»Doppelindividualisierung« und Irrtum: Studien zur strafrechtlichen Lehre von der Erfolgszurechnung zum Vorsatz [1 ed.] 9783428522934, 9783428122936

In der vorliegenden Untersuchung werden die Grenzfälle zwischen dem error in persona und der aberratio ictus behandelt:

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»Doppelindividualisierung« und Irrtum: Studien zur strafrechtlichen Lehre von der Erfolgszurechnung zum Vorsatz [1 ed.]
 9783428522934, 9783428122936

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Schriften zum Strafrecht Heft 193

„Doppelindividualisierung“ und Irrtum Studien zur strafrechtlichen Lehre von der Erfolgszurechnung zum Vorsatz

Von

Yu-An Hsu

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

YU-AN HSU

„Doppelindividualisierung“ und Irrtum

Schriften zum Strafrecht Heft 193

„Doppelindividualisierung“ und Irrtum Studien zur strafrechtlichen Lehre von der Erfolgszurechnung zum Vorsatz

Von

Yu-An Hsu

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung des DAAD

Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Jahre 2006 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 978-3-428-12293-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen lieben Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit stellt die geringfügig überarbeitete Fassung des Textes dar, welcher im Wintersemester 2005 / 2006 von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn als Dissertation angenommen wurde. Rechtsprechung und Literatur befinden sich auf dem Stand vom Anfang des Jahres 2006. Mein Dank gilt vor allem meinem verehrten Doktorvater Herrn Professor Dr. Dr. h.c. mult. Günther Jakobs: Während meiner Promotionszeit stand er stets für den kritischen Dialog zur Verfügung und hat die Arbeit durch seine Gesprächsbereitschaft und durch vielfältige Anregungen gefördert. Ohne ihn könnte diese Arbeit unmöglich in der vorliegenden Form erscheinen. Herrn Professor Dr. Rainer Zaczyk danke ich herzlich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens sowie für seine unendliche freundliche Unterstützung während meiner Bonner Zeit. In seinem Seminar habe ich über die Werke und das Denken von Aristoteles, Hegel und Kant viel gelernt. Seit dem Beginn meiner Studienzeit in Taiwan hat Frau Professor Dr. Yü-hsiu Hsü mir nicht nur bei der Lösung unzähliger Fragen geduldig geholfen, sondern auch in Form meiner akademischen juristischen Ausbildung bei ihr, die mir bis heute täglich nützlich ist. Dafür möchte ich sie meiner Dankbarkeit versichern. Herzlich danken möchte ich Frau Professor Dr. Ingeborg Puppe für die ernsthafte Diskussion meiner Thesen in ihrem Seminar. Herr Professor Dr. Hans-Ullrich Paeffgen hat mich großzügig zur Teilnahme an seinem Seminar zugelassen, dafür danke ich herzlich. Zu danken habe ich ferner Herrn Professor Dr. Urs Kindhäuser für seine freundliche Begrüßung am Institut. Herr Professor Dr. Martin Böse hat als Vorsitzender meine Disputation freundlich begleitet, wofür ich ihm vielmals danke. Für das vertiefte Verständnis der Hintergründe der Problematik meiner Arbeit besuchte ich zwei Übungen am Bonner Philosophischen Seminar. In der Übung „Das Problem der Willensschwäche in philosophischer Perspektive“ unter der Leitung von Herrn Dr. Jörn Müller wurden die klassischen Werke von Sokrates, Aristoteles und Thomas von Aquin über Willen, Unkenntnis und Verantwortung anhand der originalen Texte sorgfältig interpretiert. Außerdem nahm ich an der Übung „Ausgewählte Texte zum Freiheitsverständnis in Mittelalter“ bei Herrn Dr. Hannes Möhle teil, in der wir uns mit dem Thema „Wille und Freiheit“ in den Werken des Thomas von Aquin und des Johannes Duns Scotus beschäftigten. Durch diese beiden Übungen entdeckte ich wichtige Spuren der Philosophie, wie

8

Vorwort

sie die strafrechtliche Diskussion tief beeinflusst. In ihren Sprechstunden habe ich zusätzlich von beiden Dozenten viele nützliche Vorschläge und Ermutigung erhalten, wofür ich ihnen sehr dankbar bin. Bei der Anfertigung der Endfassung war die Hilfe von Herrn Dr. Stefan Tippach Ph. D. und Herrn Alexander Eberle von großer Bedeutung. Herr Tippach als mein Sprachaustauschpartner hilft mir, seit ich noch in einer Sprachschule war. Er hat mir nicht nur die Art des Lebens in Deutschland, sondern auch dessen Vielseitigkeit näher gebracht. Herr Eberle begleitete mich sogar in die Weihnachtsferien, um die Korrektur dieser Arbeit zu erledigen. Ich erinnere mich oft an diese schöne kalte Zeit. Frau Dr. Astrid Lipinsky spricht glücklicherweise fließend chinesisch und konnte so – in meiner Sprache – den Sinn meiner Sätze in ihrer Sprache entschlüsseln. Davon abgesehen, war jeder chinesische Plausch mit ihr für mich ein Stück Heimat in Deutschland. Ich schulde ebenfalls Frau Cordula Judith Scherer und Frau Hanna Woermann ein Dankeswort für ihre Hilfe bei der Korrektur. Im Rechtsphilosophischen Seminar begegnete ich einer Vielzahl von netten jungen Wissenschaftlern, die jederzeit hilfsbereit waren. Besonders erwähnen möchte ich Frau Dr. Katrin Gierhake, LL.M, und Frau Julia Lohsse. Ich denke auch gerne an die nette Unterstützung durch meine Kollegen in Bonn zurück. Besonderen Dank verdienen an dieser Stelle Herr Dr. José Antonio Caro John, Herr Dr. Miguel Polaino-Orts, Herr Dr. Alex van Weezel und Herr Dr. Luigi Cornacchia. Die vielen interessanten und leidenschaftlichen Diskussionen mit ihnen sind mir unvergesslich. Herr Dr. Jun Feng geht dem Strafrecht mit großer Leidenschaft nach, von der ich nicht wenig gelernt habe. Die Freundschaft mit Frau Caroline Scherholz und Frau Dr. Bettina Noltenius ist ebenfalls eine schöne Erinnerung. Jeden Morgen konnte ich mich auf die fröhliche Begrüßung durch Frau Heidi Gerharz, Frau Martina Münch und Frau Sabine Höfle im Rechtsphilosophischen Seminar freuen. So etwas bringt natürlich gute Laune und viel Energie für die Arbeit. Mein besonderer Dank gilt auch dem Deutschen Akademischen Austauschdienst, der mich während meines Studiums in Bonn finanziell unterstützte sowie einen Druckkostenzuschuss gewährte. Frau Frederika Tsai danke ich schließlich für ihre geduldige und ermutigende Begleitung über die ganze Zeit meiner Dissertation. Gewidmet ist diese Arbeit meinen geliebten Eltern. Taipeh, im Oktober 2007

Yu-An Hsu

Inhaltsverzeichnis Einführung und Überblick über den Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Erster Teil Das Problem des Doppelindividualisierungsirrtums

19

§ 1 Die relevanten Fälle und ihre komplexe Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

I. Untersuchung der Fallkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

1. Bombenlegerfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

a) Die konventionelle Situation – die falsche Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

b) BGH NStZ 1998, 294 – das falsche Auto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

2. Telefonbeleidigerfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

a) Fälle von error in persona . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

b) Der diskussionswürdige Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3. Fangbrieffall BGHSt. 9, 240 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

4. Enzianschnapsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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5. Weitere Fälle des Doppelindividualisierungsirrtums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

II. Bedeutung des Doppelindividualisierungsirrtums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

1. Die Problematik der Abgrenzbarkeit von aberratio ictus und error in objecto vel persona . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

2. Die Problematik des Doppelindividualisierungsirrtums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

III. Überblick über die bisherigen Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

§ 2 Der Meinungsstand im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

I. Gegenmeinungen zur Doppelindividualisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

1. Irrelevante Zusatzindividualisierung – Jakobs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

2. Zweifel an der Abgrenzung – Puppe und Loewenheim . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3. Gattungsvorsatz – Janiszewski . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

10

Inhaltsverzeichnis II. Zum Vorschlag der Lösung über die Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

1. Irrtum über den Kausalverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

2. Von der geistigen Identitätsvorstellung bis zur bekannten Gefahr – Herzberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

3. Das durch den Mechanismus richtig verstandene Angriffsobjekt – Prittwitz

35

4. Programmierung des Tatplans – Stratenwerth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

5. Theorie der Planverwirklichung – Roxin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

6. Der Strukturvergleich – Rath . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

7. Die aktuelle Beherrschung – Toepel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

8. Lebenskonkreta – Grotendiek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

III. Kritische Zusammenfassung und Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

1. Doppelindividualisierungsirrtum als Kausalabweichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

2. Doppelindividualisierungsirrtum als error in objecto oder aberratio ictus . . .

44

3. Die Gattungsvorsatzthese als Lösung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

Zweiter Teil Die für die Doppelindividualisierungsfälle relevanten dogmatischen Grundlagen der Irrtumslehre

45

§ 3 Doppelindividualisierungsirrtum bei Kausalabweichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

I. Die Ansicht der Rechtsprechung zur Kausalabweichung – Vorzeitiger Erfolgseintritt als Hauptbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

1. Der Entführungsfall BGH NStZ 2002, 309 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

a) Auffassung und Bewertung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

b) Analyse der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

aa) Die subjektive Seite bei der ersten Stufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

bb) Versuchsbeginn = Vorsatzbeginn? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

2. Der Luftinjektionsfall BGH NStZ 2002, 475 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

3. Der Eisenbahnsturzfall RG DStrR 1939, 177 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

4. BGH GA 1955, 123 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

5. Zwischenergebnis: Der BGH argumentiert zirkelhaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

II. Meinungsstand in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

1. Die Wesentlichkeitstheorie bei Kausalabweichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

2. Die neue Lehre im Anschluss an die objektive Zurechnungslehre . . . . . . . . . . .

55

3. Die Auffassung von der Vorsatzgefahr – Puppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

Inhaltsverzeichnis

11

4. Die bekannte Gefahr – Herzberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

5. Die Planverwirklichung – Roxin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

1. Kritische Bemerkung: Kausalverlauf und subjektive Zurechnung . . . . . . . . . . .

63

2. Eine Lösung für den Doppelindividualisierungsirrtum? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

§ 4 Doppelindividualisierungsirrtum beim error in objecto vel persona . . . . . . . . . . . . . . .

66

I. Meinungsstand zum error in objecto vel persona . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

1. Rechtsprechung und herrschende Meinung: Motivirrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

2. Tatwille bei der finalen Handlungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

3. Mindermeinung: Kausalverlaufsirrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

a) Wesentlicher Kausalverlaufsirrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

b) Unwesentlicher Kausalverlaufsirrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

II. Doppelindividualisierungsirrtum jenseits von error in objecto vel persona . . . . .

71

§ 5 Doppelindividualisierungsirrtum bei der aberratio ictus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

I. Meinungsstand zur aberratio ictus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

1. Die Versuchslösung – die sog. Konkretisierungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

a) Aberratio ictus als „Danebenschießen“ wegen Kausalabweichung . . . . . . .

73

b) Das erkannte Risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

c) Konkreter Tatwille – Hettinger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

d) Raumzeitkonkretisierung des Wollens bzw. des Vorsatzes – Rath . . . . . . . .

77

2. Die Vollendungslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

a) Die sog. Adäquanztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

b) Die sog. formelle Gleichwertigkeitstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

aa) Gleichwertigkeit im Tatbestand und in der Vorstellung des Täters . .

80

bb) Würdigung und Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

c) Grundsatz der Vorsatzzurechnung und Vorsatzgefahr – Puppe . . . . . . . . . . .

84

3. Die differenzierende Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

a) Materielle Gleichwertigkeitstheorie – Hillenkamp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

b) Die Planverwirklichung – Roxin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

4. Gesamtwürdigung und Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

12

Inhaltsverzeichnis II. Der Doppelindividualisierungsirrtum jenseits der aberratio ictus . . . . . . . . . . . . . .

87

1. Die Bedeutung der sinnlichen Wahrnehmung bei der aberratio ictus . . . . . . . .

87

2. Objektive Prognose bei Doppelindividualisierungsirrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

Dritter Teil Grundlagen der subjektiven Zurechnung und ihr Einfluss auf die Irrtumslehre

90

§ 6 Entwicklung der Vorsatzlehre und Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

I. Feuerbach und der psychologische Vorsatzbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

1. Theorie des psychologischen Zwangs als Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

2. Dolus und culpa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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a) Dolus als Absicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

b) Culpa als ein Unterbegriff der Willensschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

3. Vorsatz-Fahrlässigkeit-Kombination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

4. Normativer Vorsatzbegriff? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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5. Die psychologische Vorsatzlehre nach Feuerbach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

II. Wesen und Ratio der Vorsatzbestrafung in der jüngeren Diskussion . . . . . . . . . . .

99

1. Vorsatz als Entscheidung zur Rechtsgutsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

a) Vorsatz als Planverwirklichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

b) Vorsatz als Entscheidung gegen die rechtliche Verhaltensnorm . . . . . . . . . . 101 c) Die sozialpsychische Perspektive – Frisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 d) Vorsatz als hervorgehobener Modus des „Dafür-Könnens“ – Hassemer . . 103 2. Vorsatz als willentliche Verletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 a) Die finale Handlungstheorie – Welzel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 b) Der verletzende Wille – E. A. Wolff, Zaczyk und Köhler . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3. Vorsatz als Wissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 a) Wissen als Grund der Akzeptabilität – Jakobs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 b) Die Lehre der Vorsatzgefahr – Puppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 c) Die analytische Handlungstheorie – Kindhäuser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 III. Das sog. Kompensierungsverhältnis zwischen Wissen und Wollen . . . . . . . . . . . . 117 1. Die Bedeutung der Kompensierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 2. Problematik beim typologischen Vorsatzbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 IV. Anmerkung zu der oben wiedergegebenen Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

Inhaltsverzeichnis

13

§ 7 Vorsatz und Irrtum gem. § 16 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 I. Zur Entstehungsgeschichte von § 16 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 II. Zur strafrechtlichen Dogmatik von § 16 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 1. Die sog. Kehrseite von § 16 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 2. § 16 StGB als Lösung für das Problem des Tatbestandsirrtums? . . . . . . . . . . . . 124 III. § 16 StGB im Lichte von Psychologismus und Intellektualismus . . . . . . . . . . . . . . 125 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

Vierter Teil Entwicklung eines neuen Lösungsansatzes: Doppelindividualisierungsirrtum als Tatabweichung

128

§ 8 Vorsatz als normative Institution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 I. Grundlage der subjektiven Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 1. Grundzüge einer Person in der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 2. Normbefolgungswille als Grundhaltung einer Person bei ihrer Handlung . . . 129 II. Der Wille als Element der Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 1. Der normative Willensbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 2. Der Wille im psychologischen Sinne? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 a) Der Willensbegriff seit Luden bis zur kausalen Handlungslehre . . . . . . . . . 134 b) Die Trennung innerhalb des Willens bei Welzel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 c) Der ontologische Willensbegriff der heute h. M. in der Literatur . . . . . . . . 137 § 9 Wissen und Wollen bei der subjektiven Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 I. Die Ebenen und der Inhalt der Kenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 1. Abstrakte Kenntnis und konkrete Kenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 2. Die Bedeutung der Unterscheidung zwischen konkreter und abstrakter Kenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 3. Kenntnis, Erkennbarkeit und sog. allgemeine Lebenserfahrung . . . . . . . . . . . . . 148 4. Der Inhalt der Kenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 II. Die Beziehung zwischen Wissen und Wollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 1. Die konventionelle Erklärung im Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 2. Die Wechselseitigkeit von Wissen und Wollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 3. Vermeidungsmotiv, Wissen und Wille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157

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Inhaltsverzeichnis III. Die Schuldformen und die subjektive Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 1. Die Kenntnis beim Versuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 2. Kenntnis, Unkenntnis und Fahrlässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 a) Die unbewusste Fahrlässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 b) Die sog. bewusste Fahrlässigkeit und das Vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 3. Die Kenntnis bei den drei Erscheinungsformen des Vorsatzes . . . . . . . . . . . . . . 164 a) Absicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 b) Wissentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 c) dolus eventualis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 4. Die Kenntnis und der Willen beim Unterlassungsdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 1. Der Vorsatz als Tatwille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 2. Die Bedeutung der abstrakten Kenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170

§ 10 Irrtum und die subjektive Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 I. Bedeutung der Unkenntnis im Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 1. Unkenntnis als Grund für Straferleichterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 a) Unkenntnis als Unfreiwilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 b) Unkenntnis der „starken“ Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 c) Der nicht vorhandene Tatwille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 2. Unkenntnis als Irrtum in der Strafrechtsdogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 3. Die Bedingung eines relevanten Irrtums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 II. Vorliegen von nicht relevanten Irrtümern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 1. Die verschuldete Unkenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 2. Die Problematik der Tatsachenblindheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 a) Die Diskussion über die Tatsachenblindheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 b) Essenz der Tatsachenblindheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 c) Die überlieferte Lösung zum Irrtumsproblem – dolus indirectus . . . . . . . . . 192 aa) Historische Rückschau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 bb) Gleichgültigkeit als dolus indirectus – Jakobs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 d) Würdigung und Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 1. Konkrete Kenntnis, abstrakte Kenntnis und Irrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 2. Unkenntnis und Tatwille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200

Inhaltsverzeichnis

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§ 11 Lösung für die Irrtumsproblematik und ihre Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 I. Die objektive Interpretation des § 16 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 1. Die objektive und widerspruchsfreie Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 2. Überlegungen zum Unkenntnisbegriff im Sinne des § 16 StGB . . . . . . . . . . . . . 204 II. Die Kausalabweichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 1. Der sog. Irrtum über den Kausalverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 2. Der vorzeitige Erfolgseintritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 3. Der sog. dolus generalis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 III. Aberratio ictus und error in persona . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 1. Die Standardfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 2. Die verwandten Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 a) Anstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 b) Mittelbare Täterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 IV. Strafrechtliche Bewertung des Doppelindividualisierungsirrtums . . . . . . . . . . . . . 216 1. Mangel an der objektiven Zurechenbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 2. Regelmäßigkeit der Tatbestandsverwirklichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 a) Bombenlegerfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 b) Fangbrieffall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 c) Essplatz- und Hotelzimmerwechselfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 3. Unregelmäßigkeit der Tatbestandsverwirklichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 § 12 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 I. Zusammenfassung der vorliegenden Untersuchung in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 II. Schlussbetrachtung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226

Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245

Einführung und Überblick über den Gang der Untersuchung Im Strafrecht bestehen zwei konventionell deutlich unterschiedene Gruppen des Irrtums: aberratio ictus (das Fehlgehen der Tat) und error in objecto vel persona (Irrtum über das Handlungsobjekt). Diese Differenzierung ist wegen der völlig unterschiedlichen rechtlichen Folgen bedeutsam; aberratio ictus wird – soweit der Erfolg in Frage steht – als Fahrlässigkeit und error in objecto vel persona als Vorsatz behandelt. Auf den ersten Blick erscheint die Unterscheidung prägnant, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass der Täter das Angriffsobjekt vor sich sieht oder sonst sinnlich wahrnimmt. Anders verhält es sich, wenn diese Voraussetzung fehlt. Das Ziel dieser Arbeit ist es, die Fälle der Doppelindividualisierung1, die die hoch umstrittenen Grenzfälle zwischen error in objecto vel persona und aberratio ictus ausmachen, zu untersuchen. Diese Fallgruppe hat ein Spezifikum: Bei der Tatausführung hat der Täter das Verletzungsobjekt nicht sinnlich wahrgenommen, also sein Opfer nicht anvisiert, sondern eine Kausalkette initiiert, von der er glaubt, dass sie das Zielobjekt beeinträchtigen wird. Die gegebene Individualisierung, das Zielobjekt der Handlung, wird zusätzlich durch die Kausalkette noch einmal konkretisiert, nämlich als Ziel der ablaufenden Glieder der Kausalkette. Ein bei der Kausalkette unterlaufender Irrtum ist deswegen nicht nur ein Fehlgehen des Angriffs hinsichtlich des Kausalverlaufs, sondern auch eine Verwechslung der Person, die in die Kausalkette gerät. Für die Behandlung der Fallgruppe des Doppelindividualisierungsirrtums bieten sich zwei unterschiedliche Lösungswege an: Zuerst kann man im Anschluss an den überlieferten Unterschied zwischen error in objecto vel persona und aberratio ictus feststellen, zu welchem von ihnen der Doppelindividualisierungsirrtum gehört, und demgemäß über die Rechtsfolge entscheiden. Das erweist sich als problematisch, weil man in der vorliegenden Konstellation von beiden Irrtumstypen sprechen könnte. Eine andere Möglichkeit der Lösung für den Fall, dass man die oben genannte Unterscheidung bezweifelt, besteht darin, die Irrtumslehre über die Kausalabweichung anzuwenden. Jedoch ist das von der h. M. hierbei vertretene Kriterium, die 1 Zur Bezeichnung „Doppelindividualisierung“ siehe Jakobs, GA 1999, 382, 383. Der BGH (NStZ 1998, 295) und einige insoweit zustimmende Autoren (Wessels / Beulke, Strafrecht AT35, Rn. 255; Tröndle / Fischer, Strafgesetzbuch53, § 16 Rn. 5; Schliebitz, JA 1998, 833; Zieschang, Strafrecht AT, S. 45) bezeichnen solche Fallkonstellationen als „mittelbare Individualisierung“.

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Einführung

Wesentlichkeit, in Bezug auf seinen Inhalt hoch kontrovers. Es erweist sich deshalb, dass die Prinzipien der subjektiven Zurechnung insgesamt in den Blick genommen werden müssen, wenn die Problematik gründlich gelöst werden soll. Dazu wird die Grundlage der Vorsatzlehre untersucht, damit die Beziehung beider Elemente des Vorsatzes, von Wissen und Wollen, und die Bedeutung der Unkenntnis erklärt werden kann. Diese Arbeit ist in vier Abschnitte unterteilt: Zuerst werden die relevanten Fälle des Doppelindividualisierungsirrtums und der Meinungsstand dazu analysiert, um zu ermitteln, ob eine bestimmte Lehre die Problematik zutreffend bewältigt. Es wird nachgewiesen, dass alle vorhandenen Lösungsansätze nur partiell stimmig und deswegen zur Lösung nicht tauglich sind. Danach wird im zweiten Teil die Grundlage der Irrtumslehre untersucht, um die Quelle der Inkonsequenz zu finden. Somit wird gezeigt, warum die gegenwärtigen Irrtumslehren keine befriedigende Lösung geben können. Es zeigt sich, dass weitere Forschung über die Grundlage der subjektiven Zurechnung nötig ist. Im dritten Teil betrachten wir die Irrtumsund Vorsatzlehre seit Feuerbach und überprüfen sie unter dem normativen Aspekt. Hier findet sich die Quelle der ganzen Problematik: Ein psychologischer Vorsatzbegriff stimmt mit der Idee der Zurechnung nicht überein. Deshalb sucht der Autor im vierten Teil nach Alternativen, die in der strafrechtlichen Dogmatikgeschichte auftauchen, und untersucht, ob sie einen Ausweg bieten können. Obwohl hieraus keine passende Lösung gewonnen werden kann, wird dadurch klargestellt, dass die subjektive Zurechnung, der Vorsatz und die Fahrlässigkeit, nicht eine Ermittlung des psychologischen Zustands des Täters bedeutet, sondern eine normative Bewertung des inneren Verlaufs. Mit Hilfe dieses Zwischenergebnisses wird eine haltbare Basis für die subjektive Zurechnung entwickelt, die als Lösung für die Problematik des Irrtums bzw. des Doppelindividualisierungsirrtums verwendet werden kann.

Erster Teil

Das Problem des Doppelindividualisierungsirrtums § 1 Die relevanten Fälle und ihre komplexe Problematik Beim Irrtum über Doppelindividualisierung geht es darum, dass der Täter plant, ein bestimmtes Objekt zu verletzen; um diesen Plan zu verwirklichen, nutzt der Täter eine Kausalkette aus und glaubt, das erwünschte Objekt werde in die Kausalkette geraten. Man kann zwei Teile der Ausführung der Tat erkennen: Im ersten plant der Täter die Verletzung eines bestimmten Objekts. Im zweiten initiiert er eine Kausalkette, die für die Verletzung eines anderen tauglich ist. Es bestehen also zwei Konkretisierungen im Tatplan, das Zielobjekt und das Angriffsobjekt der Kausalkette. Der Täter verknüpft beide und nimmt an, das anvisierte Objekt werde dadurch verletzt. Von der Doppelindividualisierung ausgehend bedeutet diese Konstellation freilich, dass der Täter beide Individualisierungen vorgenommen hat. Man könnte deswegen urteilen, dass hier ein zweifacher Vorsatz vorliegt: Gegenüber dem Zielobjekt und gegenüber dem Angriffsobjekt der vom Täter geplanten Kausalkette. Die beiden Vorsätze stehen in der Beziehung des Alternativvorsatzes, wenn der Täter die Möglichkeit gesehen hat, dass ein anderer als das anvisierte Objekt getroffen wird. Der Doppelindividualisierungsirrtum ist kein Fall, in dem der Täter ausschließlich mit der Verletzung des Zielobjekts gerechnet hat, da er das Zielobjekt mit dem Verletzungsobjekt der Kausalkette identifiziert hat. Im Bombenlegerfall (unten 1.) erwartet der Täter etwa, dass der Besitzer selbst sein Auto benutzen wird. Mit anderen Worten ist es dem Täter unbekannt, dass ein anderes Objekt in die Kausalkette geraten kann und dadurch beeinträchtigt wird. Dieser Irrtum ist ein Grenzfall zwischen aberratio ictus und error in objecto vel persona.1 Der Doppelindividualisierungsirrtum ist deswegen kein Doppelirrtum in irgendeiner Art, wie z. B. der Mauswieselfall2 oder das Zusammentreffen von error in persona und aberratio ictus3. Im Folgenden wird zuerst die Fallkonstellation wei1 Als Grenzfall wird der Doppelindividualisierungsirrtum z. B. von Geppert (Jura 1992, 163, 164) und Heinrich (Strafrecht AT II, Rn. 1112) bezeichnet. 2 Zum doppelten Irrtum Haft, JuS 1980, 430 ff.; Puppe, NK2, § 16 Rn. 39. 3 Schroth, Vorsatz und Irrtum, S. 104; Wessels / Beulke, Strafrecht AT35, Rn. 257.

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1. Teil: Das Problem des Doppelindividualisierungsirrtums

ter erläutert, um dann die Ansichten in Rechtsprechung und Literatur erschöpfend darzustellen.

I. Untersuchung der Fallkonstellationen In der Strafrechtsdogmatik sind zwei klassische Gruppen des Irrtums, nämlich aberratio ictus (das Fehlgehen der Tat) und error in objecto vel persona (Irrtum über das Handlungsobjekt), nach der herrschenden Meinung wie folgt zu verstehen: Bei der aberratio ictus hat der Täter ein drittes Objekt angegriffen, das zufällig neben dem Ziel steht. Der Täter wird für Versuch und allenfalls Fahrlässigkeit verurteilt, weil er den Erfolg nicht bewusst herbeigeführt hat, und der eigentlich von ihm erstrebte Erfolg nicht realisiert wird. Im Fall des error in objecto vel persona hat der Täter bei der Ausführung sein Ziel mit einem anderen Tatobjekt oder einer anderen Person verwechselt. Der Täter wird trotz seines Irrtums für vorsätzliche Vollendung bestraft, wenn das vorgestellte und das tatsächlich angegriffene Objekt tatbestandlich gleichwertig sind. Nach der h. M.4 kann ein error in objecto vel persona den Täter nicht entlasten, da er zum Zeitpunkt der Tat alle Umstände gekannt hat, genau wie es der Tatbestand verlangt. Die Abgrenzung besteht darin, dass der Täter bei einem error in objecto vel persona das verletzte Objekt sinnlich wahrgenommen und wissentlich als das wahrgenommene angegriffen hat. Hingegen visiert der Täter bei der aberratio ictus nur die Zielperson an und hat das tatsächlich angegriffene Objekt nicht gesehen. Auf den ersten Blick geht die oben genannte Unterscheidung beider Gruppen von einer ontischen Tatsache aus; der Wahrnehmung des Täters zur Tatzeit. Wenn die rechtliche Bewertung ebenfalls von diesem ontischen Sachverhalt unmittelbar abhängig wäre, könnte man die folgenden Beispiele, in denen der Täter weder vorgestelltes noch tatsächlich angegriffenes Objekt wahrgenommen hat, nur schwer beurteilen.

1. Bombenlegerfall a) Die konventionelle Situation – die falsche Person Im Bombenlegerfall baut der Täter in das Auto des B eine Bombe ein, um ihn beim Start zu töten. Es benutzt jedoch ausnahmsweise dessen Frau (C), das Auto und stirbt durch die Explosion. Der Täter hat in diesem Fall nicht mit der Autobenutzung der C gerechnet und auch ihren Tod nicht gewünscht. Wir gehen davon aus, dass der Täter bei der Installierung der Bombe annimmt, dass das Auto ausschließlich von B benutzt wird, 4

Siehe unten zweiter Teil § 4 I. 1.

§ 1 Die relevanten Fälle und ihre komplexe Problematik

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ansonsten würde es sich hier um einen Fall von dolus eventualis handeln. Natürlich ist die Konstellation, bei der der Täter irgendein Mitglied der Familie des B töten möchte, hier ausgeschlossen. Der Täter hat nur die Benutzung des B einkalkuliert und will lediglich diesen töten. Wenn er von der veränderten Situation wüsste, würde er seine Tatausführung ändern oder darauf verzichten. Diese Beschreibung beschränkt sich jedoch auf die Ebene des Motivs, da sie sich insoweit auf die Erfüllung des persönlichen Zwecks bezieht. Aus strafrechtlicher Sicht können wir sagen: Der Täter hat den Tod der C weder geplant noch daran gedacht. Deswegen kann man nicht von der Vorstellung des Täters im Sinne des § 22 StGB und von dessen Wissen als Element des Vorsatzes im Sinne der herrschenden Meinung sowie von Kongruenz zwischen dem tatsächlichen Kausalverlauf und der inneren Seite des Täters sprechen. Wenn man also sagen würde, dass Vorsatz trotzdem vorliegt, weil der Täter einen Menschen töten wollte und ihm das auch gelungen ist, wären alle objektiven und subjektiven Lehren sinnlos geworden. Denn eine solche Zurechnung des Erfolgs zum Vorsatz würde auch dann genügen, wenn der Erfolg zufällig eintritt. Der vorliegende Fall soll nach h. M. wie folgt überprüft werden: Einerseits daraufhin, ob der durch den abweichenden Kausalverlauf herbeigeführte Erfolg noch objektiv zurechenbar ist. Auf der anderen Seite daraufhin, ob die Tat trotz der Abweichung als vorsätzliche Vollendung angesehen werden kann.

b) BGH NStZ 1998, 294 – das falsche Auto Es geht um zwei Täter, die beauftragt werden, jemanden zu töten. Sie suchen einen PKW, der der Zielperson gehört, und deponieren darunter eine Handgranate, um den PKW in die Luft zu sprengen. Die Täter haben das Auto jedoch mit dem des Nachbarn verwechselt. Als der Nachbar anfährt, reißt die Leitung der Sprengfalle ab, glücklicherweise ohne die Granate zu zünden. Obwohl bei diesem Fall das Angriffsobjekt vom Täter nicht optisch wahrgenommen wird, geht der BGH hier von einer Verwechslung des angegriffenen Tatopfers, also einem error in persona aus. Im Anschluss an Stratenwerth5 begründet der BGH die Ähnlichkeit mit dem Standardfall vom error in persona wie folgt: Der Täter habe durch das zur Sprengfalle umfunktionierte Fahrzeug das Opfer mittelbar individualisiert, deswegen sei diese Situation „im Ergebnis nichts anderes als die optische Wahrnehmung des Opfers selbst“. Wegen der tatbestandlichen Gleichwertigkeit der Rechtsgüter sei diese Verwechslung als Motivirrtum unerheblich. Damit stehen die sinnliche Wahrnehmung und die Kausalabweichung außer Betracht; durch die Mittelbarkeit der Angriffsrichtung kann Vorsatz zum Erfolg zugerechnet werden.

5

Stratenwerth, Baumann-FS, S. 57, 61 f.

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1. Teil: Das Problem des Doppelindividualisierungsirrtums

Diese Beschreibung des BGH ist unklar: Die sog. mittelbare Individualisierung des Täters durch Deponierung einer Bombe richtet sich nicht auf das tatsächlich getötete Opfer, sondern auf die gewünschte Person. Beim Standardfall des error in persona verhält es sich jedoch anders: Wie vom BGH6 beschrieben, hat der Täter sein Opfer unmittelbar gesehen und angegriffen, sich jedoch über dessen Identität geirrt. Das heißt, der BGH kann von der Gleichstellung zwischen dem Bombenlegerfall und error in persona nur dann konsequent sprechen, wenn die ins Auto steigende Person optisch wahrgenommen wurde. Aus Sicht des BGH könnte man argumentieren, dass jeder, der ins Auto einsteigt, vom Täter durch die Deponierung einer Bombe bedroht wird. Das bedeutet, die sog. mittelbare Individualisierung gilt für jeden Autobenutzer. Diese Erklärung ist zweifelhaft, denn eine Individualisierung solcher Art ist identisch mit dem unbestimmten Tatvorsatz. Ein Umweg über den error in persona ist deswegen nicht nötig und wäre auch nicht plausibel, da beide Konstellationen sich unterscheiden. Die Rechtsprechung wird von Teilen der Literatur positive aufgenommen, jedoch nur im Hinblick auf das Ergebnis, nicht bei der Begründung. Es wird darauf hingewiesen, dass der BGH sich ohne Not um die Abgrenzungsfrage zwischen aberratio ictus und error in persona bemüht. Denn der Vorsatz beim Versuch liegt nach § 22 StGB schon vor, wenn der Täter eine Vorstellung von der Tat, nämlich einen Tatentschluss, hat. BGH NStZ 1998, 294 ist so ein Fall.7 Die Ansicht des BGH findet auch Zustimmung einiger Autoren, die sich auf die Auffassungen zum traditionellen Fall (vergl. a)) gründet. Stratenwerth8 hat sich vorher schon eine ähnliche Konstellation vorgestellt. Darüber hinaus sieht er keinen Unterschied zwischen ihr und der traditionellen. Mit derselben Begründung wie für die traditionelle Situation schreibt er: „Tatsächlich angegriffen wird derjenige, der die Eigenheiten aufweist, anhand derer der Täter das Opfer als das „seine“ identifiziert. Das ist der erste Benutzer dieses Autos“9. Die Autoren, die der Ansicht von Stratenwerth zugestimmt haben, halten gleichermaßen auch die Entscheidung in BGH NStZ 1998, 294 für richtig. Z. B. hält Beulke die Entscheidung des BGH ohne weitere Begründung für „erst recht“ zutreffend.10 c) Ein weiterer Bombenlegerfall bei Jakobs11 bietet noch eine zusätzliche Konstellation: Ein Täter legt hinter einer Brücke eine Bombe mit einer Induktionsschleife und einem Zählwerk, sodass das zweite passierende Auto die Explosion auslöst. Nach der Vorstellung des Täters sollte im zweiten Fahrzeug ein Politiker BGH NStZ 1998, 294, 295. Herzberg, JuS 1999, 224; Schliebitz, JA 1998, 833, 834; ähnlich Kudlich, JuS 2002, 1071, 1074. 8 Stratenwerth, Baumann-FS, S. 57, 61 f. 9 Stratenwerth, Baumann-FS, S. 57, 62. 10 Wessels / Beulke, AT35, Rn. 255; zustimmend Kühl, Strafrecht AT5, 13 / 27; Zieschang, Strafrecht AT, S. 45. 11 Jakobs, Strafrecht AT2, 8 / 81. 6 7

§ 1 Die relevanten Fälle und ihre komplexe Problematik

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sitzen. Stattdessen ist das zweite passierende Fahrzeug ein Landwirt mit seinem Traktor. Dieser Fall wird von Jakobs als error in persona beurteilt.

2. Telefonbeleidigerfall a) Fälle von error in persona In KG GA 69 (1919), 117 hat der Täter bei einem Ferngespräch seinen Gesprächspartner mit jemandem verwechselt und ihn beleidigt. Nach Auffassung des KG liegt hier nur ein error in persona vor.12 Denn die Konstellation sei nicht anders als der Standardfall, bei dem der Täter zwar den ins Auge gefassten Menschen angreift, diesen jedoch mit dem geplanten Opfer verwechselt. Hier hat der Täter durch seinen Gehörsinn das Angriffsobjekt wahrgenommen.13 Die Personenverwechslung kann den Vorsatz einer Beleidigung mittels einer Äußerung nicht beseitigen. Der Beleidigte ist auch von der Rechtsordnung gleichermaßen geschützt. Ein ähnlicher Sachverhalt besteht in BayObLG JZ 1986, 911 = JR 1987, 431: Der Täter hatte an verschiedenen Tagen die Nummer seiner Ex-Freundin insgesamt dreimal gewählt, um sie zu beleidigen. Als sich eine weibliche Stimme meldete, begann er sofort die beleidigenden Worte auszusprechen. Tatsächlich war die Beleidigte jedoch entweder die Schwester seiner Ex-Freundin oder deren Mutter. Nach Meinung des BayObLG ist der objektive Tatbestand verwirklicht; denn eine ehrenkränkende Äußerung in Bezug auf einen anderen erfüllt den Tatbestand unabhängig davon, ob sie gegenüber dem Beleidigten selbst oder gegenüber einem Dritten ausgesprochen wird. Auf der Seite des subjektiven Tatbestandes bestehe ebenfalls kein Hindernis. Die Grundsätze des error in persona gelten auch für eine am Fernsprecher ausgesprochene Beleidigung, weil es sich hier um einen Irrtum über die Identität des Gesprächspartners handelt.14 Eine weitere ähnliche Konstellation: Der Täter hat noch vor einer sinnlichen Wahrnehmung das Angriffsobjekt verwechselt. Beispielsweise indem sich der Täter verwählt hat, oder weil der Anschluss wegen eines mechanischen Problems falsch verbunden wurde. Diese Situation ist in der Literatur kaum umstritten: Der Eintritt der Abirrung befindet sich in der Vorbereitungsphase, deswegen ist dieser Irrtum kein Fehlgehen des Kausalverlaufs und strafrechtlich irrelevant.15 12 Zustimmend Hillenkamp, Die Bedeutung von Vorsatzkonkretisierungen, S. 42 f.; Prittwitz, GA 1983, 110, 134. 13 Eine Meinung hält den Telefonbeleidigerfall für eine error in persona und differenziert nicht, ob sich am Anfang der Beleidigte mit einem Grußwort gemeldet hat oder nicht: Schroeder, LK11, § 16 Rn. 13; Janiszewski, MDR 1985, 533; Rath, aberratio ictus und error in persona, S. 301; Grotendiek, aberratio ictus und error in persona, S. 106 f. 14 Zustimmend Hoyer, Strafrecht AT I, S. 63. 15 Backmann, JuS 1971, 113, 119. Nach seiner Ansicht beginnt die Angriffshandlung des Täters in diesem Fall mit dem Sprechen. Die Verbindungsphase sei noch keine Ausführung.

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1. Teil: Das Problem des Doppelindividualisierungsirrtums

b) Der diskussionswürdige Sachverhalt Es ist auch denkbar, dass der Täter die beleidigenden Worte ausspricht, sobald jemand an der anderen Seite der Leitung den Hörer abhebt16; dann hat der Täter in dieser Situation sein Tatobjekt noch nicht sinnlich wahrgenommen. Er vermutet schlechthin, dass der in Wirklichkeit angewählte Teilnehmer die Zielperson sein müsse. Die Besonderheit dieser Konstellation besteht darin, dass der Täter, obwohl er die Stimme des angewählten Teilnehmers nicht gehört hat, weiß, dass jemand am anderen Ende der Leitung sein muss. 3. Fangbrieffall BGHSt. 9, 240 Nachdem sich in einer Firma eine Serie von Diebstählen ereignet hatte, wurden in verschiedenen Räumen der Firma sog. Fangbriefe ausgelegt, d. h. Briefe, die einen Geldschein enthielten und mit einem roten Farbmittel versehen waren. Die Täterin nimmt vorsichtig Geld aus einem Fangbrief und legte ihn in das Zimmer von D. Sie hofft, dass damit W, der ihr feindlich gesinnt ist, unter Verdacht geraten werde. Statt W öffnet jedoch D den Brief und macht sich dadurch verdächtig. Die Meinung des BGH hierzu ist bemerkenswert, da er das Problem zu lösen versucht, indem er das gesetzlich geschützte Rechtsgut heranzieht. Nach Ansicht des BGH richtet sich das Vergehen der falschen Verdächtigung nicht nur gegen die Person des Verdächtigten, sondern auch gegen die staatliche Rechtspflege. Der Schutz der Rechtspflege sei bedeutend, selbst wenn die Vorschrift in erster Linie dem Schutz des einzelnen diene. Mit diesem Ergebnis führt der BGH weiter aus, es mache keinen Unterschied, ob die Person, die der Täter verdächtigen wolle, durch seine Handlung schließlich verdächtigt wird oder aber eine andere Person, deren Verdächtigung er nicht vorausgesehen hat, soweit die Tat auch vom Standpunkt des Täters aus ein Angriff auf die Rechtspflege ist. „Diese Abweichung vom vorgestellten Verlauf des Geschehens hält sich, was die Verwirklichung des auf Gefährdung der Rechtspflege gerichteten Vorsatzes anbetrifft, innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren und ändert den Unrechtsgehalt der Tat nicht. Der gewollte Erfolg, die Gefährdung der Rechtspflege, ist erreicht. Obwohl das wirkliche Geschehen in anderer Hinsicht vom gewollten abweicht, liegt deshalb ein vollendetes Vergehen der vorsätzlichen falschen Verdächtigung vor“17. Der BGH geht zutreffend davon aus, dass das Rechtsgut auch zum Vorsatzinhalt gehört, und stellt im Fangbrieffall hauptsächlich auf den Schutz des Einzelnen, Die Abirrung befinde sich in der Phase der Verbindung, nämlich in einem außertatbestandlichen Stadium; ähnlich Wolter, Objektive und personale Zurechnung zum Unrecht, S. 103, 128. 16 Jakobs, Strafrecht AT2, 8 / 81. 17 BGHSt. 9, 240, 242 f.

§ 1 Die relevanten Fälle und ihre komplexe Problematik

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aber auch auf den Schutz der Rechtspflege ab. Bei der Problemlösung wird vom BGH jedoch ausschließlich der Schutzzweck der Rechtspflege berücksichtigt, weswegen die Abweichung, also der Erfolgseintritt bei einer anderen als der vorgestellten Person, überhaupt keine Rolle spielt. Die Entscheidung zugunsten der Unwesentlichkeit des Irrtums über den Kausalverlauf wird vom BGH nicht ausreichend begründet. Warum liegt die Abweichung innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung voraussehbaren, selbst wenn irgendein Dritter in Verdacht gerät? Beim Fangbrieffall kann man von einer Abweichung des Kausalverlaufs sprechen, wenn man nicht nur die Rechtspflege, sondern auch den Schutz des Einzelnen betrachtet. Der BGH führt die Abweichung im Munde, kann von einer solchen jedoch kaum sprechen, da er den Schwerpunkt des Unrechtgehalts ausschließlich auf die Rechtspflege legt. Die Abweichung ist immer unwesentlich, da sie sich stets innerhalb der Verletzung der Rechtspflege befindet.18 Schroeder19 begründet die von der Rechtsprechung behauptete Unerheblichkeit der Abweichung dadurch, dass die Ehre eines anderen auch Rechtsgut des § 164 StGB ist. Dies erklärt jedoch nicht, welcher Unterschied zwischen dem Fangbrieffall und dem Standardfall der erheblichen aberratio ictus gemacht wird; denn dort ist das Rechtsgut der tatsächlich angegriffenen Person auch von demselben Tatbestand geschützt. Die Argumentation der Rechtsprechung ist teilweise von Hillenkamp20 übernommen worden, der daraus die Theorie der materiellen Gleichwertigkeit entwickelte. Der Schluss könnte anders als beim BGH ausfallen, wenn man auch auf den Schutz des Einzelnen blickt. Unter anderem bezweifelt Kühl21, dass das Rechtsgut das einzige Kriterium ist. Er schlägt vor, bei § 164 StGB auch die falsch verdächtigte Person als mitgeschützt anzusehen. Dann aber wäre der Angriff fehlgeschlagen, und die Strafbarkeit entfiele mangels Versuchsstrafbarkeit dieses Verhaltens.22

18 Ebenso S / S / Lencker, StGB27, § 164 Rn. 31; Rudolphi / Rogall, SK, § 164 Rn. 41; Zopfs, MK, § 164 Rn. 41; Maurach / Schroeder / Maiwald, Strafrecht BT II8, 99 / 24; Stratenwerth, Strafrecht4, 8 / 96. 19 Schroeder, LK11, § 16 Rn. 18. 20 Hillenkamp, Die Bedeutung von Vorsatzkonkretisierung, S. 112. 21 Kühl, Strafrecht AT5, 13 / 40. Ebenso Lackner / Kühl, Strafgesetzbuch25, § 164 Rn. 8. 22 Ähnlich Krey, Strafrecht BT I12, 8 / 594 f.; noch eine Meinung, die von dem Gesetzwortlaut ausgeht, lässt die gesetzliche Absicht genügen, wenn sie sich auf den tatsächlich Verdächtigten bezieht, Herzberg, ZStW 85 (1973), 867, 892; Ruß, LK11, § 164 Rn. 30; Roxin, Strafrecht AT I4, 12 / 170; Rengier, Strafrecht BT II7, 50 / 25; Schroth, Vorsatz und Irrtum, S. 106.

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1. Teil: Das Problem des Doppelindividualisierungsirrtums

4. Enzianschnapsfall Um ihren Mann zu töten, gibt eine Ehefrau diesem vergifteten Schnaps, und sagt: „Schön alleine trinken“. Ihr Mann verschenkt den Schnaps an seinen Kollegen, der davon trinkt und daran stirbt.23 Der Fall liegt durchaus in der Grauzone, da die Täterin einerseits versucht hat, das Angriffsobjekt konkret zu bestimmen, aber der vergiftete Schnaps andererseits ihren Herrschaftsbereich verlässt.

5. Weitere Fälle des Doppelindividualisierungsirrtums Es sind noch zahlreiche weitere Fälle des Doppelindividualisierungsirrtums denkbar. Beispielhaft: Ein Täter vergiftet das Essen am Tischplatz, an dem alltäglich der Vorgesetzte isst. Am Tag der Tat setzt sich jedoch ein anderer an diesen Platz und nimmt das vergiftete Essen zu sich, sog. Platztauschfall.24 Der Irrtum ist nach Ansicht von Jakobs in diesem Fall unbeachtlich. Einige Modifizierungen der oben genannten Fälle sind ebenfalls bemerkenswert: Das der Zielperson gehörende und vom Täter präparierte Auto wird unerwartet von einem Dieb gestohlen, der durch die Autobombe anstelle der Zielperson ums Leben kommt. In einem anderen Fall wurde der Schlaftrunk der Ehefrau von deren Mann vergiftet, doch überraschenderweise nicht von der Frau, sondern von einem Einbrecher getrunken. Der Tod des Autodiebs ist dem Täter nach Blei25 wegen Vorsatz zu strafen. Hingegen soll im Einbrecherfall nach der Auffassung von Jakobs26 Fahrlässigkeit vorliegen. Das heißt, zwar sind beide Konstellationen ziemlich ähnlich, sie werden von verschiedenen Autoren jedoch gegensätzlich beurteilt.

