen ermuntert werden. Zum Abschluss dieser Einleitung des Forschungsvorhabens „Macht(W)Orte“ sollen noch einige Überlegungen zum Feld der Diskurs- bzw. Dispositivforschung angestellt werden, um dem Leser das notwendige theoretischkonzeptionelle Rüstzeug für die hier durchgeführte Forschungsreise an die Hand zu geben. Denn kein Autor – auch und besonders kein wissenschaftlicher – sollte den Leser vergessen.
C) D ISKURS -
ODER
D ISPOSITIVFORSCHUNG ?
Die Frage nach der Qualität bzw. Güte einer solchen, grundsätzlich als ‚Diskursforschung‘ etikettierten Herangehensweise muss hierbei erlaubt sein. Diesbezüglich können uns Angermuller und Schwab weiterhelfen, die sich „zu Qualitätskriterien und Gelingensbedingungen in der Diskursforschung“ (Angermuller & Schwab 2014) äußerten. Sie schlagen mehrere Maximen zur Orientierung vor, denen sich auch der Autor dieser Studie verschreiben möchte.12 Gleichwohl gelte es zu beachten: „Diese Maximen stellen keine Rezeptur dar, die die Forschenden auf bestimmte Strategien oder Methodologien festlegen“ (ebd.). Auch in dieser Arbeit werden sie eher als ungefährer Orientierungsrahmen verstanden, welcher primär der steten Selbstreflexion dient. Einen guten Überblick über aktuelle Debatten der Diskursforschung, über deren disziplinäre und transdisziplinäre Wurzeln, Anwendungsfelder, Theorien, Methoden und Anwendungsbeispiele, bieten die beiden von Angermuller et al. herausgegebenen Sammelbände (2014a, b). Ähnlich wie jenem Projekt liegt auch diesem Forschungsvorhaben „ein breiter, umfassender Diskursbegriff zu Grunde“ (Angermuller 2014a: 17). Dabei können wir uns auf den reziproken Dreiklang aus „Macht, Wissen, Subjektivität“ (ebd.: 22 ff.) beziehen; so ist es möglich, „den Vollzug von Macht- und Herrschaftsausübung im Detail zu untersuchen“ (Macgilchrist et al. 2014: 37). Dies muss hier deshalb explizit ausgebreitet werden, da sich die wissenschaftliche Beschäftigung mit ‚Diskursen‘
12 Ihre Maximen sind erstens Verständlichkeit bzw. Nachvollziehbarkeit, zweitens Innovativität sowie drittens Relevanz und Resonanz (Angermuller & Schwab 2014: 648).
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schon seit längerem zunehmend größerer Bedeutung erfreut (Angermuller 2014a: 16); gleichwohl weisen damit zusammenhängende Forschungen kaum noch einen gemeinsamen Nenner auf (vgl. Wedl & Wrana 2014: 479). Wenn diese Arbeit allerdings nicht nur auf die Diskurse der Ökonomie- und Rechts(re)produktion abzielt, sondern ebenso materielle und technische Infrastrukturen (wie z.B. Schiffe als heterotope Realisierungen bestimmter normativer Ordnungen, vgl. diesbezüglich Foucault 2005) in den Prozess machtvoller Bedeutungsgenerierung mit einbeziehen möchte, ergo nicht zuletzt auch auf das Aufzeigen der Materialisierung und sozio-technischen Wirkkraft von Ökonomie und Recht abzielt, kann das Vorhaben vor dem Hintergrund des Dispositive Turn der letzten Jahre (vgl. Bührmann & Schneider 2012, 2013, vgl. auch Schmitt 2016) als eine Art Dispositivanalyse aufgefasst werden, die ihre Untersuchungsgegenstände gleichwohl aus sprachlichen Einheiten – aus autobiographischen Texten – generiert. Denn ganz generell „eröffnet das Dispositivkonzept umfassendere Analyseperspektiven als das des Diskurses“ (Bender & Eck 2014: 477). Damit geht die hier präsentierte methodische Herangehensweise im Sinne ihrer theoretisch-konzeptionellen Prämissen deutlich über eine bloße Inhaltsanalyse hinaus (vgl. hierzu auch Wedl et al. 2014). Denn vor dem Hintergrund der „Vielfalt der Diskursbegriffe“ (Füssel & Neu 2014: 148 ff.) benennen Füssel und Neu etwa „das Problem der Verschränkung von Diskursivem und Nichtdiskursivem, genauer also [...], wie die Einbettung der Diskurse in das übergreifende gesellschaftliche Machtfeld zu konzipieren ist. […]. Ein Ansatz dazu wäre, die Diskursanalyse zur Dispositivanalyse zu erweitern“ (ebd.: 155).
Und tatsächlich: „Zunächst gilt es, die Rede von der Materialität des Diskurses ernst zu nehmen“ (ebd.: 154); damit bedarf gerade das Verhältnis von Mensch und Materialität in diesem Kontext näherer Bestimmung und deutlicherer Interpretation (vgl. z.B. Müller 2013), wenn „sich die Diskursforschung mit Themen wie etwa ‚Subjekt‘ und ‚Macht‘, ‚Text‘ und ‚Kontext‘, ‚Sinne‘ und ‚Materialität‘ beschäftigt“ (Angermuller & Macgilchrist 2014: 343), und nicht nur mit sprachlichen (Be-)Deutungen – „oft wird ‚die Diskursanalyse‘ nämlich mit ‚Strukturalismus‘ und ‚Sprache‘ assoziiert“ (Wrana 2014: 511). Mit van Dyk et al. und ihren Gedanken zu „Discourse and beyond? Zum Verhältnis von Sprache, Materialität und Praxis“ (Van Dyk et al. 2014) lässt sich nämlich fragen: „Inwieweit entfaltet die Materialität der ‚Dingwelt‘ einen Einfluss auf Prozesse der diskursiven Konstruktion von Gegenständen?“ (ebd.: 347). Im Zuge derartiger Reflexionen erscheint schnell die in den letzten Jahren überaus populäre Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) am Horizont unserer Betrachtun-
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gen.13 Dieser insbesondere mit ihrem prominentesten Vertreter Latour (z.B. 1987, 1988, 1996, 2006, 2007) in Verbindung gebrachte Ansatz geht davon aus, dass Objekten und Techniken (im Sinne von Praktiken) große Bedeutung bei der Konstitution von Realitäten zukommt. 14 Oder in anderen Worten: „Es sind stets Objekte (Gerichtsgebäude, Priesterkutten, Gewehre, Briefe, Telegraphen, Büros, Computer etc.), die bestimmte Gruppen und Gefüge zu stabilisieren und zu erweitern vermögen“ (Gerstenberger und Glasman 2016a: 30). Im Rahmen dieser Arbeit können wir dabei von „Techniken“ in Anlehnung an Gerstenberger und Glasman sprechen: „Durch Objekte und Techniken versuchen Akteure, ihre Aktionen dauerhafter und ihre Netzwerke weitreichender zu machen, d.h. neue Handlungsräume zu erschließen. Die Etablierung und Nutzung von Objekten nennen wir Techniken“ (Gerstenberger & Glasman 2016a: 40). Zu diesen wurde hier ein gesondertes Subkapitel verfasst (Kap. 4b 9), das sich mit den Materialitäten und Technologien der Wirklichkeitsherstellungen und -wirkungen auseinandersetzt. Die Etablierung und Nutzung dieser Techniken erfolgt gleichwohl zumeist weitgehend unreflektiert, so der Ansatz des hier Schreibenden. Daher erscheint der Oberbegriff ‚Infrastrukturen‘ als Sammelbezeichnung sinnvoller. Gleichwohl „wird die ANT nicht alle Fragen [...] beantworten können, nicht für alle Themen passend sein. Makroperspektiven und eine Dialektik zwischen dem Globalen und dem Lokalen, diskursanalytische Ansätze und die Berücksichtigung von Machtstrukturen werden weiterhin gebraucht“ (Schulze 2016: 290). Zwar muss eingeräumt werden: „Menschen haben das Globale nicht nur imaginiert. Sie haben tatsächlich Landflächen verbreitert und Ozeane miteinander verbunden, den Ponyexpress über die Prärie gejagt, Telegraphenmasten errichtet und Schienen gelegt, Satelliten ins All geschossen, das iPhone zu einem Fetisch erhoben, Wanzen in Wohnungen versteckt, Atombomben geworfen, Brot für die Welt gesammelt, Löcher gebuddelt und Türme gebaut. Sie haben sich selbst und andere Lebewesen und Objekte verändert“ (Gerstenberger & Glasman 2016a: 32).
Trotzdem: Menschen haben das Globale wie jede Art von Realität zwar nicht nur, aber eben auch imaginiert – und schon damit diese Wirklichkeit konkret
13 Ein hervorragendes einführendes Handbuch zur ANT bieten die Herausgeber Belliger und Krieger (2006), die Grundlagentexte der Hauptvertreter der ANT zusammengestellt haben. 14 Siehe zur Rolle und zur Rezeption von Latour auch Gerstenberger und Glasman (2016a: 30).
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hergestellt und realisiert. Das Dispositivkonzept kann dabei helfen, vielerlei menschliches Realitäts-Machen im Spannungsfeld von Diskurs und Praxis sowie Mensch und Materialität angemessen zu durchdringen. Damit bietet es im Verbund mit dem Ansatz der Performativität die Chance, Diskurstheorie und Akteur-Netzwerk-Theorie zusammen zu denken – sowohl-als-auch statt entwederoder. Mit Bezug zu Foucault begreift der Autor dabei unter dem Konzept des Dispositivs „ein entschieden heterogenes Ensemble, das Diskurse, Institutionen, architekturale Einrichtungen, reglementierende Entscheidungen, Gesetze, administrative Maßnahmen, wissenschaftliche Aussagen, philosophische, moralische oder philanthropische Lehrsätze, kurz: Gesagtes ebensowohl wie Ungesagtes umfaßt“ (Foucault 1978: 119 f.).15
In diesem Sinne wird in sprachlichen Einheiten auf Bedeutungszuschreibungen mit Blick auf ökonomie- und rechtsbezogene Entitäten fokussiert, deren Rolle als identitätsstiftende Diskurseinheiten in ihrer performativen Kraft dekonstruiert, ent-deckt werden soll. Elemente wie in den Texten beschriebene Konsumgüter, Schiffe, aber auch Immaterielles wie bestimmte Bildung, Sprachkenntnisse oder Wissen über ungeschriebene Regeln zwischenmenschlichen Miteinanders (vgl. Bergmann et al. [Hrsg.] 2014) fungieren vor diesem Hintergrund etwa als inkorporierte Repräsentanten sowie gleichzeitige autoritäre Realisierungen bestimmter Rechts- und Wirtschaftsordnungen, deren Strahlkraft in den verschriftlichten Lebensgeschichten ihre erneute, erneuernde Ausführung findet. Bender und Eck fassen mit dem Konzept des Dispositivs letztlich diversifizierte „Machtnetze“ (Bender & Eck 2014: 476 f.). Sie verstehen in diesem Sinne die „Dispositivanalyse […] als Forschungsperspektive“ (ebd.: 478), welche sich insbesondere auch für die Arbeit an bzw. die Interpretation von Narrationen an-
15 Foucault möchte „in dem Dispositiv gerade die Natur der Verbindung deutlich machen, die zwischen diesen heterogenen Elementen sich herstellen kann. So kann dieser oder jener Diskurs bald als Programm einer Institution erscheinen, bald im Gegenteil als ein Element, das es erlaubt, eine Praktik zu rechtfertigen und zu maskieren, die ihrerseits stumm bleibt, oder er kann auch als sekundäre Reinterpretation dieser Praktik funktionieren, ihr Zugang zu einem neuen Feld der Rationalität verschaffen. Kurz gesagt gibt es zwischen diesen Elementen, ob diskursiv oder nicht, ein Spiel von Positionswechseln und Funktionsveränderungen, die ihrerseits wiederum sehr unterschiedlich sein können“ (Foucault 1978: 120).
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böte.16 Das Dispositivkonzept, oft mit dem auf das komplexe Verhältnis von Selbst- und Fremdsteuerung abzielende Konzept der Gouvernementalität zusammengedacht (vgl. z.B. Bröckling & Peter 2017, Schmidt-Wellenburg 2017), gilt dabei in seiner kontextualisierenden, die jeweilige Thematik einbettenden Ausrichtung auf das machtvolle Zusammenspiel bzw. die wirkmächtige Vernetzung von materiellen und immateriellen Facetten subjektivierender Wirklichkeitskonstitution zugleich als interdisziplinär anschlussfähig – insbesondere mit Blick auf ökonomische Realitäts(re)produktionen (vgl. Diaz-Bone & Hartz 2017b). Diese Überlegungen zu Diskursen und Dispositiven sind damit Gegenstand einer interdisziplinären und multiperspektivischen Forschungslandschaft. Gleichwohl: Ein allumfassender und zugleich in die Tiefe gehender ‚Rundumschlag‘ ist leider ebenso wenig möglich; auch die hier geplante Studie „zeichnet sich durch ihren Mut zur Lücke aus – und gleichzeitig durch den Mut zur Konzentration“ (Landwehr 2009: 9). Ihre inhaltliche Klammer besteht in der konsequenten Betonung von machtvollen Realitätsherstellungen in einem selbstreflektierenden Modus kulturtheoretischer Choreographie. Stärker als andere Arbeiten verkörpert ein derartiger Ansatz eine Komplexitätsreduzierung, die aber ob des diametral-vielschichtigen Themenkomplexes ihre Berechtigung hat. Im Folgenden (Kap. 4) sollen diese noch recht allgemein gehaltenen Überlegungen zu Diskursen und Dispositiven nun zunächst zunehmend auf die beiden Themen dieser Arbeit, Recht und Wirtschaft, zugeschnitten werden (a), bevor die empirisch gesättigte Analyse der im Rahmen dieser Studie behandelten Biographien vorgenommen wird (b).
16 So könnten laut Bender und Eck (2014: 477, 495) insbesondere Narrationen in Bezug auf die (Selbst-)Unterwerfungen von Subjekten, die wiederum durch Dispositve und Diskurse (re-)produziert würden, untersucht werden.
4 Textualisierung: Eine Dispositivanalyse der Macht1
A) W IRTSCHAFT UND R ECHT C ULTURAL T URNS
NACH DEN
(1) Verlebendigung ‚kalter‘ Ökonomie „Die führenden wirtschaftswissenschaftlichen Institute waren nicht nur unfähig, die Krise vorauszusehen. Aufgrund des marktgläubigen Paradigmas, das ihre Forschungen anleitete, waren sie auch nicht in der Lage, die bloße Möglicheit einer Krise in Betracht zu ziehen“ (Deutschmann 2014: 12).
Wenn Ökonomen auch lange nach Ausbruch der jüngeren Wirtschaftskrisen munter ihren Zahlenfriedhöfen fröhnen,2 mutet dies ungemein bizarr an. Denn
1
Dieses Kapitel hieß im Zuge der Entstehungsgeschichte dieser Arbeit lange Zeit ‚Textualisierung: Wirtschaftswirkung und Rechtsrealisierung‘. Und nach wie vor wäre dies eine adäquate Überschrift (‚Wirtschaftswirkung und Rechtsrealisierung‘ gar als Gesamtüberschrift des Buches), da es den konzeptionellen Kern (sowohl des Kapitels als auch auch der Gesamtstudie) – die Wirkweise und Realisierung von Ökonomie und Recht – trifft, der in diesem Kapitel, inhaltlich gesehen, detailliert vorgestellt wird: zunächst theoretisch (a), dann am Beispiel von verschiedenen konkreten Dimensionen, die Wirtschaft und Recht empirisch (aus-)machen (b). Letztlich fiel die Entscheidung nichtsdestotrotz für den hier gewählten Kapitelnamen, um dem Leser die Funktion, den telos, den Sinn und Zweck des Kapitels als die konkrete Analyse innerhalb der Arbeit zu plausibilisieren – und um das übergeordnete Thema der Arbeit, Macht, worunter Wirtschaftswirkung und Rechtsrealisierung subsumiert werden können, stärker hervorzuheben.
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ihre Obsession für das Quantitative, (scheinbar?) Messbare, Modellhafte nahm schon vor Jahrzehnten auf gefährliche Weise überhand. Die kalte Logik, die ökonomischen Prozessen innewohnt, bildet längst einen grassierenden Circulus vitiosus, der in der neoliberalen Postmoderne, von orthodoxen Wirtschaftswissenschaftlern zusätzlich protegiert, zu einem unbekömmlichen Kompott verkommt. Statt Lehren wurden Leeren aus der jüngsten Krisenhistorie gezogen: Das Haus der Ökonometrie ist in deren Wille (oder Fähigkeit?) zur Selbstreflexion nach wie vor spärlich besetzt, hochgezüchtet wie -gerüstet in gleichförmiger Taktung und dilettantischem Kalkül. Immer bestrebt, bleibende Modelle zu schaffen, setzen seine Bewohner seit jeher zu einem nimmer endenden Spießrutenlauf an, rekrutieren dabei neue, an Söldnermentalität leidende Jünger. Diese bleiben gerne und verteidigen die eigene Zunft noch lieber. Unter der dämpfenden Glocke der kapitalistischen Ökonomie sauniert es sich offenbar vortrefflich. Hinzu kommt, dass ‚Krisen‘ durch ihre mediale wie eben auch wissenschaftliche Benennung verbreitet, mobilisiert, realisiert und reproduziert werden können (vgl. Ziem 2013: 142). Das Problem hierbei: (Neo-)Klassische Wirtschaftswissenschaften zeichnen und erzeugen in ihrem apokalyptisch-apologetischen sowie anmaßend-aporitären Ausschließlichkeitsanspruch quasi-natürlicher Marktmechanismen ein Zerrbild der Ökonomie, das wiederum Wirklichkeiten erst erschafft, indem es sie normativ anleitet (vgl. z.B. Berndt & Boeckler 2007). All dies erfolgt nicht selten unabhängig von der tatsächlichen Passung in Hinblick auf geistesgeschichtlichdiachrone oder situativ-synchrone komplementäre Komplettierungen eines ökonomischen Gesamtbildes. Damit keine Missverständnisse auftreten: Dies soll keine Grundsatzkritik an der bloßen Existenz des neoklassischen Ansatzes sein; dieser hat bei einigen Fragestellungen sehr wohl seine inhaltliche Berechtigung. Wissenschaft und Gesellschaft sollten sich aber gegen dessen ausgesprochen starke Position als glokal hegemoniales Dogma unserer Zeit wehren dürfen, das nicht nur in alltäglichen Situationen des Wissenschafts- und des Wirtschaftsbetriebes, sondern längst in sämtlichen Poren des gesellschaftlichen Körpers realitätsanleitend wuchert. Die hochdekorierten Wirtschaftswissenschaften scheinen zudem – nonchalant – schon qua definitionem ein Monopol auf die Beschäftigung mit Wirtschaft zu haben.3 Daran haben Öffentlichkeit wie (Wirtschafts-)Wissenschaft ihren unmittelbaren Anteil, wenn vor allem der (neoklassischen) Ökonomik die Lösungs-
2
Unter diese „jüngeren“ Krisen sollen hier insbesondere die Immobilien- und Finanzkrise ab 2007 sowie die Eurokrise ab 2009 gefasst werden.
3
Zu dieser Einschätzung kommt zumindest Lebaron (2013: 139).
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kompetenz bei wirtschaftlichen Fragestellungen und Krisen zugesprochen wird, während andere (Sub-)Disziplinen zu Statisten degradiert, d.h. nicht gehört bzw. nicht beachtet werden (vgl. Kessler 2013: 58). Dieser Kosmos versucht nun den Code hegemonialer Zahlenmystik zu knacken und demaskierend(e) Alternativen zu der einseitigen Modellzentrierung herkömmlicher Wirtschaftswissenschaftlichkeit aufzuzeigen. Hier soll die Verlebendigung ‚kalter‘, weil mit Zahlen und anderen Zumutungen durchsetzten Ökonomie erfolgen: Mit einer entsprechenden Arbeitsweise möchte der Autor eine Lanze für interdisziplinäres, heterodoxes, ergebnisoffenes und speziell kulturtheoretisches Arbeiten brechen – ohne diesen letztgenannten Ansatz über andere zu stellen. Denn Wirtschaft, und daher auch multiperspektivische, von verschiedenen Disziplinen betriebene Wirtschafts-Wissenschaft, ist vielfältiger (vgl. z.B. Berndt & Boeckler 2007, Piketty 2013, Schwegmann 2016) – und hierarchiefreies Nebeneinander unterschiedlicher Erklärungsansätze ist spannender, wenngleich nicht einfacher (zu ertragen). Dabei geht es nicht zuletzt darum, einem offensichtlichen, größeren Missstand zumindest ansatzweise entgegenzuwirken, den insbesondere King (2012) herausgearbeitet hat: Den geringen Anteil an wirtschaftsgeographischen sowie historischen Forschungen zum Gegenstand Migration. Kings Plädoyer auf dringend notwendige entsprechende Untersuchungen von Migration mit dem primären Blick auf ‚Wirtschaft‘ wird sich im Folgenden angeschlossen, wobei unter ‚Wirtschaft‘ – wie im Unterkapitel 3c schon angerissen – ein gesellschaftlichmaterielles Dispositiv verstanden werden soll.4 (2) Normierung durch Normalisierung? Als meist unterschwellige, mitunter auch dominierende Bassline treibt dieses Vorhaben eine Kritik der kapitalistischen Vermarktlichung an. Diese Arbeit möchte einen Teil zu der historischen sowie geographischen Aufarbeitung von Ökonomieherrschaft, oder neutraler formuliert: von ‚Wirtschaftswirkung‘, beitragen. Was dabei unter entsprechende wirtschaftliche Wirkungszusammenhänge, Kraftfelder und (Be-)Deutungen fällt, ist zunächst einmal folgendes: maximal vielfältig. Wir folgen in der vorliegenden Arbeit – nach diesem Verständnis – einigen der unsteten Bewegungen wirtschaftlicher Mobilität und Vernetzung (oder doch wirtschaftlicher Immobilität und Entnetzung?), ohne diese in ihrer gesamten Bandbreite abbilden oder einfangen zu können. 4
Siehe diesbezüglich auch den von Diaz-Bone und Hartz herausgegebenen Sammelband „Dispositiv und Ökonomie. Diskurs- und dispositivanalytische Perspektiven auf Märkte und Organisationen“ (2017a).
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Dabei soll der Mythos gegebener, quasi-natürlicher Wirtschaft regelmäßig dekonstruiert werden, um stattdessen ihren Konstruktcharakter und dessen performative Auswüchse (vgl. z.B. Berndt & Boeckler 2007) in den Mittelpunkt der Analyse zu stellen. Folgt man dieser Zielsetzung, können die renovierungsbedürftigen Absurditätenkabinette neoklassischer Ausschließlichkeitsökonomie durch alternative, pluralistisch aufgeschlossene Ökonomieverständnisse als irritierende Instanzen angefochten werden. Diese Arbeit nährt sich nämlich bewusst aus verschiedenen Ansätzen und ist dabei ständig auf der Suche nach neuen Elementen, um ihre Argumentationsbzw. Ausdruckslinien zu supplementieren. All ihre Quellen und Bezugspunkte werden in diesem Sinne nach dem Gesichtspunkt ausgewählt, ob sie – in welcher genauen Hinsicht auch immer – einen möglichst substanziellen Erkenntnisgewinn versprechen, ob sie sich fruchtbar auf die Gegenstände dieser Analyse übertragen lassen. Getrieben von einem unbändigen Willen zur Komplexitätsmaximierung, betäubt und überrumpelt sie den Leser möglicherweise regelmäßig. Eine idealtypische Komplexitätsmaximierung kann gleichwohl immer nur innerhalb einer pragmatischen Kompexitätsreduktion möglich sein: Innerhalb des Möglichen, d.h. im Rahmen der zur Verfügung stehenden Ressourcen, wird größtmögliche Komplexität angestrebt, ohne auf alle mit dem Thema verwobenen Aspekte (wirklich detailliert) eingehen zu können. Bei gleichzeitiger (Ver-)Wurzelung in der Wirtschaftsgeographie, wie im Folgenden noch näher erläutert wird, soll hier aber auch eine Art Wirtschaftsgeschichte geschrieben werden. Im Bereich globalhistorischer Kapitalismusforschung setzte zuletzt Beckerts „Empire of Cotton. A Global History“ (2014), ebenso wie zuvor bereits Baylys „Die Geburt der modernen Welt. Eine Globalgeschichte 1780-1914“ (2006)5, Maßstäbe. Dabei ist auch der hier vorgestellte kulturgeographische Ansatz zumindest auch globalhistorisch, weil global wirksame Rechts- und Wirtschaftsordnungen über große ‚Zeit-Räume‘ analysiert werden – wenn auch nicht in ihrem gesamten globalen Umfang und allen lokalen Ausprägungen, sondern eher anhand eines empirischen Fallbeispiels.6
5
Das Original ist bereits 2004 in englischer Sprache erschienen.
6
Conrad unterscheidet in diesem Zusammenhang Globalgeschichte als Prozess und als Perspektive: „Global history is both an object of study and a partcular way of looking at history: it is both a process and a perspective, subject matter and methodology“ (Conrad 2016: 11). Er plädiert dabei eher für zweitere Herangehensweise, der auch ich größeres Potenzial zu- und der auch ich mich deshalb verschreibe: „An important consequence of treating global history as a perspective, like gender history or economic history, is that history does not have to encompass the entire globe. This is an im-
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Hintergrund ist dabei nicht zuletzt eine Forderung von Thrift, der im Jahr 2002 in „The Future of Geography“ erkannte, dass Geographen – im Gegensatz zu Historikern oder Naturwissenschaftlern – seiner Ansicht nach zu selten gesamtgesellschaftlich relevante ‚Rundumschläge‘ publizieren, die auch außerhalb der Scientific Community größeren Anklang finden. Um dies zu erreichen, darf weder die empirische Tiefenschärfe fehlen, noch soll auf eingebaute, essayistisch eingefärbte Sollbruchstellen im selbstreflektierenden Modus verzichtet werden. Postmoderne Kulturtheorie darf allerdings nicht als postulierte Parabel auf brutale Beliebigkeit bewertet werden. Cultural Studies sind schließlich seit Jahren auf großem Expansionskurs – auch wenn es regelmäßig Abgesänge zu bestaunen gibt: „What of the cultural turn? Has it come to an end, or can it turn further? One view is that the cultural turn is over or perhaps that is has lost itself in an excess of representationalism, deconstruction, reflexivity, and autoethnography“ (King 2012: 148). Diesem Standpunkt versucht diese vorliegende Studie entschieden zu widersprechen und bei ihrer Tour de Force durch die zumeist unbewusste Selbstvermarktung bzw. Selbstvermarktlichung mehrere der in den Cultural Studies beheimateten fachlichen Hintergründe zu touchieren; dadurch soll insbesondere „the strategic importance oft the cultural turn in human geography in redirecting much geographical scholarship on migration“ (ebd.: 135) gewürdigt werden. Ihre heterodoxen Paradoxien flirten in dieser Tradition frei von Scheuklappen mit vielerlei Disziplinen, versuchen diese miteinander ins Gespräch zu bringen. Die Hauptzutaten für das angestrebte Menü bilden dabei – wie erwähnt – insbesondere Erkenntnisse aus der Geschichtswissenschaft und der Humangeographie. Denn „migration is clearly a space-time phenomenon, defined by thresholds of distance and time;
portant cavaet. The rhetoric of the global may suggest limitless coverage; but many topics are best displayed in smaller frames. This also means that most global history approaches do not attempt to replace the established paradigm of national history with an abstract totality called ‚the world‘. The aim is not to write a total history of the planet. It is often more a matter of writing a history of demarcated (i.e., non-‚global‘) spaces, but with an awareness of global connections and structural conditions. Many recent studies considered benchmarks in the field do not cover more than two or three locations. Global history, then, is not a synonym for macro-history. The most interesting questions often arise at the juncture where global processes intersect with their local manifestations“ (ebd.: 12). ‚Das Globale‘ wären in der vorliegenden Arbeit in diesem Sinne insbesondere Ökonomie bzw. Recht als globale normative Ordnungen, die sich jeweils lokal ausdifferenziert Bahn brechen.
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this makes it intrinsically geographical“ (ebd.: 136) – und damit aber gleichzeitig auch historisch relevant. Erklärtes Ziel sollen dabei immer neue Verwendungskontexte von und Forschungsgegenstände für kulturtheoretische Wissenschaft sein. Sich von zu stark empirisierenden Erschließungsversuchen von Ökonomie abgrenzend, 7 möchte diese Arbeit sich gleichwohl nicht abschotten, sondern selbst Tür und Tor für Dialog und Differenz öffnen – und schon vorab explizit all jenen quantitativ Arbeitenden prophylaktisch antworten, die die vorliegenden aggressiv aggregierten Intonationsintervalle nur schwerlich im wissenschaftlichen Koordinatensystem verorten (wollen). Denn die Effekte von Wirtschaft sind vielfältig, lassen sich nicht nur durch Zahlen aufarbeiten oder darbieten. Eine mögliche Diagnose: Die nur auf beschränkte Dimensionen ökonomischer Façon abzielenden neoklassisch ausgerichteten Bereiche der Wirtschaftswissenschaften ignorieren in ihrer mangelnden Aufgeschlossenheit gegenüber alternativen Deutungsansätzen viele – vor allem diskursive – Rahmungen der verstetigten normativen Ordnungen, die unsere Zeit und das gesellschaftliche Leben bedingen. Schließlich können viele nicht (exakt) berechenbare Phänomene und Diskursstränge benannt werden, die auch das Denken über bestimmte Zugriffs(un)möglichkeiten beeinflussen. Mittels quasi-wissenschaftlichen, auf den ersten Blick ‚wahr‘ bzw. objektiv wirkenden Methoden, wird das morsche Dogmengerüst neoklassischer Wirtschaftswissenschaft beständig reproduziert. Demgegenüber stellt die Kulturtheorie kritisches Denken, kreatives Problemlösen und entschiedene Offenheit. Ein zentrales Ziel dieser Arbeit kulminiert in der Hoffnung, einen Beitrag zur Überwindung des Dualismus von individualistischer Akteursorientierung und einseitigem (Post-)Strukturalismus zu leisten:8 durch die Fokussierung auf das performative ‚Machen‘ von Ökonomie im Rahmen von diversifiziert angeleite-
7
Was sicherlich auf Kritik stoßen kann, denn „cultural geographers who have studied migration […] have always concerned themselves in one way or another with real people in real situations in real places; except of course that these places and situations can also be imagined“ (King 2012: 148).
8
Für die Humangeographie, beispielsweise, gilt diesbezüglich nach wie vor klassisch dualistisch: „Die Geographie in globaler Perspektive untersucht die Akteure […], ihre Handlungen und die Machtressourcen, die ihnen zur Durchsetzung ihrer Interessen zur Verfügung stehen (akteurs- und handlungsorientierter Ansatz). Sie analysiert aber auch die öffentlichen Diskurse, das heißt die öffentlichen Meinungsbilder, welche ein bestimmtes Handeln erst ermöglichen und wie damit bestimmte politische und/oder materielle Praktiken legitimiert werden (diskursorientierter poststrukturalistischer Ansatz)“ (Gebhardt et al. 2011d: 22).
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ten Subjektivierungsprozessen. Unter dem Brennglas der Ökonomie findet nicht selten eine Unterwerfung des Selbst statt, wenn wir Kapitalismus als Parabel auf die Kommodifizierung nahezu sämtlicher Lebensbereiche und wirtschaftliches Abwägen als ökonomisierte Grundlage von Entscheidungsprozessen des Menschen lesen.9 Wie wird also ‚England‘ in Sylhet repräsentiert und so letztlich auch realisiert, und welche Macht- und Identitätsbezüge werden dabei in alltäglichen Praktiken, Materialitäten, Diskursen sowie mentalen Konstrukten bemüht und wirkmächtig (vgl. Hofmeyr & Williams 2011a: 6)? Welche Rolle spielen dabei die Migranten im Kontext globaler Machtverhältnisse aus Sicht einer dem Performativen aufgeschlossenen (Wirtschafts-)Geschichtsschreibung und (Wirtschafts-) Geographie? Treten sie z.B. als irritierende (Im)Mobilisierer, als (dys-)funktionale (De-)Stabilisierer, als mäandernde Modifizierer von Ökonomie auf? (Wie) Kann ‚Wirtschaft‘ – als Teil einer mobilen ‚policy‘ gedacht: als mobilisierte und zugleich mobilisierende Vorstellung (vgl. diesbezüglich z.B. McCann 2011, Peck & Theodore 2010), als ‚reisende Theorie‘ (vgl. Said 1983) – performativ und real werden; (wie) kann ‚Wirtschaft‘, verstanden als plurales (Be-) Deutungssystem, (Un-)Ordnungen schaffen? Welche Dimensionen der Wirtschaftswirkung, welche Wirtschaftswirkungen lassen sich unterscheiden? Sodann soll noch einen Schritt weiter – bzw. gleichzeitig zurück – gegangen werden: Was sind die Voraussetzungen dieser (Un-)Ordnungen? Zudem interessiert, „wie legitimes wissenschaftliches Wissen durch diskursive Praktiken in heterogenen Feldern produziert wird“ (Maeße 2013a: 242). Denn „Diskurse werden zunehmend als diskursive Praxis verstanden, was eine neue Sicht auf die Träger dieser Praxis nach sich zieht“ (Füssel & Neu 2014: 155). Nicht zuletzt kann gefragt werden: „Wie und mit welchen Machtwirkungen werden Wirtschaft(ende) und Arbeit(ende) fabriziert“ (Krell 2013)? Und schlussendlich, als Kernfrage: Wie kann vor diesem Hintergrund ein auf ökonomischen Logiken und Prinzipien aufbauender Diskurs hegemonial werden? Findet im Zuge dessen gar eine ‚Normierung durch Normalisierung‘ (ökonomischer Ausrichtungen) statt? Denn „the Indian Ocean today is very much part of a worldwide economy“ (Pearson 2003: 266) – doch welche dispositiven Machtverhältnisse führten zu dieser heute empfundenen ökonomischen Bedeutung des Indischen Ozeans sowie der in ihm und an ihm partizipierenden Menschen oder Staaten? Wie ließen
9
Kommodifizierung kann definiert werden als der „Prozess der Umdeutung eines Gegenstandes zu einer Ware. Unter Ware versteht man Gegenstände, denen ökonomischer Wert beigemessen wird und die auf Märkten gehandelt werden“ (Ermann 2014: 250).
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und lassen subjektive Zuschreibungen diese Wirklichkeit real werden? Letztgenannte Fragen sollen nicht im Detail be- und verhandelt werden, können aber zumindest im Hintergrund von interessierten Lesern mitgedacht werden. 10 Dieser Text nimmt sich in diesem Sinne nicht heraus, unzweifelhafte Antworten auf diese Problemstellungen zu formulieren – „er versucht vielmehr, eine offene Debatte zu umreißen und unterschiedliche Positionen verständlich und nachvollziehbar zu machen“ (Van Dyk et al. 2014: 347). Mit all diesen Teilzielen soll gezielt eine Wissenschafts des Angebots, nicht der Nachfrage gemästet werden. Ob diese sich letzten Endes als Nischenangebot wohltuend vom wissenschaftlichen Massenmarkt abhebt, müssen andere entscheiden. Zugleich gilt bei all diesen Teilzielen zu bedenken: Der Autor möchte Migrationsgeschichte(n) nicht gänzlich umschreiben (im Sinne von anders schreiben), sondern vielmehr modifizieren bzw. durch eine weitere Erzählung als zusätzliche Deutungsoption ergänzen und bereichern. Ebenso ist er sich der Grenzen und Probleme seiner Abhandlung durchaus bewusst. Aufgrund der zeitlichen wie räumlichen Distanz zum Erlebten beschreibt die Studie durch die immer auch wertende Linse der Gegenwart und kann die zu analysierenden Fallbeispiele nur als Indizien für potenzielle Selbstökonomisierungen im 20. Jahrhundert formulieren. Zudem erzählen die im Zuge dieser Arbeit zu Wort kommenden Lascars ihre Lebensgeschichten Jahrzehnte nach ihren Odysseen von Südasien nach Europa, ihr Erlebtes ist als hochgradig subjektiv zu erkennen – und zugleich als wegweisend für ihre eigene (ökonomische, ökonomisierte, ökonomisierende?) aktuelle Identität Jahrzehnte nach der Zeit, die sie beschreiben. (3) Identität – Macht – Ökonomie Zunächst zum Begriff des Diskurses in der Ausrichtung auf den Gegenstand Ökonomie, da ‚Diskurs‘ ein Schlüsselkonzept für kulturwissenschaftliche Abhandlungen in der Tradition des Cultural Turn darstellt und auch in der hier vorgestellten Herangehensweise eine zentrale Rolle einnimmt. Nach Maeße, der in seinem Text „Diskursforschung zur Ökonomie“ (2014) einige zentrale diskurstheoretische Zugangsmöglichkeiten mit Blick auf Ökonomie vorstellt, dient der Diskursbegriff vor allem der kritsch-reflexiven Forschung unter konstruktivistischen Prämissen zwecks Dekonstruierung der szientistisch-positivistischen ökonomischen Theorie durch die Betonung des wirklichkeitsschaffenden Charakters der Sprache (ebd.: 300).
10 „Different kinds of question exist“, so Rose (2003: 9). Als grobe Orientierungshilfe strukturieren sie in Form eines ‚Frage-Clusters‘ das Erkenntnisinteresse dieser Arbeit.
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Auch wenn die vorliegende Studie diese etwas einseitige Darstellung von Diskurstheorie im Sinne einer (nur bzw. zumindest primär) durch Sprache hergestellten Wirklichkeit als zu schmal erachtet und stattdessen auch die gleichzeitige Materialisierung und Performativierung ökonomischer Realitäten betonen möchte, kann uns diese Sichtweise schon insofern helfen, als durch sie „eine Thematisierung von Diskurs und Ökonomie keineswegs auf die ökonomische Disziplin beschränkt bleibt, wie sie sich im Zuge der Abtrennung von den Sozial- und Kulturwissenschaften nach dem Zweiten Weltkrieg institutionalisierte“ (ebd.: 301). Wie schon vielfach betont, ist Wirtschaft ‚zu wichtig‘, um sie ausschließlich den Ökonomen bzw. der Disziplin der Wirtschaftswissenschaft zu überlassen. Denn „kaum ein Gegenstand sorgt für so viel Mehrdeutigkeit und ist sowohl innerhalb der Wissenschaften als auch in Politik und Gesellschaft so umkämpft wie die Ökonomie“ (ebd.). Allen grundsätzlich Interessierten darf in diesem Sinne ausdrücklich zugerufen werden: Hinaus aus der Komfortzone! Befasst euch mit Wirtschaft, ob Ökonom oder nicht! Und als Wirtschaftswissenschaftler: Freut euch über das Engagement anderer Fächer und über neue Denkanstöße! Begreift diese als Angebot und Chance, nicht als Frontalangriff!11 An dieser Stelle erfolgt nun ‚schlicht‘ die grobe Einordnung des vorliegenden Ansatzes in alternative Ökonomieforschungen. Generell lässt sich in den letzten Jahren, vor allem als Antwort auf die Wirtschaftskrisen der jüngeren Vergangenheit, eine signifikante Zunahme alternativer Ansätze zur Analyse und Interpretation von Ökonomie konstatieren (vgl. Maeße 2013b: 10 f.). Eine für diese Arbeit wichtige Facette dieser pluralistischen Ökonomieforschung soll hier nun vorgestellt werden: eine Kultur- bzw. Diskurs-, schließlich eine Dispositivtheorie der Ökonomie, die in verschiedenen universitären Disziplinen wurzelt bzw. von mehreren dieser angereichert werden möchte und wird. Ziel dieser Arbeit ist, erstens, eine Wirtschaftsgeschichte des Indischen Ozeans; genauer: eine kulturelle Geschichte der Ökonomie, eine Cultural Economic History – im Sinne einer kulturtheoretischen Prämissen unterworfenen Wirtschaftsgeschichte bzw. bisweilen auch einer integrierten Wirtschaftskulturgeschichte. Diese soll am Beispiel von mobilisierten Wissensökonomien als Teil von historischen Austauschprozessen zwischen Südasien und Europa illustriert werden. Der Autor verortet sich in kulturtheoretischen Debatten konstruktivistischer Prämissen mit Blick auf Prozesse der Herstellung von ökonomischen Wirklichkeiten. Schon einige kulturelle Geschichten der Ökonomie wurden, zugegebenermaßen, entworfen – als Beispiel kann etwa „Commerce, Circulation,
11 Analoges lässt sich auch an die Adresse der Rechtswissenschaftler formulieren – mit Blick auf (die Beschäftigung mit) Recht.
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and Consumption. Indian Ocean Communities in Historical Perspective“ von Subramanian (2010a) angeführt werden; mittlerweile lässt sich gar „A Cultural History of Finance“ (Finel-Honigman 2010) schreiben. Auch eine diskurstheoretischen Prämissen unterworfene „Geschichte der Finanzmarktregulierung“ (Wilhelm 2013: 90) scheint sodann möglich. Derartige alternative Betrachtungen von wirtschaftlichen Kontexten unterscheiden sich deutlich von neoklassischen Analysen der Wirtschaftswissenschaften, indem erstere schwerpunktmäßig die Zusammenhänge von „Markt und Macht“ (Rothermund 2004: 281 ff.) dekonstruieren.12 Dem Wirtschaftshistoriker „geht es […] um Ortsbestimmungen und um die Bedingungen, die dem Marktgeschehen eine gewisse Kontinuität verleihen“ (ebd.: 281 f.). Diese Bedingungen wiederum sind Quell wie Resultat vielfältig-diametraler ökonomischer Macht, welche die unterschiedlichsten wirtschaftlich wirkenden Dispositive in ihren Auswirkungen auf Mensch und Materialität anleitet. Der Wirtschaftshistoriker berücksichtigt schließlich „äußere Einflüsse der Macht auf den Markt und dann die Macht, die aus dem Marktgeschehen selbst entsteht“ (ebd.: 284). Mit Hofmeyr und Williams (2011a: 18) können wir die hieraus resultierenden Machtasymmetrien als „gaps of power“ bezeichnen, die zwar auch innerhalb der Regionen und Staaten des Globalen Südens aufbrechen können, sich in erster Linie und am auffälligsten aber zwischen ‚Nord‘ und ‚Süd‘, in diesem Fall also zwischen England und Sylhet manifestieren und materialisieren. Dabei können wir Berndt und Boeckler (2017: 349) folgen, die Märkte als laufend neu aufgeführte Arrangements in vielerlei alltäglichen Situationen begreifen. Anhand dieses Beispiels kann dafür sensibilisiert werden, dass Wirtschaft in vielen verschiedenen gesellschaftlichen Settings eine Rolle spielt (vgl. auch Maeße 2014: 309). Dies möchte diese Arbeit zeigen. Damit bewegt sie sich im Dreieck Identität, Macht und Ökonomie, mit dem sich, zweitens, auch insbesondere die nun bereits mehrfach erwähnte (Human-)Geographie nach dem Cultural Turn beschäftigt (vgl. Berndt & Pütz [Hrsg.] 2007). Bevor auf den Identität-Macht-ÖkonomieNexus nun näher eingegangen wird, sollen daher einige Debatten und potenzielle Impulse aus der reichhaltigen Disziplin Humangeographie vorgestellt werden. Diese befindet sich seit einigen Jahren in einer komfortablen Position, so sie doch den Spatial Turn in den Geistes- und Sozialwissenschaften mit initiiert hat
12 Rothermund (2004: 281) spezifiziert diesbezüglich, dass der Markt für den Wirtschaftswissenschaftler ein logisches Prinzip in mathematischen Formeln ist, während der Wirtschaftshistoriker den Markt als raum-zeitliches Phänomen voller Machtasymmetrien begreift.
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(Warf & Arias [Hrsg.] 2009b). Humangeographische Perspektiven sind zudem deshalb wertvoll, da sie nicht nur aufzeigen, wo etwas passiert, sondern gerade auch wie und warum (Warf & Arias 2009a: 1). Humangeographische Perspektiven in diskurstheoretischer Ausrichtung können dabei besonders relevant für diese Arbeit werden (vgl. z.B. Glasze & Mattissek 2014). In diesem Sinne schaut sie mit kulturtheoretischer Linse auf die normative Ordnung Ökonomie. Speziell die im Subkapitel 4b 5 noch näher beschriebene ökonomisierte wie ökonomisierende und dabei auch und besonders materiell wirkende Dimension ‚Orte‘ – „in jüngerer Zeit werden in der diskursorientierten Humangeographie […] verstärkt Ansätze aus der Akteur-Netzwerk-Theorie und den AssemblageArbeiten aufgegriffen, um die Konstitution spezifischer sozialer Wirklichkeiten durch die Relationierung spezifischer Praktiken, Materialitäten, Technologien usw. zu konzeptualisieren“ (ebd.: 217 f.) – ist dabei stark aus humangeographischer Richtung geschrieben, da die Humangeographie eine umfassende Expertise in der Analyse dieser Kernkonzepte offerieren kann – eine Expertise, von der insbesondere die Geschichtswissenschaft, nicht zuletzt als (verglichen mit der Humangeographie) eher konservative Wissenschaft, sicherlich profitieren sollte. Neben den Konzepten ‚Ort‘ und ‚Materialität‘ bietet die Humangeographie auch in puncto Performativitätsforschung vielerlei Anknüpfungspunkte für eine kulturtheoretisch aufgestellte Wirtschaftsgeschichte, wenn diese Arbeit überdies auch als „kulturelle Geographie der Ökonomie“ gelesen wird (vgl. Berndt & Boeckler 2007). Der hier präsentierte Ansatz begreift sich diesbezüglich auch als Plädoyer für einen geisteswissenschaftlichen Mosaikstein in der Geographie (vgl. dazu auch Helbrecht 2003b). Der Autor skizziert sodann in der Verbindung geographischer wie historischer Perspektiven mit Blick auf empirische Prozesse in und um den Indischen Ozean nicht zuletzt eine Unterart von „historical geographies of the sea“ (Lambert et al. 2006) und nutzt auf diese Weise das Potenzial des Grenzgebiets zwischen Geographie und Geschichtswissenschaft (vgl. diesbezüglich z.B. Baker 2005). Ebenso, wie es „Encounters and Engagements between Economic and Cultural Geography“ (Warf [Hrsg.] 2012a) gibt,13 lassen sich beispielsweise – im Anschluss an die bisherigen Überlegungen – Verbindungen zwischen Wirtschafts- und Kulturgeschichte ziehen; besonders im Bereich der Konsumgeschichte – analog zur Konsumgeographie – können fruchtbare Effekte entsprechender Berührungen vermutet werden (vgl. Mansvelt 2012a, Warf 2012b).
13 ‚Kultur’ und ‚Wirtschaft‘ standen einander lange Zeit skeptisch gegenüber. Erst im Zuge des Cultural Turn wurde dieser quasi-natürliche Dualismus aufgebrochen (vgl. Warf 2012b: 1).
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Denn was für die Geographie galt, lässt sich in ähnlicher Weise auch in der Geschichte der Geschichtswissenschaft wiederfinden: Auch Kultur- und Wirtschaftsgeschichte waren lange Zeit getrennte Subdisziplinen. Eine Verschmelzung beider Bereiche, ein kulturtheoretisch erfrischter Blick auf das Thema Wirtschaft, setzt in den letzten Jahren großes kritisches und kreatives Potenzial frei – nicht nur in der Geographie: „Doing cultural geography means practicing a critical politics of the economy“ (Hartwick 2012: 46). In diesem Zusammenhang schließt sich diese Arbeit Barnes an, der sich in folgender Definition versucht: „By culture I mean a set of shared values, judgments, institutional forms, artefacts and embodied practices that while changing over time possess sufficient stability and continuity to make that culture distinctive and capable of transmission“ (Barnes 2012: 19). Das gleichzeitige Denken von Kultur- und Wirtschaftsgeographie sowie Kultur- und Wirtschaftsgeschichte kristallisiert sich besonders gut im bereits kurz angesprochenen Zusammenhang von Identität, Macht und Ökonomie heraus. Nachdem auf das Konzept der Identität schon in Unterkapitel 2a eingegangen wurde, soll hier nur nochmal der Konstruktcharakter von Identität unterstrichen werden (vgl. Pott 2007: 39). Mit diesem Verständnis schaut diese Arbeit mit der „Leitreferenz“ (Gans & Pott 2011: 741) Ökonomie auf die vielfältigen Erscheinungsformen eben dieser. Indes, ohne der prominenten Provenienz der Wirtschaftswissenschaften in Bezug auf ihr ansehnliches Arsenal an Forschungen, ihr riesiges Repertoire an Publikationen das Wasser reichen zu wollen, charakterisiert dieser Ansatz einige – und damit beileibe nicht alle – ebenfalls wichtige Spektren der Wirkung von Wirtschaft. Anhin begreift der Urheber dieser Studie Wirtschaft als isomorphe Palette an bunten Mosaiken, auf die – mit retardierendem Momentum – irrsinnige Irrlichter geworfen werden sollte. Dabei muss darauf hingewiesen werden, dass Sylhet zwar schon seit Jahrhunderten kapitalistischen und ausländischen Einflüssen ausgesetzt war, durch die britische Herrschaft aber direkt in die Weltwirtschaft eingespannt wurde und im besonders hohen Maße von ihr im alltäglichen Leben geprägt wurde (Gardner 1995: 2 f.). So umfasst dieser Beitrag vielerlei räumliche Aspekte nebst vielschichten zeitlichen Prozessen, die sich im ökonomischen Rhythmus wiegen und verbiegen (lassen?). Im Kontext diskursanalytischer Zugriffsversuche kommt sodann dem Bereich der Macht eine Schlüsselrolle zu, wenn man vom Standpunkt ausgeht, dass „migration cannot be understood fully without reference to power relations, both between places, and between people“ (ebd.: 16), und in der Annahme, dass „ihr diskursives Regierungspotenzial“ (Graf & Fuchs 2014) insbesondere folgendermaßen interpretiert werden könnte: „Macht erscheint stets als das Potenzial, et-
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was zu tun, doch wandelt sich der Referenzpunkt für die Handlung je nach Perspektive“ (ebd.: 267). Oder, mit Bezug zu Arendt (1958) und Foucault (2004c), wie Painter (2015: 147) konstatiert: „With Arendt’s idea of power as human action in concert and Foucault’s theorization of power as operating through a dispersed series of institutions and practices, we have moved well beyond and away from the simple notion that power involves the direction, willful domination, or control of one person or institution by another.“ Daneben kristallisiert sich in den heterogenen aktuellen Debatten zur Bestimmung und Analyse von Macht aus der Perspektive diskursanalytischer Ansätze die Kernannahme heraus, „dass eine Analyse diskursiver Macht einer Berücksichtigung der Prozesshaftigkeit ihrer Ausübung und der zentralen Rolle des rezipierenden Subjekts bedarf“ (Graf & Fuchs 2014: 278). In der Verknüpfung von machttheoretischen Herangehensweisen mit einer ‚Performativitäts-Perspektive‘ liegt sodann offenbar großes Potenzial, das auch für diese Arbeit genutzt werden soll. Denn das Konzept der Performativität geht nicht zuletzt davon aus, dass Macht auch immer akzeptierte Normen seitens des rezipierenden Subjekts voraussetzt (ebd.: 278 f.). „Um […] sehen zu können, wie diese wissens- und wirklichkeitsproduzierenden Machtwirkungen überhaupt möglich werden“ (Füssel & Neu 2014: 150), lässt sich mit Deutschmann auch vom „performativen Charakter sozialer Realität“ (Deutschmann 2012: 133 ff.) sprechen und spezifizieren, dass soziale Wirklichkeit stets sinnhaft sei und erst aus Handlungen von Individuen hervorgehe, die wiederum aus der Anerkennung von zuvor erhobenen Geltungsansprüchen resultieren (ebd.: 133). Performativitäts- und diskurstheoretische Ansätze werden, zugegebenermaßen, schon seit einigen Jahren verstärkt auf wirtschaftliche Zusammenhänge angewendet (vgl. Maeße 2013b: 9). In dieser Tradition, in dieser Ausrichtung auf den Gegenstand Ökonomie, lässt sich konkret nach performativen Inwertsetzungsprozessen fragen, auch von Bildung und Wissen, und zwar am Beispiel südasiatischer Migranten. Der Autor schaut auf die vielfältigen (Re-)Produktionen und Legitimierungen von ‚Wirtschaft‘, auf die wirren Rhythmen der Selbstökonomisierung entlang von Ort und Verortung, auf die Implementierung und Re-Verhandlungen von hegemonialen wirtschaftlichen Narrativen und Dispositiven. Wenn Menschen sich selbst (unbewusst) als wirtschaftende bzw. als in wirtschaftlichen Strukturen agierende Subjekte begreifen, dann lässt sich – analog zum Konzept der „Selbstkulturalisierung“ bei Reckwitz (2009) von einer ‚Selbstökonomisierung‘ bzw. ‚Selbstvermarktlichung‘ sprechen. So sich darüber hinaus Gouvernementalitätsstudien in der Tradition Foucaults (2004a, b) mit einer entsprechenden „ökonomische[n] Regierung des Sozialen“ (Maeße 2013b: 14 ff.) beschäftigen, könnte sich diese Arbeit ferner auch in diesem Bereich, mit
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Blick auf (Ohn-)Macht und „ihr diskursives Regierungspotenzial“ (Graf & Fuchs 2014), verorten. Vor diesem Hintergrund lässt sich ‚Wirtschaft‘ als etwas nicht nur diskursiv, sondern auch in vielerlei alltäglichen Praktiken sowie materiell, schließlich dispositiv Hergestelltes (be-)greifen: Dazu können wir – mit Blick auf performative Prozesse der Wirklichkeitsgenerierung – Elemente der Dispositivtheorie in Anlehnung an Foucault (1978) nutzen. Wenn wir in diesem Sinne ökonomische – d.h. ökonomisierte und gleichzeitig auch ökonomisierende – „Diskurse historisieren“ (Füssel & Neu 2014: 153 f.) und materialisieren, stellen sich vielerlei Fragen, die zu neuen Möglichkeiten in Hinblick auf (meta-)theoretische (Selbst-) Reflexionen führen können. Wenn also „Capitalism as a Discursive System“ (Dahlberg 2014) aufgefasst werden kann, definiert sich das Konzept der Wirtschaftswirkung als übergeordneter Begriff für die vielfältigen Arten der performativen Herstellung und Wirkung von ‚Wirtschaft‘ im Sinne ökonomischer Realitätsverständnisse in diskursiven – und letztlich dispositiven – Zusammenhängen. Dabei entstehen Selbstökonomisierungen bzw. Selbstvermarktlichungen als subtiles, subjektivierendes Sich-selbst-Einfügen der Menschen in ökonomische Zusammenhänge, als unbewusstes Sich-selbst-Beschreiben der Menschen als Teil des Ökonomischen, als Inwertsetzung des Selbst durch Praktiken, in Diskursen und in Interaktion mit den verschiedensten materiell-dispositiven Kraftfeldern. Die machtabhängigen Wirkungs(un)möglichkeiten von wirtschaftsbezogenen Semantiken kristallisieren sich so in den Reproduktionen normativer ökonomischer Ordnungen. Ferner kommen auch aus Sicht der (postdisziplinären?, vgl. Van der Pijl 2014: 324 ff.) Politischen Ökonomie alternative Wirtschaftsforschungen; 14 Wissenschaftler befassen sich in diesem Rahmen beispielsweise mit der „Performativität des Schattenbanksystems“ (Kessler & Wilhelm 2014). Zugegeben: „Addressing alternatives is popular these days – most likely more than ever“ (Hillebrand & Zademach 2013: 9). Doch die Suche nach Alternativen soll nicht zum Selbstzweck verkommen, sondern, im Gegenteil, fruchtbare Ideen sprießen lassen.
14 Beispiele für jüngere Sammelbände (alle aus der Reihe Globale Politische Ökonomie des Springer-Verlags) sind etwa „Politische Ökonomie der Finanzialisierung“ (Heires & Nölke [Hrsg.] 2014), „Die Internationale Politische Ökonomie der Weltfinanzkrise“ (Kessler [Hrsg.] 2011), „Ökonomie, Diskurs, Regierung“ (Maeße [Hrsg.] 2013c) oder auch „Theorien der Internationalen Politischen Ökonomie“ (Wullweber et al. [Hrsg.] 2014).