II. Bedeutung des Doppelindividualisierungsirrtums 1. Die Problematik der Abgrenzbarkeit von aberratio ictus und error in objecto vel persona Für die oben genannten Konstellationen werden verschiedene Auffassungen vertreten. Zunächst gibt es die Auffassung, dass die Abgrenzung der zwei Gruppen (aberratio ictus und error in objecto vel persona) nicht mehr überzeugend sei. Freilich ist die Klassifikation nicht von Anfang an selbstverständlich, weil sie aus § 16 StGB nicht unmittelbar abgeleitet werden kann und der Tatbestand und seine Elemente stets Gattungen regeln. Das Tatbestandselement, z. B. der Mensch im Sinne 23 24 25 26

Jescheck / Weigend, Strafrecht AT5, S. 313. Siehe Jakobs, Strafrecht AT2, 8 / 81. Blei, Strafrecht AT18, S. 123. Siehe Jakobs, Strafrecht AT2, 8 / 81.

§ 1 Die relevanten Fälle und ihre komplexe Problematik

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von § 212 StGB, ist ein unbestimmtes Objekt innerhalb einer Gattung, nämlich ,ein‘ ,Mensch‘. Man kann bezweifeln, worin der rechtliche Unterschied zwischen aberratio ictus und error in objecto vel persona besteht. Es liegt nahe, dass man wegen der Form des Tatbestandes zu einer gegenläufigen Meinung kommt.27 Die Ansicht, die wegen der Gattungsform des Tatbestands und seiner Elemente den Unterschied zwischen aberratio ictus und error in objecto vel persona einebnet, scheint den Doppelindividualisierungsirrtum konsequent bewältigen zu können. Das Problem, dass man einen Irrtum entweder als aberratio ictus oder error in objecto vel persona einstufen muss, besteht bei dieser Auffassung nicht. Bei dieser Ansicht ist es jedoch fraglich, ob ihr Ausgangspunkt haltbar ist oder nicht. Für die h. M.28 steht die Abgrenzbarkeit zwischen aberratio ictus und error in objecto vel persona nicht in Frage. Das einzige Problem ist, wie die Fallkonstellationen des Doppelindividualisierungsirrtums durch die traditionelle Denkweise gelöst werden können. Vom ontischen Sachverhalt ausgehend haben aberratio ictus, error in objecto vel persona und der Doppelindividualisierungsirrtum jeweils ihre Besonderheit. Eine Ansicht, die von der Abgrenzbarkeit ausgeht, muss natürlich das Problem behandeln, ob die vorliegende Irrtumsgruppe als aberratio ictus oder error in objecto vel persona eingestuft werden kann. Dazu muss man die Beziehung des ontischen und des rechtlichen Unterschiedes bei der aberratio ictus und dem error in objecto vel persona neu überdenken und definieren.

2. Die Problematik des Doppelindividualisierungsirrtums Die Fallkonstellation der Doppelindividualisierung betrifft die Fälle, in denen der Täter das Opfer nicht direkt wahrnimmt, sondern den Tatplan mittels einer auf die Zielperson orientierten Kausalkette durchführt. Hier hat der Täter sein Opfer zweimal individualisiert: Zuerst plant er, eine bestimmte Person anzugreifen; danach schafft er eine Konstellation, durch die ein Mensch zu Tode kommen kann, und geht davon aus, dass die Zielperson in diesen Kausalverlauf geraten wird. Der Täter individualisiert sein Opfer nicht nur in der Vorstellung, sondern auch im vorgestellten Kausalverlauf. Ein Irrtum in dieser Situation gehört deswegen zum Grenzfall. Der Täter hat sein Angriffsobjekt durch den Kausalverlauf konkretisiert, aber nicht einkalkuliert, dass der Geschehensverlauf danach vom Tatplan abweicht, wodurch eine Personenverwechslung entsteht. Er hat fälschlicherweise angenommen, dass es sich beim Opfer um seine Zielperson handelt – dies ist Bestandteil eines error in persona – aber er hat das Angriffsobjekt nicht tatsächlich „gesehen“. Wegen der Kausalabweichung hat der Täter eine andere Person angegriffen, als er vorher geplant hatte. Deshalb handelt es sich um einen Fehlschlag, 27 28

Puppe, GA 1981, 1 ff. Siehe unten zweiter Teil § 4 I. 1., § 5 I. 1.

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1. Teil: Das Problem des Doppelindividualisierungsirrtums

der ein typisches Element der aberratio ictus ist. Dieser Grenzfall zeigt die Schwierigkeiten der herrschenden Meinung, zum einen zwischen aberratio ictus und error in persona, zum anderen zwischen relevantem und irrelevantem Irrtum über den Kausalverlauf richtig zu unterscheiden. Damit muss der Schwerpunkt der Untersuchung sein, ob die Differenzierung zwischen aberratio ictus und error in persona ihre Bedeutung verloren hat, und wie ein Irrtum über die Doppelindividualisierung richtigerweise behandelt werden sollte.

III. Überblick über die bisherigen Lösungsansätze Der Irrtum über die Doppelindividualisierung als ein Problem der Zurechnung des Erfolgs zum Vorsatz stellt zunächst eine Diskrepanz zwischen der Vorstellung des Täters und der tatsächlichen Entwicklung der Tat dar. Diese Diskrepanz wird üblicherweise als Irrtum über den Kausalverlauf bezeichnet, dessen Behandlung nach h. M.29 jeweils durch das sog. Wesentlichkeitskriterium zu entscheiden ist: Für die Entscheidung darüber, ob die Abweichung strafrechtlich relevant ist, komme es darauf an, ob sie sich noch innerhalb des nach allgemeiner Lebenserfahrung voraussehbaren befindet und eine andere Bewertung rechtfertigt. Dieser Lösungsansatz stößt auf unüberwindbare Schwierigkeiten, die darin liegen, dass er bei den Fällen der Kausalabweichung wenig erfolgreich ist, denn das sog. Wesentlichkeitskriterium ist von Anfang an unklar. Es ist auch problematisch, dass es für die subjektive Zurechnung zum Vorsatz auf die objektive Vorhersehbarkeit ankommen soll, die nur für die Begründung der Fahrlässigkeit ausreichend ist. Die Beziehung zwischen dem persönlichen Unrecht im Sinne des Finalismus und dem objektiven Maßstab ist ungeklärt. Dieser Lösungsansatz ist dann offensichtlich fragwürdig, wenn man die Theorie der objektiven Zurechnung bereits unterstützt, da die Überprüfung der Wesentlichkeit im subjektiven Tatbestand überflüssig ist. Um einen anderen Lösungsweg zu finden, liegt es nahe, dass man die Fälle des Doppelindividualisierungsirrtums einem Unterfall des error in persona oder der aberratio ictus zuordnet. Einerseits muss man begründen, welche Gemeinsamkeit des Doppelindividualisierungsirrtums mit der gewählten Gruppe besteht. Dies ist natürlich kaum problematisch, denn wie gesagt enthält die Konstellation des Doppelindividualisierungsirrtums die Elemente des error in persona oder der aberratio ictus. Aber auf der anderen Seite muss man gleichzeitig die vorgegebene Eigenschaft der nicht gewählten Gruppe ausscheiden. Somit sind beide o. g. Wege der Abgrenzung nicht überzeugend. Daher muss man sich auf die Struktur der strafrechtlichen Zurechnung besinnen und neu über die Grundlagen der Zurechnung des Erfolgs zum Vorsatz nachdenken. Zu hinter29

Siehe unten zweiter Teil § 3 II. 1.

§ 2 Der Meinungsstand im Einzelnen

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fragen ist, ob die vorhandenen Maßstäbe mit dem System des Strafrechts übereinstimmen oder nicht. Das wird im Folgenden untersucht.

§ 2 Der Meinungsstand im Einzelnen I. Gegenmeinungen zur Doppelindividualisierung Zuerst ist bemerkenswert, dass der vorliegende Irrtum von einem Teil der Autoren, die diese Meinung vertreten, nicht für einen Tatbestandsirrtum gehalten wird. Man muss diese Ansicht als eine Meinung zugunsten des error in persona verstehen. Innerhalb dieser Auffassung wird die Abweichung des Kausalverlaufs beim Doppelindividualisierungsirrtum nicht beachtet. Der Schwerpunkt liegt darauf, dass der Irrtum sich auf den Begriffsinhalt des Tatbestandselementes bezieht.

1. Irrelevante Zusatzindividualisierung – Jakobs Jakobs verneint von Anfang an das Vorliegen einer aberratio ictus beim Irrtum der Doppelindividualisierung. Für ihn liegt hier nur ein error in persona vor, „wenn der Täter das angegriffene Objekt überhaupt nur über dessen Stellung im Kausalverlauf identifiziert, mag er sich auch einbilden, das so zutreffend definierte Objekt durch weitere Identifikationsmerkmale benennen zu können (,das wird der X sein‘ o.ä.)“. Jakobs nimmt deswegen an, dass die durch den Kausalverlauf bestimmte Konkretisierung nur eine tatbestandlich irrelevante Zusatzindividualisierung ist.30 Hingegen liege eine aberratio ictus vor, wenn der Täter das tatsächlich realisierte Risiko nicht gesehen hat.31 Diese Auffassung steht in engem Zusammenhang mit seiner Ausführungen zum Problem der Kausalabweichung. Dazu geht er davon aus, dass die vom Täter gewünschte Entwicklung der Tat rechtlich irrelevant ist, wenn sich das von ihm gesehene Risiko verwirklicht. Der Täter könnte hoffen, dass das Opfer wegen der Vergiftung schmerzhaft zu Tode kommt, hingegen stirbt der Vergiftete tatsächlich bewusstlos und schmerzfrei. Diese Abweichung ist bedeutungslos, denn das gesehene Risiko ist tatbestandlich realisiert. „Im Ergebnis“, schreibt Jakobs, „muss der Täter das Risiko kennen, das sich verwirklicht, nicht aber den konkreten Verlauf, durch den es sich verwirklicht“32. Damit in seiner Auffassung Kausalabweichung und aberratio ictus übereinstimmen, muss Jakobs annehmen, dass der Täter in den Fällen des Doppelindividuali30 Jakobs, Strafrecht AT2, 8 / 81; zustimmend Streng, JuS 1991, 910, 913; Schroeder beschreibt eine außerhalb des Vorsatzes bleibende Identität des Opfers, LK11, § 16 Rn. 13. 31 Jakobs, Strafrecht AT2, 8 / 80. 32 Jakobs, Strafrecht AT2, 8 / 63.

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1. Teil: Das Problem des Doppelindividualisierungsirrtums

sierungsirrtums das später verwirklichte Risiko gekannt hat. Jedoch ist dieser Punkt nicht klar: In welchem Sinne kann man von einem vom Täter gesehenen Risiko sprechen, beispielsweise im Enzianschnapsfall, wenn die Ehefrau ihrem Mann den vergifteten Schnaps schenkt, aber ein Dritter ihn trinkt? Mit anderen Worten: Wenn das Risiko für die Zurechnung zum Vorsatz vom Täter ,gesehen‘ werden muss, ist das ein Maßstab, der durch die sinnliche Wahrnehmung bestimmt wird? Wenn ja, dann hat der Täter in jeder Situation des Doppelindividualisierungsirrtums das Risiko nicht gesehen. Wenn nicht, ist es nötig, ein anderes Kriterium zu finden. An dieser Stelle ist es zunächst wichtig, die weiteren Einschätzungen bezüglich der Doppelindividualisierung zu untersuchen.

2. Zweifel an der Abgrenzung – Puppe und Loewenheim Puppe sieht die Fallgruppe der Doppelindividualisierung als unwiderlegbaren Beweis für die Mehrdeutigkeit der Unterscheidung zwischen aberratio ictus und error in persona; da man bei einer solchen Konstellation von aberratio ictus und zugleich von error in persona sprechen könne. Sie kritisiert, dass z. B. im Telefonbeleidigerfall KG GA 69 (1919), 117 überwiegend ein error in persona angenommen wird, man aber genauso gut von einer aberratio ictus sprechen könne, weil die „Sendung“ des Täters einen nicht von ihm gewollten Weg einschlägt, ebenso wie der fehlgegangene Wurf.33 Die Steuerung der Nachrichtenübermittlung sei durch das Wählen der Nummer beendet, und gerade die sei fehl gegangen.34 Ein anderer Grund für die Zweifel an der Abgrenzung ist, dass der Maßstab der Konkretisierung der h. M., nämlich Zeit und Ort, bei dem Doppelindividualisierungsirrtum auch deshalb nicht bestimmt werden kann, weil sich Täter und Opfer nicht gegenüberstehen.35 Die Abgrenzung sei deswegen nicht mehr möglich. Diese Behauptung von Puppe ergibt sich im Anschluss an eine These von Loewenheim. Er führt zwei Beispiele36 an: Ein Täter installiert einen Sprengkörper an einem viel besuchten Ort und ist nicht sicher, wie viele und welche Menschen durch die Explosion getötet werden. Der Täter wird wegen vorsätzlicher Tötung bestraft, wenn jemand dadurch ums Leben kommt. Eine andere Konstellation, bei der der Täter ein Sprengstoffpaket an einen Politiker schickt, aber ein Sicherheitsbeamter das Paket öffnet und wegen der Explosion stirbt, solle nach h. M. als aberratio ictus behandelt werden. Loewenheim hingegen hält den Unterschied beider Situationen für nicht existent und die ungleiche Behandlung für ungerechtfertigt. 33 Puppe, GA 1981, 1, 4 f. Sie führt an, dass v. Bar den Vorsatz bei aberratio ictus vertritt, Gesetz und Schuld II, S. 367, Fn. 149. Zustimmend Schroth, Vorsatz und Irrtum, S. 103 f. 34 Puppe, GA 1981, 1, 8; schon v. Liszt, Lehrbuch21 u. 22, S. 172. 35 Puppe, GA 1981, 1, 9. 36 Loewenheim, JuS 1966, 310, 313 f.; vgl. Puppe, JuS 1998, 287, 288.

§ 2 Der Meinungsstand im Einzelnen

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Die Gleichstellung beider Situationen hat Loewenheim nicht ausreichend begründet. Wie er glaubt, hat der Täter bei der ersten Konstellation eine Kenntnis, die sich auf das Tatobjekt als Teil einer Gattung erstreckt. Mit anderen Worten hat der Täter einen unbestimmten Tatvorsatz. Aber die zweite Situation verhält sich anders, weil der Täter die Bombe nicht an einen viel besuchten Ort legt, sondern an eine bestimmte Person schickt. Der Unterschied beider Situationen liegt eigentlich klar vor Augen. Die Abgrenzung zwischen aberratio ictus und error in persona zu widerlegen bedeutet aber nicht, dass der Doppelindividualisierungsirrtum mit error in persona gleichgestellt werden soll. Der Täter hat beim Doppelindividualisierungsirrtum weder das Opfer gesehen, noch hat er einen unbestimmten Vorsatz. Die Lösung von Loewenheim und Puppe ist aus diesem Grund fragwürdig.

3. Gattungsvorsatz – Janiszewski Die Theorie des Gattungsvorsatzes von Loewenheim und Puppe wird von Janiszewski zu einer Irrtumstheorie weiterentwickelt. § 16 StGB ist danach in erweiternder Auslegung wie folgt zu interpretieren: Die Unkenntnis im Sinne von § 16 StGB bedeute die Unwissenheit über die tatbestandmäßige Gattung. Der Vorsatz sei somit ausgeschlossen, wenn der Täter seine Handlung nur für ein bestimmtes Objekt, aber nicht für eine Gattung als schädlich ansieht. Mit anderen Worten verlangt Janiszewski für eine vorsätzlich vollendete Tat im Fall einer Zielverfehlung, dass der Täter nicht nur zufällig ein gleichwertiges Objekt getroffen, sondern von der Identität der Gattung gewusst hat.37 Janiszewski übernimmt die Auffassung von Loewenheim und Puppe, ergänzt sie jedoch um einen weiteren eigenen Gedanken. Die These von Loewenheim ist, dass der Täter, wenn er ein bestimmtes Objekt anvisiert, dieses verfehlt und gleichzeitig irgendein gattungsgleiches Objekt trifft, aus vorsätzlichem, vollendeten Delikt bestraft werden kann. Für Janiszewski ist dies zweifelhaft, denn der Täter muss im Moment der Tat wissen, dass die gattungsgleichen Objekte wegen seines Angriffs auch bedroht werden. Nach der Lehre von Janiszewski sind die Fälle des Doppelindividualisierungsirrtums so zu beurteilen: Ein Täter hat bei der Installierung einer Autobombe damit gerechnet, dass ein Mensch den Zündschlüssel betätigen würde. Der Vorsatz liegt auch dann vor, wenn nicht die Zielperson in das Auto einsteigt, sondern ein anderer Mensch. Beim Fangbrieffall kommt Janiszewski zum gleichen Ergebnis; denn der Täter erkennt, dass seine Handlung immer bei einem Menschen den Diebstahlsverdacht erregen und den Polizeiapparat vergeblich beanspruchen würde. Von einer Unkenntnis im Sinne von § 16 StGB könne deswegen keine Rede sein. Derselbe Schluss gilt auch für den Telefonbeleidigerfall. Als der Täter die Beleidi37

Janiszewski, MDR 1985, 533, 537.

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1. Teil: Das Problem des Doppelindividualisierungsirrtums

gung aussprach, konnte er wissen, dass derjenige, der sich auf der anderen Seite der Leitung befand, ein Mensch war. Die vorsätzliche Vollendung liegt vor, gleichgültig, ob die Beleidigte sich gemeldet hat oder nicht.38 Der Vorschlag ist zwar schon präziser als der von Loewenheim und Puppe, führt aber bei der Subsumtion zu einer uferlosen Anwendung. Die von Janiszewski vorgeschlagene erweiternde Auslegung des Unkenntnisbegriffs bereitet Schwierigkeiten für die Interpretation des § 16 StGB: Der Irrtum sei rechtlich irrelevant, wenn die Objekte zum gleichen Rechtsgut gehören, da sich der „Umstand“ des Tatbestands im Sinne von § 16 StGB auf das Rechtsgut beschränke. Wenn man diesem Vorschlag folgt, ist die Vorschrift für die meisten Fälle des Irrtums jedoch nicht mehr anwendbar. Beispielhaft bestünde bei einer Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf kein Irrtum, da diese nicht ein anderes, sondern immer dasselbe Rechtsgut berührt. Dieser Vorschlag zur Lösung des Problems der Doppelindividualisierung ist daher ebenfalls fragwürdig. Dass ein Mechanismus nur von einem Menschen aktiviert werden kann, bedeutet nicht notwendig eine ausreichende Begründung für die Zurechnung zum Vorsatz, wenn irgendein Mensch wegen dieses Mechanismus ums Leben gekommen ist. Eine Autobombe kann auch unvorhergesehen von einem Autodieb zur Explosion gebracht werden. Es ist auch denkbar, dass ein Fußgänger wegen des defekten Mechanismus ums Leben kommt. Was der Täter bei der Handlung wusste, ist allein die Voraussetzung der Betätigung des Mechanismus. Die Situationen, in denen die Voraussetzungen erfüllt werden, sind in der Tat jedoch unzählbar.

II. Zum Vorschlag der Lösung über die Kausalität Ein Teil der Autoren, die das Problem über die Kausalität lösen, geht davon aus, dass es sich bei dem Irrtum über Doppelindividualisierung um die Abweichung des Kausalverlaufs bei der Tatausführung handelt. Bei der Lösung des vorliegenden Irrtums kommt es deswegen natürlich darauf an, ob es sich um einen rechtlich relevanten Irrtum handelt oder nicht. Um dies zu beurteilen, wurden verschiedene Kriterien entwickelt, die entweder auf das vorgegebene Kriterium der Kausalverlaufsabweichung zurückgreifen bzw. speziell für die Doppelindividualisierung entwickelt wurden.

38 Janiszewski, MDR 1985, 533, 538. Fraglich ist, wie der Fall zu beurteilen ist, wenn sich am anderen Ende ein Anrufbeantworter einschaltet.

§ 2 Der Meinungsstand im Einzelnen

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1. Irrtum über den Kausalverlauf Ohne die direkte sinnliche Wahrnehmung wird der Schwerpunkt der Argumentation auf den Kausalverlauf oder auf die sog. geistige Identität verschoben. Blei geht von der Kausalabweichung aus und behauptet, dass nach den dem Täter bekannten Umständen „ein Fehlgehen aber nur zur Verwirklichung desselben Tatbestandes an einem anderen gleichartigen Objekt führen konnte“. Die Abweichung im Enzianschnapsfall sei unerheblich, denn man kann gewiss sagen, „dass es, wenn das Geschehen nicht sonst abgebrochen wird, nur an einem anderen tatbestandlich gleichwertigen Objekt zur Verwirklichung des geplanten tatbestandsmäßigen Geschehens kommen muß“39. Darin sieht Blei einen Unterschied zwischen der hier diskutierten Situation und der aberratio ictus: Bei der letzten sei es ein Zufall, ob ein tatbestandlich gleichwertiges Objekt angegriffen werde oder nicht. Aber bei der ersten sei die Frage mit Gewissheit zu beantworten. Nach der Ansicht von Blei40 ist die Beurteilung dieselbe für die Konstellation, bei der ein Dieb wegen der Explosion einer Autobombe stirbt. Die Bombe würde auf jeden Fall wegen der Aktivierung durch eine Person explodieren, gleichgültig wie und wann die Explosion ausgelöst wird. Aber dieser Schluss bleibt fragwürdig, denn die Behauptung, dass der Erfolg nur bei einem tatbestandlich gleichwertigen Objekt eintreten kann, bedeutet nicht, dass ein Erfolg am tatbestandlich gleichwertigen Objekt notwendig eintritt, bzw. dass jeder solche Erfolgseintritt notwendig impliziert ist. Der Tatbestand der Tötung durch eine Autobombe könnte auch verwirklicht werden, wenn beispielsweise ein Autodieb den präparierten Wagen kurzschließt, dadurch die Bombe zur Explosion bringt und so zu Tode kommt. Diese Tatbestandsverwirklichung könnte nicht als gewisser Erfolg bezeichnet werden, da mit dem Diebstahl des präparierten Wagens nicht zu rechnen war. Geppert41 folgt dem Gedankengang von Blei und ergänzt ihn durch die Frage, ob die Verletzung eines anderen, tatbestandlich gleichwertigen Objekts typischerweise oder zufällig eintrete. Er sieht den Bombenlegerfall und den Fangbrieffall als typische Konstellationen, denn „in beiden Fällen konnte sich das vom Täter erkannte Risiko nur an Menschen verwirklichen“42. Hingegen wird ein tödlicher Schuss im Wald als zufällig angesehen, da ein anderer Mensch dadurch ebenso getroffen werden kann wie ein Tier, ein Baum oder der Waldboden.43 Es ist bemerkenswert, dass in der Literatur diejenigen Autoren, die einen Lösungsansatz, ähnlich dem der Kausalabweichung, vertreten, häufig zu gegenläufigen Ergebnissen kommen. Z. B. ist Otto der Meinung, dass die Ehefrau beim Enzi39 Blei, Strafrecht AT18, S. 123; ähnlich S / S / Cramer / Sternberg-Lieben, Strafgesetzbuch27, § 15 Rn. 59; Baumann / Weber / Mitsch, Strafrecht AT11, 21 / 11. 40 Blei, Strafrecht AT18, S. 123. 41 Geppert, Jura 1992, 163 ff.; ders., JK 1998, StGB § 16 / 4. 42 Geppert, Jura 1992, 163, 166. 43 Geppert, Jura 1992, 163, 165.

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1. Teil: Das Problem des Doppelindividualisierungsirrtums

anschnapsfall nicht erkenne, dass sich die von ihr begründete Gefahr in dieser Weise realisieren könne.44 Nach dem Lösungsansatz der Kausalabweichung bleibt unklar, ob der Irrtum der Doppelindividualisierung erheblich ist oder nicht. Wenn man, wie Geppert, glaubt, dass eine Verletzung eines anderen tatbestandlich gleichwertigen Objekts typisch ist, weil das vom Täter erkannte Risiko nur an Menschen verwirklicht werden kann, dann müsste ein Irrtum in einem Fall wie dem Enzianschnapsfall als unerheblich angesehen werden, da normalerweise nur Menschen Schnaps trinken.45 Dieser Maßstab ist noch bedenklicher, wenn man eine Situation überlegt, in der ein Dieb den Schnaps stiehlt und trinkt. Es drängt sich auch eine andere Frage auf, nämlich, wie weit die Kenntnis des Täters reicht. Die Vertreter, die den Irrtum der Doppelindividualisierung als Kausalabweichung betrachten, können zustimmen, dass der konkrete Kausalablauf nicht von der Vorstellung des Täters gedeckt ist. Was dem Täter bekannt ist, sind die anderen allgemeinen Umstände, beispielsweise die Struktur des Mechanismus oder die Gefährlichkeit des Mittels. Blei hält fest, dass der Täter mit der Möglichkeit der Verletzung eines anderen tatbestandlich gleichwertigen Objekts rechnen kann. Jedoch reicht das allein für den Vorsatz nicht aus, denn hier kann man nur von einer Vorhersehbarkeit des Risikos (i. S. d. Fahrlässigkeit) sprechen, nicht jedoch von einem gezielten oder bekannten Risiko (i. S. d. Vorsatz).

2. Von der geistigen Identitätsvorstellung bis zur bekannten Gefahr – Herzberg Als erste Reaktion gegen die Kritik von Puppe verteidigt Herzberg die traditionelle Meinung, nämlich die Trennung zwischen aberratio ictus und error in persona, indem er sie modifiziert. Er erklärt, dass im Normalfall der Täter das Zielobjekt durch die sinnliche Wahrnehmung identifiziert und zugleich die dahinter greifende geistige Identitätsvorstellung „degradiert“ wird. Wenn es dem Täter aber an der sinnlichen Wahrnehmung fehlt, steht bei der Entscheidung, welches das Zielobjekt ist, die geistige Identitätsvorstellung an erster Stelle. Beim Bombenlegerfall liegt demnach eine aberratio ictus vor, weil das tatsächlich angegriffene Opfer ein anderes ist als das Opfer, das vor dem ,geistigen Auge‘ des Täters stand.46 Herzberg beschreibt seinen Maßstab so: Wenn der Täter das Opfer irgend44 Otto, Strafrecht AT7, 7 / 95; ähnlich Jescheck / Weigend, Strafrecht AT5, S. 313 (Enzianschnapsfall); Wolter, Objektive und personale Zurechnung zum Unrecht, 103, 126 f.; Jäger, Strafrecht AT2, Rn. 90; Heinrich, Strafrecht AT II, Rn. 1112; Zieschang, Strafrecht AT, S. 45; Rath, aberratio ictus und error in persona, S. 285 (Enzianschnapsfall und Bombenlegerfall). 45 Geppert, Jura 1992, 163, 166. 46 Herzberg, JA 1981, 470, 473. Seine vorherige Auffassung in ZStW 87 (1975), 867 wird als überholt von ihm preisgegeben.

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wie wahrgenommen hat, liegt nur ein error in persona vor, wenn keine Wahrnehmung vorhanden ist, dann ein aberratio ictus. Beim Bombenlegerfall (BGH NStZ 1998, 294) setzt der BGH die mechanische Installation mit der sinnlichen Wahrnehmung des Opfers gleich. Nach der Veröffentlichung dieser Rechtsprechung erregte das gewählte Kriterium umgehend die Kritik von Herzberg47. Er und sein Schüler Schlehofer48 entwickeln eine Theorie bezüglich der Kenntnis in einem engen Sinne. Beim Kausalabweichungsproblem komme es darauf an, ob der Täter bei Begehung der Tat die tatbestandmäßige Gefahr der Abweichung gekannt hat. Herzberg nimmt an, dass hier kein error in persona, sondern ein aberratio ictus vorliege. Denn der Täter verkenne „bei Begehung der Tat“ die Gefahr, dass eine andere Person ins Auto steigt.49 Diese Meinung ist auf den ersten Blick wegen ihrer besonderen Übereinstimmung mit dem Wortlaut von § 16 StGB, insbesondere dem Prinzip „ohne Kenntnis kein Vorsatz“, plausibel. Aber es bleibt unklar, ob diese Lehre eine Lösung bieten kann, denn der Täter hat bei allen Situationen des Irrtums der Doppelindividualisierung die tatbestandmäßige Gefahr der Abweichung ,nicht‘ erkannt. Ob dann bei allen Konstellationen von einem Vorsatz ausschließenden Irrtum gesprochen werden kann, ist fraglich. Um diese Frage zu lösen muss man zuerst überlegen, ob die sinnliche Wahrnehmung die einzige Quelle der Kenntnis ist. Mit anderen Worten ist zu untersuchen, welchen Inhalt die Kenntnis im Sinne von § 16 StGB hat.

3. Das durch den Mechanismus richtig verstandene Angriffsobjekt – Prittwitz Prittwitz50 vertritt die Meinung, erst durch den Kausalverlauf sei zu verstehen, wer die Zielperson sein sollte. Nach seiner Meinung ist das „richtig verstandene Angriffsobjekt“ die Person, die den Mechanismus in Gang setzen würde. Aber diese Erklärung benötigt noch Grund und Maßstab. Als Anhänger der traditionellen Meinung verteidigt er die These, dass „der Täter wegen vorsätzlich vollendeter Tat nicht bestraft werden kann, wenn die eingetretene Rechtsgutsverletzung nicht beim vom Täter sinnlich wahrgenommenen Angriffsobjekt eintritt“51. Prittwitz sieht die These als faustregelartige Formel. Sie setze voraus, dass der Täter eine sinnliche Wahrnehmung des Opfers hat. Wenn die Wahrnehmung nicht existiert, kann man nur durch den Mechanismus der Kausalkette verstehen, welches das Zielobjekt ist. Herzberg, NStZ 1999, 217, 219. Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, S. 174. 49 Herzberg, NStZ 1999, 217, 220 f.; ebenso Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, S. 174; insoweit zustimmend Krack, JuS 1999, 832. Kritisch Puppe, Strafrecht AT I, 20 / 37. 50 Prittwitz, GA 1983, 110, 130. 51 Prittwitz, GA 1983, 110, 128. 47 48

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1. Teil: Das Problem des Doppelindividualisierungsirrtums

Für den Bombenlegerfall geht Prittwitz von seiner Formel aus, nämlich dass eine erhebliche Abweichung nur dann eintritt, wenn der Täter ein sinnlich wahrgenommenes Angriffsobjekt verfehlt. Prittwitz hält daran fest, dass beim Bombenlegerfall keine erhebliche Diskrepanz zwischen Tatgeschehen und Tätervorstellung besteht, da es hier keine sinnliche Wahrnehmung des Opfers gibt.52 Für den Fangbrieffall stellt Prittwitz auf der Grundlage seiner Formel fest, dass der Täter seine Handlung nicht durch die sinnliche Wahrnehmung des Opfers steuert, sondern durch Vorstellungen über die Identität des Opfers. So kommt Prittwitz zu dem Ergebnis, dass eine vollendete Falschverdächtigung vorliege.53 Beim Telefonbeleidigerfall erklärt Prittwitz ebenfalls nach seiner Formel: Wenn der Täter die Angesprochene, die sich am Telefon gemeldet hat, sinnlich wahrgenommen hat, liege eine vorsätzliche Beleidigung vor. Aber auch wenn die Angerufene sich nicht gemeldet hat, bleibt die Rechtsfolge dieselbe.54 Es zeigt sich deutlich, dass Prittwitz in den Fällen des Doppelindividualisierungsirrtums das „richtig verstandene Angriffsobjekt“ durch einen Umkehrschluss seiner Formel definiert. Wenn der Täter nicht durch die sinnliche Wahrnehmung des Opfers seine Handlungsweise bestimmt, dann ist das „richtig verstandene Angriffsobjekt“ die Person, die durch den Mechanismus angegriffen wird. Das Kriterium, das von Prittwitz entwickelt wurde, gründet auf einem Zirkelschluss: Das Zielobjekt wird immer als Angriffsobjekt verstanden und das Angriffsobjekt wird auch als Zielobjekt angesehen. Somit gibt es nie einen Irrtum, da beide im Ergebnis der Theorie von Prittwitz stets identisch sind. Stratenwerth55 bezweifelt aus nahe liegenden Gründen den Maßstab von Prittwitz und fragt, ob ein irrelevanter error in persona auch dann vorliegt, wenn die Bombe vorzeitig explodiert und einen gänzlich unbeteiligten Passanten tötet.

4. Programmierung des Tatplans – Stratenwerth Eine ähnliche Meinung, die auch von diesem Mechanismus und Kausalverlauf ausgeht, vertritt Stratenwerth. Danach soll die vermutliche Feststellung der Zielperson durch den Kausalverlauf Kriterium der Abgrenzung sein. Die Individualisierung durch den Täter ist nicht von seiner Vorstellung abhängig, sondern von seiner tatsächlich vollzogenen Tätigkeit. Das Opfer sei deswegen dasjenige, das durch die „programmierte“ Anlage angegriffen wird. Daraus sei bei dem Bombenlegerfall leicht zu entnehmen, dass der erste Benutzer des abgestellten Autos das 52 Prittwitz, GA 1983, 110, 130; zustimmend Hoyer, Strafrecht AT I, S. 63; ähnlich Kindhäuser, LPK-StGB2, § 16 Rn. 29. 53 Prittwitz, GA 1983, 110, 131. 54 Prittwitz, GA 1983, 110, 134. 55 Stratenwerth, Baumann-FS, S. 57, 60 f.

§ 2 Der Meinungsstand im Einzelnen

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„tatsächlich“ anvisierte Angriffobjekt ist56, weswegen man nicht von einer aberratio ictus sprechen kann. Nach Ansicht von Stratenwerth verhält sich die Situation beim Enzianschnapsfall anders: Aus dem dem Angriff innewohnenden ,Programm‘ könne man entnehmen, dass der Täter nicht den Angriff ,programmiere‘. Das Tatobjekt werde durch die Form des Angriffs nicht festgelegt, weil die Zielperson oder ein Gast den Schnaps trinken könnte, sogar auch jemand, der sich heimlich aus der Flasche bedient. Daher kommt Stratenwerth bemerkenswerter Weise trotz der unterschiedlichen Situation zum gleichen Ergebnis wie beim Bombelegerfall: Dass der Angriff den „Falschen“ traf, sei ein bloßer error in persona.57 Es bleibt trotz oben genannter Erklärung fraglich, was man unter dem Maßstab der „Programmierung“ verstehen kann. Ob der Vorschlag der Ehefrau, allein zu trinken, auch zur Programmierung gehört? Der Genuss des Schnapses durch irgendjemanden wird von Stratenwerth als irrelevanter error in persona angesehen. Daraus würde sich eine gleiche Bewertung ergeben, wenn ein Passant beim Bombenlegerfall wegen vorzeitiger Explosion zufällig stirbt. Der Maßstab der „Programmierung“ ist bei diesen zwei Fällen nicht einheitlich. 58 Es lässt sich sogar sagen, dass Stratenwerths Maßstab tatsächlich gar keine Rolle für seine Beurteilung spielt, da er immer zum selben Ergebnis (error in persona) gelangt, egal ob der Täter die Kausalkette programmiert hat oder nicht.

5. Theorie der Planverwirklichung – Roxin Obwohl Roxin längst die Theorie der Planverwirklichung für die Kausalabweichung entwickelt hatte, hat er sie früher nicht zugleich auf das Problem der Doppelindividualisierung angewendet. Im Anschluss an die Theorie der geistigen Identitätsvorstellung Herzbergs ist Roxin59 zum gleichen Ergebnis gekommen. Der Täter habe beim Bombenlegerfall nicht sein Ziel und das tatsächliche angegriffene Opfer verwechselt, sondern das Geschehen habe sich anders entwickelt, als er gedacht hat. Deswegen liegt hier nach der Auffassung von Roxin eine aberratio ictus vor. Ähnlich führt er für den Fangbrieffall aus: „Daß hier in Beziehung auf die verdächtige Person trotz ihrer ,Unsichtbarkeit‘ für die Täterin eine aberratio ictus vorlag, kann gar nicht zweifelhaft sein“60.

56 Stratenwerth, Baumann-FS, S. 57, 61 f.; ders., Strafrecht AT4, 8 / 96 f.; zustimmend Wessels / Beulke, Strafrecht AT35, Rn. 255. 57 Stratenwerth, Baumann-FS, S. 57, 61; zustimmend Gropp, Lenckner-FS, S. 55, 66. Ähnlich Krey, Strafrecht AT I2, Rn. 398. 58 Vgl. Puppe, Strafrecht AT I, 20 / 40. 59 Roxin, Spendel-FS, S. 289, 295. 60 Roxin, JZ 1991, 680, 681.

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1. Teil: Das Problem des Doppelindividualisierungsirrtums

Beim Telefonbeleidigerfall hingegen gehe es um einen error in persona. Der Täter „verwechselt den Angeredeten mit einem anderen, für den die Schimpfworte bestimmt sind“61. Nach Meinung von Roxin liegt beim Enzianschnapsfall auch ein klassischer Fall der aberratio ictus vor, der Angriff missglückte und hat einen nicht anvisierten Dritten geschädigt. Die Frau wollte nur ihren Mann töten, nicht aber „den, der die Flasche trinken wird“. Deswegen sei die Individualisierung des Tatobjektes nicht an das abstrakte Kriterium („den, der die Flasche trinken wird“) zu knüpfen.62 Auf bemerkenswerte Art hat Roxin sich seit der ersten Auflage seines Lehrbuchs bemüht, mit der Theorie der Planverwirklichung den Irrtum über die Doppelindividualisierung zu umgehen. Damit hat er seine Meinung grundlegend geändert. Beim Bombenlegerfall nimmt er an, dass hier, wenn man von der Individualisierung nach Tatort und Tatzeit ausgeht, ein unerheblicher error in persona vorliegt. Denn der Täter „wollte den Autoinsassen in die Luft jagen, und so ist es auch gekommen“63. Roxin gibt zu, dass in diesem Fall das Ergebnis einer aberratio ictus naheliegt, weil das äußere Geschehen nach Versuchsbeginn „schief gelaufen ist“. Dennoch vertritt er die Vollendungslösung, da er im Bombenlegerfall und dem Fall, in dem der Täter wegen Verwechslung eine Bombe auf einen Dritten wirft, für einen derart subtilen Unterschied hält, „dass er eine abweichende Beurteilung noch nicht trägt“64. Es ist jedoch nicht so „subtil“, wie Roxin gedacht hat. Denn der eine Irrtum, nämlich der über die Identität des Opfers, liegt vor dem Zeitpunkt des Versuchsbeginns, hingegen unterläuft der andere erst danach. Man kann sagen, dass aus strafrechtlicher Sicht ein struktureller Kontrast besteht. Dies kann nicht einfach mit dem ontologischen Argument, dass die Sachverhalte der beiden Konstellationen nur wenig unterschiedlich seien, ausglichen werden. Das andere Argument, dass der Täter den Autoinsassen in die Luft jagen wollte und es auch so gekommen sei, ist auch nicht plausibel, da die Begründung durch das Endergebnis einseitig ist. Roxin würde für den Fall, dass der Tod des Opfers wegen des Unglücks beim Transport eintritt, dem Täter die Tat nicht als vorsätzliche zurechnen. Er würde in Fällen der aberratio ictus auch nicht sagen, dass der Täter den durch sein Tatmittel Angegriffenen töten wollte und es auch so gekommen sei. Daher ist die Auffassung von Roxin nicht begründet, weil das Endergebnis kein alleiniger Maßstab sein kann. Roxin, Spendel-FS, S. 289, 295. Roxin, Spendel-FS, S. 289, S. 294; ebenso Jäger, Strafrecht AT2, Rn. 90. 63 Vgl. Roxin, Strafrecht AT I4, 12 / 197. 64 Roxin, Strafrecht AT I4, 12 / 197. Nach Roxin liegt beim Telefonbeleidigerfall lediglich ein strafloser Versuch vor. Denn die Beleidigung verletzt einen höchstpersönlichen Achtungsanspruch und kann immer nur den „treffen“, auf den sie gerichtet ist. Dadurch fasst Roxin zusammen, dass hier eben die Identität des Adressaten mit der Vorstellung des Täters das Kriterium der Planverwirklichung sei, Strafrecht AT I4, 12 / 198 f. 61 62

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6. Der Strukturvergleich – Rath Die Fälle des Doppelindividualisierungsirrtums werden von Rath65 in verschiedene Gruppen unterteilt, die jeweils entsprechend dem Unterschied der Struktur der Fallkonstellationen gebildet werden, damit er sie danach mit der Struktur der aberratio ictus und des error in persona vergleichen kann. Beispielhaft ist der Enzianschnapsfall nach Ansicht von Rath entspricht einer aberratio ictus. Der Täter hat die Tat nicht unmittelbar gesteuert, aber er hat seinen Vorsatz in Bezug auf Raum und Zeit auf die Zielperson konkretisiert. Der Angriff ist wegen der Positionsänderung des Opfers misslungen. Der Enzianschnapsfall sei eine vorsatzausschließende aberratio ictus. Gleiches gelte auch für den Platztauschfall. Eine Konstellation, die sich nicht anders als der Platztauschfall verhält, wird von Rath als error in persona angesehen. Sie verhält sich folgendermaßen: Der Täter verkleidet sich als Kellner und bringt vergifteten Cognac in das Hotelappartement der Zielperson. Aber diese hat das Zimmer vorsichtshalber mit einem Dritten getauscht. Diese Konstellation ist nach Auffassung von Rath66 mit Standardfällen des error in persona strukturgleich. Denn beim Hotelzimmerfall verleitet ein Ort den Täter zur Ausrichtung des Praxisvollzugs auf das falsche Objekt, dessen Realisierung dann aber störungsfrei verläuft: der Bewohner des Hotelzimmers wird verletzt. In der sozialen Interaktion ist es üblich, durch die Zimmernummer einen Hotelgast zu finden. Aus dem Gedanken der Strukturgleichheit lässt sich weiter argumentieren, der Täter habe eine Handlungsweise benutzt, die keine typischerweise geringere Zuverlässigkeit aufweise als die direkt am Vorstellungsobjekt vorgenommene Individualisierung. Der Platztauschfall und der Hotelzimmerfall haben zwar eine unterschiedliche Struktur, aber in beiden Konstellationen hat der Täter durch einen Ort sein Zielobjekt konkretisiert. Außer dem Tausch der Position der Zielperson entwickelt sich der Kausalverlauf störungsfrei. Deswegen ist es fragwürdig, wenn Rath diese Fälle einmal mit der aberratio ictus und ein andermal dem error in persona gleichstellt, sie also ungleich bewertet. Eine grundlegende Frage ist deshalb, ob eine Bewertung der normativen Zurechnung aus dem Vergleich zweier Strukturen, deren überwiegender Teil faktischer Natur ist, abgeleitet werden kann.

7. Die aktuelle Beherrschung – Toepel Toepel geht davon aus, dass Vorsatz und Fahrlässigkeit sich dadurch unterscheiden, ob der Täter die Verwirklichung des objektiven Tatbestands aktuell beherrscht oder nicht. Dazu meint er gleichzeitig, dass das Wissen die notwendige Bedingung für die aktuelle Herrschaft bzw. den Vorsatz sei. Nach seiner Ansicht gilt dieser 65

Rath, aberratio ictus und error in persona, S. 283 ff.

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Maßstab auch für die Abgrenzung von error in persona und aberratio ictus.67 Bei der Doppelindividualisierung differenziert Toepel die Ergebnisse entsprechend den verschiedenen Situationen. Das wesentliche Kriterium sei, auf welche Weise der Täter dem Irrtum unterliegt. Es wird nicht mehr alleine auf die sinnliche Wahrnehmung abgestellt. Z. B. liegt beim Bombenlegerfall, wenn der Täter einfach bei der Deponierung der Bombe den ersten Autobenutzer falsch identifiziert, ,unwissende Umbenennung‘ und deswegen error in persona vor.68 Aber wenn der Täter nach längerer Beobachtung die Prognose gestellt hat, dass die Zielperson der erste Autobenutzer sein müsste, sollte die falsche Vermutung nach der Meinung Toepels anders bewertet werden. Er stimmt zu, dass der Täter durch sein Instrumentarium das Opfer identifiziert, betont aber, dass das Opfer, das der Täter „ins Auge gefasst hat“, dasjenige ist, das in der Vergangenheit regelmäßig den Wagen benutzte. Diese bildhafte Beschreibung liegt der Auffassung von dem ,geistigen Auge‘ Herzbergs ganz nahe. Entspricht die Vorstellung des Täters nicht dem tatsächlichen Geschehen, liegt daher eine beachtliche aberratio ictus vor.69 Zusätzlich zu den bereits zuvor genannten Situationen hat Toepel weitere Konstellation entwickelt. Wegen einer falschen Information von Dritten hat der Täter den ersten Benutzer falsch prognostiziert. Das sei nicht anders, als wenn der Täter wegen eigener Wahrnehmung das Opfer mit jemandem verwechselt. Mit dieser Personenverwechslung hat der Täter richtig prognostiziert, dass die verwechselte Person das Auto wiederum benutzen wird. Einziger Fehler ist der Name, der falsch bezeichnet wird. Deshalb liege hier ein error in persona vor.70 Nach Toepels Ansicht muss die Situation, in der die Verwechslung auf einer richtigen Information beruht, klar von der Situation getrennt werden, in der eine falsche Information der Grund für die Verwechslung war. Die Konstellation würde als falsche Prognose bei einer eigenen richtigen Beobachtung angesehen. Wegen einer falschen Prognose liege hier eine aberratio ictus vor.71 Beim Enzianschnapsfall wollte die Ehefrau nach Meinung von Toepel kraft ihres überlegenen Wissens den Ehegatten als Werkzeug gegen sich selbst beherrschen, deswegen ist sie mittelbare Täterin. Wie ein versagendes mechanisches Werkzeug einen anderen verletzt hat, hat hier auch der unwissende Ehemann nicht ihre Annahmen befolgt und dies führt zum Tod des Dritten. Die Täterin hat nicht die Entwicklung mit bedingtem Vorsatz angenommen, deswegen liege hier eine aberratio ictus vor. Die Auffassung von Toepel ist sehr detailliert, aber nicht konsequent. Wenn der Vorsatz die aktuelle Beherrschung voraussetzt, fragt man natürlich weiter, ob man Rath, aberratio ictus und error in persona, S. 293 f. Das heißt, dass bei der aberratio ictus der Täter die Tatbestandsverwirklichung nicht beherrscht, Toepel, JA 1996, 886, 887 f.; ders., Jahrbuch für Recht und Ethik 1994, 413, 425 ff. 68 Toepel, JA 1996, 886, 892 f. 69 Toepel, JA 1996, 886, 893; ders., JA 1997, 948. 70 Toepel, JA 1997, 948 f. 71 Toepel, JA 1997, 948, 949. 66 67

§ 2 Der Meinungsstand im Einzelnen

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hinsichtlich des Täters beim Doppelindividualisierungsirrtum noch von Beherrschung sprechen konnte. Die Antwort auf diese Frage liegt nicht auf der Hand. Aber man kann trotzdem mit Gewissheit sagen, dass die oben genannte Differenzierung nicht überzeugend ist. Für die Beantwortung der Frage, ob der Täter das Tatgeschehen beherrscht oder nicht, kommt es nicht darauf an, ob er das Opfer lange oder kurz beobachtet hat. Wenn der Täter die falsche Information von Dritten erhält, würde man sagen, dass der Täter von Anfang an nicht alles im Griff hat. Deswegen ist es unverständlich, wenn Toepel diese Konstellation als error in persona ansieht. Ein grundlegendes Problem ist, dass bei der Ansicht von Toepel zwei unterschiedliche Maßstäbe angewandt werden. Bei der Konstellation, in der der Täter die richtige Information erhält, wird die Vorsatzzurechnung durch die Kenntnis mittels sinnlicher Wahrnehmung beurteilt. Hingegen ist bei dem Fall der fälschlichen Information der Maßstab die Prognose, die durch die vorgegebene Kenntnis des Täters bestimmt wird. Die Nichteinheitlichkeit dieser beiden Maßstäbe ist die Ursache, warum Toepel zu seiner Differenzierung kommt. Sie ist somit auch der Grund, warum diese Lösung als inkonsequent abzulehnen ist.

8. Lebenskonkreta – Grotendiek In jüngerer Zeit hat Grotendiek72 versucht, die alte Theorie der Lebenskonkreta zu re-aktivieren und auf die Fallgruppe des Irrtums über Doppelindividualisierung anzuwenden. Er geht davon aus, dass der Umstand im Sinne von § 16 Abs. 1 S. 1 StGB die Wirklichkeit sein sollte. Der Umstand sei deshalb mit Lebenskonkreta identisch. Grotendiek kommt zu dem Zwischenergebnis, dass der Vorsatz gemäß § 16 Abs. 1 StGB mindestens die Kenntnis der den objektiven Tatbestand erfüllenden Lebenskonkreta voraussetzt. Falls ein danebenstehender Mensch von einer Kugel getroffen wird, wird dies nicht von der Kenntnis des Täters umfasst, weil seine Vorstellung ausschließlich auf die Zielperson konkretisiert sei. Nach seiner Meinung73 besteht das Lösungskriterium des Bombenlegerfalls darin, ob die Zielperson zum Zeitpunkt der Deponierung der Bombe den Wagen benutzen will oder nicht. Wenn die Antwort positiv ist, dann ist die Konkretisierung auf sie keine Fehleinschätzung; es liege eine aberratio ictus vor. Ist die Situation umgekehrt, möchte also ein anderer Mensch das Auto fahren, ist die Vorstellung des Täters eine irrelevante Fehleinschätzung. Diese führt nur zu einem error in persona. Mit anderen Worten liegt der Maßstab darin, ob der Täter im Tatzeitpunkt einer Fehleinschätzung über das Tatobjekt unterliegt. Für die Lösung des Hotelzimmerfalls kommt es darauf an, ob der Zimmertausch zur Tatzeit bereits voll72

Grotendiek, aberratio ictus und error in persona, S. 91 ff. Kritisch Rath, GA 2001, 406,

407. 73

Grotendiek, aberratio ictus und error in persona, S. 103 ff.

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1. Teil: Das Problem des Doppelindividualisierungsirrtums

zogen war oder nicht.74 Für den Fangbrieffall neigt Grotendiek zur Befürwortung eines aberratio ictus. Denn zum einen hat der Täter im Zeitpunkt der Tat das Tatobjekt konkretisiert, und zum anderen „dürfte sich allerdings kaum ermitteln lassen“75, ob diese Konkretisierung eine Fehleinschätzung des Täters ist oder nicht. Die Ansicht Grotendieks ist nicht haltbar, da die Interpretation der sog. Fehleinschätzung beim Doppelindividualisierungsirrtum nicht plausibel ist. Man kann natürlich von einer Fehleinschätzung des Täters sprechen, wenn die Zielperson zum Zeitpunkt der Tat eigentlich in das Auto einsteigen möchte, aber später ein anderer einsteigt. Im Gegensatz zur Auffassung Grotendieks fällt es nicht schwer zu sagen, dass eine sog. Fehleinschätzung des Täters beim Fangbrieffall besteht, denn der Täter hat sich vorgestellt, dass derjenige, der den Brief öffnet, die Zielperson sein würde. So nimmt die Entwicklung einen anderen Verlauf als der Täter es sich vorgestellt hatte. Die Auffassung Grotendieks weist ähnliche Probleme auf wie die von Toepel. Bei der Konstellation der richtigen Einschätzung sei der Vorsatz wegen der Abweichung des Kausalverlaufs auszuschließen. Hier ist der Maßstab einer, der auf der sinnlichen Wahrnehmung basiert: Der Täter habe die Abweichung nicht gesehen, deswegen solle der Vorsatz ausgeschlossen werden. Aber beim Fall der Fehleinschätzung sei auf diesen Maßstab zu verzichten. Diese Auffassung ist deswegen ebenfalls als nicht konsequent abzulehnen.

III. Kritische Zusammenfassung und Zwischenergebnis 1. Doppelindividualisierungsirrtum als Kausalabweichung Im Fall der Doppelindividualisierung hat der Täter sein Opfer vermittels des von ihm vorgestellten Kausalverlaufs individualisiert und es dann auch wirklich angegriffen. Wenn die Zielperson mit dem ersten Benutzer nicht identisch ist, bleibt es fraglich, ob die Diskrepanz eine Kausalabweichung darstellt. Man könnte wie die h. M. wegen der Diskrepanz von einer Abweichung sprechen und später ihre rechtliche Relevanz bewerten, da beim Doppelindividualisierungsirrtum jedenfalls eine Kausalabweichung vorliegen muss. Die meisten Autoren sehen das Problem als einen Kausalirrtum an, der Maßstab der Wesentlichkeit hingegen spielt keine Rolle. Stattdessen wird eine geistige Beschreibung hinsichtlich der mangelnden Wahrnehmung gegeben, z. B. die sog. geistige Identitätsvorstellung, die Programmierung des Tatplans, die sog. Planverwirklichung, oder die sog. mittelbare Individualisierung vom BGH. Aber innerhalb dieser Lösung findet sich kein einheitliches Ergebnis. Auf der einen Seite wird der Doppelindividualisierungsirrtum immer als aberratio ictus beurteilt, weil das tat74 75

Grotendiek, aberratio ictus und error in persona, S. 106. Grotendiek, aberratio ictus und error in persona, S. 108.

§ 2 Der Meinungsstand im Einzelnen

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sächlich angegriffene Opfer ein anderes ist als das Opfer, das vor dem ,geistigen Auge‘ des Täters stand. Z. B. ist beim Bombelegerfall das Opfer nicht die Zielperson. Auf der anderen Seite wird dieser Irrtum hingegen stets als error in persona angesehen. Denn ein gleichwertiger Erfolg werde immer als geistig bestimmtes Objekt verstanden. Z. B. beim Bombelegerfall ist das Opfer stets Autobenutzer. Zur rechtlichen Bedeutung einer Kausalabweichung beim Doppelindividualisierungsirrtum sind die folgenden Elemente zu prüfen: Nicht umstritten ist, dass die Überprüfung des objektiven Tatbestandes früher stattfindet als die des subjektiven. Deswegen ist es unhaltbar, wenn man für die subjektive Zurechnung die Argumente, die bei der objektiven Tatbestandsprüfung ausgeschlossen wurden, wieder berücksichtigt. Dies bezieht sich bei der überwiegenden Lehre auf die Fälle, bei denen der Mechanismus in außergewöhnlicher Art und Weise aktiviert wird: Schließt ein Autodieb einen präparierten Wagen kurz und zündet damit die Bombe, so ist dies eine andere Konstellation, als wenn der gleiche Wagen von seinem regelmäßigen und üblichen Nutzer (Eigentümer, seine Frau, sein Diener oder sein Gast) gestartet und hierdurch die Bombe gezündet wird. Für die Finalisten ist der Aspekt ein anderer. Alle Kausalabweichungen werden aus der Perspektive der Herrschaft mit dem Wesentlichkeitsmaßstab überprüft. Darin liegt auch die Problematik: Für den Täter sei es gleichgültig, ob die fälschlich angegriffene Person ein Dieb oder ein Verwandter der Zielperson ist. Der Schwerpunkt liege vielmehr darin, dass er sich beide Situationen anders vorgestellt hatte, weswegen man auch sagen könnte, der Täter habe den tatsächlichen Kausalverlauf nicht gekannt und deshalb die Tatbestandsverwirklichung nicht gewollt. Eine Versuchslösung liegt deswegen nahe. Das Problem bleibt jedoch, was der Täter für die Zurechnung zum Vorsatz wissen muss. Insbesondere, wenn man überlegt, dass bei jeder Kausalverlaufsabweichung Unkenntnis besteht. Beide Situationen sind jedoch zu unterscheiden. Wenn die Beurteilung der Kausalabweichung auf dem Wesentlichkeitsmaßstab beruht, würde man zu verschiedenen Ergebnissen kommen, denn es lässt sich kaum von einer der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechenden Situation sprechen, wenn ein Dieb statt des Autoinhabers wegen der Autobombe stirbt. Aber was bedeutet das Lebenserfahrungskriterium für die subjektive Zurechnung: eine Objektivierung durch Standardisierung oder eine Feststellung der Herrschaft durch den normativen Aspekt? Außerdem ist der Apparat blind, da er sich mechanisch auslöst, ohne zu fragen, ob es angebracht ist oder nicht. Der Apparat ist ein Mittel des Täters, aber kein Vertreter seiner Willensbildung. Das bedeutet, dass jeder Angriff, der sich noch innerhalb der geplanten mechanischen Einstellung befindet, nicht als ein Irrtum angesehen werden kann, selbst wenn ein Dritter angegriffen wird. Insofern ist der Rückgriff auf die Abweichung vom Kausalverlauf problematisch. Der Kausalverlauf muss wegen der mechanischen Einstellung des Täters notwendig dann starten, wenn die gestellten Bedingungen erfüllt sind. Bei jeder Erfüllung der Bedingung wird eine Verletzung durch den Mechanismus verursacht. Das trifft für den Täter

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sicher zu, z. B., weil im Bombenlegerfall der erste Benutzer durch die Explosion stirbt. Deswegen lässt sich die These der Abweichung des Kausalverlaufs in diesem Punkt bezweifeln.

2. Doppelindividualisierungsirrtum als error in objecto oder aberratio ictus Man könnte den Doppelindividualisierungsirrtum auch als error in objecto oder aberratio ictus einstufen. Aber die richtige Einstufung setzt voraus, dass die differenzierenden Definitionen des error in objecto und der aberratio ictus fehlerfrei sind. Wie gesagt ist dies nicht unumstritten. Dieser Aspekt erfordert weitere Untersuchungen (vgl. zweiter Teil § 4 und § 5). Aber eine Lösung für den Doppelindividualisierungsirrtum benötigt noch eine weitere Überlegung, denn im ontischen Aspekt stimmt er weder mit dem error in objecto noch mit der aberratio ictus völlig überein. Man könnte sagen, dass der Doppelindividualisierungsirrtum jeweils teils mit dem error in objecto und teils mit der aberratio ictus übereinstimmt. Ein verbreitetes Argument, das auf der Beurteilung der Kausalabweichung beruht, lautet, dass der Irrtum als aberratio ictus eingestuft werden soll, wenn die Abweichung rechtlich relevant ist, und der umgekehrte Fall zum error in objecto gehört. Der Weg könnte richtig sein, vorausgesetzt, dass man die Definition beider Gruppen vollständig überprüft hat.

3. Die Gattungsvorsatzthese als Lösung? In der Strafrechtsdogmatik wird schon lange eine Auffassung der Gattungsvorsatzthese vertreten, die sich auf alle Arten des Tatbestandsirrtums bezieht. Die These stellt die grundlegende Frage, ob das Strafgesetz die Konkretisierung des Tatobjekts für die Zurechnung zum Vorsatz verlangt oder nicht. Wenn die Konkretisierung bedeutungslos ist, bleibt noch das Problem offen, ob irgendein tatbestandlich gleichartiger Erfolg zwingend die Voraussetzungen des Vorsatzes erfüllt, ohne den Zusammenhang zwischen der subjektiven Tatseite und dem Erfolg überprüfen zu müssen. Wenn man es vollständig betrachtet, handelt die These also von der Grundlage der subjektiven Zurechnung. Die Auffassung geht von einem normativen Standpunkt aus, damit die irrelevante ontische Tatsache bei der rechtlichen Bewertung ausgeschieden werden kann. Es drängt sich die Frage auf, ob die tatbestandliche Gleichwertigkeit die einzige ist, die von der subjektiven Zurechnung als Gegenstand des Vorsatzes verlangt wird. Dies wird nachfolgend tiefer untersucht.

Zweiter Teil

Die für die Doppelindividualisierungsfälle relevanten dogmatischen Grundlagen der Irrtumslehre § 3 Doppelindividualisierungsirrtum bei Kausalabweichungen Die Lehre des Irrtums über Kausalverlaufsabweichungen könnte für das Problem des Doppelindividualisierungsirrtums eine zutreffende Lösung bieten. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die diesbezüglichen Begriffe und Maßstäbe in der Lehre unmissverständlich, klar und somit auch anwendbar sind. Aber dieser Bereich gilt seit langer Zeit als sehr strittig zwischen dem Finalismus und der Lehre der objektiven Zurechnung. Der Meinungsstand wird nachfolgend in dem für die weitere Untersuchung erforderlichen Rahmen dargestellt. Das Problem liegt darin, welche Abweichung zum Vorsatz zu zurechnen sein soll, obwohl der Täter sie nicht gesehen hat.

I. Die Ansicht der Rechtsprechung zur Kausalabweichung – Vorzeitiger Erfolgseintritt als Hauptbeispiel Wegen dem Zweifeln an der Theorie von der objektiven Zurechnung wird das Problem der Kausalabweichung in der Rechtsprechung hauptsächlich in der Kategorie des Vorsatzes thematisiert. Mit anderen Worten verlangt die Rechtsprechung für die Zurechnung zum Vorsatz den Kausalverlauf als Gegenstand.1 An einem psychologischen Vorsatzbegriff kann man nicht festhalten, da es immer eine normative Frage ist, wann der Täter für die Abweichung wegen vorsätzlicher Tat haften muss. Dazu ist § 16 StGB wenig ergiebig. Das Kriterium der sog. Adäquanztheorie2 bezeichnet nichts anderes als die sog. Vorhersehbarkeit im Rahmen der allgemeinen Lebenserfahrung. Durch diesen Maßstab ist jedoch die ganze Struktur der subjektiven Zurechnung der Rechtsprechung widersprüchlich. Zuerst ist die Vorhersehbarkeit nach Auffassung der Rechtsprechung und der h. L.3 eine Besonderheit des Fahrlässigkeitdelikts. Kennzeichen des Kausalver1 2

BGHSt. 7, 325, 329. Kritisch Mainwald, ZStW 78 (1966), 30, 53 ff.; Jakobs, Strafrecht AT2, 8 / 65.

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2. Teil: Die relevanten dogmatischen Grundlagen der Irrtumslehre

laufsirrtums ist, dass der Täter den Erfolg gesehen, aber den tatsächlichen Kausalverlauf falsch prognostiziert hat. Um den Maßstab der Vorhersehbarkeit zu begründen, muss geklärt werden, warum diese äußere Betrachtungsweise zu einer Vorsatzhaftung führen kann.4 Zu dieser normativen Begründung tragen die Anhänger dieses Maßstabs jedoch wenig bei. Bei einer Kausalabweichung kann das Argument der Vorhersehbarkeit deswegen für die Zurechnung zum Vorsatz nicht hinreichend sein.5 Zweitens entscheidet die Wesentlichkeitstheorie anhand des Kriteriums der Vorhersehbarkeit, womit der Täter rechnen können muss. Bei der Anwendung wird jedoch klar, dass dieses Kriterium eine Leerformel ist. Im Fall des dolus generalis – z. B. wenn das Opfer erst wegen der Beseitigungshandlung des Täters zu Tode kommt – wird nur eine geringe Abweichung angenommen.6 Diese Lösung anhand des Vorhersehbarkeitskriteriums kann jedoch nur ein Ergebnis, aber keinen Grund liefern. Ein Opfer, das als tot angesehen wird, kann nicht gleichzeitig für lebendig und deswegen sein Begräbnis für tödlich gehalten werden. Bei diesem Fall des dolus generalis kann man deswegen nicht von einer Vorhersehbarkeit hinsichtlich dieser Abweichung sprechen, sondern nur von einer Vorhersehbarkeit des Todeseintritts (in welcher Form auch immer). Der Gegenstand der Überprüfung des Vorhersehbarkeitskriteriums ist beliebig. Es ist überdies bemerkenswert, wie der BGH in den konkreten Fällen seine Theorie anwendet. Folgend werden die Fälle vom vorzeitigen Erfolgseintritt betrachtet. 1. Der Entführungsfall BGH NStZ 2002, 309 a) Auffassung und Bewertung des BGH In der Rechtsprechung des BGH NStZ 2002, 309 geht es darum, dass ein Ehemann seine Frau tötet. Entweder tötete er sie im Haus der Familie und wollte die 3 BGHSt. 3, 62, 63; Engisch, Eb. Schmidt-FS, S. 90, 102; Bockelmann / Volk, Strafrecht AT4, S. 157 f.; Wessels / Beulke, Strafrecht AT35, Rn. 667; Schünemann, Meurer-GS, S. 37, 39 ff.; Kindhäuser, Strafrecht AT, 33 / 13, 39 f.; kritisch Jakobs, Strafrecht AT2, 9 / 6 ff.; Schroeder, LK11, § 16 Rn. 128. 4 So schreibt Schröder, dass „die Maßstäbe der Fahrlässigkeit und die für die wesentliche oder unwesentliche Abweichung des Kausalverlaufes sich weitgehend entsprechen“, JR 1971, 205, 208; kritisch dazu siehe Herzberg, ZStW 87 (1975), 867, 876; vgl. Müller, MDR 1991, 830. 5 Vgl. Köhler, Strafrecht AT, S. 153 f.; Sancinetti, Roxin-FS, S. 349, 360 f. 6 Vgl. BGHSt. 14, 193, 194; Wessels / Beulke, Strafrecht AT35, Rn. 265; Rudolphi, SK, § 16 Rn. 34; S / S / Cramer / Sternberg-Lieben, Strafgesetzbuch27, § 15 Rn. 58; Baumann / Weber / Mitsch, Strafrecht AT11, 20 / 24 f.; Krey, Strafrecht AT I2, Rn. 386 f.; Bringewat, Grundbegriffe, Rn. 666; Heinrich, Strafrecht AT II, Rn. 1098. A.A. Mainwald, ZStW 78 (1966), 30, 54 f.; Backmann, JuS 1972, 196, 199; Hruschka, JuS 1982, 317, 320; Hettinger, Spendel-FS, S. 237, 252 f.; Kühl, Strafrecht AT5, 13 / 48.

§ 3 Doppelindividualisierungsirrtum bei Kausalabweichungen

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Leiche an einem anderen Ort verbergen, oder er wollte sie zuerst nur widerstandsunfähig machen und dann an einen anderen Ort bringen, um sie dort zu töten und zu verbergen. Zu Gunsten des Angeklagten geht der BGH davon aus, dass der Ehemann seine Frau in dem Bewusstsein fesselte und / oder knebelte und / oder betäubte, dass er sie später einfach in den Kofferraum verbringen und in ein anderes Auto umladen konnte. Mit dem Auto will er das Opfer an einen anderen Ort bringen, um es dort heimlich töten und verbergen. Aber während des Transports war die Frau aus Furcht, Sauerstoffmangel oder ähnlichen „Widrigkeiten“ oder auch wegen einer „Unachtsamkeit“ beim Einladen im Kofferraum gestorben. Nach Ansicht des BGH kommt die Frage, ob eine Abweichung rechtlich relevant ist, erst in Betracht, wenn der Täter schon die Schwelle zum Versuch überschritten hat. Der Grund liegt darin, dass „sich mangels eines rechtlich relevanten Vorsatzes die Frage einer Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf nicht stellt“7, solange sich die Handlung noch im Vorbereitungsstadium befindet. Befindet sie sich noch im Vorbereitungsstadium, wird der Täter nur wegen fahrlässiger Verursachung des Erfolges bestraft. Nach der Ansicht des BGH erreicht der Täter hier noch nicht das Versuchsstadium, weil er eigentlich geplant hatte, die Tötungshandlung in großem örtlichen oder zeitlichem Abstand auszuführen. Das heißt, dass die Fesselung, Knebelung und Betäubung kein „unmittelbares Ansetzen“ im Sinne von § 22 StGB sind und deswegen das Problem der Abweichung nicht in Betracht kommt. Mit anderen Worten behauptet der BGH, dass beim vorzeitigen Erfolgseintritt das zentrale Problem der Versuchsbeginn ist. Es liegt nahe, dass, wenn der Täter sich schon im Versuchsstadium befindet, das Ergebnis gerade umgekehrt ist. Falls der Ehemann nach der Fesselung, Knebelung oder Betäubung seine Frau alsbald töten möchte, werden diese Handlungen als Versuch bewertet. Wenn das Opfer in dieser Phase gestorben ist, dann liege eine vollendete vorsätzliche Tötung trotz der Abweichung von der Vorstellung des Täters vor, wie einige Autoren8 m. E. zu Unrecht ausgeführt haben.

b) Analyse der Rechtsprechung aa) Die subjektive Seite bei der ersten Stufe Nach Meinung des BGH gehört die erste Stufe des vorliegenden Falles, nämlich die Fesselung, Knebelung und Betäubung, noch zum Vorbereitungsstadium. In diesem Stadium kann die subjektive Seite des Täters wie folgt analysiert werden: Er möchte etwas tun, dass es ihm ermöglicht, das Opfer leichter zu töten. Er kennt zwar das Risiko der Handlungen, die er in diesem Stadium unternommen hat, beurteilt sie aber nicht als Tötungshandlung, weil er das Risiko für niedrig hält. BGH NStZ 2002, 309 = NJW 2002, 1057; zustimmend Joecks, MK, § 16 Rn. 51. Kühl, Strafrecht AT5, 13 / 48a; Roxin, GA 2003, 257 ff.; Sowada, Jura 2004, 814, 817; vgl. Otto, JK 2003, StGB § 15 / 7. 7 8

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2. Teil: Die relevanten dogmatischen Grundlagen der Irrtumslehre

Die Frage ist, ob der Täter, wenn er das Opfer sofort nach Eintritt von dessen Widerstandsunfähigkeit umbringen will, dann eine andere Einschätzung des Risikos hat. Die Antwort ist nein. Will er nach Eintritt der Widerstandsunfähigkeit das Opfer sofort töten, beurteilt er die Fesselung, Knebelung und Betäubung noch nicht als die Tötungshandlung selbst. Im nachfolgenden Schema sind diese beiden Konstellationen zur Verdeutlichung grafisch dargestellt: j A

Fesseln, Knebeln und Betäuben

k

Töten

B

Fesseln, Knebeln und Betäuben

Transportieren

Töten

In der ersten Phase der beiden Situationen A und B schätzt der Täter das Risiko gleich hoch ein. Ob der Täter das Opfer nach der ersten Phase sofort oder später töten möchte, hat mit dieser Einschätzung nichts zu tun. Wenn das Opfer in der ersten Stufe schon tot ist, ist das jedenfalls in beiden Konstellationen planwidrig. Natürlich ist es eine andere Frage, ob der vorzeitige Erfolg für den Täter vorhersehbar war oder mit anderen Worten innerhalb der „allgemeinen Lebenserfahrung“ liegt. Egal ob es vorhersehbar ist, oder nicht, die Antwort bleibt in den zwei Konstellationen ebenfalls gleich. Das gilt auch unabhängig davon, ob der Täter das Opfer nach der ersten Phase sofort oder später umbringen möchte. Deswegen ist es sehr bedenklich, dass das Deliktstadium nach Auffassung des BGH der einzige Maßstab ist, denn, wie schon gezeigt, ist bei diesen zwei Situationen die Vorstellung des Täters identisch. Nach der Auffassung des BGH liegt aber in Konstellation A Vorsatz und in Konstellation B jeweils Fahrlässigkeit vor. Ob der Täter das Opfer nach der Fesselung, Knebelung oder Betäubung sofort oder später umbringen will, hat mit der Gefährlichkeit solcher Handlungen nichts zu tun, ebenso wenig mit der Kenntnis des Täters vom Risiko solcher Handlungen. Obwohl Fesselung, Knebelung oder Betäubung wegen des Tatplans als Versuch bewertet werden, weil der Täter den Tatplan hat, das Opfer danach sofort zu töten, sind diese Handlungen die gleichen, die vom Täter in der zweiten Situation unternommen werden. Diese Phase wird als Versuch definiert, das heißt, nicht alle Handlungen in diesem Stadium können auf jeden Fall eigenständig den Erfolg herbeiführen. Deswegen besteht das Abweichungsproblem weiter. Die Feststellung des Deliktstadiums kann das Problem also nicht lösen.

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bb) Versuchsbeginn = Vorsatzbeginn? Nach der Definition des § 22 StGB beginnt der Versuch, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt hat. Diese Begriffsdefinition vom Versuch wird von Rechtsprechung und herrschender Lehre mit einem Kombinationsansatz weiter konkretisiert. Der Täter hat subjektiv die Schwelle zum „Jetzt geht’s los“ überschritten und objektiv zur tatbestandmäßigen Angriffshandlung angesetzt, so dass sein Tun ohne Zwischenakte in die Tatbestandserfüllung übergeht.9 Diese Ansatzformel sieht die Grundlage in der Vorstellung des Versuchstäters und beurteilt, ob ein objektiver Akt nach dem Täterplan eine unmittelbare Gefahr herbeiführen kann. Das ist eine individuelle und materiell-objektive Kombination. Die so genannte objektive Seite der Ansatzformel (d. h. „das unmittelbare Ansetzen“) basiert auf dem subjektiven Täterplan, nicht aber auf der wirklich objektiven Tatseite.10 Nach der Ansatzformel erfüllt das Anlegen einer Waffe11 oder „eine Bombe aus der Tasche“ zu nehmen12 den Versuchstatbestand des Totschlags, obwohl diese beiden Akte jeweils für sich genommen den Tatbestand nicht verwirklichen können. Vom Versuchsbeginn bis zum beendeten Versuch könnten vielmehr zahlreiche Umstände eintreten, die außerhalb der Vorstellung des Versuchstäters liegen und noch die Versuchsvollendung verhindern. Man kann sich noch andere Konstellationen ausdenken, bei denen die Abweichung in Form des verfrühten Erfolgs erheblich ist, obwohl sich die Handlung noch im Versuchsstadium befindet. Beispielhaft hat Puppe die folgenden zwei Fälle genannt: der Täter bringt dem Opfer ein Schlafmittel bei, um danach das wehrlose Opfer zu töten. Wegen einer Allergie ist es jedoch bereits unmittelbar am Schlafmittel gestorben.13 Oder es wird beim Laden einer Waffe bzw. beim Anlegen der Waffe versehentlich der Abzug betätigt was zum Tod des Opfers führt.14 In beiden Fällen liegt lediglich Fahrlässigkeit vor.15 Wenn in dem vorliegenden Fall BGH NStZ 2002, 309 der Täter nach Eintritt der Widerstandsunfähigkeit seiner Frau diese sofort töten möchte, reicht das schon 9 BGHSt. 26, 201; 28, 162; 37, 294; 40, 257; 44, 34; Rudolphi, SK, § 22 Rn. 13; S / S / Eser, Strafgesetzbuch27, § 22 Rn. 32 ff.; Baumann / Weber / Mitsch, Strafrecht AT11, 26 / 54; Wessels / Beulke, Strafrecht AT35, Rn. 601. 10 Jakobs, Strafrecht AT2, 25 / 60; Roxin, Strafrecht AT II, 29 / 5; Kühl, Strafrecht AT5, 15 / 45. 11 Wessels / Beulke, Strafrecht AT35, Rn. 603. 12 Samson, Strafrecht I7, S. 141 ff. 13 Puppe, Strafrecht AT I, 20 / 10. 14 Puppe, NK2, § 16 Rn. 90. 15 Zutreffend kritisiert Jakobs den Maßstab des Versuchsbeginns, Strafrecht AT2, 8 / 76; auch Schroeder, LK11, § 16 Rn. 34. Vgl. Herzberg, ZStW 85 (1973), 867, 883; Frisch, Tatbestandmäßiges Verhalten, S. 623; Struensee, Armin Kaufmann-GS, S. 523, 533 f.

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2. Teil: Die relevanten dogmatischen Grundlagen der Irrtumslehre

zum Versuchsbeginn. Die Deliktsstufe für sich genommen begründet jedenfalls noch kein vollendetes Vorsatzdelikt.

2. Der Luftinjektionsfall BGH NStZ 2002, 47516 In dieser Entscheidung setzt der BGH den Gedankengang vom Entführungsfall NStZ 2002, 309 fort, indem er am Kriterium des Deliktstadiums weiter festhält. Die Täter planten, das Opfer durch Luftinjektion in eine Armvene zu töten. Sie schlugen das Opfer, knebelten es mittels eines Tuches über dem Mund und hielten es daran von hinten fest, um es am Widerstand zu hindern. Aber diese Handlungen, die den Widerstand überwinden sollten, verursachten bereits den Tod des Opfers. Der vorzeitige Erfolgseintritt wird vom BGH als unerhebliche Abweichung des tatsächlichen Kausalverlaufs vom vorgestellten Kausalverlauf verstanden. Der BGH bestätigt seine vorangegangene Rechtsprechung17 und fasst zusammen, „dass eine Divergenz zwischen dem eingetretenen und dem vom Täter gedachten Geschehensablauf unter Gesichtspunkten des Vorsatzes regelmäßig dann unbeachtlich ist, wenn sie unwesentlich ist, namentlich weil beide Kausalverläufe gleichwertig sind“. Um die Gleichwertigkeit in diesem Fall zu begründen, macht der BGH zunächst Ausführungen über das Kriterium des Deliktstadiums und stellt fest, dass die Handlung die Schwelle zum Versuch überschritten hat, „da die gewaltsame Wehrlosmachung des Opfers und die Beibringung der Injektion in jeder Hinsicht eine Einheit bilden“18. Anschließend stellt der BGH unmittelbar, ohne einen weiteren Grund anzugeben, fest: „Die beiden zu vergleichenden Kausalverläufe sind gleichwertig“. Es ist zuerst leicht einen Widerspruch innerhalb der Rechtsprechung zu erkennen: Eine gewaltsame Wehrlosmachung, die vom Täter nicht als Beginn der Tötung angesehen wird, ist nach der Ansicht des BGH beim Entführungsfall wegen des Tatplans nicht als Versuchsbeginn zu beurteilen. Eine ebensolche Handlung sei 16 Der Rechtsprechung von BGH NStZ 2002, 475 liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Die drei Angeklagten Z, D und W wollten den K töten, indem ihm von Z mit einer Einwegspritze Luft in eine Armvene injiziert werden sollte. Nachdem sie mit dem Opfer K einen Streit begonnen hatten, fingen sie an, ihr Vorhaben auszuführen. W ergriff ein Tuch, führte es K über den Mund und hielt ihn daran von hinten fest. D und Z schlugen das Opfer, jeder schlug mindestens zweimal auf das sich immer noch wehrende Opfer im Kopf- und Halsbereich ein, um dessen Widerstandsfähigkeit zu brechen. Als K am Boden lag und von D und W festgehalten wurde, stach Z ihm mit der Spritze mindestens einmal in die linke Armbeuge und drückte die Luft aus der Spritze. Aber tatsächlich trat der Tod des K nicht wegen der Injektion ein, sondern weil K erstickt war. Der Kehlkopffortsatz des K war durch die Schläge abgebrochen und er hatte Blut eingeatmet, was bereits vor der Injektion zum Tode geführt hatte. 17 BGHSt 7, 325, 329; 23, 133, 135; BGH GA 1955, 123, 125; NJW 1960, 1261; NJW 2002, 1057; RGSt 67, 258; RG DStR 1939, 177, 178. 18 NStZ 2002, 475, 476.

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aber beim Luftinjektionsfall unabhängig vom Tatplan als Versuchsbeginn zu bewerten. Das von BGH NStZ 2002, 309 abweichende Ergebnis dieser Rechtsprechung zeigt deutlich, dass es bei der Zurechnung zum Vorsatz ausschließlich auf das Deliktstadium ankommt, denn der Grund für den Beginn des Versuchs ist derselbe wie für die sog. Gleichwertigkeit. Die unglückliche Formulierung von BGH NStZ 2002, 309 hat die allzu schnelle und deswegen unzureichende Beurteilung von BGH NStZ 2002, 475 zur Folge.

3. Der Eisenbahnsturzfall RG DStrR 1939, 177 In dem Eisenbahnsturzfall wollte der Täter seine Frau zunächst bewusstlos machen, indem er ihr mit einem schweren Schraubenschlüssel auf den Kopf schlug, um dann einen versehentlich Sturz von Waggon vorzutäuschen. Ob das Opfer wegen der Schläge oder wegen des Sturzes auf den Bahnkörper gestorben ist, ist dem Gericht unklar, das RG hielt die Kausalabweichung aber für unerheblich, den ganzen Sachverhalt, d. h. Betäubung und Tötung, für ein einheitliches Unternehmen, und die Schläge für den Anfang der Ausführung des Tatplans.19 Dazu ist die Begründung des RG für die Unerheblichkeit bemerkenswert. Das Argument lautet: Die Abweichung sei unerheblich, „mag man die Erheblichkeit vom Standpunkt des Täters oder des Opfers oder der Allgemeinheit aus betrachten“. Dieses Argument scheint weniger eine rechtliche Begründung, als vielmehr Ausdruck des Rechtsgefühls der Richter zu sein. Dieser Eisenbahnsturzfall ist mit dem Sachverhalt von BGH NStZ, 2002, 309 vergleichbar. Zuerst ist die Vorstellung der beiden Täter ähnlich. Beide möchten ihre Frau zuerst nur bewusstlos machen, um sie danach zu töten. Der BGH hält die Betäubungshandlung für eine Handlung in der Vorbereitungsstufe und kommt daher nur zu einer Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung. In seinem Urteil zu NStZ 2002, 475 hat der BGH zusammenfassend seinen Maßstab erklärt, dass nämlich die Bewertung des vorzeitigen Erfolgseintrittsabhängig davon ist, ob der Täter die Schwelle des Versuchs überschritten hat. Im Vergleich dazu erscheint es bedenklich, wenn das Reichsgericht keinen Zweifel hat, ob sich die Handlung im Versuchsstadium befindet oder nicht. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass das RG die Beschaffenheit der Schläge berücksichtigt und wegen ihrer Qualität als Versuchsbeginn angesehen hat. Aber diese Interpretation kann die Bedenken nicht beseitigen, denn damals war in der Rechtsprechung des RG noch die subjektive Theorie vorherrschend.20 Nach der subjektiven Theorie wird bei der Entwicklungsphase des Delikts nur auf das Vorstellungsbild des Täters abgestellt. Der Wille des Täters entscheidet, ob ein Anfang der Aus19 Puppe führt zu dieser Auffassung aus: „Die Begründung erinnert an die mittelalterliche Lehre vom dolus generalis“, Strafrecht AT I, 20 / 2. 20 Zaczyk, NK2, § 22 Rn. 10; ders., Das Unrecht der versuchten Tat, S. 78.

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2. Teil: Die relevanten dogmatischen Grundlagen der Irrtumslehre

führung bereits gegeben ist, d. h. es wurden damals die objektiven Elemente vernachlässigt.21 Angesichts der subjektiven Theorie brauchte man nicht zu überprüfen, wie gefährlich die Schläge sind. Man kann festlegen, dass die Schläge keineswegs vom Täter als Tötungshandlung geplant sind, sondern als eine Strategie der Täuschung. Von dieser Strategie lässt sich kaum sagen, ob sie der Beginn der Ausführung im Vorstellungsbild des Täters ist. Deswegen ist die Auffassung des RG, dass das Zuschlagen der Anfang der Ausführung der Tat sei, nicht einwandfrei. Betrachtet man diesen Fall im Lichte der gemischt subjektiv-objektiven Methode betrachtet, so muss man fragen, welche Rolle die Schläge nach dem Tatplan des Täters spielen. Die Schläge sind nach der Vorstellung des Täters nur ein Beginn der Strategie der Täuschung, aber kein Beginn der Tötung. Nach seiner Vorstellung existiert in dieser Phase noch keine unmittelbare Lebensgefahr. Jedoch kann man nach dem objektiven Bewertungsmaßstab feststellen, dass ein unmittelbares Ansetzen vorliegt, denn die Schläge auf den Kopf bis zur Bewusstlosigkeit (Tatplan) schaffen eine Lebensgefahr für das Opfer.22 Deswegen sind die Schläge der Beginn des Versuchs im Sinne der gemischt subjektiv-objektiven Methode. Aber diese Erklärung kann nicht die Fragwürdigkeit der Ansicht des BGH beseitigen: Das RG hat zusätzlich die Erheblichkeit der Kausalabweichung überprüft und kommt danach zu einem negativen Ergebnis. Der BGH hat die Notwendigkeit für eine solche Überprüfung jedoch vernachlässigt.

4. BGH GA 1955, 123 In diesem Fall ging es darum, dass das Opfer, das durch Täuschung an einen anderen Ort gelockt werden sollte, schon bei dem daraus entstehenden Handgemenge ums Leben kam. Nach seinem Plan wollte der Täter das Opfer eigentlich an einem Baum aufhängen, um es zu töten. Nach Ansicht des BGH erreicht die Handlung des Täters im vorliegenden Sachverhalt das Versuchsstadium. Der Grund, warum sogar eine vollendete Vorsatztat vorliegen soll, besteht darin, dass der Täter entweder schon die Auseinandersetzung vorhergesehen hat oder sich die Abweichung des tatsächlich eingetretenen Ablaufs noch innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren befindet, wenn der Täter die Auseinandersetzung nicht vorhergesehen hat. Diese Argumentation des BGH ist schon eher nachvollziehbar – trotzdem ist sie noch immer bedenklich. Wenn der Täter die Auseinandersetzung vorhergesehen hat, handelt es sich offensichtlich um eine vollendete Vorsatztat, weil er bereits mit dolus eventualis handelt. Das Problem ist vielmehr, ob die sog. allgemeine LebensVogler, LK10, § 22 Rn. 26. 22 Vgl. Jakobs, Strafrecht AT2, 25 / 59; Zaczyk, NK2, § 22 Rn. 22; Hillenkamp, LK11, § 22 Rn. 87; S / S / Eser, Strafgesetzbuch27, § 22 Rn. 34; Baumann / Weber / Mitsch, Strafrecht AT11, 26 / 46; Kühl, Strafrecht AT5, 15 / 77. 21

§ 3 Doppelindividualisierungsirrtum bei Kausalabweichungen

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erfahrung ergänzen kann, was der Täter nicht gewusst hat. Die Dinge, die nicht vom Täter vorhergesehen werden, tauchen auch nicht in seiner Vorstellung auf. Wie kann die Rechtsprechung da noch vertreten, dass das Handgemenge „nach dem Tatplan“ ein Anfang der Ausführung ist? Die Rechtsprechung gibt hierauf keine Antwort. Die allgemeine Lebenserfahrung bietet ein Indiz, dass der Täter mit bestimmten Umständen rechnen konnte. Wenn man aber schon festgestellt hat, dass der Täter die Gefahr nicht vorhersehen kann, ist das Indiz auch nicht hinreichend. 5. Zwischenergebnis: Der BGH argumentiert zirkelhaft „Kein Tatvorsatz ohne Vorsatztat“ ist der Satz, mit dem Jäger23 bei seiner zustimmenden Anmerkung die Rechtsprechung von BGH NStZ 2002, 475 zusammenfasst. Jäger gibt folgende Begründung: „Keine Vorsatztat ohne in die Tat umgesetzten Tatvorsatz“24. Es zeigt sich aber deutlich, dass die Begründung der Auffassung des BGH sich in einem Dilemma des Zirkelschlusses befindet. Beim vorzeitigen Erfolgseintritt kommt es nach der Rechtsprechung darauf an, ob der Täter die Schwelle zum Versuch überschritten hat. Die Gleichwertigkeit des tatsächlichen und des vorgestellten Kausalverlaufs ist deswegen davon abhängig, ob sich die Tat bereits im Versuchsstadium befindet. Andererseits erfolgt die Beurteilung des Versuchsbeginns aufgrund des subjektiven Elements, d. h. aufgrund des Tatplans des Täters. Problematisch ist bei der Konstellation des vorzeitigen Erfolgseintritts jedoch, dass der Täter seinen Tatplan eben irrtümlich fasst, also die Gefährlichkeit seiner Handlung unterschätzt. Der Täter unterliegt also einem Irrtum über den Versuchsbeginn. Der BGH stützt seinen Lösungsansatz zur Problematik des Irrtums über den Versuchsbeginn auf diesen Irrtum und macht somit die objektive Gleichwertigkeit von diesem zufälligen Element (beim Entführungsfall: sofort danach oder später) abhängig. Unbeachtet bleibt dabei die gefährliche Handlung, die den Erfolg herbeiführt.

II. Meinungsstand in der Literatur 1. Die Wesentlichkeitstheorie bei Kausalabweichung Bei dem Problem der Kausalabweichung werden in der herrschenden Literatur25 kaum Bedenken gegen die Auffassung der Rechtsprechung, der Adäquanztheorie, Jäger, JR 2002, 381, 383. Jäger, JR 2002, 381, 385. 25 S / S / Cramer / Sternberg-Lieben, Strafgesetzbuch27, § 15 Rn. 55; Welzel, Das deutsche Strafrecht11, S. 73; Baumann / Weber / Mitsch, Strafrecht AT11, 20 / 24; Blei, Strafrecht AT18, S. 121; Krümpelmann, Beiheft ZStW 1978, 6; Bockelmann / Volk, Strafrecht AT4, S. 71 f.; 23 24

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2. Teil: Die relevanten dogmatischen Grundlagen der Irrtumslehre

geäußert. Diese Ansicht ist aber nicht nur von der objektiven Zurechnung ausgehend nicht plausibel26, sondern auch im Hinblick auf den Widerspruch innerhalb der psychologischen Position. In der Literatur gilt diese Adäquanztheorie inzwischen als veraltet. Es ist für die h. M. unzweifelhaft, dass ein Fall des vorzeitigen Erfolgseintritts nur dann zu diskutieren ist, wenn sich die Handlung schon im Versuchsstadium befindet.27 Nach dem Simultaneitätsprinzip 28 ist diese Erklärung vernünftig: Der subjektive Tatbestand muss zur Zeit der Tatausführung gegeben sein. Es gibt keinen dolus antecedens und keinen dolus subsequens im Strafrecht.29 Bei vorzeitigem Erfolgseintritt besteht die Problematik vielmehr darin, dass der Versuchsbeginn stets wegen der Vorstellung des Täters nach vorne verlegt wird, und zwar ohne die Qualität der Ersthandlung zu berücksichtigen. Das ist genauso wie bei der Auffassung des BGH, weswegen auch das sich daraus ergebende Problem identisch ist: Wenn man den Versuchsbeginn beurteilen kann, bedeutet das dann, dass die Unterscheidung zwischen Fahrlässigkeit und Vorsatz gleichzeitig gelöst ist? Die Antwort ist bei Kühl deutlich und positiv. Er ist überzeugt, dass eine vorsätzliche Vollendung gegeben ist, wenn der Täter in BGH NStZ, 2002, 309 nach dem Eintritt der Widerstandsunfähigkeit seiner Frau sofort die Tötung durchführen möchte.30 Allein wegen der Deliktsstufe liegt jedenfalls kein vorsätzliches Vollendungsdelikt vor. Deshalb müsste Kühl noch andere Argumente für seine Auffassung benennen. Die herrschende Meinung stimmt mit der Rechtsprechung darin überein, dass ein vorzeitiger Erfolgseintritt als vorsätzliche Vollendung bewertet wird. Aber es bleibt bei den meisten ihrer Anhänger völlig unklar, warum die Abweichung rechtMaurach / Zipf, Strafrecht AT I8, 23 / 28; Joecks, MK, § 16 Rn. 49; Tröndle / Fischer, Strafgesetzbuch53, § 16 Rn. 7a; Otto, Strafrecht AT7, 7 / 84; Kuhlen / Roth, JuS 1995, 711, 715; Krey, Strafrecht AT I2, Rn. 386; Zieschang, Strafrecht AT, S. 46; Heinrich, Strafrecht AT II, Rn. 1091. Beim Kausalverlaufsirrtum vertritt Kindhäuser (Strafrecht AT, 27 / 43) ebenfalls diese Lösung, während er sie beim Problem vom dolus generalis und vorzeitigen Erfolgseintritt nicht mehr annimmt, Strafrecht AT, 27 / 49, 52. 26 Jakobs, Strafrecht AT2, 8 / 65; Rudolphi, SK, § 16 Rn. 31; Schroeder, LK11, § 16 Rn. 29. A.A. Otto, Strafrecht AT7, 7 / 84 ff. 27 Welzel, Das Deutsche Strafrecht11, S. 74; nach der Auffassung von Stratenwerth liegt der Grund darin, dass dem Täter in diesem Stadium nach seinem Plan noch jeder Verwirklichungswille fehlt, Strafrecht AT4, 8 / 94; Puppe, Strafrecht AT I, 20 / 2; Roxin, Strafrecht AT I4, 12 / 184; nur bei Maurach / Zipf, Strafrecht AT I8, 23 / 36 besteht in der ersten Handlung kein Unterschied, ob sie eigentlich den tatbestandsmäßigen Erfolg ermöglichen oder vorbereiten sollte. Unverständlicherweise kommen Maurach / Zipf zum Ergebnis: „Hier ist Tötungsvorsatz regelmäßig schon bei der Vorhandlung gegeben, so daß es sich nur um eine unwesentliche Kausalabweichung handelt“. Nach dieser Begründung würde ein dolus antecedens, der im Strafrecht von der einstimmigen Ansicht nicht anerkannt wird, aber vorliegen. 28 Hruschka, Strafrecht AT2, S. 1 ff. 29 Jakobs, Strafrecht AT2, 8 / 1; Kühl, Strafrecht AT5, 5 / 22 f. 30 Kühl, Strafrecht AT5, 13 / 48a; auch Hoyer, Strafrecht AT I, S. 64 f.

§ 3 Doppelindividualisierungsirrtum bei Kausalabweichungen

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lich irrelevant sein soll. Beispielhaft schreiben Cramer / Sternberg-Lieben, „da die Abweichung in aller Regel unwesentlich sein wird, ist hier eine vollendete Vorsatztat gegeben“31. Eine solche Erklärung ist nicht begründet. Maurach / Zipf begründen wie folgt: „Hier ist Tötungsvorsatz regelmäßig schon bei der Vorhandlung gegeben, so daß es sich nur um eine unwesentliche Kausalabweichung handelt“32. Diese Begründung ist nicht plausibel, da der Täter bei jeder Kausalabweichung Tatentschluss hat, und der Schwerpunkt in diesen Fällen richtigerweise darin zu sehen ist, dass sich die Tat bei ihrer Ausführung in eine unvorhergesehene Richtung entwickelt (etwa die vorzeitige Erfolgsherbeiführung). Wenn die Ansicht von Maurach / Zipf richtig wäre, dann wären alle Kausalabeichungen ausnahmslos rechtlich irrelevant. Eine traditionelle Lösung vertritt Welzel, der den vorzeitigen Erfolgseintritt als abweichenden Kausalverlauf behandelt. Der Maßstab bestehe darin, ob die Abweichung noch im Rahmen der adäquaten Kausalität bzw. der täglichen Erfahrung liegt.33 Mit der Lehre von der objektiven Zurechnung verliert diese Lösung ihre Bedeutung. Ob die Tatbestandsverwirklichung außerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung liegt, wird nämlich schon bei der objektiven Zurechnung geprüft.