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Neben Impulsen aus der Geschichtswissenschaft, der Human- bzw. Wirtschaftsgeographie sowie der Politischen Ökonomie verspricht zudem die (Wirtschafts-)Soziologie viele Berührungspunkte für die vorliegende kulturelle Geschichte bzw. kulturelle Geographie der Ökonomie. Viele spannende Projekte repräsentieren ein immens großes Forschungsreservoir wie -repertoire (siehe z.B. „Soziologie der Finanzmärkte“, Kalthoff & Vormbusch [Hrsg.] 2012; „Wirtschaftssoziologie und Gesellschaftstheorie“, Fourcade 2013; siehe auch Maeße, der von einer „Soziologisierung des Marktes“ spricht, 2013b: 11 ff.). Die Wirtschaftssoziologie versteht sich dabei als „Soziologie der Märkte“ (Fourcade 2013: 35 ff.) und fragt danach, „wie Märkte Gesellschaften konstruieren“ (ebd.: 46 ff.). Wenn mit diesem Blickwinkel von einer räumlich wie örtlich vielfältigen „Socially Constructed Economy“ (Vidal & Peck 2012) auszugehen ist, dann könnte insbesondere die Verbindung wirtschaftssoziologischer und -geographischer Ansätze bei der näheren Bestimmung von Wirtschaftswirkung(en) helfen.15 Neben Aspekten der Identität, der Macht und der Ökonomie spielen zudem mobilitätstheoretische Fragestellungen im Rahmen dieser Arbeit eine Rolle. Dabei können wir den Mobilities Turn (auch: Mobility Turn) in der geographischen Migrationsforschung der letzten Jahre adressieren, der als einer von „four paradigmatic trends in the study of migration“ (King 2012: 134), wie sie King in seinem Artikel „Geography and Migration Studies: Retrospect and Prospect“ (2012) identifiziert hat, ebenfalls in anderen Disziplinen stärker gehört werden sollte. Gleichzeitig muss allerdings vor einer ‚Mobilitätsversessenheit‘ gewarnt werden (vgl. Osterhammel 2009a: 183). Den potenziellen Vorwurf postmoderner Beliebigkeit mit Blick auf die diversifiziert-diffusen – und dabei gar noch kulturtheoretisch-essayistisch formulierten – Wirtschaftswirkungen, wie sie im Folgenden noch näher bestimmt werden sollen, nimmt der Autor in diesem Zusammenhang nicht ernst, denn „warum sollte eine Präferenz für das Plurale, für Vielheiten beliebig sein“ (Berndt & Boeckler 2008: 72)? Zugleich ist eine Liaison zwischen Kulturtheorie und wirtschaftlichen Fragestellungen äußerst fruchtbar; man sollte sich zumindest mit ihr auseinandersetzen (dürfen). Kulturtheorie muss dabei in entschiedener Offenheit die mannigfaltige Verschiedenheit der wissenschaftlichen Erschließungsversuche und –möglichkeiten einfordern und ihnen Podium und Performanz zugestehen, so sie denn selbst zumindest toleriert werden möchte.
15 Denn Wirtschaftsgeographie und Wirtschaftssoziologie haben als jeweils sehr offene, kritische und heterogene Subdisziplinen viel gemeinsam, wie Vidal und Peck (2012: 594) betonen.
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(4) Recht – Wissen – Macht Neben der Normativität ökonomischer Ordnung erscheint das Recht – in all seinen Facetten und Formen, Ausdrücken und Aufführungen, Vor- und Herstellungen – als ein zweites wirkmächtiges Kraftfeld unserer Gesellschaft. Dies gilt verstärkt in wissensintensiven Zeiten, denn „Wissen prägt […] Recht so wie Recht unser Wissen zu regulieren sucht“ (Baer 2010: 196). Um dies aufzuzeigen, sei die Beschäftgung mit rechtspolitischen „Großthemen“ wie Klima, Sicherheit oder Migration besonders geeignet, verdeutlicht Baer (ebd.: 182). In diesem Tenor möchte sich die hier vorliegende Arbeit mit dem „Großthema“ Migration beschäftigen, das in dieser Studie aber gleichwohl nicht als Thema, sondern als Gegenstand fungiert: indem der Frage nachgegangen wird, welchen Einfluss ‚Recht‘ – als diskursive, aber auch als praktisch und materiell wirksame normative Ordnung – auf Menschen im Migrationskontext haben kann. 16 Denn „in Wissensgesellschaften stellt sich die Frage, welche Bedeutung welchen Formen von Wissen im Recht und durch Recht zukommt“, so Baer weiter (ebd.: 181). Hierbei können wir dem Konzept der Macht, dem sich im Rahmen dieser Arbeit in unterschiedlichen Blickwinkeln am Beispiel von Lebensgeschichten südasiatischer Migranten (Adams [Hrsg.] 1987a) genähert wird, eine Schlüsselrolle zusprechen, denn Recht bedeutet Macht.17 Das Spannungsfeld von Recht, Wissen und Macht lässt sich in dieser Perspektive besonders in (post-)kolonialen Kontexten identifizieren: „The law was a cornerstone of the so-called civilizing process of […] colonialism. It was simultaneously a means of transformation and a marker of the seductive idea of civilization“ (Merry 2000: Klappentext). Denn „the colonial project of the nineteenth century was founded on the European conviction that other ways of life were wrong and needed reform or, in the terms of times, ‚civilizing‘“ (ebd.: 20). Im Rahmen von identitätsbeeinflussenden Migrationsprozessen brechen derartige rechtliche Bedeutungsreservoirs auf und aus, da auch „migration and power“ (Gardner 1995: 16 ff.) häufig verquickt sind: „The Cultural Power of Law“ (Merry 2000) und „the process of legal transformation“ (ebd.: 35 ff.) gehen in diesem Kontext Hand in Hand, wenn wir Migranten als sich mit dem Themenfeld Recht auseinandersetzende bzw. auf rechtliche Diskurse reagierende – und 16 Thema dieser Arbeit sei somit Recht (sowie Wirtschaft), Gegenstand Migration und konkretes empirisches Fallbeispiel, wie schon im Vorwort erwähnt, seien die Lebensgeschichten
südasiatischer
Migranten
in
der
von
Adams
(1978a)
herausgegebenen Form. 17 Diesbezüglich identifiziert sich der Autor weiter mit Baer (2010: 182), die Rechtsforschung primär als Machtforschung begreift.
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diese Diskurse gleichzeitig reproduzierende, evtl. auch verändernde – Subjekte betrachten. „How does law transform […] community in the fractured social world characteristic of the colonial process?“ (ebd.: Klappentext), lässt sich nämlich mit Bezug auf den Gegenstand dieser Arbeit, die erwähnten Lebensgeschichten, fragen. Gerade „the history of empire is densely entangled with the modern history of political theory, political economy, and international law. These entanglements work through abstract theoretical concepts and normative judgments“ (Chatterjee 2012: xi). Recht spielte eine zentrale Rolle in kolonialen Subjektivierungsprozessen (vgl. Delaney 2001: 253, Osterhammel 2009a: 1057), die in den betrachteten, im kolonialen Kontext Britisch-Indiens wurzelnden Migrationsbiographien postkolonial nachwirkten. Im Rahmen dieser Arbeit schaut der Autor vor diesem Hintergrund auf mentale wie praktische und materielle Realisierungen des Rechts, auch – und besonders – im Kleinen, denn „angesichts der Millionen indischen Auswanderer während des 19. und 20. Jahrhunderts stellt sich die Frage nach der Stimme der Marginalisierten“ (Mann 2004: 140), die bis vor zwanzig bis dreißig Jahren noch kaum gehört wurden. Derartige kritisch-reflexive Themenkomplexe werden in der Rechtswissenschaft, die man in weiten Teilen als dogmatisch orientierte, „normative Normwissenschaft“ (Baer 2010: 193 ff.) dekonstruieren könnte, bislang noch eher selten betrachtet. Was für orthodoxe Teile der Wirtschaftswissenschaften gilt, gilt also in vielfacher Hinsicht auch für konservative Bereiche der Rechtswissenschaften. Gleichwohl: Die Rechtswissenschaft hat sich in den letzten Jahren in erfreulicher Art und Weise entwickelt, ist bereits deutlich offener geworden hinsichtlich neuer Forschungsgegenstände, -theorien, -methoden sowie neuer interdisziplinärer Forschungsbereiche. Auch „Ethnographies of Law“ (Darian-Smith 2004) sind etwa seit einiger Zeit möglich und offerieren „in a world of increasing legal pluralism“ (Snyder 2004: 634) neue Perspektiven. Nichtsdestotrotz wirken andere Geistes- und Sozialwissenschaften wie die Humangeographie noch diversifizierter, offener und innovativer – und damit näher ‚am Puls der Zeit‘ unserer globalen Wissenschaftslandschaft. Rubin, der „the contours of legal scholarship“ (Rubin 1999: 562 ff.) beschreibt, unterscheidet rechtswissenschaftliche von geistes- und sozialwissenschaftlichen Herangehensweisen anhand „an internal, as opposed to an external view of law. Historians, political scientists, and sociologists treat the law as one component of a social institution, to be studied for the ideas it embodies and the effects it produces. Legal scholars approach law as a set of significant normative statements that are intended to comprise a meaningful system“ (ebd.: 562).
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In diesem Tenor wird oft auch das bunte Treiben der Kulturtheorie, speziell vom Standpunkt weiter Teile der Rechtswissenschaft aus, suspekt inspiziert. Der Autor möchte hier all den Skeptikern die Scheu vor dem Dialog mit den Kulturwissenschaften nehmen. Es geht dabei selbstredend nicht darum, eine etablierte universitäre Disziplin in Abrede zu stellen oder gar auf dem Altar kulturtheoretischer Narrenfreiheit zu opfern. Deren Errungenschaften ließen sich nämlich durchaus mit kulturtheoretischen Erschließungsversuchen harmonisch verbinden. In dieser Arbeit soll versucht weren, die Rechtswissenschaft wieder stärker in die Nähe der Geisteswissenschaften bzw. Humanities zu rücken und ihr im Zuge dessen aktuelle kulturtheoretische Impulse, auch als Aufzeigen von Ansätzen zur – verstärkten – (Selbst-)Reflexion, verleihen. Auf den ersten Blick geht ‚die‘ Rechtswissenschaft, wenn wir diese diversifizierte Disziplin einmal durch ein kreolisierendes Monokel hoch aufgelöst von außerhalb in ihrer Gesamtheit durchleuchten, dabei gewissermaßen fremd, wenn sie sich mit der Kulturtheorie einlässt. Rechtswissenschaft als Geistes- bzw. Kulturwissenschaft, Kulturtheorie und Rechtswissenschaft geeint, dieses Ideal, diese Symbiose schwebt dem Autor vor. Dabei sollen all jene – neutral ausgedrückt – ‚anders‘ arbeitenden Rechtswissenschaftler nicht per se verurteilt, ganz gewiss nicht, sondern ihre Ansätze und Arbeitsvorstellungen als solche durchaus respektiert und ernst genommen, wenngleich nicht übernommen werden. Stattdessen sollen alternative Konzepte erarbeitet werden, die sich neben die schon bestehenden einreihen. Diese deeskalierende Strategie, als Gesprächsangebot konzipiert und gleichwohl mit provokant-treibendem Rhythmus untermalt, soll nicht nur als harmonisierender Akt gewertet werden, wenn die folgenden inhaltlichen Vorstellungen im Gewand literarischen Konfettis in die Arena des wissenschaftlichen Austauschs geworfen werden. Es geht also nicht um ein groß angelegtes Tabula rasa, sondern um das bewusste Stehenlassen von Spannungsverhältnissen, Bedeutungs- bzw. Sinnüberschüssen. Ebenso geht es nicht darum, zerstörerischen Zwist zu ernten, sondern um das Sähen zarter Zweifel und das Anrühren einer trüben Brühe ‚disziplin-närrischer‘ Verästelungen, um normativ-hegemoniale Desertifikationen durch rechtliche Imperative wissenschaftlich nachvollziehen zu können. Kurzum: Das Aufzeigen von Alternativen – ohne revolutionäre Relozierungen reaktionärer rechtswissenschaftlicher Rhythmen – sollte erlaubt sein. Diese Arbeit diffundiert in diesem Sinne aus dem Anspruch, als ein weiterer heller Stern am Firmament innovativer Kulturtheorie zu erscheinen. Die Matrix ihrer Entwürfe speist sich dabei aus einer vom Cultural Turn inspirierten Perspektive, welche den Konstruktcharakter, aber auch die praktisch-materiellen
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Realisierungen von Wirklichkeit betont. Die vorliegende Arbeit versucht in dieser Tradition sicher in sowie durch den unsicheren Hafen der Postmoderne zu navigieren und auf diese Art und Weise schmerzhaft(e) Lücken im Grenzgebiet der Fächer, in dem der Autor mit seinem Ansatz residiert, zu schließen. Ob inter-, trans- oder gar postdisziplinär, überlässt er sodann der Beurteilung des Lesers. Wohl aber sind diese Zeilen stark multidisziplinär ausgerichtet. Dabei sollen Disziplinen nicht filetiert bzw. gegeneinander ausgespielt werden; die gegenseitige Bereicherung erscheint gewinnbringender. Gleichwohl möchte der Autor weg von der disziplinären Disziplinierung, allerdings immer mit Rückbezug zu den Errungenschaften einzelner Wissenschaftskulturen, aus denen sich seine Anregungen letztlich rekrutieren, die in fruchtbaren Austausch treten und neue Konzepte bzw. zumindest Blickrichtungen kreieren sollen. In diesem Prisma bündelt sich allerdings weder die sich emotionalisierende Nostalgie über verflossene Universalgelehrsamkeit – von kalten Technokraten düpiert wie demontiert, seziert wie entzaubert – noch der elektrisierende Paradigmenwechsel detonierend-narzisstischer Denomination. An dieser Stelle erfolgen einige Hinweise, was im Sinne dieser Studie unter ‚Kultur‘ verstanden und welche Art von ‚Kulturtheorie des Rechts‘ anvisisiert wird. ‚Kultur‘ wird hier nicht als Forschungsgegenstand oder gar als Thema begriffen (letztere Rolle, die der Themen, übernehmen in dieser Arbeit Ökonomie und Recht; als Gegenstand, an dem diese empirisch untersucht werden, fungiert Migration), sondern als Perspektive.18 In den Worten von Mezey ist insbesondere kulturtheoretischen Rechtserschließungen ein großes kritisches Potenzial inhärent: „To focus on culture is to locate the ways in which law influences the ways who we are and who we aspire to be, and it moves us beyond the standard critique of what law is and what we want it to be“ (Mezey 2003: 60). Die Fusion aus Kulturtheorie und Rechtswissenschaft ist gerade deshalb überaus fruchtbar. Kulturtheoretisch inspirierte Rechtsforschung kann als besonders innovativ-kreative Problemlöserwissenschaft gelten. Sie bricht gewissermaßen von außen in die Phalanx der Rechtswissenschaft ein, schon durch diesen bloßen ‚Tatbestand‘ konstruktive Verunsicherung auslösend. Verglichen mit anderen Disziplinen bzw. Gegenständen – z.B. der Ökonomie und sie kulturtheoretisch verhandelnde Ansätze –, gilt für Recht(swissenschaft), dass es (sie) relativ spät mit den (Neuen) Kulturwissenschaften in der Tradition
18 In den Worten von Wardenga „scheint die Kulturgeographie immer dann besondere Wachstumschancen zu haben, wenn es eigentlich nicht um Kultur als Gegenstand geht, sondern die kulturbezogene Kommunikation dazu benutzt wird, um die Umstellung von Forschungsperspektiven anzumahnen“ (Wardenga 2005: 30).
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des Cultural Turn in Kontakt gekommen ist (vgl. Howes 2005: 9). Haltern, der über „Notwendigkeit und Umrisse einer Kulturtheorie des Rechts“ (2008) schreibt, räumt dementsprechend auch ein: „Das Thema ‚Kulturtheorie des Rechts‘ weckt zunächst Misstrauen. Es klingt […] nach einem neuen Modethema“ (ebd.: 193). Und doch reagiere die Kulturtheorie des Rechts auf zentrale (Grund-)Fragen über Recht und Staat sowie das Selbstverständnis der Rechtswissenschaft und ihres Gegenstandes, die von der Rechtswissenschaft bislang noch kaum bzw. noch nicht zufriedenstellend bearbeitet worden seien (ebd.: 194). Denn „diese […] Kulturtheorie des Rechts […] siedelt das Unternehmen nicht an den Rändern der Rechtswissenschaft an, sondern in ihrem Zentrum“ (ebd.: 193), wobei auch diese „Kulturtheorie des Rechts [...] nur eine von vielen kulturellen Deutungsmöglichkeiten des Rechts [ist], denn es existieren viele Formen von kultureller Befragung des Rechts“ (ebd.). Kulturtheoretische Erschließungsoptionen sind nämlich nicht die einzigen, die kritisch-reflexives Potenzial haben, auch andere Ansätze wie jene des Feminismus oder der Critical Legal Studies könnten in diesem Zusammhang Erwähnung finden (ebd.: 204). Haltern formuliert vor diesem Hintergrund als spezifisches Ziel einer kulturtheoretischen Rechtsanalyse die „Rekonstruktion der Konstitutivität des Rechts“ (ebd.: 205 f.). An dieser Stelle sollen einige Anknüpfungspunkte genannt und Vorschläge unterbreitet werden, welche weiteren Autoren und Arbeiten für eine Entwicklung einer Rechtswissenschaft als Kulturwissenschaft von Relevanz sein könnten – ohne einen abgeschlossenen, unverhandelbaren Überblick vorstellen zu wollen. Als Klassiker kulturtheoretischer Rechtsanalyse in der Tradition des Cultural Turn kann Kahns bahnbrechende Monographie „The Cultural Study of Law. Reconstructing Legal Scholarship“ (Kahn 1999) aufgefasst werden. Auch sein Werk „Freedom, Autonomy and the Cultural Study of Law“ (Kahn 2001) plädiert für eine kulturtheoretische Herangehensweise bei der Beschäftigung mit Recht. Weitere kulturtheoretische Ansätze finden sich beispielsweise auch in „Legal Ethics, Jurisprudence, and the Cultural Study of the Lawyer“ (Anand 2008), „Legal Studies as Cultural Studies. A reader in (post)modern critical theory“ (Leonard [Hrsg.] 1995), „The Cultural (Re)Turn in Japanese Law Studies“ (Nottage 2009) oder in „Cultural Analysis, Cultural Studies, and the Law: Moving Beyond Legal Realism“ (Sarat & Simon (Hrsg.) 2003). In „Beyond Legal Realism? Cultural Analysis, Cultural Studies, and the Situation of Legal Scholarship“ (Sarat & Simon 2001) fordern die Autoren, Recht aus kulturwissenschaftlicher Perspektive unter Einbezug von Wissen und Macht „in the tradition of Foucault“ (ebd.: 7) zu betrachten. Generell begrüßen sie den Cultural Turn in den
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Rechtswissenschaften (ebd.: 8), da sie kulturtheoretische Ansätze als Chance für kritische Rechtswissenschaften sehen (ebd.: 32). Einen guten Überblickstext zu (kritischer) kulturtheoretischer Rechtswissenschaft/Cultural Studies of Law/Cultural Legal Studies stellt überdies „Is there a Cultural Studies of Law?“ (Coombe 2001) dar; Coombe plädiert bereits in „Critical Cultural Legal Studies“ (1998) für kulturtheoretische Rechtserschließungen. Überdies muss der Sammelband „Rechtswissenschaft als Kulturwissenschaft? Kongress der Schweizerischen Vereinigung für Rechts- und Sozialphilosophie, 15. und 16. Juni 2007, Universität Zürich“ (Senn & Puskás [Hrsg.] 2007) Beachtung finden. Schauen wir uns zugleich „Legal Ideas in the Mirror of Social Theory“ (Cotterrell (Hrsg.) 2006a) an, könnten uns auch rechtssoziologische Forschungen helfen, denn auch diese fragen: „Wie wirkt Recht?“ (Cottier et al. (Hrsg.) 2010). Doch bezeichnenderweise kommen zudem auch gerade die konservativsten Orthodoxien normativ-traditionalistischer Rechtswissenschaft aus dem Bereich der Rechtssoziologie, die sich in der Regel ihr unterordnet, als Teil von Rechtswissenschaft versteht, seltener als Soziologie des Rechts, denn wie Silbey schon geschrieben hat: „Culture is a hotly debated and contested construct“ (Silbey 2010: 470). Stellvertretend soll diesbezüglich „Crossover Parsifal“ von Röhl (2010a) angeführt werden. Dieser befürchtet in apokalyptischer Apologetik: „Die Öffnung einer Disziplin gegenüber dem kulturwissenschaftlichen Ansatz führt […] zu ihrer Selbstauflösung“ (ebd.: 93). Zugegeben: Gerade Analysen in der Tradition des Cultural Turn sind nicht selten transdisziplinär angelegt, wobei gilt: „Transdisziplinarität bedeutet nicht das Aufgeben der eigenen Disziplin, sondern die Reflektion der Konstitutionsbedingungen jeder einzelnen beteiligten Disziplin, um so bestenfalls zu neuen, gemeinsamen Paradigmen zu gelangen“ (Estermann 2010: 111). Transdisziplinär orientierte Kulturwissenschaften beschränken sich also nicht von vornherein selbst, indem sie lediglich im heimischen Gewässer fischen, sondern schauen weit über den eigenen Tellerrand, um Probleme multiperspektivisch zu lösen. Die Ausdehnung des eigenen theoretischen wie methodischen Instrumentariums ist aber längst nicht gleichbedeutend mit dem Verlust von disziplinären Zuschnitten der Wissenschaftslandschaft, wie in Röhls „Selbstauflösungs“-Rhetorik moniert. Der Rechtssoziologe Röhl befürchtet insbesondere folgende drei Probleme, die aus einer Orientierung der Rechtswissenschaft hin zu kulturwissenschaftlichen bzw. -theoretischen Impulsen resultieren würden: 1. „Es führt zu einer souveränen Geringschätzung all dessen, was die ‚Disziplinen‘ immerhin schon geleistet haben.
126 | M ACHT -(W)ORTE 2. Es setzt zu sehr auf den homo symbolicus und damit – nachdem homo sociologicus und homo oeconomicus gerade beerdigt sind – erneut auf einen homunculus. 3. Es gebärdet sich empiriefeindlich“ (Röhl 2010a: 93).
Diese drei Punkte sollen an dieser Stelle widerlegt werden: Zu 1.: Sicherlich wirken kulturtheoretische Ansätze auf so manchen Leser bisweilen selbstverliebt und arrogant („essayistisches Blabla, Intellektualozentrismus“, Berndt & Boeckler 2008: 72; Schwegmann 2016: 34 ff.), doch schätzen sie andere Erschließungsversuche nicht notwendigerweise als ‚schlechter‘ ein. Im Gegenteil: Gerade kulturelle Geographien möchten das Spektrum an potenziellen Analyse- und Interpretationsmöglichkeiten erweitern und den eigenen Ansatz neben andere stellen, ohne normativ-exklusiven Charakter zu bemühen (Schwegmann 2016: 24). Wie der Autor es schon in seiner geographischen Dissertation (ebd.) benannt hat: Es handelt sich lediglich um ein „Deutungsangebot“ (ebd.: 19). Zu 2.: Der Vorwurf, kulturwissenschaftliche Ansätze würden zu sehr auf einen „homo symbolicus“ setzen, zeigt – und das muss in dieser Deutlichkeit gesagt werden (dürfen) – auf, dass Röhl die jüngere Entwicklung in kulturtheoretischen Herangehensweisen offensichtlich nicht erkannt (bzw. zugespitzt formuliert: ‚verschlafen‘) hat. Gerade die deutschsprachige Rechtssoziologie bleibt weitestgehend noch in der Behandlung von Symbolen verhaftet (Cottier et al. [Hrsg.] 2010, insbesondere auch Newig 2010 und Röhl 2010b). Seit spätestens der Jahrtausendwende mehren sich dagegen die kulturwissenschaftlichen Arbeiten zu Materialität, Praktiken, Technologien und Performativität; die Reduktion der Kulturwissenschaft auf die Behandlung von Symbolen und ihre angebliche Ideologie eines „homunculus“ ist ihrerseits selbst Ideologie – wobei dies voraussetzen würde, Röhl hätte den aktuellen Forschungsstand kultureller Zugangsweisen erfasst und dann mittels eigener Ideologie verrenkt, doch scheint es eher so, dass er den Forschungsstand gar nicht erfasst (oder erfassen will?). So oder so zeugt seine simplifizierende Diffamierung von Unkenntnis und Unverständnis. Zu 3.: Den Vorwurf der Empiriefeindlichkeit kann nur jemand äußern, der diese als einen Makel ansieht und „empiriefeindlich“ mit ‚unwissenschaftlich‘ gleichsetzt – abgesehen davon, dass auch andere Richtungen der Rechtswissenschaft wenig empirisch arbeiten und es zudem sehr wohl kulturwissenschaftliche Arbeiten gibt, die empirisch arbeiten.19 Kulturwissenschaftler bzw. -theoretiker
19 Schon diese hier vorliegende Arbeit kann als Beleg gelten, aber selbstredend auch vielerlei kulturtheoretisch influenzierte Rechtsethnographien und deren umfangreiche Feldforschungen.
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gehen hingegen von einem anderen Wissenschafts- und Wirklichkeitsverständnis aus. Vor dem Hintergrund bzw. der Prämisse multipler Realitäten geht es ihnen weniger darum, die Welt so abzubilden, ‚wie sie ist‘, sondern eher die subjektiven, oftmals unbewussten Wirklichkeitsverständnisse und Bedeutungszuschreibungen zu analysieren und damit auch – direkt oder indirekt – selbstkritisch auf die eigene Rolle des Wissenschaftlers im Prozess der Realitätskonstruktion bzw. -reproduktion einzugehen. Ein weiteres Argument gegen kulturwissenschaftliche Rechtsanalysen ist nach Röhl, dass Recht immer Machtausübung und Herrschaftsanspruch sei – demgegenüber stehe die Kulturwissenschaft hilflos da, während die Rechtssoziologie damit umzugehen wüsste (Röhl 2010a: 99). Doch gerade Kulturwissenschaften beschäftigen sich in ihrer kritischen Ausrichtung schon seit langem mit Macht, etwa in der Rezeption Foucaults – um nur ein Beispiel zu nennen. Ganz offensichtlich ist der tiefer liegende Grund für Röhls (An-)Klage eine Mischung aus Unkenntnis und Vorurteilen, die in einer panischen Angst vor einer allzu expandierenden Kulturwissenschaft, genauer: dass die „Rechtssoziologie in den Kulturwissenschaften aufgehen“ (ebd.) – und damit die Rechtssoziologie an Einfluss verlieren – könnte, kulminiert. Dies wird sicherlich nicht passieren, da kulturwissenschaftliche Rechtserschließungen die Verdienste rechtswissenschaftlicher und rechtssoziologischer Arbeiten weder in Frage stellen, noch diese ersetzen wollen. Es geht lediglich um eine Perspektiverweiterung, um eine neue Optik, die neben schon bestehende Ansätze rückt. Auch andere, alternative Ansätze – die sich wegen ihrer Andersartigkeit, insbesondere was Epistemologie und Methodologie angeht, eben nicht als klassische Rechtswissenschaft oder Rechtssoziologie labelt – dürfen, nein: sie sollten sich mit Recht und Gesellschaft beschäftigen, auch wenn dies Röhl nicht passt (ebd.: 98 f.). Wir sollten rechtssoziologische Arbeiten aber, wie erwähnt, beileibe nicht per se verurteilen oder gar missen; im Gegenteil: Die Rechtssoziologie bietet vielerlei Anknüpfungspunkte. Die jüngere Forschung im Bereich Law and Society (vgl. z.B. „The Blackwell Companion to Law and Society“, Sarat [Hrsg] 2004) „has moved on to study what law means by studying law, for example, as consciousness, representational and discursive practices, or as part of the constitution of identity, gender, and governmentality“ (Seron & Silbey 2004: 51) – „rather than focus on what law does“ (ebd.). Längst lässt sich von diesem Standpunkt aus „law everywhere, not only in courtrooms, prisons, and law offices, but in hospitals, bedrooms, schoolrooms, in theaters, and films and novels, and certainly on the streets and in police stations and paddy wagon“ (ebd.: 50 f.) identifizieren, so etwa „Law in Popular Culture“ (Sherwin 2004) oder im Bereich von „Immigration“ (Sterett 2004). Grundlegend ist in diesem Zusammenhang, aller-
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dings wieder aus medien- und kulturtheoretischer statt aus rechtssoziologischer Perspektive (wenngleich es, wie an diesem Beispiel nachzuvollziehen, zwischen beiden Forschungsbereichen vielerlei Überschneidungen gibt), die Theaterwissenschaftlerin Fischer-Lichte mit ihrem Klassiker „Ästhetik des Performativen“ (2004). Letztlich lässt sich unter Einbezug der vorgestellten Impulse konstatieren: „Der kritische Raum, den die Kulturtheorie des Rechts zurückgewinnen will, ist ein Raum von Freiheit“ (Haltern 2008: 210). Die hier vorgestellte Neukonstituierung oder zumindest Weiterentwicklung dieser Perspektive, dieses Anspruchs, die notwendige Rezeptur zur Behandlung der monierten Symptome aus dem wirkmächtigen Dreieck von Recht, Wissen und Macht im Kontext unreflexivkonservativ-normativer Rechts-‚Wissenschaft‘ (die nur einen, wenngleich großen – und zugegebermaßen in sich stark diversifizierten – Teil der heutigen Rechtswissenschaft ausmacht), nennt sich kulturelle Geographien des Rechts. Im Zusammenspiel mit kulturtheoretischen Analyseansätzen kann uns nämlich die Humangeographie helfen, Recht neu zu denken. Diesbezüglich muss das vorliegende Projekt an dieser Stelle „the difference that a legal geography makes“ (Blomley et al. 2001: xvii ff.) aufzeigen. Denn es stellt sich oft die Frage: „If one is interested in law, what is gained by thinking geographically?“ (Blomley 2006: 24). (5) Kulturelle Geographien des Rechts „Es ist aufregend und riskant, von den Hauptverkehrswegen abzubiegen und neue Pfade einzuschlagen. Zunächst kann man sich nicht sicher sein, ob man Mitstreiter findet, die in dieselbe Richtung wollen“ (Gerstenberger & Glasman 2016c: 7).
Geographen waren schon immer fasziniert vom ‚Anderen‘. Oft meinte dies außereuropäische Regionen, deren Erforschung hohes Prestige verhieß. 20 Doch 20 So gab es im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts viele „Nachwuchswissenschaftler, die nicht zuletzt aufgrund von Kolonialexpeditionen an Universitäten Karriere machten“ (Gräbel 2015: 12): „Kompetenz und Erfahrung in einer außereuropäischen Region waren hilfreich für Geographen auf dem Weg zum eigenen Lehrstuhl. In einer Welt der Imperien wuchs der Bedarf an Überseeexperten, derer sich politische Entscheidungsträger und unternehmerische Kreise durch Berufungen an Universitäten zu versichern wussten. Gleichzeitig wurden einige Forschungsreisende und Geographen für geleistete Dienste durch akademische Posten belohnt. In den folgenden Jahrzehnten wuchs die Bedeutung von außereuropäischer Forschungserfahrung. Für den wis-
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dieses ‚Andere‘ bezieht sich, viel globaler, auf alle fremd erscheinenden potenziellen Forschungsgegenstände. Ob nun physisch-räumlich weit entfernte, unbekannte Erdteile oder imaginiert-mental weit entfernte, unbekannte Theorien, ist dabei einerlei. Auch Recht ist damit für die allermeisten Geographen eine terra incognita, die es zu erforschen gilt. Das Forschungsprojekt befasst sich mit der Wirkweise, Reproduktion sowie Mobilität (europäischer) normativer Ordnungen am Beispiel von Wirtschaft und Recht. Theoretischer Leitgedanke mit Blick auf den Schwerpunkt Recht ist dabei die Entwicklung einer ‚kulturellen Geographie des Rechts‘ im Sinne einer (kulturtheoretisch ausgerichteten) ‚Neuen Rechtsgeographie‘, da der interdisziplinäre Begegnungsraum zwischen Recht und Geographie – im Gegensatz zur Rechtsgeschichte, -soziologie etc. – noch ein Nischendasein fristet. Brücke zwischen den beiden unterschiedlichen Fachkulturen könnte dabei eine kulturtheoretisch informierte Herangehensweise sein, die in diskurs- bzw. dispositivanalytischer Ausrichtung die Wirkweise normativer rechtlicher Ordnungen und deren Mobilisierung in den Blick nimmt. Die Humangeographie – als jene geistes- und sozialwissenschaftliche Disziplin unter dem großen Dach der Geographie, das ferner auch noch die naturwissenschaftlich ausgerichtete Physische Geographie umschließt (vgl. dazu auch das von Gebhardt et al. herausgegebene Werk „Geographie. Physische Geographie und Humangeographie“, 2011b) – bietet dabei viele Chancen für innovative Rechtsbetrachtungen, die hier angerissen werden sollen. Kurz gesagt: Wenn die Humangeographie die Rechtswissenschaft kapert, entstehen fruchtbare, aber bisweilen eigenartige, zum Bersten bastardisierte Hybride. Im Folgenden soll dies näher erläutert werden: das Recht, gebrochen durch das Prisma der Humangeographie, dabei gewürzt mit einer Prise Kulturtheorie. Dieses Loblied auf die (Human-)Geographie hat vielerlei Gründe. Eine geographische Perspektive eignet sich deshalb so gut für die in dieser Studie entwickelte Fragestellung, weil zweifelsohne festgestellt werden kann: „Geographie ist wie keine andere Disziplin dazu befähigt, […] vielfach miteinander verknüpften Problemlagen […] in ihren vielfältigen Facetten und Handlungsdimensionen umfassend zu verstehen“ (Gebhardt et al. 2011c: 11). Dies liegt vor allem an ihrer Multiperspektivität, die aus ihrem immer wieder eingeforderten, unortodoxen Ganzheitlichkeitsanspruch – nicht zu verwechseln mit Ansprüchen auf
senschaftlichen Nachwuchs war die Expedition in die Peripherie fast schon eine notwendige Schlüsselqualifikation. Und gerade die Kolonien boten so manche Gelegenheit. Imperiale und koloniale Interessen spielten also sehr wohl eine wichtige Rolle, wie schon die Kolonialgeographen immer wieder feststellten“ (ebd.: 33).
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Deutungshoheit oder gar Ausschließlichkeit – bei gleichzeitig maximaler Toleranz resultiert, da so kognitive Offenheit, Flexibilität, Kreativität und Innovation aus der Ermöglichung des hierarchiefreien Nebeneinanders sowie der Vernetzung verschiedenster theoretischer wie methodologischer Analyseansätze bei der Beschäftigung mit potenziell jedem Forschungsgegenstand entstehen können (vgl. ebd.). Wie kaum eine andere Wissenschaft steht die Geographie dabei für die Analyse von Wechselwirkungen auf den verschiedensten räumlichen Maßstabsebenen, was in einer zunehmend komplexeren Welt zunehmend notwendiger wird. Eine geographische Perspektive erscheint daher ideal für das hier präsentierte Forschungsprojekt „Macht-(W)Orte“, wenn die Interdependenzen der komplexen Wirkweisen von Wirtschaft und Recht im Zeichen globaler Prozesse in den Blick genommen werden sollen. Auch in dieser Arbeit sind mehrere Maßstabsebenen vertreten. Neben einer offensichtlichen Mikroebene, wenn auf die Lebensgeschichten der einzelnen Migranten eingegangen wird, geht es vor allem um eine mit diesen wechselseitig interagierende gesamtgesellschaftliche, sich fragmentiert glokalisierende Diskurs- bzw. gar Dispositivebene. Dabei wird auf größere politische, ökonomische, rechtliche, soziale und kulturelle Prozesse innerhalb des British Empire geschaut, die vielfach miteinander sowie mit den beiden benannten Ebenen verflochten sind. Ferner hilft uns die Humangeographie bei der Aufbrechung traditioneller Oppositionen wie Mensch vs. Technologie, Natur vs. Kultur etc. (vgl. Holder & Harrison 2006a: 4 f.). Trotz ihres Interesses für nahezu alles begeht die Humangeographie gewissermaßen Fahnenflucht, wenn sie sich nun auch noch die Durchdringung rechtlicher Prozesse auf die Fahnen schreibt und für die Beschäftigung mit eben diesen Phänomenen Flagge zeigt. Recht wird zwar in vielen Wissenschaften thematisiert, aber noch relativ wenig in der Geographie. Denn Recht undGeographie bilden – zumindest im ersten Lichte – noch kaum (sichtbare) Überschneidungspunkte: Der geographische Gourmet speist am Tisch der räudig-rekonvaleszierenden Rechtsbetrachtung sozusagen à discrétion; immer gewahr der Gefahr des gehobenen Zeigefingers des (Voll-)Juristen. Mit Roberts können wir dennoch für die Geographie mit ihrer besonderen Kompetenz in multiperspektivischen Fragestellungen sowie ihrer raum- und ortstheoretischen Expertise fragen: „Why not law?“ (Roberts 2013: 7 ff.). Bei der Verhandlung dieser Frage müssen wir zunächst berücksichtigen: Neuere Arbeiten im Bereich der Rechtsgeographie „are already nascent in recent legal geography scholarship“ (Braverman et al. 2014a: 13). Einige besonders relevante
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wissenschaftshistorische sowie -geographische Entwicklungen hin zur heutigen Lage der Rechtsgeographie sollen nun erläutert werden.21 In den USA und Kanada, den Hochburgen vieler wissenschaftlicher Paradigmenwechsel der letzten Jahrzehnte, wurde die Entwicklung alternativer rechtstheoretischer Strömungen (oftmals ‚Law and ...‘, wie z.B. Law and Economics, vgl. z.B. Davies 2017) in der jüngeren Vergangenheit stark vorangetrieben. Zudem weist die Rechtswissenschaft einen viel stärkeren Bezug zu den Cultural Studies auf als in Europa; Recht wird darüber hinaus von den geistes- und sozialwissenschaftlichen Nachbardisziplinen nicht selten kulturwissenschaftlich gelesen und angegangen. Wenig verwundert es daher, dass Ansätze der Etablierung einer Rechtsgeographie in Nordamerika schon seit einigen Jahren wachsenden Zulauf erfahren (wenngleich sie nach wie vor bei weitem nicht so stark institutionalisiert ist wie die Bereiche Rechtsgeschichte oder Rechtssoziologie) 22 – obwohl erste Gedanken in diese Richtung, wie sie vor allem Blomley in seiner bahnbrechenden Monographie „Law, Space, and the Geographies of Power“ (1994) formuliert hatte,23 zunächst wenig fruchteten. Denn nicht nur war es lange Zeit „quite unusual for a geographer to look at the law“ (ebd.: vii); auch Juristen und andere Disziplinen erwehrten sich lange Zeit der Reflexion über ‚Law and Geography‘. Blomley plädierte also bereits 1994 für ein entschiedenes „pushing against the intellectual closure of Law and Geography as academic disciplines and the reified closure of law and space as analytical categories“ (ebd.: 227). Doch ungeachtet dieses Aufschreis musste Blomley auch 2006 nach wie vor konstatieren: „Law and geography does not exist“ (Blomley 2006: 17). Blomley identifiziert diesbezüglich „some longstanding intellectual blockages“ (ebd.). Er schlägt deshalb ein ergebnisoffenes „shopping for ideas“ vor (ebd.: 17 ff.). Wissenschaftshistorisch entwickelte sich die Reaktion auf die primär angloamerikanischen Ansätze im Grenzgebiet von Recht und Geographie gleichwohl
21 Zur Geschichte von Legal Geography siehe auch Braverman et al. (2014a: 15 f.). 22 Siehe zur mangelnden Institutionalisierung der Rechtsgeographie auch Braverman et al. (2014a: 2). 23 Blomley begann seine Ausführungen damals wie folgt: „This is a book about the geographies of law, a topic that has historically been both poorly documented and inadequately theorized. Not only have geographers and legal theorists shied away from an encounter, but there seem powerful barriers – institutional and theoretical – to such a meeting. This academic silence must end, if only because these barriers are continually being effaced in the everyday world. Legal geographies, I shall argue, bear directly and powerfully upon social and political life“ (Blomley 1994: vii).
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in der jüngeren Vergangenheit „From ‚What?‘ to ‚So What?‘“ (Blomley 2006), um weiter in Blomleys Worten zu schreiben. Denn in den letzten Jahren ist die frühere Verwunderung als Reaktion auf den Forschungsbereich ‚Law and Geography‘ einer bemerkenswerten Offenheit gewichen – vorrangig wegen „intellectual changes within both law and geography over the past fifteen years. For, despite their apparent indifference, scholars in both fields began to undertake internal critiques of the core principles of their respective disciplines“ (ebd.: 22). Auf diesem brüchigen Grund, aus diesen rudimentären Strukturen entsteht langsam eine neue Art Legal Geography, die auf hochgradig kreative Weise innovative Forschungsfelder absteckt und erschließt: „Although it has been a recognized tendency in human geography and socio-legal studies for nearly 20 years, the project of legal geography has expended significantly in the last five years in terms of participants, topics of investigation, and theoretical elaboration“ (Delaney 2015: 96). Blomley konstatiert: „We have begun to move beyond ‚what‘?. However, in so doing we confront a new question. […]. The question that needs to be asked is ‚so what?‘. What is gained by such an association?“ (Blomley 2006: 24). Oder anders ausgedrückt: „What does bringing ‚law‘ to legal geography bring?“ (Delaney 2015: 97 f.). Derartige Entwicklungen stecken in (Kontinental-)Europa – besonders in Deutschland – bislang noch in den Kinderschuhen.24 Geographische Momente spielten in der jüngeren rechtswissenschaftlichen Disziplingeschichte lange keine Rolle – dabei sind sie nicht gänzlich neu. Im Gegenteil: Bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts zeigten sich Überlegungen zur Rolle des Raumes im rechtswissenschaftlichen und gerade im rechtstheoretischen Diskurs sehr dominant, waren dann aber lange Zeit ‚verschüttet‘. Insbesondere im Staatsrecht bzw. in der Allgemeinen Staatslehre findet sich eine Entwicklungslinie, die mit großen Namen und bahnbrechenden Werken wie Jellineks „Allgemeine[r] Staatslehre“ (1900), Schmitts „Verfassungslehre“ (1928), seinem „Nomos der Erde“ (1950) oder Hellers 1934 unvollendet geschriebener, erst 1983 veröffentlichten „Staatslehre“ in Verbindung steht, und die möglicherweise ob der lange Zeit zumindest in Deutschland verpönten, weil politisch vorbelasteten Raumforschung (Stichwort ‚Lebensraum-Ideologie‘) im Vorlauf und während des ‚Dritten Reiches‘ – was auch zur Marginalisierung der Geographie, um 1900 noch
24 Born (2007) tituliert die Rechtsgeographie in seinem ansonsten deutschsprachigen Text bezeichnenderweise durchgängig englisch als „Legal Geography“. Gleichwohl gilt zu beachten: Im Vereinigten Königreich stellt sich die Situation für eine spezifische Rechtsgeographie, vor allem dank Bennett und Layard (z.B. 2015), nochmal anders dar als in Kontinentaleuropa.
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eine der Leit- und gar Herrschaftswissenschaften des universitären Fächerspektrums (nicht zuletzt gerade wegen ihrer prestigereichen, da geopolitisch und ökonomisch ‚wert-vollen‘, Wegbereiterrolle in kolonialen und imperialen Fragen der Raumaneignung, vgl. z.B. Gräbel 2015), beitrug – wenig Beachtung in raumwissenschaftlichen Debatten fand. Eine Brücke zu neueren raumbezogenen Ansätzen ließe sich ansonsten noch am ehesten in den geographisch induzierten Ansätzen bzw. Traditionen im Völkerrecht finden, konkret etwa in den bahnbrechenden Überlegungen von Jessup zu „Transnational Law“ (1956) sowie von Friedmann zu „The Changing Structure of International Law“ (1964). Und auch wenn heutzutage hierzulande die Rechtswissenschaft interdisziplinär kooperiert, dann vorrangig mit den Politik- und natürlich zu allererst, zumindest gern am sichtbarsten vermarktet, den Wirtschaftswissenschaften; mit Abstrichen hin und wieder auch mit Historikern und Soziologen – was mit den institutionalisierten Subdisziplinen Rechtsgeschichte und -soziologie zusammenhängen mag. Darüber hinaus wird in der deutschsprachigen Rechtsforschung höchst selten kulturtheoretisch gearbeitet; möglicherweise ob des (vermeintlich?) geringen praktischen – im Sinne von ökonomischen – Nutzens, den diese Herangehensweise abzuwerfen verspricht. Ausnahmen (z.B. Haltern 2008, Möllers 2002, Vesting 2011a, b, 2013, 2015) bestätigen die Regel, scheinen allerdings noch kaum über den Status eines Strohfeuers hinauszugehen. Gleichwohl zeigen diese Ansätze: Eine Wiederkehr des Raumes im Zuge des Spatial und des Material Turn macht nun auch vor der Rechtswissenschaft nicht mehr gänzlich Halt. Angereichert durch kritisch-dekonstruierende Theorieangebote des Cultural Turn und zugleich durch den Temporal Turn historisch informiert, möchte der Autor derartige Ansätze bündeln und in Verbindung mit neueren praxeologischen Ansätzen des Practice Turn neu denken.25
25 Zum Temporal Turn: In vielen Geistes- und Sozialwissenschaften – beispielsweise in den Wirtschaftswissenschaften (z.B. Piketty 2013) oder in der Soziologie (Boltanski & Esquerre 2017) – werden historisch informierte Ansätze in den letzten Jahren deutlich stärker. Auch in der Geographie dürften geschichtlich affine Zugänge, gerade vor dem Hintergrund der Historizität sozio-ökonomischer wie sozio-kultureller Prozesse, in Zukunft an Format gewinnen; so nimmt etwa das Interesse an den raumzeitlichen Fundierungen des Kapitalismus weiter zu, so wurden außerdem auf den letzten Tagungen der „Neuen Kulturgeographie“, der Plattform innovativer humangeographischer Forschung nach den Cultural Turns, spezielle Sessions zu historischen Herangehensweisen angeboten (z.B. 2017 in Bayreuth). Der Practice Turn wird mitunter auch als Practical Turn bezeichnet.
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So wie die Geographie von Rechtswissenschaftlern in der Regel nicht beachtet wird, liegt Recht im toten Winkel des Blickfelds der (Human-)Geographie. So erkannte beispielsweise Barkan „the blank spaces of legal analysis“ in der Humangeographie (Barkan 2011: 591 ff.); auch Delaney konstatiert: „For most of its professional existence human geography was essentially lawless. Even now, many of the discipline's major journals remain lawless for years at a time, free of concern for the legal“ (Delaney 2015: 97). In Deutschland sind speziell rechtsgeographische Betrachtungen von geographischer Seite noch nicht vorhanden – zumindest nicht in kulturtheoretischer Weise im Anschluss an den Cultural Turn und mit wirklich explizitem Rechtsschwerpunkt. Rechtsgeographische Forschung hierzulande, die sich auch so labelt, beschränkte sich bis dato vor allem auf die Darstellung und Bewertung rechtsdogmatischer Aspekte – meist gesetzlicher Vorschriften – in der Tourismusforschung, der Raumordnung bzw. -planung oder der Ressourcenpolitik (z.B. Born 2007, Graafen 1984). 26 Daneben werden in der Humangeographie auch oft (De-)Regulierungen, Governance-Formen, Politiken und Steuerungen sowie diverse Machtasymmetrien – und damit verschiedene Konzepte und Instrumente, die auch unter einen erweiterten Rechtsbegriff subsumiert werden könnten – be- und verhandelt, z.B. in der Politischen Geographie (etwa in marxistisch-kritischer Absicht anhand positivistischer, dogmatischer Rechtslagen, d.h. konkreten Gesetzen und Verordnungen als Effekte und Produktionen von Differenz, vgl. Belina 2000, 2011) oder der Wirtschaftsgeographie, die in letzter Zeit gerne „The Quiet Power of Indicators“ (Merry et al. [Hrsg.] 2015)27 kritisch aufdeckt – insofern, als derartige quantifizierte sowie zunehmend auch digitalisierte, gleichwohl materielle Entsprechungen und/oder Effekte beinhaltende Machtfelder realitätsanleitend wirken; Berndt und Boeckler sprechen etwa von „kalkulierende[n] Subjekte[n]“ (Berndt & Boeckler 2017: 359 ff.). In diesen verschmelzen jene ökonomisierenden „global standards of market civilization“ (Bowden & Seabrooke [Hrsg.] 2006), die als normative Ordnungen kapitalistische Wirtschaft anleiten. Supiot spricht auch von „La Gouvernance par
26 Zur Klarstellung: Derartige geographische Rechtserschließungen möchte der Autor gar nicht missen – und ihnen doch einen weiteren, nämlich kulturtheoretischen Ansatzpunkt zur Seite stellen, um Recht und Geographie auch von einer anderen Position aus zu betrachten. 27 Zugegeben: Die Herausgeber dieses Sammelbandes sind keine Wirtschaftsgeographen. Als Beispiel für eine jüngere wirtschaftsgeographische Arbeit in diesem Forschungsfeld siehe z.B. die Monographie „Ermessensraum. Zur kalkulativen Hervorbringung von Investitionsobjekten im Immobiliengeschäft“ (Bläser 2017).
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les Nombres“ (2015). Derartige Fragestellungen und Problemfelder werden von Geographen etwa aus der Perspektive „kulturelle[r] Geographien der Ökonomie“ (Berndt & Boeckler 2007) in den Blick genommen. Doch trotz des Booms der – im Anschluss an den Cultural Turn exorbitant erfolgreichen – Forschungsrichtung Cultural Geography bzw. kultureller Geographien in der jüngeren Vergangenheit und des im Zuge dessen oftmals proklamierten Zuständigkeitsanspruchs der Kulturgeographie für nahezu jedweden Gegenstand sind explizite kulturwissenschaftlich inspirierte Rechtserschließungen von Geographen noch nicht verbreitet:28 „Wir wenden diese Perspektive vor allem auf das Feld der Ökonomie an und dekonstruieren in kompositorischer Absicht die binäre Opposition von wissenschaftlicher Ökonomik und wirklicher Ökonomie“ (ebd.: 74). Gerade dieser Bereich ökonomischer Globalisierung im Kontext neoliberaler Restrukturierungen bzw. Deregulierungen beherbergt enorme rechtliche Implikationen, ist ohne diese de facto nicht denkbar (vgl. Barkan 2011).29
28 Zum Boom der Neuen Kulturgeographie siehe auch folgende Ausführungen von Kirsch, der eindrucksvoll konstatiert: „We are all cultural geographers now. Or at least it can appear that way – following the waves of ‚cultural turns‘ to have rippled across human geography during the past two decades – to someone tasked with reviewing recent work in cultural geography. Economic geography and finance, political geography and geopolitics, rural studies, urban geography, medical and health geography, social geography, historical geography, and recent agro-food geographies reflect the range of concerns around which the cultural, and the complex, contested work products of culture, have increasingly been taken seriously by human geographers. [...] Few among us, as we present ourselves and our work in diverse institutional contexts, can afford to be only a cultural geographer“ (Kirsch 2013: 433). Auch hier wird Recht als potenzieller Forschungsgegenstand nicht erwähnt. 29 Auch Barkan erkennt „the curious absence of law in geographic accounts of state restructuring in relation to neoliberal economic globalization. [...] law produces the pockmarked landscape of the global economy through both the extension of legal frameworks and the legally authorized suspension of legal systems“ (Barkan 2011: 589). In diesem Sinne plädiert Barkan insbesondere für Rechtsbetrachtungen von Wirtschafts- und Politischen Geographen, da er in Zeiten der Globalisierung in diesem Grenzbereich viele Überschneidungen sieht – auch da Recht allgemein „an important type of world-writing with far reaching political, economic, and social effects“ (ebd.: 602 f.). Dies mag für aktuelle Prozesse ökonomischer Globalisierung besonders deutlich vor Augen treten, gilt aber auch für historische Welt-Produktionen, wie im Rahmen dieser Arbeit gezeigt werden soll.
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Zwar wird ‚Recht‘ also oft implizit in vielerlei humangeographischen Arbeiten verhandelt (gerade in solchen, die Machtfragen thematisieren), aber selten wirklich explizit im Sinne einer Rechtsgeographie, die ihre Forschung so begreift oder gar deklariert. In den Worten von Barkan: „Law is ever-present in many of the issues at the center of geographic debates, yet rarely given sustained attention“ (ebd.: 589). Gerade (kultur-)theoretisch anspruchsvolle Analysen und Interpretationen von Recht sucht man diesbezüglich in der deutschsprachigen Geographie (noch) vergebens (vgl. die Beiträge in Berndt & Pütz [Hrsg.] 2007). Für des Autors Ziel der Konstituierung einer (Neuen) Rechtsgeographie (mit kulturtheoretischem Einschlag) muss schlichtweg festgestellt werden, dass es eine eben solche ausgewiesene Rechtsgeographie in Deutschland bzw. der deutschsprachigen Geographie (noch) nicht gibt (vgl. die Unterteilung der Humangeographie in Subdisziplinen nach Gebhardt et al. [Hrsg.] 2011b). Und trotz der etwas weiter oben angesprochenen Entwicklungen einer in den letzten Jahrzehnten insbesondere in der anglo-amerikanischen Wissenschaftslandschaft wurzelnden Rechtsgeographie: Verglichen mit anderen Subdisziplinen der Humangeographie, wie etwa der Wirtschaftsgeographie, ist dieser Forschungsbereich auch global nach wie vor deutlich unterentwickelt. Dabei ist Recht ein ebenfalls bedeutendes, machtvolles Kraftfeld der Gesellschaft, das für humangeographische Betrachtungsweisen relevant(er) erscheinen und dementsprechend von Geographen auch erschlossen werden sollte: „If we are interested in power and social life, as many geographers are, we are obliged to take law seriously. Social life is legally saturated. Our sense of self and our relations with others are unintelligible without an attention to their legalities“ (Blomley 2006: 27)
Oder anders ausgerückt: „Law touches everything. There is no aspect of social life that is beyond the reach of legal interpretation. […] It is everywhere“ (Delaney 2006: 67). Wenn Humangeographen sich nun, generell gesprochen, für Machtrelationen auf unterschiedlichen räumlichen Maßstabsebenen interessieren – und mit dieser (Selbst-)Definition steht eher das Konzept der Macht denn jenes des Raumes im Vordergrund –, dann darf, nein: muss auch Recht als wichtiger Gegenstand für humangeographische Forschungen betrachtet werden. Denn viele geographische Themen lassen sich durch die Linse ‚Recht‘ anders betrachten. Doch bevor in diesem Subkapitel auf die Vorzüge einer Rechtsforschung mit kulturtheoretischem Einschlag unter dem Namen ‚kulturelle Geographien des Rechts‘ hingewiesen wird, gilt es zunächst, die bereits erfolgten Überlegungen einer generell rechtsgeographischen Perspektive, wie sie in der Forschung bislang verhandelt wurde, auf potenzielle Anknüpfungspunkte abzuklopfen. Mögli-
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cherweise böte sich diesbezüglich der generelle Terminus ‚Law and Geography‘ an, um das gleichberechtigte Nebeneinander der beiden Disziplinen als durch und durch interdisziplinäres Projekt zu betonen (vgl. Holder & Harrison [Hrsg.] 2006b). So ließe sich idealerweise sowohl ein ‚Legal Turn‘ in der Geographie als auch ein ‚Geographical Turn‘ – der über einen reinen Spatial Turn weit hinaus geht, indem er Geographie als Perspektive auffasst – in der Rechtswissenschaft anstoßen. Da neben diesen beiden traditionellen Herkunftswissenschaften aber auch noch andere Disziplinen das Projekt Rechtsgeographie bereichern dürfen, wäre unter Umständen auch ein erweitertes Verständnis dieser Interdisziplinarität sinnvoll. Als integrativer Analyseansatz für diese Arbeit bietet sich damit die Bezeichnung ‚Legal Geography‘ an, aber nicht als einseitig im Sinne einer geographischen – also im Fach Geographie verorteten – Rechtsbetrachtung verstanden,30 sondern als von ihren Advokaten von vornherein als postdisziplinär bezeichnetes Deutungsraster (vgl. Braverman et al. 2014a: 9 ff.). Die Instanz sowie Referenz zu aktuellen Entwicklungen – zumindets aber ein sehr guter aktueller Überblick – einer disziplinär entgrenzten Rechtsgeographie stellt diesbezüglich „The Expanding Spaces of Law. A Timely Legal Geography“ (Braverman et al. [Hrsg.] 2014b) dar. Die Bezeichnung ‚kulturelle Geographien des Rechts‘ soll all diese Überlegungen berücksichtigen und insbesondere an diese zweite Herangehensweise andocken, um die Perspektive von Braverman et al. weiterzuentwickeln. Auch diese kulturelle Geographie des Rechts möchte sich in diesem Sinne als postdisziplinär verorten – „in a way that both draws on and contributes to broader social and humanities studies“ (Braverman et al. 2014a: 10). Legal Geography wird unter diesen Gesichtspunkten im Sammelband von Braverman et al., überaus generell formuliert, weil maximal offen für Drittdiszplinen neben Geographie und Rechtswissenschaft, als „a stream of scholarship that makes the interconnections between law and spatiality, and especially their reciprocal construction, into core objects of inquiry“ (ebd.: 1) vorgestellt. Damit wären wir bei einer, wenn nicht der entscheidenden Frage, wie wir das Hauptaugenmerk einer Rechtsgeographie fassen können – was unweigerlich
30 Braverman et al. (2014a: 1) erläutern, dass Rechtsgeographie keine Subdisziplin der Humangeographie und auch nicht Teil der Rechtswissenschaft sei, sondern stattdessen „a truly interdisciplinary intellectural project“ mit vielfachen Überschneidungen zu anderen interdisziplinären und subdisziplinären Forschungsbereichen wie der Historischen Geographie, Law and Society, der Rechtsethnologie bzw. -anthropologie sowie der Rechtsgeschichte.