2. Die neue Lehre im Anschluss an die objektive Zurechnungslehre Von Jakobs wird eine neue Lösung vorgeschlagen, nach der die Wesentlichkeit der Abweichung davon abhängt, „ob der konkrete Verlauf noch eine Realisierung des vom Täter vorsätzlich gesetzten Risikos ist“34. Nach dieser Lösung ist das Kausalabweichungsproblem hauptsächlich bei der objektiven Zurechnung zu lösen. Der Erfolg, der durch ein unerlaubtes Risiko nicht erklärt35 oder durch die atypischen Kausalverläufe herbeigeführt wird36, oder aus den Grenzen der allgemeinen Lebenswahrscheinlichkeit herausfällt37, ist keine Verwirklichung der vom Täter geschaffenen Gefahr, deswegen wird der objektive Tatbestand nicht erfüllt. Diesem Überprüfungsschema folgend, ist der Irrtum über den Kausalverlauf vor dem subjektiven Tatbestand zu behandeln.38 S / S / Cramer / Sternberg-Lieben, Strafgesetzbuch27, § 15 Rn. 58. Maurach / Zipf, Strafrecht AT I8, 23 / 36. 33 Welzel, Das deutsche Strafrecht11, S. 74. 34 Jakobs, Strafrecht AT2, 8 / 64; ders., Studien zum fahrlässigen Erfolgsdelikt, S. 89 ff.; zustimmend Jerouschek / Kölbel, JuS 2001, 417, 424; ähnlich Stratenwerth, Strafrecht AT4, 8 / 86 ff. 35 Jakobs, Strafrecht AT2, 7 / 78 ff. 36 Kühl, Strafrecht AT5, 13 / 42. A.A. Jakobs, Strafrecht AT2, 7 / 85. 37 Hoyer, Strafrecht AT I, S. 60. 38 Nach der Ansicht von Haft hat der Irrtum des Kausalverlaufs keine Bedeutung mehr; denn „es ist nicht möglich, daß ein Kausalverlauf zwar objektiv zurechenbar ist, subjektiv aber als so wesentlich vom vorgestellten Kausalverlauf abweichend angesehen werden muß, 31 32

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2. Teil: Die relevanten dogmatischen Grundlagen der Irrtumslehre

Zudem muss die Frage beantwortet werden, wann eine objektiv zurechenbare Kausalabweichung als vorsätzlich bewertet werden kann, da eine objektiv zurechenbare Handlung nur eine Bewertung als fahrlässige Tat nach sich ziehen könnte.39 Dazu schreiben Wessels / Beulke, dass man nach der Bejahung der objektiven Zurechenbarkeit noch fragen muss, ob der Täter mit den objektiv voraussehbaren Verlaufsabweichungen gerechnet hatte.40 Diese Antwort ist paradox. Wenn eine Kausalabweichung vorliegt, bedeutet das, dass der Kausalverlauf von der Vorstellung des Täters abweicht und er deswegen die Abweichung nicht vorausgesehen hatte.41 Hingegen räumen Jescheck / Weigend42 einen positiven Zusammenhang ein, weil „es in diesem Fall immer noch die in der Handlung angelegte Gefahr ist, die sich in typischer Weise in einer Verletzung des geschützten Handlungsobjekts niederschlägt“. Bei der objektiv zurechenbaren Konstellation liege deswegen dann „in der Regel“ nur eine unwesentliche Kausalabweichung vor, es sei denn, dass eine andere rechtlich-sittliche Bewertung der Tat erforderlich werde.43 Diese Ansicht unterscheidet sich in der Tat kaum von der h. M. Die gemeinsame Frage bleibt aber noch unklar, unter welchen Voraussetzungen man eine andere rechtlich-sittliche Bewertung fordern kann. Nach Ansicht von Rudolphi kann eine objektiv zurechenbare Kausalabweichung den Täter nicht entlasten, weil „sowohl die von dem Täter gewollte Erfolgsverursachung als auch die von ihm nicht erkannte tatsächliche Erfolgsverursachung einander tatbestandlich völlig gleichwertig sind“44, sein Irrtum also unbeachtlich ist. Dieses Ergebnis kommt zu schnell, da sich sein Argument nicht verallgemeinern lässt. Wenn die tatbestandliche Gleichwertigkeit ein hinreichender Grund für den Vorsatz wäre, dann widerspräche Rudolphi sich selbst, da die aberratio ictus bei ihm nicht als Vorsatz beurteilt wird.45

daß der Vorsatz des Täters ihn nicht mehr erfaßt“, Straftrecht AT8, S. 253; ebenso ders., Straftrecht AT9, S. 255. A.A. Bringewat, Grundbegriffe, Rn. 665. 39 Jakobs, Strafrecht AT2, 9 / 7; Kühl, Strafrecht AT5, 17 / 45. 40 Wessels / Beulke, Strafrecht AT35, Rn. 259. 41 Innerhalb dieser Lehre ist deswegen die Beurteilung heftig umstritten, z. B. beim Brückenpfeilerfall, bei dem das Opfer nicht wie geplant wegen Ertrinkens, sondern wegen des Zusammenpralls mit dem Pfeiler gestorben ist. Die vorsätzliche Vollendung bejahend: Wolter, Objektive und personale Zurechnung zum Unrecht, S. 122; verneinend: Jakobs, Strafrecht AT2, 8 / 64. 42 Jescheck / Weigend, Strafrecht AT5, S. 312; ähnlich Kühl, Strafrecht AT5, 13 / 43. 43 Ähnlich schreibt Hoyer, dass für die subjektive Zurechnung bei Kausalabweichungen entscheidend nur sein kann, „ob es eine andere rechtliche Bewertung der Tat erforderlich macht“, Strafrecht AT I, S. 60 f. 44 Rudolphi, SK, § 16 Rn. 31. Ähnlich Schroeder, LK11, § 16 Rn. 29 ff.; Burgstaller, Jescheck-FS, S. 357, 374. 45 Rudolphi, SK, § 16 Rn. 33.

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Bei vorzeitigem Erfolgseintritt begründet Rudolphi das Vorliegen eines vorsätzlichen vollendeten Delikts damit, dass „[ . . . ] auch bereits der unbeendete Versuch von dem Tatbestandsverwirklichungswillen des Täters getragen ist“46. Hier wird offensichtlich die Abweichung des Kausalverlaufs vernachlässigt, da diese Abweichung von Anfang an nicht vom sog. Tatbestandsverwirklichungswillen erfasst ist. Was vom Willen des Täters umfasst ist, ist nicht der verfrühte Erfolgseintritt, sondern der Enderfolg. Dazu hat Stratenwerth als weiteren Grund angeführt, „dass sich die Entscheidung gegen die rechtliche Verhaltensnorm schon im Beginn der Ausführung eindeutig manifestiert, sonst gäbe es keinen Versuch“47. Das ist lediglich eine Beschreibung, die sich auf die Abgrenzung von Vorbereitungs- und Versuchsstadium bezieht. Wie oben schon gezeigt (§ 3 I. 1.), kann man daraus nicht ableiten, warum die sich im Versuchsstadium befindliche Tat dem Täter als vollendete Vorsatztat zugerechnet werden sollte. Eine nahestehende Auffassung wird von Frisch vertreten, der davon ausgeht, dass der Maßstab „Wesentlichkeit“ zu vage ist, und der Maßstab der Voraussehbarkeit des tatsächlichen Geschehensablaufs nach der Lehre der objektiven Zurechnung überflüssig geworden ist.48 Nach Ansicht von Frisch ist der Vorsatz die Entscheidung gegen das Rechtsgut – und bei der Zurechnung zum Vorsatz kommt es darauf an, ob das äußere Geschehen noch vom Inhalt der Entscheidung gedeckt ist.49 Frisch unterstreicht, dass dieser Inhalt als ein normativer beschrieben wird, der nicht nur das dem Täter vorschwebende naturalistische Bild umfasst, sondern auch den vom Täter nicht vorgestellten und unbeherrschten Kausalverlauf, wenn dieser von dem normativen Substrat der Handlung abgedeckt ist. Will beispielsweise der Täter jemanden töten und glaubt, dass ihm dies gelingen kann, indem er auf das Herz des Opfers schießt. Jedoch stirbt das Opfer nicht wegen der Verletzung des Herzens, sondern bei der lebensgefährlichen Notoperation.50 Mit seinem Konzept unterstützt Frisch die Vollendungslösung beim Brückenpfeilerfall. Dennoch bleibt die genaue Bestimmung des normativen Inhalts der Entscheidung unklar. Für die Fälle des sog. dolus generalis nimmt Frisch an, dass man dann nicht mehr von einer Entscheidung spricht, wenn der Täter die Möglichkeit der Tötung durch das Verbergen des Opfers nicht kennt.51 Beim vorzeitigen Erfolgseintritt wird der Geschehensverlauf nach Ansicht von Frisch auch nicht vom normativen Inhalt der Entscheidung abgedeckt, „solange der Täter seiner Handlung Rudolphi, SK, § 16 Rn. 34; ähnliche Formulierung siehe Kühl, Strafrecht AT5, 13 / 48a. 47 Stratenwerth, Strafrecht AT4, 8 / 94. 48 Frisch, Tatbestandmäßiges Verhalten, S. 572 f., 576. A.A. Burkhardt, Nischihara-FS, S. 15, 31 Fn. 54. 49 Frisch, Tatbestandmäßiges Verhalten, S. 585 ff. 50 Frisch, Tatbestandmäßiges Verhalten, S. 588. 51 Frisch, Tatbestandmäßiges Verhalten, S. 622. 46

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noch kein Todesrisiko zuschreibt“52. Betrachtet man diese beiden Fallgruppen, so scheint es, dass der naturalistische Vorstellungsinhalt den sog. normativen Inhalt der Entscheidung eingeschränkt hat und die Zurechnung zum Vorsatz in der Tat noch dominiert. An der Auffassung, der Vorsatzinhalt sei normativ zu bestimmen, wird nur zum Teil festgehalten.

3. Die Auffassung von der Vorsatzgefahr – Puppe Ob der Täter beim vorzeitigen Erfolgseintrittwegen vollendeter Vorsatztat bestraft wird, hängt nach der Auffassung Puppes davon ab, ob der Täter schon im Erstakt die Vorsatzgefahr verursacht53, „denn solange eine Vorsatzgefahr noch nicht vorhanden ist, kann sie sich auch noch nicht im Kausalverlauf realisieren“ 54. Hier ist mit Vorsatzgefahr gemeint, dass sich eine Gefahr als tauglich für die Herbeiführung des Erfolges darstellt.55 Daraus folgt, dass Schläge und Schlafmittel jeweils eine verschiedene rechtliche Behandlung erfordern. Die Schläge sind eine taugliche Gefahr, um den Tod des Opfers herbeizuführen; deswegen ist die Handlung im Eisenbahnsturzfall als vollendete Vorsatztat zu beurteilen, beim Schlafmittelfall dagegen (zu geringe, nicht tödliche Dosis, aber Schocktod) nicht.56 Ob eine Gefahr für die Erfolgsverursachung tauglich ist, hängt von der objektiven Betrachtung ab. Nach der Auffassung von Puppe liegt Vorsatz vor, wenn der Täter die Vorsatzgefahr kennt. Aber in den Fällen des vorzeitigen Erfolgseintritts bleibt eben die Verfrühung außerhalb der Vorstellung des Täters. Der Zusammenhang zwischen dieser objektiven Betrachtung und der subjektiven Seite des Täters besteht darin, dass eine Vorsatzgefahr für den Täter relativ leicht zu erkennen ist. Es ist fragwürdig, die Erkennbarkeit als Grund der Vorsatzzurechnung zu verstehen, da die Erkennbarkeit auch Fahrlässigkeit begründen könnte. Kühl kritisiert deswegen an der Lehre von Puppe: „Dann ist sie (damit ist die Anwendung einer tauglichen Strategie zur Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolgs gemeint) eine Tötungshandlung, Körperverletzungshandlung, Brandstiftungshandlung usw. i. S. eines vorsätzlichen Erfolgsdelikts“57. Bei der Theorie von Puppe fehlt es noch an einer Begründung, die die Erkennbarkeit mit der Erkenntnis oder der Zurechnung des Erfolgs zum Vorsatz zu verbinden vermag. In der Fallgruppe des dolus generalis konzentriert sich Puppe im Hinblick auf die Unkenntnis der zweiten Handlung auch nur auf die erste Handlung.58 Bei52 53 54 55 56 57 58

Frisch, Tatbestandmäßiges Verhalten, S. 623. Puppe, NK2, § 16 Rn. 86 ff. Puppe, NK2, § 16, Rn. 88; bereits dies., Vorsatz und Zurechnung, S. 56 ff. Puppe, NK2, § 15 Rn. 69; dies., Vorsatz und Zurechnung, S. 29. Puppe, Strafrecht AT I, 20 / 8 ff.; dies., Vorsatz und Zurechnung, S. 58. Kühl, Strafrecht AT5, 13 / 45; ähnlich Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 61 f. Puppe, NK2, § 16 Rn. 81.

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spielhaft stopft beim Jauchegrubefall59 die Täterin dem Opfer mit bedingtem Tötungsvorsatz zwei Hände voll Sand in den Mund. Sie glaubt, dass das Opfer schon dadurch verstorben sei. Um die vermeintliche Leiche zu beseitigen, wirft die Täterin das Opfer in eine Jauchegrube, wo es aber erst durch Ertrinken umkommt. Nach Ansicht Puppes ist die erste Handlung kausal für den Tod des Opfers, da das Opfer dem Werfen in eine Jauchegrube ansonsten Widerstand leisten würde. Die erste Handlung und die falsche Annahme, das Opfer sei tot, sind mitursächlich für den späteren Erfolgseintritt. Nach Meinung Puppes hat der Täter dadurch wissentlich eine Vorsatzgefahr herbeigeführt, deswegen liegt eine vorsätzliche Vollendung vor. Bei dieser Auffassung werden zwei Elemente kombiniert: Ob die erste Handlung kausal für den späteren Erfolgseintritt ist, und ob sie eine Vorsatzgefahr verursacht. Im Schlafmittelfall (Tiefschlaf)60 räumt Puppe beispielsweise ein, dass der Täter mit der zu geringen Dosis nur den Schlaf des Opfers verursacht, stellt jedoch fest: „Im Hinblick auf die Gefahr, daß der Täter mit der vermeintlichen Leiche eine solche unvorsätzliche Tötungshandlung vornimmt, um sie zu verbergen, stellt die vorsätzliche Handlung, derentwegen das Opfer willenlos und scheinbar tot war, eine taugliche Tötungsstrategie und auch einen beendeten Versuch dar“. Bei diesem Schlafmittelfall ist die Situation jedoch in der Tat anders als von Puppe beschrieben: Die vom Täter wissentlich herbeigeführte Gefahr ist niedrig. Erst die von ihm unwissentlich verursachte Gefahr ist tödlich. Deswegen müsste das Ergebnis nach der Theorie Puppes eigentlich umgekehrt sein.

4. Die bekannte Gefahr – Herzberg In jüngerer Zeit entwickelten Herzberg61 und sein Schüler Schlehofer62 eine Theorie, die von einem engen Verständnis vom „Kennen“ im Sinne vom § 16 StGB ausgeht. Im Hinblick auf den alltäglichen Sprachgebrauch des Begriffs „Wissen“ differenziert diese Lehre nach dem Gegenstand des Wissens und der Vorstellung im Sinne vom § 22 StGB63: „ ,Wissen‘ kann man nur etwas Reales, ,sich vorstellen‘ dagegen auch Irreales“. Die Bedeutung dieser Unterscheidung besteht darin, dass Herzberg und Schlehofer für das Vorliegen des Vorsatzes bei vollendetem Delikt die Kenntnis der unerlaubten unmittelbaren Gefahr der tatsächlichen Tatbestandsverwirklichung fordern. Dagegen wird für den Vorsatz beim Versuch BGHSt. 14, 193. Ein Täter möchte seinen Feind durch eine Überdosis Schlafmittel töten. Aber die verabreichte Dosis ist viel zu gering und führt deswegen nur zu einem Tiefschlaf. Um den Beweis zu beseitigen, wirft der Täter sein vermeintlich totes Opfer in ein Gewässer, wo es wegen seiner Bewusstlosigkeit ertrinkt, siehe Puppe, Strafrecht AT I, 20 / 16. 61 Herzberg, NStZ 1999, 217, 219. 62 Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, S. 19. 63 Kritisch Hillenkamp, Roxin-FS, S. 689, 706. 59 60

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nur die Vorstellung der unerlaubten unmittelbaren Gefahr verlangt.64 Dementsprechend ist bei einer Kausalabweichung der Vorsatz dann ausgeschlossen, wenn „der Täter bei Begehung der Tat die tatbestandmäßige Gefahr der Abweichung nicht gekannt hat“65. Ein von Herzberg66 genanntes Beispiel verdeutlicht die Konsequenzen, die sich aus diesem Kriterium ergeben: Ein Ehemann vergiftet einen Cognac und stellt ihn ins Wohnzimmer, um seinen alkoholkranken Sohn S zu töten. Den Schnaps trinkt jedoch die Frau des Täters und stirbt. Herzberg ist der Meinung, dass man von einem ,Kennen‘ nicht sprechen kann, wenn der Sohn gar nicht plant heimzukehren. Der Täter denkt „beim Handeln allein an den Tod seines Sohnes [ . . . ], der objektiv gar nicht droht, und ihm die Gefahr für seine Frau, die sich später in ihrem Tod verwirklicht, gar nicht in den Sinn kommt, ist, was er im Kopf hat, reine Vorstellung und keine Kenntnis von Umständen“. Deswegen liegen nach Auffassung von Herzberg in diesem Fall nur fahrlässige Tötung und vorsätzlicher Versuch vor. Nach Ansicht Schlehofers67 ist die Rechtsprechung von BGH GA 1955, 123 ist irrig. Denn Schlehofer beschränkt die tatbestandmäßige Gefahr nur auf das Würgen und nimmt deswegen an, dass der Täter die Gefahr des Erstickungstodes nicht gekannt hat. Im Jauchegrubefall wird die Situation ähnlich erklärt. Der Täter kennt die unerlaubte unmittelbare Gefahr der tatsächlichen Tatbestandsverwirklichung nicht, weil er bei seinem Wurf das Opfer bereits für tot hält. Er handelt deswegen nach Ansicht von Schlehofer ohne Vorsatz. Diese Lehre verlangt beim vorsätzlichen vollendeten Delikt die Kenntnis der Tatumstände, beim Versuch aber nur eine Vorstellung des Tatplans. Diese Lösung trifft jedoch auf das folgende Problem: Auch wenn der Täter bei der Ausführung seiner Tat deren Tatumstände kennt (i. S. v. Wissen über etwas Reales), so bleibt seine Einschätzung, ob das Zielobjekt durch seine Handlung verletzt werden wird, doch eine Prognose (also eine Vorstellung bezüglich etwas Irrealem). Von Bedeutung ist bei dieser Lösung einzige die Behauptung, dass es ohne Kenntnis keine Vollendung gebe, denn eine solche Lösung stimmt mit § 16 StGB völlig überein. Auf der anderen Seite kann man ihr nicht mehr als den Wortlaut des § 16 StGB entnehmen. Wenn diese Lösung richtig wäre, dann wäre der Vorsatz bei allen Kausalabweichungen ausgeschlossen. Dieses Ergebnis ist nicht akzeptabel, da der subjektive Tatbestand nicht verlangt, dass der Täter die Umstände bis ins kleinste Detail wissen muss.68 Es bleibt unklar, welche Umstände der Täter zur Vorsatzzurechnung kennen muss. Für diese Lösung wird deswegen ein weiteres Kriterium benötigt. 64 65 66 67 68

Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, S. 169. Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, S. 174. Herzberg, NStZ 1999, 217, 218 f. Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, S. 177. Jakobs, Strafrecht AT2, 8 / 66.

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5. Die Planverwirklichung – Roxin Um eine Lösung für die Problematik des dolus generalis zu finden, entwickelte Roxin die Theorie der Planverwirklichung, die besagt, dass ein Erfolg dann vorsätzlich herbeigeführt ist, „wenn sich in ihm der Plan des Täters verwirklicht“69. Und Roxin akzentuiert, dass die Beurteilung gemäß einer objektiven Bewertung erfolgen muss.70 Anders als bei der Finalitätsstruktur betont Roxin, dass die Planverwirklichung ein normativer Begriff ist. Deswegen müsse man durch rechtliche Wertungsmaßstäbe beurteilen, was von dem Täter gewollt und ob das Ergebnis dem Erstrebten gleichwertig ist.71 Das ist von Roxin mit „objektiver Bewertung“ gemeint. Für das Problem des dolus generalis hat Roxin die Konstellationen bei verschiedenen Vorsatzformen differenziert. Beispielsweise hat der Täter ein Opfer bereits für tot gehalten, das tatsächlich aber erst als Folge des Verbergens erstickt ist. So werde nur dem Absichts-Täter zum Vorsatz zugerechnet. Denn dann wird man „das Geschehen bei objektiver Bewertung trotz Kausalabweichung als Verwirklichung des Täterplanes ansehen müssen“72. Mit anderen Worten wird der Erfolg der Zweithandlung bei Absicht von Roxin als planmäßig bezeichnet. Die Besonderheit der Absicht besteht darin, „dass eine vollendete Tat immer dann zu bejahen ist, wenn der Täter mit einer unrevidierten Tötungsabsicht gehandelt hat“73. Hingegen habe der Täter bei dolus eventualis keinen Tötungsplan, sondern den möglichen Tod nur in Kauf genommen. Im Fall des dolus directus sei der unvermeidbare Nebenerfolg dem Täter „unerwünscht“. Der Erfolg der Zweithandlung gehöre nicht zum Rahmen des Tatplans, weil der Täter sie nicht ausführen würde, wenn er wüsste, dass das Opfer nicht tot ist. Damit ist klar, dass das Vorhaben des Täters den Grund für diese „objektive“ Bewertung dominiert. Am Ende schreibt Roxin nur: „A wollte B töten, und das ist ihm auch gelungen“74. Die sog. Planverwirklichung ist nichts anderes als die Erfüllung eines Wunsches oder eines Motivs, aber weder Wunsch noch Motiv besitzen im subjektiven und objektiven Tatbestand eine Bedeutung.75 Der Maßstab der Planverwirklichung ist stark begrenzt und bietet keine plausible Lösung für die Konstellation der Absicht. Der Tatplan ist in zwei Akte geteilt und definiert ausschließlich den ersten als Tötung. Der zweite Akt, der im Plan Roxin, Wüttberger-FS, S. 109, 120. Zuletzt Roxin, GA 2003, 257, 261. 71 Roxin, Wüttberger-FS, S. 109, 125 ff. 72 Roxin, Strafrecht AT I4, 12 / 177. Zustimmend Gropp, Strafrecht AT3, 5 / 73a; Schroth, Vorsatz und Irrtum, S. 100. 73 Roxin, Wüttberger-FS, S. 109, 124. 74 Roxin, Strafrecht AT I4, 12 / 177. Deswegen verlangt Hettinger von der Lehre Roxins noch eine genauere Begründung ihres Ergebnisses, GA 2006, 289, 294. 75 Puppe, Vorsatz und Zurechnung, S. 2; Köhler, Strafrecht AT, S. 149, 163. 69 70

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nicht als Tötung angesehen wird, schafft ein anderes Risiko, das sich realisiert.76 Die Planverwirklichung stellt keinen Maßstab dar, weil sie nichts anderes ist als die Beschreibung des Endergebnisses. Von diesem Standpunkt gibt es kein Abweichungsproblem mehr, wenn der erwünschte Erfolg eintritt. Das Endergebnis als Argument ist jedoch kaum von dem dolus antecedens zu unterscheiden. Für das Zurechnungsproblem beim vorzeitigen Erfolgseintritt stellt Roxin zuerst die Frage, ob schon eine vom Tatentschluss getragene Vorbereitungshandlung eine vollendete Vorsatztat begründen kann. Darauf antwortet er, dass „der Erfolg auf einer vorsätzlichen Tatbestandshandlung beruhen muss und dass diese Handlung vom unmittelbaren Ansetzen bis zum letzten Teilakt vor der Vollendung, also z. B. vom Anlegen bis zum Abdrücken des Gewehrs reicht, mit dem das Opfer erschossen wird“77. Die Antwort besagt nichts anderes als das bereits bekannte Koinzidenzprinzip. Anschließend wiederholt Roxin den Maßstab der Rechtsprechung, nämlich dass eine vorsätzliche Vollendung dann vorliegt, wenn der verwirklichte und der intendierte Kausalverlauf unter normativen Gesichtspunkten gleichwertig sind. Er versucht mit seiner Theorie der Planverwirklichung, den Begriff der Gleichwertigkeit zu konkretisieren. Zur Erklärung führt Roxin ein Beispiel an: Der Schuss löst sich nach dem Anlegen, aber vor dem Abdrücken durch eine unvorsichtige Bewegung von selbst. Nach Auffassung Roxins78 sei es bei objektiver Beurteilung und normalerweise auch aus der Sicht des Schützen für die Verwirklichung des Täterplans gleichgültig, ob sich der beabsichtigte tödliche Schuss beim Abdrücken oder beim Anlegen löst. Die Beurteilung beim Luftinjektionsfall BGH NStZ 2002, 475 sei gleich, beim Entführungsfall BGH NStZ 2002, 309 jedoch anders, weil der Erfolg nicht durch eine Tatbestandshandlung ausgelöst worden sei. Vorsatz liege deswegen nur beim Luftinjektionsfall vor. Es bleibt jedoch noch unklar, was hier die objektive Beurteilung bedeutet und was ihre Beziehung zur Sicht des Täters ist.79 Bei einer Kausalverlaufsabweichung handelt es sich um die Diskrepanz zwischen Wirklichkeit und Vorstellung des Täters. Wenn es bei dem Maßstab der Planverwirklichung auf den Tatplan als notwendige Grundlage ankommt, ist die sog. objektive Beurteilung selbstverständlich davon abhängig. Deswegen erfolgt sie, wie Roxin eingeräumt hat, normalerweise auch aus Sicht des Täters. Da beim vorzeitigen Erfolgseintritt das Ende so ist, wie vom Täter wünscht, kommt Roxin umgehend zum Ergebnis, dass der Fall als VerSchon Sancinetti, Roxin-FS, S. 349, 361. Roxin, GA 2003, 257, 259 f. 78 Roxin, GA 2003, 257, 261. 79 Z. B. hält Frisch die Auffassung von Roxin für „nicht hinreichend vertieft“, Tatbestandmäßiges Verhalten, S. 590 f. Wolter führt zutreffend aus: „Man kann m. E. nicht einen unbeendeten (tauglichen) Versuch mit einem unverständingen Gesamtplan zu einer objektiv zurechenbaren vollendeten Tat allein deshalb zusammenführen, weil sich der tötungsgewillte Täter unvorsichtig beim ersten Teilakt der Betäubung verhält und dann noch sein so oder so untauglichen Vorhaben zu Ende bringt“, GA 2006, 406, 410. 76 77

§ 3 Doppelindividualisierungsirrtum bei Kausalabweichungen

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wirklichung des Tatplans angesehen werden sollte. Es erweist sich, dass Roxin bei seiner normativen Konzeption schwankt. Die Planverwirklichung als sog. materiell normativer Begriff könnte als wichtige Korrektur des Finalismus angesehen werden. Der Tatplan des Täters und die Kausalabweichung werden nicht mehr als ontologischer Aspekt betrachtet. Aber für die Theorie der Planverwirklichung gibt es die Schwierigkeit, ein konsequentes Kriterium aufzustellen. Bei Konstellationen wie z. B. dem Brückenpfeilerfall und dem Klinikbrandfall kommt es darauf an, ob der Eintritt des tatsächlichen und des vorgestellten Kausalverlaufs gleich möglich sind.80 Bei dolus generalis wird dem Täter die Tat als Vorsatz zugerechnet, weil er sich auf den Erfolg gerichtet hat.

III. Zwischenergebnis 1. Kritische Bemerkung: Kausalverlauf und subjektive Zurechnung Die gemischt subjektiv-objektive Theorie der h. M. gründet den Versuchsbeginn auf die innere Seite, nämlich auf die Vorstellung des Versuchstäters. In den Fällen des vorzeitigen Erfolgseintritts wird von der h. M. eine vorsätzliche Vollendung angenommen, wenn der Täter nach seinem Tatplan diese schon mit dem ersten Teilakt begonnen hat. Der Zeitpunkt des Versuchsbeginns wird zwar richtigerweise als für die Bestimmung des Tatbestandsvorsatzes bedeutend angesehen, aber der Eintritt in dieses Deliktsstadium bedeutet nicht schlechthin, dass auch eine vorsätzliche Vollendung gegeben ist. Für die Frage, ob in dieser Konstellation trotz der Abweichung des Kausalverlaufs von der Vorstellung des Täters noch Vorsatz vorliegt, kommt es nicht auf deren Erheblichkeit an oder darauf, ob sie noch innerhalb der Grenze der Adäquanz liegt, sondern einzig darauf, ob die Unkenntnis des Täters über den tatsächlichen Kausalverlauf die Zurechnung des Erfolgs zum Vorsatz hindert. Abschließend lässt sich sagen: Der diese Abweichung nicht umfassende Tatbestandsverwirklichungswille im psychologischen Sinn ist jedoch – für sich genommen – kein ausreichender Grund für eine Vorsatzhaftung. Das sog. Wesentlichkeitskriterium bereitet große Schwierigkeiten, da es in Literatur und Rechtsprechung schlechthin als Faustregel benutzt wird. Die Grauzone bei diesem Kriterium ist groß und es entsteht die Gefahr der Willkürlichkeit bei der Beurteilung. Der Maßstab ist schließlich eine beinahe leere Formel. Die umstrittenen Fälle sind unlösbar und müssen offen bleiben. Aber die Fälle, die durch das Wesentlichkeitskriterium gelöst werden, sind von Anfang an nicht problematisch. Dies bedeutet jedoch nicht, dass das Kriterium schlechthin sinnlos ist. Vielmehr müssen wir seine Grundlage neu untersuchen. 80

Roxin, Strafrecht AT I4, 12 / 155.

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2. Teil: Die relevanten dogmatischen Grundlagen der Irrtumslehre

Ohne eine normative Perspektive wären die strafrechtlichen Figuren wie das Unterlassungsdelikt oder die actio libera in causa unvorstellbar. Die Veränderung der physischen Umwelt kann einer Person nur dann zugerechnet werden, wenn sie unter normativer Beobachtung dafür zuständig und verantwortlich ist. Das Problem der Kausalabweichung ist, ob dem Täter seine Handlung in Unkenntnis als vorsätzliche Vollendung zugerechnet werden kann. Dazu ist der psychologische, genauer gesagt intellektualistische Ansatz nutzlos. Denn dieser Ansatz setzt die Kenntnis als Entscheidungsgrundlage voraus, aber der Täter kennt vorher die Kausalabweichung nicht, ansonsten liegt Alternativvorsatz oder dolus eventualis vor. Dazu lässt sich aus § 16 StGB nichts gewinnen. Analysieren wir zuerst den Brückenpfeilerfall, bei dem das Opfer nicht wie geplant durch Ertrinken, sondern beim Zusammenstoß mit dem Pfeiler gestorben ist. Nach der überwiegenden Lehre lautet die entscheidende Frage, ob die Abweichung noch innerhalb des Bereichs der Adäquanz liegt und deswegen unwesentlich ist. Wie gesagt ist dieses Kriterium innerhalb der intellektualistischen Position der h. M. nicht unumstritten, da Kenntnis und Vorhersehbarkeit nicht identisch sind. Außerdem hat das Adäquanzkriterium noch einen Fehler in seiner Grundlage, wie Jakobs81 zu Recht kritisiert: Die strafrechtliche Zurechnung ist nicht diejenige, die statistikgemäß ist, sondern diejenige, die unter den Bedingungen des Einzelfalls normativ relevant ist. Für den Brückenpfeilerfall wird von Jakobs82 ein möglicher Ausweg aus der Sackgasse vorgeschlagen, indem er überlegt, was der Grund der Unkenntnis ist. Der Täter kann dann wegen dolus indirectus für vorsätzliche Vollendung bestraft werden, wenn er aus Gleichgültigkeit nicht bemerkt, dass das Opfer auf den Pfeilervorbau stoßen könnte. Denken wir uns einen ähnlichen Fall: Der Täter hat sein Opfer von einer am Meer liegenden hohen Felsspitze nach unten gestoßen. Es macht bei der Beurteilung des Vorsatzes im Strafrecht keinen Unterschied, welche der Ursachen tödlich ist, der Aufprall auf den Felsen, das Verbluten, das Ertrinken im Meer wegen Bewusstlosigkeit, oder die schwerwiegende Kopfwunde; es hat auch keine Bedeutung, welche Todesursache vom Täter gewünscht ist. Für die Zurechnung der Todesfolge zum Vorsatz des Täters ist es gleichgültig, welche der Ursachen die Todesursache ist.

2. Eine Lösung für den Doppelindividualisierungsirrtum? Bei der Konstellation des Doppelindividualisierungsirrtums besteht im Prinzip keine spezielle Schwierigkeit bei der Bestimmung des Zeitpunkts des Versuchsbeginns. Das Problem besteht vielmehr darin, dass die vorhandenen Theorien über die Kausalabweichung jeweils nur partiell ergiebig und schlüssig sind. 81 82

Jakobs, Strafrecht AT2, 7 / 34. Jakobs, ZStW 114 (2002), 584, 597.

§ 3 Doppelindividualisierungsirrtum bei Kausalabweichungen

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Beim Finalismus ist der Begriff der Wesentlichkeit zweideutig. Es lässt sich nicht schlechthin anhand dieses Begriffes beurteilen, ob der Irrtum der Doppelindividualisierung relevant ist oder nicht. Betrachtet man beispielsweise Platztauschfall: Der Täter vergiftet das Essen an dem Platz am Tisch, an dem alltäglich der Vorgesetzte isst. Die Zielperson, die als Gast in der Vergangenheit stets diesen bestimmten Platz einnahm, tauscht aber am Tag der Tat plötzlich mit einem anderen den Stuhl. Ist diese Veränderung der Lage „wesentlich“, oder liegt die Situation noch innerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung? Man könnte darüber dauerhaft und erfolglos streiten. Ein grundlegendes Problem ist, wieso es bei der subjektiven Zurechnung auf die allgemeine Lebenserfahrung, die eigentlich „objektiv“ sein soll, ankommt. Das Problem bleibt weiterhin offen. Aber man kann feststellen, dass sogar beim Finalismus der Maßstab der subjektiven Zurechnung kein psychologischer ist. Die Autoren, die die Lehre der objektiven Zurechnung vertreten, bieten vielfältige Lösungsansätze, die für die Lösung der Problematik des Irrtums über die Doppelindividualisierung nur begrenzt helfen können. Für Puppe liegt die Bedeutung dieser Konstellation darin, dass ihrer Ansicht nach hierbei die Abgrenzung zwischen aberratio ictus und error in persona unhaltbar ist.83 Aber auch ihre Lösung durch die Theorie der Vorsatzgefahr ist wenig klar. Gleichermaßen verschwommen ist die Theorie der Planverwirklichung Roxins, da sie, insbesondere bei den hier untersuchten Konstellationen keine fest umrissenen Konturen hat. Wie gezeigt, beruht schließlich das Argument beim Fall des sog. dolus generalis und beim Bombenlegerfall auf dem Endergebnis, nämlich dass der Täter einen Menschen töten möchte und eine Person so am Ende dadurch stirbt. Alle Konstellationen des Doppelindividualisierungsirrtums würden als vorsätzliche Vollendung beurteilt, als plangemäß angesehen. Diese Lösung ist nicht nur bei der Kausalabweichung, sondern auch beim Doppelindividualisierungsirrtum fragwürdig. Nimmt man allein das Endergebnis als Argument, so wird die Tatsache vernachlässigt, dass die subjektive Zurechnung mit der Handlung zusammenhängen soll. Wenn eine Lösung ausschließlich durch das Endergebnis begründet wird, so verstößt sie gegen das Schuldprinzip. Jakobs löst Fälle der Kausalabweichung mit dem Maßstab, ob der Täter die später realisierte Gefahr gesehen hat. Nach dieser Auffassung gelangt man zu einer Versuchslösung, weil der Täter die Abweichung stets gerade nicht voraussieht. Den Doppelindividualisierungsirrtum hält Jakobs hingegen für einen unbeachtlichen error in persona. Das bedeutet, dass der Täter beim Doppelindividualisierungsirrtum die Gefahr gekannt hat. Nach welchem Kriterium dies zu beurteilen sein soll, ist noch unklar. Denn die Fälle des error in persona setzen voraus, dass der Täter durch seine mangelhafte sinnliche Wahrnehmung sein Ziel verwechselt. Beim Doppelindividualisierungsirrtum ist das aber nicht der Fall. 83

Puppe, Strafrecht AT I, 20 / 41.

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2. Teil: Die relevanten dogmatischen Grundlagen der Irrtumslehre

Die von Herzberg und Schlehofer vertretene Auffassung, die auch von der Lehre der objektiven Zurechnung ausgeht, stellt bei der Kausalabweichung auf die Kenntnis des Täters ab. Für den Irrtum über die Doppelindividualisierung führen Herzberg und Schlehofer84 konsequent das gleiche Kriterium an. Diese Ansicht steht der Theorie der Lebenskonkreta nahe. Nach dieser Position ist der Irrtum mit der Unkenntnis identisch. Nach der Theorie von Herzberg und Schlehofer sowie der Theorie der Lebenskonkreta gelangt man immer zu einer Bestrafung wegen Fahrlässigkeit. Diese starre Lösung ist jedoch nicht plausibel, da offen bleibt, welcher Irrtum strafrechtlich relevant ist. Die unterschiedlichen Ergebnisse der zitierten Auffassungen basieren gleichzeitig auf einem jeweils differierenden Ansatz der Autoren bezüglich des error in persona vel objecto und der aberratio ictus. Daher wird nachfolgend zunächst die theoretische Grundlage des error in objecto vel persona weiter untersucht.

§ 4 Doppelindividualisierungsirrtum beim error in objecto vel persona Der Objektsirrtum, error in objecto vel persona, ist ein Irrtum durch die Verwechslung zwischen einem erwünschten und einem nicht erwünschten Zielobjekt. Bei dem Standardfall des error in objecto ist diese Verwechslung auf den Fehler des Täters bei der sinnlichen Wahrnehmung zurückzuführen. Der Doppelindividualisierungsirrtum ist auch eine Verwechslung des Objekts im weiteren Sinne, denn hier hat der Täter das anvisierte und das in die Kausalkette geratene Objekt fälschlich als dasselbe identifiziert. Für die Lösung des Doppelindividualisierungsirrtums ist es nötig, die Rechtsprechung und die Lehre zum error in objecto zu betrachten.

I. Meinungsstand zum error in objecto vel persona 1. Rechtsprechung und herrschende Meinung: Motivirrtum Die am häufigsten genannte Fallgruppe des error in persona ist eine Personenverwechslung, die wegen der schlechten Sichtverhältnisse, der Ähnlichkeit der Zielperson, etc. dazu führt, dass der Täter einen Unbeteiligten falsch identifiziert und angreift. Deswegen muss im Mittelpunkt der Diskussion die Frage stehen, ob die Diskrepanz der Individualisierung relevant ist. Eine andere Herangehensweise ist, direkt zu fragen, ob die Wahrnehmung des tatsächlich getroffenen Objekts für die Zurechnung zum Vorsatz ausreicht oder nicht. Seit dem RG wird der error in persona in der Rechtsprechung als rechtlich 84

Herzberg, NStZ 1999, 217, 219; Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, S. 177.

§ 4 Doppelindividualisierungsirrtum beim error in objecto vel persona

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unbeachtlich angesehen. „Wenn der Täter seine verbrecherische Tätigkeit bewusst auf den konkreten, ihm sinnlich wahrnehmbaren Gegenstand richtet, so handelt er in der Richtung auf diesen Gegenstand vorsätzlich“85. Eine sog. Objektverwechslung als ein Motivirrtum ist deswegen nur bei Ungleichwertigkeit der angegriffenen Rechtsobjekte strafrechtlich von Bedeutung.86 In der Literatur wird einheitlich die Vollendungslösung angenommen, diese aber unterschiedlich begründet. Die Auffassung der Rechtsprechung wird von manchen Autoren übernommen.87 Die überwiegende Meinung macht ihre Lösung von der Rolle der Individualisierung abhängig. Die vom Täter erwünschte Individualisierung kann deshalb bedeutungslos sein, da sie nicht zum Tatbestand gehört88 oder weil die Eigenschaften bei dem tatsächlich getroffenen und dem vorgestellten Objekt rechtlich gleich bedeutsam sind89. Mit anderen Worten ist sie kein Tatumstand im Sinne des § 16 StGB90, sondern ein Motiv91. Zwar schlägt Rath92 richtigerweise vor, dass man beim error in persona von einer ,Motivnichtrealisation‘ sprechen sollte, da ein echter Motivirrtum einen moralisch verwerflichen Beweggrund im Sprachgebrauch bezeichnet. Der Vorschlag wird nicht akzeptiert, vermutlich weil niemand annimmt, dass der Begriff des Motivirrtums beim Verständnis im Strafrecht Schwierigkeit bereiten könnte. Aber der Inhalt des error in persona wird dadurch weiter erklärt. Die Vollendungslösung ist konsequent begründet: „Die Vernichtung oder die Beschränkung der Basis der Autonomie eines anderen [ . . . ] ist in ihrem Unrechtsgehalt durch die Beziehung zum resp. die Indienstnahme für den jeweils motivierenden Sachverhalt nicht vermindert“93.

RG 18, 337, 338. BGHSt. 11, 268, 270; 37, 214, 216; OLG Neustadt, NJW 1964, 311. Kritisch Koriath, JuS 1998, 215, 219. 87 Haft / Eisele, Keller-GS, S. 81, 91. 88 Schroeder, LK11, § 16 Rn. 8; ähnlich Jakobs, Strafrecht AT2, 8 / 82; Lackner / Kühl, Strafgesetzbuch 25, § 15 Rn. 13; Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, S. 170; Heinrich, Strafrecht AT II, Rn. 1102. 89 Welzel, Das deutsche Strafrecht11, S. 75; S / S / Cramer / Sternberg-Lieben, Strafgesetzbuch27, § 16 Rn. 59; Blei, Strafrecht AT18, S. 120; Haft, Straftrecht AT9, S. 256; Wessels / Beulke, Straftrecht AT35, Rn. 247 ff.; Jescheck / Weigend, Strafrecht AT5, S. 311; Otto, Strafrecht AT7, 7 / 99; Schmidhäuser, Strafrecht AT (Lehrbuch), 10 / 43; Krey, Strafrecht AT I2, Rn. 388; Joecks, MK § 16 Rn. 60. 90 Hillenkamp, Die Bedeutung von Vorsatzkonkretisierungen, S. 36; ähnlich Baumann / Weber / Mitsch, Strafrecht AT11, 21 / 11. 91 Hilgendorf, Strafrecht4, S. 16; Kindhäuser, Strafrecht AT, 27 / 41. 92 Rath, Zur Unerheblichkeit des error in objecto, S. 11 f., 33 f. 93 Rath, Zur Unerheblichkeit des error in objecto, S. 37. Zur konkreten Ausführung beim Todschlagfall siehe Rath, JuS 1997, 424, 425. 85 86

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2. Teil: Die relevanten dogmatischen Grundlagen der Irrtumslehre

2. Tatwille bei der finalen Handlungstheorie Eine weitere Meinung im Anschluss an die finale Handlungstheorie sieht den Zusammenhang zwischen dem Tatwillen und dem Kausalverlauf als Ausgangspunkt. Die Konstellation des error in persona wird dahingehend interpretiert, dass der Tatwille auf die Tötung der anvisierten und getroffenen Person gerichtet ist94 oder die finale Überdetermination des Kausalverlaufs dem Täter gelungen ist95. Mit ähnlicher Begründung nimmt Toepel96 an, dass der Täter bei dem error in persona vel in objecto noch den objektiven Verstoß gegen die Verhaltensnorm beherrscht und deswegen die Handlungsfreiheit des Täters nicht beeinträchtigt wird. Der Grund der vorsätzlichen Vollendung wird durch die Beherrschung des Kausalverlaufs erklärt. Bemerkenswert ist, dass selbst Welzel97 die Vollendungslösung nicht mit dem Begriff des Tatwillens, sondern mit einem anderen Argument begründet: Der Irrtum sei unbeachtlich, wenn die Objekte tatbestandlich gleich sind. Bei den Autoren, die den Tatwillen als Argument nehmen, ist die tatbestandliche Gleichwertigkeit auch die Voraussetzung der Vollendung. Ein individueller Wille, wie Wünsche und Hoffnungen, soll stets aus normativem Grund, hier wegen tatbestandlicher Gleichwertigkeit, unbeachtlich sein. Das heißt, der sog. Tatwille im Strafrecht soll nicht aus ontologischer, sondern aus normativer Perspektive verstanden werden, wenn man überhaupt noch von einem „Tatwillen“ sprechen möchte. Die Zurechnung des Erfolgs zum Tatwillen ist ein normativer Prozess. Der Tatwille ist im Gegensatz zu Beweggründen nicht auf die Erreichung individueller Zwecke, sondern allein auf die Tatbestandsverwirklichung gerichtet.

3. Mindermeinung: Kausalverlaufsirrtum a) Wesentlicher Kausalverlaufsirrtum In der Literatur wurde teilweise eine Ansicht vertreten, die an der Erheblichkeit des error in persona festhielt. Geib98 argumentierte mit einer individuell psychologischen Begründung, dass der Täter beim error in persona nicht den tatsächlichen Erfolg beabsichtigt. Der Täter habe „Absicht“ ausschließlich hinsichtlich der ursprünglichen Zielperson. Die Tötung eines Dritten aufgrund einer Verwechslung sei Zufall und keine „Absicht“. Geib verwendet den Begriff der Absicht nicht wie 94 Rudolphi, SK, § 16 Rn. 29; Maurach / Zipf, Strafrecht AT I8, 23 / 26; Tröndle / Fischer, Strafgesetzbuch 53, § 16 Rn. 5; Bockelmann / Volk, Strafrecht AT4, S. 71; Herzberg, JA 1981, 470, 472. 95 Samson, Strafrecht I7, S. 103. 96 Toepel, Jahrbuch für Recht und Ethik 1994, 413, 426 f. 97 Welzel, Das deutsche Strafrecht11, S. 75. 98 Geib, Arch. d. Criminalrechts 1838, S. 36, 48.

§ 4 Doppelindividualisierungsirrtum beim error in objecto vel persona

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heute üblich zur Bezeichnung des dolus directus 1. Grades, sondern alltagssprachlich, also als einen Beweggrund oder einen Wunsch, auf den die Handlung des Täters zurückzuführen ist. Die Absicht in diesem Sinne ist kein Tatbestandsvorsatz, der mit der Tatbestandshandlung zeitlich verbunden sein muss99, sondern der Zweck, zu dem der Täter das Verbrechen begeht100. Dass dieser eigentliche Zweck vereitelt wird, bedeutet nicht, dass nicht davon gesprochen werden könnte, dass der Täter bei der Tatausführung gezielt gegen das verletzte Opfer handelt. Dies kann als „aktueller Zweck“ bezeichnet werden. Folgte man Geib, spräche man lediglich von der Veränderung des Zwecks. Nach v. Liszt liegt ein wesentlicher Irrtum des Täters über Verlauf und Erfolg vor, „wenn den Täter die Voraussicht des tatsächlichen Verlaufes von der Begehung der Tat abgehalten haben würde“101. Die Unterscheidung zwischen error in persona und aberratio ictus sei bedeutungslos, da man durch den von ihm vorgeschlagenen Maßstab alle Fälle lösen könne.102 Beim error in persona wurde mit diesem Maßstab der Vorsatz in den meisten Fällen ausgeschlossen, weil das tatsächlich angegriffene Objekt keine Zielperson ist. Diese Lösung psychologisiert aber die subjektive Zurechnung, da das Argument nur auf den individuell psychischen Grund zurückzuführen ist. Ein individuell psychologisches Kriterium verliert folglich seine Tauglichkeit als Maßstab, weil die Wesentlichkeit von den zufälligen und individuellen Vorstellungen des Täters abhängig ist. Der Beweggrund unterscheidet sich von Person zu Person. Er entsteht vor der Handlung und bleibt privat, wenn er mit dem Tatbestand keinen logischen Zusammenhang hat. Tötet der Täter einen Dritten wegen Personverwechslung, so ist der Fall von der Konstellation, in der ein Täter wegen eines Missverständnisses einen Dritten umgebracht hat, kaum zu unterscheiden. Zumindest sind beide Situationen nach dem Maßstab von Geib und v. Liszt nicht voneinander abgrenzbar. Ein Beispiel: Zwei Täter stehlen jeweils die gleiche, für beide unbefriedigende Beute, da sie sich über diese geirrt haben. Der eine bereut seine Tat nachträglich, der andere nicht. Nach v. Liszts Lösung, würde nach dem Kriterium der nachträglichen Reue unterschieden und der Reuige nicht, der uneinsichtige Täter jedoch sehr wohl bestraft. Das Vorsatzproblem wird von v. Liszt fälschlicherweise im Nachhinein der Handlung und von dieser gelöst betrachtet.