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die ‚Frage nach der Geographie‘ sowie ‚dem Kulturellen‘ dieser kulturellen Geographien des Rechts nach sich zieht, bevor im folgenden Subkapitel auf das Rechtsverständnis, das dem hier vorgestellten Ansatz zugrunde liegt, eingegangen wird. Das verbindende – oder zumindest ein herausragendes verbindendes – Element, gewissermaßen der Begegnungsraum für beide (sowie alle weiteren an diesem Projekt interessierten) Disziplinen, eine gemeinsame Sprache, lässt sich in kulturtheoretischen Herangehensweisen finden, die prädestiniert für die inter-, trans- oder gar postdisziplinäre Arbeit sind. Gleichwohl möchte der Autor über lapidare Formulierungen und vorgestanzte Präsentationsmechanismen hinaus einen Beitrag zu kritischer und reflektierender Wissenschaft leisten. Denn ‚kulturell‘ ist diese Abhandlung schon insofern, als es um das Aufzeigen von Bedeutungen bzw. Bedeutungszuschreibungen geht (vgl. Rosen 2008). Zudem lässt sich die Perspektive „kulturelle[r] Geographien“ (vgl. etwa Berndt & Pütz [Hrsg.] 2007), d.h. einer sogenannten Neuen Kulturgeographie nach dem Cultural Turn, die weiter oben schon angesprochen wurde, auch auf Recht übertragen: Diese Arbeit möchte als ‚kulturelle Geographie des Rechts‘ erscheinen – analog zu „kulturelle[n] Geographien der Ökonomie“ (Berndt & Boeckler 2007). Zur Erläuterung kultureller Geographien lassen sich Berndt und Boeckler im Anschluss an den Cultural Turn zitieren: „Kulturell sind diese Geographien, weil sie sich vor der verunsichernden Einsicht nicht mehr schützen können, dass die Wirklichkeit nicht mehr unbeeinflusst ‚da draußen‘ auf die neutrale wissenschaftliche Beobachtung wartet, sondern grundlegend selbst geschaffen, symbolisch vermittelt und daher auch veränderbar ist“ (Berndt & Boeckler 2008: 72).
Kultur dient somit nicht als Forschungsgegenstand, sondern als -perspektive: Indem man kulturtheoretisch, d.h. in der Tradition des Cultural Turn die Gegenstände Ökonomie und Recht in den Blick nimmt, kann man schließlich „zu einer Kulturgeographie ohne Kultur“ (Boeckler 2005: 14) – oder auch einer ‚Kulturgeschichte ohne Kultur‘ – gelangen.31 Sodann gilt weiter: „Es handelt sich um Geographien, weil sie als Wirklichkeitswissenschaft des globalen Zeitalters von der Vielfalt eigenständiger Geschichten anderer Orte berichten, ohne jene in
31 Gleichwohl ließe sich natürlich auch eine kulturelle Geographie/Geschichte der Kultur schreiben, wenn etwa die „Selbstkulturalisierung der Stadt“ (Reckwitz 2009) in den Blick genommen wird, ergo mit kulturtheoretischer Brille (in diesem Fall am Gegenstand Stadt) auf das Thema Kultur geschaut wird.
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vergleichender oder verzeitlichender Reduktion als Abweichung von einer europositionierten Norm zu repräsentieren“ (ebd.).
Doch wie können wir ‚die‘ Geographie bzw. die Spezifika einer geographischen Perspektive in diesem Zusammenhang fassen? „Different geographers would respond in different ways to this question“, gibt Blomley diesbezüglich zu bedenken (2006: 24). Zu dem in dieser Arbeit vorgenommenen Geographieverständnis sollen an dieser Stelle nun noch einige Erläuterungen angeführt werden. Eine herkömmliche Auffassung von Geographie und gleichzeitig ein nach wie vor wirkmächtiges Selbstverständnis ‚traditioneller‘ Geographen besagt: „Eine zentrale Rolle spielt […] der Raum. Dieser wird als genuiner Forschungsgegenstand unserer Diszipin für die Menschen und ihre Gesellschaft auf unterschiedlichen Ebenen relevant“ (Gebhardt et al. 2011c: 11). Auch der Leser verbindet mit einer geographischen Perspektive wahrscheinlich zuallererst räumliche Fragestellungen. Das Konzept des Raumes wird also deshalb angesprochen, da raum- und ortstheoretische Erschließungen einerseits immer stark mit (human-)geographischen Ansätzen assoziiert werden (zu Recht!) und andererseits in den letzten Jahren im Anschluss and den Spatial Turn in den gesamten Geistesund Sozialwissenschaften allgemein deutlich vernehmbar im Kommen waren bzw. nach wie vor sind, so auch in der Rechtswissenschaft (z.B. „Legal Spaces. Towards a Topological Thinking of Law“, Müller-Mall 2013; vgl. auch Duwe [Hrsg.] 2014 sowie Mecarelli & Solla Sastre [Hrsg.] 2016, darin insbesondere Costa 2016). Dies hängt nicht zuletzt mit empirischen Problemstellungen in einer globalisierten Postmoderne zusammen: „How do we solve legal problems in a globalized world, with both globalized and fragmented legal orders, with multi-level legal systems, with overlapping legal regimes, and with conflicts that involve more than one legal order?“, fragt Müller-Mall (ebd.: 1 f.) diesbezüglich. Sie fasst zusammen: „Space is a concept with the capacity to capture relationality, dynamics, and hybridity“ (ebd.: 3). All diese Aussagen sind sicherlich richtig. Um auch gar nicht missverstanden zu werden: Raum bzw. Räumlichkeit ist in der Tat, und gerade vor dem soeben skizzierten Kontext der Globalisierung, ein zentrales Konzept der Geographie, aber es sollte beileibe nicht das einzige sein sowie nicht zu eng verstanden werden. Mit Delaney lässt sich spezifizieren: „Geography […] seems to stand for spatialities, places, landscapes, materiality, and the thick and sensuous domain of the visible“ (Delaney 2006: 67). Damit möchte der Autor Räumlichkeit, im Sinne der Erweiterung dieses Konzeptes, nicht immer zwingend in einem engen Verständnis begriffen wissen, sie muss auch nicht zwangsläufig explizit gemacht werden. Tendenziell holistisch angelegt (und auch mit Blick auf kulturell produ-
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zierte Gesellschafts-‚Räume‘, die oftmals auch materielle Entsprechungen aufweisen), soll eher auf allgemeine wie individuelle Verortungen und Bedeutsamkeiten menschlicher Welten (und damit auch rechtlicher Zuschreibungen) sowie deren Semantiken oder mitunter auch Materialisierungen fokussiert werden. Denn Geographie ist – zumindest dem Verständnis des Autors nach – eine Wissenschaft unserer gesamten Welt; die Humangeographie, als ein geistes-, gesellschafts- oder kulturwissenschaftlich ausgerichteter Teilbereich im Gegensatz zur naturwissenschaftlichen Physischen Geographie, kann dementsprechend als Wissenschaft vom Menschen auf der Welt begriffen werden. (Human-)Geographie ist auch, aber eben nicht ‚nur‘ explizite „Raumwissenschaft“ (vgl. Günzel [Hrsg.] 2009); ‚lediglich‘ und im Sinne eines engen, expliziten Raum- und Ortsverständnisses auf Räume und/oder Orte zu fokussieren, würde sie stark limitieren. An einer solchen unnötigen Selbstbegrenzung, die manchmal ideologisch wirken kann, stößt sich der Urheber dieser Zeilen ausdrücklich. Stattdessen plädiert er, wenn sich die (Human-)Geographie schon als Raumwissenschaft begreift bzw. definieren möchte, für ein maximal weit gefasstes Raumverständnis, sodass (Human-)Geographie allgemein als „Wissenschaft der ‚ganzen‘ Welt“ (Gebhardt et al. 2011d: 19) und des Menschen bzw. von menschlichen Welten angesehen werden könnte. Dies hätte den Vorteil, auch andere Perspektiven als inhaltliche bzw. theoretisch-konzeptionelle ‚Raum-Schwerpunkte‘ stark zu machen, (Human-)Geographie als ‚Weltwissenschaft‘ damit noch offener zu machen, wenn sie sich mit allem, was menschliche Bedeutung entfaltet – und dies kann tatsächlich alles sein –, befassen darf. Raum sollte in einem umfassenderen, weniger expliziten Verständnis vorgestellt werden: Es geht um die ganze Welt, die sicherlich auch räumlich begriffen werden kann – aber nicht zwangsläufig auf diese Art und Weise, immer bzw. meist explizit auf Räume und/oder Orte abzielend, begriffen werden muss. Die (Human-)Geographie befasst sich mit ‚Welt‘ im weitesten Sinn und bietet damit eine weitere Perspektive als andere Fächer. Mit diesem breiten Verständnis von ‚space‘ bzw. Räumlichkeit lassen sich auch jenseits disziplinärer Verortungen hervorragende Bezugspunkte für andere wissenschaftlich-disziplinäre Hintergründe finden. Es geht also, nun mit Bezug zu Recht, um mehr, als nur zu fragen: „Where is law?“ (Blomley et al. 2001). Oder anders ausgedrückt: „Law appears to be spatial in all sorts of consequential and complicated ways. However, this only begins to scratch the surface“ (Blomley 2006: 27). Widersprechen möchte der Autor damit insofern der von den rechtsgeographischen Autoren geäußerten Selbstbeschreibung, dass „space is foregrounded and serves as an organizing principle“ (Braverman et al. 2014a: 1 f.), insofern Legal Geography – bzw. in der hier vorgestellten Erweiterung unter Zuhilfenahme kulturtheoretischer Impulse Cultural
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Legal Geography – als „postdisciplinary scholarship“ (ebd.: 9 ff.) im Sinne einer spezifischen multiperspektivischen Perspektive, weniger einer (inter-)disziplinär zu verortenden Forschungstradition mit womöglich gar dominant ‚raumversessenener‘ (vgl. diesbezüglich Geppert et al. 2005: 16) Ausrichtung zu verstehen ist. Es geht dabei demnach weniger ‚nur‘ um – ein gleichwohl auch erlaubtes – explizites „spatializing law“ (Blomley 2006: 24 ff.) oder „legalizing space“ (ebd.: 27 f.), auch wenn wir sicherlich gerade im Zeitalter der Globalisierung, wie soeben schon angerissen, feststellen müssen, dass Recht eben auch vielerlei räumliche Aspekte aufweist, wenn wir etwa an verortbares materielles oder immaterielles Eigentum, staatliche Territorien adressierende Verfassungen, an die Orte rechlicher Wissens(re)produktion und -inszenierung (z.B. juristische Fakultäten, Gerichte etc.), an Debatten um das Bleibe- oder Asylrecht für Flüchtlinge oder ‚rechtsfreie Räume‘ denken (vgl. ebd.: 27). Wichtiger erscheint aber folgender Punkt: „Legal geographers contend that in the world of lived social relations and experience, aspects of the social that are analytically identified as either legal or spatial are conjoined and co-constituted. […]. In other words, law is always ‚worlded‘ in some way. Likewise, social spaces, lived places, and landscapes are projected onto every segment of the physical world. These meanings are open to interpretation and may become caught up in a range of legal practices. Such fragments of a socially segmented world – the where of law – are not simply the inert sites of law but are inextricably implicated in how law happens“ (Braverman et al. 2014a: 1).
Es geht also um mehr als die Frage nach dem Zusammenspiel von Recht und Raum, indem wir auf ein ‚erweitertes‘ (Human-)Geographieverständnis Bezug nehmen, das Fragen im Spannungsfeld von Identität, Macht und auch – aber bei weitem nicht immer vordergründig oder in dominanter Rolle – Raum adressiert.32 Wenn letztgenannter dabei zwar nicht nur, aber auch berücksichtigt wird, dann idealerweise – wie erwähnt – in einem breiten Verständnis von Räumlichkeit im Sinne von „how the diversities of space – organized into networks, landscapes, places, scales, flows, alterities, relations, and topologies – affect the reach and effects of law“ (ebd.: 13). Dabei wird das ‚Wie‘ und nicht das ‚Wo‘ in das Zentrum der wissenschaftlichen Analyse gerückt Der Autor möchte mit die-
32 Die Reziprozität von Gesellschaft, Macht und Raum wird innerhalb der Humangeographie gerne von der Politischen Geographie ‚okkupiert‘ (vgl. Reuber 2012: 11 ff.).
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sem Verständnis einer potenziell (auch) postspatialen Rechtsgeographie zwar gleichwohl nicht allzu ketzerisch und fundamentalkritisch in Bezug auf das Infragestellen des raumfokussierten Selbstverständnisses der Humangeographie erscheinen, aber eben auch die anderen beiden Dimensionen bzw. Kernkonzepte humangeographischen Arbeitens, Identität und Macht, mindestens gleichberechtigt in den Fokus rücken. Unsere gesellschaftliche Welt, mit der sich die Humangeographie befasst, ist nämlich unumstößlich mit Machtstrukturen verwoben, die oftmals rechtlicher Ausstaffierung sind und bestimmte Prozesse, Bedeutungen und/oder Praktiken ermöglichen, modifizieren, aufführen oder ausschließen können (vgl. Blomley 2006: 22). Tatsächlich gilt: „It is conventional for critical legal geographers to underscore the presence of power in law’s spaces. But legal geography scholars still need to think carefully about the particularities of power […] recognizing its variability“ (Braverman et al. 2014a: 13). Kulturelle Geographien des Rechts, wie sie hier konzipiert werden, sollten vor diesem Hintergrund mehr sein als ‚nur‘ Raumwissenschaft. Sie sollten insofern deutlich über „Landscape, Identity and Regulation“ (Taylor [Hrsg.] 2006) hinausgehen, als sie räumliche Kategorien nicht zum alleinigen Gegenstand oder Analysekriterium erheben müssen, sondern sich stattdessen viel breiter und damit anschlussfähiger aufstellen können. Räumliche Dimensionen und Konzepte sind zwar oft wichtig, aber nicht allzeit konstitutiv. Damit lassen sich kulturelle Geographien des Rechts als multiperspektivisches, ergebnisoffenes und möglicherweise, wie beschrieben, postdisziplinär entgrenztes Projekt begreifen. Diese drei Charakteristika sollen hier kurz erläutert werden. Zunächst lässt sich die Multiperspektivität als vielleicht wichtigstes Merkmal der (Human-)Geographie ansehen: in Bezug auf Gegenstände (Wirtschaft, Migration, Politik, Gesellschaft etc. – und Recht!), Methodologien, Theorien und viele andere Teilbereichen, die Wissenschaft definieren. Geographie ist immer auch eine Vermittlerwissenschaft, sie glänzt – nicht nur, aber eben auch und oft vor allem – durch Überblickswissen. Dazu ist, mehr noch als in anderen Wissenschaften, ein breites Wissen nötig sowie die Fähigkeit, zu vermitteln und auszuwählen, d.h. Wichtiges von, immer subjektiv empfunden, weniger Wichtigem zu unterscheiden. Kulturelle Geographien sind dabei bewusst offen konzipiert und am Dialog mit alternativen Arbeitsweisen per se sehr interessiert: „Kulturelle Geographien lassen eine zentrale Frage in demokratischer Weise und in kriti-
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scher Absicht […] ergebnisoffen zu: ‚In welcher Welt wollen wir leben?‘“ (Berndt & Boeckler 2008: 71).33 Kulturelle Geographien des Rechts sind damit ein Plädoyer für Toleranz, Offenheit und Vernetzungsbereitschaft, stellen mehr eine breite Perspektive denn ein konkretes Analyseraster zur Verfügung. Sie betonen insbesondere die Rolle von Heterogenität und Differenz (innerhalb sowie in den unterschiedlichsten Betrachtungsweisen) eines jeden Gegenstandes: „Kulturelle Geographien der Vielfalt“ analysieren in einer „Logik der Diversität“ (Scherle 2016). Einmal in der Lage, diese Perspektive zu erkennen und anzuerkennen, verlangt der Autor vom Leser gar nicht, diese auch zu übernehmen. Es solle nur eine zusätzliche Option im Feld der Zugangs(un)möglichkeiten aufgezeigt werden: „In […] opening up a space for intellectual enquiry, a law and geography does something very important. We are just beginning to recognize the potential insights. The question increasingly is not only ‚so what?‘, but also ‚now what?‘“ (Blomley 2006: 33).
Beispielhaft lässt sich sodann die Notwendigkeit postdisziplinären Arbeitens an der Beschäftigung mit Materialität und deren Rolle bei der Konstituierung von Bedeutung vergegenwärtigen (vgl. Delaney 2006: 82 f.). Auch der Ansatz dieser hier vorliegenden Arbeit „identifies impediments to advancing the legal geography project, such as the tacit alignment of the legal with discursivity and of spatiality with materiality“ (Braverman et al. 2014a: 11) in diesem Sinn. Gerade diese breite Ausrichtung rechtsgeographischer Forschungen zeugt von der Notwendigkeit postdisziplinären und multiperspektivischen Problemlösens. Neben den im vorigen Subkapitel schon angesprochenen Impulsen aktueller kulturtheoretischer Forschung und den Überschneidungspunkten mit rechtssoziologischen Fragestellungen sollen nun noch weitere (Sub-)Disziplinen und Wissenschaftsfelder adressiert werden, die für die (Weiter-)Entwicklung kultureller Geographien des Rechts hilfreich sein sowie ihrerseits selbst von diesem Ansatz befruchtet werden könnten. Dabei sollten der Fantasie hinsichtlich weiterer Vernetzungen bzw. Verknüpfungen mit anderen Forschungsbereichen, anderen Gegenständen und Theorien keine Grenzen gesetzt sein. Braverman et al. (ebd.: 15) nennen die verschiedensten humanwissenschaftlichen und posthumanwissenschaftlichen Felder, die Physische Geographie, die Wirtschaftswis-
33 Dennoch – oder gerade deswegen – sind sie auch kritisch; nicht zuletzt, „weil sie die Bereitschaft mitbringen, sich immer wieder selbst neu zu erfinden“ (Berndt & Boeckler 2008: 71).
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senschaften, Psychologie und Psychoanalyse, Material Culture, Visual Culture o.Ä. als potenzielle Gesprächspartner der Rechtsgeographie. Insbesondere der Bereich kulturtheoretisch – bzw. allgemein(er): geisteswissenschaftlich – begriffener Psychologie und diskurs- oder dispositivtheoretischer Psychoanalyse könnte großes Potenzial für innovative Arbeiten bieten. So könnte auch dieser hier vorgestellte Ansatz als erster Anknüpfungspunkt für eine kulturelle Psychologie des Rechts gelesen werden, wenn auf oftmals unbewusste Prozesse der Entscheidungsfindung, (An-)Erkennung und Bewertung dieser normativen Ordnung tiefenpsychologisch abgezielt wird. Kulturelle Psychologien oder kulturelle Geographien der Psychologie könnten in diesem Sinne zu einem Cultural, oder genauer: zu einem Performative Turn in der Psychologie beitragen. So lässt sich mit diesen Zeilen also insbesondere die geisteswissenschaftliche Psychologie in Hinblick auf potenzielle zukünftige Wirtschafts- und Rechtserschließungen adressieren. Doch es finden sich noch vielerlei weitere Anknüpfungspunkte. Gerade im immer bedeutsamer werdenden Spannungsfeld von „Economic Globalization and the Law in the Twenty-first Century“ (Snyder 2004) sind alternative Ansätze vonnöten. Ashiagbor et al. versuchen diesbezüglich im von ihnen herausgegebenen Sammelband „Towards an Economic Sociology of Law“ (Ashiagbor et al. [Hrsg.] 2013b) „sociologically inspired approaches (analytical, empirical, and normative) to investigate relationships between legal and economic phenomena“ (Ashiagbor et al. 2013a: 1) zu identifizieren. Damit kann beispielsweise auf „Law, Social Policy, and the Constitution of Markets and Profit Making“ (Veitch 2013) oder auf „The Legal Construction of Economic Rationalities“ (Lang 2013) eingegangen werden. In letzterem Beitrag plädiert Lang „for rethinking the role of law within economic life“ (ebd.: 155). Wenn wir in diesem Sinne „the ‚rationality‘ of economic actors as a situated social construction“ (ebd.) begreifen, eröffnet sich „one potential avenue for answering recent calls for further research into the constitutive role of law in economic life“ (ebd.).34 Analog dazu ließe sich auch eine ‚Economic Geography of Law’ bzw. ökonomische Geographie des Rechts schreiben (oder auch eine rechtliche Geographie der Ökonomie?), wenn sich die Geographie verstärkt in den Grenzbereich von Recht und Wirtschaft bzw. Law and Economics trauen würde. Damit meint der Autor vor allem, dass sich die Geographie stärker in Richtung Recht orientieren darf, aber dann eben auch mit Blick auf Wirtschaft, weil bisherige Rechtsgeographen wirtschaftliche Fragen oft ausklammern. Diesen Ansatz versuchen
34 Siehe dazu weiter Lang (2013: 170), der nicht zuletzt zentrale aktuelle Fragen einer Economic Sociology of Law zusammenfasst.
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kulturelle Geographien im Rahmen der Arbeit „Macht-(W)Orte“ bereits integrativ zu greifen. Die Originalität des hier präsentierten rechtsgeographischen Ansatzes liegt dabei zum ersten in der konsequenten Rekurrierung auf kulturwissenschaftliche Choreographien, zum zweiten – im Sinne einer ‚More-Than-Representational Legal Geography‘ (vgl. analog „More-Than-Representational Political Geographies“, Müller 2015) – im Miteinbezug von Materialisierungen, Infrastrukturen und Technologie (vgl. z.B. „Medien des Rechts“, Vesting 2011a, b, 2013, 2015) und zum dritten in der Berücksichtigung des Faktors ‚Ökonomie‘. Eine derartige Arbeit grenzt sich dann, obwohl sie sich auch mit dem Recht und Ökonomie beschäftigt, klar von neoklassischen Arbeiten im Bereich Law and Economics ab, bietet einen neuen Ansatz zum Erschließen des Wechselspiels von Recht und Wirtschaft durch das Zusammendenken kultureller Geographien des Rechts und der Ökonomie an. Damit geht überdies der Wille einher, sich um die Darstellung einer Alternative zu (neo-)klassischen rechts- und ökonomiebezogenen Forschungen im Bereich ‚Law and Economics‘ zu bewerben. Genauer gesagt: Es lässt sch eine morphologische Verkleinerung sowie gleichzeitig semantische bzw. inhaltlich-konzeptionelle Erweiterung der Forschungsrichtung ‚Law and Economics‘ zu ‚Law and Economy‘ anpeilen, wenn Recht und Wirtschaft in heterodoxer, multiperspektivischer Offenheit statt in primär neoklassischer Mainstream-Denkrichtung einer ökonomistischen Analyse des dogmatischen Rechts gedacht werden. So lässt sich schließlich eine weitere Möglichkeit des (Be-) Greifens wie auch der Analyse von Identitäten und daran gekoppelten Entscheidungsfindungen auf der Basis ökonomischer und/oder rechtlicher (Be-)Deutungen präsentieren, wenn es um die Frage geht, wonach Menschen bewerten und entscheiden im Sinne von ‚Cultural Law and Economics‘. Dabei zeigt sich die Verwobenheit von Recht und Wirtschaft mit dem hier in dieser Studie behandelten Ansatz besonders gut, denn „markets are yet another example of alternating legal places“ (Benda-Beckmann & Benda-Beckmann 2014: 39). Somit entstünde durch eine kulturtheoretische, raum-zeitlich interessierte Grundlagenforschung des Rechts und der Ökonomie, eine ‚More-Than-Legal Geography‘. Auch Einflüsse aus dem Bereich der Ethnologie bzw. der Kulturanthropologie können uns im Bereich einer zu entwickelnden Cultural Legal Geography bzw. kultureller Geographien des Rechts weiterhelfen (vgl. Braverman et al. 2014a: 10). Ethnologen bzw. Kulturanthropologen beschäftigen sich seit geraumer Zeit mit Recht. So schreiben Comaroff und Comaroff (2009: 56) mit Blick auf gesellschaftliche Veränderungsprozesse der letzten zwei Dekaden gar von einem „Legal Turn“. Hervorzuheben sind diesbezüglich z.B. „The Making of Law. An Ethnography of the Conseil d’État“ (Latour 2010) oder die Arbeiten der
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Eheleute von Benda-Beckmann wie beispielsweise die Sammelbände „Mobile People, Mobile Law. Expanding Legal Relations in a Contracting World“ (Benda-Beckmann et al. [Hrsg.] 2005), „Spatializing Law. An Antropological Geography of Law in Society“ (Benda-Beckmann et al. [Hrsg.] 2009) und „The Power of Law in a Transnational World. Anthropological Enquiries“ (BendaBeckmann et al. [Hrsg.] 2012b), oder auch Monographien wie etwa jene über die „Gesellschaftliche Wirkung von Recht. Rechtsethnologische Perspektiven“ (Benda-Beckmann & Benda Beckmann 2007). Diese Ausführungen können darüber hinaus möglicherweise auch als kulturelle Geschichte – im Anschluss an die Cultural Turns der letzten zwei Jahrzehnte gedacht, alternativ auch als ‚Neue Kulturgeschichte des Rechts‘ zu bezeichnen (vgl. Hedinger & Siemens [Hrsg.] 2012) – des Rechts gelesen werden, da sie mehrdimensional auf ein historisches Beispiel fokussieren. Denn „the business of history is complexity“ (Lesaffer 2011: 147); Geschichtswissenschaft und – vielleicht noch mehr die weniger konservative – Geographie stehen für die multiperspektivische Analyse von Komplexität. Wenn „space and time are important aspects of any empirical research on social theory“ (Benda-Beckmann & BendaBeckmann 2014: 31), dann muss nämlich auch die Kategorie der Zeit, gerade mit Blick auf die Situativität von menschlichen Beziehungen, mit bedacht werden (vgl. ebd.: 46). So gilt auch für temporäre rechtliche Ordnungen wie etwa die Sklaverei: „Once formally abolished, legal spaces do not necessarily disappear but may be maintained in practice or memory“ (ebd.: 41). Derartige mentaldiskursive Traditionen finden nicht selten physisch-materielle Entsprechungen (vgl. ebd.: 40). Kulturelle Geographien des Rechts möchten also auch offen für geschichtswissenschaftliche Impulse wie auch generell für Anregungen zeitlich orientierter Wissenschaften sein: ‚Historische Kulturgeographien des Rechts‘ wären dann eine historisch arbeitende Unterart kultureller Geographien des Rechts, wie ich sie etwa auch im Rahmen dieser Arbeit vorstelle. Daher sollen an dieser Stelle insbesondere potenzielle Anknüpfungspunkte zu Historikern sowie Rechtshistorikern formuliert werden. Lesaffer, beispielsweise, unterscheidet in „Law and History. Law between Past and Present“ (2011) mit Bezug zu Craven (2007) drei verschiedene Arten der Forschung im Bereich ‚Geschichte und Recht‘: „history of law“, „law in history“ und „history in law“. Lesaffer empfiehlt diesbezüglich: „When engaging with the past, the student of law should always take the ‚law in history‘ as his point of departure“ (Lesaffer 2011: 146 f.). Auch der Autor der Studie „Macht-(W)Orte“ würde sich insofern dieser Perspektive verschreiben, als diese einen größeren Kontext betrachtet und eine größtmögliche (Selbst-) Reflexion beinhaltet: „This refers to the study of law within its broad social,
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economic, cultural and political context. The object of study is the mutual interaction between law and society at a certain time and place in history“ (ebd.: 136).35 Denn „true ‚history of law‘ is impossible without engaging into ‚law in history‘ first and evade the snare of a ‚history in law‘ conception of the past“ (ebd.: 142). Dieser Gedanke lässt sich somit analog zu ‚Wirtschaft in der Geschichte‘ einordnen (wobei ‚Wirtschaft‘ als ökonomisiertes, zugleich aber auch kraftvolles ökonomisierendes Dispositiv zu verstehen ist, wie schon im Unterkapitel 3c erläutert). Unsere Perspektive, welche die eigene subjektive Sichtweise der Forschenden sowie der betrachteten Subjekte – und damit letzlich den Konstruktcharakter von Geschichte sowie generell (historischer) Realitäten – betont, ist gleichwohl nicht neu: „20th-century historiography has been marked by growing doubt about the possibilities of objective history“ (ebd.: 144). Valverde (2014: 53) geht sogar noch einen Schritt weiter und verweist auf die Notwendigkeit, die Beschäftigung mit dem Konzept Zeit nicht nur auf die Disziplin Geschichte zu begrenzen. Diese Arbeit ließe sich so als reflexive, wahrhaft ‚historische‘ Geographie des Rechts lesen, mit der ‚Geschichte geschrieben‘ wird. Denn gerade die Historische Geographie ist mehr als ‚nur‘ Raumwissenschaft, so denn auch schon für die Geographie per se gilt: „Geographie ist eine der wenigen Wissenschaften, welche aktuelle Ereignisse mit langfristigen Entwicklungen verknüpft […]. Geographie hat auch auf der ‚Zeitschiene‘ einen ‚langen Atem‘, Prozesse von geographischer Relevanz reichen von kurzfristigen Ereignissen – bis hin zu den langsamen Entwicklungen, beispielsweise ökonomischen Entwicklungszyklen der Menschheit“ (Gebhardt et al. 2011c: 11).
Vor diesem Hintergrund sollte auch die hier vorliegende Arbeit gelesen werden, d.h. als Hinweis auf die langfristige Entwicklung eines rechtlichen, aber – damit oftmals verbunden – auch ökonomischen Diskurses, der über lange ‚ZeitRäume’ hinweg große Relevanz entfaltet. Zusammenfassend lässt sich sagen: Wenn sich Recht über Macht („The Power of Law“, Benda-Beckmann et al. [Hrsg.] 2012b) und wenn sich (Human-) Geographie über Machtrelationen auf unterschiedlichen räumlichen Maßstabsebenen definieren lässt (zum Konzept der „scale“ vgl. aus geographischer Sicht auch Jonas 2015), dann kann man unter dem Dach kultureller Geographien des Rechts die Macht des Rechts auf unterschiedlichen räumlichen Maßstabsebenen
35 Lesaffer spezifiziert: „History is context. Every study of a historical fact or phenomenon should be contextual“ (Lesaffer 2011: 149).
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greifen. Auch ‚mapping law‘ (vgl. z.B. Braverman et al. 2014a: 16) fällt zwar unter eine Rechtsgeographie; kulturelle Geographien des Rechts gehen aber insofern weit über derart oft deskriptive Ansätze hinaus, als sie kritisch reflektierend die Weltbilder, die ihnen zugrunde liegen, dekonstruieren, indem sie interund bisweilen gar postdisziplinär fragen, wie, wodurch und möglicherweise wozu derartige Weltbilder (re-)produziert und realisiert werden. Somit ist die Dimension des Raumes, eng gedacht, nicht unbedingt in den Vordergrund zu stellen; vielmehr geht es um multiperspektivisches, anderen Disziplinen gegenüber offenes, kritisch reflektierendes Problemlösen mit Blick auf ein maximal weites Verständnis von Räumlichkeit, dass die gesamte menschliche Welt (‚HumanGeographie‘) und die ihr inhärenten Machtasymmetrien demaskierend als Feld ihrer theoretischen und/oder empirischen Betrachtungen nutzen darf. Eine derartige Betrachtungsweise möchte Synergien schaffen und reklamiert dafür Narrenfreiheit mit Blick auf die Gegenstände und Perspektiven, mit denen sich Wissenschaftler beschäftigen (dürfen). Übergeordnetes Ziel ist, Welt-Wissen zu studieren; die Humangeographie als maximal offene Wissenschaft ist in diesem Kontext tolerant genug, (selbst-)ständig neue Ideen – nicht nur von eng verwandten Nachbardisziplinen – willkommen zu heißen. Trotz der Präferenz des hier Schreibenden für kulturwissenschaftliche Abhandlungen im Rahmen kultureller Geographien plädiert der Verfasser dieser Zeilen in diesem Tenor grundsätzlich für ein ‚anything goes‘ in der Rechtsgeographie. Dabei kann die Linse Recht je nach Bedarf unterschiedlich eingestellt werden (z.B. – aber nicht zwingend – kulturtheoretisch etc.), gleichzeitig mit Blick auf Ökonomisierung, auf verschiedenen Maßstabsebenen und mit Blick auf die verschiedensten empirischen Fallbeispiele – auch in primär (meta-) theoretischen Arbeiten. Hieran anschließend soll dem Leser nun das konkrete Verständnis des Verfassers von Recht dargelegt werden. Eine derartige, definierende Erläuterung ist für den Nachvollzug von kulturellen Geographien des Rechts unausweichlich. (6) Recht als performatives Dispositiv Wie im Unterkapitel 3c schon ansatzweise angerissen, soll – analog zur in dieser Arbeit vertretenen Auffassung von Ökonomie – von einem maximal weit gefassten Rechtsbegriff ausgegangen werden, der nicht nur positives bzw. dogmatisches Recht, sondern alles, was rechtliche Bedeutung zugeschrieben bekommt oder entfaltet, als Teil von Recht als Dispositiv auffasst (vgl. Foucault 1978), wenn rechtliche Diskurse zu mitunter auch materialisierten und praktisch ausgeführten Bedeutungszuschreibungen führen und zugleich von letztgenannten auch
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Impulse verliehen bekommen bzw. geprägt werden.36 Recht lässt sich somit nicht nur in unmittelbar dogmatischer Form juristischer Verordnungen und vielerlei Normen, sondern als jedwede Aufführungen und damit Ausführungen eines hegemonialen Diskurses in Form einer facettenreichen – und selbst facettenreich wirkenden – normativen Ordnung (be-)greifen. Denn „we have all learnt the lessons of the interpretative turn, and postmodernism: law is contested in conception and its application“ (Clark 2001: x). In der bewussten und auch in der unbewussten Anwendung, aber auch schon in der bloßen Imagination, dem Denken von Recht, wird dieses realisiert. Diese Auffassung von Recht soll in diesem Subkapitel begründet dargelegt werden. Zunächst einmal kann Recht als wirklichkeitsherstellend begriffen werden: „Law is constitutive of the self-understanding of individuals and communities“ (Kahn 2001: 141). Oder in den Worten von Coombe: „Law is constitutive of social realities, generating positivities as well as prohibitions, legitimations, and oppositions to the subjects and objects it recognizes“ (Coombe 1998: 479). Dabei wird deutlich, „dass Recht eine Sache von Identität […] ist“ (Haltern 2008: 194) – was uns zu dem Ergebnis leitet, dass Recht auch und besonders von Geistes- bzw. Kulturwissenschaften, die sich mit Identität befassen, bearbeitet werden darf und sollte. Recht ist nicht a priori gegeben, wird erst durch Akzeptanz bzw. (An-) Erkennung (re-)produziert. Müller-Mall, beispielsweise, verweist in diesem Sinne auf „law’s normativity setting out from the assumption that it is best explained by the notion of performativity“ (Müller-Mall 2013: 3). Diese Studie begreift in diesem Sinne „law as a normative order“ (ebd.: 30), wobei die Normativität aus bzw. durch dessen Performativität entsteht (ebd.: 30 ff.), was gleich noch näher erläutern werden soll. So nähern wir uns den ‚(l)awful‘ geographies of migration, die als empirischer Gegenstand dieser Arbeit dienen, von einem kulturtheoretischen Stand- bzw. Blickpunkt aus. Rechtsverständnisse bzw. die Bedeutungen des Rechts an sich sind dabei immer an Imaginationen sowie die Macht einer übergeordneten Autorität geknüpft:37 „There is a pronounced suspension of belief in ‚The Law‘ as such and in its self-authorizing claims of unity and coherence“ (Delaney 2015: 97). Oder anders ausgedrückt: „Law embodies forms of communication, commemoration,
36 Zum Konzept des Dispositivs siehe insbesondere auch das Unterkapitel 3c dieser Arbeit. 37 Zum Konzept der Autorität im Bereich der Rechtstheorie siehe insbesondere den Sammelband „Authority in Transnational Legal Theory. Theorising Across Disciplines“, herausgegeben von Cotterrell und Del Mar (2016).
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and advocacy with a singular institutional authority: its meanings are backed by the power of the state“ (Sherwin 2004: 95). Sherwin führt weiter aus: „Law adds the force of the state to cultural norms. But how are those norms constructed, commemorated, transmitted, and imposed?“ (ebd.: 109). Diesbezüglich muss zunächst eingeräumt werden: Recht als normative Ordnung entfaltet seine Macht gleichwohl nicht nur durch die mit ihm verbundenen staatlichen Kräfte, sondern beispielsweise oft auch durch finanzielle Macht, die seinen Repräsentanten und Inszenierungen (menschlich, baulich-materiell, diskursiv etc.) innewohnt. Juristische Berufe werden im öffentlichen Diskurs nicht selten als finanziell attraktiv angesehen, was nicht nur auf die unmittelbar im Rechtswesen bzw. der Rechtsberatung Arbeitenden zugeschrieben wird, sondern auch durch architekturale Infrastrukturen (etwa in Form von Kanzleien, Gerichten, juristischen Fakultäten etc.) alltäglich vermittelt wird. Diese ökonomische ‚Wert-Schätzung‘ hat Einfluss auf die Anerkennung, Autorität und Akzeptanz von Recht. Festzuhalten bleibt indes, und diesbezüglich können wir Sherwin zustimmen, dass Recht und dieses sowohl Ermöglichende als auch Begrenzende (menschliche und nicht-menschliche Akteure) von – unterschiedlich vermittelten bzw. realisierten – Normen, die ihrerseits beispielsweise nicht selten in bedeutungsschwanger materialisierten Medien, in Büchern, Zeitungen, in Fernsehen und Internet ausgedrückt und realisiert werden, hergestellt wird (ebd.: 95). Wie Haltern mit Bezug zu Kahns Klassiker „The Cultural Study of Law: Reconstructing Legal Scholarship“ (1999) feststellt, ist das Recht ein machtvolles „Glaubenssystem“, das Vorstellungen strukturiert (Kahn 1999; zit. nach Haltern 2008: 207). Dieses Glaubenssystem manifestiert und reproduziert sich aber – wie erwähnt – nicht nur diskursiv, sondern ebenfalls durch bedeutungsvolle materielle und praktische „Auf- und Ausführungen“ (Boeckler & Berndt 2011: 914), in denen sich Rechtsdiskurse durch menschliche Zuschreibungen realisieren. Derartiges ‚Making of Law‘, die Herstellung rechtlicher Wirklichkeit durch menschliche Bedeutungszuschreibungen in unterschiedlichsten Kontexten, steht unterschiedlichen traditionellen bzw. traditionalistischen Betrachtungen von Recht als provokante Alternative gegenüber. Traditionell wird Recht oft als von einem Staat bzw. seinen ihn repräsentierenden Akteuren produziert betrachtet, was Frydman mit folgender Formel auf den Punkt bringt: „law = legal order = state“ (Frydman 2014: 185). Dieses Verständnis von Recht, seinen steigenden Komplexitäten und diversifizierten Machtrelationen ist allerdings insofern ungenügend, als die multiplen Realitäten unserer globalisierten Postmoderne eine andere – oder besser: eine zusätzliche – Sprache sprechen. In den Worten Frydmans: „We are compelled, and this is not the first time in our history, to rethink law at the scale of the whole world“ (ebd.: 181). Es geht dabei nämlich um „Un-
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derstanding Law from a Global Perspective“ (Twining 2009), wenn sich mit Günther und Kadelbach [Hrsg.] (2011) etwa von „Recht ohne Staat? Zur Normativität nicht-staatlicher Rechtsetzung“ im globalen Zeitalter zunehmender Fragmentierung und Diversifizierung des Rechts sprechen lässt. Zugegeben, auch nationale Regierungen agieren als Akteure der Herstellung von ‚Recht‘ und können daher machtvoll Identitäten und Mentalitäten der Menschen beeinflussen. Aber der Staat bzw. die Regierung ist eben nicht der bzw. die einzige (Re-)Produzent(in) von Recht. Auch die Bevölkerung, nur ein weiteres Beispiel, (re-)produziert Recht (vgl. Habermas 2008: 453 f.). In Verbindung mit Frydmans „pragmatic approach to global law“ (2014) empfiehlt sich in diesem Sinne, „to study the consequences of globalization on law, not grounded in an existing theory, but rather starting empirically from case studies and field observation“ (ebd.: 183). Dies könnte uns insbesondere in interdisziplinären Forschungssettings helfen, da viele Disziplinen sich (primär) als empirische Wissenschaften definieren, so auch in weiten Teilen die (Human-) Geographie oder die Geschichtswissenschaft, wenngleich auch primär (meta-) theoretische Arbeiten möglich scheinen (z.B. Schwegmann 2016). ‚Empirie‘, ‚Feld‘ und ‚Fälle‘ dürfen wir diesbezüglich jedoch als in einem weiten Verständnis begriffen auslegen; es soll somit jegliche rechtliche Bedeutungszuschreibung- und/oder -wirkung analysiert werden dürfen. Ziel eines genuin multiperspektivischen Arbeitens wäre dann ein Problemlösen in größtmöglicher theoretisch-konzeptioneller sowie methodischer Perspektivenvielfalt und mit Blick auf das empirische Zusammenspiel der verschiedensten Akteure („media reactions, strategies of actors, technical constraints, economic consequences, etc.“, Frydman 2014: 183). Wenn wir diesen ‚Global Law‘-Ansatz weiterdenken,38 stoßen wir auf Recht in diversifizierter Form, mit Frydman auf sogenannte
38 Siehe diesbezüglich auch die Masterarbeit des hier Schreibenden (Schwegmann 2015: 28). Im Kontext der Global Law-Debatte sind u.a. auch die historisch informierte Einschätzung der Staatenwelt des Politikwissenschaftlers Menzel (2015) sowie die Monographie „A World of Struggle. How Power, Law and Expertise Shape Global Political Economy“ des Völkerrechtlers Kennedy (2016) über die Rolle von Expertenwissen im Kontext globaler normativer Ordnungen zu nennen; zudem befasste sich der Soziologe Breuer in historischer Betrachtung mit der Frage, wie sich staatliche Herrschaft entwickelt (2014).
152 | M ACHT -(W)ORTE „‚UNOs‘ – which stands for Unidentified Normative Objects – whose legal character is uncertain or challenged, but which produce or aim to produce regulation effects“ (ebd.: 183 f.).
Recht – in der hier verwendeten weit gefassten Definition als all jenes/jeder/jede verstanden, dem/der eine rechtliche Bedeutung bzw. eine rechtliche Semantik zugeschrieben wird – wird durch mehrschichtige Dispositive in einem Prozess realisiert, der auch all jene, die sich mit Recht beschäftigen, über Recht nachdenken und es mental oder praktisch (re-)produzieren, also auch Rechtswissenschaftler als machtvolle ‚Bedeutungs-‘ und damit ‚Realitätsmacher‘ mit einschließt. Als „authority of law“ (Wellman 1999) können wir all jene wirkmächtigen Diskurse, Praktiken, Akteure und sozio-technisch-materiellen Infrastrukturen greifen, die „a set of issues regarding the justification of government and the corresponding obligations of citizens, especially the obligation of citizens to obey the law“ (ebd.: 573) beinhalten. Mit dieser Definition lässt sich am besten „with the complexities of law in a world of hybrid legal spaces, where a single act or actor is potentially regulated by multiple legal or quasi-legal regimes“ (Berman 2007: 1155) im Sinne eines „Global Legal Pluralism“ (Berman 2007) heterogener, fragmentierter, diversifizierter rechtlicher Bedeutungen bzw. Bedeutungszuschreibungen umgehen.39 Bei der dispositiven Realisierung verschiedener Formen von ‚Recht‘ gilt dabei in diesem Sinne zu beachten, dass es auch viele nichtstaatliche normative Konstruktionen gibt, so etwa von Seiten lokaler kultureller Traditionen oder Religionen (vgl. Benda-Beckmann & Benda-Beckmann 2014: 30). Damit kommen wir zu dem nun schon mehrfach erwähnten „Legal Pluralism“ (Berman 2007) oder „The Concept of Legal Culture“ (Cotterrell 2006b) im Forschungsfeld Law and Anthropology bzw. Legal Anthropology (bzw. im Deutschen in der Regel als Rechtsethnologie bezeichnet). Ersteres adressiert die vielfältigen Quellen von Legitimität, Validität, Macht und Autorität in ihren verschiedenen Graden an Intitutionalisierung und Formalisierung, die auf unterschiedlichen räumlichen Maßstabsebenen unterschiedlich wirken (Benda-Beckmann & Benda-Beckmann 2014: 34). Das Konzept des Rechtspluralismus gibt dabei gleichwohl immer nur die grundsätzliche Möglichkeit einer komplexen rechtlichen Situation zu beden-
39 Dabei muss immer beachtet werden: „We need to realize that normative conflict among multiple, overlapping legal systems is unavoidable and might even sometimes be desirable, both as a source of alternative ideas and as a site for discourse among multiple community affiliations“ (Berman 2007: 1155).
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ken, ohne dass dies immer und überall empirische Realität wäre (vgl. BendaBeckmann & Benda-Beckmann 2007: 12). In diesem Forschungsvorhaben hier zeigt sich nämlich ein zutiefst homogenes Rechtsverständnis in Übereinstimmung mit einem britisch gesetzten Recht, das kraftvolle Wirkung entfaltet – und zumindest bei den untersuchten Migranten ähnliche Reaktionen hervorrief. Dies ist zugegebenermaßen vereinfacht dargestellt, möchte aber hier die potenzielle Wirkweise eines (sicherlich in sich diversifizierten, fragmentierten, aber für diese Arbeit doch relatitiv homogenen) Diskurses vergegenwärtigen. Rechtspluralismus sollten wir damit gleichwohl auch als Möglichkeit des Aufkommens, der Veränderung, Verstetigung und des Verschwindens unterschiedlicher Rechtsdiskurse, die prinzipiell unterschiedlich wirken können, verstehen. Dieser Ansatz zeigt an dieser Stelle, dass schon ein diskursives Verständnis von Recht, welches „the power of law as a system of representation and meaning through the study of discourse and its claims to legitimacy and a higher morality“ (Benda-Beckmann et al. 2012a: 6) herausarbeitet, in vielerlei Hinsicht nützlich sein kann. Das Konzept von Recht als Diskurs verweist insbesondere auf „how law is used to create, produce and enforce meanings and relationships pertaining to civilization, rationality, equality, justice and due process“ (ebd.). In diesem Sinne lässt sich „the cultural significance of law through examining discourses concerned, for example, with development, democratization and the rule of law“ (ebd.) herauslesen. Rechtsrealisierungen entstehen dabei vor allem, wie soeben oben angesprochen, durch die Zusammenhänge von „such legal discourses and the claims for higher morality entailed in them“ (ebd.). Dies geschieht nicht zuletzt durch die Berufung staatlich gesetzten Rechts auf andere normative Ordungen, die als legitim erscheinen und somit als zusätzliche Autorität die Macht des Rechts verstärken können (vgl. ebd.: 23). Auch Vorstellungen von Recht sind Teil eines diskursiven Rechtsverständnisses; Recht kann in diesem Sinne multinormative Formen und Formungen annehmen (vgl. Benda-Beckmann & Benda-Beckmann 2014: 36). Die britisch-koloniale Zivilisierungsmission ‚besaß‘ vor diesen Hintergründen durch einen spezifischen Rechtsdiskurs ein wirkungsvolles Instrument ihrer Herrschaftssicherung durch diskursiv verhandelte Legitimierungen.40 Mit diesem Verständnis von Recht lässt sich die sozio-kulturelle, aber auch ökonomisch wirksame Bedeutung sowie die „gesellschaftliche Wirkung von Recht“ (BendaBeckmann & Benda Beckmann 2007) bestens fassen; so lässt sich der „Komplexität von Recht“ (ebd.: 12 f.) angemessen begegnen.
40 Vgl. Kap. 2c und 4 dieser Arbeit.
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Doch Recht wirkt dabei nicht nur begrenzend, sondern auch ermöglichend (vgl. z.B. Blomley 2006: 32) – womit wir nun endgültig beim übergeordneten Thema dieser Studie wären: bei Macht, die auch und besonders im Recht allzeit inhärent ist. Das Denken in rechtlichen Bedeutungszusammenhängen bzw. mit einer rechtlichen Bedeutungszuschreibung kann zwar einerseits produktiv wirken, da es bestimmte Realitäten erst erschafft, wirkt aber gleichzeitig auch immer mehr oder minder exklusiv, weil andere imaginäre wie reale Möglichkeitsräume dadurch ausgeklammert werden. Diese Arbeit schließt sich in ihrer Rechtsauffassung diesbezüglich auch rechtsethnologischen Studien an, welche die „power of law as discourse“ (Benda-Beckmann et al. 2012a: 6 ff.) auffassen. Denn „law is a source for constituting and legitimating power“ (ebd.: 1). Schon mit diesem Blick auf konkrete Realisierungen von Recht in bedeutungsvollen Praktiken und Akteuren zeigt sich allerdings: Recht ist immer mehr als ein zwischenmenschlicher Diskurs. Gerade „if we approach law’s rule as the imaginative construction of a complete worldview“ (Kahn 1999: 2), lässt sich schnell erkennen: „The rule of law is a set of meanings by which we live“ (ebd.: 102). So lassen sich die verschiedensten Akteure als aktive, gleichsam durch Rechtsdiskurse, aber mit Blick auf vielfältige materiell wirksame „Medien des Rechts“ (Vesting 2011a, b, 2013, 2015) auch durch Rechtsdispositive beeinflusste ‚Rechtshersteller‘ vor dem Hintergrund einer generellen Vielfalt an diesen potenziellen Akteuren bzw. (Re-)Produzenten und Realisierern des Rechts analysieren (vgl. Benda-Beckmann et al. 2012a: 3). Auch der einzelne Mensch ‚macht‘ in vielerlei oft unbewussten Alltagszuschreibungen und -praktiken Recht, (re-)produziert bestimmte rechtliche Rahmungen – indem er nach bestimmten Vorstellungen handelt. Hier werden Rechtsdispositive insofern performativ, als dass sie konkrete Rechtsrealisierungen anleiten. Rechtsdiskurse wirken nämlich nicht zuletzt zum einen in praktischen Aufführungen, aber ebenso in materialisierter Form bzw. durch ein materialisiertes und zugleich materialisierendes Prisma. Derartige Assoziationen zu performativen Geographien des Rechts, die uns zu ‚kulturellen Geographien des Rechts‘ (ver-)leiten, finden sich in Ansätzen schon bei Braverman et al. (2014a).41
41 Braverman et al. (2014a: 14) gehen zumindest kurz auf die Möglichkeit ein, mithilfe von Performativitäts-Perspektiven insbesondere auf die Stabilisierungen sozialer Arrangements zu schauen. Diesbezüglich ist auch ein Verweis auf Vismann sinnvoll, die sich mit Medien und Recht befasst: In ihrem Buch „Medien der Rechtsprechung“ (2011) behandelt sie Dispositive in der Welt des Rechts (ebd.: 17 ff.), also auch Materialisierungen bzw. Verdinglichungen von Recht und deren Wirkmöglichkeiten. Fer-
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Der Begriff der Performativität kann mit Blick auf Recht und dessen Realisierung gleichwohl unterschiedlich semantisch-konzeptionell gefüllt werden (vgl. auch Berndt & Boeckler 2007: 222 ff.). Eine Lesart findet sich etwa im Sammelband „Performanz des Rechts. Inszenierung und Diskurs“ (Diehl et al. [Hrsg.] 2006b), dessen Herausgeber feststellen: „Unsere Formel der ‚Performanz des Rechts‘ kann hier als Klammer fungieren, um die verschiedenen Aspekte juristischer Wirkungsweisen begrifflich zu fassen“ (Diehl et al. 2006a: 10). Wenn man von diskursiver wie dispositiver Rechtsrealisierung als einer gleichzeitigen Auf- und Ausführung von Recht ausgeht, muss festgehalten werden, dass diese immer einzigartig ist, an situative Kontexte angepasst werden muss und sich der jeweilige Diskurs so erstens aus vielen kleinen Rechtsrealisierungen speist, sich gleichwohl aber im Zuge dessen immer neu formiert (vgl. ebd.: 11), wobei die grundsätzliche Macht des Rechts selten angefochten wird. Und gewiss: Ohne anderen Elemente des Rechtsdispositivs ihre Macht absprechen zu wollen, möchte der Verfasser dabei insbesondere der performativen Wirkkraft des Diskurses große Bedeutung zugeschrieben wissen. In diesem Sinne gilt zu beachten: „Der Diskurs ist kein Container, der die vielen singulären Diskurse nur beherbergt. Der Diskurs formiert, konfiguriert, ermöglicht“ (ebd.: 13). Recht ist damit nicht nur eine imaginierte Konstruktion, sondern gleichzeitig dessen performative Realisierung in der Imagination, Versprachlichung, in Praktiken, Materialisierungen oder generell in verschiedenen bedeutungstragenden wie -herstellenden Infrastrukturen und Medien. Diskurse stehen immer in Verbindung mit den Effekten, die sie produzieren – oder die sie gerade nicht produzieren. Recht wird dabei oft unbewusst realisiert, da es auf grundsätzlichen Vorannahmen über das Funktionieren der Welt fußt und zumit einen Möglichkeitsraum des kognitiv Erfassbaren wie des performativ Realisierbaren erschafft (vgl. ebd.: 12). Performative Erklärungsansätze finden sich aber etwa auch mit Blick auf praktische Aufführungen bzw. Inszenierungen zu Recht und Körperlichkeit wie bei „Die Entdeckung des Körpers im modernen Strafrecht“ (Kalupner 2006). Auch zur Performanz im Gericht gibt es seit einigen Jahren Beiträge wie in „Fernsehgerichtshows: Spektakel des Rechts“ (Machura 2006), in „Bloß kein Theater! … Im Gericht“ (Vismann 2006) oder ebenfalls im Beitrag zu „Der Gerichtssaal als ‚revolutionäre Tribüne‘. Ideologische Selbst-Inszenierung im Medium politischer Prozesse der Weimarer Republik“ (Grunwald 2006). In „Rituale und Recht – Innerstaatliche und internationale Perspektiven“ (Carducci
ner ist in diesem Zusammenhang „Von der Medienvergessenheit der Diskursanalyse. Reflexionen zum Zusammenhang von Dispositiv, Medien und Gouvernementalität“ (Meier & Wedl 2014) zu beachten.
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2006) geht es sodann um die potenziellen Wirkungen von Recht in kollektiven Praktiken. Ein anderer Ansatz zur performativen Herstellung rechtlicher Wirklichkeit zeigt sich sodann bei Müller-Mall, insbesondere in ihrer Dissertation „Performative Rechtserzeugung. Eine theoretische Annäherung“ (Müller-Mall 2012). Die Verfasserin geht darin primär, wenngleich nicht ‚nur‘, von einer sprachlichen Rechtserzeugung aus – die aus dem Blickwinkel dieser hier durchgeführten Studie nur eine Form der Realisierung rechtlicher Wirkkraft darstellt. Denn performative Analyseansätze greifen auch mit Blick auf materielle Formen der Bedeutungszuschreibung, sofern wir die Wirkkraft von Bühnen, Körpern, Archiven, Akten, Infrastrukturen und Architekturen mit anerkennen (vgl. Diehl et al. 2006a: 12). Gerade wenn wir nämlich von „Materialities in Law and Life“ (Pottage 2006) oder allgemein „Legal Materiality“ (Scheffer 2006) ausgehen, also der Wirkkraft materieller Rechtsrepräsentationen, dann ist ein Verständnis von Recht als Dispositiv nahezu unumgänglich. Recht (und damit seine unterschiedlichen Bedeutungen wie Einflüsse) ist demzufolge bedingt durch das Zusammenspiel von Akteuren, Dingen, Praktiken und Diskursen. Aus kulturtheoretischer Sicht ist es gerade die Beziehung dieser Elemente, die Recht ‚macht‘. Dieses Verständnis hilft uns bei der inter-, trans- oder gar postdisziplinären Betrachtung von Recht.42 Mit diesem Anspruch und aus dieser Perspektive heraus lässt sich Recht als umfassendes gesellschaftsstrukturierendes, aber dabei immer gleichzeitig auch subjektivierendes Dispositiv begreifen – und damit „as a framework for ordered relationships“ (Rosen 2008: 7). Rechtsrealisierung, um den aggressiven Singular zu bemühen, versteht sich in puncto perspektivisch-konzeptioneller Ausrichtung demzufolge als Sammelsurium von unterschiedlichen, gleichwohl oftmals miteinander verwobenen und/oder sich ‚be-dingenden‘ Herstellungsarten von ‚Recht‘ in dessen vielfachen Ausprägungen. Wichtig hierbei: Der Terminus Rechtsrealisierung, auf den ein performatives Element appliziert ist, hält dabei nicht stoisch an Praktiken und Diskursen triefender Reproduktion fest, sondern behält auch Materialität und Technologien bzw. die „Medien des Rechts“ (Vesting 2011a, b, 2013, 2015) im Blick – gewissermaßen als mit Menschen interagierende, sie beeinflussende nicht-menschliche Akteure im Sinne der Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) bzw.
42 In diesem Zusammenhang ein Zitat von Vesting: „Die Öffnung für im weiten Sinne kulturwissenschaftliche Fragestellungen kann durchaus als Gegenbewegung zu einer hochgetriebenen fachinternen Spezialisierung verstanden werden, als Suche nach Kontakten zu Disziplinen übergreifenden Fragestellungen“ (Vesting 2014: 191).
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deren „critical energy that the theory of actor-networks or of dispositifs might bring to the study of law“ (Pottage 2012: 167). Die zunehmende Bedeutung der Entwicklung innovativer Forschungsperspektiven zu materiellen oder digitalen Infrastrukturen der Wirklichkeits(re)produktion erklärt sich aus dem einflussreichen technologischen Wandel der letzten Jahrzehnte (vgl. z.B. Hendley 2004: 605). Ein zentraler Sammelband für aktuelle Forschungen im diese Entwicklungen verhandelnden Bereich Law and Technology stellt „Material Worlds: Intersections of Law, Science, Technology, and Society“ (Lawless & Faulkner [Hrsg.] 2012) dar, in dem z.B. Faulkner et. al (2012: 1 f.) die generelle Bedeutung von Forschung zum Verhältnis von Materialität/Technologie, Recht und Gesellschaft herausarbeiten. Es ginge vor diesem Hintergrund um „challenging new perspectives on how legal practices relate to materiality, and invite theoretical reflection on how society even construes some material activities as ‚law‘“ (ebd.: 2). Hierbei spielen insbesondere „the practices which shape intersections of law, science, technology, and society, spanning spatial and temporal boundaries“ (ebd.) eine Rolle. Damit geht es in diesem Spannungsfeld von „socio-materiality and regulation“ (ebd.: 9 ff.) um „the production of reference materials, official substances that incarnate legally relevant measurements, transitional objects that offer the law a point of contact with the stuff on the world“ (ebd.: 20). In diesem Sinne lassen sich mit Faulkner et al. „avenues for future inquiry“ (2012: 18 f.) skizzieren und das Bewusstsein dafür schulen, „how the law-science-technology-society relationship will develop, and how it will shape the ‚socio-material worlds‘ that we create and inhabit“ (ebd.: 19). Dabei müsse beachtet werden, dass „technologies challenge our understanding of crucial distinctions – between the local and supranational, between the ‚social‘ and the ‚natural‘, and the material and the ideational“ (ebd.). Kurz gesagt: Wenn also jemand über Recht spricht, über Recht nachdenkt, nach rechtlich-normativen Vorstellungen handelt oder auch mit rechtlichen Bedeutungen direkt oder indirekt transportierenden, sozio-technischen Materialitäten bewusst oder unbewusst interagiert, dann stellt er die von ihm – oftmals unreflektiert –aufgeführte Wirklichkeit gleichzeitig bereits her. Dabei muss einmal mehr ausdrücklich betont werden: All diese verschiedenen Möglichkeiten performativer Rechtsrealisierung können sowohl bewusst als auch unbewusst erfolgen; meist ist letzteres der Fall. Das Konzept der Performativität, indes, sollten wir somit aus seinem ursprünglichen linguistischen Kontext mit nahezu reinem Fokus auf sprachliche Äußerungen (und damit Handlungen) lösen und deutlich erweitern: Erstens kann es mittlerweile auf nahezu sämtliche Lebensbereiche und deren Herstellungen übertragen werden, was sicherlich zu seiner Attraktivität beiträgt. Zweitens geht es, wenn wir uns die (Re-)Produktion rechtlicher
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Wirklichkeit vor Augen halten, nicht nur um Sprache und Kommunikation als ‚Macher‘ von Recht – „Language does not only transport information, in fact using language itself can constitute an action from several points of view. Speaking or writing can directly produce legal results ideational ideational“ (Morlok 2008: 40) –, sondern auch um jegliche Praktiken und materiell wirksame „Medien des Rechts“ (Vesting 2011a, b, 2013, 2015), die rechtliche Bedeutungen transportieren oder influenzieren können. Und nochmals der Hinweis: All dies erfolgt nicht selten unbewusst. Mit dem Begriff der Performativität adressiert der Autor dieser Studie somit immer ein ‚Mehr‘ als nur den oftmals elitär proklamierten Konstruktcharakter von Recht, sondern ebenso seine Effekte im Alltag, seine Realisierugen. Denn Recht ist mehr als ein sozio-kulturelles Konstrukt, auch wenn dies von einigen postmodernen Vertretern mitunter betont wird: „At the other end of the spectrum of legal understanding, appreciating the ‚spatial turn‘ opposes a postmodernist view of law as a social construct, unhinged by rationality and unconstrained by materiality“ (Holder & Harrison 2006a: 4). Recht findet sich, über diese radikalkonstruktivistischen Ansätze hinausgehend, materialisiert in Dingen und Technologien sowie auf- und ausgeführt in vielerlei Praktiken, die Recht herstellen. Blomley verweist etwa darauf, dass „law is experienced in multiple ways, formal and informal, whether in the practices of policing, judging, and enforcing; the enactments of sovereignty by the refugee, indivenous person, and border guard; and so on“ (Blomley 2014: 89 f.). Mit Blomley können wir weiter festhalten: „Law is a vital medium and resource for daily life“ (Blomley 2006: 26). Rechtsrealisierung ist somit als Auf- und Ausführung, Vor- und Herstellung rechtlicher Narrative, Diskurse, gar ganzer Dispositive in bewussten und unbewussten Zuschreibungen – in Form von Imaginationen, Praktiken, Zuschreibungen – zu verstehen, die auch – und besonders – in Interaktion mit verschiedensten infrastrukturellen „Medien des Rechts“ (Vesting 2011a, b, 2013, 2015), ergo auch materialisiert, in und durch Materialitäten, Technologien und somit innerhalb von Mensch-Materie-Netzwerken vollzogen werden (vgl. Blomley et al. 2001: xx). Kulturelle Geographien des Rechts möchten diesen Wirkmöglichkeiten rechtlicher Hegemonien nachspüren: „What follows then is a set of provocative explorations into the intersections of meaning and world, power and experience, imaginary and positivity brought together under the rubric of Law and Geography“ (ebd.: xxi). Wie bereits zuvor erläutert, möchten kulturelle Geographien des Rechts dabei zwar raum- und ortssensibilisiert sowie -sensibilisierend, aber nie -versessen wirken. Kulturelle Geographien des Rechts definieren sich stattdessen über ihre Multiperspektivität und Offenheit mit einem spezifischen Fokus
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auf Machtasymmetrien auf unterschiedlichen Maßstabsebenen und deren Wechselwirkungen (siehe diesbezüglich auch Kap. 4a 5). In diesem Sinne lassen sich, um sich in einem vorsichtigen Fazit der angesprochenen Punkte dieses Subkapitels zu versuchen, vielerlei menschliche Praktiken und Diskurse, aber auch Wechselbeziehungen derselben mit materialisierten Infrastrukturen und (neuen) Technologien identifizieren, welche Recht und seine Bedeutung wechselseitig formen. Dabei gehen „Recht und Rechtwirklichkeit“ (Benda-Beckmann & Benda Beckmann 2007: 13 f.) mit der alltäglich(re-) produzierten „gesellschaftliche[n] Bedeutung von Recht“ (ebd.: 15 f.) einher. Hierbei gelten mehrere Prämissen. So können „Recht und Rechtswirklichkeit außerhalb der gewohnten Kontexte“ (ebd.: 16 ff.), auch außerhalb des unmittelbaren juristischen Ausbildungs- und/oder Arbeitsumfeldes realisiert werden. Ein Verständnis von Recht als Dispositiv schließt also die Macht rechtlicher Diskurse ein: Recht wirkt als kraftvolle Autorität, was viele Menschen zu bestimmten Reproduktionen und Realisierungen eben dieser Wirklichkeit anleitet. Dies wiederum hat bestimmte Folgen für unsere Perspektive: „Dies lehrt uns, dass wir die Rechtsproduktion in dem jeweiligen Zusammenhang betrachten und uns fragen müssen, in welchem Maße und wie die Rechtsproduktion aller Bürger, einschließlich der Juristen und Richter, durch Rechtskenntnis beeinflusst wird“ (ebd.: 16 f.)
– und nicht nur durch Rechtskenntnis, schon durch Rechtsglaube, durch die Akzeptanz dieser Autorität – und seiner Akteure – wird Recht reproduziert und ausgeführt. Somit geht es in dieser Arbeit gerade auch um „Rechts(re)produktionen durch Nicht-Juristen“ (ebd.: 136) aufgrund von unbewusst verlaufenden Bedeutungszuschreibungen, die wiederum durch bzw. von Dispositiven als Netzwerke unterschiedlicher Bedeutungsträger (vgl. Foucault 1978) beeinflusst, vielleicht mitunter sogar gesteuert werden. Saids Konzept des „Orientalism“ (1978) kann uns diesbezüglich dabei helfen, Recht als semiotische Landschaft emotionalisierter Exotik zu begreifen, die Machtasymmetrien beherbergt und in alltäglichen Abgrenzungsprozessen abgibt, so beispielsweise im glamourös konnotierten Lifestyle von Topjuristen. Denn van Hoecke and Warrington liegen richtig, wenn sie feststellen, dass „law is made daily and developed in legal practice“ (Van Hoecke & Warrington 1998: 521), was – wie erwähnt – auch Prozesse der Rechtsrealisierung seitens Recht thematisierender Wissenschaftler mit einschließt, die bestimmte Bedeutungen, Interpretationen oder Wahrheiten von Recht und damit bestimmte Wirklichkeiten kreieren.
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Wenn man diese Prämissen akzeptiert, dann sind rein rechtsdogmatische Definitionen insofern zu überdenken, als diese zwar einen gewichtigen, aber eben nur einen kleinen Teil der gesamten Bedeutung und Macht von Recht (ab-) bilden.43 Dringend erweitert werden müsste vor diesen Hintergründen ein limitiertes – und zugleich limitierendes – Verständnis „of the law as an institution which is primarily responsible for visiting on people unpleasant sanctions such as imprisonment“ (Handsley 1996: 69). Als Rechts-Wissenschaftler – damit ist nicht nur die Rechtswissenschaft als eine bestimmte Disziplin gemeint, sondern alle Recht thematisierenden Wissenschaftler, die oftmals aus Nachbardisziplinen der Rechtswissenschaft stammen – dürfen wir „not just legal rules, institutions, or solutions, but entire legal systems – law as a whole“ (Valcke 2004: 719) identifizieren. Dies schließt verschiedenste Prozesse von Bedeutungszuschreibungen auf den unterschiedlichsten Maßstabsebenen und in einer kaum einzugrenzenden Bandbreite mit ein. Um also „beyond the ‚law as rules‘ approach of traditional legal doctrine“ (Van Hoecke & Warrington 1998: 495) zu kommen, muss all jenes betrachtet werden –gleichwohl natürlich ohne notwendigerweise alles im Detail zu behandeln –, was ‚Recht‘ und rechtliche Bedeutung herstellt, verfestigt und/oder modifiziert: „it is […] the legal discourse“ (ebd.), der Recht als „social practice which is determining the actual meaning of the rules and concepts, their weight, their implementation and their role in society“ (ebd.: 498) ‚macht‘, der Recht dispositiv realisiert – womit auch und gerade „The Everyday Formation“ (Azuela & Meneses-Reyes 2014) von Recht gemeint sein muss. Die Arbeit „Macht(W)Orte“ beschäftigt sich aus dieser Perspekive mit normativen Ordnungen globaler – oder besser: glokaler – Reichweite in historischer Perspektive und leistet damit einen Beitrag zur Grundlagenforschung in den Rechts-, Sozial- und Geisteswissenschaften; wir schauen in dieser Arbeit auf die universalen Effekte eines glokal wirksamen Rechtsdispositivs, das durch westliche Rechtsvorstellungen hervorgerufen wird. Mit dem Konzept der Glokalität lässt sich dabei das annähernd gleichberechtigte Nebeneinander sowie schließlich das Ineinander und die Interdependenzen von ‚global‘ und ‚lokal‘ adressieren (vgl. Robertson 1995). In den Lebensgeschichten kristallisieren sich nämlich lokale Ausdrücke und gleichzeitig Reproduktionen globaler Rechtsdispositive. Historisch gesehen, wurde über einen wirkungsvollen, auch gewaltsam implementierten Diskurs bzw. ein Dispositiv ein bestimmtes Rechtsverständnis von den Kolonialmächten aus in die Welt getragen, wie Brett (2011) mit Blick auf das expandierende Spanien des 16. Jahrhun-
43 Und nicht nur abbilden, sondern damit gleichzeitig performativ (re-)produzieren.
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derts gezeigt hat, und dann lokal reproduziert – in dieser Reziprozität wurde und wird Recht ‚gemacht‘. Wir können mit diesem Verständnis einen ‚Glocal‘ Turn in der Rechtswissenschaft anpeilen, denn Recht wirkt nicht nur global, sondern auch, gleichzeitig oft nicht minder faszinierend, lokal. An der Herstellung dieser ‚Glocal Lawscapes‘ wirken viele Autoritäten und Akteure als ‚Wirk-Weisen‘ mit. Auch Technologie und Materialität oder die juristische Profession können dementsprechend als Wirk-Weisen auftreten. Auch methodisch entfalten diese Überlegungen einige Wirkkraft. Dies ist nicht zuletzt schon deshalb wichtig, weil Braverman in „Who’s Afraid of Methodology? Advocating a Methodological Turn in Legal Geography“ (Braverman 2014) kritisch feststellt: „Since its inception in the early 1980s, legal geography has regarded questions of method as peripheral or even irrelevant“ (ebd.: 120). Auch Haltern erkennt ähnlichen Bedarf: „Die Analyse der symbolischen Formen – also auch des Rechts – bedarf einer Methode. Dies gilt um so mehr, als gerade den Kulturwissenschaften nicht zu Unrecht methodische Unordnung vorgeworfen wird“ (Haltern 2008). Was vor dem Hintergrund der in dieser Arbeit entworfenen, auch materielle und praktische Realisierungen beinhaltenden Perspektive auf Recht auffällt: Haltern begreift hierbei „Recht als symbolische Form“ (ebd.: 207 f.); auch Möllers spricht in Bezug auf „kulturwissenschaftliche[] Perspektiven für eine Philosophie des Rechts“ (Möllers 2002: 109) von „Recht als eine[r] symbolische[n] Welt“ (ebd.: 127 ff.). Dem gegenüber (be-)greift der Autor hier Recht – wie erwähnt – nicht nur durch dessen symbolische Wirkkraft. Denn „die zwangsförmige Durchsetzbarkeit bildet nicht das Wesen des Rechts, sie ist auch nicht der Kern des Gewaltproblems des Rechts. Die Gewaltpotenz des Rechts ist fundamentaler, umfassender, subtiler“, so auch Fischer-Lescano (2013: 33). Recht ist damit mehr als ‚nur‘ symbolische, konstruierte, nicht reelle Welt: Eben diese Welt der symbolischen Konstruktion wird performativ wirksam, indem sie durch (oft unbewusste) Zuschreibungen und Praktiken realisiert wird. Gerade symbolische Bedeutungen kreieren subjektive Realitäten, sind höchstgradig performativ; gerade in dieser Performativität spiegelt sich die „anspruchsvolle Kombination von Weltbezug und Weltabstinenz“ (Möllers 2002: 129) von Recht. Die Diskursanalyse des Rechts könnte vor diesem Hintergrund zu einer Dispositivanalyse des Rechts erweitert werden. ‚Performativität‘ und ‚Dispositiv‘ wirken in einer derartigen Betrachtung als hochgradig integrative Konzepte jenseits eines diskursversessenen Konstruktivismus sowie alt(backen)er Dualismen zwischen Strukturalismus und Handlungstheorie. Eine angemessene Methode ergibt sich somit fast schon zwangsläufig aus den vorgestellten theoretischen Prämissen und schließt – auch wenn sie vorder-
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gründig auf sprachliche Einheiten, so wie die erwähnten Lebensgeschichten analysiert werden, fokussiert – Praktiken, Akteure und Infrastukturen (begriffen als materielle und/oder technologische Realisierungen von bestimmter, in diesem Falle rechtlicher, Wirklichkeit) mit ein. In diesem Sinne können die verschiedensten methodischen Zugänge – etwa eine „Ethnography of Legal Substances“ (Lezaun 2012) – oder Gegenstände sowie die unterschiedlichsten Fragestellungen – so zum Beispiel „The Regulation of Nicotine in the United Kingdom: How Nicotine Gum Came to Be a Medicine, but Not a Drug“ (Rooke et al. 2012) – gewählt werden. In dieser Arbeit sollen entsprechend dieser nun dargelegten theoretischen wie methodischen Verortung etwa auf Schiffe als wirkmächtige, einflussreiche, weil bestimmte rechtliche Bedeutung transportierende materiellsozio-technische „Medien des Rechts“ (Vesting 2011a, b, 2013, 2015) vorstellen. Ferner können wir schließlich beispielsweise (aber nicht ausschließlich!) auf diversifizierte empirische Rechtsgeschichten Bezug nehmen, die Recht (re-) produzieren, wenn Recht und Literatur – oder zumindest Recht und Narrationen – untrennbar miteinander verwoben sind (Schulz 2014). Denn „Narrativität ist die unbestrittene Brücke zwischen Recht und Literatur. Am Anfang stehen Geschichten. In der Literatur und im Recht“ (ebd.: 266).
B) D IMENSIONEN DER W IRTSCHAFTSWIRKUNG UND DER R ECHTSREALISIERUNG Nach dieser theoretischen Hinführung zur Wirkweise von Wirtschaft und Recht folgt nun die konkrete empirisch fundierte Analyse: Wir wollen an dieser Stelle in die Lebensgeschichten der ehemaligen Lascars einsteigen und dabei einige besonders relevante Facetten der Wirtschaftswirkung bzw. der Rechtsrealisierung, d.h. ökonomisierte und ökonomisierende sowie verrechtlichte und verrechtlichende Facetten der Realitäts(re)produktion, in den Selbstzeugnissen der Migranten erfassen. Der Autor dieser Zeilen hat sich – ohne jedweden Anspruch auf Vollständigkeit, wie gleich noch genauer erläutert wird – für die neun Dimensionen Geld, Konsum, Arbeit, Netzwerke, Orte, Nation, Bildung, Normen sowie Infrastrukturen entschieden. Doch zunächst soll an dieser Stelle noch auf einige Schwierigkeiten (in) der Zuordnung zu sprechen gekommen werden. Zum einen sind die hier vorgestellten Kategorien bisweilen nur schwer von einander zu trennen und könnten mitunter auch unter eine gemeinsame Oberkategorie subsumiert werden: ‚Geld‘ kann bespielsweise auch in materieller Form aufkommen, ebenso äußert sich ‚Konsum‘ oftmals materiell. ‚Materialität‘, eine Dimension die anstelle der auch Technologien umfassenden Oberkategorie ‚Inf-
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rastrukturen‘ hier nicht gesondert aufgeführt wird, könnte daher auch als ein übergeordneter Begriff für ‚Geld‘ und ‚Konsum‘ erscheinen. Letzgenannte Dimension könnte sodann als mit ‚Geld‘ oder mit ‚Orten‘ verwoben betrachtet werden, wenn Konsumplätze durch Praktiken (z.B. des Kaufens) reproduzierend ökonomisiert werden, wenn die Performativität imaginierter Geographien der Ökonomie zu einem Economic Placemaking bzw. zu einer Praxis des Placing Economies beitragen. Auch ‚Nation‘ und ‚Orte‘ bedingen sich, da Nationen in aller Regel lokalisiert oder zumindest räumlich imaginiert werden (vgl. Anderson 1983). Schon vorab muss dem Leser also unterbreitet werden, dass die Dimensionen nicht als klar unterscheidbare, sondern als mit-, unter- und ineinander oftmals verwobene Panoramen vorgestellt werden. Trotzdem erweist sich die hier präsentierte Auflistung als sinnvoll, weil die angeführten Dimensionen in der jeweiligen Form große Relevanz für das bzw. im Leben der (Ex-)Migranten entfalten. Zum anderen sind die Merkmale in den ausgewählten Aussagen nur schwer auf eine Dimension herunterzubrechen; es handelt sich in jedem Falle um eine Komplexitätsreduktion, um eine Simplifizierung. So manche Aussage passt in diesem Tenor auf verschiedene Aspekte. Ebenso können in den hier präsentierten Kategorien der Wirtschaftswirkung Elemente der Rechtsrealisierung auftreten – dies untermauert die zahlreichen Verflechtungen zwischen beiden (Be-) Deutungssystemen. Der Verfasser hat sich dafür entschieden, hin und wieder auf diese Verbindungen in den Aussagen hinzuweisen, ohne sie immer en détail zu betrachten. Für die Dimensionen sollen darüber hinaus ‚nur‘ besonders prägnante Zitate als Beispiele angeführt werden – ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. Wenn nahezu alle Bereiche des Lebens durchökonomisiert und damit Gesetzen des Marktes unterworfen sind, können im Folgenden lediglich besonders augenscheinliche Elemente der Herstellung von Wirtschaft benannt werden, um die vorliegende Arbeit nicht zu überfrachten. Der entsprechend kleine Ausschnitt möchte in diesem Sinne keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Evtl. erscheinen auch noch andere Aspekte wie z.B. Sprache, Flexibilität/Mobilität, Aussehen/Performance etc. als plausibel; ebenfalls könnten eher übergeordnete Konzepte wie ‚Diskurse‘, ‚Dispositive‘, ‚Materialitäten‘ oder ‚Praktiken‘ verwendet werden. Aus Platzgründen – und ob der augenscheinlichen Relevanz jener Dimensionen, die in dieser Studie ausgewählt wurden – muss es dennoch bei den hier aufgeführten Kategorien belassen werden. Schließlich soll der Reihenfolge der Auflistung der vorgestellten Facetten der Wirtschaftswirkung und der Rechtsrealisierung keine übergroße Bedeutung beigemessen werden. Auch sollte der aufmerksame Leser die Länge der einzelnen
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Unterpunkte, d.h. die für die jeweilige Dimension aufgewendete Seitenzahl in Relation zur Relevanz derselben oder einer anderen Facette von Wirtschaft oder Recht, nicht als Indikator für die jeweilige (Ir-)Relevanz einer Kategorie auffassen. Ferner wurde sich bei der Niederschrift der einzelnen Dimensionen nicht sklavisch an einem bestimmten, z.B. gleichmäßigen Verhältnis von Theorie und Empirie festgehalten; stattdessen können diesbezüglich unterschiedliche Gewichtungen auftreten. Die mitunter zitatlastig erscheinende Vorstellung der Konzepte ist dem Anspruch geschuldet, die Migranten ‚sprechen‘ zu lassen, denn „the people of the Indian ocean made their own history“ (Bose 2006: 273). Ihre Äußerungen möchte der Verfasser – so weit es geht, da so manche Kontextualisierung und Erläuterung in Hinblick auf die hier behandelte Thematik selbstverständlich notwendig ist – lediglich sortieren und moderieren, obschon zugegeben werden muss, dass auch jedwede Art dieser Präsentation eine höchst subjektive Konstruktion darstellt. Im Folgenden sollen nun relevante Dimensionen der Wirtschaftswirkung und der Rechtsrealisierung vorgestellt werden, die auch als Elemente der Selbstverrechtlichung bzw. der Selbstberechtigung im Kontext rechtlicher Subjektivierungsprozesse angesehen werden können, wenn die besprochenen Lebensgeschichten auf rechtliche Facetten hin ausgesiebt werden. Etwaige Dopplungen sind Indikator für die multiplen Verwebungen der beiden normativen Ordnungen Wirtschaft und Recht. (1) Geld „Money matters. It always has. […]. But surely in modern consumer societies money matters more. How it came to matter more, in what ways, and to what effect, historians have only begun to study“ (Calder 2012: 348).
Mit diesem Zitat können wir zunächst auf eine relativ offensichtliche Dimension der Wirkung von ‚Wirtschaft‘ zu sprechen kommen: Geld. In den Lebensgeschichten wird ihm ein besonderer ‚Wert‘ zugesprochen; es ist augenscheinlich von großer Bedeutung für die Migranten. „I had the ambition to earn money due to the economic situation – that forced me to earn money, because I didn’t like to see my people, my brothers and sisters in this position“ (Qureshi 1987: 146), oder auch „money was what I wanted“ (Islam 1987: 103), so zwei stellvertretende Aussprüche von zweien der Männer. Die Relevanz des Geldes wird nicht nur in der regelmäßigen Nennung der quantitativen Dimensionen von Verdienst, Miete und Gehalt deutlich:
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„My rent was four shillings a week, I didn’t have my own room, I had a bed in the kitchen. The house was full of sailors – English, Arab, African. I had about four pounds in my pocket when I came to London. After three weeks I had got a job in an Egyptian coffe shop in Cannon Street Road. I had to clean and wash up, and if any spare time, peel the potatoes“ (Ali 1987: 73).
Geld erschien dabei als eng an eine andere Dimension der Wirtschaftswirkung, die später noch vorgestellt wird, gekoppelt: an Arbeit. Geld war darüber hinaus treibender Motor für Glück und Wohlbefinden: „I used to get little jobs around the town – carrying something at the station. Then at last, someone got me a job on the ship. He gave me twenty-one-rupees for the month. Oh my God, I was so glad to get that money! I felt very happy inside, because I had a lot of money“ (Rasul 1987: 180).
Zudem fällt auf, dass Geld, insbesondere monetärer Reichtum und das Verdienen von Geld, immer positiv konnotiert ist. Wer Geld habe, sei fast schon zwangsläufig ‚gut’: „Our family was not rich but our grandfather was, you know, middle class – good family. We have a lot of land now – seventy or eighty acres – a great deal of land. I sent the money to my brother, and he bought it. It all came from my money – my grandfather didn’t have very much land. You might think it would be better to live there, not in this broken house in Sidney Street, but you don’t understand what living in Bangladesh is really like. You might think it is nice to visit, but you wouldn’t like to live there. It is true that if you have money you can be comfortable in the house. But when you go out of the house there is nothing but trouble – people twist things round and round, tell lies, make trouble all the time. They seem like very bad people – if they are bad people… it is because being poor makes people bad. People in this country are not poor – they can afford to be good“ (Ali 1987: 93 f.).
Vorbilder für die Auswanderer gab es viele; einige Südasiaten wanderten schon in den Jahrzehnten zuvor aus, erzählten von den (angeblich?) erworbenen Reichtümern oder schickten gar Geldsendungen in die alte Heimat: „My aim was to get a job in the sea and either to go to America or to England. England was not much attraction to me – America, at that time America was the attraction, because those who went to America, they used to send big money orders“ (Qureshi 1987: 148). Seemänner wie Miah kamen zwischenzeitlich zurück in die südasiatische Heimat und konnten dort vor den großen Augen ihrer Bekannten in den Großstädten des Subkontinents groß einkaufen:
166 | M ACHT -(W)ORTE „We went to Calcutta, paid off and went home. Shopping first in Calcutta then go home, stayed two weeks, told my father I go back again. My father say, ‚No, you stay.‘ I took about six hundred or seven hundred rupees home – that was a lot of money then“ (H. K. Miah 1987: 132 f.).
Die ungleiche „Geographie des Einkommens“ (Osterhammel 2009a: 255 ff.) im 19. und 20. Jahrhundert wird auch in der Rücksendung von Geld gen Heimat, in Richtung Sylhet, deutlich: „I worked very near where we lived, so I could easily go to the Post Office at lunchtime, and send the money to India. We all send money home – I used to send to my brother“ (Ali 1987: 78). In den Lebensgeschichten spiegelt sich in diesem Sinne immer die Opposition aus dem wohlhabenden, ‚guten‘ britischen Mutterland und dem armen, korrupten Bangladesh: „My children – for their future – they must establish business here, because in this country business is more permanent than there and to think of establishing in Bangladesh there is always corruption and crookedness“ (Qureshi 1987: 174). Geld bzw. die Verbesserung der eigenen finanziellen Situation war der Hauptmotor für die Migranten: „I wanted to come to London for money“ (Malik 1987: 116). Dies gelte nicht nur für Malik selbst, der diese Aussage trifft, sondern auch für andere Migranten: „They came because they were poor and they wanted to make some money“ (ebd.: 117). Um Geld zu verdienen, nahmen die Migranten große Anstrengungen und viel Leid ‚in Kauf‘: „We used to be in the engine-room services, to put the coal in the boiler and all that. We put coal in the boiler, and then it gets heat and then the ship runs. It is a most difficult job, very hard, very hot too. Many people died in the heat. In my sea life I knew hundreds of people who died. We were paid eighteen rupees per month. The food we used to get was our rice, and while we were on the sea we used to get dried fish and dried meat“ (Qureshi 1987: 149).
In der Heimat Sylhet für ‚Reichtum‘ bewundert, nahmen die Männer im Gastland und schon auf dem Weg dorthin größte Strapazen und unwürdige Arbeitsbedingungen auf sich, lebten somit ein ‚armes‘ Leben nur für die Anerkennung und den Geldtransfer. Generell schien die Art und Weise des Gelderwerbs dabei weniger wichtig zu sein: „I had done many things in my life, bad things and good things – the money I made in bad ways, I spent it in good ways. I used to make the money with one hand, spend it with the other, all my life like that. I gave up black marketing after a few years“ (Ali 1987: 87).
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Auch im konkreten Nutzen, im Zusprechen bzw. Aufführen des (Tausch-)‚ Wertes‘ von Geld ist die Realisierung seiner Relevanz offensichtlich. Wenn Menschen Geld verwenden, seinen ‚Wert‘ (an-)erkennen, reproduzieren sie den ökonomischen Kreislauf bzw. das an Geld gekoppelte kapitalistische System. Geld war auch im Zuge der spezifischen Relevanz von Pferde- oder Hunderennen in England vonnöten. Einige der Migranten verfielen der Spiel- bzw. Wettsucht und verloren große Teile des hart verdienten Geldes (z.B. ebd.: 82). Dass Geld generell als besonders (an-)erkannt wurde, hatte seinen Grund: „Die festesten ökonomischen Bande innerhalb der Imperien wurden auf monetärem Gebiet geknüpft“ (Osterhammel 2009b: 80). Seit 1893 war die indische Rupie etwa an das Pfund Sterling gebunden; zudem wurde in der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre die Abhängigkeit der Kolonien von globalen Geld- und Währungsbeziehungen besonders deutlich (ebd.). Generell stiegen die Preise für Produkte aus dem Agrarsektor zwischen den beiden Weltkriegen, dazu kam in den 1920er Jahren eine grassierende Inflation bei Stagnation der meisten geringeren und mittleren Einkommen; insgesamt ging die Schere zwischen Arm und Reich in dieser Zeit stark auseinander, was zu verstärkter Emigrationsbereitschaft führte (vgl. Rothermund 1993: 66). Parallel zu diesen Entwicklungen (re-)produzierten öffentliche Diskurse fortlaufend die Macht des Geldes.44 In diesem Zusammenhang kann auch das Konzept der monetization helfen: „Monetization describes the process whereby money became the dominant means of exchange in developing commercial societies“ (Calder 2012: 348). Die umfassende, vereinheitlichende Monetisierung (mitunter im Deutschen auch als Monetarisierung bezeichnet bzw. übersetzt) – wenngleich erwähnt werden muss, dass in Südasien auch schon vor der Kolonialherrschaft Geldwirtschaft existierte – hatte dabei ihren Ursprung im kolonialen Indien: Neben der Durchsetzung der englischen Sprache und der Vereinheitlichung des Rechtssystems gehörte auch die Einführung einer kohärenten Währung (Durchsetzung der Silberrupie im Jahr 1835) zu den Herrschaftsinstrumenten der Briten, was u.a. die Etablierung eines gesamt-indischen Marktes ermöglichte (vgl. Rothermund 1993: 30 ff.), aber auch auf der persönlichsubjektivierenden Ebene des Mental-Identitären entsprechende Wirkung entfal-
44 Zur generellen Wirkweise von Geld siehe auch Simmels „Philosophie des Geldes“ (1900), dazu dann konkret Schlittes Dissertation „Die Macht des Geldes und die Symbolik der Kultur. Georg Simmels Philosophie des Geldes“ (2012) sowie auf die grundsätzlichen, auf das Dispositivkonzept ausgelegten Ausführungen von Diaz-Bone (2017: 95 f.).
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tete, was seinerseits wieder Praktiken der Auswanderung performativ auslösen bzw. anleiten konnte. In den oben aufgeführten Zitaten der Migranten fällt dabei auf, dass Geld eng an die mit ihm zusammenhängenden Konsummöglichkeiten geknüpft ist: Geld und Konsum sind als offensichtliche Repräsentanten einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung oft untrennbar miteinander verbunden. Daher bietet es sich an, nun zu dieser zweiten Dimension der Wirtschaftswirkung überzugehen. (2) Konsum „Consumption stepped out of the shadow of production. Homo consumens took the place of homo faber“ (Trentmann 2012a: 1).
Konsum, in seinen mannigfaltigen Facetten und Aufführungen, erfreut sich in den letzten 20 bis 30 Jahren einem gesteigerten Interesse vieler Disziplinen. Wie Trentmann (2012a) verdeutlicht, ist die Konsumforschung dabei ein hochgradig interdisziplinär bearbeitetes Forschungsfeld, in das sich seit den 1980er Jahren auch die Geschichtswissenschaft zunehmend einbringt (Osterhammel 2009a: 345). Historiker interessiert dabei zum Beispiel „die Globalisierung von Kaufkraft im British Empire um 1700“ (Neu 2016), wenn Menschen zu Konsumenten werden (dazu gemacht werden, sich selbst dazu machen?), oder „die Frage, in welchem Maße bereits im 19. Jahrhundert euroamerikanische Konsummuster und Konsumziele in der übrigen Welt übernommen wurden“ (Osterhammel 2009a: 346 f.). Diese Frage lässt sich auch für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts, für jene Zeit also, die in dieser Arbeit primär betrachtet wird, stellen. Mansvelt erkennt darüber hinaus auch die (Wirtschafts-)Geographie als überaus aufgeschlossen in Bezug auf Konsumforschungen: „During the last 25 years, consumption, with its emphasis on the social relations and discourses of the purchase, use, and disposal of commodities, has become central to the field“ (Mansvelt 2012b: 444). Entsprechende Betrachtungsweisen fokussieren dabei insbesondere auf Machtrelationen in der Erzeugung von ‚Konsum‘, denn „economic geographical research has not taken concepts of ‚consumption‘ and ‚consumers‘ as given but has reflected on the power relations implicit in the discourses and arrangements of people and things through which consumption unfolds“ (ebd.). Doch zunächst: Was ist, was bedeutet Konsum? Wenn „Consumption consists of a bundle of goods, practices, and representations“ (Trentmann 2012a: 8),
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kann Konsum unterschiedlich betrachtet werden. 45 Für die Bearbeitung der Fragestellung dieses Forschungsvorhabens mit Blick auf die dispositive Erzeugung von ‚Ökonomie‘ bzw. wirtschaftlichen ‚Wirk‘-lichkeiten erscheint es plausibel, dass im Kontext von Konsumentscheidungen Gütern, ‚Dingen’, Dienstleistungen von einer Gemeinschaft „in a shared system of meaning“ (ebd.: 12) Wert zugesprochen wird. Dabei muss der vormalige Blick auf Konsumenten als verführte Wesen überwunden werden, insofern Konsum auch als aktiver Prozess der kreativen Aneignung, der Selbst- und Fremddeutung sowie -darstellung aufgefasst werden könnte (vgl. Hohnsträter [Hrsg.] 2016). Generell kann festgehalten werden: „Consumption is a mirror of the human condition. Our understanding of how people consume has always reflected our views about how they ought to live“ (Trentmann 2012a: 1). Wie Idies (2015, 2017) unter Rückbezug auf Foucaults Konzepte der Selbstsorge (1985) und der Selbsttechnologien (1993) sowie die Ausführungen von Miller und Rose zu aktiven Konstitutionen von Subjekten durch Konsum (1997) festgestellt hat, ermächtigen sich Konsumierende höchstselbst unter dem Einfluss von Diskursen, aber auch von konkreten körperlichgeistigen Techniken. In diesem Spannungsfeld ermöglichen die Konsumierenden durch permanente, zumeist unbewusste Selbstverhandlung ihrer Wünsche und Bedürfnisse den Konsum, lassen ihn erst in diesen mentalen und/oder praktischen Aushandlungsprozessen mit sich selbst unintendiert wirkmächtig werden, um eigenen und/oder fremden Normen, Werten bzw. Autoritäten gerecht zu werden. Dadurch dass Menschen konsumieren, fügen sie sich schließlich reproduzierend in die asymmetrischen Dynamiken der kapitalistischen Wirtschafts-
45 Dazu noch einige Definitionen, Eingrenzungen und mögliche Gegenstände der Konsumforschung: Zu Definitionen siehe insbesondere Ermann (2014), Mansvelt (2012b: 444), Trentmann (2012a: 3) und Warde (2012: 376). Ermann (2014: 249 f.) definiert Konsum als die Verwertung bzw. Inwertsetzung von etwas. Trentmann (2012a: 15 f.) betont daneben die aktuellen Arbeiten zu historischer Konsumforschung von Historikern, Anthropologen und den Cultural Studies, wenngleich sich Soziologen, Geographen und Wirtschaftswissenschaftler in diesem Feld noch stark zurückhalten würden. Insbesondere der Cultural Turn habe dabei großen Einfluss darauf gehabt, wie Konsum in historischer Situation aufgefasst wird (ebd.: 12). Der Globalhistoriker Osterhammel skizziert „Panoramen“ der globalen Konsumgeschichte (2009a: 335 ff.) und nimmt auf „Kapitalismus“ (ebd.: 950 ff.), „Geld und Finanzen“ (ebd.: 1038 ff.), „Migration und Kapitalismus“ (ebd.: 235 ff.) sowie „Armut und Reichtum“ (ebd.: 322 ff.) Bezug. Die Soziologen Boltanski und Esquerre (2017) verweisen auf die Notwendigkeit einer historisch informierten Konsumforschung, die Konsum stark von den Dingen her betrachtet.
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ordnung ein, welche auf laufend kaufende Konsumenten eingestellt ist, von ihnen zehrt. Mit Blick auf die Selbstzeugnisse der untersuchten Migranten soll dies in diesem Subkapitel nachvollzogen werden. Wenngleich sicher nicht primärer Migrationsgrund, wird in den Lebensgeschichten regelmäßig vor allem Kleidung als klassisches, alltägliches Konsumgut eingestuft. Ohnehin gilt: „For the study of consumption, everyday life is central since so much is about how people actually use things and services. Everyday life is often defined as trivial, but this does not mean it is necessarily numbed or unreflective“ (Trentmann 2012c: 546 f.). Auch Osterhammel verdeutlicht: „Kleidung ist immer ein guter Indikator für Konsumvorlieben“ (Osterhammel 2009a: 347). Zunächst noch oft Mangelware bzw. Indikator für die eigene Armut, war sie nicht selten einer der Gründe zur Auswanderung oder zumindest zur einstweiligen Arbeit auf dem britischen Schiff, da die ärmliche Sylheter Landbevölkerung sich kaum angemessene Kleidung leisten konnte: „[It was] cold… 1937, in December… ordinary clothes we got, ship clothes, can’t put the suit, just like khaki jeans“ (Islam 1987: 96). Die allermeisten Konsumgüter, die zwischen Südasien und anderen Teilen der Welt zirkulierten, erschienen dabei materiell, was uns zu den „Objekte[n] des Konsums“ (Ermann 2014: 249 ff.) führt.46 So sie nach Indien gelangten, verhießen sie Andersartigkeit und konnten Mobilitätsentscheidungen beeinflussen. Denn das Interesse an (bestimmtem) Konsum, die Faszination für bestimmte, käuflich zu erwerbende Dinge, wurde dabei nicht zuletzt durch das British Empire hervorgerufen: „Empires can sometimes be powerful enough to enforce a metropolitan taste on a peripheral area, and they usually promote migration and colonization“ (Fernández-Armesto & Sacks 2012: 129).47 Dieses Phänomen führt uns an dieser Stelle schon zur Dimension ‚Nation‘, soll aber hier (noch) nicht weiter ausgeführt werden.
46 Hierzu empfiehlt sich ein Blick auf Hoerder, der Austauschprozesse im Sinne von „Material Culture in Everyday Life“ (Hoerder 2002: 264 ff.) in den Blick nimmt. Vgl. auch Boltanski und Esquerre (2017), die das Materielle in dessen historisierter Bedeutung als hochgradig konstitutiv für aktuelle Konsumkulturen analysieren. 47 Osterhammel erläutert: „Wo entstehende bürgerliche Gruppen nach Europa blickten, füllten sich ihre Häuser mit Utensilien des Westens: Tischen, Stühlen, Metallbesteck, sogar offenen Kaminfeuern im englischen Stil – aber selektiv. [...] Die farblose und eng geschneiderte Einheitskleidung des europäischen Bürgers wurde zum öffentlichen Kostüm der gesamten ‚zivilisierten‘ und zivilisiert sein wollenden Welt, allerdings oft der Öffentlichkeit vorbehalten, während man in den privaten Gemächern Kleider in den älteren einheimischen Formen trug“ (Osterhammel 2009a: 1100).
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Daneben ist Konsum auch oftmals stark an bestimmte Orte geknüpft (Ermann 2014, Trentmann [Hrsg.] 2012b: 227 ff.),48 auch diese Dimension wird später separat behandelt und an dieser Stelle noch weitgehend ausgespart. Konsum ist, wie zum Teil schon angerissen, ferner untrennbar mit Arbeit, Geld und Infrastukturen – alles in dieser Arbeit verhandelte Kategorien – verbunden, wenn durch Arbeit Geld verdient, durch Geld Konsum ermöglicht und durch Konsum Materialität, die vorher – z.B. als Kleidung – das Verlangen nach eben dieser stimuliert, ökonomisierend mobilisiert wird: „I was longing to get in the ship. I wanted to go for money – other people worked there before me – my father worked in the ships. They all got nice things – clothes, a little bit of money“ (A. Ullah 1987: 191). Neben Kleidung können auch Nahrung (Warde 2012), Getränke und vielerlei Genussmittel wie z.B. Zigaretten zur Dimension Konsum (vgl. z.B. Ali 1987: 69) gezählt werden. Konsumiert wurde an bestimmten Orten, etwa im Coffee Shop (ebd.). Konsum interagiert dabei immer gleichzeitig mit Identität (vgl. z.B. Trentmann [Hrsg.] 2012b: 549 ff.): Wer sich (bestimmte) Kleidung, Nahrungs- oder Genussmittel ‚leisten‘ kann, fühlt sich besser und grenzt sich gleichzeitig von jenen ab, die nicht die entsprechenden Konsummöglichkeiten haben. Konsum bedeutet Bekenntnis und korreliert als ‚demonstrativer Geltungskonsum‘ nicht selten mit Distinktionsbestrebungen (vgl. Veblen 2007: 79 ff.). So bestehen – und dies ist wichtig: westlich induzierte –49 Zusammenhänge zwischen „Status, Livestyle, and Taste” (Savage 2012); Konsum kann Neid oder Glücksgefühle hervorrufen: „It is the stuff of desires and dreams. It signals superiority, but also community“ (Offer 2012: 653). Konsum beeinflusst demnach stark das (Wohl-) Befinden der Konsumenten:
48 Gerade „aus geographischer Sicht interessieren [...] die Verbindungen von Konsumpraktiken mit Orten und Räumen“ (Ermann 2014: 244). Ort und Verortung können dabei auch in einem weiteren Sinne betrachtet werden: „Die Präferenz für bestimmte Produkte und Marken ist Ausdruck der Selbstverortung auf der Landkarte von Lebensstilen und Moden, die wiederum Rückschlüsse auf Wertvorstellungen zulassen“ (ebd.: 248). Oder kurz: „Geographische Konsumforschung [...] fragt, wie wir beim Konsumieren die Welt auf uns beziehen“ (ebd.: 245). 49 Stearns (2006) spricht vom „Consumerism“ (zu deutsch ‚Konsumismus‘, z.T. auch ‚Konsumerismus‘ oder auch ‚Konsumentismus‘ genannt) als gesellschaftliches Phänomen im Sinne einer „Global Transformation of Desire“, um eine Gesellschaft zu definieren, deren Mitglieder ihren Lebenssinn im Anhäufen von Gütern jenseits der bloßen Grundbedürfnisbefriedigung sehen.
172 | M ACHT -(W)ORTE „When I got to Bombay, I felt very rich, plenty of money – I spent some of it for clothes. I felt very happy – thought it would be very good when I saw my family. When I saw my father and mother, my mother was crying – I said, ‚Why are you crying? I been to Bombay and brought plenty of money.‘ I stayed in the village for one or two days – I was very happy because I had money to buy more food. The first time I had a cup of tea was when I came to Bombay. In the village we used to drink only milk, and water. Only if somebody was ill they would give… something like a cup of tea, it was like a medicine“ (Rasul 1987: 182).
In diesem Zitat zeigt sich ferner die Einstufung bestimmter Konsumgüter als Luxusgüter, wenn beispielsweise Tee als rare Besonderheit gewertet wird. Luxus „is part of the upscaling of consumer aspirations“ (Berg 2012: 173), wenn wir das „phenomenon of upscaling, branding, and status-seeking through consumer goods“ (ebd.: 174) erkennen. Zugleich „wird deutlich, dass Zeichen, Symbole und Leidenschaft Konsum erst möglich machen“ (Amin 2006: 111). Um überhaupt konsumieren zu können, war für die aus wirtschaftlich ärmlichen Verhältnissen stammenden Männer, deren Lebensgeschichten hier analysiert werden, Arbeit vonnöten. Aus diesem Grund widmen wir uns dieser Dimension nun im nächsten Subkapitel gesondert. (3) Arbeit Übergreifende Wirtschaftsordnung des Indischen Ozeans im 19. und 20. Jahrhundert war der Kapitalismus (Osterhammel 2009a: 954 ff.) im Sinne „einer allgemeinen Kommodifizierung, einer Verwandlung von Dingen und Beziehungen […], die zwar nicht ‚alles‘, aber doch jeden Produktionsfaktor zu einer auf dem Markt handelbaren Ware macht. Dies gilt für Land ebenso wie für Kapital und Wissen und vor allem für die menschliche Arbeitskraft. Kapitalismus setzt also das Vorhandensein von ‚freier Lohnarbeit‘ voraus, die auch räumlich mobil ist. Kapitalismus hat oft Wege gefunden, unfreie Arbeit an der Peripherie seiner Systeme zu integrieren, kann sie aber nicht in seinem Kernbereich dulden. Sklaverei und andere Formen ‚außerökonomischer‘ Bindung widersprechen seiner eigenen Logik der unbegrenzten Disponibilität“ (ebd.: 954).
Unter Rückgriff auf Ahuja (2000: 133) ließe sich ergänzen, dass ‚freie‘ und ‚unfreie‘ Arbeitsverhältnisse oft gewissermaßen die ‚zwei Seiten einer Medaille‘, d.h. einer einzigen Arbeitswelt waren. Dabei muss immer bedacht werden: „Kapitalismus als Wirtschaftsordnung besitzt die Flexibilität, die jeweils produktivsten Technologien und Organisationsweisen (deren Leistungsfähigkeit der Markt erweist) zu nutzen“ (Osterhammel 2009a: 954). Hierfür gilt: Nicht nur die gene-
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relle Vielfältigeit, sondern insbesondere der „flexible Mix aus verschiedenen Arbeitsregimen dürfte die Virulenz des Kapitalismus bzw. neuzeitlicher Wirtschaftsordnungen ausmachen“ (Mann 2012: 212 f.). Arbeit und Beruf haben in dieser normativen Ordnung – und speziell im grundsätzlichen Verunsicherungskontext von Migration – besonders großen Einfluss auf die Identität von Männern, wie z.B. Datta et al. in „Men on the move. Narratives of migration and work among low-paid migrant men in London“ (Datta et al. 2009) feststellen. Schnell erscheint Arbeit als Kategorie der Selbstbeschreibung (Osterhammel 2009a: 959). Auch für die Selbstbeschreibung der Menschen aus Sylhet war Arbeit von zentraler Bedeutung: „Status is defined through work. To labour on another man’s land was, and still is, seen as humiliating and associated with low social position“ (Gardner 1995: 39).50 Der entsprechende mentalitätskulturelle Wandel erfolgte insbesondere im Laufe des 19. Jahrhunderts,51 transformierte Individuen in arbeitsgläubige Subjekte (vgl. Osterhammel 2009a: 959).
50 Ahuja erläutert in diesem Kontext unter Rückgriff auf sein Werk „Die Erzeugung kolonialer Staatlichkeit und das Problem der Arbeit“ (1999), „daß die Entwicklung von Arbeitsverhältnissen und -kulturen in Südasien und die europäische Geschichte der Arbeit seit mindestens zwei Jahrhunderten eng miteinander verknüpft sind und sich gegenseitig beeinflußt haben. Dies liegt sicher darin begründet, daß ein übergreifender politischer und ökonomischer Kontext Rahmenbedingungen schuf, die in beiden Weltregionen wirksam wurden. [...] Euphemismus beiseite – wir sprechen natürlich vom Kolonialismus und seinem Beitrag zur Entstehung eines kapitalistischen Weltmarktes. [...] In lokal durchaus differenzierter Form wurden alle Sektoren dieses Kontinuums in übergreifende soziale Prozesse hineingezogen, insbesondere in eine Ausdehnung der Warenwirtschaft. Ein bestimmtes Entwicklungsniveau der Warenproduktion erwies sich nicht zuletzt als wesentliche Voraussetzung für die Eroberung Indiens – eine Voraussetzung, die von den Gesellschaften Südasiens selbst geschaffen worden war. Denn die überlegene europäische Kriegstechnologie, der die Briten nicht zuletzt ihren Sieg verdankten, konnte nur deshalb effektiv zum Einsatz gebracht werden, weil die erforderlichen, sehr beträchtlichen Mengen an Arbeitskraft, Transportkapazität und Versorgungsgütern mobilisiert werden konnten, die bereits als Waren vermarktet wurden. Hätte Indien tatsächlich, wie es das hartnäckige Klischee haben will, aus isolierten, dörflichen Subsistenzwirtschaften bestanden, wäre dies schlicht nicht möglich gewesen“ (Ahuja 2000: 122 ff.). 51 Erste Kommerzialisierungen erfolgten gleichwohl schon in den Jahrhunderten zuvor, wie Ahuja (2000: 124) herausarbeitete.
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Wie sich aus den Lebensgeschichten herauslesen lässt, fügten sich auch die im Rahmen dieser Studie analysierten Migranten in derartige kapitalistische Logiken ein, indem sie nicht nur den Wert der Arbeit, sondern auch Arbeit als Wert (an-)erkannten. Die von Osterhammel erwähnte „Hochschätzung von Arbeit“ war im 20. Jahrhundert längst nicht mehr nur in Westeuropa und Japan verankert und mental institutionalisiert, sondern auch in anderen Teilen der Welt, die durch vielfältige Austauschprozesse miteinander verbunden waren. Arbeit als mobile ‚policy‘ (vgl. z.B. McCann 2011, Peck & Theodore 2010) wurde von zunehmend mehr Menschen als zentrales Lebensprinzip, als sinnstiftende Komponente begriffen, denn Arbeit verhieß Geld, Konsum, (Über-)Leben. Anteil an dieser Entwicklung hatte nicht zuletzt die Produktion eines kolonialen Arbeitsrechts in Britisch-Indien (vgl. Ahuja 2000: 125 ff.). Darüber hinaus – und damit verbunden – erscheint hier indirekt Bürgerlichkeit als Norm, wenn wir mit Moretti, der eine Literaturgeschichte des Bürger(tum)s schreibt (2014), von Arbeit als zentralem Anker des bürgerlichen Selbstverständnisses ausgehen.52 Hier wird in Form von Arbeit Bürgerlichkeit als erstrebenswertes Ideal mobilisiert, hier ‚reist‘ es als identitätsstiftendes, performativ globalisierte Wirklichkeit schaffendes Modell durch Raum und Zeit. Osterhammel spricht auch von der „Universalität gesellschaftlicher Mittellagen“ (Osterhammel 2009a: 1087 ff.); zu Asien erläutert er: „Dort waren in vielen Regionen spätestens bis 1920 im Spannungsfeld zwischen Kapitalismus und höherer Bildung embryonale Bourgeoisien entstanden, die – und das war neu – in Kategorien nationaler Politik dachten. [...] Wir suchen also nach Quasi-Bürgern im Asien des 19. Jahrhunderts“ (ebd.: 1087). Die neuen Träger westlicher Bürgerlichkeit, zum Teil mit indischem Anstrich, wie etwa die Migranten, können somit als „Quasi-Bürger“ bezeichnet werden. Das Denken in nationalen Kategorien war gleichwohl nicht die wirkmächtigste Facette westlicher Bürgerlichkeit. Es war vielmehr das Denken in ökonomischen Maßstäben. Der Wunsch nach einem bürgerlichen Leben(sstil) erwuchs auch aus den täglich wahrgenommenen kolonialen Machtasymmetrien, „Familienmitglieder zirkulierten zwischen Indien und Großbritannien“ (ebd.: 1099) – und mobilisierten so Bürgerlichkeit als gobalisiertes und zugleich globalisierendes Konzept. Dieses Ideal bürgerlichen Selbstverständnisses mit all seinen in- und expliziten Facetten schien auch – unbewusst – für jene hier näher betrachteten Migranten hochgradig wirksam. Diese waren allesamt Arbeitsmigranten: Sie manifes-
52 Moretti schreibt vom bürgerlichen Ideal des „arbeitsame[n] Herr[n]“ (Moretti 2014: 44 ff.).
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tierten innerhalb – d.h. vor, während und/oder nach – der Migration Ökonomie durch Arbeit: durch die Bedeutung, die sie Arbeit zukommen ließen, und durch die konkrete Praxis des Arbeitens. In ihren Selbstzeugnissen beschreiben sie detailliert die Strapazen, die sie für Jobs unterschiedlichster Couleur auf sich nahmen. Besonders schlechte Arbeitsbedingungen ‚herrschten‘ schon auf dem Weg nach England, auf den Schiffen. Dazu zwei Beispiele: „The first time I joined in the sea, I was called a bunkerman – in the coal bunker – it meant bringing the coal out from the store and putting it on the fire. There were different classes: coalawallah, ag-wallah, tel-wallah, donkey-wallah. Tel-wallah means engine greaserman, coalawallah has to bring the coal in and give it to the firemean, to get the steam up, ag-wallah is fireman. On that ship, I came in as fireman, and got promoted to greaserman. When I became greaser it was not hard work – very easy, only to check the engine and see that it wasn’t too hot. It was dangerous though, the engine-room goes up and down, you had to be careful. It was hot – oh yes, it was hot“ (Malik 1987: 117). „I was a fireman, I had to get the steam up, put coal in to get two-hundred and fifty pounds steam in the boiler, the ship would do fourteen or fifteen knots. It was very hard work, very hard, very hot. We used to have ten or fifteen minutes rest in the watch“ (H. K. Miah 1987: 130).