99 Rath kritisiert die Ansicht Geibs, weil eine Willensbeziehung zwischen Täter und Verletzungsobjekt nicht widerlegbar ist, Zur Unerheblichkeit des error in objecto, S. 13; schon längst von Pfotenhauer, GS 1861, 253, 286 f.; auch Hillenkamp, Die Bedeutung von Vorsatzkonkretisierung, S. 34. Geib verzichtet auf die Darstellung der o.g. Meinung in seinem Lehrbuch, Bd. II, S. 237 f. 100 Vgl. Hälschner, GA 7, 433, 443, 447. 101 v. Liszt, Lehrbuch21 u. 22, S. 170. 102 v. Liszt, Lehrbuch21 u. 22, S. 171 f.

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2. Teil: Die relevanten dogmatischen Grundlagen der Irrtumslehre

b) Unwesentlicher Kausalverlaufsirrtum Um die von der h. M. festgehaltene Unterscheidung zwischen aberratio ictus und error in objecto aufzuheben, behauptet Puppe, dass bei einem error in objecto ebenfalls ein Irrtum über den Kausalverlauf vorliege, weil dieser „ja aus den Vorstadien des Erfolgs besteht und ebenfalls mit Hilfe dieser Individualisierung beschrieben werden kann“103. Im Widerspruch zu der Ansicht104, nach der der Unterschied zwischen error in persona und aberratio ictus in der Beherrschung des Kausalverlaufs besteht, argumentiert Puppe105 auf der anderen Seite wie folgt: Wenn man beim Geschehensverlauf auf die vom Täter falsch vorgenommen Individualisierung abstellt, beherrscht der Täter den Erfolg von Anfang an nicht. Für Puppe ist der error in objecto jedoch ein unbeachtlicher Irrtum, da die Identität des verletzten Objekts nur eine außertatbestandliche Eigenschaft ist.106 Der Grund der Unbeachtlichkeit des error in persona bleibt unverständlich, denn Puppe hat den von ihr beschriebenen Kausalverlaufsirrtum nicht weiter ausgeführt. Die Unbeachtlichkeit der Identität des verletzten Objekts erklärt nicht den Grund für die Unwesentlichkeit des Kausalverlaufsirrtums. Eine Kausalabweichung kann auch dann wesentlich sein, wenn sie bei demselben Objekt vorliegt. Der Kausalverlaufs- und der Objektsirrtum sind zwei unterschiedliche Konstellationen. Daher kann so nicht begründet werden, warum ein unwesentlicher Kausalverlaufsirrtums vorliegt. Der Auffassung, die den error in objecto auch als Kausalverlaufsirrtum ansieht, wird von Roxin107 zugestimmt. Dies bestätigt jedoch nur, dass eine deutliche Verwendung dieser Terminologie nicht mehr möglich ist, wenn man die systematische Einheitlichkeit innerhalb eines Sprachbereichs nicht berücksichtigt. Nach dieser Meinung ist es denkbar, von Kausalverlaufsirrtum zu sprechen, wenn irgendetwas Unerwünschtes auftaucht oder die Handlung auf einen Motivirrtum zurückgeführt werden kann. Aber ein solcher Sprachgebrauch wäre dem wissenschaftlichen Denken abträglich, da sich die Begriffe beliebig vermischen.108 Wenn die Definition des Kausalverlaufsirrtums von Puppe und Roxin zutreffend wäre, dann wären der Verbots-, Subsumtions- und Erlaubnistatbestandsirrtum auch Kausalverlaufsirrtümer; man könnte sogar sagen, dass dann alle Irrtümer Kausalverlaufsirrtümer wären. Denn dem Verbotsirrtum unterliegt der Täter, weil er die Handlung für 103 Puppe, GA 1981, 1, 17; Hoyer nimmt auch an, error in persona sei eine unwesentliche Kausalverlaufsabweichung, Strafrecht AT I, S. 64. 104 Schroeder, LK11, § 16 Rn. 9; S / S / Cramer / Sternberg-Lieben, Strafgesetzbuch27, § 15 Rn. 57. 105 Puppe, GA 1981, 1, 18. 106 Puppe, GA 1981, 1, 2. 107 Roxin, Strafrecht AT I4, 12 / 195; a.A. Rath, Zur Unerheblichkeit des error in objecto, S. 10 f. 108 Vgl. Jakobs, Strafrecht AT2 , 4 / 35 ff.; Neumann, Juristische Fachsprache und Umgangssprache, 110 ff.

§ 4 Doppelindividualisierungsirrtum beim error in objecto vel persona

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rechtmäßig hält. Das heißt, dass er die Tat nicht begehen würde, wenn er ihre Rechtswidrigkeit erkennen könnte. Putativnotwehr liegt typischerweise dann vor, wenn ein Täter den ihn mit erhobenen Armen begrüßenden Freund nicht erkennt, sondern irrtümlich glaubt, ein Fremder wolle ihn angreifen. Das ist bei dem error in persona dasselbe: Wenn der Täter die Personenverwechslung vorher bemerken könnte, würde sich die Tat jedenfalls nicht gegen den Falschen richten. Diese Gemeinsamkeit besteht auch mit Subsumtionsirrtum und bei anderen Erlaubnistatbestandsirrtümern. Die Gegenmeinung, die hauptsächlich von Puppe vertreten wird, vermag eine Gleichbehandlung von aberratio ictus und error in objecto nicht zu begründen. Denn auch wenn diese Ansicht richtig wäre, bestünde immer noch ein anderer Unterschied: Bei Gesamtbetrachtung der Tat weicht der Geschehensverlauf aufgrund eines error in persona, also wegen einer Personenverwechslung, vom Tatplan ab, wodurch ein Dritter statt des ursprünglich individualisierten Opfers getötet wird. Aber dieser Irrtum erfolgt nicht nach Überschreiten der Schwelle zum Versuch, sondern noch im Vorbereitungsstadium. Dieser Irrtum bleibt immer noch auf der Motivebene, wie die h. M. festgehalten hat. Deswegen kommen Puppe und die h. M. zum gleichen Ergebnis.

II. Doppelindividualisierungsirrtum jenseits von error in objecto vel persona Bei error in persona verhält der Täter sich wie folgt: Zunächst betrifft die Personenverwechslung einen Mangel bei der Feststellung der Identität des Tatobjekts. Dies ist ein Fehler der sinnlichen Wahrnehmung des Handelnden. Die Besonderheit des error in persona besteht darin, dass der Täter das Angriffsobjekt wahrgenommen hat und keinem Irrtum über den Kausalverlauf unterliegt. Unter diesen zwei Voraussetzungen ist die Verwechslung innerhalb desselben Tatbestandes strafrechtlich irrelevant. Die Verwechslung ändert lediglich das Angriffsobjekt im Vorbereitungsstadium, aber nicht das Risiko der Normverletzung oder die Kenntnis des Risikos bei der Ausführung. Zweitens geht es hier darum, ob dem Täter der Erfolg wegen des Normbruchs als vorsätzlich zugerechnet wird, wenn das Verletzungsobjekt wegen Personenverwechslung mit dem vorgestellten nicht identisch ist. Ob ein Wunsch in Erfüllung gegangen ist, gehört zum privaten Bereich und ist deswegen irrelevant. Beim Irrtum über die Doppelindividualisierung verhält es sich anders als beim error in objecto vel persona. Denn obwohl ersterer nicht unbedingt nach dem Versuchsbeginn eintritt, liegt auf jeden Fall ein Irrtum über den Kausalverlauf vor. Dieser strukturelle Unterschied bedeutet, dass der Täter beim error in objecto vel persona zum Zeitpunkt der Tat das Angriffsobjekt sowohl anvisiert als auch wahrgenommen hat. Das ist beim Doppelindividualisierungsirrtum nicht der Fall. Daher

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2. Teil: Die relevanten dogmatischen Grundlagen der Irrtumslehre

befindet sich das Problem des Doppelindividualisierungsirrtums darin, ob die Kausalabweichung eine rechtlich relevante ist oder nicht. Es wäre daher voreilig und nicht plausibel wenn man für die Lösung des Doppelindividualisierungsirrtums die Figur des error in objecto vel persona unmittelbar anwenden würde. Der Begriff des sog. Motivirrtums ist nur ein Endergebnis der rechtlichen Beurteilung und kann nicht problemlos bei dem Doppelindividualisierungsirrtum verwandt werden. Dieser Begriff setzt vielmehr voraus, dass der Täter alle notwendigen Tatbestandselemente schon zur Tatzeit gekannt hat, sonst könnte man in den Fällen der aberratio ictus auch von einem „Motivirrtum“ sprechen. Die aberratio ictus weist jedoch jenseits eines bloßen Motivirrtums klare normative Strukturen auf, welche besondere, d. h. vom Motivirrtum verschiedene, juristische Bewertungen nach sich ziehen müssen. Auf Grund seiner Strukturen liegt in der rechtlichen Figur der aberratio ictus ein Beitrag zu dem in dieser Untersuchung vertretenen Lösungsansatz zur Frage des Doppelindividualisierungsirrtums. Im Folgenden wird diese Struktur der aberratio ictus untersucht, um die Kriterien deutlich zu definieren.

§ 5 Doppelindividualisierungsirrtum bei der aberratio ictus Eine aberratio ictus (Abirrung des Pfeils), also das Fehlgehen der Tat, liegt vor, wenn der Täter bei der Ausführung ein anderes Objekt verletzt hat, als das von ihm wahrgenommene und anvisierte. Ursachen hierfür können ein technischer Fehler auf Seiten des Täters oder eine plötzliche Bewegung des Zielobjekts sein. Auch in diesen Konstellationen gibt es eine Kausalabweichung, und trotzdem unterscheiden sie sich vom Standardfall des Irrtums über den Kausalverlauf: Bei der aberratio ictus gibt es zwei, in der Situation des Kausalverlaufsirrtums hingegen immer nur ein Objekt. Da beim Doppelindividualisierungsirrtum, ebenso wie bei der aberratio ictus, zwei Objekte und ein unerwünschter Kausalverlauf vorliegen, ist die Untersuchung der aberratio ictus bedeutend. Allgemein anerkannt und zutreffend ist, dass der Vorsatz bei der aberratio ictus zwischen tatbestandlich ungleichwertigen Objekten ausgeschlossen wird. Hoch umstritten ist jedoch, ob die Rechtsfolge dieselbe ist, wenn dem Täter eine aberratio ictus zwischen tatbestandlich gleichwertigen Objekten unterläuft.

§ 5 Doppelindividualisierungsirrtum bei der aberratio ictus

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I. Meinungsstand zur aberratio ictus 1. Die Versuchslösung – die sog. Konkretisierungstheorie109 a) Aberratio ictus als „Danebenschießen“ wegen Kausalabweichung Die aberratio ictus wird üblicherweise in der Literatur als Danebenschießen110 bezeichnet. Der Täter beschädigt einen Gegenstand, den er nicht angreifen will, der aber irgendwie neben seinem eigentlichen Ziel steht. Hier werden beide Objekte, das Ziel und das zufällig getroffene Opfer, einander gegenübergestellt, und auf ihre Gleichwertigkeit überprüft. Anders als der error in objecto vel persona wird die aberratio ictus von der ständigen Rechtsprechung schon vom RG111 als relevanter Irrtum bewertet: Der gewünschte Erfolg ist vom Täter ins Auge gefasst, der tatsächlich verletzte Gegenstand nicht. Die beiden Gegenstände sind gleichartig, werden vom Täter aber nicht verwechselt, sondern es tauchen Umstände auf, die den von ihm gedachten Ursachenverlauf ändern. Die Verletzung des nicht gewählten, aber gleichartigen Objekts genügt nach der Rechtsprechung, um den Vorsatzausschluss wie folgt zu begründen: „Denn trotz Verursachung der Verletzung hat der Täter den getroffenen Gegenstand weder treffen wollen noch daß dies geschah, für eine notwendige Folge seines Handelns angesehen; eine ihm nicht einmal bewußt gewordene Verletzung kann ihm aber niemals zum Vorsatz angerechnet werden“112. Die Abgrenzung des RG wird vom BGH durch eine Differenzlösung modifiziert. Innerhalb desselben geschützten Rechtsgutes, nämlich der Rechtspflege im Sinne des § 164 StGB, „macht es keinen wesentlichen Unterschied, ob die Person, die er verdächtigen will, durch seine Handlung schließlich verdächtigt wird oder eine andere Person, die er nicht vorausgesehen hat“113. Da es sich hier um einen Irrtum über den Kausalverlauf handelt, hat der BGH außerdem einen zweiten Grund genannt, nämlich dass die Abweichung sich noch „innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren befindet und den Unrechtsgehalt der Tat nicht ändert. Der gewollte Erfolg, die Gefährdung der Rechtspflege, ist erreicht“. Das Argument der h. M. basiert darauf, dass es bei der aberratio ictus um eine Abweichung vom geplanten Tatverlauf geht. Dies wird in unterschiedlicher Weise argumentativ unterstützt. Zunächst ist im Sinne des Finalismus auf der Täterseite davon auszugehen, dass der tatsächliche Kausalverlauf der Herrschaft des Täters 109 Die Versuchslösung wird in der Literatur häufig pauschal als die „Konkretisierungstheorie“ bezeichnet; vgl. Hillenkamp, Probleme11, S. 62 ff. 110 Haft, Straftrecht AT8, S. 251 f.; Hoyer, Strafrecht AT I, S. 62. 111 St. Rspr., vgl. RG 2, 335; 3, 384; 19, 179, 180; 54, 359, 350; BGHSt. 38, 295, 296 f. 112 RG 58, 27, 28. 113 BGHSt. 9, 240, 242.

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2. Teil: Die relevanten dogmatischen Grundlagen der Irrtumslehre

entglitten ist und die Verletzung des Dritten herbeiführte.114 Dazu zählt auch die Auffassung, die die Konstellation der aberratio ictus mit „Zufälligkeit“ bezeichnet hat.115 Der Täter verliert seine Herrschaft und deshalb wird ihm die Tat nicht zum Vorsatz zugerechnet. Es erscheint naheliegend, zunächst die Frage zu beantworten, ob bei der aberratio ictus die Kausalabweichung relevant ist oder nicht. Es wird von manchen Autoren116 festgehalten, dass diese Abweichung als wesentlich angesehen werden soll, weil der Angriff die Richtung der Zielperson verlässt und die Richtung gegen einen Dritten einschlägt. Deswegen ist diese Konsequenz nicht von Vorstellung und Willen des Täters gedeckt.117 Diese Auffassung hängt mit dem Finalhandlungsgedanken eng zusammen. Die Zweckakte richten sich ausschließlich gegen das Angriffsobjekt. Wenn der Schlag von ihm abirrt, müsste die Abweichung wesentlich sein. Welzel118 wird heftig als widersprüchlich kritisiert, da er zu einem anderen Ergebnis kommt.119 Demgegenüber bräuchte es vielmehr einer Erklärung, warum der Unterschied zwischen dem Angriffsobjekt und dem Verletzungsobjekt stets als eine wesentliche Kausalabweichung gewertet werden sollte. Die Zielsetzung, z. B. einen bestimmten Menschen zu töten, ist persönlicher Natur. Ob eine Abweichung rechtlich relevant ist, soll normativ zu entscheiden sein. Natürlich ist es richtig, wenn sich manche Vertreter der Konkretisierungstheorie auf den Kausalverlauf konzentrieren. Aber dann taucht das Problem auf, ob dies notwendig ist, weil die Frage der Abweichung anhand der objektiven Zurechnung bereits überprüft ist.

Schreiber, JuS 1985, 873, 875; Samson, Strafrecht I7, S. 101; ähnlich Hruschka, Strafrecht AT2, S. 8; ders., JZ 1991, 488, 491; Toepel, Jahrbuch für Recht und Ethik 1994, 413, 426 f.; ders., JA, 1996, 886, 888. 115 Gropp, Lenckner-FS, S. 55, 62 ff.; ders., in: Fallsammlung, S. 84. Gropp betont, dass der Vorsatz wegen der Zufälligkeit ausgeschlossen werden muss, ansonsten widerspreche eine Zufallshaftung einem rechtsstaatlich begründeten Strafen; ähnlich Stratenwerth, Strafrecht AT4, 8 / 95; Heinrich, Strafrecht AT II, Rn. 1108. Kritisch Rudolphi, SK, § 16 Rn. 33a. 116 Bemmann, MDR 1958, 817, 818 f.; ders., Stree / Wessels-FS, S. 397, 400; ähnlich Backmann, JuS 1971, S. 113, 114 ff.; Lackner / Kühl, Strafgesetzbuch25, § 15 Rn. 12; Blei, Strafrecht AT18, S. 121 f.; Baumann / Weber / Mitsch, Strafrecht AT11, 21 / 13; Zieschang, Strafrecht AT, S. 44; nach Rath erreicht der Willensvollzug nicht das angestrebte Ziel, sondern ein anderes Objekt und schädigt dieses, aberratio ictus und error in persona, S. 247 ff. 117 Blei, Strafrecht I. AT18, S. 121 f.; Streng, JuS 1991, 910, 912; Eser / Burkhardt, Strafrecht I4, S. 9 Rn. 22; Lackner / Kühl, Strafgesetzbuch25, § 15 Rn. 12; Wessels / Beulke, Straftrecht AT35, Rn. 250 ff.; Kindhäuser, Strafrecht AT, 27 / 57; Haft / Eisele, Keller-GS, S. 81, 91; Krey, Strafrecht AT I2, Rn. 394. 118 Siehe unten 2. a). 119 Samson, Strafrecht I7, S. 101; Hillenkamp, Die Bedeutung von Vorsatzkonkretisierung, S. 23. 114

§ 5 Doppelindividualisierungsirrtum bei der aberratio ictus

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b) Das erkannte Risiko Eine Alternative zur Versuchslösung besteht darin anzunehmen, der Vorsatz als subjektiver Tatbestand müsse das Risiko umfassen. Diese Theorie wird von der Theorie der objektiven Zurechnung abgeleitet. Sie besagt, dass die Realisierung eines unerlaubten Risikos Teil des objektiven Tatbestandes ist.120 Bei der aberratio ictus verhält es sich so, dass der Täter das Risiko eines Abweichens im Moment der Tat nicht kennt, obwohl ein Dritter sich tatsächlich im Streubereich des Angriffs befindet.121 Mit anderen Worten befinden sich gleichzeitig zwei Risiken in einer Handlung: Eines bezieht sich auf die Zielperson und ein anderes auf den Dritten. Der Täter hat nur das erste Risiko erkannt.122 Die von Herzberg und Schlehofer entwickelte Theorie steht dieser Auffassung im Ergebnis ganz nahe. Aber Herzberg und Schlehofer gehen davon aus, dass sich die Kenntnis im Sinne von § 16 StGB anders als die Vorstellung im Sinne von § 22 StGB auf etwas Reales als Gegenstand beschränkt.123 Nach dieser Ansicht sollte zuerst überprüft werden, ob der objektive Tatbestand bereits ausgeschlossen war. Danach ist zu prüfen, ob die realisierte Gefahr dem Täter bekannt ist. Wenn Tatobjekt und Angriffsobjekt tatbestandlich nicht gleichwertig sind, sei die Kenntnis zu verneinen. Aber in der tatbestandlich gleichwertigen Konstellation sollte auch der Vorsatz ausgeschlossen werden, denn die tatsächlich realisierte Gefahr wurde nicht erkannt.124 Wenn es für das Problem des Vorsatzes bei der aberratio ictus nur darauf ankommt, ob die Abirrung und ihre Gefahr dem Täter bekannt sind, dann ist die Antwort – wie bei der Kausalverlaufsabweichung – offensichtlich: Natürlich nicht. Deswegen wäre der Vorsatz stets wegen Unkenntnis ausgeschlossen. Die Lösung ist zweifelhaft, wenn man sich Situationen überlegt, bei denen die Gefahr der Abirrung nahe liegt. Beispielhaft: Ein Täter schießt auf eine weit entfernt stehende Zielperson, um die herum einige Leute sitzen.

120 Innerhalb dieser Lehre gibt es unterschiedliche Meinungen zu der Frage, ob die Kausalität und der Erfolg Gegenstand des Vorsatzes sind. Bejahend Jakobs, Strafrecht AT2, 8 / 63; ablehnend Silva-Sanchez, ZStW 101 (1989), 352, 370. Die Gemeinsamkeit dieser Auffassungen besteht darin, dass der Vorsatz das unerlaubte Risiko umfassen muss. 121 Jakobs, Studien zum fahrlässigen Erfolgsdelikt, S. 99; ders., Strafrecht AT2, 8 / 80; insoweit ähnlich Schroeder, LK11, § 16 Rn. 9; Otto, Strafrecht AT7, 7 / 94 ff.; Schmidhäuser, Strafrecht AT2 (Lehrbuch), 10 / 45; ähnlich Frisch, Tatbestandmäßiges Verhalten, S. 616 f. 122 Silva-Sanchez, ZStW 101 (1989), 352, 374 f. 123 Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, S. 19; Herzberg, NStZ 1999, 217, 220; zustimmend Rudolphi, SK, § 16 Rn. 33b. 124 Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, S. 172 ff.

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2. Teil: Die relevanten dogmatischen Grundlagen der Irrtumslehre

c) Konkreter Tatwille – Hettinger Eine noch vollständigere Begründung bietet Hettinger, der von den zwei Komponenten des Vorsatzes, also Kenntnis und Willen, ausgeht, so wie es die h. M. verlangt. Nach Ansicht von Hettinger müssen beide Komponenten mit den Lebenskonkreta zusammenhängen, denn „es gibt kein vom Lebenssachverhalt losgelöstes Wissen und Wollen ,an sich‘“125. Insbesondere wird die Bedeutung des konkreten Willens akzentuiert, indem die Zurechnung zur Vorsatzschuld nur im Willen ihren sachlichen Bezugspunkt und ihre Grenze findet. Hier zeigt Hettinger einen Lösungsansatz durch Erklärung der Beziehung zwischen Wissen und Wollen. Die Diskussion wird in zwei Situationen geteilt: In der ersten sieht der Täter T seine Zielperson O, die am Waldrand neben einem Gebüsch steht. Der Schuss verfehlt das Ziel, trifft aber den durch das Gebüsch verdeckten Dritten D tödlich. In diesem Fall sei ein konkretes Wollen ausgeschlossen, weil die Wissenskomponente nicht vorhanden ist.126 Bei der zweiten Konstellation hat der Täter T gesehen, dass in der Nähe von seiner Zielperson O ein Dritter D steht. T kennt die Möglichkeit eines Fehlgehens des Angriffs, aber er hat sicher angenommen, dass es ihm gelingen werde, das Ziel zu treffen. In diesem Fall wird die Kenntnis der Tatbestandsverwirklichung von Hettinger für nicht vorhanden gehalten, denn in dem vom Täter gewollten Wirkungszusammenhang zwischen Tathandlung und erstrebter Tötung hat der Dritte keine Bedeutung. Der Täter „kenne“ das Opfer nicht. „Denn in dem von T gewollten – für die Erfolgszurechnung subjektiv zu bestimmenden – Wirkungszusammenhang zwischen Tathandlung und erstrebter (,gebilligter‘) Tötung spielt D keine Rolle. Es zeigt sich: die ,Tat‘ i. S. des § 16 I 1 StGB wird konstituiert durch Vorstellung und Willen des Täters“127. Hettinger weist darauf hin, dass trotz des Wortlautes des § 16 StGB der Wille noch eine Rolle für die Bewertung eines Irrtums spielt, denn Wissen und Wollen sind die beiden konstituierenden Komponenten des Vorsatzes. Die dargestellte Wechselseitigkeit zwischen Wissen und Wollen ist bemerkenswert. Es wird in der Literatur verbreitet angenommen, dass der Wille ohne Wissen undenkbar ist, aber die umgekehrte Beziehung wird kaum erwähnt. Hettinger hat den Fall einerseits so konstruiert, dass der Täter die Verletzung der daneben stehenden Person für möglich hält. Andererseits wird die Kenntnis des Fehlgehens des Angriffs jedoch von Hettinger verneint, wenn das verletzte Objekt nicht die Zielperson ist. Diese Beschreibung ist aber unverständlich: Für Hettinger liegt keine Kenntnis vor, wenn der Täter ein Objekt nicht angreifen will, obwohl er tatsächlich die Gefahr des Fehlgehens des Angriffs schon gekannt hat. Darin liegt ein Widerspruch. Auch kann im Strafrecht der konkrete Wille des Täters den Umfang der Zurechnung 125 126 127

Hettinger, GA 1990, 531, 543. Hettinger, GA 1990, 531, 548. Hettinger, GA 1990, 531, 548 f. (Hervorhebung original).

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nicht beschränken. Bei Wissentlichkeit und dolus eventualis richtet sich der Wille auf ein anderes Ziel, aber die Zurechnung des Erfolgs zum Vorsatz bleibt trotzdem unberührt. Insgesamt wird zwischen der aberratio ictus und der Kausalverlaufsabweichung differenziert128, je nachdem, ob der Täter die Verletzung des Angriffsobjekts gewollt hat oder nicht. Es lässt sich aber kaum leugnen, dass die aberratio ictus über den Kausalverlauf auch eine Komponente des Irrtums umfasst. Es ist noch nicht geklärt, warum der Vorsatz bei der Kausalverlaufsabweichung nur die Voraussehbarkeit verlangt, aber dass bei aberratio ictus die Kenntnis nicht ausreicht. Die Argumentation von Hettinger im ersten Fall ist auch fragwürdig: Wenn der Vorsatzausschluss der aberratio ictus allein durch die Unkenntnis begründet werden könnte, dann wäre die Zurechnung des Erfolgs zum Vorsatz bei jedem Irrtum über den Kausalverlauf undenkbar.

d) Raumzeitkonkretisierung des Wollens bzw. des Vorsatzes – Rath Rath kommt der Auffassung Hettingers nahe und vertieft die Grundlage bis zur praktisch philosophischen Ebene. Er geht von der „Struktur des Praxisvollzugs des autonomen Subjekts“ aus, um die ganze Problematik bei der Abgrenzung zwischen error in persona und aberratio ictus durch ein Konzept des Vorsatzes zu lösen.129 In der von Rath konzipierten Struktur setzt der Vollzug eines menschlichen Verhaltens die Konkretisierung voraus, die räumliche und zeitliche Komponenten enthält, denn die Gegenstände der äußeren Welt befinden sich notwendig in Bestimmtheit durch Zeit und Raum. Mit anderen Worten könnte die Veränderung der äußeren Welt durch Verhalten dann gelingen, wenn der Handelnde seine Lage in Raum und Zeit mit der des Objektes in der äußeren Welt abstimmt. „Dieses Faktum ist als eine Bedingung der Möglichkeit gezielten Wollens und Handelns auf ein bestimmtes Objekt hin von fundamentaler Bedeutung“130. Rath unterstreicht die Bedeutung der Konkretisierung, weil sie mit der freien Entscheidung eng zusammenhänge. Bei der aberratio ictus liege eine raumzeitliche Diskrepanz vor: Der Täter „muss seine Tathandlung und seinen Vorsatz in den Bezügen des Raumes und der Zeit auf das Zielobjekt ausrichten bzw. konkretisieren“131. Nach Ansicht von Rath ist deswegen die Konstellation für den Täter nicht nur ein akzidentieller Vorgang, sondern auch ein fundamentales Scheitern beim freien Praxisvollzug und bei der darin liegenden Selbstverfügung des Täters.132 Es Hettinger, GA 1990, 531, 549. Rath, aberratio ictus und error in persona, S. 247 ff. 130 Rath, aberratio ictus und error in persona, S. 251; ähnlich Köhler, Hirsch-FS S. 65, 80 f.; ders., Strafrecht AT, S. 153. 131 Rath, aberratio ictus und error in persona, S. 43. 132 Rath, aberratio ictus und error in persona, S. 261. 128 129

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liegt deswegen eine vorsatzausschließende aberratio ictus vor. Die Lehre Raths, die auf die persönliche Selbstverfügung abstellt, geht von einer individuellen Deutung der Handlung aus.133 Bei der aberratio ictus habe der Täter beim Praxisvollzug keine Übereinstimmung mit dem Raum-Zeit-Gefüge des Opfers erzielt. Daher sei nur wegen Fahrlässigkeit zu strafen. Diese Lehre vermag jedoch keine korrekte rechtliche Bewertung zu geben. Denn beim error in persona ist der Täter, der sein Motiv nicht realisieren kann, in einer ganz ähnlichen Lage: Ihm ist auch der Praxisvollzug nicht gelungen, weil er sein Raum-Zeit-Gefüge mit dem des vorgestellten Opfers nicht in Übereinstimmung bringen konnte. Mit anderen Worten hat der Täter sich darüber geirrt, wo sich seine Zielperson befindet.

2. Die Vollendungslösung a) Die sog. Adäquanztheorie134 Teilweise wird bei der aberratio ictus der Vorsatz des Täters positiv festgestellt, jedoch mit unterschiedlichen Begründungen. Welzel135 argumentiert in seinem Lehrbuch wie folgt: Bei aberratio ictus „lag die Möglichkeit des abweichenden Geschehensverlaufes im Rahmen der adäquaten Kausalität“ (jedenfalls denkt Welzel nur an solche Fälle). Weil der herbeigeführte Erfolg „tatbestandlich dem gewollten gleichartig“ ist, liegt nach Welzel eine vorsätzliche Vollendung vor. In der Literatur wurde das erste Argument mit allem Nachdruck unterstrichen, weshalb diese Auffassung Adäquanztheorie genannt wurde. Das zweite Argument Welzels, die tatbestandliche Gleichartigkeit, wird immer wieder ignoriert. Die Ursache ist möglicherweise, dass die tatbestandliche Gleichartigkeit des gewollten und herbeigeführten Erfolgs kaum als ein Grund für die Zurechnung zum Vorsatz gilt, insbesondere nicht bei den Hauptvertretern der finalen Handlungstheorie. Dem ersteren Argument scheint man entnehmen zu können, dass Welzel auch von dem Irrtum des Kausalverlaufs ausgeht. Aufgrund der herkömmlichen Irrtumslehre sollte man die Kausalabweichung anhand des Adäquanzkriteriums prüfen. Nach Welzel kommt es für die Finalität der vorsätzlichen Handlung in erster Linie auf die Zielorientierung des Täters an.136 Die Handlung befindet sich noch innerhalb dieser vom Täter gesetzten Finalität, wenn der Kausalverlauf adäquat ist, da die völlige Lenkung eigentlich unmöglich ist.137 Der Unterschied zwischen der Vgl. Pawlik, GA 1994, 595 f. Welzels Ansicht wurde in der Literatur als Adäquanztheorie bezeichnet, vgl. z. B. Hillenkamp, Probleme11, S. 61 f. 135 Welzel, Das deutsche Strafrecht11, S. 73; im Ergebnis Zielinski, AK § 15, 16 Rn. 64. 136 Welzel, Das deutsche Strafrecht11, S. 33 f. 137 Welzel, Das deutsche Strafrecht11, S. 73. 133 134

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h. M. und Welzel liegt nicht darin, ob der Fall der aberratio ictus – A will seinen Feind erschießen, trifft aber den daneben stehenden B – als adäquat angesehen werden kann oder nicht. Das Problem besteht vielmehr darin, ob die adäquate Kausalität für den Vorsatz ausreicht. Wie Welzel einräumt, steht die Zurechnung zur Fahrlässigkeit ebenfalls unter der Voraussetzung der adäquaten Kausalität.138 Sie ist eine notwendige Bedingung der Finalität139, aber nicht der einzige Grund für die vorsätzliche Vollendung. Deswegen ist die Bezeichnung als Adäquanztheorie einseitig und bedenklich. Die Meinung von Welzel ist wie folgt zu verstehen: Der Täter hat eigentlich den Willen, ein Objekt zu verletzen. Sofern die Entwicklung der Handlung adäquat, also im Rahmen der allgemeinen Lebenserfahrung ist, steuert der Täter die Handlung trotz der Abweichung, d. h. er lenkt tatsächlich noch wesentliche Züge des Geschehens. Innerhalb der Finalität wird die Identität des Objekts unwesentlich, wenn das gewollte und das tatsächlich angegriffene Objekt tatbestandlich gleichartig sind.140 Bei der aberratio ictus ist dies denkbar, z. B. wenn die Zielperson und der Dritte sich ganz nahe beieinander befinden. Ausgehend von dem oben dargestellten falschen Eindruck141 kritisieren Hillenkamp und Schreiber die Ansicht Welzels. Hillenkamp weist darauf hin, dass Welzel „auf den Nachweis der konkreten Übereinstimmung des finalen Handlungselementes des Vorsatzes mit der Tatrealisierung verzichtet und nur die Abweichung des Kausalverlaufes, nicht aber die Divergenz bezüglich des Tatobjektes ausreichend berücksichtigt“142. Welzel würde dem zweiten Argument wohl wie folgt widersprechen: Die Diskrepanz zwischen den tatbestandlich gleichwertigen Objekten sei irrelevant, wenn das Geschehen zu einem gewissen Grad in dem Steuerungsbereich des Täters abläuft. Schreiber143 kritisiert an Welzels Argument, bei der aberratio ictus fehle dem Täter die finale Überdetermination. Aber konsequent weitergedacht bedeutet Welzels Auffassung: Die Finalität setzt von Anfang an nicht voraus, dass der Täter das Geschehen bis ins kleinste Detail beherrscht. Schreiber sieht die aberratio ictus nicht als Unterfall des Kausalirrtums, weil es bei der aberratio ictus um zwei Objekte geht, jedoch beim Irrtum über den Kausalverlauf nur um eines. Schreiber begründet diese herrschende Meinung144 mit dem Argument, dass dem Täter die Beherrschung des Kausalverlaufs fehlt.145 Die Richtigkeit dieser Ansicht ist jedoch Welzel, Das deutsche Strafrecht11, S. 137. Für die Finalität bei den fahrlässigen Delikten kommt es „auf die Art und Weise der Steuerung und Lenkung der Handlung“ an, Welzel, Das deutsche Strafrecht11, S. 131. 140 Welzel, Das deutsche Strafrecht11, S. 73. 141 Siehe oben 1. a). 142 Hillenkamp, Die Bedeutung von Vorsatzkonkretisierung, S. 101. 143 Schreiber, JuS 1985, 873, 874; ähnlich S / S / Cramer / Sternberg-Lieben, Strafgesetzbuch27, § 15 Rn. 57; Samson, Strafrecht I7, S. 101. 144 Siehe oben 1. a). 138 139

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fraglich, denn der Irrtum über den Kausalverlauf bezieht sich stets auf das Problem der Geschehenslenkung durch den Täter. Die Zahl der getroffenen Objekte ist nur ein formeller Unterschied.146 Welzel hat nicht deutlich erklärt, warum die Finalität mit dem adäquaten Urteil zusammenhängt. Dieser Zusammenhang liegt darin, dass die sog. Finalität nicht allein von einem Willen im psychologischen Sinn entschieden wird. Die Adäquanztheorie wird von Zielinski weiter vertieft. Er verfeinert das Adäquanzargument, das in der Tat inhaltsleer ist, mit dem Argument, dass „der Tatverlauf innerhalb der Streubreite des vom Täter gesehenen Risikos bleibt“147. Welzel und Zielinski sehen die adäquate Kausalität nur als Argument für die Zurechnung zum Vorsatz bei tatbestandlich gleichartigen Tatobjekten. Es bleibt aber unklar, warum die aberratio ictus bei den tatbestandlich ungleichartigen Tatobjekten stets inadäquat ist. Wenn zwei tatbestandlich gleichartige Objekte ganz nahe nebeneinander stehen, soll ein Beschädigen desjenigen, auf das nicht gezielt wurde, noch adäquat kausal sein. Im Gegensatz dazu soll ein Beschädigen einer Sache, vor der eine Person ebenso nahe stand, nicht adäquat sein. Diese Lösung ist deswegen nicht ausreichend begründet.

b) Die sog. formelle Gleichwertigkeitstheorie aa) Gleichwertigkeit im Tatbestand und in der Vorstellung des Täters Nach der formellen Gleichwertigkeitstheorie kommt das Problem des Kausalverlaufs nicht in Betracht, weil eine adäquate Kausalität nach der traditionellen Auffassung schon beim objektiven Tatbestand geprüft werden muss. Der gleichwertige Erfolg spiele erst bei der Überprüfung des Vorsatzes eine wichtige Rolle. Es wird argumentiert, dass die abstrakte Formulierung des Tatbestands den Willen des Gesetzgebers verkörpere. Diese besage, dass nur ein gleichartiger Erfolg bei Tatbestandsverwirklichung verlangt wird, und deswegen der Irrtum der Individualisierung den Vorsatz nicht ausschließt.148 Von dieser Ansicht ausgehend sind aberratio ictus und error in objecto als rechtlich identisch anzusehen.149 Von einem anderen Ausgangspunkt, der subjektiven Seite des Täters, gelangt Kohler150 zum selben Ergebnis. Er schreibt: „Das Bestreben nach dem Konkreten Schreiber, JuS 1985, 873, 875. Samson hat dies mit Hilfe eines Schemas dargestellt, Strafrecht I7, S. 101; dieser Unterschied wird als hauptsächliches Argument von Schreiber genommen, JuS 1985, 873, 874. 147 Zielinski, AK § 15, 16 Rn. 64. 148 Finger, Strafrecht I3, S. 364; Frank, Strafgesetzbuch18, § 59, Anm. III, 2c; v. Liszt / Schmidt, Strafrecht AT26, S. 270; Noll, ZStW 77 (1965), 1, 5. 149 M. E. Mayer, Strafrecht AT2, S. 331. 150 Kohler, Leitfaden, S. 63. 145 146

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schließt immer zu gleicher Zeit das Bestreben nach dem Abstrakten in sich“. Aber von dieser Begründung wird nur das Abstrakte berücksichtigt. Ein Irrtum des Täters sei ohne Bedeutung, wenn er beispielsweise „einen Menschen töten wollte und dann einen Menschen getötet hat“151. Später vertritt Loewenheim, neu formuliert, einen ähnlichen Gedanken. Seine These lautet, wenn der Täter sich vorstellt, dass er ein bestimmtes Objekt angreift, dann hat er notwendig auch eine Vorstellung davon, dass ein Gattungsobjekt, zu dem das Ziel gehört, verletzt wird.152 Ein weiteres Argument Loewenheims betrifft den error in objecto des Angestifteten. Nach der h. M. werde die Anstiftung auch bei einem error in objecto des Angestifteten als vollendet behandelt, deswegen wäre es inkonsequent, wenn der Täter bei der aberratio ictus für den Versuch bestraft würde.153 Der Täter, der sich gegen seinen Feind richtet, weiß auch, dass er einen ,Menschen‘ verletzen will. Insofern liegt eine vorsätzliche Vollendung vor, wenn danach ein Mensch von der Kugel getroffen wird, obwohl er nicht die anvisierte Person ist. Innerhalb der gleichen Gattung wird die Identität ignoriert. Puppe hat in einem früheren Aufsatz154 auf einen wesentlichen Punkt hingewiesen, der von ihr als Grundsatz bezeichnet wird. Sie verlangt einen Mindestinhalt des Vorsatzes, der vom subjektiven Tatbestand bestimmt ist und beruft sich auf § 16 StGB, um festzuhalten, dass die subjektive Erfolgszurechnung eines Sachverhalts vorliegt, insofern dieser und die Tätervorstellung den gesetzlichen Tatbestand erfüllen. Deswegen ist die notwendige Tätervorstellung auf den Tatbestand und seine ergänzende Auslegung beschränkt. Damit sind außertatbestandliche Vorstellungen, Wünsche und Erwartung für die Vorsatzzurechnung für irrelevant erklärt. Aus dem für alle Fallkonstellationen geltenden Mindestinhalt folgert Puppe, dass die Identität des vom Täter avisierten Menschen auch irrelevant sein muss. Nur der Gesetzgeber, nicht der Täter, hat die Befugnis zu entscheiden, wie der subjektive Tatbestand erfüllt werden kann.155 Offensichtlich kann ein error in objecto deswegen nicht den Vorsatz ausschließen. Mit gleicher Begründung urteilt Puppe, dass die h. M. bei der aberratio ictus gegen diesen Grundsatz verstößt. Puppe behauptet auch, dass die Vorstellung, ein bestimmtes Objekt anzugreifen, dann logischerweise notwendig die Vorstellung darüber enthält, dass ein Gattungsobjekt verletzt wird156. Diese Ansicht erinnert an die Irrtumslehre, speziell die Gleichwertigkeitstheorie, von Loewenheim. Im Gegensatz dazu kritisiert Puppe an der herrschenden Konkretisierungstheorie, dass die Bedeutung der konkreten TatVgl. Kohler, Leitfaden, S. 64. Loewenheim, JuS 1966, 310, 312. 153 Loewenheim, JuS 1966, 310, 314 f. 154 Puppe, GA 1981, 1, 10; vgl. auch dies., Vorsatz und Zurechnung, S. 1 ff.; ähnlich Kuhlen, Die Unterscheidung , S. 483; Schroth, Vorsatz und Irrtum, S. 101 f. 155 Puppe, Vorsatz und Zurechnung, S. 10; dies., NK2, § 16 Rn. 99. 156 Puppe, GA 1981, 1, 11; dies., Vorsatz und Zurechnung, S. 10 ff. 151 152

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sachen an Mehrdeutigkeit und Vagheit leide.157 Insbesondere wenn Täter und Opfer sich nicht gegenüberstehen, sei der Maßstab der h. M. funktionslos. Die Unterscheidung sei auch nicht haltbar, weil nicht nur die aberratio ictus, sondern auch der error in objecto ein Kausalverlaufsirrtum sei.158 Die formelle Gleichwertigkeitstheorie stellt erkennbar die aberratio ictus mit dem error in objecto gleich und kritisiert deren unterschiedliche Behandlung. Wenn die Strafbarkeit von dem Versuch oder der Fahrlässigkeit in den Vorschriften nicht angeordnet ist, so ist das Ergebnis noch unbefriedigender, „da nämlich in den meisten Fällen entweder der Versuch oder die fahrlässige Vollendung nicht unter Strafe steht“159. bb) Würdigung und Kritik Mit der These der „konkretisierten Individualisierung“ hält die h. M.160 daran fest, dass nur das eigentliche Ziel vom Täter gewollt und der Versuch auch nur auf dieses gerichtet war. Deswegen umfasst der Vorsatz nur das Ziel, aber nicht den tatsächlich getroffenen Gegenstand. Es gibt beim Täter keinen allgemeinen Willen, der den getroffenen Gegenstand umfassen kann. Die Kritik von Koriath161 an der Gleichwertigkeitstheorie lautet, dass die Lehre des sog. Gattungsvorsatzes einen Fehler begeht, weil der Satz „A wollte B töten“ in der Tat zu einen anderen Satz „A wollte C töten“ umgedeutet wird, ohne dafür eine logische Begründung zu geben. Puppe162 widerspricht dieser Kritik zwar umgehend als Überinterpretation. Aber die Gattungsvorsatzlehre als Argument für die Vollendungslösung enthält in der Tat einen unbegründeten Schluss. Loewenheim hat die Tatsache, dass der Täter die Gattungszugehörigkeit seines Ziels unbedingt kennt, so beschrieben, dass der Täter es sich gattungsmäßig vorgestellt hat.163 Loewenheim unterstellt dem Täter diese Vorstellung. Das Fehlgehen der Tathandlung gegen einen Dritten hat sich der Täter bei der aberratio ictus überhaupt nicht vorgestellt bzw. es war für ihn nur „vorstellbar“. Mit folgendem Beispiel will Puppe164 die Kritik von Koriath widerlegen: Ein Terrorist, der in der Innenstadt eine Autobombe deponiert, die beliebige vorbeiPuppe, NK2, § 16 Rn. 99. 158 Puppe, GA 1981, 1, 17. 159 M. E. Mayer, Strafrecht AT2, S. 331. 160 Rudolphi, SK, § 16 Rn. 33, Vorsatz nur hinsichtlich des gewollten Versuchs, dieser Vorsatz kann nicht durch den allgemeinen Willen ersetzt werden; ähnlich S / S / Cramer / Sternberg-Lieben, Strafgesetzbuch27, § 15 Rn. 57. 161 Koriath, JuS 1997, 902 ff. 162 Puppe, JuS 1998, 287 f. 163 Loewenheim, JuS 1966, 310, 312. 164 Puppe, JuS 1998, 288; ebenso Daleman / Heuchemer, JA 2004, 460, 462; Heuchemer, JA 2005, 275, 279. 157

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gehende Passanten töten soll, würde vom Vorwurf der versuchten oder vollendeten vorsätzlichen Tötung freigesprochen, weil sein Vorsatz nicht auf einen B, C oder D individualisiert war. Dadurch kann Puppe allerdings nur beweisen, dass die Individualisierung für den Vorsatz keine Bedeutung hat, wenn der Täter von Anfang an sein Ziel nicht individuell bestimmt hat. Das ist auch unumstritten als unbestimmter Vorsatz anerkannt. Die Individualisierung des Objekts ist jedoch nach der h. M. keine feste Voraussetzung, um Vorsatz annehmen zu können (bei der aberratio ictus wird sie verlangt, beim error in persona für entbehrlich gehalten), sonst würde die h. M. auch die Versuchslösung beim error in persona akzeptieren. Das Problem, ob die Gattungsvorsatzlehre die Vollendungslösung ausreichend begründen kann, bleibt jedoch ungelöst. In der Tat kann man die formelle Gleichwertigkeitstheorie nur als dolus generalis165 verstehen.166 Der sog. Gattungsvorsatz hat für den Problembereich des Irrtums eine unglückliche Konsequenz: Alle traditionellen Fälle des Kausalverlaufsirrtums könnten von einem solchen Gattungsvorsatz umfasst werden, da nicht nur das Tatbestandsobjekt Gegenstand des Vorsatzes ist, sondern auch die Tatbestandsverwirklichung. Die Behauptung, dass der Täter Vorsatz im Hinblick auf eine Gattung, der die Zielperson angehört, besitzt, impliziert notwendig auch die These, dass der Vorsatz auch dann vorliegt, wenn die Vorstellung des Täters gattungsweise erfüllt wird. Diese These ist jedoch in dem Fall offensichtlich verfehlt, in dem der Kausalverlauf völlig außergewöhnlich ist. Beispielhaft schießt der Täter auf seinen Partner nach dem Streit in einer Wüste, die unbewohnt ist. Der Schuss trifft jedoch einen Dritten, der eine Pause hinter einem Felsen macht und seinen Kopf über den Felsen hinausschiebt, um dem Streit zu zuschauen. Der Täter möchte einen Menschen erschießen und tötet am Ende auch einen Menschen, obwohl die beiden Menschen nicht identisch sind; sie gehören aber zur gleichen Gattung, die von § 212 StGB erfasst wird. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Argumentation der formellen Gleichwertigkeitstheorie den von Welzel zuerst genannten Grund vernachlässigt und ausschließlich auf die formelle Gleichwertigkeit der Objekte abstellt. Aber das Problem bei der aberratio ictus ist nicht nur das Tatbestandsobjekt, denn der Gegenstand des Vorsatzes ist nicht nur das Tatbestandsobjekt, sondern der ganze objektive Tatbestand.