Die ohnehin schon anstrengende Arbeit war demnach auch noch überaus gefährlich für Leib und Leben der Seemänner. Dies galt noch deutlich verstärkt für Kriegszeiten: „Too many people die – ship sunk… me very lucky“ (S. Miah 1987: 139). Islam, ein anderer der vorgestellten Migranten, verglich die verrichtete Arbeit, speziell jene an Bord, mit Sklaverei: „The ship I found was the Clan Baxter. It was very hard work – just like slaves we worked“ (Islam 1987: 96). Nach der endgültigen Abschaffung der offiziellen Sklaverei erschienen die tatsächlichen Bedingungen für Geringqualifizierte im Niedriglohnsektor auf hoher See nämlich kaum amelioriert. Die kommodifizierten Körper vieler Arbeitsmigranten verkamen im ökonomisierten maritimen Hochofen auf See zu beliebig austauschbaren – gleichwohl aus wirtschaftlicher Sicht notwendigen – Kohlebriketts, die das globale Feuer des Kapitalismus am Laufen hielten, gar in einem beständigen Rhythmus immer weiter entfachten. Sie reproduzierten das raumzeitliche Hamsterrad in glokaler Realisierung, in praktisch-körperlicher Materialisierung durch die – im wahrsten Sinne des Wortes – ‚Verschmelzung‘ mit den von ihnen angetriebenen Technologien wie den kohlebetriebenen Dampfschiffen. Sie stellten ein Normativität ordnendes, weil situativ menschlich-technische
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Arbeitskraft verankerndes Element inmiten mobilisierter und mobilisierender Macht dar. Doch auch an Land, in England, mussten die Neuankömmlinge große Anstrengungen und lange Wege in Kauf nehmen: „I got up early in the morning, oh, too early, and I walked and walked, past India House, till I got there. Those girls were waiting, they said, ‚It’s very late, past seven o’clock, we have to get everything ready before the chef comes.‘ The job was to keep the kitchen clean, wash up, and all that“ (Ali 1987: 75).
An dieser Stelle zeigt sich „der praktische Vollzug“ (Macgilchrist et al. 2014) von (kapitalistischer) Wirtschaft, die ganz offensichtlich „in lokalen Praktiken […] realisiert und dabei bearbeitet wird“ (ebd.: 37). Hierbei legten die Männer eine große Flexibilität hinsichtlich der zu erledigenden Tätigkeiten an den Tag. In England arbeiteten sie etwa in Hotels (z.B. Ali 1987: 76), in Fabriken (z.B. ebd.: 77), „in a tailor’s shop“ (z.B. Islam 1987: 98) oder in Restaurants (z.B. ebd.: 99). Einige der Migranten machten sich auch nach einer gewissen Zeit selbstständig, beispielsweise mit einem eigenen Coffeeshop oder selbstständig geführten Restaurant (Ali 1987: 77, 80 f.; Qureshi 1987: 144, 154 f.; Islam 1987: 104). Daneben florierten Schwarzmarktgeschäfte: „I used to do some other business there, when I wasn’t working, you know. They used to have coupons for everything – money wasn’t a problem, but coupons were. So we used to go to the ships – Tilbury, Liverpool, Cardiff – and buy coupons from sailors – they didn’t need them – and then get sweets, chocolates, clothes, and sell them around the factories… black market…“ (Ali 1987: 77).
Nicht selten erwies es sich demnach als überaus schwierig, überhaupt Arbeit zu finden. So konnte sich etwa die mangelnde Bildung der Migranten als Hindernis bei der Suche nach Arbeit erweisen: „Then I came to the West End, to a waiter’s job, in the India Burma Restaurant, Leicester Square, Leicester Place. Mr. Chowdury was the proprietor. When I went there, two of us went, and I did one thing – the menu, you know menu? One of my uncle friends said, ‚You can’t get restaurant job unless you can read and write the menu‘“ (Islam 1987: 98).
Wenn sich doch etwas ergab, dann in der Regel unter schlechten Bedingungen. Die Arbeit selbst war körperlich anstrengend („I started work in a factory – very hard work“, A. Ullah 1987: 195), die Arbeitszeiten lang („But when I went to the job. Oh – morning to midnight you got to work“, Islam 1987: 99). Die Notwen-
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digkeit viel zu arbeiten und Geld zu verdienen wurde noch größer, sobald die Migranten Familien gründeten: „We lived at her sister’s house for a few months, I worked in a new factory – night shift. Then I bought a house for sixty-eight pounds from an old Pakistani man – a private landlord’s house – I bought the lease. […]. We had seven boys and three girls. She left them all with me, and I looked after them. All the kiddies are big now, bigger than me. One boy works as an electrician in the factory where I used to work. The big son lives with his mother, and the older daughter. They all got good jobs – good places to live“ (A. Ullah 1987: 204).
Gemein ist allen Lebensgeschichten die (Hoch-)Achtung der Arbeit; oftmals später auch weitervererbt an die zweite Generation, was sich in konkreten Aufstiegschancen eben dieser widerspiegelte. Die Migranten reproduzierten hierdurch die kapitalistischen Strukturen des British Empire – sicherlich zumeist unbewusst und ohne reelle Möglichkeiten des Verzichts auf diesen Verstetigungsmechanismus von Ökonomie. Einmal auf ein britisches Schiff oder gar nach England gegangen, mussten sie arbeiten, um zu überleben. Zugleich hätte aber auch der Verzicht auf die Emigration, der Verbleib in Sylhet zu einem – gleichwohl geringeren – Teil die britische Wirtschaftsordnung influenziert, da die Männer selbstredend auch in Südasien durch (in der Regel Land-)Arbeit ihren Lebensunterhalt bestreiten mussten. Dies schien allerdings für die Auswanderer keine ernsthafte Alternative darzustellen, da es in Südasien erstens weniger Erwerbsmöglichkeiten gab und zweitens die konkreten Arbeitsbedingungen offenbar noch schlechter waren (z.B. S. Miah 1987: 139). (4) Netzwerke Ein wichtiges Instrument der Implementierung sowie Verstetigung von ökonomischen Gegebenheiten sind Kontakte, soziale Beziehungen bzw. Netzwerke. 53 Migrantennetzwerke können
53 Das Konzept des Netzwerks versteht der Autor dieser Zeilen ähnlich wie Schiffauer, der damit die Beziehungen betont, „in die ein Akteur eingebunden ist und auf die er zurückgreifen kann, wenn er Unterstützung oder Hilfe benötigt“ (Schiffauer 2006: 104). Daneben lässt sich eine Grundlagendefinition von Markovits (2000: 24 ff.) heranziehen, der von rein ökonomischen Verständnissen von Netzwerken abrät und vor allem auf die Dynamik, Zirkulation und Mobilität von Netzwerken eingeht.
178 | M ACHT -(W)ORTE „emotionale, psychologische oder finanzielle Kosten und Risiken, die mit der Wanderung in ein Land mit abweichenden politischen, ökonomischen, rechtlichen oder soziokulturellen Bedingungen verbunden sind, verringern. Sie ermöglichen einen Informationsaustausch beispielsweise über soziale Aufstiegschancen, Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten oder über die Beschaffung kostengünstigen Wohnraums nach Ankunft. Mit anderen Worten: Migrantennetzwerke können die Migrationsentscheidungen einzelner Personen initiieren und moderieren sowie Migrationsprozesse ermöglichen und kanalisieren (Kettenwanderungen)“ (Gans & Pott 2011: 735).54
Denn „the Indian Ocean is […] a historical network of human connectivities“ (P. Gupta 2010: 4), Kontakte „tragen […] dazu bei, die Migrationsströme und -beziehungen zwischen Herkunfts- und Zielgebieten zu stabilisieren und zu perpetuieren“ (Gans und Pott 2011: 735 f.). Gans und Pott sprechen in diesem Kontext von „mehrjährigen, oft jahrzehntelangen, plurilokalen Migrationssystemen“ (ebd.), die auch ökonomische Strukturen (re-)produzieren. In diesem Zusammenhang kam mit Blick auf südasiatische Migrationsgeschichten insbesondere den Serangs eine große Bedeutung als (ver-)mittelnde Ökonomisierer zu, wie auch schon in der Kontextualisierung (insbesondere Kap. 2c 3) angesprochen:55 Ursprüchlich meist selbst Lascars gewesen, stellten sie nun den Kontakt zwischen britischen Arbeitgebern und südasiatischen Arbeitnehmern – potenziellen neuen Lascars – her (vgl. auch Kanekar 1928). Sie warben in Sylhet für die Arbeit auf britischen Schiffen. Sie sorgten für Vertrauen auf
54 Mit England lässt sich alternativ auch das Konzept der Gemeinschaft anführen, wenn „Community as Relationship“ (England 2011: 93 ff.) begriffen wird. Dabei kann festgestellt werden: „Community is a concept that resonates on multiple scales from the global to the local“ (ebd.: 92). Auch „Maritime Communities“ (McPherson 2007) müssen dementsprechend betrachtet werden. Besondere Aufmerksamkeit muss in diesem Zusammenhang auch der Kategorie Kommunikation eingeräumt werden, denn „die Einbeziehung in ein Imperium bedeutet den Anschluss an einen größeren Kommunikationsraum“
(Osterhammel
2009a:
664).
Kommunikation
‚macht‘
gewissermaßen Netzwerke und Gemeinschaften, stellt diese her, implementiert, verstetigt und reproduziert diese. 55 Noch einmal sei hier der Hinweis erlaubt, dass Serangs teilweise auch als Sarongs oder Sarengs bezeichnet werden. Nähere Erläuterungen zu ihrer Rolle bietet z.B. auch Gardner (1995).
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beiden Seiten des Arbeitsverhältnisses, sie führten Ökonomie aus und leiteten sie zugleich an.56 Ein Beispiel für ein derartiges Sich-Einfügen in ökonomische Zusammenhänge stellt Ali dar, der als ökonomisierter und zugleich ökonomisierender Akteur nicht zuletzt einen Teil seines Gehalts in seine alte Heimat überführte – eine weitere Facette der sozio-ökonomischen Verwobenheit von Migrantennetzwerken: „Then I got a job as a dry dock serang. There was an Englishman who had the contract to clean and paint the ships in the dry dock, and he gave me the contract to bring men to do the painting and cleaning. I had to go to the coffee shops around Kidderpore and fetch the men. I met that Englishman when I had to carry something to his house, and I told him I was a good painter – I had learned it in the ship – so he said I could paint a room in his house for him. He asked me what paint I would want, and I said ‚Gloss‘, so he knew that I really did know painting, and he gave me the job for the dry dock. I did that for five years. I didn’t make much money, and what I did get I used to spend on going out to the cinema and things, and some I sent home“ (Ali 1987: 71 f.).
Die Dimension der Netzwerke zeigt besonders deutlich auf, „how the modern South Asian subject was formed through the overlapping stories of those who left and those who remained“ (Kabir 2013: 394). Schon in der Jugend kamen die Sylheter Jungen mit anderen Lascars, mit Kalkutta, mit Konsum und Schiffen als heterotope Repräsentanten eines verheißungsvollen Systems, einer faszinierenden (und dadurch einflussreichen, disziplinierenden, weil handlungsanleitenden) Ökonomie, einer von den schon ausgewanderten Südasiaten offenbar schon realisierten und für die noch in Sylhet Verweilenden vermeintlich zukünftig realisierbaren Utopie (vgl. Foucault 2005) in Form von „Disciplinary Spaces“ (Fischer-Tahir & Wagenhofer [Hrsg.] 2017),57 in Kontakt:
56 Die vermittelnde Rolle der Serangs barg großes Machtpotenzial, wie es auch immer typisch für (Migranten-)Netzwerke, aber auch generell jedwede Form von sozialen Gruppen und Interaktionen ist (vgl. Schiffauer 2006: 105). 57 Foucault erläutert, „warum das Schiff für unsere Zivilisation zumindest seit dem 16. Jahrhundert nicht nur das wichtigste Instrument zur wirtschaftlichen Entwicklung gewesen ist, sondern auch das größte Reservoir für die Fantasie. Das Schiff ist die Heterotopie par excellence. Zivilisationen, die keine Schiffe besitzen, sind wie Kinder, deren Eltern kein Ehebett haben, auf dem sie spielen können. Dann versiegen ihre Träume. An die Stelle des Abenteuers tritt dort die Bespitzelung und an die Stelle der glanzvollen Freibeuter die häßliche Polizei“ (Foucault 2005: 21 f.).
180 | M ACHT -(W)ORTE „Before I got a ship I went to Calcutta twice, stayed two or three months and then went home… no ship. In that time I sometimes worked in the dock – some ship chipping, some ship clean up – pay by the day. We used to work one or two days, then again off. It was hard work. Then afterwards we used to come home, sleep, then go to the coffee shop, talk with the seamen. They used to talk all the time about the ship, travelling“ (H. K. Miah 1987: 129).
Insbesondere Verwandte und Bekannte erzählten den gegenwärtig oder zukünftig potenziell Arbeitsfähigen in Sylhet von der Arbeit auf britischen Schiffen, schürten die Faszination.58 Wenn diese „imaginäre[n] Räume“ (Schiffauer 2006: 108 f.) bzw. Orte schließlich (mit-)entscheidend für den Entschluss zur Auswanderung werden, dann nehmen sie performativen Charakter an, werden real. Ein etwas längeres Zitat soll diese Zusammenhänge verdeutlichen: „My father was in the ships long ago, fifty or fifty-five years – when I was young – he came to Liverpool twice. But he didn’t do much, he stopped after two or three years. He told me how it was working in the ship – how you make friends with people, how to treat people, and that helped me when I came. He was a fireman. He went because in my country there is no money, everything very cheap, if anybody want to make money, he can’t get job. So some got the seamen’s jobs, going from Sylhet to Calcutta and signing with the ship. My father was one of the first to go. The money that he made… oh well, at that time it was much money in my country. He bought a farm, and did this and that other things. […]. I first saw English people when I was about fourteen, in Sylhet and Calcutta. I came to Calcutta with some older men – local fellows – with one serang, fireman – serang, just like foreman. My father asked him to take me to Calcutta and get me a job. The serang’s name was Joirul Hoque, he came from the next village“ (H. K. Miah 1987: 127 f.).
Einmal selbst ausgewandert und in England gewesen, imitierten einige der untersuchten Männer die Praktiken ihrer Vorgänger und reproduzierten so die wirtschaftlichen Strukturen durch Verstetigung der Pfade, durch Pflege der Netzwerke und wiederholtes Aufrechterhalten der Faszination Auswanderung, indem sie entweder selbst ‚nach Hause‘, d.h. nach Sylhet zurück kamen, oder zumindest dorthin Geld verschickten: 58 Ein Zitat von Schiffauer unterfüttert dies: „Die Tatsache, dass Migration grenzüberspannende soziale Beziehungen konstituiert, hat ein Gegenstück im Bereich der Vorstellungen bzw. des Imaginären. Sie lässt die Welt als ‚Möglichkeitsraum‘ entstehen. Die Tatsache, dass Nahverwandte und Freunde, also Personen ‚wie ich‘, sich für ein Leben anderswo, mit anderen Grenzen und Chancen entschieden haben, konfrontiert den Einzelnen mit Alternativen zum hier und jetzt“ (Schiffauer 2006: 108).
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„Bangladesh people very hungry, that’s why I come […] to London. I send money to buy a farm. Enough land now for food, but no extra for cloth. […]. When I go home I tell I live very well in England – good food, water, electric – easy work, easy cooking. This country good for food and everything. Bangladesh, hungry… hungry… too hard work. If my son could come, I happy, he happy“ (S. Miah 1987: 139).
Die südasiatische „Arbeitsdiaspora“ (Osterhammel 2009a: 175) spannte somit vielerlei Netze, von denen auch und besonders die Herkunfsregionen profitieren, aber hierdurch wiederum auch Abhängigkeiten entwickeln konnten, wie Osterhammel (ebd.: 176) mit Blick auf finanzielle Rücksendungen von Auswanderern zurück nach Indien verdeutlicht. Entsprechende Netzwerke entstanden nicht nur in der Interaktion von Zuhausegebliebenen und Ausgewanderten, sondern auch im Zielland (vgl. auch Mowat 1949). Hier kümmerten sich mehr oder minder mit den Begebenheiten in der Aufnahmegesellschaft vertraute Ex-Migranten um die Neuankömmlinge: „Many problems arose not only in writing letters or filling in forms, but also in handling the sick, the injured and in interpreting“ (Choudhury 1993: 68). Durch die (Aus-)Bildung von Landsleuten – z.B. durch Sprachkurse – oder durch die Vermittlung von Arbeitsplätzen wurden soziale Strukturen geschaffen, die kurz-, mittel- oder langfristig (auch) ökonomischen ‚Nutzen‘ versprachen: „We opened a school here – I and Malik – in Toynbee Hall. We put Anne Evans in there to help our people. First we had the English classes, then the drama. I found Mr. Bose, he was living in Bow at that time and earning thirteen pounds a week in a factory. I asked him to come and teach drama, and I would pay him. I took him to Leman Street Police Station, and they took him as an interpreter. […]. I will tell you why there were too many Sylhettis. It was because we all helped each other. I brought twenty men myself, when the vouchers came in, and I must have brought two hundred from the ship in the war, so if each of them helped twenty more… you see how it happened… of course in those days we never imagined there would be so many people – we just wanted to help our brothers“ (Ali 1987: 89).
Weitestgehend unbewusst, gleichwohl nicht uneigennützig – die hilfsbereiten, schon etablierten Initiierer entsprechender Angebote konnten sich selbst, z.B. in eventuellen Notfällen, der Hilfe ihrer eigens geschaffenen Netzwerke gewiss sein – wurde auf diese vielfältigen Arten und Weisen wirtschaftlich gedacht und so Wirtschaft ‚gemacht‘.
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(5) Orte Kapitalismus braucht Orte. Was in Zeiten neoliberaler Wettbewerbs- und Konkurrenzatmosphären zwischen Städten und Regionen im 21. Jahrhundert nachvollziehbar ist, kann aber auch anhand historischer Geographien der Ökonomie skizziert werden. Ein derartiger Ansatz widerspricht Osterhammel, der in seinem globalhistorischen Werk „Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts“ (2009a) hervorhebt: „Die Zusammenhänge zwischen Kapitalismus und Territorium sind besonders umstritten. Offenkundig operiert der nach 1945 entstehende globale Kapitalismus ‚transnational‘ und bedarf weniger als frühere Formen einer konkreten örtlichen Verankerung“ (ebd.: 955).
Diese Einschätzung von Osterhammel scheint zunächst zu überzeugen, denn „die Produktion wird immer mobiler, und manche Geschäfte lassen sich unter Bedingungen von Internet und fortgeschrittener Telekommunikation an fast jedem Ort der Welt erledigen“ (ebd.: 955 f.). Um zu zeigen, dass Orte dennoch ein zentrales Element der Wirtschaftswirkung, der Bedeutung und Kraft von Ökonomie sind, soll im Folgenden ein für die Ökonomisierung der Migranten besonders wichtiger Ort vorgestellt werden: Kalkutta, das als wichtiges Teilziel- bzw. wirkmächtiger Zwischenschritt auf dem Weg von Sylhet zum eigentlichen (End-)Ziel London fungierte. Dabei lässt sich mit Foucaults Konzept der Heterotopien (2005) spielen, um dem realitätsmachenden Charakter ökonomisierender Dispositive Rechnung zu tragen. Wie schon in den bisherigen Monographien des Autors (Schwegmann 2016, 2017) sowie in Teilen der hier vorliegenden Arbeit im Ansatz – und immer in Anlehnung an den geistigen Schöpfer dieses Deutungsangebots: Foucault – skizziert, können mit dem Begriff der Heterotopie Gegenorte belegt werden, die als realisierte Utopie faszinieren und zugleich Gesellschaft disziplinieren bzw. ‚regieren‘. Durch eine beispielhafte Anwendung dieses Ansatzes soll dies im Subkapitel ‚Orte‘ noch stärker verdeutlicht werden. Vor diesem Hintergrund hilft hier insbesondere eine diskurstheoretische Herangehensweise in der Tradition humangeographischer Zugangsversuche weiter, wie sie etwa in „Diskursforschung in der Humangeographie“ (Glasze & Mattissek 2014) umrissen wird, wenn „diskurstheoretische Ansätze in der Humangeographie die Konstitution von Raum und Räumlichkeit einerseits und soziale Beziehungen andererseits als untrennbar miteinander verflochten“ (ebd.: 208) betrachten. Denn (Human-)Geographen „fokussieren insbesondere auf Zusammenhänge zwischen Raum, Macht und Identität“ (ebd.). Hierbei helfen „humangeographische Konzeptionen von Raum“ (ebd.: 209 f.); diese „gehen […] davon aus, dass die Konstruktion von Räumen durch gesellschaftliche Praktiken und
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Strukturen geprägt wird. Räume werden als Ausdruck und Konsequenz gesellschaftlicher Praktiken und Strukturen gedacht – als sozial konstruiert“ (ebd.: 210). In diesem Sinne zielt „ein diskurstheoretisches Verständnis von Raum“ (ebd.: 210 ff.) und Ort auf ex- oder implizit zugrunde liegenden „Grenzziehungsprozesse, Territorialisierungen und raumbezogene Identitäten“ (ebd.: 213 f.) ab. Wenn wir nun weitergehend auf die Zusammenhänge von „Ökonomie und Raum“ (ebd.: 214 f.) sowie die damit verbundenen Ortsrealisierungen schauen, ergeben sich vielerlei kritisch-reflektierende Perspektiven zur Herstellung ökonomischer Wirklichkeiten: „Diskurstheoretisch motivierte Ansätze können […] aufzeigen, dass auch wirtschaftliche Notwendigkeiten und ökonomische Gesetzmäßigkeiten als kontingente, brüchige und veränderbare Ergebnisse diskursiver Konstitution verstanden werden können“ (ebd.).59 Doch zu allererst zur Relevanz von Orten – und damit zur Legitimierung dieses kleinen Schwerpunktes, den diese im Vergleich zu den anderen Subkapiteln etwas längere Episode kennzeichnet. „Far from being a dead-end topic, place continues to encapsulate some of the deepest human desires and paradoxes“, so Price (2013: 127).60 Damit wird Ort zum Identitätsträger: „Places are made through human interaction over time with a locale and its elements; in turn, identities both individual and collective are solidified through human relationships to place“ (ebd.: 122). In Orten kristallisiert sich besonders anschaulich die „Räumlichkeit kollektiver Identitätsformen“ (Pott 2007: 32 ff.).61 In diesem Sinne spricht Pott auch von Orten bzw. Ortsbezügen als „Identitätsanker“, die Sinn, Sicherheit und Kohärenz erlauben würden, in diesem Kontext aber auch Selbstund Fremdzuschreibungen ermöglichen wie verhindern könnten (ebd.: 30). Weiterhin mit Pott können wir Orte „als wichtige Medien zur Herstellung, Verfestigung und Kontrolle, aber auch zur Veränderung von Identitäten interpretieren,
59 Glasze und Mattissek spezifizieren: „In anderen Worten: auch die ‚Gesetze‘ der Wirtschaft und des Marktes sind kulturell in dem Sinne, dass sie gesellschaftliche Konstrukte darstellen, und politisch in dem Sinne, dass sie auf Entscheidungsprozessen und Hegemonialisierungen beruhen“ (Glasze & Mattissek 2014: 215). 60 Ähnlich argumentiert Hoelscher: „Place is also one of those concepts that is simple enough until you begin to think about how people create, perceive, and transform actual places“ (Hoelscher 2011: 245). 61 Pott fragte: „Wie wird […] welche Identität konstruiert? […] Welche spezifischen Orte und räumlichen Unterscheidungen werden in die Neukonstruktion von kollektiven Identitäten aufgenommen?“ (Pott 2007: 34).
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[…] Orte […] machen Identitäten sichtbar“ (ebd.: 30).62 Wie auch Hoelscher beschreibt: „place is essential to understanding how the world looks, how it functions, and how it feels to an incredibly wide range of social groups and individuals“ (Hoelscher 2011: 256). In diesem Tenor können Orte hergestellt und wieder zerstört werden (ebd.: 252 ff.) – durch vielerlei Praktiken und Diskurse. Vor dem Hintergrund einer auch materiell ‚geerdeten’ Diskurs- bzw. Dispositivforschung, wie sie hier beabsichtigt ist, bietet es sich in diesem Kontext an, Orte als „Assemblages“ (Cresswell 2011: 239) zu begreifen: „Places are increasingly thought of as the interplay of the[] realms of the material, the immaterial and representational“ (ebd.). In der nun aufgeführten Exemplifizierung soll dies näher ausgeführt werden, indem auf die Rolle von Hafenstädten des Indischen Ozeans eingegangen wird – und dabei speziell auf Kalkutta.63 Nachdem in den vorigen Subkapiteln schon einige Mechanismen, die Kalkutta und dessen Bedeutung (aus-)machten, mehr oder minder indirekt angerissen wurden, soll nun noch stärker der Produktionscharakter dieser besonders ökonomisch (auf-)geladenen Heterotopie erläutert werden. Doch zunächst ein paar einleitende Sätze zu Hafenstädten per se. Wie Nissel in Bezug auf „Hafenstädte im Netzwerk britischer Weltherrschaft“ (Nissel 2004) festgestellt hat, hätten diese immer eine Sonder- und Mittlerrolle zwischen Innen und Außen eines Landes oder einer Region.64 Wenn wir Ort als „Werkstatt“ (Osterhammel 2009a: 975), als Stätte des Werkens, des Arbeitens, als Verortung kapitalistischer Praxis theoretisieren, dann lassen sich Hafenstädte damit als „Knoten der Macht“ (Nissel 2004: 190 ff.) lesen, „die deshalb immer im Zentrum der Interessen von Politik, Verwaltung, Handel und Militär lagen“ (ebd.: 190). Dies galt in der in dieser Studie primär betrachteten Zeit, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in besonderem Maße für Kalkutta: „Bis in die 1960er-Jahre
62 Oder anders ausgedrückt: „Where we are, both in space and in history, and who we are – our class, our gender, the cultures of which we are a part, plus the myriad of personal traits and proclivities that make up our selfhood – plays a central role in how both sorts of journey are shaped and made meaningful“ (Gardner 2002: 1). 63 Nissel (2004) offeriert einen glänzenden Überblick über die Hafenstädte des indischen Subkontinents mit ihren Verflechtungen untereinander sowie mit Blick auf das Zusammenspiel von britischer Herrschaft in Indien und im Indischen Ozean. 64 Nissel erläutert diesbezüglich: „Hafenstädte haben immer eine Doppelfunktion: Sie verbinden ein Land oder eine Region mit dem ‚Rest der Welt‘ – sind aber gleichzeitig die Eingangstore für Einflüsse ‚von außen‘, weit über ökonomische Austauschbeziehungen hinausgehend auch für politische, kulturelle, zivilisatorische und militärische Einwirkungen“ (Nissel 2004: 181).
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war Calcutta die größte urbane Agglomeration Indiens, der wichtigste Hafen und der bedeutendste Industriestandort des Landes“, so Nissel (ebd.: 195). Ihre große Bedeutung verdankte die Stadt vielen Faktoren, z.B. der Entwicklung und dem Aufschwung „der Dampfschifffahrt, der Multiplikation des überseeischen Transports von Massengütern und den großen Wellen der interkontinentalen Migration“ (Osterhammel 2009a: 403). Letzter Punkt verweist vor allem auf Kalkuttas historische Rolle schon vor dem 20. Jahrhundert als „the most important port of embarkation for the indentured emigrants destined for the sugar colonies“ (Lal 2013: 84). Während Kalkuttas heutiges Image aus europäischer Sicht nach wie vor stark negativ behaftet ist (vgl. z.B. „das Armutsproblem“, Weiß 2006), erschien es Indern zur Kolonialzeit (und nicht selten heute noch) als „Stadt der Paläste“ (Fischer-Tiné 2006), als „steinerne Utopie“ (Osterhammel 2009a: 413) europäischer Macht – nicht nur politischer, sondern auch rechtlicher und insbesondere ökonomischer. Kalkutta, Hauptstadt Britisch-Indiens von 1773 bis 1911, verhieß Wohlstand, war Sehnsuchtsort und Gegenwelt zugleich. Die imposanten Stadtpaläste der Kolonialzeit wurden aber nicht nur von Europäern bewohnt: Auch und vor allem Babus, wohlhabende Inder, die sich im System der Kolonialherrschaft einen mehr als auskömmlichen Platz gesichert hatten und oftmals schon zu Zeiten der East India Company im 18. Jahrhundert durch Handel mit eben dieser zu Wohlstand gekommen waren, lebten in den Villen (Harder 2006). Auch bengalische Kaufleute standen sinnbildlich für das Reichtum verheißende England, etwa wegen ihrer zur Schau gestellten Anglomanie, nicht zuletzt aber auch wegen ihrer ehemaligen beruflichen Verflechtungen und sozialen Kontakte in hohe britische Kreise der Stadt und darüber hinaus des Empires. Kalkutta hatte neben der „administrativ-militärische[n] Durchdringung des Subkontinents“ (Nissel 2004: 190) auch und vor allem große wirtschaftliche Relevanz.65 In Kalkutta selbst, stark geprägt durch die Jutefabriken an den Ufern des Hoogly (vgl. z.B. ebd.: 196), bestand neben Bedarf an Arbeitskräften in der Juteindustrie allgemein eine große Nachfrage nach Geringqualifizierten in über-
65 So hatte Kalkutta laut Nissel „vom ersten Tag an die Aufgabe, das reiche Hinterland Bengalen unter kommerzielle Kontrolle zu bekommen. Bereits um 1750 ging etwa die Hälfte von Indiens Ausfuhren über diesen Hafen. Dabei entstand die Handelsniederlassung, ähnlich wie Bombay oder Madras, an einer Stelle, der die lokalen Herrscher keine oder nur geringe Aufmerksamkeit schenkten, da ihre Politik wie ihre Handelsinteressen binnenorientiert waren. Die neuen Hafenstädte – von denen Calcutta der ‚Pionier bzw. Prototyp‘ war – hatten ja die Aufgabe, westlichen Händlern als Außenposten einer europäischen Weltwirtschaft zu dienen“ (ebd.: 194 f.).
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wiegend nur temporären Arbeitsverhältnissen.66 Hafenstädte und insbesondere Hafengesellschaften, so auch in Kalkutta, können zugleich als Mikrokosmen aufgefasst werden, wenn wir die „Sonderwelt Hafen“ (Osterhammel 2009a: 405 ff.) mit Foucault (2005) als heterotope Destination, nicht nur für potenzielle Auswanderer, auffassen.67 Darüber hinaus galt speziell Kalkutta in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als ein globales intellektuelles und künstlerisches Zentrum des gesellschaftlichen Lebens, als ‚Place to be‘ und Hotspot für Menschen unterschiedlichster Couleur (Frost 2010, Nissel 2004: 196). Aber nicht nur intellektuelle und/oder literarische, verschiedene realitätsmachende Diskurse (re-)produzierten diese Wirklichkeit und unterstreichen die Sonderstellung von Hafenstädten. Osterhammel führt beispielhaft an: „Bei Ordnungskräften aller Art stehen Hafenstädte im Ruf, Brutherde von Verbrechen und Aufruhr zu sein. Solche Einschätzungen bewahrheiteten sich im 20. noch mehr als im 19. Jahrhundert“ (Osterhammel 2009a: 410).68 Koloniale Hafenstädte galten als ethnisch besonders durchmischt (vgl. Osterhammel 2009b: 97).
66 Osterhammel verweist diesbezüglich auf die „Nachfrage nach Seeleuten und Transportarbeitern, nach Facharbeitern für Werften und ungelernten Arbeiterinnen und Arbeitern in der örtlichen Leichtindustrie, nach Kapitänen, Schiffsoffizieren, Lotsen und Hafeningenieuren. Dienstleistungen aller Art wurden angeboten und nachgefragt: von der Handelsfinanzierung bis zum Rotlichtdistrikt“ (Osterhammel 2009a: 409). Besonders Geringqualifizierte wurden gesucht: „Der wichtigste Unterschied zwischen einer Hafenstadt und einer Stadt im Binnenland war die außerordentliche Bedeutung von kurzfristiger Beschäftigung. Von heute auf morgen wurden Tagelöhner gesucht, und es gab eine große Zahl von Männern auf Arbeitssuche. Die Arbeiterschaft im Hafen war nahezu ausschließlich männlich“ (ebd.). 67 In diesem Zusammenhang ist auch eine Erläuterung von Osterhammel hilfreich: „Mehr als andere Orte tendieren Hafenstädte dazu, Räume der Abweichung und Innovation zu sein. Hier war der Staat mit Organen vertreten, die er sonst im städtischen Bereich selten brauchte: Zöllnern und Zollämtern. Spezielle Gerichte sprachen ein besonderes Recht, das der See. Ihre Lage macht Hafenstädte gegenüber Piraterie und Seekrieg besonders empfindlich“ (Osterhammel 2009a: 411). 68 Frost spricht von Kalkutta um 1900 „as a global intellectual centre“ (Frost 2010: 252) und beschreibt die Stadt als „the enlightened city“ (ebd.: 252 ff.) vor dem Hintergrund (westlich orientierter) Bildung: „Late-nineteenth century Calcutta, like other colonial port cities across British Asia, had experienced a major expansion in Western-style, English-language education. By 1908, the city was home to four daily Englishlanguage papers edited by Europeans, and five edited by Indians“ (ebd.: 253).
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Doch nicht nur diskursive, auch dispositiv-materielle Machtverhältnisse wurden in Kalkutta implementiert, denn „es war die steinerne Utopie eines neuen imperialen Rom, weniger als funktionierende Stadt gedacht denn als durchgestaltete Herrschaftslandschaft, in der auch Inder ihren Ort finden sollten“ (Osterhammel 2009a: 413). Kolonialstädte waren besonders wirkmächtige Arenen der Macht, nicht zuletzt aufgrund baulich-materieller Ausdrücke von Asymmetrien.69 Die Diskurse über Kalkutta standen somit im Wechselverhältnis mit ihrer konkret-materiellen Infrastruktur und Architektur, sie war als realisierte britischkoloniale Hegemonie kapitalistischer Ökonomie gleichzeitig imaginiertes Wunschbild vieler Südasiaten, die fasziniert waren von der diskursiv und dispositiv erfahrbaren Pracht der schillernden Großstadt sowie nicht zuletzt deren vielfältigen Arbeits- und Konsummöglichkeiten, denn „wherever Europeans conquered or established new port-cities, and set up new colonial states, they created a major need for infrastructure and […] personnel“ (Washbrook 2013b: 17). Die Performativität dieser Imaginationen und auf unterschiedlichen Wegen reproduzierten Machtverhältnisse zeigt sich in vielen Charakterisierungen durch die Migranten: „Calcutta was really something in those days. Before I die I would like to go to Calcutta again – it was such a wonderful place. I remember every Sunday I used to go to the Churirkhanna – the Zoo they call it in English. […]. You love Calcutta too, so you must really love India – a lot of people go to Calcutta and they don’t understand, and they think it is a bad place“ (Ali 1987: 82 f.).
In diesem Zitat findet konkretes Placemaking bzw. Place-Re-Making statt, das zudem – und daran gekoppelt bzw. daraus resultierend – als Economymaking er-
Kalkutta als kosmopolitischer ‚Umschlagsplatz‘ vielerlei Austauschprozesse – „Increasingly, the enhanced transport links that Calcutta experienced with other parts of India, and across the Bay of Bengal with Ceylon, Burma, and the Straits Settlements, brought this wider public closer to home“, (ebd.: 253 f.) – kann dabei auch als wichtiger Ort in der (Re-)Produktion von Unabhängigkeitsbestrebungen wie letztlich bewegungen begriffen werden. 69 Osterhammel spezifiziert: „Koloniale Städte hatten ihre unvermeidlichen Merkpunkte: Kirchen, Regierungsgebäude und Konsulate, das Zollhaus, den Bahnhof, die Kasernen, im britischen Empire die Pferderennbahn und manchmal auch den Golfplatz. Ihr räumliches Grundmuster bestand in der teils naturwüchsigen, teils politisch herbeigeführten Segregation der Wohngebiete nach rassischen Kriterien“ (Osterhammel 2009b: 95 f.).
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scheint: ‚Orte‘ und ‚Ökonomie(n)‘ – in ihren diskursiven und materiellen Verfasstheiten – werden in derartigen Zitaten erzeugt und reproduziert. Nicht zuletzt findet eine „urbane Selbstverwestlichung“ (Osterhammel 2009a: 424 ff.) statt, wenn die Migranten Orte mit westlichen Begriffen – „Zoo“ statt oder zumindest neben „Churirkhanna“ – belegen und dabei zu einer (Selbst-)Ökonomisierung derselben beitragen, da die Orte oftmals mit ökonomischen Praktiken verbunden sind. Ökonomie wird letztlich verortet, Arbeits- und Konsum-Plätze durch Diskurse und Praktiken stabilisierend ökonomisiert. Kalkutta war nämlich in vielerlei Hinsicht – faszinierend – fremd für die Migranten. In diesem Kontext sollte Osterhammel angeführt werden, der dafür plädierte, Hafenstädte „nicht bloß als Konglomerationen von Fremden aus dem Ausland“ (ebd.: 410) zu beschreiben, denn „die Fremdheit von Zuzüglern aus dem Hinterland ist nur eine graduell andere“ (ebd.). Die Fremdheit wurde dabei durch Arbeits- und Konsummöglichkeiten wie durch materielle Manifestierungen ökonomischer Macht (Paläste, Prachtbauten, Promenaden) semantisch positiv aufgeladen und ließ gerade die jungen Migranten träumen – und aufgrund eben dieser faszinierenden Imaginationen praktisch aktiv werden, nachdem entweder jemand aus Kalkutta in ihrem Dorf vorbei- bzw. zurückkam, sie Erzählungen lauschten oder sie selbst einmal in Kalkutta waren: „Calcutta… oh, it was nice. I got out of the train and saw everywhere big buildings, and heard everywhere radio and gramophone… it was nice. […] It all started before we were born. Some people came home from Calcutta, and them got nice new clothes – not suits but just nice shirt and dhoti – and they had nice health, and when they go home everybody say, ‚Oh so and so man came from Calcutta‘… that time everybody said they came from Calcutta, even if they’d been abroad. So everybody used to come and look at them, all the village. Sometimes a man might have been away six months or a year and everybody would come to see him, and everybody would enjoy coming in the house and sitting down, and looking his face, asking him all kinds of questions. And the young people used to think, ‚Oh – if I go there people will come and look at me too, and ask me things.‘ So that was why they went – for money too of course – that was the most important thing“ (H. K. Miah 1987: 127 f.).
Durch die konkreten Erfahrungsberichte, sicht- und hörbaren Requisiten entstanden so Sehnsuchtsorte, die Arbeit und Wohlstand verhießen.70
70 Bei der Wertschätzung der Stadt Kalkutta mit all ihren symbolischen und materiellen Wirklichkeitsherstellern erscheint erneut Bürgerlichkeit als Ideal für die Migranten,
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Kalkutta wies tatsächlich besonders viele ‚Werk-Stätten‘ auf, doch auch andere „Orte der Arbeit“ (Osterhammel 2009a: 975 ff.) wie Fabriken oder Schiffe gehörten in das Feld der (Re-)Produktion von Wirtschaft – denn „man kann Arbeit dadurch charakterisieren, wo sie stattfindet“ (ebd.: 975).71 Das Entstehen von Fabriken im 19. Jahrhundert, beispielsweise, „verlangte neue Arbeitsgewohnheiten, neue Arbeitsrhythmen und eine Art von Disziplin“ (ebd.: 977), die auf ökonomisch verwertbaren ‚Nutzen‘ abzielte. Auch die Neuankömmlinge in England waren – wie in der Kontextualisierung (genauer: in Kap. 2c 2) erwähnt – oftmals in Fabriken beschäftigt (z.B. Rasul 1987: 187) und fügten sich so in wirtschaftliche Wirkweisen ein. Es gab eine ganze Reihe von ökonomisierten und ökonomisierenden Städten, die Arbeit und damit Lohn versprachen – insbesondere folgende „diasporic cities in Britain: Bradford, Manchester, Leicester, London“ (Gould 2013). Eine andere ‚Arbeits-Stätte‘ stellte das (britische) Schiff dar, das als „ein extrem hierarchischer und segmentär geordneter sozialer Raum“ (Osterhammel 2009a: 987) erschien und nicht zuletzt als „neben dem Militär und der Plantage der am stärksten mit Gewalt aufgeladene Arbeitsplatz“ (ebd.: 987) eingeordnet werden kann. Gerade für Geringqualifizierte wie die betrachteten Männer aus Sylhet fanden sich in Kalkutta viele Tätigkeiten: „Die Mechanisierung der Transportarbeit senkte die Anforderungen für die Masse der Arbeiter weiter“ (ebd.: 409). Kalkutta verhieß für die Migranten neben der Aussicht auf derartige ArbeitsStätten zudem mehr oder minder exklusive Konsummöglichkeiten: „When I was young there were English people in Sylhet, in the tea gardens. I have never seen a tea garden, only from the train going to Calcutta“ (Wahab 1987: 209). Die Faszination des Besonderen durch Konsum wirkt sich dabei insofern auf Orte aus, als diese, wie eben Kalkutta, aufgesucht und damit als Gegenort reproduziert werden, um z.B. Konsum – und damit sozio-ökonomische Zugehörigkeit und/oder Distinktion – an ihnen zu erfahren. Diskurse bedingen Praktiken, und Praktiken wirken letztlich wieder zurück auf Diskurse. Diskurse und Praktiken haben Einfluss auf Materialität in Form von faszinativ gestalteten oder zumindest erscheinenden Architekturen, welche wiederum Diskurse und Praktiken influenzieren, so das auf wenige Konzepte heruntergebrochene Ritornell wirklichkeitsgenerierender Dispositive.
denn „der klassische Bürger ist ein Stadtmensch, kein Vorortbewohner“ (Osterhammel 2009a: 1102). 71 Gleichwohl: „Die Welt der Arbeit ist eben mehr als die Summe separater Standorte“ (Ahuja 2000: 134).
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Vor diesem Hintergrund bleibt einstweilen festzuhalten: Hafenstädte wie Kalkutta disziplinieren, weil sie Menschen ökonomisch responsibilisieren. Orte ökonomisieren, weil sie in ihrer identitätsstiftenden semantischen Aufladung im Zusammenspiel mit Materialität ökonomisierend wirken. Ohnehin scheinen Ortsbezüge, wie sie z.B. im Beschreiben von Mobilität als gewichtiger Teil der Sylheter Identität in den Lebensgeschichten hervorscheinen, ungemein relevant für das Selbstverständnis: „People of Sylhet are very daredevil types – you may say a wandering race, they like to see the world, like to go all over – very inquisitive type. You will find all over the world, in very nook and corner, not only England, but even Russia, America, Canada, Australia… everywhere you will find Sylhettis. And it is the seafaring men, they enter a port, they settle, they bring others after them. Here in this country the student community from my country – they boast that such and such a man is having high position, but at the bottom you will find that those Sylhetti people, they organized something here, they made a few restaurants at that time. And those students who came here, they always knew that“ (Qureshi 1987: 153).
Orte verstärken damit die (Selbst-)Ökonomisierung, der sich die Migranten hingeben (müssen); Orte werden oftmals mit positiv konnotierten semantischen Feldern wie Arbeit, Wohlstand, sozialer Anerkennung o. Ä. verknüpft. Zwar standen die im Rahmen dieser Arbeit betrachteten Männer als Hafenarbeiter in Kalkutta – zumindest solange sie nicht zu Serangs aufstiegen und selbst Nachwuchskräfte für die Arbeit in Kalkutta oder auf See rekrutierten – „ganz unten in der Arbeiterhierarchie“ (Osterhammel 2009a: 409), aber in ihrer ländlich geprägten und ärmlichen Heimat waren sie hoch angesehen. Doch nicht nur ‚Kalkutta‘, sondern ebenso andere britische bzw. britisch beeinflusste Orte wie etwa das ‚Mutterland‘ England oder auch gerade London sowie die mit ihnen verbundenen Diskurse und ‚Dinge‘ wirkten auf und für die Migranten identitätsstiftend.72 Dieser Punkt führt uns schon zu unserem nächsten
72 Wood konstatiert für das beginnende 20. Jahrhundert: „In diesem Zeitraum, auf dem Höhepunkt seiner kolonialen Macht, verfügte das Vereinigte Königreich über eine der komplexesten Kolonialverwaltungen, und die City of London avancierte in dieser Zeit zum führenden internationalen Finanzzentrum“ (Wood 2016: 17). Zu jener Zeit „war die britische Hauptstadt der politische und wirtschaftliche Dreh- und Angelpunkt der Welt, gewissermaßen das Epizentrum des British Empire, das Großbritannien seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert sukzessive geschaffen hatte“ (Selbach & Zehner 2016: 12). Zugegeben, und/denn dies soll nicht verschwiegen werden: Auch andere als im
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Subkapitel als weiteres Beispiel für die Wirkung von Wirtschaft durch Orte: der Wirkmächtigkeit von ‚Nation‘. Zuvor kann aber auch noch die rechtsrealisierende Rolle von Orten hervorgehoben werden. Denn Orte sind gleichwohl nicht nur für ökonomische Realisierungen, sondern auch für die subjektivierte Selbst-Verrechtlichung der Migranten zentral. Durch Verrechtlichungsprozesse findet nicht zuletzt ein, im wahrsten Sinne des Wortes, ‚recht-setzendes‘ Placemaking statt, dieses leitet wiederum rechtsetzende Verrechtlichungsprozesse an. Dazu einige Beispiele zum Mieten oder Kauf von Lokalitäten zur Eröffnung von Restaurants durch die Migranten: „We went to the solicitor’s office and signed all the papers, then I got a builder to come, and he gave me an estimate of paint and repair the place for one hundred pounds… you wouldn’t even do one room for that now… I made a new signboard and everything. I gave it the name Calcutta Restaurant“ (Ali 1987: 81). „We found a place in Backchurch Lane, but it was too expensive – then we found another in Cannon Street Road. The landlord wanted six pounds per week, for the ground floor and the yard. I said that was too much, so he said, ‚Alright, five pounds.‘ I paid four weeks rent in advance, then another sixty pounds to get the place fixed up, so that was eighty pounds altogether“ (ebd.: 85). „He was looking for the place, and he got a place in Brompton Road, just past the Harrod. He got the licence in his name, and we gave the money, he had no money. We were partners, and it cost seven hundred pounds, complete… we had four hundred pounds of our own, and three hundred pounds we had borrowed… nowadays anybody can give you two or three hundred… five hundred… a thousand… but that time it was quite a lot of money, ten pounds from one person, twenty pounds from another, and we opened the restaurant“ (Islam 1987: 102).
In diesen Zitaten spiegelt sich die Verknüpfung von Recht mit oftmals materialisierten Orten bzw. „Imaginings of Space in […] Law“ (Volpp 2013), wie sie insbesondere in Immobilienangelegenheiten zum Ausdruck kommen. Erneut gilt: In der (An-)Erkennung dieser örtlich wirksamen, nicht selten handlungs-
gleichen Maße wie Indien unmittelbar unter britischer Kontrolle stehende räumliche Dimensionen werden in den Lebensgeschichten angesprochen, so z.B. Afrika. Rasul erklärt etwa: „It was good in Africa“ (Rasul 1987: 182), doch „African people didn’t have shops“ (ebd.), bieten oftmals nicht die Arbeits- oder Konsummöglichkeiten – ergo ökonomische Dimensionen – wie Teile des Empires.
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oder zumindest imaginationsanleitenden Verknüpfungen wird Recht tatsächlich ‚weg-weisend‘ gesetzt, verortet und geortet, wird Recht realisiert. In der im letzten Subkapitel (4b 9) noch näher anzusprechenden Anerkennung von Ausweisen werden rechtliche Wirklichkeiten ebenfalls in der Verquickung örtlicher mit nationalen und materiellen Dimensionen realisiert: „I had obtained an identity card from the Indian High Commission. The High Commissioner certifies that he is an Indian, that he comes from such and such a village, and the High Commission wouldn’t do it just like that, they would send to the police authorities in India, and they would enquire, and then they issue it. After a certain time, you can’t be challenged for leaving the ship, because their warrant was only for a limited period, after that can’t. Then I was quite alright – free – and many like me. The eventually I got my British passport, now I am British. I never had Indian, Pakistani or Bangladeshi passport. All along, since I had my passport, I am British“ (Qureshi 1987: 155).
Auch hier zeigt sich die Verbindung von rechtlichen mit örtlichen bzw. räumlichen Kategorien, wenn Pässe in geopolitischen Kategorien ausgestellt und Nationen rechtsgeographisch verortet werden. (6) Nation „The scattering of peoples through slavery, indenture, as well as macroregional labor markets and trade has, increasingly in recent years, been understood through the metaphor of diaspora. […]. As such territorially unbounded communities, diasporas, too, have often been understood as posing challenges to the formations and consolidation of nation states as the major organizers of human identities, solidarities and loyalties. In our own times, furthermore, diasporas are often understood to generate complex, fluid, and hybrid identities that disrupt or complicate the hegemony of nation states“ (Gabaccia & Hoerder 2011: 8).
Dies, insbesondere das Infragestellen der Hegemonie des Nationalstaates mag für viele Formen von Migration gelten, muss für die Lebensgeschichten im Rahmen dieser Arbeit allerdings seinerseits infrage gestellt werden. Schon Washbrook stellte fest, dass „the British Empire’s ideologies of citizenship and nation- and subject-hood“ (Washbrook 2013b: 17) eine entscheidende Rolle in der Schaffung und Verfestigung von Identitäten spielten. Die hier exemplarisch betrachteten Migranten preisen das British Empire, identifizieren sich stark mit ihm und den von ihm ausgehenden Identitätspolitiken, reproduzieren es so: „We were born under the British flag, and we have come to our mother country“ (Ali
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1987: 94). Damit bejahen sie indirekt, d.h. in der Regel unbewusst, auch die britische Wirtschaftsordnung, da sie sich durch mentale Identifikation und die Praxis der Migration in ökonomische Strukturen einfügen.73 Wenn wir in diesem Sinne nämlich feststellen können: „Der Kolonialismus trug zur Universalisierung des europäischen Staatskonzepts bei. Dies war eine seiner folgenschwersten Wirkungen“ (Osterhammel 2009b: 76), dann lassen sich allgemein mit Osterhammel Verbindungen zwischen „territoriale[m] Verwaltungsstaat und Nation“ (ebd.: 76 f.) ziehen: Durch die Durchsetzung des Territorialprinzips wurden Grenzen nicht selten ‚willkührlich‘ gezogen, um der Herstellung von nach europäischem Vorbild homogenen Nationen ein räumliches Äquivalent zu geben (vgl. ebd.: 77) – so entstanden schließlich nationale Gesellschaften, denen die englische Nation als gemeinsamer Nenner erschien.74 In diesem Sinne lässt sich auf Hyslop verweisen, der sich mit der Frage der (politischen) Identität von Lascars (Hyslop 2011: 46) beschäftigt hat. Es scheint bewiesen, dass die südasiatischen Migranten nicht per se antikolonial eingestellt waren: „Lascars were very active agents in the world, but not at all times actively anti-colonial“ (ebd.: 47). Stattdesssen könne teilweise von einem „certain faith in imperial justice, which made their anger when it failed all the more bitter“ (ebd.: 46) ausgegangen werden. Durch die starke Identifikation mit den Wohlstand verheißenden, imaginierten Geographien der britisch-kapitalistischen Ökonomie, konkret durch die Identifikation mit dem Zielland England, seinen Werten und seinem offenkundigen Reichtum, wird ein hybrides Panorama reziproker Kontingenz deutlich, dessen sich kreuzende Flüsse im Spannungsfeld zwischen Heimat/Sylheter Identität und Ziel/britischer Identität divergieren. Wenn ‚labour‘ als positiv aufgefasst wird, dann sind Räume und Nationen, die ‚labour‘ verheißen, positiv konnotiert, dann möchte der sich mit diesen Werten Identifizierende gerne auch Teil dieser Welt, dieses Raums, dieser Nation, dieser Gemeinschaft, ihrer ‚Werte‘ (im doppelten Sinne) und Märkte werden, die der Migrant schon durch das bloße Handeln nach eben diesen – westlich-kapitalischen – Grundsätzen der Ökonomie performativ, diskursiv und praktisch sowie materiell reproduziert.
73 Auch wenn es sicher auch Gegenbewegungen gab: „From the turn of the twentieth century, the rise of nationalist ideologies began to question not just the right of ‚foreign‘ Europeans to rule over other societies, but that of members of ‚alien‘ cultures to be present in them at all“ (Washbrook 2013b: 19). 74 Beides, die Nationalisierung wie die Territorialisierung, ruft in postkolonialen Zeiten nach wie vor vielerlei gesellschaftliche, kulturelle und ökonomische Konflikte hervor.
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Neben den schon erwähnten Dimensionen Geld, Konsum, Arbeit, Netzwerke, sowie Ort fungieren demnach auch ‚nationale‘ Kategorien wie die Armee oder Politik als Teil einer bestimmten Wirtschaftsordnung, denn politische Entitäten beinhalten mit bzw. in vielen ihrer Repräsentationen nicht zuletzt ökonomische Ordnungsmechanismen und in der Regel gar konkrete Erwerbsmöglichkeiten. So diese Komponenten aktiv bejaht, genutzt oder auch nur passiv geduldet oder unbewusst imaginiert werden, finden mehr oder minder umfangreiche Reproduktions- und Verstetigungsmechanismen statt: Durch verschiedene Repräsentanten, Repräsentationen oder Diskurse über das (Vorbild) British Empire sowie durch die Übernahme oder zumindest unbewusste Anerkennung dieser nationalen Elemente durch die Migranten erfolgt eine tiefgreifende, weil mental-imaginiert wie identitär-performativ unterstrichene sowie unterstreichende Vermarktlichung. Nach diesen einleitenden Worten kann nun, vor allem unter Rückgriff auf Osterhammel (2009a), eine historische, insbesondere mentalitätsgeschichtliche Einordnung einer national-identitären Wirtschaftswirkung vorgenommen werden, bevor – letztere unterfütternd – konkrete Beispiele aus den Lebensgeschichten präsentiert werden. Schon seit dem 19. Jahrhundert waren „Imperien und Nationalstaaten […] die größten politischen Ordnungseinheiten menschlichen Zusammenlebens. […] Fast alle Menschen lebten unter einer imperialen oder einer nationalstaatlichen Autorität“ (Osterhammel 2009a: 565). Besonders interessiert uns in diesem Zusammenhang die „fundamentale Tatsache, dass Großbritannien in der Welt draußen als geschlossener imperialer Nationalstaat wahrgenommen wurde“ (ebd.: 647). Doch auch in Bezug auf die Innensicht, das Selbstbild und die Eigenwahrnehmung kann von einer entsprechenden national-identitären Geschlossenheit ausgegangen werden, die von einem zivilisationsmissionarischen Duktus herrührte.75
75 Osterhammel verdeutlicht: „Der (männliche) Brite sah seine Überlegenheit in der Kunst des Eroberns, im Erfolg des Handels und in den Wohltaten, die britische Herrschaft über alle bringe, die mit ihr in Berührung kämen. Überlegen waren nach diesem Selbstverständnis die Briten […] gegenüber den farbigen Völkern, die einer disziplinierenden und zugleich zivilisierenden Führung bedürften“ (Osterhammel 2009a: 647). So „war das britische Verhältnis zur Welt im gesamten 19. Jahrhundert stark zivilisationsmissionarisch grundiert. […] Der ideologische Kern der britischen Haltung zur Welt war eine civilizing mission, die mit pragmatischen Mitteln und ohne rechthaberischen Fanatismus verwirklicht werden sollte. Im günstigsten Falle genügte ein Blick auf das britische Vorbild, um von seiner Unübertrefflichkeit überzeugt zu werden“ (ebd.: 648). Und „selbst wenn es stimmt, dass sich große Teile der britischen
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Dieses im Selbstverständnis vieler Briten inkorporierten, identitätszuschreibenden und -stiftenden Element konnte in gewisser Weise auf viele Menschen in den Kolonien – eine Ausnahme war Gandhi – ‚abstrahlen‘, da die Einheimischen auf vielfältige Art und Weisen mit der Hegemonialmacht in machtasymmetrische Verbindung gerieten und in machtasymmetrischer Verbindung standen (siehe z.B. die schon erläuterten Dimensionen der Wirtschaftswirkung, die auch als Repräsentanten einer gewissen Politik zu verstehen sein können und damit zu einer ‚Politikproduktion‘ beitragen). Scott erläutert: „In sum, the legibility of a society provides the capacity for large-scale social engineering, high-modernist ideology provides the desire, the authoritarian state provides the determination to act on that desire, and an incapacitated civil society provides the leveled social terrain on which to build“ (Scott 1998: 5). Die (sich auch selbst beherrschenden) ‚Beherrschten‘, so zumindest die hier betrachteten Migranten, divergierten in diesem Kontext nicht selten mental zwischen Ehrfurcht und Anerkennung; sie wollten Teil dieser ‚Überlegenheitsgemeinschaft‘ sein, denn „die Idee, die Engländer seien ein Werkzeug der Vorsehung zur Verbesserung der Welt, bildete eine Art von Grundbass des britischen Selbstverständnisses“ (Osterhammel 2009a: 648), was auch großen Einfluss auf die Migranten hatte, wie in folgendem Zitat deutlich wird: „The country I have always admired and preferred… England is the best country in God’s Creation. […] Here the Government provides everything for the people… what more could one expect? America may be rich, but what people of this country have gained, the world in general would never get“ (Qureshi 1987: 178).
Das ‚Mutterland‘ wurde in diesem Sinne in nahezu jedweder Hinsicht als (idealisiertes?) Vorbild aufgenommen: politisch, zivilisatorisch-kulturell und besonders eben auch ökonomisch.76 Das British Empire galt als „weltumspannendes Sys-
Bevölkerung für das Empire wenig interessierten, so gab es doch immer noch Millionen, die ‚stolz auf das Reich‘ waren und es als ein Prestigeobjekt (status goods) konsumierten. Man schwelgte auch dann in imperialem Pomp, wenn es nicht galt, ‚Eingeborene‘ zu beeindrucken, sondern nur sich selbst“ (ebd.: 656). 76 Denn „Großbritannien hatte bis ins letzte Quartal des 19. Jahrhunderts hinein die leistungsfähigste Volkswirtschaft der Welt. Es war um 1830 herum zum workshop of the world geworden. Seine Leichtindustrie versorgte Märkte auf allen Kontinenten. Die meisten Eisenschiffe, Eisenbahnen und Textilmaschinen wurden in Großbritannien gebaut. Großbritannien bot Waren an, die es sonst noch nirgendwo gab. Mit diesen Waren verbreiteten sich Konsummuster, die sich kulturell einwurzelten und die wie-
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tem kapitalistischer Ermöglichung“ (Osterhammel 2009a: 652); schon im 19. Jahrhundert, genauer: „Zur Jahrhundertmitte war die ökonomische Freiheit der Meere hergestellt“ (ebd.). Zwar erfolgte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in weltpolitischer wie ökonomischer Hinsicht mit Bezug auf seine Bedeutung eine langsame, gleichwohl immer fragmentiert von statten gehende Ablösung des British Empire durch die Vereinigten Staaten von Amerika, doch in den britischen Kolonien war die britische Strahlkraft – trotz stärker werdender Unabhängigkeitsbestrebungen und lauter werdenden Protesten – in dieser Zeit nach wie vor groß.77 Die alltägliche (An-)Erkennung der hierarchischen Machtstruktur zwischen politisch dominantem, zivilisatorisch-kulturell vorbildlichem und insbesondere wirtschaftlich prosperierendem Mutterland bzw. der britischen Nation auf der einen und der Kolonie auf der anderen Seite versprach konkrete Belohnungen wie sozialen Aufstieg und steigende Lebensqualität (vgl. ebd.: 666). Einige prägnante Beispiele aus den Lebensgeschichten sollen an dieser Stelle angeführt werden, um die britische Strahlkraft, die sich neben kulturspezifischzivilisatorischen primär aus wirtschaftlichen Aufladungen speiste, zu verdeutlichen. Die Bereitschaft, als Teil der britischen Armee im Zweiten Weltkrieg zu kämpfen – „The outbreak of the Second World War and the Bengali famine of 1941 both pulled and pushed young Bengali Muslims into serving on British merchant ships“ (Eade 2013: 281) –, ist etwa als ein Zeichen für die Identifikation mit dem British Empire zu werten, wenngleich nicht nur die ideelle ‚Liebe‘ zum Empire, sondern auch monetäre Anreize für nationales militärisches Engagement sprachen. Zwei exemplarische Zitate aus den Lebensgeschichten verdeutlichen dies: “I was in Port Said when the Queen came there – she was Princess Elizabeth then. I heard what she said, she said, ‚Must be we will win this war, and when we do there will be pensions for everybody who fought.‘ I am still waiting for my pension. Soon I will write to
derum die Nachfrage nach eben diesen Gütern ausweiteten und stabilisierten“ (Osterhammel 2009a: 651). 77 Osterhammel konstatiert: „Man muss kein Apologet des Imperialismus sein, um festzustellen, dass das britische Empire nach den Maßstäben der vergleichenden Imperialgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert ein Erfolgsfall war. Es überdauerte die Weltkrise der Sattelzeit und die beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts, in denen zahlreiche andere Imperien Schiffbruch erlitten. Es erlebte auch wenige dramatische Rückschläge. Kein wichtiges Territorium, das einmal unter britische Kontrolle geraten war, ging vor dem Zweiten Weltkrieg verloren“ (Osterhammel 2009a: 657).
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the Queen about it. Britain wanted us then, I think now people have forgotten about that“ (Ali 1987: 80). „Thousands of people from our villages that time in the war for the British. That time, of you want to buy a good horse, two hundred pounds, if you want a man to kill, you paid him eighteen rupees a month! British people didn’t like the heat, but our people work in the heat. Indian people win the war for the British“ (H. Ullah 1987: 205).
Finanzielles allein schien aber nicht (immer) ausschlaggebend zu sein: „The war started, and I went to Calcutta and joined the army. […]. I was not a poor man, that I should have to join the army to come to London – in my country I could have made plenty of money. But I joined the army“ (Malik 1987: 115) – wohl vor allem aus der gespürten Verpflichtung zum Mutterland England. Diese durch gesellschaftliche Diskurse hergestellten Imaginationen fanden in geopolitischen Grenzen statt, die z.B. in diesem Ausspruch von Malik ihre Reproduktion erfuhren und grundsätzlich auch zeitlichen Veränderungen unterliegen können. Ähnliche Herstellungen des Nationalen finden sich in vielerlei Zitaten, die oft von einem Verständnis von Nationen als personalisierten Akteuren geprägt sind. So etwa in folgender Aussage: „I am sorry to say that the whole world – not only India and Russia, but some sections of Britain, America, Israel – they didn’t look at Pakistan very sympathetically. They like to see Pakistan crushed, because Pakistan had taken a different way, and wanted to make an Islamic state. Before Pakistan came into existence the people of Turkey and Saudi Arabia were enemies. The Turks hated the Arabs because they thought of them as slave people, you know. The Ottoman Empire – they lost it because of the treachery of the Arab states, so they wouldn’t sit with them – they thought it beneath their dignity. Muslims are poor throughout the world, but once you are united, you have got some strength and Pakistani leaders – Ayub Khan, Bhutto and others, they worked hard for that. Russia had some grievance as well, because Pakistan used to co-operate with America. They used to call Pakistan their ‚younger brother‘, until after a time Pakistan wouldn’t obey when they wanted to establish a zone in Pakistan… because the Americans never take anybody for a friend unless they have got some interest. Otherwise, although it was a big country, India would never have dared to attack Pakistan – because they had a fight in 1965, and they saw the strength of Pakistan – but it was Russia and every other country who gave much help against Pakistan, and that is why India managed“ (Qureshi 1987: 173 f.).
Schließlich kulminierten diese Verständnisse des Nationalen in identitären Zuschreibungen, die unmittelbaren Einfluss auf das Selbstverständnis der Migranten hatten (Rasul 1987: 185).
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Daneben findet sich in den Lebensgeschichten auch bestimmtes medialdiskursiv vermitteltes ‚Wissen‘, das auf die Urheber deartiger Selbst- und Fremdbestimmungen verweist. So entstand etwa ein konstruiertes und performativ identitäre Abgrenzungen anleitendes Verständnis über die jeweilige ökonomische Situation von bzw. in Nationalstaaten oder zu erwartenden Wohlstand in bestimmten Städten oder Regionen, das letztlich diskursive Identitäten reproduzierte. In der Unterstützung des neuen Staates Bangladesh etwa manifestierte sich die gleichzeitige Abwertung anderer Staaten im Zuge kollektiver nationalstaatlicher Vergemeinschaftungsprozesse, die auch durch Medien angeleitet wurden: „I supported the Bangladesh struggle too. Not immediately of course – because we fought to make Pakistan, so we didn’t want to lose it. But when we saw the newspapers – the photographs of what they had done to Bengali women – then we supported it. […]. India is exploiting Bangladesh now – stopping us from getting our gas and oil. I am afraid there will be war between India, Bangladesh and Pakistan before long. You know Pakistan has got a bomb…It is only for India“ (Ali 1987: 84).
Dieses Zitat verdeutlich besonders gut die Verschränkung von medialen Diskursen, die zugleich materiell (in Zeitungen und durch Fotografien) wirkten und so umfangreiche Wirkung auf geopolitische Weltanschauungen entfalten konnten. Diese wiederum waren eng verwoben mit ökonomischen Argumentationsmustern, wenn als Grund für Gewalt konkrete Konflikte um finanziell nutzbare Ressourcen angeführt wurden („stopping us from getting our gas and oil“, ebd.). Neben Gewalt konnten auch friedliche Vergemeinschaftungsprozesse wie die bloße Selbstorganisation der Migranten, ihre Zusammenschlüsse und Migrationen politisierende und damit die kapitalistische Wirtschaftsordnung reproduzierende Wirkung entfalten. Einige der Migranten wie Qureshi fungierten schnell als politische Führer und als anleitende Aktivierer von politischer Arbeit; auch und vor allem, um die nicht selten grenzwertige sozio-ökonomische Situation der Emigranten zu verbessern. Qureshi half etwa bei der Bekämpfung einer Hungersnot, indem er sich für andere Migranten einsetzte (Qureshi 1987: 169 ff.). Nationen bzw. Nationalstaaten waren dabei als „imagined communities“ (Anderson 1983) bzw. „imaginative geographies“ (Gregory 1995) oftmals an räumliche Dimensionen geknüpft, England – oder auch London, Kalkutta und andere wichtige britische oder unter britischem Einfluss stehende Städte – wurde als Ort bzw. örtlich wahrgenommen. In diesem Sinne lässt sich eine Brücke zum vorangegangenen Subkapitel schlagen, in dem ‚Orte‘ als eine zentrale Kategorie der Wirtschaftswirkung vorgestellt wurden. Denn nicht nur nationale, auch –
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nicht selten damit verbundene – „räumliche Bezüge dienen der Selbststilisierung und Selbstsymbolisierung“ (Pott 2007: 38 f.). Englandals nationaler Ort wurde dabei, wie bereits an anderer Stelle erwähnt, meist positiv konnotiert: „From 1947 to 1958 I was in the ships all the time, and I went round the world. England is the best place in the world – people are very nice, everything is nice“ (H. K. Miah 1987: 136). Dabei wurde besonders die Höflichkeit der Briten hervorgehoben:78 „I enjoyed it all, every place I went ashore – South Africa, North Africa, West Africa, East Africa – everywhere. There were some very bad places, some good places, but the best place is England. If I had wanted to I could have stayed in America plenty of times – a lot of people stayed there – but I like England, England is the best, England people very nice“ (ebd.).
Britische Bürger können somit als gewichtige Teile von ‚Nation‘ gesehen werden; sie wurden als positiv wahrgenommen bzw. zumindest rückblickend beschrieben: „I came to England. My god – first time I see these people, it was marvelous! People were very polite, they asked me, ‚Where do you come from?‘ Very sweet talk, I can’t explain, it was different from the way we speak – very respectful“ (Rasul 1987: 181).
Dies unterstreicht Masseys Ansatz (1991), dass Orte durch soziale Beziehungen entstünden: Die – evtl. auch in der Vergangenheit oder der erwarteten Zukunft liegende – reale oder zumindest die konnotierte Präsenz von mit dem Ort in irgendeiner Verbindung stehenden Menschen, die einem selbst wichtig sind, ‚macht‘ diesen Ort (aus) – und damit aus sozialen Gründen relevant. Die positive semantische Unter-, Be- und damit ‚Über-Legung‘ der britischen Nation stand dabei im Gegensatz zu den eher pessimistischen Einschätzungen über Südasien – offenbar zumeist ob der dort herrschenden ökonomischen Schwierigkeiten:
78 Diesbezüglich sollte vor allem der grundsätzliche menschliche Hang zu Romantisierung, Nostalgie und Euphemisierung beachtet werden: „Looking back on this period, many of the elders express nostalgia for these ‚good old days‘ in Britain, arguing that British people were more friendly and accommodating than they are today. Nearly all the men represented the Britain of the 1950s and 1960s as a more friendly place than now. A common explanation for this that they gave is that then the Bengali presence in Britain was far smaller“ (Gardner 2002: 103).
200 | M ACHT -(W)ORTE „Oh yes, I am very glad I came to England, because… although it’s different from how it used to be, still… better than my country. I think that for every one thousands people who don’t like us, there are a million who do. I love this country, and I would like my children to stay here“ (Rasul 1987: 186).
So entstand eine „Identitätsformation, die in geradezu klassischer Weise durch Abgrenzung von bestimmten Orten und ihrer symbolischen Aufladung entsteht“ (Pott 2007: 34), hier zeigte sich „the transformation of ‚home‘ by ‚abroad‘“ (Gardner 2013). Auch England betonte: „Identity is formed by difference, which can be theorized through alterity“ (England 2011: 96). Die Auswanderung war dabei immer ein Hochrisikounterfangen: einerseits Chance zur Verbesserung der eigenen Situation, aber sicherlich auch die Gefahr des Scheiterns, der sozialemotionalen Haltlosigkeit oder der ökonomischen Krise (vgl. Schiffauer 2006: 103). Nicht zuletzt deshalb blieb die emotionale Heimat der meisten Migranten – trotz aller Identifikation mit der britischen Nation bzw. dem (ehemaligen) Empire – gleichwohl auch nach Jahrzehnten des Lebens und Arbeitens in England Südasien – ‚home‘ blieb Sylhet, was sich in folgenden Zitaten widerspiegelt: „If I went home, and I got my pension, I would be quite rich with ten pounds fortyone pence – that is four hundred takas – but here I am not rich. I can’t afford to go home now“ (Wahab 1987: 210). Ein anderes Beispiel: „I still have my land over there – it is still my own country“ (Rasul 1987: 185). Die Tatsache, dass England somit trotzdem, d.h. trotz der emotionalen Verbundenheit zur Heimat Sylhet, als – wie weiter oben im Zitat verdeutlicht – „better“ aufgefasst wurde, resultiert vorrangig aus kulturell-zivilisatorischen sowie sozio-ökonomischen Aufladungen, die allgemein eine höhere Lebensqualität und im Besonderen (bescheidenen) Wohlstand oder zumindest Arbeit und das damit verknüpfte bessere (Über-)Leben der Migranten beinhalten. Infolgedessen muss festgestellt werden: „Die Kategorisierung und Stereotypisierung der kolonialen Untertanen war […] nicht allein ein obrigkeitliches Projekt. Die Völker in den Imperien übernahmen teils diese für sie vorgesehenen Identitäten“ (Osterhammel 2009a: 668). Osterhammel spricht in diesem Kontext auch von den Imperien ab Mitte des 19. Jahrhundert als „Arenen [...] kollektiver Identitätsbildung“ (ebd.). Es fanden daher komplexe identitäre Aushandlungsprozesse statt, deren Urheber und Wirkungen nicht immer leicht zu erkennen sind. Im Zusammenspiel mit einer von verschiedenen Narrativen influenzierten Identitätsbildung, so lässt sich zusammenfassend zu diesem Subkapitel feststellen, projizierten die Migranten oft ihre Wünsche und Ziele auf die britische ‚Nation‘ und bildeten im Zuge dessen den Nährboden für ihr ‚Sich-Einfügen‘ in
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westlich-kapitalistische Wirtschaftsstrukturen (Bose 2006: 31). Der Ausspruch „I was born under the British Flag, and I support Britain“ (Ali 1987: 79) kann somit stellvertretend für eine bewundernde Haltung der Migranten stehen, die den Wohlstand ihrer Kolonialherren vor Augen hatten und nur zu gern von ihm profitieren wollten, anstatt marginalisiert, beherrscht und mitunter gar kriminalisiert zu werden. Nach dem Zweiten Weltkrieg machten einige der Seemänner gar Karriere in der britischen Politik (vgl. z.B. Malik 1987: 125). Dieser Patriotimus korrespondierte in der Diaspora nicht selten mit Rekurrierungen auf die indische Nation (Bose 2006: 275). Nichtsdestotrotz: Die sich in der „travelling history of mobile peoples and ideas of the Indian Ocean arena“ (ebd.: 280) manifestierende Bezugnahme auf die britische ‚Nation’ war lediglich „an organization of peoples that was only one of many expressions of imagined communities in the age of global empire“ (ebd.). In diesem Kontext muss beachtet werden: „Within these real and imagined communities, people have multiple identities as a result of belonging to, and identifying with, multiple communities“ (England 2011: 92). Nach dem Ende des Empires, insbesondere in der Zeit nach 1947 und der indischen Unabhängigkeit, nahmen derartige Aushandlungsprozesse und Identitätsdynamiken neue Qualitäten an, wie Chatterji in „From imperial subjects to national citizens: South Asians and the international migration regime since 1947“ (2013b) erläutert. (7) Bildung Im Rahmen der Benennung jener Dimensionen der Wirtschaft und des Rechts, die der Autor (aus-)machen – d.h. identifizieren, aber gleichzeitig auch wieder subjektiv selbst konstruieren – konnte, soll nun eine weitere Kategorie vorgestellt werden: Bildung. Die in dieser Studie betrachteten Selbstzeugnisse lassen auch auf ein von den Migranten verinnerlichtes Verständnis von Bildung – und damit auch von Wissen – als für sie, vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht, ungemein wichtiges Element schließen: Der Erwerb von Qualifikationen, Kenntnissen und diese bezeugenden Zertifikaten war von den Männern hoch angesehen; Bildung hatte generell einen hohen Stellenwert für die betrachteten Migranten, wurde als überaus sinnvolle Investition in die eigene (berufliche) Zukunft gewertet. Gleichwohl konnten sich nur wenige derartige, auch und besonders finanzielle Anstrengungen leisten (vgl. Osterhammel 2009b: 106). Qureshi stellt eine dieser Ausnahmen dar: „We had enough land, but somehow my father spent a lot of money on us, to get us educated, so he had to sell the land and we became very poor. Among the nearest villages,
202 | M ACHT -(W)ORTE apart from Syedpur and Habipur, my brother was the first graduate, and then my second cousin, he was also at the University, and then I had some education myself. We were the only family in those villages at that time who were educated. My father… had elementary education, and he had some learning in Arabic and our letters, but yet he was very modern in mind and he always thought that he should give his children proper education. My sister had some education, but not much,… my family brothers all had good educations. Mother could read, but very little you know, not much. At that time the ladies didn’t bother so much to learn Bengali and English. Now it is the fashion that everybody must learn English and have proper education, otherwise, you know, the family name is not there. I studied at different high schools, and after matriculation, then I came to London“ (Qureshi 1987: 145).
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kamen zunehmend mehr junge Menschen vom indischen Subkontinent zum Studium nach England,79 darunter auch mit steigendem Anteil Frauen: „In 1934, there were 100 female students alone, from India, they were mainly studying medicine. Since then large numbers of students were coming every year. They studied in London, Oxford, Cambridge, Edinburgh, Manchester, Birmingham, Bristol, Sheffield, Leeds and other places“ (Choudhury 1993: 64).
Die meisten der betrachteten Männer waren dagegen gering gebildet bzw. qualifiziert – „eine breite Primarerziehung auf dem Lande fehlte fast überall in der kolonialen Welt; besonders die Briten maßen ihr bis in die späteste Kolonialzeit keine höhere Bedeutung bei“ (Osterhammel 2009b: 107): „I am not educated at all! […]. I have never been to school, not for one day!“ (Ali 1987: 67). „I learned to read and write Bengali, and a little bit English“ (Islam 1987: 95). „I understood too much, but not much educated – could only read and write my name and address“ (Malik 1987: 111). „I went to school for five years – there were only boys in the school. We had no books – we used to write on slates… I can write Bengali, a little“ (S. Miah 1987: 137).
79 Siehe dazu „Students from India“ (Choudhury 1993: 64 f.) incl. einer aussagekräftigen Tabelle zu den Studierendenzahlen indischer Herkunft in England.
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„Ali was one of the old fellows who came to this country, and he had a little education, not much – he had some high school education you see, up to class six or seven or eight“ (Qureshi 1987: 152).
Gleichwohl war Bildung sehr wichtig für die Männer: Ihr wird – trotz (oder wegen?) ihrer eigenen mangelnden Bildung sowie ihren eigenen (oftmals damit zusammenhängenden, in dem Fall dann meist als negativ empfundenen) Biographien und Lebenserfahrungen – hoher Stellenwert zugesprochen: „I had a lot of trouble in my life. I am an uneducated man, how much can I bear? […] Without education, I can’t do nothing“ (Malik 1987: 126). Somit lässt sich auch hier belegen: „Europäisches Wissen und die Instanzen seiner Verbreitung übten [...] auf [...] Gruppen in Außereuropa [...] eine Anziehung aus“ (Osterhammel 2009b: 109). Auch die unteren Schichten richteten sich an der durch (bestimmte für relevant, d.h. ‚nützlich‘ empfundener, weil ökonomisch verwertbarer und damit sozial anerkannter) Bildung geschaffenen Hierarchie mental aus und ab. Einige der Migranten engagierten sich auch Zeit ihres Lebens, um anderen Migranten eine bessere Bildung zu ermöglichen. So wirkte etwa Malik (1987: 123 ff.) bei der Eröffnung einer Schule mit. Ihren Kindern wünschen sie dementsprechend eine höhere Bildung als jene, die ihnen selbst Zeit ihres Lebens zuteil wurde: „I have never learned to write, only my own name, and I can’t read at all. That is why I have been cheated so many times. My wife can read and write our language a little, but she was cheated too – she and my son gave eight thousand pounds to that person for the restaurant in Stoke Newington while I was away, and we have lost it. That is why I am to learn machining at my age. I can learn that, but I can’t learn to read at all, I tried it a few times. I think it is better to know a lot, or nothing at all. When people are only a little bit educated, it makes trouble. I want these little girls to be very educated, this little girl, Lutfa, is six – she will go for doctor. My other sons I told you – one is Naval Officer, one went to University College, one is still at grammar school, this side. He comes over from Peckham. Only the one who lived in Bangladesh is not very educated. I have told my wife, ‚If I die, go on with these children’s education‘“ (Ali 1987: 93). „So I have brought my boys here from my small village, and they are doing well in school and college, and they have grown well… And because they have come while they are young and gone around in this country they have learned well and got on. I am glad that I brought them, they are all happy – when they want a job they will find a job. In Bangladesh, if there is a job a hundred men will be after it, but here I need not to worry about
204 | M ACHT -(W)ORTE them – that’s good, isn’t it? They are all clever and if they want more education they can stay at school and college“ (H. K. Miah 1987: 135). „My son is going to school, then he will work here. I have had a good life, I am happy, but my son will have a better life“ (Wahab 1987: 210).
Hintergrund des hohen Stellenwerts von Bildung waren alltägliche Erfahrungen der Männer: Sie sahen den unmittelbaren praktischen Nutzen von Bildung in ihrem alltäglichen Leben: „There was a list up – so and so ship take crew… it was written in Bengali, so I could read it“ (H. K. Miah 1987: 129). „There was a fellow called Mr. Nandi, a very educated fellow, and one day I seen him and I told him, and he fill out the form and write something, and they give me the labour“ (Islam 1987: 101).
In letzterem Zitat kristallisiert sich auch „die enge Verquickung von Wissen und Macht“ (Meusburger 1998: 493) heraus, denn hohe Bildung schuf vielerlei soziale wie ökonomische Möglichkeitsfelder.80 Es geht somit bei der Thematisierung von Bildung bzw. Wissen nicht selten um die den „Geographies of Knowledge“ inhärenten „Geometries of Power“ (Epstein et al. [Hrsg.] 2007). So hing die grundsätzliche Anerkennung, die Menschen entgegen gebracht wurde, ihre soziale Stellung, in großem Maße von deren Bildung ab. Dabei wurde vom Grad der Bildung nicht selten auf die Charaktereigenschaften der jeweiligen Menschen geschlossen: „We were three brothers… I am the eldest… the second brother was a graduate in India. He had Honours in Philosophy and he came to London for further study… M.A. in Education. […]. My youngest brother, he didn’t have much education, because he was a bit of a daredevil type of boy, one day he had a row with the teacher at the school… then he gave up his education… although my father tried to give him a good education“ (Qureshi 1987: 143 f.). „Then in 1938, I saved enough to open my own restaurant – in Windmill Street. I can claim that I was the first Sylhetti man to own a restaurant. It was previously owned by a Hindu gentleman, from Calcutta, an artist – I don’t know whether he is still alive or not – 80 So sieht Meusburger (1998: 20 ff.) grundsätzlich klare Verbindungen zwischen „Wissen und wirtschaftliche[r] Entwicklung“.
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a very nice fellow. His name was Mr. Ghosh, and the name of the restaurant was Dilkush – ‚Heart’s Delight‘. You may have seen in Calcutta, there is a restaurant called ‚Dilkush Cabin‘, and he named it after that. It was a successful business, I had a gentleman who helped me with the business, he is from Sylhet, he is a Hindu gentleman. He came here to study something in the engineering line – he came as a seaman, but he wouldn’t admit it – he is the son of a Rai Sahib. His family was a very well educated family – his brothers were engineers, doctors, one was a Captain in the army. His name was Nandev. That Nandev is no more, he died long ago. He used to come and help me – guide me. And he used to bring me customers, because he was quite known… he was a very clever fellow, and he was well known among the Indian students and cultured people at that time. At that time most of the customers were Indians, Hindus, very few students were Muslims. We used to get English customers too – those English people who had been in the Indian Civil Service and all that. They used to come, they used to speak in Bengali, Urdu and English, we used to speak to them in English. […]. So I was earning good money, and with the help of Mr. Nandev my restaurant was doing well“ (ebd.: 154 f.).
Besonders wichtig waren etwa Sprachkenntnisse für die Migranten, da mit ihnen eine unmittelbare Alltagstauglichkeit sowie ökonomisches Handeln bzw. wirtschaftliche Ermöglichungen verbunden wurden. Dazu einige Beispiele: „We went to the market. Only I could speak Sylhetti Basha, everybody else spoke Chittagong Basha – it’s a quite different language you know. I went to buy about sixty of these Kodu from them. When I went to them, my cousin ran away, because he thought he wouldn’t understand me – and he called me ‚Bhai-sahib‘. So my brother came. I had changed – completely different dress, different speech, grown taller… it was from January to October“ (Ali 1987: 68). „I can’t tell you much history because I don’t speak good English – if I make mistakes please correct them when you write it“ (Rasul 1987: 179).
Gerade von den Englischkenntnissen hing somit oftmals das Selbstwertgefühl der Migranten ab; zumindest grundlegende Lese-, Schreib- und mündliche Ausdrucksfähigkeiten waren nicht zuletzt wichtig für die Akzeptanz der Männer in der britischen Aufnahmegesellschaft: „I went to school in the bazar to the west. That was the school for five or six villages, now every village get a school. I didn’t learn much, I only went for three years. I learned reading and writing – Bengali but not English, I never heard English. I have just learned English from hearing people and that is why not very good. I never learned to read, only my name and a little bit printing – no handwriting“ (H. K. Miah 1987: 127 f.).
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Im Rahmen der in den 1980er Jahren verschriftlichten Lebensgeschichten finden sich sodann in der ‚Wert-Schätzung‘ von Bildung im Sinne der Aneignung von verwertbarem, d.h. in ökonomischen Wert verwandelbares Wissen frühe Anzeichen einer „Transition to a Knowledge-based Economy“ (Leslie & Rantisi 2012: 458 ff.), den Meusburger für die zweite Hälfte, Leslie und Rantisi für das Ende des 20. Jahrhunderts konstatieren (ebd.: 458). Die Aneignung von Bildung hing dabei für die Migranten vor allem mit dem Erwerb von (Erwerbs-)Berechtigungen zusammen und erscheint als „soziales Strukturprinzip“ (Meusburger 1998: VI), sodass im Rahmen der vorliegenden Arbeit „Fragen nach der Produktion, Vermittlung und Kontrolle sowie den Auswirkungen von Wissen“ (ebd.: VI) ihre Berechtigung haben – insbesondere vor dem Hintergrund des generellen Befunds, „daß das öffentliche Interesse am Wissen sowie der wirtschaftliche Nutzen des Wissens im Laufe der letzten Jahrhunderte ständig zugenommen haben“ (ebd.: 4). Dabei spiegelt sich die Bewertung von Bildung und Wissen als „vermutlich wichtigste[r] Wirtschaftsfaktor“ (ebd.: 2) unserer Zeit in der Lernbereitschaft der Migranten, die nahezu ausnahmslos ökonomisch motiviert war und insbesondere der beruflichen Qualifikation diente. Hier entblättert sich die Verquickung von Bildung und Ökonomie. Moretti schreibt diesbezüglich – mit Bezug auf Ergebnisse des führenden Bürgertumshistorikers Kocka (1993: 107 f.) – auch von „Besitz und Bildung“ (Moretti 2014: 16) als zentral für ein bürgerliches Selbstverständnis, das die britische Leit-/Leidkultur im Zuge von Zivilisationsdiskursen in Form einer diskursiv produzierten Normativität zum erstrebenswerten Ziel für die Migranten ‚machte‘. Die Migranten selbst reproduzierten dieses Konstrukt und realisierten es, indem sie dieses Ziel zunächst (unbewusst) erkannten, dann anerkannten und schließlich danach performativ handelten. Bürgerlichkeit, und damit alle mit unter ihr subsumierten Werte und Vorstellungen, avancierte zu einem Ideal, das Akzeptanz versprach und dem sich die Migranten daher vollständig verschrieben.81 Wie schon bei der Dimension Arbeit angesprochen, steckte hinter diesen Dimensionen – wie Arbeit und hier eben Bildung – ein na-
81 Osterhammel nennt als „Grundelement eines besonderen bürgerlichen Habitus“ (Osterhammel 2009a: 1085) „die Sorge um den guten Ruf“, was sich insbesondere im Streben nach Respektabilität und Bonität äußere (ebd.: 1085 f.). Dieses Ideal als erstrebenswerte Form der gesellschaftlichen Stellung wird auch in allen vom Autor hier vorgestellten, an die Lebensgeschichten anknüpfenden Dimensionen der Wirtschaftswirkung und der Rechtsrealisierung deutlich. Letztlich spiegelt sich auch in den im Rahmen der Arbeit „Macht-(W)Orte“ analysierten Lebensgeschichten die Globalisierung von Bürgerlichkeit.
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hezu rein auf die ökonomische Bedeutung derselben fokussierendes Verständnis, das die Identitäten der Migranten als zutiefst ökonomisiert (und damit zugleich, da die Migranten selbst ihr Verständnis durch alltägliche Praktiken und Äußerungen weitertrugen, ökonomisierend) erscheinen lässt. Als Beispiel kann an dieser Stelle Ali angeführt werden: „I learned to be gunner, passed my tests“ (Ali 1987: 79). Die Migranten erkannten in diesem Sinne, dass Qualifizierte mit ihrer Bildung in England weitaus mehr verdienen konnten als in Südasien: „Among those who came to England early were some of the educated people who liked to see the world, and thought that they could earn money if they came to England or America… what could they earn in India? Say a graduate, maximum he could earn was one hundred rupees at that time, and that hundred rupees for his whole family – it’s nothing. So some of the adventurous people, like me, wanted to see the world at the same time as seeking their future. […]. […] Some people came who had nobody here. They saw that the early people – those who were in the Navy and settled before and after the war – whatever work they did, they sent some money… and it was quite good money… a little money here is a great deal there. […]. Sylhet has been altered in every respect by the people coming to London. The only way in which they have gone is educationally, because probably some of the students, on whom we had counted for great things, have been more attracted by money. After passing M.A or B.A, they don’t get a job where they can earn more than five hundred rupees a month, but here they can earn a thousand or more in a week, so very many of them have left Bangladesh and come to London – for work rather than education. Of course there is the college in Sylhet, and it is full – but still a good number of the boys left Bangladesh to come to London, and they do make money“ (Qureshi 1987: 176).
Tatsächlich ist ein „zunehmender ökonomischer Nutzen durch Wissen“ (Meusburger 1998: 20 ff.) und Bildung unbestritten. Gleichwohl wurden diebezüglich gleichzeitig „Humanressourcen als Produktionsfaktor“ (ebd.: 27 ff.) begriffen; durch die untersuchten Diskurse der Lascars erfolgte nicht zuletzt ein unbewusstes (Re-)Produzieren von Universitäten (Ciancanelli 2007, Deem 2007) als „the constitution of a new global regime“ (Verger 2007), denn gerade Hochschulbildung avancierte im öffentlichen Diskurs, der von vielen Menschen verinnerlicht wurde, zu „a powerhouse for development in a neo-liberal age“ (Naidoo 2007), wobei in diesem Zusammenhang oftmals „the economic function of higher education“ (Brooks 2007: 237 ff.) besondere Bedeutung zugeschrieben wurde. Dies gilt heutzutage im noch größeren Maße als für das 20. Jahrhundert. Schnell lässt sich „globalisation as knowledge wars“ (Brown et al. 2007: 191 ff.)
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lesen, denn mit entsprechenden Bedeutungszuschreibungen durch die Migranten reproduzierte sich bereits „a policy mantra that foresees a knowledge-driven economy in which most are in high-skilled, high-waged employment“ (ebd.: 190). Es wurde, zugespitzt formuliert, gewissermaßen ein zu ökonomischen Zwecken geführter „‚war of talent‘“ (ebd.: 203 ff.) von den Migranten (re-) produziert. Dabei tritt die Normalisierung von Bildungserwerb als ökonomisch gedachte Ausbildung zu Tage (vgl. Brooks 2007); damit wird Bildung zu Markt, Marke und Maske. Bildung kann zugleich als Indikator für transnational wirkende Rechtskraft angesehen werden – wobei letztere auch und besonders jenseits nationalstaatlicher Rechtsordnungen gedacht werden muss, denn „erst wenn man den Begriff des Rechts von der Staatsgewalt löst, bekommt man weltgesellschaftliche Gewältphänomene in den Blick“ (Fischer-Lescano 2013: 33). Die betrachteten Migranten schreiben diesbezüglich insbesondere juristischer Bildung (und den damit verbundenen Akteuren und Institutionen) hohe Bedeutung zu; möglicherweise, weil Recht mit Gerechtigkeit assoziiert wird. Andere Gründe könnten die mit rechtlicher Bildung verbundene Macht sowie ökonomische Vorteile darstellen. Juristisch Gebildete werden etwa als „very qualified“/„very educated“ und überaus machtvoll dargestellt: „There was another restaurant, still existing, owned by a gentleman, a graduate of London University. He had a brother, a barrister at law, another brother also quite highly educated. He – Mr. Vin – came here for studying, but after studying he found that to make money catering will be a good attraction“ (Qureshi 1987: 154). „Then a law student from Badeshwar came – he used to work at the High Commission sometimes but he was really a law student, a very qualified man. He shouted at this man, and said, ‚Where is the file?, if you have really written a letter there must be a file.‘ But of course he was lying, so there was no file, but then he had to give me a proof, because the law student said he would make a report to the High Commissioner“ (Ali 1987: 76).
Diese – praktische und ökonomische – ‚Wert-Schätzung‘ resultiert demnach unmittelbar aus (positiven) Alltagserfahrungen. Dazu zwei weitere Beispiele: „You want to know how I opened the gambling club? Well really it was because of the Welfare Association. […]. The adviser of the Welfare was Nisar Ali – not that restaurant one, another – Qureshi Nisar Ali – a barrister at law, very educated. He used to work at the High Commission – that same barrister at law who helped me at India House, from Badeshwar“ (ebd.: 85).
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„Once I spent six weeks in prison, for not paying my wife’s maintenance – my English wife. At first, I had to pay her thirty pounds a week, and I paid her for years. But then, when I lost my gambling club, I couldn’t pay her anymore. I had to go to court, and my barrister told the Judge I was a poor man, and if he give me time I can borrow my money. But he wouldn’t and I had to go to Pentonville“ (ebd.: 88).
Durch derartige Bedeutungszuschreibungen wird der sozio-ökonomische Status der Juristen, der eben diese Bedeutungszuschreibungen erst ermöglicht hat, auch wiederum performativ (re-)produziert und verfestigt. Insbesondere findet sich hier die (An-)Erkennung und damit Reproduktion jener spezifischen „Professional Power“ von juristischen Professionen im Kontext einer „Constitution of Professional Authority“ (Rostain 2004), die sich diskursiv sowie dispositiv ausdrückt und reproduziert, wenn Menschen diese entsprechende Autorität nämlich zunächst erkennen und dann auch anerkennen, indem sie – von dieser Macht angeleitet – denken und womöglich gar aktiv handeln. Die konkrete Anleitung durch diese Autoritäten findet sich beispielsweise in der (An-)Erkennung von Gerichten, die von Menschen aktiv aufgesucht werden und dadurch in deren Bedeutung (re-)produziert werden: „Things are different in my country – some people are good but a lot are corrupt. If you are a quiet person you won’t get compensation – you got to make a lot of fuss, go to the court. It is different in this country – things are properly organised“ (Rasul 1987: 186).
Die Akteure bewerten ‚Recht‘ – rechtliche Institutionen, Diskurse, rechtswissenschaftliche Bildungsangebote, im Berufsfeld Recht Arbeitende etc. – dabei insbesondere nach ökonomischen Maßstäben, wenn sie etwa rechtswissenschaftlicher Bildung oder rechtlichen Lösungsmöglichkeiten von Konflikten (unbewusst) einen wirtschaftlichen Wert zusprechen bzw. diesbezüglich nach deren ökonomischem Nutzen beurteilen. Die abrichtende Unter-Richtung durch einen bestimmten, potenziell zu einem kraftvollen ‚Meinungsmacher‘ avancierenden Rechtsdiskurs gibt somit bestimmte Richtungen des Denkens – insbesondere des Bewertens – und des praktischen Handelns vor, leitet letzlich an. Selbst meist gering gebildet, verbanden die Migranten mit ‚Recht‘ und Rechtswissenschaft konkrete Hoffnungen auf den sozialen wie ökonomischen Aufstieg. Dies zeigt sich vor allem in folgendem Zitat: „Out of all these seafarers there were a good number who took it up as a hobby and pleasure, to see the world. They were the educated men like Aftab Ali, the son of Syed of Sylhet... Illyas Rajah, from a zemindar family… there were many notable men who came to this country… my friend Hamid, who became a barrister. I had the same idea and high
210 | M ACHT -(W)ORTE hope, but myself coming from a very poor family had to be always coming to the aid of the family, contributing for their support, so I couldn’t do much. Some time ago, in my early days, I took up a course for the law and I had high hopes of becoming a lawyer, but due to economic reasons, I couldn’t carry on“ (Qureshi 1987: 143).
Hier zeigen sich nicht zuletzt die vermarktlichten bzw. kommodifizierten Geographien des Wissens, wenn juristischer Bildung durch oftmals unbewusst rechtsversessene Bedeutungszuschreibungen subtile Wirkmächtigkeit zugesprochen wird, wenn juristische Bildung dadurch performativ wird, dass die angesprochenen Bedeutungszuschreibungen als ‚Macht-(W)Orte‘ handlungs- oder zumindest denk- und bewertungsanleitend wirken sowie spezifische Identitäten (re-)produzieren. Derartige Denkweisen zirkulier(t)en durch Migration und reproduzierten über lange Zeiten und Räume die historisch-kolonialen Machtasymmetrien, die insbesondere aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts herrührten, für die Banerjee-Dube festhält: „Law now became a specialized profession to be operated only by trained (European) lawyers“ (Banerjee-Dube 2015: 57). (8) Normen Durch die Erkennung – und damit nicht zwangsläufig, aber oft auch AnErkennung – der gültigen Rechtsordnung wird Recht ‚ordentlich‘ geordnet (re-) produziert. In diesem Subkapitel soll dies anhand einiger Beispiele näher erläutert werden. Konkrete rechtliche Normen, wie etwa völkerrechtliche Vorstellungen oder nationales Wahlrecht, finden in den Lebensgeschichten gehäuft ihre Realisierung. Ein Beispiel: Gewalt (und damit nicht nur dessen Ausübung, sondern auch schon die bloße Vorstellung und – unbewusste? – Reflektion über Gewalttaten), und insbesondere zwischenstaatliche Kriege, zementiert (völker-)rechtliche Ordnungen in der Praxis, kann sie aber auch infrage stellen. In ihr kristallisieren sich Abgrenzungsprozesse nationalistischer Couleur, die das Denken in einer nach Nationen und räumlich geordneten Rechtslage implizieren. Die beleuchteten Migranten kämpften vielfach im Zweiten Weltkrieg auf Seite des British Empire: „Then I got notice – I have to join the Army“ (Ali 1987: 78). Die Männer waren dabei überzeugt von ihrer Aufgabe im Dienste der britischen Nation (vgl. z.B. ebd.). Diskurs und Praxis sind dabei oftmals eng miteinander verflochten: In vielerlei Beschreibungen finden sich gleichzeitig geopolitische Weltproduktionen in der (Be-)Nennung von Nationalstaaten: „I hope I am not going to live to see the next war – I remember the atom bomb they dropped. But if they did not drop it Japan would have fought for another five
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years“ (ebd.: 80). In entsprechenden diskursiven Reproduktionen und identitären Selbst- und Fremdzuschreibungen werden geopolitische Ordnungen nationalen Ausdrucks verfestigt, wie hier die Nennung von „Japan“ oder zuvor „Britain“. In der Akzeptanz oder Ablehnung bestimmter nationaler Konstruktionen werden diese sowie ihre völkerrechtliche Rolle performativ realisiert, indem sie unbewusst konkrete identitäre Relevanz entfalten. Die Migranten halfen im Krieg der britischen Nation, fügten sich damit in geopolitische Konstellationen ein, ergriffen Partei und trugen so zu einer verstetigenden Produktion westlich gesetzten Völkerrechts sowie britischer Innen- und Außenpolitik bei: „In 1939 war was declared, and we were all forced to take up some form of National Service – I took up the job of A.R.P. I was a First-Aider. We used to do very important work in London – every time there was a Blitz we used to go out with the ambulance and pick up the dead bodies, pick up the wounded and take them to hospital, give them first aid. It was not once a day, but sometime five or ten times a day, or in the night. There was no time to it, you had to do twenty-four hours on and twenty-four hours off. We started in William Street, NW1. It was bombed – the place was damaged but we were saved, somehow or other. But many a time I myself and many of my friends were wounded by splinters, when we were getting out while a place was about to collapse. Some died, many escaped narrowly…but I was not afraid. Many people were frightened, but I have a strong faith in God – if I die in the cause of humanity doing some good services there is some satisfaction, but if I die without doing anything, well then it does not give the same satisfaction in your mind“ (Qureshi 1987: 157).
Hier wird Völkerrecht vollzogen, hier findet eine unbewusste Ab-Richtung des Selbst statt, eine Unterwerfung unter eigene Imaginationen der Rechtsstaatlichkeit, wodurch diese dann realisiert wird. Daneben werden rechtliche Ordnungen auch durch Praktiken des Wählens realisiert und damit reproduziert, wenn vom Wahlrecht Gebrauch gemacht wird. Als Beispiel kann folgendes Zitat gelten: „I always voted Labour from the beginning, because I’m a working man. I joined the Labour Party in 1968. 1967 20th December opened the Advice Bureau…1968 I joined the Labour Party“ (Malik 1987: 125). Die performativ werdende Rechts-Ordnung spiegelt sich darüber hinaus auch in der Erkennung von illegalen Praktiken, durch die Recht zwar zunächst temporär in Frage gestellt wurde, aber sodann – bei der Reflektion hierüber – auch wieder verfestigt wird:
212 | M ACHT -(W)ORTE „Once we went to Southampton Docks, there was a lorry load of nylon stockings and women’s things, you know, underwear. You couldn’t get those things then. We settled it with the driver, told him to go and drink tea, and then in an hour he could say that the van was stolen. Our driver took the lorry to Plymouth, and we sold the stuff in the markets. We were four partners – me, a Maltese, a Jewish fellow, and a Turk. We were dacoits (= Banditen, Anm. d. Verf.) in those days. I always had a gun, I got rid of the last one in 1974. Only a few weeks ago, I threw away the bullets I had, you ask my wife. She found them in the storeroom, and said, ‚What are these?‘ I threw them away. I don’t have a gun any more. I expect my family have guns in Bangladesh, [...] probably they kept the guns. I only used my gun once, that was in 1948, when I had a restaurant in Plymouth“ (Ali 1987: 87).
Dieses an geltendes Recht gekoppelte Selbstverständnis speist sich nicht zuletzt aus der bloßen Erkennung – und meist auch der daran gekoppelten Akzeptanz – dieses Rechts, was sich in den Lebensgeschichten mehrfach nachvollziehen lässt: „I want my children to be able to live in this country – I am worried about all these new laws that might stop them. In Bangladesh there are no jobs, no factories or anything“ (ebd.: 94).
Im Sinne eines Rechtspluralismus ließen sich ferner auch nicht-staatliche, kirchlich-religiös geprägte Normen ausmachen: „In the early days we never thought of having halal meat here or anything like that – we used to buy the meat from the English shop – just avoid the pork… pork usually no Muslim will take, though they might take drink, which is equally forbidden to them“ (Qureshi 1987: 160).
Hier finden unbewusst(e) Realisierungen normativer Normen statt, welche hochgradig wiklichkeits-ordnenden Charakter zugesprochen bekommen. Erst in dieser nicht-reflektierten Aufführung der Macht von Normen werden diese ausgeführt, könnte man meinen. Der Autor dieser Arbeit würde allerdings noch einen Schritt weiter gehen: Schon in der unbewussten Vorstellung (und potenziell daran geknüpfte bzw. daraus resultierende Praktiken, die mit bestimmten gesellschaftlichen Vorstellungen von Normen konform gehen) von derartigen Machtpotenzialen werden eben diese (re-)produziert. Doch neben derartigen Realisierungen konkreter Normen lassen sich in den betrachteten Biographien noch einige weitere Reproduktionsmechanismen ökonomischer und rechtlicher Macht, nämlich jene materiell-technischer Art, erken-
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nen, die dem Leser möglicherweise nicht so leicht zugänglich sind: Infrastrukturen. Diese weitere Dimension der Rechtsrealisierung und der Wirtschaftswirkung soll daher noch präsentiert werden. (9) Infrastrukturen „Technik ist stabilisierte Gesellschaft“, so der oft als Hauptvertreter der AkteurNetzwerk-Theorie (ANT) benannte Latour (2006). Dies bedeutet, das über bzw. durch die Anerkennung von Technik sozio-kulturelle Normen und Machtgefüge realisiert und reproduziert werden. In diesem Subkapitel wird mit den ökonomieund ‚recht-fertigenden‘ Infrastrukturen daher an eine noch relativ junge Diskussion auch innerhalb der Rechtswissenschaft angeknüpft, die die Bedeutung von Materialität oder Technologie für die Herstellung – nicht selten zugleich ökonomisch induzierter – rechtlicher Wirklichkeiten explizit macht (vgl. z.B. Ethan Katsh 1989, Goodrich 1990, Lerch 2008, Vesting 2007, 2011a, 2011b, 2013, 2015, Vismann 2000, 2011). Auch materiell wirksame und/oder technisch verfasste „Medien avancierten in den letzten Jahren zu zentralen Akteurinnen im transnationalen Migrationsgeschehen“ (Pieper et al. 2014: 227), sie führen den kolonialen und postkolonialen Kapitalismus in alltäglichen Situationen aus und leiten ihn so immer wieder aufs Neue an (vgl. Felgenhauer 2015, Schurr & Verne 2017). Dies bedeutet die zunehmende Abkehr von Ansätzen, „in denen technische Artefakte und nicht-humane Gegebenheiten lediglich die Rolle mehr oder weniger deterministisch gedachter Randbedingungen oder des Mittels zum Zweck humanen Handelns innehaben“ (ebd.: 227 f.). Darüber hinaus zeigt sich anhand dieser Dimension das Zusammenspiel von wirtschaftlichen und rechtlichen Wirkweisen besonders gut. Zunächst zum Konzept der Materialität. Der Terminus ‚Materialität‘ ist zumindest in der Humangeographie mit zwei Bedeutungen belegt. Zum einen geht es um die rein räumlich-physische Anordnung von ‚Dingen‘, zum anderen um die konkrete sozio-ökonomisch-kulturelle Relevanz des Materiellen: „Both of these qualities of materiality – of spatial-physical composition and of politicosocial relevance – have fused in recent debate about the spirit, purpose, and direction of contemporary cultural geography“ (Lorimer 2013: 32). Im Rahmen dieser qualitativ ausgerichteten Arbeit setzen wir uns in erster Linie mit letzterer Konzeptionalisierung auseinander: mit den vielfältigen Wirkungs(un)möglichkeiten von Mensch-Materialität-Verkettungen im Zuge von Bedeutungsgenerierung bzw. -zuschreibung, die z.B. ökonomische und/oder rechtliche Realitäten herstellt. Mit Bezug zu Zweiterem geht es hierbei um „the production of reference materials, artefacts that incarnate legally relevant measurements and serve as a transitional object for the law in its approximation to the stuff of the world“
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(Lezaun 2012: 20), was sich mit dem Konzept der ‚Recht-Fertigung‘ unter das Oberthema ‚Rechtsrealisierung‘ subsumieren lassen könnte. Schon Migration bzw. menschliche Mobilität per se kann als Beispiel für materielle Geographien gewertet werden (Samers 2015). Doch auch konkrete materielle ‚Dinge‘, die zugleich semantisch ‚sprechen‘, erscheinen als Repräsentanten der normativen kapitalistischen Wirtschaftsordnung und dessen rechtlichen Rahmungen, in welche sich die betrachteten Migranten einfügen, so sie – subjektiviert-selbstökonomisierend und -selbstverrechtlichend – diese Dinge verwenden, nach den ihnen zugrunde liegenden sozialen, rechtlichen oder auch ökonomischen Logiken handeln – oder sie einfach nur mit bestimmtem Bedeutungen belegen und diese, zumeist unbewusst, in ihren Lebensgeschichten erwähnen. Materielle und technische Infrastrukturen tragen bei entsprechender Anerkennung oder Akzeptanz durch Menschen zu einer Stabilisierung der rechtlichen wie ökonomischen Ordnung, die sie repräsentieren, bei, indem sie diese Ordnung zugleich realisieren (vgl. Osterhammel 2009b: 80 f., Scott 1998: 83). Als ein Beispiel kann die Wert-Schätzung von Herrschaftsarchitektur oder, allgemein, von – seitens der britischen Machthaber installierten – Infrastruktur gelten; in ihr spiegelt sich ebenfalls eine Facette der Rechtsrealisierung: „[...]there are so many buildings. I remember when the bridge was built. The British built it to use in the war [...]“ (Ali 1987: 92). Als zweites Beispiel können mit Bezug zu Bourdieu (2008) Zertifikate angeführt werden, denen ihrer Funktion nach bestimmte Berechtigungen bzw. Ermöglichungen inhärent sind und die damit ebenfalls zu den kolonialhegemonialen Infrastrukturen der Macht gezählt werden können: „So I went back to the ship, and stayed four and half years, and in that time, I passed two exams to be a pilot, I am qualified to test the depth of the river – whether the boat can go there or not… and I learned to steer the ship too – we call in my language ‚seacunny‘. Many times I went to Chittagong, stayed in Captain’s home – his name was Ali Hamsa. I passed my river exams, but the Captain didn’t give me my pass book. Yes, without going to school, I learned to measure the depth of the water. I learned it in six months, you know, with a line and lead weights. The rivers in Bengal are very dangerous, even a little mistake, and the ship can finish. […]. At last, I had to leave that ship because I beat up the Captain in the dry dock in Calcutta. I told you how I pass my exams and he didn’t give me my certificates. And there in the dry dock I found out that he had given them to his son, who had just finished in school, and come from his home in Calcutta. He had done very well in school, and his father wanted to make him a pilot – with my papers! The engineer told me, ‚Ayub‘, (that was my pet name), ‚the Captain has given your pass to his son.‘ That night I said to the Captain, ‚Ami dui bar pass korechi, our ekhon, ami boi pain a.
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Kene, Bolun?‘ (I passed and I didn’t receive any papers. Tell me why?) He said, ‚Yes, I have given it to my son. You will get it back after eighteen months!‘ When he said eighteen months, I just fell off my chair, I was so shocked! Four and half years I had been waiting for the pass“ (Ali 1987: 70).
Entsprechende materielle Zertifikate sind oft mit Bildung – einer weiteren Dimension der Konstitution normativer Ordnungen, auf die in dieser Arbeit schon Bezug genommen wurde – verknüpft und können zeigen, wie ökonomische und/oder rechtliche Imperative performativ werden. Die Bedeutungen solcher ‚Be-Rechtigungen‘, ebenso wie jene abgelegter Prüfungen, werden auch von Seiten der Migranten reproduziert. Derartige Infrastukturen sind damit Teil einer Selbstverrechtlichung im Sinne reziproker Bedeutungszuschreibungen zwischen subjektiviertem Individuum und gesellschaftlichem Dispositiv, das konkrete Praktiken anleitet: „I learned to be gunner, passed my tests“ (ebd.: 79). Auch Pässe, Aufenthaltsgenehmigungen oder ähnliche ‚Aus-Weisungen’ bzw. ‚Weg-Weiser‘ sind als ‚Be-Rechtigungsinstanzen‘ zu werten, die über Umwege insbesondere in ökonomisches Kapital verwandelt werden können (vgl. diesbezüglich Bourdieu 2008): „So then I got my identity card, and I could get a job. The card was to prove you were British, not Spanish or something. When you went to a factory, you got a gate pass with your name and your check number – you had to show it to the Policeman on the gate every morning. One morning they caught five spies at the rubber factory where I was working. One time I took my identity card to the insurance for proof my identity, and after three weeks they didn’t give it back, so I said, ‚what have you done with it?‘ and they said, ‚Can’t find it, must be somebody hide it or something.‘ I said, ‚Well, I can’t do anything without it.‘ Now I got a British passport, and I don’t need that card any more. My passports got my name, my father’s name – all that“ (A. Ullah 1987: 196).
In solchen Techniken spiegelt sich häufig „the utilitarian commercial and fiscal logic“ (Scott 1998: 309). Zugleich konnten offensichtliche materielle ‚BeRechtigungen‘ aber auch durch kulturelle Codes wie etwa ‚richtiges‘ Auftreten – insbesondere angemessene Kleidung, und damit durch andere Materialitäten – ersetzt werden: „I had no papers. Once the police come to the coffee shop, and they asked two people at the next table to show their papers, and I said, ‚Do you want to see mine?‘ – I didn’t have any. But they say, ‚Oh no – that’s alright.‘ I think it was because I always used to look smart – suit and tie and all. I wore English clothes ever since I first ran away from home. That Captain used to take me to offices and places and even clubs. I went to a drinking
216 | M ACHT -(W)ORTE club – men and ladies – English people, in Assam, so I know about English clothes, and the Captain used to buy them for me. The next time the police came they just said to me, ‚Oh yes, alright, we know you‘“ (Ali 1987: 74).
Gleichzeitig wurde die Bedeutung von Recht in diesem Kontext (an-)erkannt, wenn die Männer rechtlichen Vorgaben – ausgedrückt durch materielle, praktische und diskursive Aufführungen – Folge leisteten bzw. leisten mussten. Viele dieser infrastrukturellen ‚Dinge‘ und mit ihnen verwobenen Praktiken waren mehr oder weniger unmittelbar ‚recht-fertigend‘ bzw. ‚be-rechtigend‘ an ökonomische Dimensionen – Geld, Arbeit, Konsum – geknüpft. Dazu einige Beispiele: „When the Indian seamen came to London, they gave them clothing coupons… I used to go to Liverpool, Tilbury, and buy the coupons from them. I bought them for ten shillings, and sold them for five pounds. Well, ten shillings was a lot of money for them – they could buy three or four suits in Pakistan with that. Then I became a peddler businessman. They used to sell clothes without coupons, they had to get the cloth from the wholesalers, they needed coupons… In two years like that, I made five thousand pounds, very easy – I was ready to go home. I didn’t want to stay any more. Five thousand pounds was a great deal of money“ (Malik 1987: 118). „When you went in a ship, you could write a bata (= Dokument, Anm. d. Verf.), with the name of your wife, or mother or father, to send them ten or twenty rupees from your wages every month, they didn’t give big money if somebody was killed. Even I have still got two thousand rupees owing in Calcutta, after I came to England – I wasn’t going to go back just to get that!“ (A. Ullah 1987: 194).