165 Hier ist nicht gemeint, dass es um verspäteten Erfolgseintritt geht, sondern um ein unbestimmtes Tatobjekt, siehe Otto, Strafrecht AT7, 7 / 16; vgl. auch das Sprengkörper-Beispiel von Loewenheim, JuS 1966, 310, 313. 166 Ebenso Baumann / Weber / Mitsch, Strafrecht AT11, 21 / 14. Köhler kritisiert scharf: „Der „generelle Vorsatz“ ist, gelöst von der einzelnen Besonderheit des Verletzungshandelns, ein der Ethik zugehörender Gesinnungssachverhalt, der die rechtliche Handlungsfolgenzurechnung nicht begründet“, Strafrecht AT, S. 154.

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2. Teil: Die relevanten dogmatischen Grundlagen der Irrtumslehre

c) Grundsatz der Vorsatzzurechnung und Vorsatzgefahr – Puppe Die Argumentation der h. M. basiert darauf, dass die aberratio ictus eine wesentliche Kausalabweichung ist. In der Auseinandersetzung mit dieser These entwickelte Puppe später die Theorie der Vorsatzgefahr und benutzt sie als zweiten Lösungsansatz für das Problem der aberratio ictus. Für die Vorsatzgefahr ist das Kriterium sehr konsequent. Die Zurechnung zum Vorsatz hängt davon ab, ob die Handlung des Täters auch eine qualifizierte Gefahr gegen ein später tatsächlich getroffenes Objekt herbeigeführt hat.167 Dazu differenziert Puppe zwischen den folgenden Konstellationen: Wenn der Täter eine sich in der Menschengruppe befindende Person anvisiert und auf seine Schießkunst vertraut, hat er eine Vorsatzgefahr für die anderen Personen geschaffen, die in der Nähe seines Ziels stehen. Deshalb kann die aberratio ictus hier nicht den Vorsatz ausschließen. Aber wenn die Zielperson sich in einer Zone, in der es normalerweise sehr selten Menschen gibt, befindet, habe der Täter keine Vorsatzgefahr geschaffen. Falls aberratio ictus vorliegt, wird der Täter wegen vorsätzlichen Versuchs und allenfalls fahrlässiger Vollendung in Tateinheit bestraft. Die Konsequenz stimmt bei diesem Fall mit der h. M. überein. Die Bemühungen von Puppe erweisen sich als Fortschritt in der Irrtumsproblematik. Denn es wird klar, dass es sich bei der Doppelindividualisierung nicht um eine psychische (innere) Frage, sondern um eine normative handelt. Schließlich unterscheidet sich die Theorie, die von Puppe für die Problemlösung entwickelt wurde, von der herrschenden Meinung nur geringfügig. Die Diskussion ist nach dem langen Streit wieder an den Ausgangspunkt zurückgekehrt. Spätestens seit dem 19. Jahrhundert ist es praktisch unbestritten, dass der Vorsatz nicht ausgeschlossen wird, wenn sich das Opfer in einer dichten Menschenmenge befindet, die innerhalb der Reichweite der Angriffswaffe liegt.168

3. Die differenzierende Lösung a) Materielle Gleichwertigkeitstheorie – Hillenkamp Hillenkamp geht von zwei Punkten aus: Erstens sei das Grundprinzip einer Mindestanforderung an den Vorsatz überzeugend. Die Individualisierung des Angriffsobjekts bleibt in der Motivebene, sofern der entscheidende Unrechtskern gleich ist und vom Täter erfasst wird. Es reicht dann für die Zurechnung zum Vorsatz aus, wenn die Vorstellung des Täters nur das von der Norm geschützte Genus deckt.169 Puppe, Vorsatz und Zurechnung, S. 49 ff.; dies., NK2, § 16 Rn. 104 ff. Oppenhoff, Das Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund, 1871, § 59, 3; ders., Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich10, § 59, 2. 169 Hillenkamp, Die Bedeutung von Vorsatzkonkretisierung, S. 108 ff. 167 168

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Zweitens sei das unvoreingenommene Rechtsgefühl ein Entscheidungskriterium. Auf der einen Seite widerspricht es dem Rechtsgefühl, zu sagen, dass der Täter bei der aberratio ictus einen nicht anvisierten Menschen vorsätzlich tötet, weil er einen Menschen töten will. Auf der anderen Seite erscheint es auch nach dem Rechtsgefühl angemessen, Vorsatz anzunehmen, wenn das Fehlgehen sich nur auf ein Fenster und das daneben liegende Fenster bezieht. Hillenkamp nimmt weder die herrschende Meinung noch die formelle Gleichwertigkeitstheorie auf. Im Anschluss an die Rechtsprechung des BGH, insbesondere den Fangbrief-Fall, entwickelt er eine materielle Gleichwertigkeitstheorie mit Rücksicht auf die Eigenschaft des Rechtsguts. Zum Fangbrieffall wird vom BGH festgestellt, dass das Rechtsgut des § 164 StGB, die Rechtspflege, verletzt wird, unabhängig davon, wer die Zielperson ist. Diesem Ergebnis entnimmt Hillenkamp zunächst, dass über die Verletzung von den individualitätsunabhängigen Rechtsgütern unabhängig von der Vorstellung des Täters entschieden werden muss. Gleichwertigkeit liege vor, wenn es um individualitätsunabhängige Rechtsgüter schützende Delikte geht. Obwohl bei gleichwertigen Objekten dem Täter in Fällen der aberratio ictus eine konkrete psychische Beziehung zum tatsächlich getroffenen Objekt fehlt, bedeute das nicht, dass überhaupt keine Vorstellung von diesem Objekt vorliegt, denn die konkrete Vorstellung umfasse stets das Wissen um die Zugehörigkeit des Objekts zu seiner Gattung. Dieser geistige Zusammenhang wird von Hillenkamp als „mitbewusste Gattungsvorstellung“170 bezeichnet. Weiter zieht Hillenkamp aus der Entscheidung vom BGH den Schluss, dass die Gleichwertigkeit bei individualitätsabhängigen Rechtsgütern ausgeschlossen sei.171 Es ist ein Verdienst Hillenkamps, dass die Gleichwertigkeit nicht ausschließlich im Hinblick auf den formellen Tatbestand betrachtet wird. Aber das Kriterium der Gleichwertigkeit, bei individualitätsabhängigen und -unabhängigen Rechtsgütern, bleibt dennoch bedenklich.172 Denn der Umkehrschluss von den individualitätsunabhängigen Rechtsgütern zu den individualitätsabhängigen Rechtsgütern ist logisch nicht gültig. Mit dem Rechtsgefühl zu argumentieren, kann den Gültigkeitsmangel auch nicht überwinden. Der Täter, der bei einem Steinwurf auf ein Fenster gezielt, aber das daneben liegende zerstört hat, wird wegen Zerstörung individualitätsunabhängiger Rechtsgüter für vorsätzliche Vollendung bestraft. Die Bewertung verläuft nicht anders als bei dem Täter, der mit einem Steinwurf auf das linke Auge zielt, aber das rechte verletzt.173 Wenn die individualitätsabhängigen Rechtsgüter Hillenkamp, Die Bedeutung von Vorsatzkonkretisierung, S. 125 f. Hillenkamp, Die Bedeutung von Vorsatzkonkretisierung, S. 112 ff. 172 Streng, JuS 1991, 910, 912 Fn. 27 kritisiert bereits das Kriterium Hillenkamps, weil es für die Kongruenz zwischen Tatunrecht und Taterfolg nicht auf den Unterschied bei den höchstpersönlichen Rechtsgütern ankomme. Auch kritisch gegenüber diesem Kriterium Geppert, Jura 1992, 163, 165. 173 Auch so Hoyer bei Kausalverlaufsabweichung zwischen linkem und rechtem Schlüsselbein des Opfers, Strafrecht AT I, S. 60 f. 170 171

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2. Teil: Die relevanten dogmatischen Grundlagen der Irrtumslehre

die Gleichwertigkeit ausschließen könnten, wäre es unklar, warum man bei dem error in persona noch von Gleichwertigkeit sprechen kann. Wenn man konsequent mit Hillenkamps Theorie argumentiert, kommt man bei folgendem Beispiel in beiden Fällen zum gleichen Ergebnis: Einmal weicht der gezielt auf ein Fenster eines Hauses geworfene Stein ab und zertrümmert ein anderes Fenster desselben Hauses. Beide Fenster wären individualitätsunabhängig und der Täter wegen einer Vorsatztat zu bestrafen. Ein anderes Mal wird das Seitenfenster eines plötzlich in die Wurfbahn fahrenden Autos statt des Hausfensters beschädigt. Hier in beiden Fällen zu einer gleichen rechtlichen Bewertung zu gelangen, wäre selbst nach dem von Hillenkamp angeführten Rechtsgefühl falsch.

b) Die Planverwirklichung – Roxin In Fällen der aberratio ictus ist der Maßstab der Planverwirklichung von den ontologischen und psychischen Tatsachen abhängig. So schreibt Roxin: „In der Regel nämlich ist der Tatplan auch bei objektiver Bewertung so sehr an das vom Täter ausgewählte Handlungsobjekt gebunden, dass die Tat bei dessen Verfehlung als misslungen angesehen werden muss [ . . . ]. Anders ist es aber, [ . . . ] wenn es nach dem Tatplan auf die Identität des Opfers nicht ankommt“174. Die Zurechnung zum Vorsatz bei einer Abirrung hängt deswegen davon ab, ob die Individualisierung für den Täter relevant ist oder nicht. In Fälle des error in persona betrifft diese Theorie eine grundlegende Frage, denn der Plan des Täters wird nicht erfüllt, aber nach Roxin soll dennoch eine vorsätzliche Vollendung vorliegen, d. h. die Personenverwechslung habe für die Planverwirklichung keine Bedeutung. Roxin begründet das damit, dass die Kenntnis des Täters nach normativer Betrachtungsweise vom Ort des Objekts zur Tatzeit entscheidend ist, und deswegen die Verwechslung keine Rolle spielen dürfe.175 Dieses Ergebnis basiere auf einer objektiven normativen Perspektive. Dagegen spricht jedoch entscheidend, dass der Maßstab von Roxin bei der aberratio ictus subjektiv und nicht normativ ist.

4. Gesamtwürdigung und Kritik Puppe fordert zu Recht die Ablehnung der sog. Konkretisierungstheorie. Die Individualisierung, die vom Täter vorgenommen wird und kein Tatbestandselement ist, hat keine Bedeutung bei der Tatbestandsverwirklichung. Eine solche Konkretisierung hat dann Bedeutung, wenn sie eine Rolle beim Risiko des Tat174 Roxin, Strafrecht AT I4, 12 / 165 f.; ähnlich Wolter, Leferenz-FS, S. 545, 552; ders., Objektive und personale Zurechnung, S. 103, 131 f. 175 Roxin, Strafrecht AT I4, 12 / 194 f.

§ 5 Doppelindividualisierungsirrtum bei der aberratio ictus

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bestandserfolgs spielt.176 Der Streit der Abgrenzung zwischen aberratio ictus und error in persona darf jedoch nicht auf die Kontroverse über den Gattungsvorsatz reduziert werden. Die Ebene, die den Gattungsvorsatz betrifft, gehört zur Logik. Es ist logisch gültig zu sagen, dass ein Feind und ein Dritter das gemeinsame Element des Menschseins haben. Es ist ebenfalls logisch gültig zu sagen, dass eine Person und irgendeine andere Person in der Welt dieses Element gemeinsam haben. Aber diese logische Perspektive kann allein kaum erklären, wann die während der Tatausführung erfolgte Abirrung des Schlags im Strafrecht gleich bewertet werden soll.177 Es ist widersprüchlich, auf der einen Seite von der logischen und wertfreien Figur des Gattungsvorsatzes überzeugt zu sein und gleichzeitig aber am Vorsatz als normativem Begriff festzuhalten, der aus einer bestimmten Wertung abgeleitet wird. Die Quelle des Streits kann auf den Vorsatzbegriff zurückgeführt werden: Der Vorsatz und seine beiden Komponenten werden von der h. M. als psychologische Fakten verstanden. Jede Unkenntnis bereitet Schwierigkeiten für die Feststellung des Vorsatzes. Der Wille beschränkt sich nach der h. M. darauf, was sich der Handelnde vorstellt. Ein psychologischer Vorsatzbegriff stimmt mit dem Wesentlichkeitskriterium überhaupt nicht überein. Das Dilemma ist: Es bestehen zwei Vorsatzbegriffe im Strafrecht, ein deskriptiver psychologischer Vorsatzbegriff und ein normativer Vorsatzbegriff im Sinne eines Zurechnungsbegriffs. Bei der Behandlung des Irrtums ist die h. M. wegen dieser Polarität kaum konsequent. Daher bleibt es zweifelhaft, ob man durch einen Vergleich mit der aberratio ictus zu einer Lösung für den Doppelindividualisierungsirrtum gelangen kann.

II. Der Doppelindividualisierungsirrtum jenseits der aberratio ictus 1. Die Bedeutung der sinnlichen Wahrnehmung bei der aberratio ictus Wir können die oben dargestellte Lehre bzw. die h. M. so zusammenfassen: Im Standardfall der aberratio ictus, bei dem der Täter ausschließlich seinen Feind zu erschießen versucht, beruht die Abirrung der Kugel auf einer Divergenz zwischen der Vorstellung des Täters und dessen Fähigkeit zur Kontrolle. Diese Vorstellung basiert auf der optischen, akustischen oder anderer sinnlichen Wahrnehmung, die der Täter am Tatort und zum Zeitpunkt der Ausführung hat. Ein solcher Irrtum kann wie folgt verstanden werden: Der Täter hat ein Problem mit der kognitiven Kenntnis, denn auf der Grundlage seiner sinnlichen Eindrücke ist er nicht imstande, den Geschehensverlauf völlig richtig zu prognostizieren und genau zu kontrolVgl. dazu auch, Geppert, Jura 1992, 163. Zur Kritik am Gattungsvorsatz wegen seines Logikcharakters bereits Hettinger, GA 1990, 531, 549. 176 177

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2. Teil: Die relevanten dogmatischen Grundlagen der Irrtumslehre

lieren. Diese Situation verhält sich ähnlich wie die, bei der ein Täter nicht weiß, dass das Ziel ein Mensch ist oder dass die Waffe echt ist. Dass der Täter bei der aberratio ictus nicht damit gerechnet hat, Dritte zu treffen, schließt den Vorsatz aus. Hinsichtlich der eigentlichen Zielperson ist die Tat gescheitert, deswegen liegt ein Versuch vor.

2. Objektive Prognose bei Doppelindividualisierungsirrtum Nach der h. M. ist es eine unverzichtbare Eigenschaft der aberratio ictus, dass der Täter bei dem Geschehen die Komponenten des Kausalverlaufs nicht vollkommen beherrschen kann. Es verhält sich anders bei den Konstellationen des Doppelindividualisierungsirrtums178: Im Bombenlegerfall sollte die Zielperson nach dem Tatplan des Täters ins Auto steigen und den Zündschlüssel betätigen, aber statt dessen tat das eine Dritte. Ein Auto als alltägliches Verkehrsmittel ist ständig auch für die Familienangehörigen verfügbar. Wichtiger ist, dass ein Auto als nützliche und wertvolle Sache stets von jemandem nach dem Abstellen wieder benutzt wird. Denken wir an den Telefonbeleidigerfall, bei dem der Täter nach dem Abnehmen des Hörers auf der anderen Seite sofort die beleidigenden Worte spricht. Es ist zweifellos so, dass auf der anderen Seite der Leitung jemand steht, der den Anruf entgegengenommen hat. Wir können deswegen den Schluss ziehen, dass in diesen Fällen trotz des Irrtums eine objektive Prognose besteht, die nicht nur für die objektive Zurechnung Bedeutung hat, sondern auch für die subjektive Zurechnung. Denn das unerwartete Geschehen ist nicht lediglich eine Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit, sondern eine Regelmäßigkeit oder Notwendigkeit. Aber diese objektive Prognose des Risikos hat der Täter zum Zeitpunkt der Tat nicht getroffen, weil er nur an die reibungslose Realisierung des Tatplans gedacht und geglaubt hat. Aufgrund dieser zwei Pole, nämlich der Prognose und der Unkenntnis, bleibt die Problemlösung auf Dauer umstritten. Es gibt auch Fälle des Doppelindividualisierungsirrtums, bei denen die oben genannte Regelmäßigkeit oder Notwendigkeit der Verwirklichung des gleichwertigen Tatbestands nicht besteht: Ein Einbrecher trinkt das Gift. Die Situationen müssen differenziert betrachtet werden. Trotzdem kann der Unterschied zwischen der aberratio ictus und dem Doppelindividualisierungsirrtum deutlich gemacht werden; die aberratio ictus ist ein Irrtum, der eine Abweichung von der durch die sinnliche Wahrnehmung gesteuerten Tatausführung ist, während dies beim Doppelindividualisierungsirrtum nicht der Fall ist. Der oben genannte Unterschied ist auflösbar, wenn man die aberratio ictus und den Doppelindividualisierungsirrtum wegen des Fehlgehens des Angriffs gegen einen Dritten gleichsetzt. Aber dann stehen wir vor dem Problem, wie dieser Irrtum zutreffend gelöst werden kann, da die Lösungsansätze, nämlich die zu der Kausal178

Vgl. Krey, Strafrecht AT I2, Rn. 397 f.

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abweichung, dem error in persona und der aberratio ictus, alle nur partiell überzeugend sind. Aus diesen Gründen muss die Grundlage der Vorsatzlehre und ihre Beziehung zur Irrtumslehre eingehend untersucht werden. Das geschieht im nachfolgenden dritten Teil.

Dritter Teil

Grundlagen der subjektiven Zurechnung und ihr Einfluss auf die Irrtumslehre § 6 Entwicklung der Vorsatzlehre und Meinungsstand Wenn man sich mit dem gegenwärtigen deutschen Strafrecht systematisch auseinandersetzen möchte, ist es angezeigt, von der Lehre Feuerbachs als Schwerpunkt auszugehen. Er, der zu den entscheidenden Begründern des modernen Strafrechts zählt, konstruiert eine umfangreiche systematische Theorie des Strafrechts – von der Straflehre bis hin zu allen einzelnen Themen. Feuerbach beeinflusste die heutige Vorsatz- und Irrtumslehre tiefgreifend, indem er ihr eine psychologische Grundlage gab und die Psychologie als eine der wichtigsten Hilfswissenschaften des Kriminalrechts etablierte.1 Um die Theorie Feuerbachs vollständig würdigen zu können, beginnt die folgende Untersuchung mit seinem Ausgangspunkt, seiner Straflehre.2

I. Feuerbach und der psychologische Vorsatzbegriff 1. Theorie des psychologischen Zwangs als Grundlage Die Zurechnungslehre Feuerbachs geht von einem psychologischen Bild des Individuums als Naturwesen aus. Feuerbach hat darauf im Anti-Hobbes wie folgt hingewiesen: „Der praktische Verstand [ . . . ] verfolgt nach Regeln und Grundsätzen die sinnlichen Zwecke des Menschen“3. Der Mensch als Lebewesen begeht das Verbrechen wegen des Antriebs aus der Lust oder dem Vermeiden der Unlust.4 Feuerbach untermauert seine bekannte Theorie des psychologischen Zwangs mit dem Ziel, einen Staatszweck zu erfüllen, nämlich die Rechtsverletzung zu vermeiFeuerbach, Bibliothek II, S. 193; vgl. Grünhut, Feuerbach und Zurechnung, S. 231 ff. Zusammenfassend Geisel, Feuerbach, S. 38 ff.; Naucke, Kant und Feuerbach, S. 39 ff.; Hardwig, Die Zurechnung, S. 47 ff. 3 Feuerbach, Anti-Hobbes, S. 218 f. 4 Wegen seiner Straftheorie müsste Feuerbach ein Anhänger des Determinismus sein; vgl. Grünhut, Feuerbach und Zurechnung, S. 78; Döring, Feuerbachs Straftheorie, S. 42; Hartmann, Feuerbachs Grundanschauungen, S. 107 f.; Holzhauer, Willensfreiheit und Strafe, S. 47 ff., 54. A.A. Altenhain, Keller-GS, S. 1, 8. 1 2

§ 6 Entwicklung der Vorsatzlehre und Meinungsstand

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den, indem der Staat die notwendige Maßnahme trifft.5 Allein der physische Zwang des Staats gilt ihm nicht als Lösung. Der physische Zwang hindere nicht die zuvor geschehene Rechtsverletzung, weil der Staat sie nicht prognostizieren kann. Der nachfolgende physische Zwang kann die unersetzlichen Rechte auch nicht hinreichend schützen.6 Neben dem physischen Zwang ist nach der Auffassung Feuerbachs noch ein psychologischer nötig, der „der Vollendung der Rechtsverletzung vorhergeht, und, vom Staate ausgehend, in jedem einzelnen Falle in Wirksamkeit tritt, ohne dass dazu die Erkenntnis der jetzt bevorstehenden Verletzung vorausgesetzt wird“7. Feuerbach begründet die Wirksamkeit des psychologischen Zwangs mit der These, dass der Ursprung aller Handlungen aus dem sinnlichen Antrieb des Menschen stamme. Der Mensch werde von der Lust an oder aus der Handlung angetrieben, das Verbrechen zu begehen. Das Verbrechen zu verhindern und die Lust aufzuheben seien identisch. Deswegen müsse ein größeres Übel angekündigt werden, um den Verbrechensantrieb zu unterdrücken. Feuerbach versteht die Strafe als eine Abschreckung, um den Menschen, ein von sinnlicher Wahrnehmung kontrolliertes Lebewesen, zu regulieren. Die Strafe sei deswegen ein zweckmäßiges Mittel, die Rechtsverletzung zu verhindern. Ein Mensch, der als potenzieller Täter durch Strafe bedroht wird, sei eine psychologische und biologische Einheit, „ein Naturwesen, das dem unabänderlichen Naturgesetz von Ursache und Wirkung unterworfen ist“8. Abschreckung setze voraus, dass der Täter von der Strafe und ihren (rechtlichen und tatsächlichen) Voraussetzungen Kenntnis erhalten und damit wider besseres Wissen gehandelt haben müsse. Diesbezüglich schreibt Köhler zutreffend; „[ . . . ] von persönlicher Schuld kann man eigentlich nicht sprechen. Es handelt sich lediglich um die subjektive Voraussetzung wirksamer Motivierung durch Androhung von Strafe“9.

2. Dolus und culpa Nach Auffassung Feuerbachs ist die Theorie des psychologischen Zwangs eine Theorie, die die Strafe als Abschreckungsmittel rechtfertigt. Die Abschreckung als psychologisches Phänomen, die einen Menschen vom Verbrechen abhält, setzt auch psychologische Bedingungen voraus. Sie sei nur unter den drei folgenden Voraussetzungen wirksam, nämlich „1. dass die That in seinem (des Täters) Willen Feuerbach, Lehrbuch14, § 8 ff.; vgl. Lesch, Verbrechensbegriff, S. 57 ff. 6 Feuerbach, Lehrbuch14, § 10 f. 7 Feuerbach, Lehrbuch14, § 12. 8 Feuerbach, Revision I, S. 320; schon ders., Anti-Hobbes, S. 216 ff. Köhler schreibt zutreffend: „Die Straftheorie des Androhungszwangs und ihr Bezug auf das sinnliche Begehungsvermögen zu rechtsverletzendem Handeln bedingen die Voraussetzungen der objektiven und der subjektiven Zurechnung.“ ARSP Beiheft 87, 67, 73. 9 Köhler, ARSP Beiheft 87, 67, 73. 5

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3. Teil: Grundlagen der subjektiven Zurechnung

gegründet und es ihm also physisch möglich ist, die That zu unterlassen, 2. daß das Bewußtseyn des Strafgesetzes und 3. daß die Überzeugung vorhanden ist, dass der Zweck, zu dessen Realisierung er sich bestimmen will, durch das Strafgesetz bedroht werde“10. Diese drei Elemente gelten nicht nur für dolus, sondern auch für culpa. Auch von diesem Ausgangspunkt aus wird die überlieferte Willensschuld in einem streng naturalistischen, psychologisierenden Sinne interpretiert.11 Das heißt: Unter Willen versteht Feuerbach ein „Begehrungsvermögen“, bzw. ein „unteres Begehrungsvermögen“12. Das untere Begehrungsvermögen, das ein Vermögen des Menschen als Naturwesen ist, kann entweder auf eine einfache Lust oder auf die Willkür, die von der Wahl und Abwägung der Mittel und des erstrebten Objekts abhängig ist, zurückgehen.

a) Dolus als Absicht Feuerbach13 erläutert die Definition des dolus durch die Beschreibung eines typischen Falles, den auch wir zweifellos dolus nennen würden: Ein Mensch, der von einem anderen beleidigt und deswegen in Wut gebracht wird, tötet den Beleidiger, um sich zu rächen. Dadurch zeigt Feuerbach, dass ein doloses Verbrechen folgende Elemente enthält: Der Täter tut willentlich etwas, um den Erfolg der Rechtsverletzung herbeizuführen. Und er begeht die Tat in dem Bewusstsein, dass seine Handlung gesetzwidrig ist. Feuerbach kommt zum Ergebnis, dass dolus eine Bestimmung des Willens zu einer Rechtsverletzung als Zweck ist, im Bewusstsein der Gesetzwidrigkeit ein Verbrechen zu begehen.14 Dolus unterscheidet sich nach Feuerbach von culpa zudem durch die Absicht. Mittels der oben genannten Induktion bekommt Feuerbach eine ontisch und psychisch fundierte Definition des dolus. Dolus „wird bestimmt durch Dasein einer sinnlichen Triebfeder“15. Auf der einen Seite wird nach der Meinung Feuerbachs eine Handlung eines Menschen, der sich im Zustand der schwersten Trunkenheit befindet, vom Dolusbegriff ausgeschlossen, denn der bewusstlose Betrunkene ist „wie eine aufgezogene Maschine, ohne alle Mitwirkung des Gemüts“16. Auf der anderen Seite schreibt Feuerbach, dass eine die Zurechnung ausschließende Feuerbach, Bibliothek II, S. 211 f. Feuerbach schreibt z. B.: „Die Bestimmung des Begehrens zur Uebertretung eines Strafgesetzes, mit dem Bewußtseyn der Uebertretung, ist der höchste und letzte Grund aller äußeren Strafbarkeit“, Revision II, S. 66. 12 Feuerbach, Revision II, S. 146 ff. Eingehend über die Unterscheidung Feuerbachs zwischen oberem und unterem Begehrungsvermögen siehe Bubnoff, Die Entwicklung des strafrechtlichen Handlungsbegriffes, S. 22 f. 13 Feuerbach, Bibliothek II, S. 196 f. Schon Stübel, System II, § 247 ff., 293. 14 Feuerbach, Lehrbuch14, § 54; ders., Bibliothek II, S. 199. 15 Feuerbach, Lehrbuch14, § 118. 16 Feuerbach, Bibliothek II, S. 198. 10 11

§ 6 Entwicklung der Vorsatzlehre und Meinungsstand

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schwerste Trunkenheit nur dann in Betracht kommt, wenn sie eine unverschuldete ist.17 Die psychologische Strafrechtslehre vermischt sich bei Feuerbach mit dem Schuldprinzip innerhalb eines Zurechnungssystems. Diese Vermischung ist allerdings nicht harmonisch, sondern widersprüchlich. Denn ein vorsatzausschließender Grund ist auch ein Entschuldigungsgrund im weiteren Sinne. Der psychologische Ausgangpunkt und die dadurch festgelegte Definition des dolus stehen nicht im Einklang mit dem normativen Element des Vorsatzes. Feuerbach differenziert dolus auf zwei Arten: Die erste ist der bestimmte dolus, nämlich dolus determinatus, d. h. unmittelbar und ausschließlich den gesetzeswidrigen Erfolg als Zweck herbeizuführen. Der zweite Typus ist der unbestimmte dolus, nämlich dolus indeterminatus, der eventuellen und alternativen dolus enthält.18 Das heißt: Dem Täter könnten beide möglichen Erfolge, Körperverletzung oder Tod des Opfers, gleichermaßen genügen, wenn er auf das Opfer schießt. Nach Feuerbach hat der Täter beim dolus indeterminatus auch Absicht, da beide möglichen Folgen ihm gleichgültig sind. Hingegen wird der Begriff „dolus indirectus“ von Feuerbach nicht anerkannt, weil in seiner Definition des dolus eine Absicht zur Rechtsverletzung notwendig ist.19 Diese Differenzierung ist zweifelhaft, denn, wie Löffler20 zutreffend kritisiert, ist die Gleichgültigkeit beim dolus indeterminatus etwas anderes als eine „Bestimmung des Willens zu der Rechtsverletzung als Zweck“. Feuerbach löst den Begriff des dolus stillschweigend von dem der Absicht.

b) Culpa als ein Unterbegriff der Willensschuld Obwohl die culpa nach Feuerbach21 eine gesetzwidrige Bestimmung des Willens ist, werde die Rechtsverletzung ohne Absicht herbeigeführt. Anders als die Unterscheidung von bewusster und unbewusster Fahrlässigkeit wird die culpa von ihm in zwei Gruppen geteilt, nämlich unmittelbare Fahrlässigkeit und mittelbare. Für die Mittelbarkeit bzw. Unmittelbarkeit komme es darauf an, ob dem Handelnden die Möglichkeit des Eintritts eines nicht gezielt angestrebten Erfolgs bewusst war.22 Feuerbach, Lehrbuch14, § 90. Feuerbach, Lehrbuch14, § 59. Nach dem Dolusbegriff von Feuerbach würde sogar dolus directus im heutigen Sinne vom Vorsatzbegriff ausgeschlossen, Puppe, ZStW 103(1991), 1, 26. 19 Feuerbach, Bibliothek II, S. 235. Zum Begriff dolus indirectus ausführlich Jakobs, ZStW 114 (2002), 584, 589; vgl. unten vierter Teil § 10 II. 2. c). 20 Löffler, Die Schuldformen, S. 217; schon Geßler, Begriff und Arten des Dolus, S. 58 f. Löffler schreibt sogar: „In Wahrheit ist er (Feuerbach) weit abhängiger von den bei Gelegenheit des dolus indirectus entwickelten Rechtsgedanken, als er glaubt“, Die Schuldformen, S. 215; ebenso Rengier, Erfolgsqualifizierte Delikte, S. 18 ff. 21 Feuerbach, Lehrbuch14, § 54; ders., Bibliothek II, S. 204. 17 18

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3. Teil: Grundlagen der subjektiven Zurechnung

Es ist bedeutsam, die sog. mittelbare Fahrlässigkeit genauer zu betrachten, denn bei ihr geht es um die verantwortete Unfähigkeit. Die mittelbare Fahrlässigkeit entsteht entweder dadurch, dass der Handelnde selbst in einer Situation, z. B. Trunkenheit, unfähig ist, den Willen zu steuern, um das Strafgesetz zu befolgen. Auch tritt die mittelbare Fahrlässigkeit ein „durch Unterlassung des Gebrauchs der dem Handelnden zu Gebot stehenden Mittel und Erkenntniskräfte zur Erlangung richtiger Einsicht in die Beschaffenheit seiner Handlung“23. Diese „Unterlassung“ wird als solche bezeichnet, wenn der Handelnde die Gefährlichkeit seiner Handlung nicht umsichtig abschätzt oder diese wegen Verbotsirrtums für rechtmäßig angesehen hat. Es ist zweifelhaft, wie Feuerbach nach seiner Theorie konsequent begründen will, dass eine in Unwissenheit herbeigeführte Handlung gleichzeitig auch eine willentliche sein kann. Insbesondere bei der ersten Form der mittelbaren Fahrlässigkeit ist der Handelnde unfähig, seinen Willen zu beherrschen. Psychologisch betrachtet ist der Handelnde in dieser Situation nicht in der Lage, einen eigenen Willen zu bilden. Deswegen darf diese Form der mittelbaren Fahrlässigkeit nicht bei „culpa“ als ein Unterbegriff der Willensschuld eingeordnet werden. Diese Schwierigkeit ist dadurch überwunden worden, dass Feuerbach am Ende einräumen musste, dass es für die Grundlage der Strafbarkeit der mittelbaren Fahrlässigkeit nicht auf die psychischen Elemente ankommt, sondern auf die normativen. Der Maßstab der Zurechnung ist, ob der Handelnde den Irrtum verschuldet hat oder nicht. Eine auf der Psychologie basierende Theorie im Strafrecht kann er also letztlich nicht durchhalten.

3. Vorsatz-Fahrlässigkeit-Kombination Für den Fall, dass der Täter seine Handlung nur im Hinblick auf einen bestimmten Erfolg unternimmt, dadurch aber ein anderer Erfolg entstanden ist, hat Feuerbach eine dritte Schuldform erfunden, nämlich die culpa dolo determinata. Diese Kombination entspricht dem unterschiedlichen Gemütszustand des Täters bei Erreichung des einen oder des anderen Erfolgs. Zwar wird der Begriff „dolus indirectus“ von Feuerbach abgelehnt, aber die von ihm erfundene Rechtsfigur der culpa dolo determinata ist nichts anderes als eine psychologische Beschreibung des dolus indirectus. Selbst, wenn ein Täter Weiterungen seiner Tat für möglich gehalten und seine Tat dennoch nicht aufgegeben hat, könne man, so Feuerbach24, daraus noch nicht ableiten, dass er den weiteren Erfolg gewollt hat. D. h. mit der Negation der psycho22 Die Auffassung von Köhler, dass die culpa nach Feuerbach nur als bewusster Normbruch strafbar sein könne, stimmt nicht. Denn Feuerbach kennt die mittelbare Fahrlässigkeit als Form der culpa, in der dem Täter die Strafbarkeit oder die Gefährlichkeit seiner Handlung nicht bewusst gewesen ist; vgl. Köhler, ARSP Beiheft 87, S. 67, 73. 23 Feuerbach, Lehrbuch14, § 57. 24 Feuerbach, Bibliothek II, S. 238, 241.

§ 6 Entwicklung der Vorsatzlehre und Meinungsstand

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logischen Grundlage hat Feuerbach an seiner Ablehnung der Annahme eines Vorsatzes in solchen Fällen festgehalten.25 Hier zeigt sich die Inkonsequenz des Sprachgebrauchs: Der zweite Teil dieser Schuldform wird von Feuerbach culpa genannt, weil der Täter die Weiterungen nicht „gewollt“ hat. Aber in seiner eigenen Definition ist „culpa“ eine gesetzwidrige Bestimmung des Willens. Der von Feuerbach verfasste Artikel 4126 Strafgesetzbuch für das Königreich Baiern von 1813 spiegelt eine andere Auffassung wider: Der durch die Handlung des Täters entstandene und absehbare, aber ungewollt schwere Erfolg ist als Vorsatztat zu bestrafen. Manche Autoren27 sahen in diesem von Feuerbach formulierten Artikel eine Form des dolus eventualis. Aber diese Erklärung ist fragwürdig, da der dolus eventualis bei Feuerbach eine unbestimmte Absicht oder Gleichgültigkeit voraussetzt, also dass die möglichen Folge für den Täter gleichwertig sind. Der Artikel wurde auch als Beweissatz ausgelegt.28 Diese Auslegung ist ebenfalls nicht plausibel, da Feuerbach bei diesem Artikel keinen Gegenbeweis zulässt. In der Anmerkung29 von Feuerbach können wir lesen, dass er mittels dieses Artikels das in der Wissenschaft heftig umstrittene Problem der Vorsatzformen lösen wollte. Feuerbach wollte dem Artikel 41 bereits eine materiellrechtliche Bedeutung geben. Deutlicher schreibt er in der Anmerkung30, dass der rechtswidrige Vorsatz alles umfasst, „was nach allgemein bekannter Erfahrung aus der Handlung notwendig und unmittelbar zu erfolgen pflegt“. Diese Formulierung Feuerbachs in den Anmerkungen steht der von ihm unter anderem in seinem Lehrbuch kritisierten Lehre des dolus indirectus näher als die oben genannten zwei Erklärungen.31 Löffler, Die Schuldformen, S. 215. Der Artikel 41 Strafgesetzbuch für das Königreich Baiern von 1813 lautet: „Wer mit dem Vorsatze, ein Verbrechen zu bewirken, einen Handlung unternommen hat, woraus eben so leicht ein größeres als ein geringeres Verbrechen entstehen kann, ist in Ansehung des daraus entstandenen Verbrechens als vorsätzlicher Uebelthäter zu bestrafen, und soll mit dem Vorwande, daß eine Absicht nur auf das geringere Verbrechen gerichtet gewesen sei, nicht gehört werden“. 27 Z. B. Löffler, Die Schuldformen, S. 243; Grünhut, Feuerbach und Zurechnung, S. 212. Diese Meinung hat einen Hintergrund: Wie Geßler (Begriff und Arten des Dolus, S. 59 f.) und Löffler (Die Schuldformen, S. 215) ausgeführt haben, hat Feuerbach selbst beide oft gleichgestellt (z. B. Lehrbuch6 § 59 Fn. b; Kritik II, S. 41 ff.); ebenso Rengier, Erfolgsqualifizierte Delikte, S. 19 f. 28 Z. B. Arnold, Arch. d. Criminalrechts. N. F., 1843, S. 512, 531 ff. 29 „Durch diese Bestimmungen sind jene in der Rechtslehre bekannten Streitigkeiten über die verschiedenen Einteilungen und Unterabteilungen über den so genannten indirekten, alternativen oder indeterminierten Dolus oder über die durch Dolus determinierte Culpa u. d. glücklich gehoben, welche bisher die Wissenschaft verwirrt, die Praxis irre geleitet, den Verbrechern zum Zufluchtsorte gedient haben“, Anmerkungen zum Strafgesetzbuche für das Königreich Baiern nach den Protocollen des königlich geheimen Raths, I. 1813, S. 154. 30 Anmerkungen zum Strafgesetzbuche für das Königreich Baiern nach den Protocollen des königlich geheimen Raths, I. 1813, S. 152. 31 Ebenso Rengier, Erfolgsqualifizierte Delikte, S. 22 f.; vgl. Küpper, Der ,unmittelbare‘ Zusammenhang, S. 19 f. 25 26

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3. Teil: Grundlagen der subjektiven Zurechnung

4. Normativer Vorsatzbegriff? Neben dem Artikel 41 ist auch der Artikel 4332 Strafgesetzbuch des Königreichs Baiern von 1813 bemerkenswert. In diesem liegt eine gesetzliche Vermutung des Vorsatzes als praesumtio doli, die sich ebenfalls in früheren Auflagen des Lehrbuchs von Feuerbach finden lässt. Obwohl er eine philosophische Begründung für die These der praesumtio doli gibt33, wurde diese heftig als Verdachtsstrafe kritisiert.34 In späteren Auflagen des Lehrbuchs gibt Feuerbach die These der praesumtio doli auf, indem er die freie Beweiswürdigung von Indizien für dolus und culpa anerkennt.35 Diese Wende wird schon in seinem Entwurf zum bayerischen Strafgesetzbuch aus dem Jahre 1824 deutlich: Viertes Hauptstück, Art. 336. In diesem Artikel wird auf die Erwähnung eines Gegenbeweises verzichtet. Neben dieser Regelung besteht eine bedeutsame Bestimmung im Entwurf, nämlich im Artikel 237. Dieser Artikel kann auf die Artikel 40, 41, 44 Strafgesetzbuch des Königreichs Baiern von 1813 zurückgeführt werden. Im Artikel 2 fehlt der Satz über Gegenbeweise. Stattdessen taucht ein Satz auf, der die Vorsatzzurechnung deutlich bestätigt; „obgleich der Verbrecher jenes Erfolges wegen die Handlung nicht begangen haben will“. Als Beweisregelung lässt sich Art. 2 nicht verstehen, da sich dann die Artikel 2 und Artikel 3 decken würden. Vielmehr ist der Artikel 2 eine Fortentwicklung, ein Verallgemeinern des Artikels 41 aus dem bayerischen Strafgesetzbuch von 1813. Schubert38 bemerkt zutreffend, „daß Feuerbach 32 Der Artikel 43 lautet: „Bei einer wider eine Person erwiesenen gesetzwidrigen That, wird gesetzlich angenommen, daß dieselbe aus rechtswidrigem Vorsatz gehandelt habe, soferne nicht aus den besonderen Umständen die Gewissheit oder Wahrscheinlichkeit des Gegenteils sich ergiebt“. 33 „Da bey jeder Handlung eines Menschen Absicht der nächste Erklärungsgrund, vermöge der Natur des menschlichen Geistes, seyn muss, mithin die Hervorbringung einer Wirkung durch willkührliche Handlung, ohne dass jene Wirkung Zweck der Willkühr gewesen, nur eine besondere Ausnahme von einer allgemeinen Regel ist [ . . . ]“, Feuerbach, Lehrbuch6, § 60 (Hervorhebung original). Dieser Gedanke ist auf Grolman (Bibliothek, S. 74) zurückzuführen. 34 Wenig, Neues Archiv des Kriminalrechts, 2 (1818), 194 ff., 197 f. Vgl. Mittermaier in: Feuerbach, Lehrbuch14, § 87 Note I und II; Grünhut, Feuerbach und Zurechnung, S. 212; v. Hippel, VDAT III, S. 458; Henkel, Eb. Schmidt-FS, 578, 581 ff.; Grobe, ZStW 78 (1966), 59 ff. 35 Feuerbach, Lehrbuch9, § 87. 36 Schubert, Feuerbachs Entwurf für das Königreich Bayern aus dem Jahre 1824, S. 252. 37 Feuerbach definiert die Bedeutung des Vorsatzes im Art. 1. Danach schreibt er in Art. 2: „Auch dasjenige Verbrechen ist zu rechtswidrigem Vorsatze zuzurechnen, welches 1) zwar in einem nicht zurechnungsfähigen Zustande verübt worden ist, in welchen sich aber der Verbrecher, um die beschlossene Tat auszuführen, absichtlich versetzt hat; imgleichen 2) jeder rechtswidrige Erfolg einer in verbrecherischer Absicht unternommenen Handlung, welcher, nach allgemein bekannter Erfahrung, als notwendige oder leicht mögliche Wirkung jener Handlung vorauszusehen war, obgleich der Verbrecher jenes Erfolges wegen die Handlung nicht begangen haben will“. Zitat aus Schubert, Feuerbachs Entwurf für das Königreich Bayern aus dem Jahre 1824, S. 252.

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sich im Entwurf von diesen prozessualen Anklängen befreit hat“. Bei Art. 2 handelt es sich also um eine Theorie über die subjektive Zurechnung, die nicht mehr auf psychologischer, sondern auf normativer Basis steht. Zum einen umfasst die Regelung die actio libera in causa, damit dem Täter sein Handeln noch zum Vorsatz zugerechnet werden kann. Zum anderen besagt die Regelung, dass die nach der Erfahrung notwendigen oder höchst wahrscheinlichen Folgen aus der mit Absicht ausgeführten Handlung dem Täter auch als vorsätzlich zugerechnet werden können, obwohl er die Folgen nicht verwirklichen wollte. Natürlich ist es ein Widerspruch zum eigentlichen Standpunkt Feuerbachs, wenn der Art. 2 nun statt des psychologischen Vorsatzbegriffs einen normativen enthält. Aber letzterer erscheint in der Tat folgerichtig. Denn wenn Feuerbach39 die Handlung des Täters, die absichtlich dessen eigene Zurechnungsunfähigkeit herbeiführt, schon als vorsätzlich bezeichnet, dann ist es für den Vorsatz nicht relevant, ob ein Gegenbeweis dafür vorhanden ist, dass der Täter bei der späteren Ausführung noch die Fähigkeit der Einsicht besitzt. Deswegen kann man feststellen, dass Feuerbach hier das Vorsatzproblem richtigerweise mit dem Verantwortungsproblem verknüpft. Die Zurechnung zum Vorsatz könnte aufgrund der Eigenschaft der Handlung und ihres Zusammenhanges mit dem Erfolg beurteilt werden und unabhängig von der Vorstellung des Täters sein. Durch den Artikel ist die Grundlage einer psychologischen Vorsatzlehre erschüttert, ja zerstört.

5. Die psychologische Vorsatzlehre nach Feuerbach Feuerbach begründet die Rolle der Psychologie in der Strafrechtsdogmatik in Zusammenhang mit der Interpretation des Vorsatz- und Fahrlässigkeitsbegriffs. Obwohl diese Tendenz durch die Hegelschule40 kurz unterbrochen wurde, hat sie als Teil der Strömung der Naturwissenschaft immer existiert. Später wurde die Strafrechtsdogmatik durch die Betonung der Kausalität bei Luden41 neu formuliert: In der ersten Stufe seiner Dreigliederung des Verbrechensbegriffs42 ist die Handlung verbrecherisch, die durch den Kausalzusammenhang eine „Erscheinung“, also eine Veränderung der äußeren Welt, bestimmt. Das Problem von Vorsatz und Fahrlässigkeit ist nach Luden auf der dritten Stufe, nämlich bei der Schuld, zu behandeln. Wie bei Feuerbach ist der Vorsatz für Luden auch ein SynoSchubert, Feuerbachs Entwurf für das Königreich Bayern aus dem Jahre 1824, S. 102. Feuerbach, Lehrbuch14, § 88. 40 Zur Hegelschule seit Abegg zusammenfassend Bubnoff, Die Entwicklung des strafrechtlichen Handlungsbegriffes, S. 36 ff. 41 Luden, Abhandlung II, S. 216. 42 Luden teilt den Verbrechensbegriff in drei Stufen: Erstens ist eine verbrecherische Erscheinung, die durch menschenliche Handlung verursacht wird erforderlich. Zweitens geht es darum, ob diese Handlung rechtswidrig ist. Drittens handelt es sich darum, ob diese Handlung dolose oder culpose ist, Abhandlung II, S. 110, 130. 38 39

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nym von Absicht, aber er setzt voraus, dass der Täter den Kausalzusammenhang für gewiss hält.43 Wenn der Täter den Eintritt eines Erfolgs nur als möglich annimmt, dann liege Fahrlässigkeit vor, ohne dass Luden zwischen dolus eventualis und bewusster Fahrlässigkeit unterscheidet. Die psychologische Tatsache dominiert als Kriterium wieder die subjektive Zurechnung. Denn Luden vernachlässigt, wie Bubnoff44 zutreffend ausführt, die subjektive Wertentscheidung des Täters gegenüber dem für möglich gehaltenen Eintritt des Erfolgs. Bei Merkel45 ist der Vorsatzbegriff „farblos“, da seiner Ansicht nach auch ein löblicher Wille unter Vorsatz subsumiert werden kann. Diese Tendenz der Psychologisierung des Fahrlässigkeits- und Vorsatzbegriffs setzte sich fort, insbesondere weil die naturalistisch-psychologische Schuldtheorie46 von einigen wichtigen Autoren aufgenommen wurde. Der Maßstab der sozialen Bewertung des Täters stellt auf psychische Tatbestände ab, „die eine Handlung als unverfälschten Ausdruck der Eigenart des handelnden Individuum erscheinen lassen“47. Die Schuld sei nichts anderes als eine psychische Beziehung zwischen Willen und Erfolg. Die beiden Schuldformen Fahrlässigkeit und Vorsatz bezeichneten nur zwei Bewusstseinzustände. Zusammenfassend sind Fahrlässigkeit und Vorsatz nach dieser Lehre wie folgt zu verstehen: Der Vorsatz ist „ein wirklicher psychischer Zustand“48. Die Fahrlässigkeit ist „nicht nur ein wirklicher Seelenzustand, sondern auch die Abweichung dieses wirklichen Seelenzustandes vom normalen, richtigen“. Auf der anderen Seite bedeutet die Auffassung der Autoren, welche die psychologische Schuldtheorie nicht vertreten, beim Vorsatzproblem jedoch keinen deutlichen Unterschied zu derjenigen der Anhänger der Lehre des Psychologismus. Z. B. vertritt Frank49 einen natürlichen Vorsatzbegriff, der als die konkrete psychische Beziehung zu den äußeren Tatumständen definiert wird. Mezger50 ist der Ansicht, dass der Vorsatz eine „Doppelbedeutung“ besitze. Das heißt, dass die normative Bestimmung des Vorsatzes anders als die von Fahrlässigkeit sei, und dass bei diesem Unterschied der Sachverhalt der Maßstab sein müsse. Daher sind beide Kategorien „Wertwelt“ (d. h. das Schuldurteil zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit) und „Objekt der Wertung“ (d. h. der Sachverhalt) in einem Begriff vermischt. Der PsyLuden, Abhandlung II, S. 529 f. Bubnoff, Die Entwicklung des strafrechtlichen Handlungsbegriffes, S. 98. 45 Merkel, Verbrechen und Strafe, 104. 46 v. Liszt, Lehrbuch8, S. 54; Löffler, Die Schuldformen, S. 4 f.; vgl. Kohlrausch, Irrtum und Schuldbegriff, S. 1; zusammenfassend Achenbach, Schuldlehre, S. 62 ff. 47 Löffler, Die Schuldformen, S. 5. 48 Radbruch, ZStW 24 (1904), 333, 344. 49 Frank, Aufbau des Schuldbegriffs, S. 521, 530; ähnlich Dohna, GS 65 (1905), 304, 314; Hegler, ZStW 36 (1915), 184, 199 ff.; Goldschmidt, Der Notstand, S. 12 ff., 19 f.; ausführlich Achenbach, Schuldlehre, S. 97 ff. 50 Mezger, LK8, § 59 Anm. 7 f. Ähnliche Position v. Hippel, Deutsches Strafrecht II, S. 279, 308 f. 43 44

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chologismus beeinflusst fortwährend das Verstehen des Fahrlässigkeits- und Vorsatzbegriffs. Die oben kurz beschriebene Entwicklungsgeschichte des Vorsatzbegriffs zeigt, dass dieser seit Feuerbach weiter psychologisiert wird. Diese Fortentwicklung kann nicht nur auf die Nachwirkung der Lehre Feuerbachs, sondern auch auf den großen Fortschritt der Psychologie51, die von Feuerbach als eine der wichtigsten Hilfswissenschaften des Kriminalrechts erkannt wird, zurückgeführt werden. Es bleibt allerdings fragwürdig, ob diese mit Hilfe der Psychologie entwickelte Lehre der subjektiven Zurechnung mit dem System der Strafrechtswissenschaft wirklich harmonisieren kann. Diese Frage wird anschließend zusammen mit den gegenwärtigen Diskussionen über die Vorsatzdefinition weiter untersucht.

II. Wesen und Ratio der Vorsatzbestrafung in der jüngeren Diskussion Die Theorie Feuerbachs hat Spuren in der gegenwärtigen Vorsatzlehre hinterlassen. Die Begriffe der subjektiven Zurechnung, die auf die Sittenlehre zurückzuführen sind, wurden aus dem Strafrecht verbannt oder psychologisiert. Der Streit zwischen den Vorsatzlehren ist nichts anderes als der Kampf zwischen Gegnern und Befürwortern des theoretischen Erbes Feuerbachs. Es ist erforderlich, die Ausgangsfrage über den Vorsatz zu erörtern, nämlich, was das Wesen des Vorsatzes im Strafrechtssystem ist, und wo der Grund für die Vorsatztat als schwerere Bestrafungsform liegt. 1. Vorsatz als Entscheidung zur Rechtsgutsverletzung a) Vorsatz als Planverwirklichung Nach Auffassung von Roxin ist der Vorsatz die Entscheidung für die mögliche Rechtsgüterverletzung.52 „Ein Erfolg ist als vorsätzlich herbeigeführt anzusehen, wenn und weil er bei objektiver Bewertung dem Plan des Täters entspricht“53. Diese Begriffsbildung wird von Roxin54 selbst als ,volitiver Normativismus‘ bezeichnet. Diese Erklärung kommt aus der Überzeugung, dass die Legitimation der schwereren Bestrafung des Vorsatzes auf einem Schuldunterschied basiert, der notwendig alle schuldrelevanten Umstände einbezieht und deswegen nicht allein mit kognitiven Elementen begründet werden kann. Vgl. Ambrosius, Untersuchung zur Vorsatzabgrenzung, S. 17 ff. Roxin, Strafrecht AT I4, 12 / 21 ff.; zuletzt ders., Rudolphi-FS, 243, 244. Ebenso Rudolphi, SK, § 16 Rn. 39. 53 Roxin, Strafrecht AT I4, 12 / 6. 54 Roxin, Rudolphi-FS, 243, 248 f. 51 52

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Roxin nimmt an, dass diese Definition bei der Absicht und beim direkten Vorsatz offensichtlich ist. Für den dolus eventualis dagegen bedarf er noch einer weiteren Erklärung, denn der Täter hat eigentlich nicht den Plan, das Objekt zu verletzen. Im Lederriemenfall sollen die Täter wegen vorsätzlicher Tötung bestraft werden, weil „sie den Tod des Opfers ,einkalkuliert‘, zum Bestandteil ihres Plans gemacht und insofern ,gewollt‘“55 haben. Es wäre jedoch falsch, aus diesem Fall zu schließen, dass der Tod des Opfers wegen dessen bloßer Möglichkeit ein Teil des Tatplans geworden und vom Täter gewollt ist. Es ist noch bedenklicher, wenn man die Vorbeugungshandlung zum Schutz des Opfers während des Verlaufes betrachtet. Um diesen Zweifel zu beseitigen, beschreibt Roxin die negative Seite seines Planbegriffs. Der Plan an sich genügt nach Roxin, weil der Täter die Tatbestandsverwirklichung einkalkuliert hat, den Plan nicht abbricht und deswegen eine Entscheidung für die Rechtsgutsverletzung getroffen hat.56 Der Planbegriff wird stillschweigend umgedeutet: Bei der Absicht und beim direkten Vorsatz handelt es sich beim „Plan“ um den Tatplan des Täters. Hingegen wird bei dolus eventualis von Roxin ein Plan postuliert: Der Täter hat einen Plan, weil er einen anderen Plan nicht aufgibt. Diese negative Definition von dolus eventualis taugt nicht als plausible Lösung, um dolus eventualis und bewusste Fahrlässigkeit voneinander abzugrenzen. Denn ein Autofahrer, der trotz der Warnung seines Beifahrers in riskanter Weise überholt, wird von Roxin57 nicht als Täter mit dolus eventualis bezeichnet, obwohl diese Handlungsweise durchaus seiner negativen Definition entspricht, da der Täter die mögliche Tatbestandsverwirklichung sieht und den Plan nicht abbricht.58 Schließlich ist ein anderes Argument für die Begründung der bewussten Fahrlässigkeit nötig, nämlich, dass der Täter auf seine Fahrgeschicklichkeit vertraut. Die Frage, ob ein Täter bei bewusster Fahrlässigkeit keine Entscheidung gegen das Rechtsgut getroffen hat, bleibt unbeantwortet. Roxin will mit dem von ihm angeführten Beispielsfall zeigen, dass der Täter selbst das erste Opfer seiner Handlung sein könnte, seinen Plan aber wegen des Vertrauens auf den guten Ausgang fortsetzt und sich deswegen nicht für die Verletzung des Rechtsguts entscheidet.59 Es ist nach der Alltagserfahrung ein zutreffendes Argument, dass niemand sich bewusst selber schädigt. Wenn Roxin damit jedoch Recht hätte, würde die bewusste Fahrlässigkeit auf die Konstellationen beschränkt, in denen ein Rechtsgut des Täters involviert ist. Deshalb ist dies kein strafrechtlich stichhaltiges Argument. Die Anführungszeichen sind original, Roxin, Strafrecht AT I4, 12 / 22. Roxin, JuS 1964, 53, 59; ders., Strafrecht AT I4, 12 / 23. 57 Roxin, Strafrecht AT I4, 12 / 23. 58 Schroeder kritisiert eben diesen Fehler, „da der Täter auch bei der bewußten Fahrlässigkeit um seines Zieles willen handelt“, LK11, § 16 Rn. 90. 59 Roxin, Strafrecht AT I4, 12 / 23; wir können auch in einer anderen Passage ein ähnliches Beispiel finden, ders., Strafrecht AT I4, 12 / 6. 55 56

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Roxin geht zutreffend von der Grundlage des Schuldunterschieds aus, um den Vorsatz zu untersuchen. Aber der dabei verwendete Begriff der Entscheidung ist unklar, weil die sog. „Gesamtheit aller schuldrelevanten Umstände“ unbegrenzt ist und sich die einzelnen Umstände miteinander vermengen. Im Fall BGH NStZ 1988, 17560 hält Roxin einige Umstände für relevant, nämlich den zärtlichen Charakter des Vaters, die grundsätzlich zuverlässige Kinderbetreuung auch am Tatabend, die affektive Erregung, sowie die Wiederbelebungsversuche. Die durch die hohe Gefahr indizierte Gleichgültigkeit sei wegen Berücksichtigung dieser Umstände ,relativiert‘.61 Ebenso kämen das Vertrauen auf einen guten Ausgang und die Fortsetzung einer riskanten Handlung in Betracht. Der Entscheidungsbegriff ist kaum endgültig zu beurteilen, genauso wenig wie der Charakter einer immer in sich selbst widersprüchlichen Figur in einem Drama eindimensional festzulegen ist.62 Deswegen ist der Entscheidungsbegriff für die Interpretation des Vorsatzes wenig praktikabel.

b) Vorsatz als Entscheidung gegen die rechtliche Verhaltensnorm Ähnlich nimmt Stratenwerth63 an, dass der Vorsatz eine Entscheidung ist. Im Unterschied zu Roxin wird der Vorsatz als Entscheidung gegen die rechtliche Verhaltensnorm interpretiert. Der Kern des Vorsatzes besteht darin, dass die Tatbestandsverwirklichung als Folge des eigenen Verhaltens vom Täter hingenommen wird. Stratenwerth bezeichnet diese Einstellung des Täters als eine Bereitschaft, die zur Willensseite des Vorsatzes gehört. Diese Beziehung zwischen Entscheidung und Bereitschaft ist beim Unterlassungsdelikt anders. Dem gleichgültigen Täter, der nicht an eine Hilfsmöglichkeit denkt, „fehlt jegliche Entscheidung und damit auch jeder Verwirklichungswille“64. Außerdem nimmt Stratenwerth noch Vorsatz mit der Begründung an, dass der Tä60 Bei BGH NStZ 1988, 175 geht es um folgenden Sachverhalt: Der Täter, ein ausgebildeter Karatekämpfer, hatte aus Ärger über das Schreien des Kinds seiner Freundin dieses mehrmals an den Kopf geschlagen. Danach, als das Kind wieder schrie, schlug der Täter es mit der Handkante einmal wuchtig gegen die linke Hinterhaupt- und Schläfenregion. Nach ungeschickten Wiederbelebungsversuchen ist das Kind trotzdem daran gestorben. Der BGH neigt zur Bejahung einer fahrlässigen Tötung. Er argumentiert mit den sog. persönlichen und situativen Umständen, indem er beschreibt, dass der Täter gegenüber dem Opfer ,grundsätzlich fürsorglich‘ ist, dass er sich in der ,affektiven Erregung‘ befindet, und dass der Täter die Wiederbelebung versuchte. 61 Roxin, Rudolphi-FS, 243, 249. 62 Schünemann kritisiert die Verwendung des Entscheidungsbegriffs, denn dieser „verweist entweder auf das Bewusstsein der eigenen Tatherrschaft oder ist ein inhaltsloses Blankett.“, Hirsch-FS, S. 363, 371, Fn. 29. 63 Stratenwerth, Strafrecht AT I4, 8 / 100; ähnlich Schroth, Vorsatz, S. 64 ff.; Kühl, Strafrecht AT5, 5 / 11. 64 Stratenwerth, Strafrecht AT I4, 13 / 65.

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ter in seiner Bereitschaft zur Tat den Erfolg hinnehme. Er erklärt weiter, „darin liegt das Äquivalent zum Vorsatz beim aktiven Handeln“65. Es zeigt sich deswegen, dass die allgemeine Eigenschaft des Vorsatzes nicht die Entscheidung, sondern die Bereitschaft ist. Ihr Inhalt ist noch nicht klar. Es besteht weiterhin ein grundlegendes Problem in der Lehre der Entscheidung. Eine Entscheidung oder ein Entschluss bedeuten die Abwägung zwischen mehreren Handlungsalternativen, die gleichwertig sind. Wenn Roxin und Stratenwerth die rechtswidrige und die rechtmäßige Alternative unter dem Entscheidungsbegriff gleichstellen, bedeutet dies, dass der Begriff ein deskriptiver, aber kein normativer ist. Das heißt: die sog. Entscheidung ist ausschließlich eine psychologische Beschreibung, ihre Bewertung benötigt noch einen normativen Maßstab.66

c) Die sozialpsychische Perspektive – Frisch Weil Frisch nicht mit dem Ansatz von Roxin zufrieden ist, forscht er gründlich nach der Ratio der Vorsatzbestrafung. Im Hinblick auf das psychische Substrat des Vorsatzes stellt er fest, dass dessen Vernunft aus dem Folgenden besteht: Erstens aus der zweckrationalen Perspektive, dass „vorsätzliches Handeln die Rechtstreue und das Vertrauen in die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung offenbar eher und stärker als fahrlässiges erschüttert“67. Zweitens, aus wertrationaler Sicht betrachtet, dass die personale Fehlleistung des Täters beim vorsätzlichen Handeln typischerweise größer ist.68 Von diesen beiden Grundlagen der Vorsatzbestrafung ausgehend postuliert Frisch, dass der Täter gegenüber dem Fahrlässigkeitsdelikt erhöht bestraft wird, weil er sich gegen ein Rechtsgut entscheidet.69 Für die Feststellung der Entscheidung ist es nur notwendig zu überprüfen, ob das Risikowissen vorhanden ist, dann nämlich ist die Überprüfung des Willenselements überflüssig. Denn nach Ansicht von Frisch ist die Kenntnis als Funktionsbegriff in der Lage, „gewisse Fälle erhöhter oder hervorgehobener Strafindikation und Straflegitimation von anderen abzuschichten“ 70. Das heißt natürlich, dass der Fahrlässigkeitstäter unwissend handelt, „unwissend im funktionalen Sinne des Fehlens einer für sich verbindlichen Einschätzung“71. 65 Stratenwerth, Strafrecht AT I4, 13 / 67. Bockelmann / Volk hat auch beim Unterlassungsvorsatz den Entscheidungsbegriff aufgegeben, Strafrecht AT4, S. 143 f. Jescheck verzichtet auch auf das Entscheidungselement, falls der Entschluss des Unterlassungstäters unbeweisbar ist. Vorsatz sei gegeben, wenn der Täter in Kenntnis der Gefahr der Tatbestandsverwirklichung und der eigenen Handlungsfähigkeit den Dingen ihren Lauf lässt, LK11, vor § 13 Rn. 96. 66 Weiter Kritik siehe Jakobs, Strafrecht AT2, 29 / 82. 67 Frisch, Vorsatz und Risiko, S. 49. 68 Frisch, Vorsatz und Risiko, S. 53. 69 Frisch, Vorsatz und Risiko, S. 111 ff. 70 Frisch, Vorsatz und Risiko, S. 168. 71 Frisch, Vorsatz und Risiko, S. 230.

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Es fragt sich aber, ob das Wissenselement das Willenselement völlig ersetzen kann. Frisch hat das Risikowissen mit der Entscheidung gegen das Rechtsgut gleichgestellt. Diese Auffassung ist bedenklich. Denn es ist denkbar, dass der Täter aufgrund der rechtsverletzenden Entscheidung den Sachverhalt überhaupt nicht kennen möchte oder jedenfalls nicht vollständig kennen möchte, und in diesem Zustand handelt. Die intellektualistische Gleichsetzung von Wissen und Entscheiden ist deswegen nicht hinreichend. Das Wissenselement als alleiniger Maßstab kann nicht hinreichend sein, wenn die Fallgruppe der Zuversicht auf den guten Ausgang nach Frisch72 vom Vorsatz ausgeschlossen werden soll. Es zeigt sich, dass etwas Voluntatives eine Rolle spielen muss. Bei dieser Fallgruppe muss legitimiert werden, warum der Täter von der durch seine Zuversicht verursachten Unwissenheit profitieren kann, obwohl er doch die Gefahr bereits gesehen hat. Die Problematik besteht vor allem beim Gleichgültigkeitstäter.73

d) Vorsatz als hervorgehobener Modus des „Dafür-Könnens“ – Hassemer Aus seiner Kritik an der Ontologisierung der Lehre vom tatmächtigen Vermeidewillen von Armin Kaufmann entwickelt Hassemer eine normative Erklärung zur Ratio der Vorsatzbestrafung, mit der er die normative Logik der hervorgehobenen Inkriminierung des Vorsatzes begründet. Zunächst nimmt er an, dass trotz aller Differenzierung der Vorsatzdefinition ein Konsens noch bestehe, nämlich über den Vorsatz als Entscheidung74. Hassemer stimmt dem zu, da dies mit der Ratio der hervorgehobenen Inkriminierung des Vorsatzes harmonisiert. Nach seiner Meinung besteht der Unterschied zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit, also die Ratio der Vorsatzbestrafung, darin, dass zuerst der Vorsatz „im Verhältnis zur Fahrlässigkeit eine höhere Stufe innerer Beteiligung am äußeren Unrechtsgeschehen, ein hervorgehobener Modus des ,Dafür-Könnens‘“75 sei. Aus dieser Kennzeichnung leitet Hassemer ab, dass zum einen der Vorsatz eine innere Tatsache sei. Zum andern verletze die vorsätzliche Tat nicht nur das Rechtsgut, sondern bedeute auch eine Verachtung der Norm, die die Beachtung des Rechtsguts befiehlt. Denn, so begründet Hassemer weiter, durch die vorsätzliche Begehung seien die Strafrechtsgüter in größerer Verletzungsgefahr als beim Fahrlässigkeitstäter. Der Vorsatz als Entscheidung verlange nicht nur ein kognitives Element, sonst sei er „zu blaß“, sondern auch ein voluntatives. Das voluntative Element sei, die Information über die Gefahr für das Rechtsgut „für sich anzunehmen“ oder „für sich gelten zu lassen“76. Frisch, Vorsatz und Risiko, S. 218 ff.; ders., Meyer-GS, S. 533, 545. Eingehende Kritik Küper, GA 87, 479, 506 f.; Jakobs, Strafrecht AT2 8 / 5a Fn. 9; Köhler, JZ 1985, 671. 74 Dazu vergleicht Hassemer die Meinung von Roxin, Frisch, Rudolphi, Schroth und Köhler, Kennzeichen des Vorsatzes, Armin Kaufmann-GS, S. 289, 295. 75 Hassemer, Armin Kaufmann-GS, S. 289, 296 f. 76 Hassemer, Armin Kaufmann-GS, S. 289, 297. 72 73

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3. Teil: Grundlagen der subjektiven Zurechnung

Hassemer verteidigt plausibel das voluntative Element des Vorsatzes. Wenn er allerdings den Vorsatz als eine stärker gefährliche Handlungsform beschreibt, so besteht kaum ein Unterschied zwischen der Ansicht von Hassemer und der von ihm kritisierten ontologischen Vorsatzlehre. Beide Ansätze gehen vom ontologischen Phänomen aus und begründen damit die Struktur des Vorsatzes. Sie stehen sich einander in der Tat nahe.

2. Vorsatz als willentliche Verletzung a) Die finale Handlungstheorie – Welzel Welzel, der Begründer der finalen Handlungstheorie, betrachtet die Handlung als Ausübung der zweckmäßigen Tätigkeit des Menschen und bezeichnet die „sehende Finalität“77 als ihre Essenz. Eine Handlung enthalte zwei Stufen78: Zunächst beginne sie mit dem Gedanken, also der gedanklichen Vorwegnahme eines Zieles und der Auswahl eines dem entsprechenden Handlungsmittels. Danach verwirkliche der Handelnde die Tathandlung gemäß seiner Gedanken. Während der zeitlichen Entwicklung der Handlung in der Außenwelt wird diese durch den Verwirklichungswillen, den Vorsatz, gesteuert. Mit anderen Worten: „Die objektive Handlung ist die zweckhafte Durchführung des Vorsatzes“79. Die Finalität und der Vorsatz sind in einer Handlung untrennbar. In der Auseinandersetzung mit der in der Literatur verbreiteten Kritik, dass der Begriff der Finalität nicht bei Fahrlässigkeit, sogar bei Wissentlichkeit und dolus eventualis nicht gilt, ist Welzel schließlich bereit, auf den Begriff zu verzichten und seine Theorie umzuformulieren, und die Handlung als „ein vom Willen gelenktes oder gesteuertes (kybernetisches) Geschehen“80 zu bezeichnen. Auch dadurch bleibt jedoch ein Problem ungeklärt: Zuerst ist der Verwirklichungswille von Welzel als ein „unbedingter Wille zur Tatbestandsverwirklichung“81 bezeichnet worden. Diese Erklärung der Definition des Verwirklichungswillens ist bei den Hauptfolgen, nämlich für die Absicht, noch verständlich, aber bei den Nebenfolgen bedenklich, weil sie nicht das Ziel des Handelnden sind. Die Nebenfolgen würden nach Ansicht Welzels auch dann von dem finalen Verwirklichungswillen umfasst, 77 Welzel, Das deutsche Strafrecht11, S. 33; zustimmend Niese, Finalität, S. 9; ders., JZ 1956, 457, 458. Zusammenfassend Hirsch, Uni-Köln-FS, S. 399, 401. 78 Welzel, Das deutsche Strafrecht11, S. 34 f. 79 Welzel, Das deutsche Strafrecht11, S. 64. Anschließend schreibt er: „Der Vorsatz ist hier in seinem ganzen Umfange ein finales Element der Handlung“. Glaser hat von vornherein treffend bemerkt: „Wenn die Bezeichnung ,ontologisch‘ im Zusammenhang mit der Unterscheidung: vorsätzlich – fahrlässig einen Sinn haben soll, so u.E. doch diesen, daß mit dieser Unterscheidung über die Wahl der Strafe und insbesondere der Bestrafungsweise keine Vorentscheidung getroffen werden soll“, Untersuchungen zum Strafrecht, S. 68. 80 Welzel, Das deutsche Strafrecht11, S. 37, 131. Ähnlich Hirsch, Lampe-FS, S. 515, 519 f. 81 Welzel, Das deutsche Strafrecht11, S. 66.

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wenn sie dem Täter als gewiss oder als möglicherweise aus seiner Zielhandlung entstanden bekannt sind.82 Diese Interpretation ist ebenfalls problematisch, denn damit wäre die Kenntnis die einzige Voraussetzung des Vorsatzes geworden. Der Willen, der sich nach der Hauptfolge richtet, wird allein aufgrund der Kenntnis der möglichen Nebenfolgen auf die Nebenfolgen erweitert, genauer gesagt: präsumiert. Die von Welzel gegebene Definition des Willens passt auch nicht zum Vorsatzbegriff, wenn Unterlassungsvorsatz in Betracht kommt, obwohl beide ebenso mit der finalen Handlungslehre in enger Beziehung stehen. Das Wort ,Wille‘ wird von Welzel beim Unterlassungsvorsatz stets vermieden, um die Definition des Willens konsequent durchzuhalten. Bei Unterlassungen liegt kein Handlungswille vor, der einen Kausalverlauf steuert.83 Diese Problematik ist auf die Lehre der finalen Handlung zurückzuführen.84 Der Finalist definiert den Willensbegriff als „der den Kausalablauf anstoßende und steuernde Faktor“85, deswegen fehlt es beim Unterlassungsdelikt am Willen. Es ist bemerkenswert, dass die h. M. hier zunächst die allgemeine Definition des Vorsatzes übernimmt, wonach der Vorsatz als Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung angesehen wird. Die h. M. beschränkt diese Definition jedoch auf das Begehungsdelikt. Für den subjektiven Tatbestand des Unterlassungsdelikts wird der Vorsatz von Armin Kaufmann86 nicht mehr verlangt. Jescheck87 verzichtet auf das Willenselement, wenn der Täter in Kenntnis der Gefahr der Tatbestandsverwirklichung und der eigenen Handlungsfähigkeit den Dingen ihren Lauf lässt. Dazu führt Rudolphi88 aus, dass dieser Unterschied zwischen Begehungs- und Unterlassungsvorsatz sich „im Bereich des Stofflichen“, aber nicht „im Bereich des Normativen“ findet. Das bedeutet, dass der Willensbegriff im Sinne der h. M. kein normatives Element des Vorsatzes ist und in der ontischen Ebene bleibt. Der Willensbegriff in diesem Sinne stößt auf Schwierigkeiten nicht nur beim Unterlassungsvorsatz, sondern auch beim Vorsatz des Begehungsdeliktes, insbesondere Direkt- und Eventualvorsatz. Aus diesen Gründen kann dieser Vorsatzlehre nicht gefolgt werden.

Welzel, Das deutsche Strafrecht11, S. 34 f., 67 f. 83 Jescheck, LK11, vor § 13 Rn. 96; Bockelmann / Volk, Strafrecht AT4, S. 143; Freund, MK § 13 Rn. 223. 84 Gallas, ZStW 67 (1955), 1, 8 f., 40 f.; E. A. Wolff, Der Handlungsbegriff, S. 14 f.; Jescheck / Weigend, Strafrecht AT5, S. 221. 85 Armin Kaufmann, Weber-FS, S. 207, 218 f. 86 Armin Kaufmann, Weber-FS, S. 207, 219; ders., Die Dogmatik der Unterlassungsdelikte, S. 309 ff. 87 Jescheck, LK11, vor § 13 Rn. 96. 88 Rudolphi, SK, vor § 13 Rn. 19. 82

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3. Teil: Grundlagen der subjektiven Zurechnung

b) Der verletzende Wille – E. A. Wolff, Zaczyk und Köhler Um die Grenzen des dolus eventualis zu bestimmen, hat E. A. Wolff89 den Willensbegriff gründlich untersucht und ihn dabei in seine drei Dimensionen, naturhaftes, instrumentales und praktisches Moment, unterteilt. Der Wille als naturhaftes Moment wird als das Tierische verstanden. Hingegen sei der Wille im Sinne eines instrumentalen Moments eine vom Verstand gelenkte Potenz. E. A. Wolff bezeichnet die Anhänger der finalen Handlungslehre als Vertreter des Willens in diesem Sinne. Um Trieb und Neigung zu befriedigen, d. h. eine Veränderung der äußeren Welt zu bewirken, werden Zwecke gesetzt und mittels Kenntnis erfüllt. Die Zwecke und alle Zwischenzwecke seien vom Willen umfasst, hingegen würden die Nebenfolgen in einen solchen Willensbegriff nicht aufgenommen, auch wenn sie zu einer sicheren Kenntnis gehören.90 Der praktische, vernünftige Willen setzt den Handelnden in einen Gesamtzusammenhang: Der einzelne ist verpflichtet, die Rechte anderer zu berücksichtigen. „Bei einem solchen vernünftigen Willen ist die erstrebte äußere Veränderung nicht mehr isoliert und bekommt nur im Gesamtzusammenhang ihre Bedeutung“91. So wird argumentiert, dass die notwendigen Nebenfolgen zweifellos auch vom Willen erfasst sind. Die weiteren Folgen, die zu einer sicheren Kenntnis gehören, sind von der „Gesamtfinalität“ mit umfasst. Auch die Abgrenzung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit wird auf diesem Wege versucht, nämlich durch die Analyse der Natur dieser Willensstufe. E. A. Wolff erklärt zuerst den Begriff der „Möglichkeit der Verletzung“. Der Begriff setze voraus, dass die Welt eine festgelegte Struktur von Prozessen ist oder sich bei von Menschen beherrschten Geschehen in verstehbaren Veränderungen vollzieht. Ein Einzelner müsse diese Wirklichkeit der äußeren Welt zum Gegenstand seiner praktischen Überlegungen machen und zu einem vernünftigen Bezug fortschreiten, erst dann könne er sinnvoll urteilen. „Diese Stufe der Überlegung setzt bereits voraus, daß sich der Einzelne den Gesetzen der äußeren Welt angepasst hat“. Diese Potenz wird von E. A. Wolff als ,Einpassungswille‘ bezeichnet. Der zur Vernunft gehörende Einpassungswille sei eine Entscheidung, die von dem Handelnden durch seine Stellungsnahme zu den Handlungen von ihm selbst und Dritten gebildet wird.92 Daher unterstützt E. A. Wolff ein Einstellungselement für dolus eventualis, nämlich das Ernstnehmen der Gefahr. Einpassungswillen liegt vor, wenn jemand eine hoch- oder gering gefährliche Handlung seines Lebens für unproblematisch und die daraus resultierende Gefahr für beherrschbar hält. Dann liegt die Gefahr „im ausgeklammerten Bereich“, und es entfalle Verletzungswille und Vorsatz.93 „Überschreitet der Täter aber die ihm durch die eigene Vernunft 89 90 91 92

E. A. Wolff, Gallas-FS, S. 197 ff., 207 ff. E. A. Wolff, Gallas-FS, S. 197, 213; vgl. ders., Radbruch-GS, S. 291, 294. E. A. Wolff, Gallas-FS, S. 197, 216. E. A. Wolff, Gallas-FS, S. 197, 219 f.

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gesetzte Grenze nicht-übergehbarer Gefahr, so handelt er vorsätzlich“94. Denn diese Gefahr sei Teil der Handlungsalternative und der Erfolg werde vom Handelnden „einverständlich“ hingenommen, wenn er die Alternative verwirklicht. E. A. Wolff nimmt deswegen an, zum vorsätzlichen Verletzen gehöre ein emotionales Moment, ein Gefühl, das die verstandene Kraft ist, „mit der ein sich durchsetzender Gedanke besetzt ist“. Die Auffassung E. A. Wolffs, die der Lehre vom Ernstnehmen nahesteht, lässt den Grad der Gefahr von einer intuitiven Entscheidung des Einzelnen abhängig sein. Die Gefahr sei jeweils individuell anders, wie E. A. Wolff selbst sagte. Es komme für das Kriterium des Vorsatzes ausschließlich auf den Einzelnen an. E. A. Wolff hat richtigerweise darauf hingewiesen, dass der Vernünftige auch unvernünftig handeln kann.95 Natürlich drängt sich die Frage auf, ob dieses Kriterium haltbar ist oder nicht. Denn ein Verletzungswille nach dieser Definition nimmt das Recht des anderen gerade nicht ernst. Zaczyk, ein Schüler E. A. Wolffs, hat die Lehre auf der Basis des Rechts als Freiheit weiterentwickelt. Er differenziert Vorsatz und Fahrlässigkeit durch die inneren Beziehungen des Verletzenden zur Verletzung, also Willentlichkeit oder Unbedachtsamkeit. Die willentliche Verletzung als bewusste Unterdrückung begegnender Freiheit ist „die vollständige Negation der Leistung, die die Rechtsperson im positiv begriffenen und in seine verschiedenen Dimensionen entfalteten Rechtsverhältnis erbringt“96. Weil man die willentliche Verletzung, sei es unmittelbar im praktischen Handeln, sei es mittelbar im Staatsvertrag, nicht bloß instrumental verstehen dürfe, kommt Zaczyk zum Zwischenergebnis, dass der unrechte Wille vielmehr als defiziente Form des rechtschaffenen Willens erfasst werden muss. Der Wille überschreite die Selbstbeschränkung und verfolge Zwecke, die die Freiheit der Anderen beeinträchtigen. 97 „Die willentliche Verletzung weist zunächst unmittelbar auf den Einzelnen als Handlungsmächtigen, der diese Macht für die Verletzung einsetzt“98. Nach diesem Gedankengang wird das Steuerungselement für die Vorsatztat betont. Die willentliche Verletzung sei darauf gerichtet, den Zufall gerade auszuschließen. Bei der fahrlässigen Handlung hingegen „setzt sich ihr Urheber gleichsam selbst zum Zufall herab, macht sich und sein Verhalten zufälligen Geschehnissen ähnlich“. Die Auffassung Zaczyks scheint auf den ersten Blick aus zwei Gründen der von Welzel ähnlich: Zum einen kommt der Zweck des Handelnden ebenfalls in der Besonderheit der Vorsatztat zum Ausdruck, zum anderen wird das Steuerungselement bei der vorsätzlichen Handlung hervorgehoben. Freilich bezieht sich der Be93 94 95 96 97 98

E. A. Wolff, Gallas-FS, S. 197, 221. E. A. Wolff, Gallas-FS, S. 197, 222. E. A. Wolff, Gallas-FS, S. 197, 216. Zaczyk, Das Unrecht der versuchten Tat, S. 209. Zaczyk, Das Unrecht der versuchten Tat, S. 210. Zaczyk, Das Unrecht der versuchten Tat, S. 213.

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3. Teil: Grundlagen der subjektiven Zurechnung

griff des Zwecks im Sinne von Zaczyk darauf, dass der Handelnde als Rechtsperson die Freiheit der Anderen bewusst unterdrückt. Das heißt, der Zweck ist keine Finalität im Sinne von Welzel, sondern ein Widerspruch gegen das Rechtsverhältnis. Aber das Steuerungselement als Kernpunkt des Willens ist immer noch ein instrumentales und ontologisches Element. Deshalb trifft der Vertreter dieses Willensbegriffs zunächst bei der Erklärung des Unterlassungsdelikts und dann bei der Behandlung des Irrtumsproblems auf dasselbe Problem wie Welzel. Köhler, ebenfalls ein Schüler Wolffs, geht vom Vorsatz als „praktischer Geltungswille mit Bezug auf die konkrete Verwirklichung des objektiven (Verletzungs-)Tatbestands“ aus99, und definiert den Vorsatz als „Wissen und Wollen“ der objektiven Tatbestandsverwirklichung. Im Anschluss an die praktische Philosophie versteht er den Tatvorsatz in einem konkreten praktischen Schlussurteil als praktisches Geltungswissen. „Nach dem Prinzip der subjektiven Zurechnung zum Tatwillen ist die objektive Realisation der tatbestandsmäßigen Handlung bis zum Erfolg nur die Tat des Subjekts, sofern und soweit sie im praktischen Geltungswissen konzipiert wird100“. Wissen ist nach Köhler das objektiv tatbestandsmäßige Verletzen in seinem Bedeutungsgehalt als besondere Rechtsgutsbetroffenheit im praktischen Geltungswissen zu begreifen.101 Das praktische Geltungswissen als Vorsatz beziehe sich auf die Kenntnis der Tatbestandsmerkmale. Die Kenntnis müsse in einem ,praktisch-affirmativem Urteil‘ bestätigen, dass die Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung ernst zu nehmen ist. Deswegen könne der Vorsatz als Einheit von Wissen und Wollen erklärt werden.102 In Gegensatz zum dolus eventualis halte der Täter bei der bewussten Fahrlässigkeit ein Erfolgseintritt für nicht ausgeschlossen, trotzdem auf dessen Ausbleiben vertraue, was Köhler als „negatives Urteil“103 bezeichnet. Nach der oben genannten Erklärung ist sicher, dass die Auffassung von Köhler der Lehre des Ernstnehmens von E. A. Wolff nahesteht. Freilich steht die Auffassung somit auch vor demselben Problem: Vorsatz als praktischer Geltungsswille liegt vor, vorausgesetzt, dass der Täter ein praktisch-affirmatives Urteil über den Verletzungscharakter seiner Handlung trifft. Aber ein Täter mit einem das Recht des anderen verachtenden Verwirklichungswillen schätzt den Grad der Möglichkeit kaum richtig ein. Im Gegensatz zum praktisch-affirmativen Urteil vertraut er vorschnell und unberechtigt auf einen letztlich guten Ausgang. Der Ausweg aus dieser Problematik besteht darin, dass die Ernsthaftigkeit im Sinne der Rechtstreue verstanden wird und das Geltungsurteil nicht als beliebige Beurteilung eingestuft werden darf. Köhler, Hirsch-FS, S. 65, 74. Köhler, Strafrecht AT, S. 150. Auf Seite 161 schreibt er erneut: „Etwas verwirklichen wollen heißt, das geschlossene Bedingungsgefüge seiner objektiven Realmöglichkeit handelnd zu konzipieren, mit dem impliziten Zufall des Gelingens oder Verfehlens“. 101 Köhler, Strafrecht AT, S. 156. 102 Köhler, Hirsch-FS, S. 65, 76. 103 Köhler, Strafrecht AT, S. 161; ders., JZ 1981, 35, 37; ders., Hirsch-FS, S. 65, 77. 99

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Ein von Köhler genanntes Beispiel ist zweifelhaft: Ein Täter fährt mit dem Auto in hoher Geschwindigkeit auf eine Polizeisperre zu, um zu fliehen. Er erkennt die Gefährlichkeit seines Verhaltens, vertraut aber darauf, dass der Polizist erfahren ist und rechtzeitig beiseite springen werde. Aufgrund des Vertrauens des Täters schließt Köhler ein vorsätzliches Verletzungsdelikt aus.104 Der Täter verhält sich jedoch ambivalent: Um reibungslos durch die Polizeisperre zu fliehen, muss er so schnell wie möglich fahren. Je höher seine Geschwindigkeit ist, desto größere Gefährlichkeit löst sie aus. Die Flucht und das Vertrauen sind widersprüchlich. Die strafrechtliche Bewertung würde orientierungslos sein, wenn es allein auf das Vertrauen ankämme.

3. Vorsatz als Wissen a) Wissen als Grund der Akzeptabilität – Jakobs Seit der ersten Auflage seines Lehrbuchs bezeichnet Jakobs den Vorsatz als Wissen.105 Eine detaillierte Darstellung der Bezeichnung finden wir in einer Abhandlung, die im selben Jahr erschien. Dort bemüht Jakobs sich um eine „Entfinalisierung des Vorsatzbegriffs“, so dass „der strafrechtliche Vorsatzbegriff an Vorgängen wie Planen, Entscheiden, Wollen, Anstreben, Absicht, Finalität und was sonst noch an Begriffen für zielgerichtetes Psychisches vorhanden sein mag, überhaupt nicht notwendig ausgerichtet ist“106. Der Hinweis gilt besonders für den hoch umstrittenen Lederriemenfall, in dem der psychologische Zustand der beiden Täter im ganzen Handlungsverlauf sehr ambivalent ist. Hierbei nimmt Jakobs Tötungsvorsatz an, da die Täter erkannten, dass der Todeserfolg durch ihre Handlung nicht unwahrscheinlich war. Das Wissen und der Vorsatz sind beide nach Jakobs’ Meinung psychische Fakten. Der Zweckbezug sei völlig funktionslos und unnötig. Die Differenzierung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit liege vielmehr darin, dass ein Vorsatztäter aufgrund seines Wissens die Tatbestandsverwirklichung leichter vermeiden könnte als ein Fahrlässigkeitstäter. Mit anderen Worten differenzieren sich Vorsatz und Fahrlässigkeit nach Jakobs’ Ansicht durch die Vermeidbarkeit der strafrechtlich relevanten Folge, aber nicht durch die Tatsache, ob der Täter diese Folge bezweckt oder nicht.107 Eine andere Begründung, die auf die finale Handlungslehre von Welzel zurückzuführen ist, geht von der Trennung zwischen den Haupt- und den Nebenfolgen aus. Bei den Hauptfolgen führt der Handelnde die Tatbestandsverwirklichung oder deren Folgen willentlich herbei, weswegen in dieser Konstellation das voluntative und das intellektuelle Element vorliegen. Bei den Nebenfolgen hingegen ist die 104 105 106 107

Köhler, Hirsch-FS, S. 65, 78. Jakobs, Strafrecht AT1, 8 / 7. Jakobs, Aussagewert der Handlungsanalyse einer Tat, S. 21, 25 f. Schon Jakobs, Studien zum fahrlässigen Erfolgsdelikt, S. 117 ff.

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3. Teil: Grundlagen der subjektiven Zurechnung

Tatbestandsverwirklichung dem Täter bekannt, aber nicht Grund der Handlung. In dieser Konstellation liegt nur das intellektuelle Element vor, obwohl der Handlungsvollzug noch vom Täter gewollt ist. Jakobs kommt deswegen zum Ergebnis, dass der Vorsatz nur das „Wissen um die Handlung nebst ihren Folgen“108 ist. Später wird die Bezeichnung „Vorsatz als Wissen“ von Jakobs in anderer Weise gedeutet. Sie wird aus einem Unterschied abgeleitet: „Vorsatztatfolgen sind akzeptabel, sonst würde der Täter nicht handeln, bei Fahrlässigkeitstatfolgen ist die Akzeptabilität der Folgen im Tatzeitpunkt hingegen offen“109. Der Fahrlässigkeitstäter sei wegen seiner Unaufmerksamkeit mit der Gefahr der poena naturalis konfrontiert; er kann sich durch seine Handlung selbst schädigen. Dieses Risiko bestehe beim Vorsatztäter nicht. Dies erklärt eine mindere Maßgeblichkeit des Fahrlässigkeitsdelikts gegenüber dem Vorsatzdelikt. Für diese Unterscheidung komme es darauf an, ob die Entwicklung dem aktuellen individuellen Interesse des Täters entspricht.110 Die bisherige Ausführung ist jedoch zu vage, um eine Lehre mit hinreichend dichtem Bezug zur Funktion des Strafrechts zu bilden. Denn die häufig auftauchenden Fahrlässigkeitsdelikte könnten auch die Bedeutung des Strafrechts erschüttern.111 Der Zweifel wird durch die folgende Erklärung von Jakobs so gut wie behoben: Um sein Konzept in dieser Hinsicht zu klären, entwickelt Jakobs zuerst ein bedeutungsvolles Erklärungsschema, nämlich den belastenden Willensfehler und den entlastenden Wissensfehler. Ein Täter könne sich durch Wissensmängel entlasten, denn der Gegenstand des Wissens sei eine starke, sich selbst stabilisierende Norm. Die Unkenntnis dieser schädigt nicht ihre Geltung, sondern umgekehrt werde der unwissend Handelnde mit seinem Plan scheitern. Außerdem drohe dem Handelnden noch die oben genannte poena naturalis112. Deswegen sei eine von einem unwissenden Täter verursachte Handlung kein taugliches Muster in der Gesellschaft und deswegen nicht kommunikativ relevant.113 Dies erklärt, warum das Wissenselement eine Rolle bei der Abgrenzung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit spielt. Demgegenüber wird der Täter durch den Willensfehler belastet, da dieser bedeutet, dass ihn die Norm nicht interessiert. Das grundlegende Argument ist, dass die Strafnorm als schwache Norm sich nicht selbst stabilisieren könne, weswegen die Personen verpflichtet werden müssten, die Normgeltung zu beachten. Die Erfüllung dieser Pflicht werde durch Strafe garantiert, falls eine Person sich nicht um 108 109

Jakobs, Strafrecht AT1, 8 / 7 f. Jakobs, Strafrecht AT2, 8 / 5; schon ders., Aufgabe der subjektiven Deliktseite, S. 271,

277. 110 111 112 113

Jakobs, Aufgabe der subjektiven Deliktseite, S. 271, 278. So argumentiert Ziegert, Vorsatz, Schuld und Vorverschulden, S. 113. Jakobs, ZStW 101 (1989), 516, 531 ff.; ders., Das Schuldprinzip, S. 12 ff. Jakobs, Das Schuldprinzip, S. 13.