Eng verknüpft mit Materialitäten sind sodann Technologien, da Technologien oft materielle Entsprechungen vorweisen und/oder materiell wirksam werden. Auf den ersten Blick mag es überraschen, dass das Konzept der Technologie als wichtiger Teil wirtschaftlicher und rechtlicher Wirkung, als ökonomisierendes Element des Kapitalismus und als verrechtlichende Dimension normativer Ordnungskraft aufgefasst wird. Und tatsächlich finden diskurs- oder dispositivtheoretische Betrachtungen der Wirkungs(un)möglichkeiten von Technologie – abgesehen vom Bereich der Technikgeschichte, die allerdings lange Zeit kaum bis wenig auf sozio-technische Wirkungszusammenhänge eingegangen ist – nach wie vor nur langsam Eingang in die ‚Textwissenschaften‘ Geschichte (interessante Ansätze offenbaren beispielsweise implizit Ahuja 2004 und explizit Heinen 2015 sowie Gerstenberger & Glasman [Hrsg.] 2016b) oder Rechtswissenschaft. Doch die Betrachtung dieses Konzepts kann in vielfacher Hinsicht mit
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Machtfragen verknüpft werden: „There are many elements that enter into the cultural production of disciplinary knowledge“ (Barnes 2012: 22). Mit bestimmten Bedeutungen aufgeladene technische Systeme sowie ‚Dinge‘ disziplinieren Menschen, wenn diese mit ihnen interagieren. Technologie kann, muss aber nicht materiell erscheinen, wenn wir etwa an Telekommunikationssysteme denken (die gleichwohl oft auch materielle Entsprechungen, d.h. infrastrukturelle Apparaturen, aufweisen können). Sehr wohl leiten Technologien aber vielfach materiell ausgeprägte Praktiken an, wenn heutzutage etwa (auch) durch Smartphones erzeugte oder verstärkte Wünsche migrationsanleitend wirken. Über Technologien konnten sich auch die Auswanderer des hier vorgestellten Fallbeispiels mit den Daheimgebliebenen verbinden, ihnen Informationen oder Geld zukommen lassen. Über materielle Technologien wie beispielsweise Schiffe wurde daneben die Faszination Auswanderung geschürt. Schiffe verkörpern seit jeher abgegrenzte und abgrenzende Räume, die Bewegung und Transformation implizieren; sie wurden in diesem Sinne als eine Form von materialisierter Technologie heterotop-verheißungsvoll „mit besonderen Bedeutungen“ (Osterhammel 2009a: 1012) belegt und wirkten identitätsbeeinflussend (vgl. auch Foucault 2005). Denn Schiffe verhießen, wie schon mehrfach erwähnt, als Repräsentanten einer wohlhabenden Welt (England/Europa) ein funktionierendes Zivilisationsdispositiv im Sinne des Ab-Bildes eines insbesondere für das British Empire wirksamen, ‚gerechten‘ Rechtssystems – trotz der sklavenähnlichen Arbeit an Bord. Als materialisierte Metapher implizierten sie Wohlstand und – damit verbunden bzw. daraus resultierend – soziale Aufwertung für jene, die sich trauten, ihren Alltag und ihre sozialen Kontakte in Südasien einstweilen aufzugeben. Die britischen Schiffe stellten somit sowohl imaginäre Wunschwelten als auch – und durch diese konkret handlungsanleitend, weil potenziell zu realisieren – eine entscheidende Infrastruktur für erfolgreiches Emigrieren dar. 82 Ähnliches gilt für den Auf- und Ausbau eines umfassenden, den Subkontinent erschließenden und neu ordnenden Eisenbahnnetzes (vgl. Rothermund 1993: 32 ff) – als Mobilität und ‚Fort-Schritt‘, Aufbruch und Zukunft verheißendes, gleichwohl an ökonomisches Kapital geknüpftes Herrschaftsdispositiv, das kommerzialisierten Kolonialismus alltäglich via Fahrpläne und deren Einhaltung sowie via Fahrkarten und deren Einlösung eng getacktet und zugleich via ‚Schall und Rauch‘-Signale rhythmistisiert ausdrückte und ausführte. Als kapitalistische Katalysatoren glokaler Reichweite sorgten sozio-technische Zusammenspiele, wie
82 Bezüglich der generellen technischen Revolution im Bereich der Schifffahrt verweist der Autor an dieser Stelle auf Ahuja (2004: 212).
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sich etwa an diesen Beispielen ablesen lässt, für eine zusätzliche Entfaltung von Ökonomie und konnten nicht zuletzt als Repräsentanten rechtlicher Realitäten zu dessen Auf- und Ausführung führen, so sie denn von Menschen (an-)erkannt wurden: (Herrschafts-)Architektur (vor allem koloniale Prachtbauten, Gerichte und andere mehr oder minder repräsentative Macht-Orte), Zertifikate, Pässe, Telekommunikationsinfrastrukturen wie Telegraphennetzwerke (vgl. Wenzlhuemer 2013) oder die erwähnten Schiffe sowie Eisenbahnen waren (und sind) Teil einer ‚größeren‘ alltäglichen Realisierung normativ wirkmächtiger kapitalistischer Welt-Ordnung mit vielfachen weitreichenden und nachwirkenden, für die meisten Menschen unbewussten Steuerungseffekten im Alltag.
5 Horizonte: Subtile Subjektivierungen
„Research has to be brought to a completion; there has to be an end point; it cannot go on forever. Although it’s a process that has its own anxieties, there has to be closure of some point“ (Pryke 2003: 125).
Vor diesem Hintergrund muss auch diese Arbeit zu einem Ende kommen. Die Schlussbetrachtungen sind dabei als Eröffnung und Umreißung von ‚Horizonten‘ konzipiert – „just as a horizon both closes in and opens out“ (Casey 2002: 234). Dabei soll übergreifend betont werden, dass Migration und Mobilität in all ihren praktischen, diskursiven und materiellen Facetten (z.B. Nutzung von Infrastrukturen, Technologien, Ausweisen und Schiffen, von Arbeits- und Konsummöglichkeiten oder von Netzwerken; Wertschätzung bestimmter ökonomisierter Orte und Bildung etc.) nicht nur – wie in Kap. 2a 1 zunächst erläutert – Verunsicherung auslösen und Ordnungen bzw. hegemoniale Macht infrage stellen, sondern Kapitalismus in all seinen rechtlichen und ökonomischen Auf- und Ausführungen, in all seinen lokal rückgebundenen wie global wirksamen Ausdrücken, über große ‚Zeit-Räume‘ auch hochgradig verfestigen können, wie in dieser Studie gezeigt (vgl. auch Manderscheid 2017). Kurzum: Migration und Mobilität stabilisieren normative Ordnungen. Kapitalistische Rechts- und Wirtschaftsregime werden auch – und vielleicht gerade – in der Bewegung realisiert und reproduziert, wodurch schließlich ebenfalls diese normativen Ordnungen ‚migrieren‘ und langfristig(e) in den unterschiedlichsten situativen, lokalen, alltäglichen Kontexten ihre globale, d.h. sowohl globalisierte als auch globalisierende, Macht entfalten. In diesem Sinne untergliedern sich die folgenden abschließenden Gedanken in drei Teile: einen ersten, der ein inhaltliches Fazit in der Zusammenfassung der hier erzielten Ergebnisse zieht (‚Konklusionen‘); einen zweiten, der auf einige weiterführende, sich aus dieser Arbeit ergebende Fragestellungen, insbesondere zur Wirkkraft politischer Dispositive, zu sprechen kommt (‚Perspektiven‘);
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schlussendlich einen dritten, der perspektivisch und kritisch über grundsätzliche Prozesse der (universitären) Wissensproduktion ohne direkte Anknüpfung an die vorherigen Zeilen reflektiert (‚Reflexionen‘).
A) K ONKLUSIONEN Der vorgestellte Ansatz versuchte am Beispiel von südasiatischen Migrationsbiographien aufzuzeigen, wie Kapitalismusverständnisse in Form von Rechtsund Wirtschaftsgläubigkeit über große Räume und Zeiten hinweg mobilisiert werden und so Kapitalismus realisieren und reproduzieren können. Dies geschieht gerade ‚im Kleinen‘, indem komplexe alltagsweltliche Dispositive aus Mensch und Materialität Kapitalismus ‚machen‘. Als erkenntnistheoretischer Zugriff diente dabei das Konzept der Performativität in dessen Fokussierung auf den unmittelbaren Vollzug von Realität in eben diesen Dispositiven machtvoller Subjektivierung. Als Beispiel für die alltäglichen Wirkungs(un)möglichkeiten normativer Ordnungen wollte diese Arbeit damit einen historisch informierten Blick auf den Weg hin zu unseren heutigen globalen Ökonomie- und Rechtshegemonien werfen und im Zuge dessen (Re-)Produktionsmuster sichtbar machen. Auf beide betrachtete normative Ordnungen möchte dieses zusammenfassende Fazit nacheinander eingehen. (1) Selbstökonomisierung Der in dieser Studie vorgestellte Ansatz fragte auf der einen Seite nach kleinteiligen ökonomischen Bedeutungszuschreibungen in den Selbstzeugnissen südasiatischer Migranten, die im 20. Jahrhundert gen England migrierten und sich im Zuge derartiger Bewegungen – sowie den ihren Biographien zugrunde liegenden imaginierten Geographien der Ökonomie und des Rechts – in komplexe kapitalistische Choreographien einfügten: Wenn beispielsweise Bildung als ökonomisch ‚nützlich‘, als ‚wert-voll‘ betrachtet wird, wenn ebenso Netzwerke ‚wert-geschätzt‘ oder wenn schließlich Orte mit den an ihnen vermuteten Arbeits- und Konsummöglichkeiten assoziiert werden, dann wird, oftmals unbewusst, in bestimmten – nämlich kapitalistisch orientierten – Maßstäben gedacht, aber mehr noch: Dann wird Wirtschaft zugleich performativ, wird bereits in der Vorstellung hergestellt bzw. in ihrer diskursiven und dispositiven Wirkmächtigkeit reproduziert, letztlich verstetigend realisiert; kurz: Dann wird Wirtschaft ‚gemacht‘. Derartige Herstellungsmomente von Ökonomie finden offensichtlich nicht selten als „Geographien im Kleinen“, als „Mikrogeographie“ (Gebhardt et al.
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2011d: 24 f.) statt,1 wobei immer gilt: „Der Umgang mit solchen subtilen Grenzziehungen im Alltag ist wiederum in starkem Maße von gesellschaftlichen Vorstellungen und öffentlichen Diskursen bestimmt“ (ebd.: 25). Damit verstetigten sich in den Lebensgeschichten der Männer ‚über-re(a)-gierende Selbstreg(ul)ierungen‘, insofern sich eine wirtschaftlich ausgerichtete Normierung des alltäglichen Lebens durch die Normalisierung normativer Ordnungen, in diesem Falle ökonomischer Kategorien, manifestiert(e). Als Bedenkenträger des Bedeutungsträgers Wirtschaft wollte der Autor dieser Ausführungen zeigen, wie bestimmte Dimensionen dadurch für Menschen (ge-)wichtig werden, Relevanz zugesprochen bekommen und Relevanz entfalten, dass sie als ökonomisch wert-voll verstanden werden. Es wurde dementsprechend danach geschaut, wie – zumeist unbewusst – „diskursiv prozessierte Deutungsmuster“ (Keller & Truschkat 2014: 294) der Ökonomie (re-)konstruiert sowie letztlich performativ realisiert werden: als intrinsische, internalisierte Be-Wertungen bzw. ‚Wert-Schätzungen‘. Wenn ökonomische Diskurse und/oder gar Dispositive in die eigene Identität inkorporiert, dort implementiert und übersetzt werden, schließlich zur Norm gerinnen, dann liest sich diese Arbeit vor der Prämisse potenziell fluid-multipler Identitäten als Versuch einer subjektiven Sichtbarmachung sozialer Konventionen. Die Frage, was ‚normal‘ ist und wie wir ‚Normalität‘ unbewusst zuschreiben und realisieren, wurde hier am Beispiel der Ökonomie als Dispositiv illustriert. Gleichwohl sollen diese Zeilen nicht (nur) als Kritik an der Selbstökonomisierung der Migranten gewertet werden, viel eher nämlich noch als grundsätzliches Aufzeigen der ökonomischen Zwänge (oder neutraler formuliert: Wirkweisen), denen sich Migranten ausgesetzt haben – weil vielfach aussetzen mussten. Denn zugegeben: „In Britisch-Indien […] wurde ein Ordnungsraster von pedantischer Feinheit ausgearbeitet“ (Osterhammel 2009a: 667).2 Dieses koloniale Ordnungsraster wies auch und vor allem ökonomische – bzw. genauer: ökonomisierende – Facetten auf, wurde mental-identitär angenommen und wirkte schließlich handlungsanleitend, wurde ergo sodann performativ realisiert. Indien als britische Kolonie kann in diesem Kontext daher als Beispiel für eine auch, obgleich nicht nur, erzwungene Selbstökonomisierung betrachtet werden, denn Indien trug z.B. auch die finanziellen Kosten der britischen Fremdherrschaft, d.h.
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Denn wir müssen beachten: „Da Akteure immer lokal handeln, muss das Globale (meist mühsam und langsam) lokal hergestellt werden“ (Gerstenberger & Glasman 2016a: 40).
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Zugleich darf nicht vergessen werden, dass die Kosten des Herrschaftssystems vom indischen Volk getragen wurden – incl. der Pensionen ehemals auf indischem Boden arbeitender britischer Staatsbediensteter (Reinhard 2016: 794).
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für den umfangreichen Verwaltungs- und Militärapparat selbst – über ein flächendeckendes, von England eingeführtes Steuersystem (vgl. ebd.: 655). In dieser Arbeit haben wir uns jenseits der bloßen – gleichsam auch wirkmächtigen – quantitativen Dimensionen von Kosten-Nutzen-Rechnungen des britischen Kolonialismus mit den Zusammenhängen von Identität, Macht und Ökonomie auseinandergesetzt. Um das Verhältnis dieser Konzepte sowie ihr Zusammenspiel zu verdeutlichen, lässt sich folgende, sicherlich zugespitzte Aussage treffen: Identität macht Ökonomie und Ökonomie macht Identität Macht bildet in dieser Verkettung gewissermaßen als vulnerables Verb den produktiv und/oder repressiv flexibel wirkenden ‚Kitt‘, der Identität und Ökonomie verbindet, gewissermaßen zusammenschweißt. Derartige Verquickungskonglomerate ermöglichen, z.B. Konsumverhalten oder Mobilitätswünsche wie -realisierungen. Sie beschränken aber auch, denn sie geben Denkweisen bzw. -richtungen sowie davon angeleitete Praktiken (z.B. Migration oder Konsum) vor. 3 Das Resümee, indessen, fällt in diesem Sinne geteilt aus. Zwar war Handlungsspielraum vorhanden, doch erscheint dieser als gering: Vorrangig von der Armut getrieben, lockte das (größeren) Wohlstand versprechende Zielland England die Migranten in Form von vielen Repräsentanten, von denen der Verfasser hier einige, nämlich neun, als ‚Dimensionen der Wirtschaftswirkung und der Rechtsrealisierung‘ gebrandmarkt hat. Sie ‚zwingen‘ Menschen im doppelten, nämlich auch ökonomischen Sinne ‚zum Handeln‘ (z.B. in Bezug auf die WertSchätzung des Geldes und des Konsums), indem sie ein Denken und Agieren in Kategorien der Effizienz, Nützlichkeit und Verwertbarkeit anleiten. Dieses ökonomisierte und zugleich ökonomisierende Unterbewusstsein schwimmt im Kielwasser kapitalistischer Arbeitsmobilität immer mit. Dadurch dass die Männer diesen Kategorien Bedeutung, gar Sinn zusprachen, d.h. in ihnen dachten sowie nach ihnen, mit ihnen und in ihnen handelten, haben sie Ökonomie in Form der kapitalistischen Wirtschaftsordnung, die ihrem Handeln nicht nur zugrunde lag, sondern in vielfacher Hinsicht inhärent war, reproduziert: Sie realisierten Ökonomie durch das (An-)Erkennen und durch das gleichzeitige (unbewusste oder bewusste) Berücksichtigen von Geld, Konsum, Arbeit, Netzwerken, Orten, nationalstaatlichen Ordnungen, Bildung, Normen und Infrastrukturen in ihren Gedanken, Handlungen und Geschichten. Durch dieses Prisma verschiedener, miteinander aber vernetzter „Identitätsanker“ (Pott 2007: 30) konnten fauchend-fackelnde Verhältnisse in ihrer hohen, konfliktbehafteten Komplexität betrachtet werden: Es wurde gezeigt, wie sich
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Eine gute Zusammenfassung der wechselseitigen Beherrschung und eigenmächtigen agency der Migranten liefert in diesem Sinne Eade (2013: 291).
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Menschen via Geld, Konsum, Arbeit, Netzwerke, Orte, Nation, Bildung, Normen sowie Infrastukturen (selbst) ökonomisieren (müssen). Den hier aufgeführten umfassend kommodifizierten und kommodifizierenden Elementen der (fragmentierten, nicht-linearen) Selbstökonomisierung als Transformation der Identität durch vielerlei Dimensionen wird (besonderer) Wert zugeschrieben, sie werden dadurch – durch diese performative semantische Zuschreibung – auch real ‚wertvoll‘, wenn Menschen diese zur Sprache gebrachte Denkweise annehmen, verbreiten und/oder nach ihr handeln. Damit wurden viele der subtilen Spielregeln des Kapitalismus verinnerlicht und somit reproduziert. Die gleichzeitigen Vorund Herstellungen bzw. „Auf- und Ausführungen“ von Ökonomie (Boeckler & Berndt 2011: 914) – in (d.h. im Prozess bzw. im Verlauf) der mentalen oder praktischen Aufführung wird Ökonomie ausgeführt – findet dabei zumeist unbewusst statt. Um es noch etwas zu konkretisieren bzw. zuzuspitzen: Die hier exemplarisch betrachteten Migranten reagierten ganz offensichtlich auf ökonomische bzw. ökonomisierte und dadurch gleichermaßen ökonomisierende Dispositive, welche nämlich ein bestimmtes (und zwar wirtschaftliches) Verständnis von Realität produzierten. Dieses ökonomisierte Wirklichkeitsverständnis beeinflusste dann das Selbstverständnis jener Männer im Sinne der im Zuge dessen erfolgten Subjektivierung: Sie begriffen sich – meist unbewusst – als Teil von Ökonomie, handelten ökonomisch ‚wert-voll‘, schrieben vielen Dingen und Praktiken einen ökonomischen Wert zu, dachten ihr Leben in einer auf ‚Wirtschaft(lichkeit)‘ und Nutzen ausgerichteten Art und Weise. Dadurch reproduzierten sie das vom Dispositiv angeleitete wirtschaftliche Verständnis von ihrer Welt, damit realisierten sie letztlich dieses Dispositiv, damit ‚machten‘ sie aktiv ‚Wirtschaft‘. Innerhalb dieses ökonomisierenden Subjektivierungsprozesses verschmolzen somit eine konstituiert-konstitutive wie auch die internalisiert-instituierte Seite der diskursiven Herstellung von Ökonomie: Angeleitet von ökonomisierenden Diskursen, zeigt sich hier eine unbewusste Internalisierung wie gleichzeitige Institutionalisierung von kapitalistischen Strukturen in alltäglichen Sinnzuschreibungen und Praktiken, deren Gehalt insofern als eine extern induzierte Selbstökonomisierung aufzufassen ist, als diese in schleichend-subtiler Selbstbeschreibung Wirklichkeit realisierte. Dabei wurden die responsibilisierten Subjekte selbst Teil des (wirtschaftlichen) Dispositivs, das gerade im Zusammenspiel immaterieller wie materieller Elemente hervorgebracht wird: So muss insbesondere den in dieser Studie erwähnten infrastrukturellen Materialitäten und Technologien große Bedeutung zugeschrieben werden, wenn etwa Schiffe unbewusst als heterotope – und in diesem Sinne durchaus als heterogene, plurilokale, fragmentierte und diversifi-
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zierte (Gegen-)Orte – Repräsentanten kapitalistischer Wirtschaftsordnungen begriffen werden. Infrastrukturen offenbaren zugleich nicht selten die Verwebungen zwischen materialisierter und/oder durch Technologien realisierter Rechtsund Ökonomieherrschaft. In all dem zeigt sich die postkoloniale Nachwirkung – da die Lebensgeschichten aus den 1980er Jahren stammen – eines dispositiven kolonialen Kraftfeldes.4 Dieses fiel auf fruchtbaren Nährboden. Die hier betrachteten Männer ‚mussten‘ gewissermaßen die britisch-westlichen normativen Ordnungen, wie insbesondere jene Sphäre des Kapitalistisch-Ökonomischen (aber auch Recht und Politik), im Herbst ihres Lebens, zum Zeitpunkt des Erzählens ihrer Lebensgeschichten in den 1980er Jahren, verherrlichen, um ihre eigene Migrationsentscheidung rückblickend zu rechtfertigen, ihr Leben als kohärent erscheinen zu lassen und ihre jeweilige Identität zu stabilisieren. Zur Erleichterung dessen gingen sie unbewusst auf dispositive Handlungsangebote von Seiten der britischen Nation ein, nahmen diese an und (re-)produzierten, stabilisierten diese so. Einmal mehr offenbarte sich dabei in dieser Arbeit die Relevanz von Orten – und die Griffigkeit bzw. das Anwendungspotenzial von Foucaults Konzept der Heterotopien (2005) in Bezug auf diskurs- oder dispositivtheoretische Fragestellungen, besonders mit Blick auf Ökonomie. Orte werden gleichwohl durch die Migranten ökonomisiert, indem Orte, speziell ‚andere Orte‘ bzw. ‚Gegenorte‘, in den Worten von Pott (2007: 30) als besonders wirkmächtige „Identitätsanker“ fungieren und mit Foucault (2005) als realisierte Utopien wirtschaftlich disziplinierend wirken bzw. Wirtschaft wirken lassen, ergo Ökonomie machen (lassen), indem Individuen subjektivierend diszipliniert werden, aber eben diese ökonomisierende Disziplinierung auch selbst aktiv, wenngleich in aller Regel unbewusst, vorantreiben. „The world is, minimally and forever, a place-world“, so können wir mit Casey (1997: 4) feststellen. England und alle damit verbundenen Symbole britischen Lebens – so auch Schiffe, die gleichsam als Orte gelesen werden können – avancierten zu Stellvertretern eines höheren Lebensniveaus. Durch die (An-)Erkennung dieser Dimensionen fügten sich die Migrantenin eine Ordnung kapitalistischer Vermarktlichung ein. So kann man von ‚Selbstvermarktlichung‘ (self-marketization) sprechen, wenn sich das ‚Selbst‘ in ökonomische Strukturen einfügt bzw. einfügen lässt. Schon Osterhammel stellte zudem fest: „An der kulturellen Grenze eines vorrückenden Imperiums ändern sich persönliche und kollektive Identitäten“
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Siehe hierzu auch „Macht und Hegemonie im Diskurs. Eine Auseinandersetzung über Herrschaft, Widerstand und Subjektivierung im Kapitalismus“ (Maeße & Nonhoff 2014).
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(Osterhammel 2009a: 666). Im Anschluss an diese Arbeit lässt sich kurzum konstatieren: Sie, d.h. diese Identitäten, werden (u.a.) ökonomisiert und tragen nichtsdestotrotz auch gleichzeitig zu eben dieser Ökonomisierung selbstökonomisierend bei. Migranten verstärken letztlich Ungleichheiten, so sie sich als Teil von Ökonomie begreifen, nach sowie in ökonomischen Maßstäben ‚handeln‘ (in einem doppeldeutigen Sinn), Ökonomie so (re-)produzieren. Als Teil von Diskursen und Praktiken, als interagierend mit Materialitäten sind sie – durch die kapitalistische Wirtschaftsordnung – Hergestellte und gleichzeitig Herstellende. Aus einer qualitativ-diskursanalytischen bzw. -dispositivanalytischen Sicht ökonomisieren bzw. ‚vermarktlichen‘ sie sich selbst, und sind doch auch ökonomisierte Subjekte, die von hegemonialen Narrativen und semantisch mit Macht aufgeladenen ‚Dingen‘ influenziert sind. Ihre imaginierten Geographien der Ökonomie avancieren zu performativen Geschichten der Ökonomie, die wiederum Wirklichkeit herstellen, Wirtschaft wirken lassen, Kapitalismus realisieren. So entstehen schließlich „Markets of memories“ (Nwosu 2011), die performativ wirken (können) und in der Praxis ihrer Vorstellung oder in anderen Realisierungsarten (z.B. dem Erzählen oder Verschriftlichen) (re-)produziert werden. Es ging dabei um das subjektive Aufzeigen von subjektiver Vergangenheit, um „how it is experienced as well as how it is remembered“ (Kabir 2013: 394). In dieser Arbeit wurde dabei letztlich versucht, einen Einblick – diese Zeilen als Dekonstruktion, sowie damit gleichzeitig einhergehende eigene Konstruktion, von (Re-)Konstruktionen (als Wissenschaftler dekonstruiert der Autor Bedeutung – und schafft bzw. konstruiert damit gleichzeitig eigene, subjektive Deutungsangebote – mit Blick auf die rückblickenden Bedeutungszuschreibungen anderer Menschen, in diesem Falle der Migranten)5 – in einige Elemente der vielfältigen Mechanismen der Wirkung von Wirtschaft zu geben. Tatsächlich ließe sich auch der Plural verwenden: Wirtschaftswirkungen. Denn ‚Wirtschaft‘ ist maximal vielfältig und wirkt in ihrer pluralen bzw. pluralisierten, fragmentierten Struktur auf den Menschen extrem heterogen. Die hier geäußerten Annahmen zur Wirkmächtigkeit ökonomischer Expertise untermauern damit auch die These von Maeße, „dass die Produktion und Kommunikation ökonomischen Wissens sich in unterschiedlichen Feldern wie Staat, Hochschule, Wirtschaft und Öffentlichkeit entfaltet hat“ (Maeße 2013a: 242). Diese Prozesse laufen dabei oftmals unbewusst in alltäglichen Zuschreibungen, und nicht selten diametral mit den soeben erwähnten Feldern verschränkt, ab.
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Zu Fragen der (De-/Re-)Konstruktion siehe auch „Der kleine Unterschied? De- und rekonstruktive Positionen im Dialog“ (Angermuller et al. 2014).
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Durch vielfältige Wirtschaftswirkungen wird der Indische Ozean mit seinen zahlreichen (zahlenden?), diversifizierten Akteuren und Prozessen so – indem ihm ökonomische Bedeutung zugeschrieben wird – schließlich als Meer mehr Wert: Zunächst wird die Bedeutung des Meeres (in Form des Indischen Ozeans) deutlich, wenn ihm ökonomisch reizvolle Zukunftschancen zugeschrieben werden, wenn es für die Migranten ein ermöglichender Raum, ein „Möglichkeitsraum“ (Schiffauer 2006: 108) ist. Dieser maritime ‚Meer-Wert‘ entsteht im dispositiven Zusammenspiel von Mensch und Materie, insofern durch semantische Zuschreibungen sowie baulich-materielle Erfahrungen Ökonomie (re-)produziert wird und diskursiv, technisch und ‚dinglich‘-materiell ihre Realisierung und Verstetigung findet. Sodann geht es auch um sich potenziell mehrenden MeerWert, ergo im Sinne eines Mehr-Werts, um ein reproduzierendes, kehrendes Klär-Werk als klärendes, verstetigtes Werk des Kapitalismus, als Klärung durch ökonomisiertes – da zumindest mit wirtschaftlicher Bedeutung aufgeladenes – Werken, also durch (Erwerbs-)Arbeit. Eine – in diesem Fall meist positiv aufgeladene, weil z.B. an Konsummöglichkeiten geknüpfte – Semantik der Ökonomie weist Verbindungen zu weiteren Sphären des Gesellschaftlichen aus Sicht der Migranten auf. Vorstellungen von Ökonomie sind kein abgeschlossenes System, kein Container neben ‚Kultur‘, ‚Gesellschaft‘ etc., sondern vielmehr vielfach verwoben, oft gar verschmolzen mit eben diesen – zwecks Vereinfachung konzipierten wie konstruierten – Feldern. (2) Selbstverrechtlichung Gleiches gilt für ‚Recht‘ in seinen multiplen Auf- und Ausführungen. Es erscheint, mehr noch als ‚Wirtschaft‘, als unterschwelliger, aber nahezu allzeit präsenter Diskurs, gar als prägendes Dispositiv (im Sinne auch materiell wirksamer Bedeutungsentfaltung), da ‚Recht‘ beim ersten Lesen der Lebensgeschichten zunächst nicht sonderlich relevant erscheint – es scheint um die allgemeinen Lebensumstände zu gehen, um Migration und Identität, sodann sicher vielfach um Ökonomie in ihren pluralen Erscheinungsformen. Doch diese Themenfelder verdecken den Blick auf eine (weitere) ihnen zugrunde liegende und mit ihnen oftmals untrennbar verbundene, ja ihnen inhärente normative Ordnung: auf die Bedeutungsentfaltung rechtlicher Narrative im Kontext dispositiver Machtasymmetrien. Rechtsrealisierung meint somit die Performativität von Recht, dessen Herstellung bzw. (Re-)Produktion durch Dispositive als wirkmächtige (Be-) Deutungszusammenhänge, die aus Diskursen, Praktiken und verschiedensten Infrastukturen (Materialitäten und Technologien) bestehen. Recht wird in diesem
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Sinne in vielfachen Zeremonien der Bedeutungszuschreibung und im Kontext vieler Beteiligter relevant. In der (An-)Erkennung der Bedeutsamkeit juristischer, d.h. rechtsbezogener bzw. – in welcher Form auch immer – mit ‚Recht(swissen)‘ aufgeladener Felder (z.B. Strukturen, Diskurse, Akteure oder Materialitäten) werden rechtliche Reproduktionen real: Die Migranten richten sich selbst an rechtlichen Dispositiven auf, aus und ab. Auch wenn sie rechtliche Ordnungen zwischenzeitlich infrage stellen, (re-)produzieren sie diese etwa schon durch die bloße Imagination der Dualität von Recht und Unrecht. Dieser performative Herstellungs- und Verfestigungsprozess ist analog zu jener ökonomiemachenden, durch ‚Wert-Schätzung‘ hervorgerufenen „Wirtschaftswirkung“ zu sehen, die im Unterkapitel 4a proklamiert wurde: Analog zu der dort beschriebenen ‚Selbstökonomisierung‘ findet auch eine ‚Selbstverrechtlichung‘ seitens der subjektivierten Migranten statt. Die mit diesen (Re-)Produktionen einhergehenden – durch plurale, diversifiziert und oftmals subtil wirkende Rechtsdispositive hervorgerufenen – (Selbst-) Verortungsprozesse, die Recht (und/oder Wirtschaft) (aus-)‚machen‘, lassen vielerlei gesellschaftliche Sphären und Punkte als rechtsrealisierend erscheinen. Rechtsrealisierung meint damit mehr als bloße ‚Recht-Sprechung‘: Recht wird nicht nur in sprachlichen Zuschreibungen (re-)produziert, sondern in vielerlei bedeutungstragenden Dimensionen: als ‚Rechts-Ordnung‘ durch Normen; als ‚recht-fertigende‘, ergo Recht (nicht selten materialisiert) herstellende, bedeutsame Infrastukturen; als ‚recht-setzende‘, ergo Recht platzierende, verortende Topographien; schließlich als ‚Unter-Richtung‘ durch die richtungsweisende Bedeutung juristischer Bildung. All diese Elemente werden von den Migranten (an-)erkannt, ihnen wird – oft unbewusst, weil durch subtile Subjektivierungen dichter Dispositive ausgelöst – Bedeutung zugesprochen, welche Recht unmittelbar realisiert. So wie später „The Americanization of […] Law“ (Nader 2005), lässt sich hier eine Europäisierung oder genauer: eine Anglisierung rechtlicher Verständnisse – d.h. ein subjektiviertes Sich-Einfügen in britische Verständnisse von Recht – im (post-)kolonialen Kontext, durch offensichtliche Machtasymmetrien (re-)produziert, feststellen, wenn bestimmtes disposiviertes Recht ‚wertgeschätzt‘ – und damit in seiner Bedeutung oftmals zementiert – wird. Denn nicht selten liegt der (An-)Erkennung von Recht ein ökonomischer Wert bzw. finanzielle Macht, die mit Recht und dessen es realisierenden Dimensionen assoziiert werden, zugrunde.6
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Man könnte also zu dem Schluss kommen, dass Ökonomie letztlich ‚(ge-)wichtiger‘ als Recht ist – zumindest für die Fragestellung dieser Arbeit –, da sie nämlich den
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Möglicherweise ließen sich auch andere Dimensionen der rechts(re)produzierenden Ab-Richtung finden, andere Rechtsrealisierungen auf- und ausmachen, denn es handelte sich bei dieser Arbeit lediglich um eine Möglichkeit der Rechtserfassung – was den Verfasser dieser Ausführungen erneut zu der Aussage nötigt, dass hier ganz bewusst ‚lediglich‘ eine subjektive Perspektive, wie man die Wirkweise von Recht in alltäglichen, primär unbewussten Zuschreibungen qualitativ-interpretativ erfassen kann, aufgezeigt wurde, indem ‚lediglich‘ auf einen Teil globaler Diskurshegemonien, die Recht (aus-)machen, abgezielt wurde – noch dazu als eine kulturelle Geographie des Rechts. Dabei soll gelten: „This is not the only possibility for legal-geographic research“ (Blomley 2006: 24). Der Autor spricht in diesem Sinne ein rebellisch-entschiedenes Macht-Wort gegen ein von wem auch immer gesetztes Comme il faut aus – alternative Analysen neben kulturellen Geographien des Rechts sind durchaus möglich und erwünscht. Denn „legal geography is a lively and creative line of scholarship. But it could be livelier, and even more creative. Its full potential […] has yet to be fully realized“ (Braverman et al. 2014a: 12 f.). Dies soll im zweiten Teil dieses Fazits mit Blick auf potenzielle zukünftige Konturen kultureller Choreographien des Rechts näher erläutert werden. Diese Arbeit wollte eine neue Sicht auf Recht(swissenschaft) und Geographie sowie auf das Verhältnis dieser zueinander kreieren; dabei ließ sie sowohl die Rechtswissenschaft als auch die Geographie – sowie nicht zuletzt auch benachbarte Disziplinen – an ihrer Identität zweifeln, indem mit dieser Vorstellung versucht wurde, das angeprangerte Missverhältnis einer trotz der erwähnten Ansätze noch mangelhaft entwickelten Rechtswissenschaft als reflektive Kulturwissenschaft aufzubrechen und dem innovativen Grenzbereich von Kulturtheorie/Cultural Studies, Humangeographie und Rechtswissenschaft (und Geschichtswissenschaft) neue Impulse zu verleihen. Insbesondere empfiehlt dieser Ansatz die Juristerei der Aufmerksamkeit der Geographen und aktuelle geographische Diskurse der Aufmerksamkeit der Juristen. In diesem Sinne wurde versucht, ein gewisses Ensemble einer Neuen Rechtsgeographie nicht nur zu dekorieren, sondern zu entwerfen. Weit davon entfernt, zwanghaft als Teil eines Massenmarktes begriffen werden zu wollen, ging es eher um das Aufzeigen einer recht jungen, bislang vor allem im angloamerikanischen Bereich florierenden Nische. In der Orchestrierung dynamischer Prozesse rechtlicher Verstetigungen kennzeichnet der formulierte Ansatz dabei eine Perspektivverschiebung par excellence: Gerade die Sprache der Kulturwis-
Grund für die Anerkennung und Wertschätzung des Rechts verkörpert, die Autorität des Rechts dadurch erst hervorruft.
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senschaften kann als probate Brücke zwischen den auf den ersten Blick so unterschiedlichen Disziplinen betrachtet werden, um zeitgemäße Grundlagenforschung zu raum-zeitlichen Rechtsrealisierungen zu betreiben. Historische Kulturgeographien des Rechts beinhalten dabei das ständige Hinterfragen und Austesten ihrer theoretisch-konzeptionellen wie methodischen Herangehensweisen, seiner eigenen Aus-, Hin-, Zu- und Abrichtungen. Ein derartiges Verständnis verlangt danach, dass Rechtswissenschaftler die alternativen Herangehensweisen sowie die innovativen Ergebnisse der Nachbarwissenschaften, insbesondere aus den stark qualitativ ausgerichteten und sich stärker als anwendungsorientierte Teile der Juristerei der Eigenreflexion verschreibenden Nachbarwissenschaften wie der Geschichtswissenschaft oder der Humangeographie konsultieren, einfordern und mit in ihre eigene Forschung einbeziehen. Denn Rechtswissenschaft darf sich nicht darin erschöpfen, als normative Anwendungs-‚Wissenschaft‘ unreflektiert Strukturen zu reproduzieren. Kulturtheoretisch fundierte, historisch-geographisch orientierte „Rechtswissenschaft als Reflexionswissenschaft“ (Haltern 2008: 204) meint somit eine auch sich ihrer selbst immer wieder aufs Neue vergewissernde Denkweise. Gerade im Zusammenspiel mit der multiperspektivisch operierenden Humangeographie bieten sich vielerlei kreative Kooperationsmöglichkeiten und Forschungsdesiderate. Die vorgestellte Fragestellung sollte in diesem Sinne mit der theoretischen Herangehensweise einer inter-, bisweilen auch trans- oder gar postdisziplinären Cultural Legal Geography bearbeitet werden, indem sie nach bedeutungsträchtigen Trassen trachtete, die dabei helfen, das weite Feld alltäglicher Rechtsrealisierung in steter Verunsicherung zu erschließen. Eine Betrachtung solcher kulturellen Geographien des Rechts kann dabei helfen, implizite Diskurshoheiten, Machtasymmetrien und hegemoniale Verhältnisse transparent(er) zu machen. Damit kann eine wichtige Schnittstelle von Kulturwissenschaften und/mit Recht – zumindest ansatzweise – besetzt werden. Kulturelle Geographien des Rechts konzeptualisieren eine spezifische Perspektive, die sich insbesondere mit dem Zusammenhang von Recht und Macht (sowie, in zweiter Instanz, d.h. zumindest implizit, auch immer mit Wissen und Identität) auf verschiedenen Maßstabsebenen auseinandersetzt – ohne räumliche Dimensionen hierbei immer zwangsläufig explizit machen zu müssen. Das vorliegende kuratierende Logbuch umriss in diesem Sinne erste Fluchtlinien post-spatialer Geographien (des Rechts) – auch wenn diese Arbeit (in einem erweiterten Raumverständnis) nach wie vor geographische Welt-Wissenschaft darstellt, auch wenn das vorliegende Vorhaben in vielerlei Weise verortet ist bzw. sich aktiv verortet: in theoretischer, methodischer, (post-)disziplinärer und anderer Hinsicht.
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Das bloße Kartieren von Recht (‚mapping law‘), beispielsweise, erscheint vor diesem Hintergrund zwar als rechtsgeographische Herangehensweise, als eine Art Rechtsgeographie, aber nicht als kulturelle Geographie des Rechts – zumindest nicht, wenn diese Arbeit nur deskriptiv bleibt und nicht die dieser zugrunde liegenden Welt-Bilder auf kulturtheoretisch kritische Weise reflektiert. Geographie meint hierbei eher eine bestimmte, nicht bestimmende Perspektive – eine, die, wie erwähnt, durch starke Multiperspektivität geprägt ist – als eine konkrete disziplinäre Verortung dieser Arbeit: Kulturelle Geographien des Rechts – oder der schon erwähnte englische Terminus Cultural Legal Geographies –, als eine mögliche Lesart kulturwissenschaftlicher Rechtserschließung, versuchen multiperspektivisch zu zeigen, wie (oftmals, aber nicht immer räumliche) Ausdrücke kulturalisierter rechtlicher Bedeutungs-Welten diskursiv wie materiell konstruiert, praktiziert und realisiert werden. Kulturelle Geographien des Rechts stellen damit ein multiperspektivisches, ergebnisoffenes und postdisziplinäres Deutungsangebot dar. Der Autor bittet, darüber hinaus, aber auch allgemein alle Disziplinen zu Sondierungsgesprächen über den Gegenstand ‚Recht‘. In diesen muss dann voraussetzungsfrei und unverkrampft über Korrektive zu herkömmlichen Rechtsbetrachtungen nachgedacht werden dürfen – ohne letztgenannten ihren Wert abzusprechen. Insbesondere Geistes- bzw. Kulturwissenschaften müssen aus der passiven Hilfswissenschafts- bzw. Opferrolle heraustreten und sich noch stärker einbringen, wenn rechtliche Themen auf der Agenda stehen. Das hier erzeugte wunderlich-windschiefe Werk an der groben Naht zwischen den Disziplinen wollte Wege aufzeigen, wie sich kulturtheoretisch ausgerichtete Geistes- und Sozialwissenschaften (vor allem das ‚Multiperspektivenfach‘ Humangeographie, aber auch die Geschichtswissenschaft sowie die Soziologie) mit Recht beschäftigen könnten – und wie sich umgekehrt auch die Rechtswissenschaft mit kulturwissenschaftlichen Ansätzen auseinandersetzen könnte. Für beide speziell in Deutschland noch weit voneinander entfernten Disziplinkulturen wirkt ein derartiger Versuch eines Brückenschlags enorm wertvoll, bereichernd und ungemein stimulierend. Ein erklärtes Ziel dieser Arbeit war vor diesem Hintergrund die bewusste Verunsicherung festgefahrener, augenscheinlich konträr zu einander stehender, stabil erscheinender Denkweisen, schlussendlich die vorsätzliche Injektion irritierender Impulse im transparent entblätternden (Deck-?)Mantel der Wissenschaft. Dieses vorliegende bunte, brüchige Mosaik richtete sich daher jenseits basaler Partituren rechtlicher Regel-Mäßigkeiten ein. Ziel war die bewusste Bereicherung der schon hoch dekorierten und traditionell üppig alimentierten Rechtswissenschaft um ein paar neue, mitunter tropikal-exotisch anmutende Farben.
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Gewiss wollte der Autor mit dieser hybriden Hydraulik, diesen kreolisierenden Choreographien nicht zum Prügelknaben einer ganzen Disziplin verkommen. Und doch muss nach wie vor eingefordert werden, dass Rechtsrezeption weiterhin auch außerhalb der Rechtswissenschaft möglich und gewollt sein sollte.
B) P ERSPEKTIVEN An dieser Stelle sollen noch einige perspektivische Überlegungen für sich potenziell anschließende Arbeiten touchiert werden. Diese Arbeit verortet sich in einem subjektiven Suchlauf, der nie abgeschlossen ist: Wissenschaft ist immer ‚work in progress‘, verlangt somit nach dem ständigen Hinterfragen und Weiterdenken seiner Gegenstände und Perspektiven, seiner Aus-, Auf-, Hin- und Zurichtungen.7 Dabei gilt, dass sich Wissenschaftler im Laufe des Schreib- und Arbeitsprozesses selbst verändern, in der bzw. durch die Auseinandersetzung mit ihrem Gegenstand und der ständigen unbewussten oder bewussten (Selbst-) Reflexion: „Anthropologists too are transformed through their journeyings and the places in which they stay“ (Gardner 1995: vii). Der Grenzen und potenziellen Problematiken des vorgestellten Projekts ist sich der Autor durchaus bewusst, wie schon in der Einleitung (insbesondere im Unterkapitel 1c) sowie in den einleitenden Zeilen des Blocks ‚Textualisierung: Dimensionen der Wirtschaftswirkung und der Rechtsrealisierung‘ (Kap. 4b) erwähnt. Neben dem Aufzeigen dieser Problemlagen muss darauf hingewiesen werden, dass auch weitere Dimensionen der Wirtschaftswirkung denkbar sind; die erfolgte Auflistung erhebt beileibe keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Ausschließlichkeit. So könnte insbesondere das Konzept der Mobilität als entsprechende Voraussetzung bedeutungsschwangerer Ökonomisierung und/oder Verrechtlichung gelesen werden, wobei gleichermaßen immaterielle wie materielle Elemente mobil werden und damit Ökonomie, Kapitalismus, Recht und Globalisierung realisieren können.8 Menschen und Materialität, Werte und Wissen („Mobile Meanings“, Revill 2011: 378 ff.) wie z.B. die performative Einstellung zu ‚Ökonomie‘ und deren ‚Wert-Schätzung‘ trugen über sowie durch ihre Mobilisierung zu einer zirkulä-
7
Dazu Allen: „Questioning the question, playing with words are simply part of the process of doing research“ (Allen 2003: 11).
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Dass Mobilität wirtschaftsfördernden Charakter aufweisen kann, erkannte schon Osterhammel (2009a: 656) mit Blick auf die durch das Empire geschaffenen Beschäftigungsmöglichkeiten und Emigrationschancen.
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ren Dynamik von westlich-kapitalistischer Wirtschaftsherrschaft in all ihren Facetten bei, wenn wir Mobilität nicht nur als „Bewegung und […] Positionswechsel von Personen oder Gruppen“ (Gans & Pott 2011: 734) auffassen. So lässt sich beispielsweise im 19. und 20. Jahrhundert eine deutliche Intensivierung der Zirkulation von Kapital feststellen, auch durch die stärkere Integration der Kolonien in weltwirtschaftliche Ströme (vgl. z.B. Osterhammel 2009a: 956). Zudem muss, wie nun schon mehrfach geschrieben, erneut die Warnung ausgesprochen werden, dass die hier geschriebenen Aussagen nicht als generalisierend zu lesen sind – die Aussagen gelten zunächst nur für die betrachteten Männer und deren von ihnen erzählten Biographien. Diese Arbeit kann somit lediglich Hinweise auf wichtige Elemente der Wirtschaftswirkung sowie der Rechtsrealisierung geben, möchte nie großflächig verallgemeinern. Neben diesen Warnungen sollen dem Leser aber zum Ende der Arbeit noch einige inhaltliche Anknüpfungspunkte für weitergehende Beschäftigungen mit einigen der in dieser Arbeit verhandelten Aspekte genannt werden. Abgerundet werden diese Empfehlungen mit einigen (inter-)disziplinären Gedanken zur Beschäftigung mit Raum und Ort in der Humangeographie sowie in der Geschichtswissenschaft.9 Zunächst ist davon auszugehen, dass die untersuchten Ex-Lascars vielfach auch auf in England geführte Migrationsdiskurse reagierten bzw. in einem reziproken Prozess eben diese (re-)produzierten. Diesbezüglich wäre es interessant, ob bzw. wie die ökonomie- und rechtsbezogenen Diskurse bzw. Vorstellungen der Migranten wirtschaftliche und rechtliche Paradigmen innerhalb der englischen Mehrheitsbevölkerung beeinflussten, um die opake Mobilität von performativ wirksamen Gedanken und Ideen – die wiederum materielle Realisierungen erfahren könnten – nachzuverfolgen. Unterschiedliche ‚Wert(e)-Vorstellungen‘ könnten etwa in vielerlei Konflikten sowie schließlich in Modifikationen oder Verfestigungen entsprechender Bedeutungszuschreibungen kulminieren. Zu prüfen wäre in diesem Sinne sodann aber auch, ob die für die Bundesrepublik Deutschland herausgearbeiteten medial-öffentlichen migrationsspezifischen Topoi zwischen 1960 und 1985 (Wengeler 2003) auch – und wenn ja, in welchem Maße sowie in welchem Zeitraum? – in England zu verzeichnen waren und wie diese Vorstellungen die Identitäten der Migranten influenzierten. Wen-
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In der Unterscheidung von Raum und Ort folgt diese Studie Hoelscher: „Among the implications that follow from the place-space tension, arguably the most important is its dynamism. Places are never static; they are constantly being made and remade. Attentative researchers examine the social forces, individual agency and politicaleconomic structures that both encourage and constrict the transformation of space into place“ (Hoelscher 2011: 252).
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geler verzeichnet für den von ihm anvisierten Zeitraum in Deutschland beispielsweise die „Konstruktion verschiedener Gefahren, die mit Zuwanderung verbunden sind“ (ebd.: 516) sowie die „juristischen und monetären Argumentationsweisen“ (ebd.: 517). Während letztere, also wirtschaftliche Gesichtspunkte, aber – zumindest in dem von ihm bezeichneten Zeitraum und ebenfalls zunächst nur auf Deutschland bezogen – abnähmen, seien die juristischen Denkfiguren bei der öffentlichen Bewertung von Migration deutlich dominanter geworden (ebd.: 521 f.). Diese Ergebnisse könnten fruchtbar mit noch zu entwickelnden, ähnlich ausgerichteten diskursanalytischen Studien zu England in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verglichen werden. So wäre die Betrachtung der aktuellen Situation von Menschen in England mit Wurzeln im heutigen Indien und insbesondere Bangladesh es sicherlich ‚wert‘, näher betrachtet zu werden. Dies könnte zum Beispiel mit Blick auf deren Bildungsniveau geschehen.10 Besonders die Rolle der jüngeren Generation mit südasiatischen Wurzeln könnte dabei eine Rolle spielen, wie z.B. in „Dis/locating diaspora: South Asian youth cultures in Britain“ (Alexander & Kim 2013). Des Weiteren ist der geographische Großraum ‚Indischer Ozean‘ keinesfalls ein homogenes Konstrukt. Wie Bose treffend beschrieben hat: „In exploring Indian Ocean history in all its richness, we have to imagine a hundred horizons, not one, of many hues and colors“ (Bose 2006: 4). Die Geschichte des Indischen Ozeans ist, ebenso wie seine Geographien es sind, überaus facettenreich. Mit jeder Studie zeigt sich ein komplexeres Bild einer „interregional arena of political, economic and cultural interaction“, so Bose (ebd.: 6). Während die Geschichte bis max. ca. 1830, also sowohl die Zeit vor der Ankunft der Europäer als auch die ersten Jahrhunderte europäischer, d.h. vor allem portugiesischer und holländischer Präsenz, bereits vielfach erforscht seien, bedürften die anschließenden Jahrzehnte britischer Hegemonie noch weitaus mehr Untersuchungen nach Bose (ebd.: 7). Nach wie vor sind zudem einige Regionen – oft aufgrund deren wirtschaftspolitischer oder demographischer Brisanz oder scheinbarer (Ir-)Relevanz – unter- oder überrepräsentiert auf der (wissenschaftlichen) Landkarte. So stellen Ostafrika betreffende Untersuchungen und Veröffentlichungen nur einen marginalisierten Teil des öffentlichen wie wissenschaftlichen Diskurses dar („Africa as a Fault Line in the Indian Ocean“, Hofmeyr 2010), während Indien schon seit Kolonialzeiten vielfach und vielfältig behandelt wurde (vgl. z.B. Campbell 2010). Zwar sind in den letzten Jahren durchaus verstärkt Studien zur Rolle (Ost-)Afrikas im Indischen Ozean publiziert worden (z.B. Alpers 2009, Bonner
10 Hierzu finden sich bei Choudhury (1993: 125, 224 ff.) einige – wenngleich nicht mehr ganz aktuelle – Ansätze.
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2011, Campbell 2010, Hofmeyr & Williams [Hrsg.] 2011b, Hyslop 2011, Kaarsholm 2010 u.a.) – der westliche Indische Ozean konnte beispielsweise als „regional food network“ identifiziert werden (Alpers 2009: 23 ff.) – doch ein unübersehbarer „Asiazentrismus“ (Campbell 2010: 170) ist im 21. Jahrhundert nach wie vor prominent, was angesichts der ‚dynamischen‘ zukünftigen Entwicklungsversprechen – speziell in ökonomischer Hinsicht –, die diesem Kontinent zugeschrieben werden, nicht verwundert. So geht das „unsichtbare“ Afrika (Hofmeyr 2010: 101) auch aus dieser Studie nicht diskursiv gestärkt hervor, konnte es doch – trotz aller Beziehungen zu Südasien und Europa, gerade im kolonialen Zeitalter – nicht noch zusätzlich Gegenstand dieser Zeilen sein, um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen. Gleichwohl gilt: „Indian traders and merchants and officials played a large role on the East African coast“ (Pearson 2003: 219), sodass es sich lohnen würde, der Rolle Afrikas in der (Wirtschaftsund Migrations-)Geschichte größere Beachtung zu schenken. Ferner bedarf weibliche Migration bzw. allgemein die Kategorie Geschlecht noch weiterer Be(tr)achtung. Gardner – neben Ansätzen von Busch (2013), Kofman und Raghuram (2006) oder Sen (2013) – befasste sich beispielsweise bereits mit „Shame, Status, and the Power of Women“ (1995: 198 ff.) und „Bangladeshi Women: Multi-Dimensional Images“ (ebd.: 199 ff.), mit „Men’s Histories: Narratives of Masculinity and Migration“ (2002: 85 ff.) und „Women’s Histories: The Transnational Work of Kinship and Caring“ (ebd.: 115 ff.). Gerade das identitätsstiftende Verhältnis von „Work and Masculinity“ (ebd.: 94 ff.) sollte in diesem Kontext näher beleuchtet werden, denn die ‚aufgemachten’ Dimensionen der Wirtschaftswirkung galten möglicherweise ‚nur‘ für (einige) Männer. Interessant wären zudem sicherlich auch „the social and economic transformations within the regions of migrant origin“ (Mann 2011: 108) – diese konnten im Rahmen dieser Arbeit ob des begrenzenten Platzes nur angerissen werden. Mit Blick auf südasiatische Geschichte(n) der Bildung treten dabei insbesondere Schlagworte wie „brain drain, exchange and gain: ‚hi-skill‘ migrants and the developed economies“ (Washbrook 2013a) auf, denn „a global phenomenon of the second half of the twentieth century has been the flow of highly skilled labour from the developing to the developed economies, especially to the United States (US) and Europe. Within this flow, migrants from South Asia (especially India) have figured particularly large“ (ebd.: 251). Zum Abschluss dieser Erwähnung von Anknüpfungspunkten möchte der Autor dieser Zeilen darauf hinweisen, dass weitere historisch wie geographisch informierte Untersuchungen kapitalistischer Wirtschaftsordnungen – ob als Bestandsaufnahmen oder Prozessbegleitungen konzipiert – vor allem unter Rückgriff auf kulturtheoretische Deutungsversuche
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und mit Verweis auf den Gegenstand Indischer Ozean neue Perspektiven eröffnen dürften. Analog zu den Ausführungen von Bose, kann auch diese Wirtschaftsgeschichte und -geographie des Indischen Ozeans sodann als Plädoyer für – und trotzdem in gewisser Weise auch gleichzeitige Warnung vor – Global History mit speziellem Fokus auf wirtschaftliche Prozesse und im Zusammenspiel mit geographischer Kompetenz verstanden werden (Bose 2006: 272). Nur wo das Aufzeigen der Integration in globale Ströme von Mensch und Materialität, Kultur und Ökonomie durch die Verortung in lokale und/oder regionale Kontexte gegeben ist, kann sich diese Forschungsperspektive gegen Vorwürfe der unverhältnismäßigen Beliebigkeit und einer übertriebenen Generalisierung behaupten. Historische Kulturgeographien der Ökonomie – oder doch kulturelle (Geo-) Geschichten der Ökonomie? – können somit in globaler Reichweite und am konkreten Beispiel – selbstverständlich nicht zwangsläufig, aber gerne anhand des Indischen Ozeans – zu fruchtbaren, d.h. anschlussfähigen und aussagekräftigen Forschungsergebnissen beitragen. Dabei muss festgehalten werden: „Geography is no magic. The production of academic knowledge is a slow and painstaking process and its circulation is characterized by serious oddities“ (Agnew et al. 2015a: 3). Dies gilt umso mehr für die Verknüpfung von geographischen mit historischen Arbeitsweisen, wie sie in den hier vorliegenden Zeilen angestrebt wurde – im Sinne von „linking world history to geography“ (ebd.). Dieser Ansatz hat nicht zuletzt deshalb große Relevanz, weil Geschichte und Geographie beide – und in ihrem Zusammenspiel nochmal verstärkt – das Denken in Alternativen lehren. Als schon in wissenschaftlicher Hinsicht qua definitionem ‚raumsensibel‘ sozialisierter (Human-)Geograph lagen dem Verfasser dieser Arbeit räumliche Kategorien wie etwa Orte (und damit einhergende ‚Verortungen‘) besonders am Herzen – was sich möglicherweise auch in der wiederholten Verwendung von Foucaults Heterotopie-Konzept spiegelt. Mit Cresswell können wir wagen zu behaupten: „There seems little doubt that place is one of the two or three most important concepts in the theory and practice of human geography“ (Cresswell 2011: 235). Doch „place is also central to historical accounts of how we came to know our world and our place in it“ (Price 2013: 119), weswegen der Verörtlichung von Wirtschaft und der Ökonomisierung des Ortes sowie dessen wirtschaftlichen Wirkungen besonderes Gewicht verliehen wurde. Dennoch gilt zu beachten, „dass die Identitätsthematik natürlich keineswegs auf […] Orte beschränkt ist“ (Pott 2007: 38). Nichstdestoweniger darf sich die Geschichtswissenschaft gerne noch stärker in raumwissenschaftliche Diskurse einbringen: Abgesehen von der französischen überließ die europäische Geschichtsschreibung
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den Raum lange Zeit den Geographen (vgl. Rothermund 2004: 272) – eine Tradition, die immer noch nachwirkt. Als Alleinstellungsmerkmal der (Human-) Geographie sieht der Autor derweil nicht mehr (ausschließlich) die Expertise in Fragen zu Raum und Ort, auch wenn die meisten (Human-)Geographien ihre Disziplin nach wie vor primär „als Wissenschaft über unterschiedliche Formen von Raumbezügen“ verstehen (Glasze & Mattissek 2014: 208). Doch spätestens seit dem Spatial Turn befassen sich auch andere Wissenschaften verstärkt mit räumlichen Fragestellungen; die Philosophie, um nur ein Beispiel zu nennen, behandelt gar schon seit der Antike entsprechende Thematiken sowie Problematiken (vgl. Casey 1997) – übrigens lange bevor die Geographie als eigenständige wissenschaftliche Disziplin an Universitäten institutionalisiert und gelehrt wurde. Auch Historiker sind mehr und mehr an Raum und Ort interessiert (z.B. Aulke 2015, Osterhammel 2009a, Schlögel 2003). Um die herausragende Bedeutung der (Human-)Geographie zu benennen, sollte stattdessen die Fähigkeit von Geographen, interdisziplinär und multiperspektivisch zu arbeiten, herausgestellt werden (vgl. diesbezüglich auch Gebhardt et al. 2011a: 47). Kaum eine andere (Human-)Wissenschaft verfügt über einen derart großen Fundus an verschiedenen Konzepten, Methoden und Blickwinkeln, die es erlauben, zu jeder erdenklichen Fragestellung und den komplexesten Problemen unterschiedliche Lösungsansätze zu erarbeiten: „Human geographers, with their increasing penchant for multi-methods research, which is often multi-sited too, are well placed to exploit the advantages of combined methods and approaches“ (King 2012: 138). Die (Human-)Geographie ist prädestiniert für das Arbeiten im interdisziplinären Team, an transdisziplinären Fragestellungen. Dabei kann sie, aus ihrer (Ver-)Mittlerfunktion heraus, ihr kreatives Überblickswissen und ihre Problemlösekompetenz gewinnbringend einsetzen – ohne auf das für die jeweilige Thematik notwendige inhaltliche Fachwissen verzichten zu müssen, denn jeder ausgebildete (Human-)Geograph verfügt fast schon zwangsläufig über eine Spezialisierung in Hinblick auf bestimmte Gegenstände, Methoden und theoretischkonzeptionelle Zugriffsmöglichkeiten. Somit soll – wie schon in der Bachelorarbeit (Schwegmann 2011: 5) und in der Masterarbeit (Schwegmann 2012: 59) des Autors – vor einer übertriebenen „Raumversessenheit“ (Geppert et al. 2005: 16) gewarnt werden, denn Raum ist nicht immer, nicht überall, nicht für alles konstitutiv, und stattdessen das innovativ-kreative Entwicklungspotenzial einer(Human-)Geographie des 21. Jahrhunderts betonen: Keine Thematik, die nicht auch von Geographen bearbeitet werden könnte. Die (Human-)Geographie darf getrost eine Führungsrolle in interdisziplinären Teams anstreben, wenn sie sich selbst als Universalwissenschaft versteht und sich damit dem traditionellen
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Geist der europäischen Universität im Sinne von ‚universitas‘ als – in jeder Hinsicht – ganzheitliche Disziplin verschreibt. Allein: Wer sich für alles zuständig fühlt, macht sich angreifbar; insbesondere die mitunter harsche Kritik an der scheinbaren ‚Beliebigkeit‘ der Arbeiten von postmodernen Strömungen hat dies gezeigt. Die (Human-)Geographie kann vor diesem Hintergrund nur Argumente, insbesondere in Form von originellen Ergebnissen, sprechen lassen. Wenn sie es dann noch schafft, hochaktuell zu bleiben und dringende Probleme im Zusammenspiel von Mensch, Macht und Raum bzw. allgemein von Mensch und (Um-)Welt zu adressieren – von ökologischen Themen wie Klimawandel, Naturkatastrophen und Ressourcenproblematiken über politisch-rechtlich-ökonomische Konglomerate (Euro- und Finanzkrise, Sicherheit und Terrorismus, Neoliberalisierung) bis hin zu sozio-kulturellen Effekten von Migration und Stadtentwicklung etc. – und dabei auch Querverbindungen zwischen diesen Bereichen herstellt sowie eine gewisse zeitliche Dimension mit einbezieht, dann kann sie ihre Stellung im Koordinatensystem der Wissenschaft stärker akzentuieren, evtl. auch neu definieren und möglicherweise gar zum Vorreiter einer transnational vernetzten, multiperspektivischen Wissenschaftslandschaft avancieren. Zum Abschluss dieser Arbeit soll nun noch auf einige weiterführende Punkte verwiesen werden, die in zukünftigen Forschungsvorhaben behandelt werden könnten. Dabei können wir zum Ende hin insbesondere die Beschäftigung mit politischen Dispositiven der Macht adressieren. Denn Politik ist eng mit Wirtschaft und Recht verwoben – und bietet sich schon deshalb hervorragend für weitere Forschungen im Themenfeld ‚Migration und normative Ordnungen‘ an. Aus diesem Grund möchte der Autor einen kurzen Exkurs mit Blick auf politische Wirkmacht vorstellen, der möglicherweise Interesse wecken könnte, sich mit diesem Themenfeld in weiterführenden Forschungen auseinander zu setzen. Als hoffentlich erhellende Tour d’Horizon konzipiert, durchmustern die folgenden Ausführungen dabei eigene Gedanken des Autors zur Wirkweise politischer Dispositive. Diese sollen gar nicht allumfassend abgebildet werden; vielmehr soll lediglich versucht werden, einen Eindruck zu verschaffen, was bei einer Analyse der Wirkweise politischer Ordnungen berücksichtigen werden könnte – ohne Vollständigkeit zu reklamieren. Eine derartige potenzielle zukünftige Arbeit unter dem Titel „Politikproduktion“ könnte als zweites Werk einer Reihe zu normativen Ordnungen den Schlussakkord in einem Dreiklang aus Wirtschaft, Recht und Politik setzen; den Kitt böte dabei erneut eine kulturtheoretische Perspektive. Doch zunächst einmal zu einigen anderen Anknüpfungsmöglichkeiten.
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Wirtschaftswirkung und Rechtsrealisierung bezeichnen mit Blick auf die Ergebnisse dieses Forschungsprojekts komplexe Prozesse, die in ihrer jeweiligen Tektonik, Architektur sowie ihren Interdependenzen längst nicht ausreichend erforscht sind. Speziell in Fragestellungen zu materiellen Auf- und Ausführungen von Recht und Wirtschaft sowie im Zusammenspiel mit menschlichen Bedeutungszuschreibungen in Raum und Zeit wittert der Verfasser großes Potenzial – insbesondere für die Humangeographie, welcher der Autor mit dieser Arbeit gleich zwei weitere, vielversprechende Mosaiksteine (‚Historische Kulturgeographien‘ und ‚kulturelle Geographien des Rechts‘) hinzugefügt hat. Das Zusammenspiel von Recht und Materialität ließe sich etwa am Beispiel der südasiatischen Textilindustrie und deren Bedeutung für die südasiatische Diaspora aufzeigen, wie beispielsweise schon in Ansätzen von Tarlo (2013: 368 ff.) behandelt. Interessant für kommende Arbeiten im Bereich kultureller Geographien des Rechts wäre, daran anschließend, auch „The Visual in Law“ (Feigenson 2014) bzw. die konkreten realitätsmachenden Wirkungsweisen visueller Rechtsrepräsentation, wenn wir mit einem geographischen Auge, das – im Gegensatz zu den Selbstverständnissen der historischen und juristischen ‚Textwissenschaften‘ – für Visuelles besonders empfänglich ist (vgl. z.B. den 2015 erschienenen Sammelband „Visuelle Geographien. Zur Produktion, Aneignung und Vermittlung von RaumBildern“ von den Herausgeberinnen Schlottmann und Miggelbrink), Recht betrachten. Auch Braverman (be-)greift „Legal Geography from a Visual Perspective“ (Braverman 2011). Zudem sollte auch weiterhin der Indische Ozean als fruchtbarer Forschungsgegenstand betrachtet werden, denn „dieser Ozean, an dessen Ufern ein großer Teil der Menschheit lebt, wird auch in Zukunft globale Aufmerksamkeit verdienen“ (Rothermund & Weigelin-Schwiedrzik 2004: 8). Wichtig hierbei wäre auch ein wohltemperiertes „expanding on power and time“ (Braverman et al. 2014a: 13 ff.). Denken wir beide Vorschläge zusammen, so sollte die Rechtswisseneschaft insbesondere mit der Geschichtswissenschaft sowie der Geographie stärker kooperieren, wenn wir erkennen: „The Indian Ocean has a past, present, and future; all three can provide fruitful, albeit challenging, avenues for research“ (Pearson 2007: 30). ‚Historische Kulturgeographien des Rechts‘, so eine potenzielle Bezeichnung für einen derartigen Ansatz. In diesem Sinne ließen sich beispielsweise weitere Beispiele für die mobile bzw. mobilisierte diskursive Regierungs-, Herrschafts- bzw. Steuerungskraft des Rechts aus mobilitätstheoretischer Perspektive erfassen. Anhand anderer Quellen könnten etwa „Transnational Migration and the Re-Framing of Normative Values“ (Nuijten 2005) angeschaut werden, um die Stabilisierungen und/oder Modifikationen normativer Ordnungen im Prozess der Mobilität einzufangen; dies-
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bezüglich sollte unbedingt zwischen „Mobility versus Law“ und „Mobility in the Law“ (Foblets 2005) unterschieden werden. Auch die Zusammenhänge zwischen „Mobile People“ und „Mobile Law“ (Benda-Beckmann et al. [Hrsg.] 2005) sind in diesem Kontext interessant, denn „legal places may literally move in space“ (Benda-Beckmann & Benda-Beckmann 2014: 36), so aktuelle Forschungen im Bereich Legal Geography. Die vielfältigen Verortungen von Recht lassen sich im Sinne von mobilen policies (vgl. z.B. McCann 2011, Peck & Theodore 2010) und „moving places“ (Benda-Beckmann & Benda-Beckmann 2014: 36 ff.) (be-) greifen, wobei der Inhalt dieser Elemente und Ortsbezüge im Prozess der Mobilisierung potenziell Veränderungen unterworfen ist. Diese rechtsgeographische Mobilitätsforschung hat dabei eine spezifische Perspektive, die sich von herkömmlichen rechtswissenschaftlichen Ansätzen stark unterscheidet: „For legal geographers, as for socio-legal scholars more generally, law is less a thing – like a giraffe, say, than a dynamic, shifting, often contradictory, multi-point process – like the movements of a swarm of hornets“ (Delaney 2015: 97). Ein nächster Unterpunkt dieses letzten Unterkapitels widmet sich sodann dem Appell, in zukünftigen Arbeiten die Interdependenzen zwischen den bislang im Rahmen dieser Studie vorgestellten normativen Ordnungen stärker in den Blick zu nehmen als dies möglicherweise in diesen Zeilen erfolgte. Weiterführende Vorhaben sollten daher wesentlich stärker noch die Interdependenzen der beiden – sowie weiterer – Ordnungen, die sich oftmals gegenseitig bedingen oder in verschiedenen Kategorien auch unmittelbar zusammenhängen, gar hybride Formen von Normativität erschaffen, sichtbar(er) machen. Wirtschaft und Recht sind lediglich aus Gründen der Vereinfachung relativ separat behandelt worden; in Zukunft sollten sie – möglicherweise in Verbindung mit weiteren normativen Ordnungen – im direkten Zusammenspiel und in inniger Verflechtung, idealerweise in einer Monographie verhandelt werden. Was diesem Forschungsprojekt auf den ersten Blick fehlt, und dies ist ein weiterer Anknüpfungspunkt für anschließende Arbeiten, ist ein Blick auf die Widerstände der betrachteten Migranten (vgl. Bhabha 1994); Widerstände gegen die analysierten normativen Ordnungen und deren Wirkmächtigkeit, mithin „Gegen-Dispositive“ (Hartz 2017).11 Leicht könnte diese Studie nämlich den
11 So notiert Osterhammel zum Verhältnis von „Kolonialismus und einheimische[r] Kultur“ (Osterhammel 2009b: 100 ff.): „Die westliche Zivilisation hat sich kaum jemals ungebrochen durchgesetzt“ (ebd.: 100). Tatsächlich „fanden [...] Inder [...] zunehmend Stärke in ihrem eigenen ererbten Gefühl nationaler, religiöser oder kultureller Identität“ (Bayly 2006: 14). Dementsprechend habe laut Reinhard (2016: 1255) „die euro-
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Eindruck erwecken, es handele sich bei den betrachteten Männern um simple ‚Opfer‘ der erwähnten Dispositive. Der Vorwurf der simplifizierenden NichtThematisierung von Widerständen seitens der Migranten muss gleichwohl zurückgewiesen werden, da es sich bei den vorgestellten Kraftfeldern um zumeist unbewusste Beeinflussungen der Migranten handelte, die diese – zumindest in den Lebensgeschichten, die hier als Quellengrundlage dienen – nicht bewusst erlebten oder gar hinterfragten. Zwar gilt sicherlich: „Die[] Folgen [der imperialistischen Expansion] veranlassten [...] kolonisierte Intellektuelle, zaghafte ‚nachgeahmte Diskurse‘ hervorzubringen, sie verschafften ihnen [...] ebenso die Gelegenheit, westliche Ideologien zu sezieren, ihre Unstimmigkeiten zu betonen und schlagkräftige hybride Spielarten von Ideen zu ersinnen, die sowohl ein lokales Publikum als auch die weitere Welt ansprachen“ (Bayly 2006: 596).
Wie wir in dieser Arbeit festgestellt haben, waren es nicht nur Intellektuelle, die nachahmten. Überspitzt formuliert: Auch von einfachen, gemeinen ExSeemännern „wurden [...] Nationalismen ‚internationalisiert‘, und ihre Ideologien wurden um neue Beispiele und Analogien bereichert“ (ebd.). Zu kritischem oder gar revolutionärem Gedankengut kam es innerhalb der hier betrachteten Lebensgeschichten der ausgewählten Migranten aber nicht. Dieser Umstand zeigt erneut die Notwendigkeit auf, eben derartige kritisch-reflektierende Arbeiten wie die hier vorgestellte zu schreiben, die re-/dekonstruierend derartige für viele Menschen unsichtbare Machtmechanismen aufzeigen, sodass der geneigte Leser sein eigenes Denken und Schaffen hinterfragen, entsprechende, verdeckt wirkende normative Ordnungen und deren Dimensionen entdecken und schließlich Handlungsalternativen in Erwägung ziehen kann. Überdies ließen sich neben den schon betrachteten normativen Ordnungen Wirtschaft und Recht auch andere kulturelle Dispositive vorstellen, z.B. in einer zweiten (und dann auch gerne in einer dritten, vierten etc.) Arbeit im Rahmen einer ganzen Reihe unter dem Obertitel „Macht-(W)Orte“. Wirtschaft und Recht sind nämlich selbstverständlich bei Weitem nicht die einzigen normativen Ordnungen, die es zu untersuchen gilt. So plädiert Bayly dafür, „dass jede Weltgeschichte eine komplexere Interaktion zwischen politischer Organisation, politischen Ideen und ökonomischer Aktivität postulieren muss. Die Ökonomie behält sicher eine wesentliche Funktion in der Argumentation“ (ebd.: 19), und doch ist sie nicht alleiniger Treiber sozio-kultureller Geographien. Oder anders formu-
päische Kolonialexpansion dialektisch die eigene Überwindung erzeugt“ (Reinhard 2016: 1255).
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liert: „Entwicklungen in der Weltwirtschaft scheinen der ideologischen und politischen Struktur im direkten Sinne nicht wirklich voranzugehen. Diese Bereiche durchdrangen und beeinflussten sich gegenseitig in unterschiedlichem Maße und zu verschiedenen Zeiten“ (ebd.: 21).12 Auch andere Wirkfelder der Macht könnten in Zukunft in der präsentierten Form (oder anders) analysiert werden, so z.B. Religion, Psychologie oder Medizin. Unter den Schlagwörtern bzw. Kernkonzepten‚Religionsreproduktion‘ oder ‚Religionsrealisierung‘ (gerade vor dem Hintergrund der jüngsten Postsäkularismus-Debatte, vgl. z.B. Lutz-Bachmann [Hrsg.] 2015), ‚Psychologieproduktion‘ und ‚Medizinmache‘ könnten so etwa weitere normative Ordnungen sowie deren Wirkkraft neben den vielfältigen Rechtsrealisierungen und Wirtschaftswirkungen betrachtet werden. Kulturelle Geographien helfen in diesem Sinne dabei, Recht, Wirtschaft, Religion, Psychologie, Medizin – oder auch andere Themenfelder (z.B. Politik – dazu aber gleich noch mehr) – auf einen globalen Rahmen zu erstrecken, ohne deren lokale Ausprägungen zu übersehen. Historische Kulturgeographien berücksichtigen sodann zusätzlich im besonderen Maße die zeitliche Schiene dieser – im weitesten Sinne – räumlichen Korrespondenzen bedeutsamen ‚Welt-Machens‘. Als gleichzeitiger Beitrag zum Forschungsfeld der Globalgeschichte sieht diese Perspektive ‚das Globale‘ nicht zwingend in einer den Globus und all seine regionalen Facetten allumfassend oder zumindest größtmöglichen empirischen Durchdringung, sondern eher im Nachspüren global wirkmächtiger Themen bzw. Ordnungen (wie etwa, aber nicht ausschließlich, Ökonomie/Kapitalismus) in deren alltäglich global induzierten und lokal auf- und ausgeführten Realisierungen, was sich durch das Konzept der Performativität erkenntnistheoretisch hervorragend fassen lässt – immer im Wechselspiel der Bedeutung generierenden Korrespondenz menschlicher mit nichtmenschlichen, materiellen, technologischen Ausprägungen, was wiederum durch Dispositivanalysen wunderbar nachvollzogen werden kann. Psychologie könnte aber gleichwohl nicht nur als Gegenstand, sondern auch als Perspektive zukünftiger Arbeiten zu normativen Ordnungen dienen, gerade vor dem Hintergrund des Aufkommens eines anzunehmenden Psychoanalyic Turn in den Geistes- und Sozialwissenschaften. „Kulturpsychologie und Psychoanalyse als Kulturtheorie“ (Kramer 2008) sowie die „Diskursforschung in der Psychologie“ (Porsché und Macgilchrist 2014) wären dabei geeignete Anknüp-
12 Bayly konstatiert: „Es war der ‚parasitäre‘ und vernetzte Charakter westlicher Vorherrschaft und Macht, der dieser eine solche Stärke verlieh. Der Westen verband eine große Vielfalt brauchbarer Netzwerke und Bestrebungen miteinander und machte sie sich zunutze“ (Bayly 2006: 594).
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fungspunkte für kulturelle Psychologien der Ökonomie, des Rechts etc. Ein derartiger Ansatz wäre schon deshalb so wünschenswert, weil er als attraktive Alternative zu der Mehrheit herkömmlicher quantifizierender sowie zu anderen qualitativen Richtungen der Psychologie gesehen werden könnte. Insbesondere die Diskurs- und Dispositivforschung fristet nach wie vor „ein Nischendasein innerhalb der Disziplin der Psychologie“ (ebd.: 252). Kulturelle Psychologien könnten aufzeigen, „dass Diskursanalyse nicht lediglich eine neue ‚Methode‘ darstell[t], sondern eine radikale Veränderung des Selbstverständnisses der (Sozial-)Psychologie bedeute[t]“ (ebd.: 253). Daneben könnte eine kulturtheoretisch operierende Medizingeographie (oder -geschichte oder -psychologie?) als kulturelle Geographie (oder kulturelle Geschichte oder kulturelle Psychologie?) der Medizin auf die diskursive bzw. dispositive Herstellung und Bedeutungsverstärkung der Medizin in ihren vielfachen Ausdrücken, Auf- und Ausführungen (als universitäre Disziplin, als Arbeitsfeld, in ihrem Prestige und ihrer Relevanz) fokussieren. Dabei dürfte schnell festgestellt werden, dass der Medizin in ihrer alltäglichen gesellschaftlichökonomischen Bedeutung kein Platz im Lazarett rekonvaleszierend-nichtiger Irrelevanz zugeschrieben wird. Doch dies sei nur ein Beispiel, das den Leser ersuchen möchte, selbst aktiv zu werden. Ein anderes wäre die normative Ordnung des Politischen, welche auch mit Blick auf die analysierten südasiatischen Migrationsgeschichten im (post-)kolonialen Kontext beleuchtet werden könnte – evtl. unter dem Label ‚Politikproduktion‘, wie zu Beginn dieses Unterkapitels schon angerissen. Unter diesem Konzept ließen sich die vielfältigen, immer dispositiv bedingten, alltäglichen Selbstreg(ul)ierungen jener Migranten fassen, die in den analysierten Lebensgeschichten zu Wort kommen. Politikproduktionen wurden, zugegebenermaßen, schon hier und da ansatzweise in dieser Arbeit oft auch implizit mit verhandelt, da (Re)Produktionen des Politischen häufig mit ökonomischen und/oder rechtlichen normativen Ordnungen zusammenhängen. So wurde zum Beispiel die Dimension ‚Nation‘ erwähnt, über die geopolitische Ökonomisierungen stattfinden, wenn die britische Nation als Repräsentant einer (unbewusst) mit Wohlstand assoziierten kapitalistischen Wirtschaftsordnung analysiert wird; die in jener Arbeit analysierten ‚Netzwerke‘ und die durch sie produzierten Orte könnten überdies als Elemente positiv konnotierter Selbstermächtigung und somit ebenfalls als politisierendes Moment betrachtet werden. Neben „Nation“ (Antonsich 2015) oder Staat, Netzwerken sowie Orten gehören auch die in dieser Studie verhandelten Momente „Power“ (Painter 2015), „Violence“ (Tyner 2015) und „Justice“ (Sultana 2015) zu den „Key Concepts in Political Geography“ (Agnew et al. [Hrsg.] 2015b: 11 ff.). Überdies hat der Verfasser in der hier vorliegenden
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Arbeit Normen als Stabilisatoren von geopolitischen Vorstellungen benannt (Kap 5 a). Nichtsdestotrotz würde es sich sicherlich lohnen, das Dispositiv Politik auch noch gesondert in den Blick zu nehmen. Wie nämlich zuvor schon mit Blick auf die Wirkweisen und Realisierungen von Wirtschaft und Recht gezeigt, könnte auch auf die (Re-)Produktion und Aufrechterhaltung normativer Ordnungen fokussiert werden – diesmal mit dem Fokus auf das Politische. Als empirisches Beispiel könnten dann erneut die im Rahmen dieses Forschungsprojekts betrachteten, in den 1980er Jahren niedergeschriebenen Lebensgeschichten südasiatischer Migranten dienen, die sich in ihren Erzählungen neben ökonomischen und rechtlichen Facetten – oftmals unbewusst – auch dem Bereich der Politik widmen. Ein entsprechender Ansatz würde dann auf derartige ‚Wert-Schätzungen‘ als auf den ersten Blick womöglich unsichtbare Herstellungen und Verfestigungen von ‚Politik‘ schauen und dabei Dimensionen präsentieren, die das Politische ‚machen‘, indem sie bestimmte Bedeutungen zugeschrieben bekommen und konkrete Relevanz, praktischen Einfluss auf das Leben und die Selbstverständnisse der betrachteten Migranten entfalten. Den Kitt für eine derartige Herangehensweise würde dann abermals eine kulturtheoretische Perspektive bieten. Als kulturelle Geographie der Politik, als kulturtheoretisch ausgerichtete Politikforschung aus geographischem Blickwinkel, könnte sich dieser Ansatz mit vielfältigen Reproduktionsmustern von Politik in alltäglichen sprachlichen, praktischen und/oder materiellen Zuschreibungen befassen.13 Die humangeographische Subdisziplin der Politischen Geographie wird hierbei insofern durch eine kulturwissenschaftliche Linse eingestellt, als so kritisch-reflektierende Dekonstruktionen möglich sind. Auf diese Art und Weise ließe sich, wie in der bisherigen Arbeit schon mit Bezug zu Wirtschaft und Recht aufgezeigt, das multiple Hineinwirken von normativen Ordnungen der Kolonialzeit in die postkoloniale Zeit aufzeigen. Diese Dispositive der Macht, zu denen auch politische Realitäten zählen, überdauern offenbar die eigentliche Zeit der unmittelbaren Beherrschung. Im Zentrum der (sub-)disziplinären Verortung einer derartigen Herangehensweise stünde damit allgemein die Politische Geographie, welche sich mit der Wirkweise geopolitischer Leitbilder, mit (Selbst-)Reg(ul)ierung und generell mit Macht befasst, wie Reuber (2012) herausarbeitet. Unter diesem Brennglas ließen sich abermals die Lebensgeschichten betrachten, um nach alltäglichen
13 Der aktuelle Forschungsstand im Bereich der Politischen Geographie wird etwa in „The Wiley Blackwell Companion to Political Geography“ (Agnew et al. [Hrsg.] 2015b) überzeugend dargestellt und strukturiert.
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Herstellungsarten des Politischen, nach geopolitischen Vorstellungen und deren Effekten zu suchen. Mit ihrer Fokussierung auf die Analyse des Spannungsverhältnisses von Gesellschaft, Macht und Raum (ebd.: 11 ff.) – oder wie es Painter ausdrückt: „Politics is about power and power is at the heart of political geography“ (Painter 2015: 141) – ist die Politische Geographie ein hervorragender Ansprechpartner und Ausgangspunkt für eine weitere Arbeit im Themenfeld normative Ordnungen bzw. ‚Macht-(W)Orte‘. Aktuelle Entwicklungen auf der politischen Weltbühne im Zuge der Globalisierung schreien förmlich nach Politischer Geographie, doch all jene jüngeren machtbezogenen Entwicklungen und Konflikte sind auch und besonders auf der regionalen sowie der lokalen Maßstabsebene mit ihren komplexen Selbsttechnologien, ihren Ein- und Ausschlüssen und ihren Regierungs- und Sujektivierungsregien zu beobachten – gerade mit ihren multiplen ökonomischen Implikationen (vgl. Reuber 2012: 17). Eng mit dem Politischen ist dabei speziell das Ökonomische verbunden, weswegen es schwer fällt – auch in einer potenziellen folgenden Arbeit –, beide normative Ordnungen getrennt voneinander zu betrachten – ganz zu schweigen von rechtlichen Imperativen, die vielfache Verwebungen mit diesen aufweisen. All jene angesprochenen (Selbst-)Reg(ul)ierungsprozesse laufen auf den unterschiedlichsten Maßstabsebenen (global, national, lokal etc.) ab und bedingen, befruchten und reproduzieren sich gleichzeitig; all diese (Selbst-) Reg(ul)ierungsprozesse hätten engagierte, verantwortungsvolle und immer kritisch reflektierende Forschung verdient. Die Politische wird so schnell zur wahrhaft politischen, weil selbst politisch engagierten, Geographie (ebd.: 27 ff.). In diesem Kontext lassen sich mit Painter (2015: 142) zwei Verschiebungen in der theoretischen sowie empirischen Arbeit Politischer Geographen feststellen: Sie ist deutlich weniger staatenzentriert als noch vor einigen Jahren und erschließt sich zunehmend neue Gegenstände. Auch Reuber hat mehrere „aktuelle Debatten und Entwicklungen“ (Reuber 2012: 21 ff.) der Politischen Geographie herausgearbeitet, die die jüngere (Sub-)Disziplingeschichte kennzeichnen: Neben einer Ausweitung der ‚räumlichen‘ Perspektive, der Erweiterung der Auffassung vom ‚Politischen‘ und der Pluralisierung der theoretischen und methodischen Zugriffe werde vor allem die eigene Rolle der Forschenden zunehmend mitgedacht. Diese vier Punkte könnten – teilweise oder auch alle zusammen – in einer potenziellen Arbeit zur Wirkmächtigkeit politischer Dispositive verhandelt werden. Dadurch ließe sich feststellen, dass die beleuchteten Migranten den verschiedensten wirklichkeitsherstellenden Dimensionen nämlich vielfach unbewusst politische Bedeutung zuschreiben (z.B. Qureshi 1987: 161 f., 167 f., 171). Konkret lassen sich etwa Diskurse, Praktiken und Infrastukturen benennen, die
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für die Identität der Männer Relevanz entfalten und bzw. indem sie politisch ‚wert-geschätzt‘ werden. Dadurch fügen sich diese Menschen durch alltägliche Zuschreibungen und Wertschätzungen unbewusst in politische Zusammenhänge ein und reproduzieren diese so; zugleich können die erwähnten Dimensionen der Macht – Diskurse, Praktiken und Infrastukturen – selbst zu wirkmächtigen Akteuren im dispositiven Kraftfeld der Politikproduktion avancieren. Politik wird auf diese Weise in vielen alltäglichen, ‚kleinen‘ Produktionen realisiert – möglicherweise gar im Sinne von ‚Selbstpolitisierungen‘; Politikproduktion meint in diesem Tenor und analog zu den Konzepten der Wirtschaftswirkung und Rechtsrealisierung die Herstellung von Politik bereits in der Vorstellung, aber auch einem permanenten Wechselspiel mit Diskursen, Praktiken, materiellen sowie technischen Infrastrukturen.14 Hier können uns gouvernementalitätstheoretische Impulse weiterhelfen, die Komplexität von Fremd- und Selbststeuerung, vom Zusammenspiel zwischen Mensch und Technik, Materialität und Theatralik angemessen zu durchleuchten. Foucault definiert diesbezüglich zusammenfassend „la formation d’une ‚gouvernementalité‘ politique: c’està-dire la manière dont la conduite d’un ensemble d’individus s’est trouvée impliquée, de façon de plus en plus marquée, dans l’exercice du pouvoir souverain“ (Foucault 2004b: 374). Mit einem Schuss Performativitäts- und Gouvernementalitätsforschung angereichert, ergibt sich so eine kritisch reflektierende Forschung, die die Bedingungen praktischer politischer Relevanzentfaltung und damit potenzielle Realisierungen als eine Art Dispositivanalyse in den Blick nimmt. Es geht dabei in Anlehnung an Reuber (2012: 21 ff.) nicht mehr zwangsläufig oder ausschließlich um traditionelle Konzeptionen von staatenzentrierter ‚großer Politik‘ – denn es gilt: „For much of its history, the subdiscipline of political geography has been centered on the study of the state and its territory“ (Agnew et al. 2015a: 3) –, sondern um alltägliche Selbstreg(ul)ierungen auf allen räumlichen Maßstabsebenen, um maximale Vielfältigkeit in Bezug auf die erlaubten theoretischen Herangehensweisen – so dürfen auch kulturtheoretische Erschließungsversuche gewagt werden –, sowie um eine kritische Selbstreflektion der eigenen Wirkmächtigkeit als Wissenschaft, die ihrerseits selbst machtvolle Realitäten erschaffen oder verstetigen kann: Auch die (Politische) Geographie – wie andere universitäre Disziplinen – ist letztlich ein wirkmächtiges Feld,
14 Vgl. diesbezüglich auch „Material Political Geographies“ (Agnew et al. [Hrsg.] 2015b: 407 ff.) sowie „Everyday Political Geographies“ (Fregonese 2015), wobei „the everyday as more-than-human“ (ebd.: 495 f.) zu sehen ist. Zudem gilt: „A political geography of the everyday […] ought to keep its attention on the more-than-state“ (ebd.: 499).
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das durch eigene wissenschaftliche Arbeiten durchaus gesellschaftliche Gedankengänge (wie Imaginationen geopolitischer Ordnungen) sowie letzlich auch Praktiken (Agieren in bzw. nach diesen vermittelten und sodann imaginierten Ordnungen) anleiten kann und dies in der Vergangenheit auch oft getan hat (vgl. diesbezüglich z.B. die Geschichte der Politischen Geographie nach Reuber 2012: 69 ff.). Es geht damit um „the discipline within which we work, to reflect on the kinds of political geographies that we are remaking through our professional practices and our publishing performances“ (Agnew et al. 2015a: 7), um die Selbstreflexion des „Doing Political Geography“ (Agnew et al. [Hrsg.] 2015b: 507 ff.).15 Dies weiter aus- oder gar (weitere) konkrete empirische Beispiele anzuführen, gedenkt der Autor der vorliegenden Zeilen zumindest in dieser Arbeit aber nicht mehr. Die hier ausgebreiteten Gedanken dienen lediglich als Appetitanreger, sich in Zukunft auch mit anderen normativen Ordnungen – wie eben Politik – und deren Wirk(un)möglichkeiten weiter zu beschäftigen. Dabei braucht es gar nicht um die Präsentation von „ready-made solutions“ (Agnew et al. 2015a: 3) oder unmittelbaren Handlungsalternativen welcher Couleur auch immer zu gehen, sondern ‚lediglich‘ um das re- und dekonstruierende Erläutern von Machtzusammenhängen. Die bloße Möglichkeit der Ermöglichung potenzieller neuer Gedankenräume sollte Grund genug sein für neue Reflexionen.
15 Siehe diesbezüglich auch „Academic Capitalism and the Geopolitics of Knowledge“ (Paasi 2015) und insbesondere das Schaubild „The wheel of power: A conceptual framework for understanding the Anglophone hegemony debates and the contemporary academic rat race“ (ebd.: 512). Paasi erläutert diesbezüglich das Verhältnis von „Globalization of science, neoliberalism, and the rise of the hegemony debate“ (ebd.: 512 ff.), inderm er auf das Thema „Marginalization“ (ebd.: 514 ff.) mit Bezug auf die vielfachen Selbstregulierungen des Wissenschaftssystems zu sprechen kommt; er kritisiert „English as a lingua franca“ (ebd.: 516 ff.) und schließt letzten Endes mit dem Fazit: „The current culture, centered on journals (and impact factors and citations), is fast becoming hegemonic around the world. It has to be resisted in the name of diversity and academic freedom: Journals, monographs, and edited collections must have their place in geography and the flow of ideas must be multidirectional“ (ebd.: 520 f.).
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C) R EFLEXIONEN „Coming face to face with something strange and new, looking afresh at the familiar, making a connection between things or ideas that were previously apart – these are some of the pleasures of doing research“ (Clark 2003: 28).
Doch Wissenschaft und Forschung können nicht nur persönliche Glücksmomente bescheren: Sie können auch gesamtgesellschaftliche Relevanz – nicht nur ökonomisch verstanden – entfalten, so sie die Mechanismen der (eigenen?) Wissensproduktion, -verfestigung, und -hegemonie transparent machen, gewissermaßen dekonstruieren.16 In diesem Kontext muss insbesondere auf die Bedeutung wissenschaftlicher (Selbst-)Reflexion eingegangen werden. Denn im Anschluss an diese Arbeit stellt sich, wie in der Einleitung schon angerissen, auch die selbstreflektierende Frage nach der „Konstitution ökonomischer Expertise“ (Kessler 2013: 64 ff.) – bzw. danach, wie (und von wem) etwas überhaupt als ‚ökonomisches‘, ‚juristisches‘ o.ä. Thema eingeordnet wird (ebd.: 74). Diese(r) Frage sollten sich auch und insbesondere Wissenschaftler stellen, wenn sie sich mit bestimmten Gegenständen (nicht) beschäftigen (wollen). „Curiosity can take you in any number of directions, often inspired by the wide reading that you have done in a particular area or perhaps by a deep-seated belief in the importance of a particular topic“, so Allen (2003: 12). Damit kann nicht nur darauf angespielt werden, dass auch die Geschichtswissenschaft mit ihrer grundlagentheoretischen Ausrichtung auf Narrativität bzw. Geschichte(n), mit ihrem „Wissen von/als Narration“ (Preisinger 2013) praktische ökonomische Relevanz erlangen kann, wenn „Storytelling als narrative Managementmethode“ (ebd.) betrachtet wird. Neben derartigen offensichtlichen Zusammenhängen zwischen „Telling and Selling“ (Jamal 2012) soll hier stattdessen eher auf die diskursive Konstruktion und Wirkmächtigkeit wirtschaftlicher Kategorien und Themenfelder verwiesen werden, die in anderen Arbeiten gesondert betrachtet werden sollte. Mit Thrift ließe sich konstatieren: „We live in a world of worlds“
16 Gerade im Kontext von wissenschaftlichen Kongressen, auf Tagungen und anderen Präsentationsplattformen wird (bestimmtes) Wissen, werden Zuschreibungen, Bedeutungen und Wirklichkeiten (re-)produziert – nicht zuletzt durch und in bestimmten Inszenierungsformen der Wissenschaftler, wie etwa Hilgartner mit Blick auf die Aufführung, die ‚Performance‘ von Wissenschaft unterstreicht: „Die Bühnenmetapher ist äußerst ergiebig, und das ‚In-Szene-setzen‘ der Wissenschaft (staging science) lässt sich in viele interessante theoretische und empirische Richtungen verfolgen“ (Hilgartner 2006: 125).
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(Thrift 2002: 297), die durch Bedeutungszuschreibungen entstehen, welche wiederum – auch als ‚ökonomisch‘ bezeichnete bzw. der Sphäre der Ökonomie zugerechnete – Wirklichkeiten erschaffen. Wenn in diesem Kontext nicht nur von der „Verwissenschaftlichung der Wirtschaft“ (Meusburger 1998: 30 f.), sondern auch von der Verwirtschaftlichung der Wissenschaft gesprochen werden muss, sofern etwa „Humanressourcen als strategischer Wettbewerbsvorteil“ (ebd.: 33 f.) bezeichnet und Universitäten zu wirtschaftsnahen Massenausbildungsstätten degradiert werden, dann zeigt sich auch hier, in der Frage der gesellschaftlichen Relevanz von bestimmten universitären Fächern, Fachbereichen, inhaltlichmethodischen Ausrichtungen sowie schließlich allgemein der Universität als (Aus-?)Bildungsinstitution die Wirkung wirtschaftlicher Diskurse. Denn unter dem Joch der Ökonomie ächzt nicht zuletzt die Wissenschaft sowie das Bildungssystem per se (vgl. z.B. Marttila 2017). Insbesondere Universitäten werden – ausgerichtet an den Bedürfnissen des Staccatos turbokapitalistisch gehetzter Arbeitsmärkte – zunehmend zu primär ökonomische(n) Interessen (be-)dienenden Drehscheiben, zu Durchlauferhitzern, zu ‚Denk‘-Fabriken (vgl. Fohrmann 2016, Meusburger 1998). In der Ausrichtung auf arbeitsmarktkonforme Qualifikationen spiegelt sich schnell die (ewige?) Gleichmacherei des deutschen Bildungssystems – mit der Verschulung von Bildung, dem Verzicht auf individuelle Förderung (die ob des politisch – zwecks Erfüllung externer OECD-Vorgaben – gewollten Massenbetriebes, zugegebenermaßen, auch kaum mehr realisierbar ist), der Nivellierung des Niveaus zwecks Steigerung der Absolventenquoten, der bewussten Breiten- statt stärkeren Spitzenförderung und einem Fokus auf dem Erwerb von ‚Papageienwissen‘. Letztlich werden Spitzenleistungen, Kreativität und Eigensinn systematisch verhindert, wenn schon in der Schule eine bewusste Koppelung von Bildungsportionen an Altersstufen erfolgt.17 Dies, die gleichzeitige Ökonomisierung des Sozialen und der Wissenschaft, wird seit einiger Zeit auch in der Forschung reflektiert (vgl. Maeße 2014: 309 f.). Diesbezüglich sollten wir insbesondere – wie bereits früher in dieser Arbeit schon erwähnt – die Wirtschaftssoziologie einladen, an einem entsprechenden kritischen Diskurs teilzunehmen, denn „das Verhältnis von Wissenschaft und Wirtschaft wurde insbesondere von der wissenschaftssoziologisch informierten Wirtschaftssoziologie thematisiert“ (ebd.: 307). Aber auch alle anderen Disziplinen dürfen gerne teilnehmen.
17 Siehe hierzu auch „Kreativität und Depression. Freiheit im gegenwärtigen Kapitalismus“ (Menke & Rebentisch [Hrsg.] 2012).
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Doch Wissenschaft, als ein zentrales Feld der Selbstdeutung des Menschen, als ein wichtiges Labor zur Entwicklung neuer Denkmodelle, kann sich wehren, wenn sie die zunehmende Kommodifizierung und Vermarktlichung der Bildung bzw. ihrer selbst kritisch reflektiert, wenn sie die neoliberale Postmoderne zumindest hier und da auf Granit beißen lässt. Denn „Freiheit ist, grundlos etwas zu tun“ (Hegemann 2012) – und „jedes Handeln, das grundlos geschieht, einfach so, realisiert diese Freiheit“ (ebd.: 82). In diesem Sinne lässt sich Wissenschaft nicht in disziplinäre Ketten legen, Wissenschaft muss sich irritieren lassen, die Ränder ihrer selbst ausloten und in vielerlei Hinsicht ausbrechen dürfen – aus dem jeweiligen disziplinären Korsett, sei es z.B. in sprachlich-expressiver, inhaltlich-konzeptioneller, methodisch-methodologischer oder auch anderer Hinsicht. Wissenschaft lebt von intrinsischer (Ein-)Mischung und leidenschaftlichem Disput.18 Auch in der Multioptionsgesellschaft der Spätmoderne erhöhen Umwege – welcher Art, Richtung oder Dauer auch immer – die Ortskenntnis; wer nicht vom Weg abkommt, bleibt gerade im innovationssüchtigen Wissenschaftsbetrieb auf der Strecke. Wissenschaft beinhaltet regel-mäßig(e) Grenzüberschreitung: eine sich an den wissenschaftlichen Regeln orientierende, stetige Überschreitung der eigenen Grenzen, ein kontinuierliches Hinterfragen von Konventionen. Die hier entworfenen Geographien der Alliteration haben in diesem Sinne voller Verzierungen und Arabesken versucht, ausgetretene Trampelpfade zu verlassen. Dabei können sie gleichsam selbst zum Gegenstand einer Diskurs- oder gar Dispositivanalyse avancieren, wenn auch Wissenschaft Bedeutungen und Realitäten, Wahrnehmungen und Wahrheiten erst erschafft: „Ideen gebären, Gedankenzusammenhänge produzieren, Wahrheiten suchen und (er-)finden sind […] Kerngeschäft der Wissenschaft“ (Helbrecht 2003a: 149). In vielen Wissenschaftsbereichen werden Opportunismus und Anbiederei jedoch nach wie vor großgeschrieben; die Wasserträger der Wirtschaft mit ihren paillettenbesetzten Tentakeln umgarnen ein poröses Pulverfass der üppig alimentierten Refugien. In diesem Sinne liest sich diese Arbeit auch als Plädoyer für mehr (Eigen-) Reflexion von Wissenschaftlern und ihrer gesellschaftlichen Rolle, wie schon in der geographischen Dissertation des Autors (Schwegmann 2016: 146 ff.) und auch von anderen Stimmen, wie beispielsweise bereits im von Nieswand und
18 Zur Verknüpfung von Leidenschaft und Wissenschaft zitiere ich Pryke et al.: „After all, what’s the point of research if you cannot do it passionately?“ (Pryke et al. 2003: 7).
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Drotbohm herausgegebenen Sammelband (2014b) oder von Pryke et al. (2003), 19 angemahnt. Reflexion per se ist nämlich immer an eine gewisse Eigenreflexion bzw. Selbstbe- wie hinterfragung gekoppelt (vgl. Füssel & Neu 2014: 156). Die vorliegende Arbeit sieht sich damit als Teil der „reflexive[n] Wende der Migrationsforschung“ (Nieswand & Drothbohm [Hrsg.] 2014b), als Teil einer Reflexion über „den Konstruktcharakter wissenschaftlichen Wissens“ (Nieswand & Drotbohm 2014a: 1). Genauer: Damit liest sich diese Studie als Aufruf zur „systematischen Reflexion, Variation und Kontrolle der Interpretationsprozesse auf Seiten der Forschenden“ (Keller & Truschkat 2014: 294), was sich auch mit den im Rahmen der vorliegenden Untersuchung herausgestellten vielfältigen Normalisierungen von Ökonomie verbinden lässt.20 Wie auch Helbrecht es verdeutlicht (2003a): „Wissenschaft beginnt, wo das Denken an Grenzen stößt“ (ebd.: 149). Somit entstünden dann historiographische Selbstbeobachtungen, gewissermaßen als „Teil einer möglichen künftigen historiographiegeschichtlichen Diskursanalyse“ (Füssel & Neu 2014: 156). Diese Zeilen möchte der Autor somit gleichzeitig als „ein Plädoyer für soziale Reflexivität in der Diskursforschung“ (Angermuller & Schwab 2014: 648 f.) verstanden wissen, wenn Reflexivität auf das Selbst in der Interaktion mit dem Anderen bzw. mit verschiedenen Kontexten abzielt. Interessant wäre in diesem Tenor auch die Untersuchung von Selbstverortungen des Wissenschaftlers in bestimmten Fachgebieten, die Analyse seines Selbstbildes (in räumlichen und zeitlichen Kontexten), so wie jenes des hier Schreibenden als Advokat einer ‚Humangeographie ohne Grenzen‘, die auch vor weniger bekanntem Terrain – z.B. wie im Falle dieser Arbeit: vor ‚Recht‘ (und vor ‚Zeit‘) – nicht haltmacht. Zum Abschluss dieser Arbeit darf der Leser vor diesen Hintergründen eingeladen werden, die im Rahmen dieser Studie entwickelten Ansätze oder auch nur Gedankenfragmente selbst weiter zu denken, weiter zu entwickeln, zu kritisieren oder zu modifizieren. Denn Wissenschaft ist letztlich immer Reduktion; die im Rahmen dieses Fazits angerissenen Themenfelder und Anknüpfungsfragen müssen in anderen Arbeiten verhandelt werden – gerade in Zeiten von ‚größeren‘, gesamtgesellschaftlichen Debatten um ‚fake news‘/‚fake science‘ oder um das Für und Wider (real oder nur gefühlt) gesteigerter Migrationsbewegungen bzw. dem ‚richtigen‘ Umgang mit ihnen, wie sie seit 2015/2016 in Deutschland, Europa, aber auch weltweit in nochmal gesteigertem, nachhaltigem Maße nicht
19 Pryke et al. (2003) verlangen, selbst „the implicit assumptions in your research“ zu rebzw. zu dekonstruieren (ebd.: 3). 20 In diesem Sinne hofft der Autor dieses Deutungsangebots auf kreative Reaktionen auf die hier vorliegende und auf andere Arbeiten.
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selten mit ökonomischen und rechtlichen, zugleich aber auch geographischen, historischen und kulturellen Argumentationsmustern geführt werden. Dabei könnten diese Zeilen als bescheidener Beitrag zur Durchdringung der Hintergründe bzw. des wechselseitigen Entstehens und Stabilisierens jener auch westlich induzierten, von Migranten aus dem Globalen Süden dann verstärkt angeeigneten Motivlagen zur Auswanderung und den mit ihr verbundenen Hoffnungen auf Wohlstand und Rechtssicherheit, kurz: zum Verständnis globaler Vernetzung und Verantwortung aufgefasst werden. So darf hier mit einem Zitat von Schiffauer geschlossen werden: „Dieser Text will nicht als ein autoritativer Schlussstrich verstanden werden, sondern als Einladung […], an der Entwicklung einer kulturwissenschaftlichen Migrationsforschung durch eigene wissenschaftliche Arbeiten mitzuwirken“ (Schiffauer 2006: 109; vgl. auch Bhattacharya et al. 2007: 103) Oder in den Worten von Gardner: „There is no full stop to the narration of migration. There is, instead, a never-ending series of voices, each narrating a slightly different history, each with a slightly different perspective. Some argue, some agree; some speak in hidden codes; some tell it straight. And while some are heard and attended to, others are ignored. Crucially, through, all are placed in time and space. And just as one story ends, another begins“ (Gardner 2002: 224).21
21 Nicht verschwiegen werden darf, dass auch viele Lebensgeschichten im Kontext von Austauschbeziehungen zwischen England bzw. dem Vereinigten Königreich und seinen vormaligen Kolonien, so nicht zuletzt Südasien, wohl für alle Zeit verloren gingen (vgl. Choudhury 1993: 47).
6 Anhang
A) Z EITTAFEL 1 ca. 6000 v. Chr. 4. Jtsd. 2800-2600 2. Jtsd. 1400-900 900-600 ab 600 5. Jh. v. Chr. 327-325 ca. 155-130 320 n. Chr. 375-413/15
455-467 467-497 ca. 500-527 711/12
1
Jungsteinzeitliche Siedlungen in Baluchistan, Beginn der Viehzucht und des Ackerbaus. Siedlungen im Industal. Beginn der Induskultur. Einwanderung von nomadischen Stämmen in Nordwestindien. Frühvedische Zeit (Rigveda), Seßhaftwerdung der Stämme im Panjab und in der westlichen Ganges-Yamuna-Ebene. Spätvedische Zeit, Ausbreitung der vedischen Zivilisation im östlichen Gangestal. Beginn früher Urbanisierung im östlichen Gangestal. Leben und Wirken des Siddhartha Gautama, genannt Buddha. Indienexpedition von Alexander des Großen, nur bis zum Indus. Menander bedeutendster indo-griechischer Herrscher („Milindapanho“). Candragupta I. begründet die Gupta-Dynastie. Candragupta II., Höhepunkt des Gupta-Reiches, Eroberung Westindiens, Verbindung mit den Vakatakas Zentralindiens, Aufschwung der Sanskrit-Dichtung. Skandagupta, erster Angriff der Hunnen. Buddhagupta, letzter bedeutender Gupta-König. Hunnenherrschaft unter Toramana und Mihirakula in Nordindien. Araber erobern den Sind.
Nach Kulke & Rothermund (2010: 477 ff.) sowie Rothermund (2002: 116 ff).
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ab spätem 8. Jh. 1192 1206 1498 n. Chr. 1526 1600 1602 1664 1757 1760 1764 1765
1773-1785 1782-1799 1785-1793 1803 1818 1843-1848 1857 1858 1877 1880
1885 1905 1906
Konflikte zwischen den Regionalreichen. Muhammad von Ghor (Afghanistan) erobert Nordindien. Qutbuddin Aibak begründet das Delhi-Sultanat. Vasco da Gama landet in Calicut (Kerala). Babar besiegt den Sultan von Delhi; Anfang der Mogulherrschaft Gründung der britischen Ostindiengesellschaft. Gründung der niederländischen Ostindiengesellschaft. Gründung der französischen Ostindiengesellschaft. Robert Clive, Offizier der britischen Ostindiengesellschaft, besiegt den Nawab von Bengalen in der Schlacht von Plassey. Britische Truppen besiegen die Franzosen in der Schlacht von Wandiwash (Tamil Nadu). Britische Trupppen schlagen die des Großmuguls und des Nawabs von Oudh bei Baksar (Bihar). Die britische Ostindiengesellschaft erhält die Diwani (Steuerhoheit und zivile Herrschaft) von Bengalen. Clive wird Gouverneur. Warren Hastings wird erster Generalgouverneur von BritischIndien. Tipu Sultan, Sohn Haider Alis, wird von den Briten in drei Kriegen geschlagen. Der Generalgouverneur Lord Cornwallis führt 1793 das Permanent Settlement von Bengalen ein (Grundsteuer). Der Nawab von Oudh tritt den Süden seines Staates (Agra bis Allahabad) an die Briten ab. Britischer Endsieg über die Marathen. Die Briten annektieren Sind und Panjab. Großer Aufstand in Nord- und Zentralindien. Die Ostindiengesellschaft wird aufgelöst. Die britsche Krone übernimmt die Herrschaft in Indien. Königin Victoria wird ‚Kaiserin von Indien‘. Britische Niederlage in Afghanistan. Ablösung des konservativen Vizekönigs Lord Lytton durch den liberalen Lord Ripon. Gründung des Indischen Nationalkongresses. Teilung Bengalens, Protestagitation. Gründung der Muslim Liga.
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1907 1908 1909 1916 1917 1919 1919 1920-1922 1930 1930-1931
1931 1935 1936-1937 1939 1940 1942 1944 1945 1946
1947 1948 1950 1952 1971
Spaltung des Nationalkongresses in ‚Gemäßigte‘ und ‚Extremisten‘. Bal Gangadhar Tilak wird zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt. Verfassungsreform (Morley-Minto); separate Wählerschaften für Muslime. Lakhnau-Pakt zwischen Nationalkongress und Muslim Liga. Montagu-Erklärung: ‚Responsible Government‘. Gandhis Kampagne gegen die Rowlatt-Gesetze; Massaker von Jalianwala Bagh, Amritsar (Panjab). Verfassungsreform (Montagu-Chelmsford). Gandhis Kampagne der Nichtzusammenarbeit; Khilafatbewegung der Muslime. Gandhis Salzmarsch (Bürgerlicher Ungehorsam). Die Weltwirtschaftskrise bewirkt den Verfall der Agrarpreise sowie umfangreiche (E-)Migrationsbewegungen; Bauernunruhen. Gandhi-Irwin-Pakt; Zweite Konferenz am Runden Tisch in London. Verfassungsreform (Government of India Act). Wahlen für die Provinzlandtage; der Nationalkongress bildet Regierungen in sieben Provinzen. Kriegsausbruch; Rücktritt der Kongressregierungen. ‚Pakistan-Resolution‘ und ‚Zwei-Nationen-Theorie‘. Cripps Mission; ‚Quit-India‘-Resolution; ‚AugustRevolution‘. Gespräche zwischen Gandhi und Jinnah bleiben ergebnislos. Simla-Konferenz; die Bildung einer nationalen Interimsregierung scheitert an Jinnahs Forderungen. Die Wahlen ergeben einen Stimmenzuwachs für die Muslim Liga. Im August wird Nehru Interimspremier, darauf ‚Direct Action Day‘, großes Morden in Kalkutta. Unabhängigkeit Pakistan (14. August) und Indiens (15. August); Beginn des Kashmirkonflikts. Ermordung Gandhis am 30. Januar. 26. Januar: Die Verfassung der Republik Indien tritt in Kraft. Erste allgemeine Wahlen, Sieg der Kongresspartei. Sezession Bangladeshs.
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B) K ARTEN
Karte 1: Der Indische Ozean im 16. Jh. (Quelle: Markovits [Hrsg.] 2002: 12).
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Karte 2: Die politische Gliederung Indiens (Quelle: Kulke & Rothermund 2010: 488).
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Karte 3: Historische Orte (Quelle: Rothermund 2002: Einband).
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Karte 4: Wichtigste europäische Siedlungen an der indischen Küste, 17. Jh. (Quelle: Markovits [Hrsg.] 2002: 134).
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Karte 5: Die britische Durchdringung Indiens (Quelle: Kulke & Rothermund 2010: 498).
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Karte 6: Die Teilung Indiens (Quelle: Markovits [Hrsg.] 2002: 479).
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Karte 7: Administrative Aufteilungen innerhalb von Bangladesch, 1981 (Quelle: Gardner 1995: xiv).
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Karte 8: Die Lage von Bangladesch und Bengalen in Südostasien (Quelle: Gardner 1995: xii).
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Karte 9: Indien vor 1947 mit den Hauptgebieten, aus denen Emigranten vor der Unabhängigkeit und Teilung des Subkontinents in die Diaspora gingen (Quelle: Brown 2006: x).
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Karte 10: Der südasiatische Subkontinent nach 1971 mit den Hauptgebieten, aus denen Emigranten in die Diaspora gingen (Quelle: Brown 2006: xi).
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Karte 11: Migrantenströme aus Indien vor 1947 (Quelle: Brown 2006: xii).
Karte 12: Südasiatische Migrantenströme nach 1947 (Quelle: Brown 2006: xiii).
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Karte 13: Hauptorte südasiatischer Ansiedlung im Vereinigten Königreich, spätes 20. Jh. (Quelle: Brown 2006: xiv).
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