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die Norm kümmert. Hier wird der Vorsatz von Jakobs noch als ein psychisches Faktum betrachtet, das auch bei Schuldlosen oder Geisteskranken vorliegen könne.114 Der Willensfehler repräsentiere ein Defizit an rechtstreuer Motivation. Für Jakobs ist die Zurechnung eines Willensfehlers eine Schuldzurechnung.115 Er weist darauf hin, dass der Täter trotz der Unkenntnis nicht aus Fahrlässigkeitsdelikt bestraft werden sollte, wenn die Tat auf die Gleichgültigkeit, eine Form des Willensfehlers, zurückzuführen ist, denn Kenntnis dieser Art bezeichne die Rechtsuntreue des Täters und könne deshalb nicht entlastend wirken.116 Mit Hilfe dieser Unterscheidung von Wissensfehlern und Willensfehlern kann man besser verstehen, warum ein Fahrlässigkeitstäter vermindert bestraft wird. Aber die Trennung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit bleibt nach wie vor unklar: Nach der Ansicht von Jakobs gehört der Willensfehler zum Schuldproblem. Die Unkenntnis wegen eines Willensfehlers sollte als Vorsatz angesehen werden. Es drängt sich die Frage auf, wie es sich dann mit Unrecht und Schuld verhält. Man kann, wenn der subjektive Tatbestand wegen Unkenntnis verneint wird, wohl kaum noch nachträglich wegen eines Willensfehlers, also eines Schuldelementes, dann doch wieder Vorsatz bejahen. Es zeigt sich vielmehr, dass das Wollen auch ein Element des Vorsatzes sein muss. Wissen ist ein psychisches Faktum, aber der Vorsatzbegriff ist normativ. Deshalb kann der Vorsatz nicht nur durch Wissen bestimmt werden.

b) Die Lehre der Vorsatzgefahr – Puppe Zum Irrtum des Kausalverlaufs und zum dolus eventualis hat Puppe die Lehre von der „Vorsatzgefahr“, die angeblich unmanipulierbar117 sei, als Lösungsansatz entwickelt. Wenn der Handelnde eine durch seine Handlung verursachte Vorsatzgefahr, die „für sich betrachtet eine taugliche Methode zur Herbeiführung des Erfolges darstellt“118, kennt, dann liege eine vorsätzliche Tat vor. Ob eine Gefahr tauglich den Erfolg verursacht, hänge von der objektiven Betrachtung ab. Nach der Auffassung von Puppe liegt Vorsatz vor, wenn der Täter die Vorsatzgefahr kennt. Der Wille des Täters ist unerheblich. Puppe hat die Berücksichtigung des Willens abgelehnt, weil dieser nicht nur zweideutig sei, sondern auch bei der Anerkennung Jakobs, Das Schuldprinzip, S. 25 f. Jakobs, ZStW 101(1989), 516, 528; ders., Das Schuldprinzip, S. 25. 116 Jakobs, Das Schuldprinzip, S. 19 ff. 117 Puppe kritisiert die Theorie der unabgeschirmten Vorsatzgefahr bei Herzberg (JuS 1986 249, 253 ff.) wegen ihrer Manipulierbarkeit, NK2, § 15 Rn. 65. 118 Puppe, NK2, § 15 Rn. 69; dies., Vorsatz und Zurechnung, S. 39. Neuerdings hat Puppe die Konstellationen, in denen von ihr Vorsatzgefahr angenommen wird – wie etwa Schläge mit einem schweren Gegenstand gegen den Kopf, Stiche in die Herzgegend, Schüsse auf den Rumpf oder Würgen und Drosseln bis zur Bewusstlosigkeit –, prägnant zusammengefasst, GA 2006, 65, 74. 114 115

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3. Teil: Grundlagen der subjektiven Zurechnung

des dolus directus bereits von dem alltagssprachlichen deskriptiven Willensbegriff abweiche.119 Diese sog. Objektivierung des Vorsatzes ist ein typisches Ergebnis des Intellektualismus in der Strafrechtsdogmatik, insbesondere beim dolus eventualis. Das von der überlieferten Meinung geforderte Willenselement soll nach Puppe nicht mehr notwendig sein. Das Element ist vielmehr bereits durch das Verhalten ausgedrückt, da „ein vernünftig denkender und handelnder Mensch an seiner Stelle nur dann so hätte handeln können, wenn er den Erfolg tatsächlich gewollt oder doch gebilligt hätte“120. Es scheint, dass auf den Willen nicht völlig verzichtet wird, sondern dieser nur in einem von Puppe empfohlenen normativen Sinne verstanden wird. Der Vorsatz bleibt die Zurechnung zum Willen. Aber diese wird auf zwei Voraussetzungen, nämlich das Verhalten und die Kenntnis, reduziert.121 Die Überprüfung des Willenselements wird durch eine Hypothese ersetzt. Die Normativierung bedeutet dadurch eine Standardisierung: Jeder, der gleiche Kenntnis hat, besitzt das gleiche innere Verhältnis zur Norm.122 Gemäß dieser Standardisierung wird ein hohes Risiko, nämlich Vorsatzgefahr, verlangt. Eine solche Grundlage der Beurteilung des Vorsatzes stimmt nicht mit der Vorsatzform der Absicht überein und ist bei dolus eventualis ebenso fraglich. Denn bei der Absicht und beim dolus eventualis ist jeweils das Wissenselement gering, geringer als für die von Puppe geforderte Vorsatzgefahr. Für einen normativen Vorsatzbegriff hat Puppe offensichtlich den ausschlaggebenden Beitrag geleistet. Es ist jedoch zu fragen, ob sie einen unwiderlegbaren Grund für den Verzicht auf den Wollensbegriff gegeben hat. Es wird bei dolus directus von der h. M. nur eine geringe Stärke der Willensseite des Täters verlangt, jedoch nicht völlig auf sie verzichtet. 123 Wenn solch ein Argument tragfähig wäre, könnte man auch wegen der Anerkennung der Absicht das Kenntniselement preisgeben, denn die Absicht wird unbestritten als zielgerichteter Erfolgswille bezeichnet und dadurch ihre Kenntnisseite ignoriert. Im Ergebnis bestände bei normalen Erfolgsdelikten, wenn die Theorie der Vorsatzgefahr angewendet würde, kein eigener Bereich der Absicht (als stärkste Form des Vorsatzes) mehr. Denn bei der Theorie der Vorsatzgefahr werden eine hohe Gefahr und die Kenntnis dieser verlangt. Der Zusammenhang zwischen dieser objektiven Betrachtung und der subjektiven Seite des Täters besteht darin, dass eine Vorsatzgefahr für den Täter relativ leicht zu erkennen ist. Es braucht noch eine „Brücke“ im Gedankengang, um die Puppe, NK2, § 15 Rn. 27; dies., ZStW 103 (1991), 1, 13. Puppe, NK2, § 15 Rn. 68. 121 Deswegen bezeichnet Roxin die Theorie Puppes als kognitiven Normativismus, Rudolphi-FS, S. 243, 248. 122 Aber eine reine Nomativierung des Wissenselements wurde von ihr abgelehnt, ZStW 103 (1991), 1, 37. 123 Vgl. Kühl, Strafrecht AT5, 5 / 40 f. 119 120

§ 6 Entwicklung der Vorsatzlehre und Meinungsstand

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Erkennbarkeit mit der Erkenntnis oder der Zurechnung des Erfolgs zum Vorsatz zu verbinden.124 Es bleibt die Frage, was sein soll, wenn die Vorstellung des Täters mit der tatsächlichen Vorsatzgefahr nicht übereinstimmt, nämlich er sie entweder nicht gekannt hat oder die Gefahr für größer hält als sie in Wirklichkeit ist. In der ersteren Situation, d. h. wenn der Täter im Ausführungsstadium des Delikts die Vorsatzgefahr für nicht existent hält, liegt nach Puppe Tateinheit zwischen vorsätzlichem Versuch und fahrlässiger Vollendung der Herbeiführung des gleichen Erfolgs vor.125 In der zweiten Situation, d. h. wenn der Täter die Gefahr für größer hält, als sie in Wirklichkeit ist126, liegt keine Vorsatzgefahr im Sinne von Puppe vor. Trotzdem ist dieser Angriff dem Täter zum Vorsatz zu zurechnen, falls der Täter absichtlich das rechtlich geschützte Objekt angreift.127 Mit anderen Worten genügt schon der Vorsatz, wenn der Täter mit Tatbestandsverwirklichungswillen handelt, obwohl er nur wegen der Fehleinschätzung der Gefahr den Erfolgseintritt für gewiss hält. Übrigens liegt der Vorsatz bei einem untauglichen Versuch zweifellos vor, soweit man ihn für strafbar hält, bei dem überhaupt keine taugliche Gefahr im Sinne von Puppe besteht. Die Theorie der Vorsatzgefahr zwingt jedoch im Ergebnis dazu, die Rolle der Absicht zu entleeren.128 Die Theorie der Vorsatzgefahr als Zurechnungslehre begründet ihren objektiven Maßstab dadurch, dass jeder vernünftig denkende Mensch eine solche Gefahr kennen könne. Ein grundlegendes Problem liegt deswegen darin, wie es sich verhält, wenn der Täter sich nicht mehr in einem vernünftigen Zustand befindet. Zur Lösung dieses Problems wird behauptet, dass „jeder geistig gesunde und über das allgemein bekannte Erfahrungswissen verfügende Mensch“ trotzdem die Bedeutung seines Verhaltens nachvollziehen könne.129 Dieses Argument ersetzt lediglich den unbestimmten Begriff des „vernünftig denkenden Menschen“ durch einen ebenso unbestimmten, ohne eine weitere und materielle Begründung der Zurechnung zum Vorsatz zu geben. Insofern ist die Auffassung von Puppe zirkulär.

124 Rudolphi hält deswegen die Lehre Puppes für eine nicht mehr akzeptable Ausdehnung, SK, § 16 Rn. 5b; ebenso Roxin, Rudolphi-FS, S. 243, 251. Krit. auch Köhler, Strafrecht AT, S. 150; ders., Hirsch-FS, S. 65, 77 f. 125 Puppe, NK2, § 15 Rn. 104. 126 Beispiel: der Täter zielt mit einem einfachen Gewehr auf einen vorbeifliegenden Kampfhubschrauber in Schussweite (daher kein untauglicher Versuch), um ihn abzuschießen. 127 Ähnliche Meinung Rudolphi, SK, § 16 Rn. 5b; Roxin, Rudolphi-FS, S. 243, 250. 128 Puppe, NK2, § 15 Rn. 61. Es ist unverständlich, dass Puppe einerseits die Willenstheorie kritisiert, anderseits aber die Absicht als Gefahrfaktor beibehielt, NK, § 15 Rn. 91. Es ist auch schwer zu begreifen, warum Puppe die Absicht an anderer Stelle (NK2, § 15 Rn. 81, 107) noch als Schuldelement und als für das Unrecht der Tat bedeutungslos bezeichnet. 129 Puppe, ZStW 103 (1991), 1, 21.

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3. Teil: Grundlagen der subjektiven Zurechnung

Man kann das Argument nur dann von der bloßen Wiederholung befreien, wenn die Ursache der Unkenntnis bzw. der Kenntnis sowie der Grund einer UnkenntnisEntlastung untersucht werden. Das ist zentrales Thema dieser Arbeit. Eine weitere Diskussion darüber erfolgt im vierten Teil.

c) Die analytische Handlungstheorie – Kindhäuser Die Vorsatzlehre von Kindhäuser hat ihren Ausgangspunkt in der Handlungsanalyse. Zuerst sieht er die Handlungslehre im Strafrecht als eine Theorie der Handlungszuschreibung an, die nach seiner Ansicht ein praktisches Urteil ist, das „einer Einstellung, einer Bewertung oder einer Anerkennung Ausdruck“130 gibt. Die praktische Beurteilung, wie Kindhäuser angeführt hat, ob ein Kind unehelich sei, ob ein Schriftstück eine Urkunde sei, oder ob jemand lüge, seien mit der willensverursachten Körperbewegung nicht identisch, da die Beurteilung rein gedanklich bleibe. Folglich wird die Notwendigkeit eines Willens bei der Handlung bezweifelt.131 Nach der methodisch anspruchsvollen Untersuchung Kindhäusers132 hat der Wille in der herkömmlichen Definition zwei Bedeutungen. Zum einen wird das Verhalten durch das Adverb „willentlich“ von Reflexbewegungen und Verhaltensweisen im Zustand der Bewusstlosigkeit abgrenzt. Die zweite und wichtigere Bedeutung des Willens ist die voluntative Steuerung des Verhaltens auf den Erfolg hin. Aber nach Ansicht von Kindhäuser ist eine willensverursachte Körperbewegung mit der Handlung nicht vergleichbar, denn „sie ist ohne ein konventionales Gefüge aus Regeln, aus Situation, Kommunikation und Interaktion nicht denkbar“133. Der Willensbegriff wird deswegen von Kindhäuser auf ein isoliertes seelisches Phänomen reduziert und mit dem sog. Willensakt im Sinne der Umgangssprache verbunden. Kindhäuser kritisiert die Beurteilung des Willenselementes beim bedingten Vorsatz als Zirkelschluss, indem „der Handelnde einerseits den tatbestandlichen Erfolg a nicht verwirklichen will, weil er Erfolg b herbeiführen will, dass er aber andererseits doch a verwirklichen will, weil er b, das a bedingt, herbeiführen will“. Er nimmt vielmehr an, dass die üblichen Formulierungen des bedingten Vorsatzes, nämlich „billigen“, „einverstanden sein“, usw., andere sind als die dem Wollen zugewiesenen Ausdrücke, etwa „gewollt“, „intendiert“, und so weiter. Zudem beruft sich Kindhäuser134auf die Handlungstheorie, um die Funktionslosigkeit des Willens weiter zu rechtfertigen. Die Struktur von Handlungen wird 130 131 132 133 134

Kindhäuser, ZStW 96 (1984), 1, 6. Auch Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, S. 55, 94 ff. Kindhäuser, ZStW 96 (1984), 1, 21. Kindhäuser, ZStW 96 (1984), 1, 7 f. Kindhäuser, ZStW 96 (1984), 1, 16 ff.

§ 6 Entwicklung der Vorsatzlehre und Meinungsstand

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als aus drei Elementen bestehend dargestellt: Das Tun, das „in der Lage sein“ und das Eintreten des Resultates. Die von Kindhäuser bezeichnete Handlungszuschreibung als praktisches Urteil basiere auf diesen drei Elementen, die er ausschließlich unter dem Aspekt der Kontrolle des Handelns betrachtet. Der Mittelpunkt einer Handlung sei ihre Kontrafaktizität. Diese besage, dass der Handelnde die Möglichkeit des Eintritts eines Ereignisses beherrscht und deshalb als Urheber benannt werden könne. Die Kontrafaktizität sei bereits von der Handlungszuschreibung erfasst, deswegen sei es unnötig, sie noch einmal zu erwähnen. „Wenn man sagt, dass A ein Buch liest, versteht es sich von selbst, dass A sich dazu entscheiden konnte, mit dem Lesen zu beginnen“135. Der Handelnde handelt dann vorsätzlich, wenn die Handlungszuschreibung vorliegt, d. h. er in der Lage ist, die Veränderung eines Geschehens zu beeinflussen. Hinsichtlich obiger Erklärung, die sich der analytischen Philosophie von Ryle136 u. a. anschließt, wird der Wille als funktionslos angesehen, weil er bei der Kontrolle des Handelns ohne Bedeutung ist. Das heißt, wie Kindhäuser ausgeführt hat, dass für eine Handlung ein Willens-Akt nicht vorausgesetzt sei. „Ich kann nicht ein Wollen tun, um dadurch ein Armheben herbeizuführen“137. Nach seiner Ansicht stellt der Wille den Grund des Handelns dar, genauer gesagt beschränkt der Wille nach der Sprachregel seine Bedeutung auf Um-zu-Relationen138. Der Willensbegriff sei freilich beim dolus eventualis und dolus directus irrelevant. Kindhäuser kommt deshalb zum Ergebnis, dass allein die Kenntnis als Können für den subjektiven Tatbestand ausreicht. Ryle versucht durch die Sprachanalyse zu beweisen, dass die mentalen Ausdrücke keine tauglichen kausalen Erklärungen eines Geschehens seien. Diese These wurde in philosophischen Diskussionen bezweifelt. Denn in der Alltagssprache ist es sehr häufig, dass bei einem Geschehen ein Ereignis und eine Dispositionseigenschaft als Ursache genannt werden: „Er ging in die Küche, weil er den Wunsch hatte, ein Bier zu trinken“139. Die Behauptung von Ryle ist deswegen nicht selbstverständlich.140 135 Kindhäuser, ZStW 96 (1984), 1, 21 f. Schon Hruschka, Strukturen der Zurechnung, S. 27; Schröder hat auch ähnlich formuliert: „Wer ein Glas Wein trinken will, der „will“ eben Wein und nicht Wasser trinken, und gerade diese Eigenschaft des Getränkes, die als solche von seinem Willen unabhängig ist, wird durch die Verknüpfung mit der Handlung zum Inhalt seines Willens“, Sauer-FS, S. 207, 214. Auf der anderen Seite kann man einen ähnlichen Ausdruck bei den Anhängern der sog. Willenstheorie finden. Beispielhaft führt Binding aus, dass das ,sich als Täter wissen‘ das ,seine Täterschaft wollen‘ in sich schließt, Die Normen II, S. 323. 136 Ryle, Der Begriff des Geists, S. 78 ff. Philosophische Kritik siehe Mittelstraß, Der arme Wille, S. 33, 47. 137 Kindhäuser, Intentionale Handlung, S. 110. 138 Kindhäuser, ZStW 96 (1984), 1, 23 f. 139 Das Beispiel ist entnommen aus Beckermann, Philosophie des Geists, S. 94. 140 Gean, Gründe und Ursache, S. 195, 206. Zusammenfassend Beckermann, Philosophie des Geists, S. 86 ff., 92 ff.

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3. Teil: Grundlagen der subjektiven Zurechnung

Die Auffassung von Kindhäuser leidet gerade an der ontologischen Schwierigkeit, die er eigentlich vermeiden möchte. Aber diese ist unausweichlich, wenn er das praktische Urteil auf die Beurteilung der Urheberschaft bzw. der Kontrolle reduziert. Dieses methodische Problem zeigt sich auch bei der Sprachanalyse, die die natürliche Sprache als Gegenstand betrachtet. Diese Theorie der sog. Handlungszuschreibung wird irreführend als Zuschreibungstheorie bezeichnet, ist jedoch nichts anderes als eine naturalistische Handlungslehre.141 Das größere Problem besteht darin, dass diese Theorie der Handlungszuschreibung die Erfolgszurechnung nicht erklären kann. Bei der bewussten Fahrlässigkeit besitzt der Täter zu der Tatzeit alle drei oben genannten Elemente der Handlung. Dagegen würde Kindhäuser wahrscheinlich anführen, dass der bewusste Fahrlässigkeitstäter trotz der Kenntnis den Geschehenverlauf tatsächlich nicht im Griff hat. Hier zeigt es sich, dass es für den Unterschied zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit darauf ankommt, ob der Handelnde den Kausalverlauf mehr oder weniger kontrollieren kann. Aufgrund der Handlungsanalyse, dass eine Handlung den Willen zu handeln umfasse, kann man nicht zum Schluss kommen, dass der Wille für den Vorsatz funktionslos ist. Denn nach dem Alltagssprachgebrauch gilt: „sprechen wir von Wollen, dann setzen wir selbstverständlich voraus, daß der Wollende sich des Gewollten und auch der zu dessen Herbeiführung einzusetzenden Mittel bewußt ist“142. Daher kann man sogar behaupten, dass das Wissenselement für den Vorsatz funktionslos ist, weil es bereits im Willensakt enthalten ist. Hier erweist sich, dass sich die Interpretation des Vorsatzbegriffes in der Strafrechtsdogmatik von der sprachanalytischen Methode distanzieren muss. Es erscheint evident, dass jemand unbedingt essen, trinken oder schlafen will, wenn er das tut. Aber wenn es um die Norm, die Regelung des Verhaltens zwischen Personen, geht, ist die Sache nicht so selbstverständlich: Ein ungeduldiger Kunde, der sich noch in der Schlange vor der Kasse befindet, fängt an, die Ware zu essen. Ein Busfahrer hat sich kurz vor dem Dienst betrunken, aber dennoch ans Lenkrad gesetzt. Die Mutter ist wegen der Wirkung einer Arznei eingeschlafen, während der Säugling vor dem Swimmingpool spielt. Wir erklären solche Handlungen nicht durch diese selbst, nämlich essen, trinken oder schlafen, sondern durch den Normkontext, der sich in einem bestimmten Rechtsverhältnis befindet. Den Inhalt einer Handlung zu erklären, bedeutet, ihre Stellung zum Normtext zu ermitteln. Dies ist nicht kausal, sondern normativ. In der Lage zu sein, genügt weder als objektive Zurechnung noch als subjektive. Die kindhäusersche Definition des Willensbegriffes ähnelt der Bedeutung der Absicht in der Umgangssprache, deswegen ist die Definition deutlich enger als in der traditionellen Strafrechtsdogmatik. Die Ablehnung des Willensbegriffs basiert daher auf einer Interpretation des Willensbegriffs, die von Anfang an die Vorsatzformen vernachlässigt. Eine Kritik durch solche Interpretation ist schlechthin eine 141 142

Vgl. Schroth, Vorsatz, S. 89 f. Schmidhäuser, Oehler-FS, S. 135, 147.

§ 6 Entwicklung der Vorsatzlehre und Meinungsstand

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Wiederholung des eigenen Standpunkts und deswegen nicht hilfreich. Auf der anderen Seite muss man an der Auffassung Kindhäusers auch kritisieren, dass sein Kenntnisbegriff dem umgangssprachlichen Wortgebrauch143 gerade nicht entspricht. Kritik solcher Art gilt allerdings kaum als Argument, solange sie nicht im Kontext des Strafrechtssystems steht. Wenn man bei Fahrlässigkeit auch von ,Willensschuld‘144 spräche, wäre das eher unverständlich. Das Problem liegt vielmehr darin, ob es einen Willensbegriff gibt, der die Vorsatzformen zutreffend erklären kann. Daher vermag die Auffassung von Kindhäuser nicht zu überzeugen.

III. Das sog. Kompensierungsverhältnis zwischen Wissen und Wollen 1. Die Bedeutung der Kompensierung Die Beziehung zwischen Wissen und Wollen findet man im Schrifttum wie folgt beschrieben: Für den Vorsatz können Wissen und Wollen sich gegenseitig ergänzen. „Ein hoher Wissensgrad (Höchstwahrscheinlichkeit) kompensiert beispielsweise ein Nichtwollen mit der Folge, dass Vorsatz zu bejahen ist“145. Deswegen liegt der Vorschlag nahe, dass der Vorsatzbegriff als Typus zu betrachten sei. Eine klar typologische Darstellung findet sich bei Puppe. Zum einen könnten sich das Wissenselement und das Willenselement gegenseitig ergänzen.146 Zum anderen könnten sich die Wahrscheinlichkeitsvorstellungen des Täters in den verschiedenen Deliktsstufen ergänzen.147 Diese Beschreibung des Kompensierungsverhältnisses zwischen dem Wissen und dem Wollen ist bemerkenswert. Zum einen ist sie ein Beweis dafür, dass der Intellektualismus in der Strafrechtswissenschaftsdogmatik unhaltbar ist. Das Wissen geht nicht stets vor und dominiert den Willen nicht mehr. Zum anderen hat diese Bestimmung des Vorsatzes dessen Kontur und dessen Sinn verwischt. Sie wird genutzt, um eine Faustregel zu formulieren. Aber wie Kühl zutreffend ausgeführt hat, fehlt es beim Eventualvorsatz an einer solchen Kompensation148. Von 143 Zur Auslegung nach dem Wortsinn des Kennensbegriffs siehe bereits bei Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, S. 19 f. Er beruft sich dazu auf den Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Bd. 4, S. 1453. 144 Arthur Kaufmann, Das Schuldprinzip, S. 153 ff.; Köhler, Strafrecht AT, S. 348 f. 145 Haft, Strafrecht AT9, S. 151 f.; anschließend spricht er von einem ,reziproken Verhältnis‘ zwischen Wissen und Wollen, Strafrecht AT9, S. 156. 146 Puppe schreibt: „Je grösser die Erfolgswahrscheinlichkeit nach der Vorstellung des Täters war, desto geringer muß sein Grad an Einverständnis mit dem Erfolg sein, um dolus eventualis anzunehmen oder umgekehrt [ . . . ]“, Armin Kaufmann-GS, S. 15, 31. 147 „Je höher die vorgestellte Wahrscheinlichkeit war, desto geringer sind die Anforderungen an die Präsenz der Erfolgsvorstellung im Moment der Handlung [ . . . ]“, Puppe, Armin Kaufmann-GS, S. 15, 31. 148 Kühl, Strafrecht AT5, 5 / 43.

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3. Teil: Grundlagen der subjektiven Zurechnung

der Typologie ausgehend, muss man von vornherein fragen, was das Gesamtbild eines Typus ist.149 Ansonst wäre der Vorsatz nichts als eine psychologische Tatsache und würde sich aus der Addition zweier psychologischer Elemente ergeben. Ein Gesamtbild des Vorsatzbegriffs ist notwendig, also eine normative Darstellung, welche die Normbewertung umfasst. Dazu trägt die bloß psychologisierte Beschreibung von Wissen und Wollen – wie sie von der h. M. vertreten wird – nichts bei. Bevor man beide Elemente aus dem normativen Aspekt neu bildet, ist die Entwicklung einer Lehre des typologischen Vorsatzbegriffs kaum möglich. Puppe entwickelt direkt einen normativen Vorsatzbegriff und deswegen spielt die Typuslehre bei ihr keine Rolle mehr. Insoweit hat also auch Puppe die o.g. Auffassung wieder aufgegeben.

2. Problematik beim typologischen Vorsatzbegriff Von einem Konzept der Kombination der dreifach abgestuften Wissens- und Wollenskomponenten des Vorsatzes ausgehend, ist Schünemann150 überzeugt, zu einer Lösung für die Abgrenzung von Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit zu kommen. Schünemann hat zuerst beide Komponenten nach ihrer Stärke in drei Stufen gegliedert: Bei der Wissenskomponente seien das Fürmöglichhalten, Fürwahrscheinlichhalten und Gewissheit. Bei der Wollenskomponente Unerwünschtheit, Gleichgültigkeit und Erwünschtheit. Dann behauptet Schünemann, der Eintritt des Vorsatzes setze voraus, dass wenigsten eine Komponente in ihrer mittleren Stärkeform ausgeprägt ist. Hingegen liege bewusste Fahrlässigkeit vor, wenn lediglich die unterste Wissenskomponente, das Fürmöglichhalten, und die unterste Wollenskomponente, die Unerwünschtheit, kombiniert werden, weil „sich derjenige, dem eine für möglich gehaltene Rechtsgutverletzung unerwünscht ist, nicht eindeutig gegen das Recht stellt“151. Danach entwickelt Schünemann seine Theorie vom Vorsatz als Typus.152 Der Vorsatz bestehe aus zwei Elementen, die eben der Grund der Vorsatzbestrafung seien, nämlich Tatherrschaft und rechtsgüterfeindliche Gesinnung. Die Tatherr149 Dazu siehe Arthur Kaufmann, Analogie und „Natur der Sache“, S. 49; Larenz, Methodenlehre, S. 468. Leenen spricht von der „Sinnhaftigkeit“ des Typus, Typus und Rechtsfindung, S. 42. 150 Schünemann, GA 1985, 341, 364. 151 Zu gegen dieses Konzept möglichen Bedenken schreibt Kühl: „Diese Folgerung wird bei denen auf Bedenken stoßen, die meinen, daß man sich auch dann gegen das tatbestandlich geschützte Rechtsgut entscheidet, wenn man sich mit der als möglicherweise eintretend erkannten, unerwünschten Folge „abfindet“. Geringeren Bedenken begegnet wohl die Erfassung derjenigen als Vorsatztäter, die entweder „gegenüber einer als möglich erkannten Rechtsgutsverletzung gleichgültig“ sind, oder „um den wahrscheinlichen Eintritt“ einer ihnen „an sich unerwünschten Rechtsgutsverletzung“ wissen“, Strafrecht AT5, 5 / 48. 152 Schünemann, Chengchi Law Review, Volume 50, S. 259, 270 ff.; ders., Hirsch-FS, S. 363, 370 ff.

§ 6 Entwicklung der Vorsatzlehre und Meinungsstand

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schaft setze das Wissen um die Wirkung der Handlung voraus. Dieses Wissen könne vom sicheren Wissen bis zur Möglichkeitskenntnis abgestuft sein. Diese zwei Elemente könnten sich so gegenseitig kompensieren. Die von Schünemann so genannte Tatherrschaft bedeutet, wie er eingeräumt hat, eine aktuelle Herrschaft.153 Sie ist nicht unbedingt mit der Erkenntnis verbunden. Die subjektive Fähigkeit der Prognostizierung stimmt nicht stets mit der objektiven aktuellen Herrschaft überein. Die Herrschaft bedeute vielmehr die Fähigkeit, d. h. in welchem Maß der Handelnde Einfluss auf die äußere Seite ausüben kann. Das ist ontisch. Das andere Element des Vorsatzes als Typus, die sog. rechtsgüterfeindliche Gesinnung, ist demgegenüber eine normative Figur. Sie besteht nicht nur aus individualpsychologischer Motivation, sondern auch aus der situativen Gegebenheit, die den Unwert des Endzweckes der Handlung, die Bereitschaft des Täters zur Übernahme des Risikos, usw. berücksichtigt. Als methodologisches Problem drängt sich daher die Frage auf, wie es möglich sein soll, dass zwei Elemente, die zu verschiedenen Kategorien gehören, sich wechselseitig kompensieren. Die Problematik zeigt sich an Folgendem: Ein bewusst fahrlässig Handelnder kann die Tatentwicklung nicht unbedingt weniger kontrollieren als ein Täter mit dolus eventualis. Wenn man starr von dem Zeitpunkt des Irrtums ausgeht und an einem ontologischen Tatherrschaftsbegriff festhält, geht die eigentliche Struktur der Zurechnung verloren, weil dann nämlich der Täter willkürlich diese Bewertung beeinflussen könnte. Natürlich könnte Schünemann sich so verteidigen, dass der Handelnde bei dolus eventualis eine stärker rechtsgüterfeindliche Gesinnung als bei der bewussten Fahrlässigkeit besitzt und der niedrige Grad der Kontrolle dadurch kompensiert wird. Dann geht es hier um ein anderes Problem, nämlich wieso und wie im Einzelnen das Kompensationsverhältnis besteht. Die Frage bleibt ohne Antwort. Wenn die stärkere Herrschaft bei der bewussten Fahrlässigkeit die schwächere Gesinnung kompensieren könnte, bestände eigentlich keine Fahrlässigkeit mehr. Das Kompensationsverhältnis bleibt deshalb immer unerklärbar.

IV. Anmerkung zu der oben wiedergegebenen Diskussion In der Literatur154 wird als eine Meinung, die wir auf Feuerbach zurückführen können, noch vertreten, dass Vorsatz und Fahrlässigkeit wertfreie psychologische Begriffe seien, bzw. dass der Willensakt als Essenz der Vorsatztat ein psychologischer Vorgang sei. Aber nach der oben wiedergegebenen Diskussion können wir nur zu dem Ergebnis kommen, gleichgültig welche Theorie man zugrunde legt, dass die These, nach der Vorsatz und Fahrlässigkeit als zwei unterschiedliche Un153 154

Schünemann, Chengchi Law Review, Volume 50, S. 416. Blei, Strafrecht AT18, S. 111; Lackner / Kühl, Strafgesetzbuch25, § 15 Rn. 31.

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3. Teil: Grundlagen der subjektiven Zurechnung

rechtstypen nur durch psychische Fakten beschrieben werden, nicht mehr konsequent zu verteidigen ist. Die Fakten gelten nicht als Wertkriterium, sondern nur als Gegenstände der Überprüfung des Unrechts. Die Essenz des Vorsatzes und der Fahrlässigkeit besteht in der Position des Täters zum Unrecht, aber nicht in den kausalistischen oder naturalistischen Fakten. Wenn der Vorsatzbegriff als Oberbegriff der Absicht, des dolus directus und des dolus eventualis, ein rein psychologischer Begriff wäre, könnte nicht erklärt werden, warum das Gewünschte nicht das Gewollte sein muss155. In der Umgangssprache wird dies oft nicht differenziert, was für eine wissenschaftliche Untersuchung jedoch notwendig ist. Der Inhalt eines Wunsches stellt das bewegende Motiv eines Individuums dar. Hingegen ist der Inhalt des Vorsatzes das „Sich-gegen-die-Normgeltung-Stellen“, also dem Normbruch beizupflichten. Dass der Vorsatz und die Fahrlässigkeit zwei Unrechtstypen sind, bedeutet im Ergebnis außerdem: Die Abgrenzung zwischen den beiden Typen, die auf der Lehre des dolus eventualis beruht, ist nicht psychologischer Natur. Die Beziehung zwischen Wissen und Wollen ist häufig unter einem psychologischen Aspekt im Verhältnis der Kompensation zu deuten. Das quasi mathematische Erklärungsschema stimmt mit dem Vorsatzbegriff nicht überein, auch wenn man ein normatives Element zu ergänzen versucht. Wie sich Wissen und Wollen verhalten, bedarf einer weiteren Überlegung, die mit dem normativen Inhalt des Vorsatzes zusammenhängen kann. Nach übereinstimmender Meinung schließt ein strafrechtlich relevanter Irrtum über Tatumstände den Vorsatz aus. Eine Irrtumslehre zu konstruieren, bedeutet auch, eine Theorie des Vorsatzes zu konzipieren. Wenn der Maßstab des Irrtums ein psychologischer wäre, würden damit gleichzeitig die Inhalte von Vorsatz und Fahrlässigkeit geändert, unabhängig davon, welche Lehre vertreten wird. Dies steht im Zentrum der vorliegenden Untersuchung. Das Problem des Tatbestandsirrtums wird von der positiven Vorschrift des § 16 StGB geregelt. Im Folgenden müssen wir uns also mit der Frage beschäftigen, wie Irrtums- und Vorsatzlehre in Einklang mit § 16 StGB zu bringen sind.

§ 7 Vorsatz und Irrtum gem. § 16 StGB I. Zur Entstehungsgeschichte von § 16 StGB Wenn man auf die Entstehungsgeschichte des § 16 StGB blickt, erkennt man eine dem Psychologismus unterworfene Entwicklung. Mit § 59 RStGB wurde nach dem Verständnis der Literatur156 eine enge Beziehung zum preußischen Strafge155 156

Blei, Strafrecht AT18, S. 114. Z. B. v. Hippel, VDAT III, S. 486.

§ 7 Vorsatz und Irrtum gem. § 16 StGB

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setzbuch unterstrichen. Aber aus dem Wortlaut des Gesetzestexts157 ist dieser Zusammenhang nicht so deutlich. Eine Ähnlichkeit besteht vielmehr nur insoweit, als die Vorschrift über Irrtum, § 44 preußisches Strafgesetz, ebenfalls negativ formuliert war. Nach Goltdammer geschah dies bemerkenswerterweise aus einem prozessualen Motiv. Er beschreibt die Bedeutung des negativ formulierten Gesetzes so, dass nach diesem der Täter selbst seine Unkenntnis nachweisen müsse.158 Die Vorschrift verlagert die Beweislast auf den Angeklagten. Der Ankläger war nur noch verpflichtet, das Vorliegen der objektiven Tatbestandselemente zu beweisen. Es kann offen bleiben, ob die oben genannte Ansicht Goltdammers vollkommen richtig ist. Aber es ist offensichtlich, dass sich § 44 preußisches Strafgesetz mit der Beweisführung befasste. Zuerst ist nach Geßler159 eine Besonderheit der Praxis in Preußen zu bemerken: Durch das Vorliegen der objektiven Momente konnte die Kenntnis dieser vermutet werden: „Wenn der Beweis der objektiven Merkmale in der bezeichneten Weise geführt ist und die sonstige Sachlage keine Veranlassung zu zweifeln über die Kenntnis darbietet, ohne die Behauptung kein Grund vorliegt, die Erkenntnis derselben durch ihn nicht anzunehmen“. Eine ähnliche Beschreibung ist auch im Kommentar von Oppenhoff160 zu finden. Eine Vorschrift, die die „Unbekanntschaft“ als einen „die Strafbarkeit ausschließenden Grund“ anführt, mindert die Schwierigkeit der Beweiserhebung bei der inneren Tatsache. Zudem änderte § 44 preußisches Strafgesetz die Beweisführung in der preußischen Praxis. Es wurde Z. B. hinsichtlich der Kenntnis vom Alter der missbrauchten Person nicht mehr die Frage gestellt, ob der Angeklagte dieses gekannt hat, sondern gefragt, ob es dem Angeklagten unbekannt war.161 Das Reichsstrafgesetzbuch von 1871 war in der Tat keine Neuanfertigung, sondern ein den Geltungsbereich ausdehnendes Norddeutsches Strafgesetzbuch.162 Dem Gesetzestext nach stehen § 16 und § 59 a.F. StGB deswegen dem § 59 Norddeutsches Strafgesetzbuch näher. Der Verfasser des Entwurfes zum Norddeutschen Strafgesetzbuch, John163, führt aus, dass sein Vorschlag aus dem Bayerischen Gesetzbuch Art. 69 entnommen wurde, da dieser Artikel im Vergleich mit der preußischen Gesetzgebung „größere Klarheit und Bestimmtheit“ gehabt habe. In dem 157 § 44 preußisches Strafgesetz: „Wenn die Strafbarkeit einer Handlung abhängig ist entweder von besonderen Eigenschaften in der Person des Thäters oder desjenigen, auf welchen sich die Tat bezog, oder von den besonderen Umständen, unter welchen die Handlung begangen wurde, so ist eine solche Handlung demjenigen als Verbrechen oder Vergehen nicht zuzurechnen, welchem jene Verhältnisse oder Umstände zur Zeit der That unbekannt waren.“ Vgl. Hahn, Strafgesetzbuch für die preußischen Staaten, 1856. 158 Vgl. Goltdammer, Die Materialien zum Straf-Gesetzbuch für die Preußischen Staaten Teil I, 1851, S. 380 f. 159 Geßler, Begriff und Arten des Dolus, S. 283. 160 Oppenhoff, Das Strafgesetzbuch für die preußischen Staaten5, § 44. 161 Mittheilungen aus den Schwurgerichts-Verhandlungen, in: GA 2 (1854), S. 807. 162 Vgl. Jescheck / Weigend, Strafrecht AT5, § 10 VIII. 163 John, Entwurf Norddeutsches Strafgesetzbuch, S. 288 f.

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3. Teil: Grundlagen der subjektiven Zurechnung

veröffentlichten Motiv164 ist eine Passage bemerkenswert: Die Vorschrift geht davon aus, „daß in einem solchen Falle der Angeklagte nicht seine Unkenntnis zu beweisen habe, sondern gegen den Angeklagten der Beweis zu erbringen sei, insofern nach Lage der Sache ein solcher erhobener Einwand überhaupt noch in Frage kommen kann“. Die Bedeutung dieser Regelung scheint sich von § 44 preußisches Strafgesetz zu differenzieren, tatsächlich ist sie jedoch, wie John165 zugegeben hat, nichts anders als preußische Praxis. Daher ist die Vorschrift auch prozessual. Oppenhoff166 führt auch deutlich aus: § 59 RStGB „hat es nicht mit der Vorsätzlichkeit und überhaupt nicht mit der Willensrichtung zu thun, aus welcher die Handlung hervorging, sondern lediglich mit der Kenntnis des Thäters von anderen (außerhalb der Handlung selbst liegenden) zum Thatbestande gehörenden oder seine Strafbarkeit erhöhenden Thatumständen“. Dies bedeutet, „daß der Instanzrichter über diese [die Kenntnis der Tatumstände] nach Maßgabe der Prozessgesetze eine ausdrückliche Feststellung treffen muß [ . . . ]“. Damit besteht ein prozessualer Hintergrund von § 16 und § 59 a.F. StGB. In § 59 Norddeutsches Strafgesetzbuch schildert der Gesetzgeber noch einige Motive, die beinahe identisch im Entwurf I des RStGB in normativen „Farben“ auftauchen. Die Vorschrift basiert auf dem Grundsatz, dass „eine Handlung dem Thäter nur insofern zur Schuld und Strafe anzurechnen sei, als der Wille und die Handlung einander entsprechen“167. Man kann daraus entnehmen, dass die Kenntnis der Tatumstände hier als ein Indiz für die Existenz des Willens galt, und dass es bei dem Irrtum um die Frage der Willensschuld ging. Später hat der Psychologismus den Schuldbegriff tief beeinflusst, wodurch die Begriffe des Vorsatzes und Irrtums ebenfalls umgedeutet wurden. Der Psychologismus geht davon aus, dass das normative Schuldelement als Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit nur in einem psychischen Zusammenhang verstanden werden könne.168 Obwohl z. B. Eberhard Schmidt169 gleichzeitig das normative Schuldelement anerkannt hat, wurde der Vorsatz von ihm auch als psychologisches Schuldelement verstanden. „Wer bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich.“ Dieser negativ formulierte § 16 StGB als einzige Regulierungsvorschrift für Vorsatz und Tatbestandsirrtum im Strafgesetzbuch entstammt dem oben geschilderten Unbehagen. Formell gesehen

164 Schubert (Hrsg.), Entwurf Norddeutsches Strafgesetzbuch, S. 225. Vgl. Blum, Norddeutsches Strafgesetzbuch, 1870, § 59. 165 John, Entwurf Norddeutsches Strafgesetzbuch, S. 288 f. 166 Oppenhoff, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich10, § 59, 5 (Hervorhebung original). 167 Schubert (Hrsg.), Entwurf Norddeutsches Strafgesetzbuch, S. 225, Könighaus, Strafgesetzbuch2, S. 86. 168 Zusammengefasst von v. Liszt / Schmidt, Strafrecht AT26, S. 229. 169 v. Liszt / Schmidt, Strafrecht AT26, S. 231.

§ 7 Vorsatz und Irrtum gem. § 16 StGB

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entspricht er § 59 RStGB. In der Tat ist der Vorsatz jedoch durch den Sieg der Schuldtheorie, die Vorsatz und Unrechtsbewusstsein trennt, dem sog. natürlichen Vorsatz noch einen Schritt angenähert worden.

II. Zur strafrechtlichen Dogmatik von § 16 StGB 1. Die sog. Kehrseite von § 16 StGB Wegen des Mangels einer Vorsatzdefinition wird die sog. Kehrseite von § 16 StGB in der Literatur170 häufig erwähnt, um ihr eine positive Definition des Vorsatzes zu entnehmen. Man glaubt, dass § 16 StGB eine indirekte Definition enthalte. Dadurch wird auch der Vorsatz des Täters beim untauglichen Versuch gerechtfertigt.171 Tatsächlich können wir aus § 16 StGB nur entnehmen, dass die Kenntnis der Tatbestandsumstände eine notwendige Bedingung des Vorsatzes im Strafrecht ist. Hingegen ist die Bedeutung des Willens unbestimmt.172 Schon seit § 59 RStGB ist bekannt, dass mit Hilfe einer solchen Vorschrift eine Vorsatzdefinition kaum begründet werden kann.173 Darauf weist Bockelmann zutreffend hin: „So hängt, was unter ,Vorsatz‘ im Sinne des Strafgesetzbuchs zu verstehen ist, nicht davon ab, wie die Psychologie das den Vorsatzbegriff mitkonstituierende Merkmal ,Kennen‘ (§ 59 StGB) definiert“174. Von der Logik ausgehend ergeben sich noch zwei weitere Probleme. Zuerst ist der Umkehrschluss keine gültige Schlussform in der Logik. Aus „Jedes S ist P.“ kann man nicht den Schluss ziehen, dass „Kein non-S P ist“, es sei denn, S und P wären deckungsgleich.175 Der Umkehrschluss gilt nur dann als juristisches Argument, wenn „die betreffenden Rechtsvoraussetzungen die jeweiligen Rechtsfolgen intensiv oder gegenseitig implizieren“ 176. Dass die Lebendgeburt eine notwendige Bedingung des Menschen im Sinne von § 212 StGB ist, liefert noch keine indirekte Definition des Menschen, denn alle Tiere im Sinne von § 326 StGB haben diese

170 Baumann / Weber / Mitsch, Strafrecht AT11, 21 / 1; Kindhäuser, ZStW 96 (1984), 1; Puppe, NK2, § 16 Rn. 1; Joecks, MK, § 16 Rn. 1; Heinrich, Strafrecht AT II, Rn. 1073. 171 Wessels / Beulke, Strafrecht AT35, Rn. 245; dazu kritisch Zaczyk, Das Unrecht der versuchten Tat, S. 80 f.; S / S / Cramer / Sternberg-Lieben, Strafgesetzbuch27, § 16 Rn. 6. 172 A.A. Rudolphi, SK, § 16 Rn. 1. 173 v. Liszt / Schmidt, Strafrecht AT26, S. 254 (a.A. v. Liszt, Lehrbuch21 u. 22, S. 167). Zutreffende Kritik an der Auffassung des RG, dass der Umkehrschluss aus § 59 RStGB als Stützung der subjektiven Versuchstheorie gilt, Spendel, ZStW 69 (1957), 441 ff.; zustimmend E. A. Wolff, Kausalität, S. 51 Fn. 33; Engisch, Heinitz-FS, S. 185, 189; Sax schreibt auch, „daß der Umkehrschluß aus (dem Rechtsgedanken des) § 59 I allein die Strafbarkeit des untauglichen Versuchs nicht zu begründen vermöchte“, JZ 1964, 241, 245. 174 Bockelmann, Radbruch-GS, S. 252, 254. 175 Klug, Juristische Logik4, S. 138 ff. 176 Klug, Juristische Logik4, S. 142.

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3. Teil: Grundlagen der subjektiven Zurechnung

Eigenschaft ebenfalls. Aus dem Umkehrschluss von § 16 StGB kann eine positive Definition des Vorsatzes also nicht hergeleitet werden.177 Zweitens sind, wenn dieser Umkehrschluss von § 16 StGB gültig wäre, d. h. die Kenntnis der Umstände die einzig erforderliche Voraussetzung des Vorsatzes wäre178, die negativen Folgen noch gravierender. Ein Täter, der mit der sog. bewussten Fahrlässigkeit handelt, dürfte jedoch ebensoviel wie ein Täter bei Vorsatz wissen.

2. § 16 StGB als Lösung für das Problem des Tatbestandsirrtums? Auf den ersten Blick scheint § 16 StGB die gesetzliche Regelung zur Lösung des Irrtumsproblems zu sein. Aber tatsächlich ist seine Funktion erheblich begrenzter: Schon von den Anwendungsbedingungen scheidet die Unkenntnis aller Umstände des Tatbestands als Grund des Vorsatzausschlusses aus. Der Umfang der Umstände, bei deren Unkenntnis § 16 Abs. 1 StGB anwendbar ist, ist fraglich.179 Beispielsweise ist es strittig, ob der Kausalverlauf dazu gehört. Nach Ansicht von Roxin180 ist die Kenntnis des Kausalverlaufs keine Voraussetzung des Vorsatzes und diesbezügliche Unkenntnis kein nach § 16 Abs. 1 StGB zu behandelnder Tatbestandsirrtum. Diese Meinung kommt allzu schnell zu ihrem Ergebnis, da bei objektiv zurechenbarem Kausalverlauf trotzdem noch die Überprüfung der subjektiven Zurechnung benötigt wird. Aber § 16 StGB kann dieses Problem nicht lösen.181 Es ist vielmehr offensichtlich, dass § 16 StGB nur sehr wenig zur Lösung des Irrtumsproblems leisten kann. Denn eines liegt auf der Hand: Niemand würde beim Fall eines Irrtums unmittelbar § 16 StGB verwenden. Stattdessen überlegt man, außer in Fällen der Unkenntnis unter welchen Bedingungen § 16 StGB verwendbar ist. Diese „Bedingungen“ sind allerdings in § 16 StGB schon sprachlich nicht verankert. § 16 StGB liefert deswegen keine Lösung für das vorliegende Irrtumsproblem.

Blei, Strafrecht I AT18, S. 113. Vgl. Kühl, Strafrecht AT5, 5 / 8. 179 Schroeder kritisiert noch, dass bei Umständen im Sinne von § 16 StGB die faktische und die normative Ebene vermischt sind, LK11, § 16 Rn. 5. 180 Roxin, Strafrecht AT I4, 12 / 154. 181 Engisch schreibt schon deutlich, für die zutreffende Lösung des Irrtumsproblems das Prinzip des § 59 a. F. StGB brechen zu müssen, Untersuchungen, S. 73. 177 178

§ 7 Vorsatz und Irrtum gem. § 16 StGB

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III. § 16 StGB im Lichte von Psychologismus und Intellektualismus Dass § 16 StGB ausschließlich von der Kenntnis ausgeht, lässt auch deutlich den zugrunde liegenden Intellektualismus erkennen. Beim Tatbestandsirrtum ist nur die Kenntnis relevant. Denn es wird angenommen, dass der Handelnde ohne Kenntnis nicht beurteilen könne, was gut ist und was er tun soll. Wir können in der Literatur einfach ablesen, dass viele Autoren nur das Vorsatzelement der Kenntnis, nicht jedoch den Willen als Vorsatzelement überprüfen. Sie sind davon überzeugt, dass die Kenntnis dem Willen vorgeht, und zwar in dem Sinne, dass der Wille ohne Kenntnis entfällt.182 Deswegen ist nicht nur die negative, sondern auch die positive Überprüfung des Vorsatzes abhängig davon, ob der Täter die Kenntnis besitzt. Durch die h. M. werden Vorsatz und Fahrlässigkeit als psychische bzw. Bewusstseins-Zustände beschrieben. Schaffstein hat die Bedeutung der Vorschrift des Tatbestandsirrtums repräsentativ wie folgt formuliert: „Maßgebend für diesen letzteren (§ 59 StGB a.F.) ist vielmehr, daß der Tatbestand die Summe derjenigen Merkmale darstellt, deren Kenntnis einerseits notwendig, anderseits aber auch hinreichend ist, um jene den Vorsatz kennzeichnende Impulswirkung hervorzurufen“183. Der den § 59 StGB a.F. und den § 16 StGB dominierende Psychologismus verleiht der Kenntnis eine entscheidende Bedeutung im Vorsatz. Ohne Kenntnis handele der Täter nicht vorsätzlich, es brauche überhaupt nicht, anders als bei § 17 StGB, gefragt zu werden, aus welchen Gründen er unwissend handelt, und ob die Gründe vermeidbar sind.184 Die verbreitete Lehre185 verteidigt diese Ungleichbehandlung mit der Begründung, dass der unwissende Täter von der Appell- und Warnungsfunktion des Tatbestands nicht erreicht werde. Denn der Täter wisse nicht, was er tut in dem Sinne, dass er den Sinngehalt seiner Tat im rechtlich-sozialen Raum nicht erfasse. Typischerweise schreibt Rönnau186 deutlich zugunsten des Intellektualismus: Wer keine Kenntnis besitzt, „hat kein Motiv, von der Tat abzulassen oder die gebotene Rettungshandlung vorzunehmen“. Diese intellektualistische Position wird in ähnlicher Weise von Schünemann187 vertreten. Er behauptet, die Tatherrschaft eines Vorsatzdelikts im Sinne von § 25 StGB stelle auf das Wissen um die Wirkungen der eigenen Handlung ab. Die intellektualistische Begründung gilt aber nur für einen Diese Lehre wird im vierten Teil unter § 9 II. 1. genauer erläutert. Schaffstein, OLG Celle-FS, S. 175, 181. 184 Kühl, Strafrecht AT5, 13 / 13; Wessels / Beulke, Strafrecht AT35, Rn. 244. 185 Kühl, Strafrecht AT5, 13 / 14; Wessels / Beulke, Strafrecht AT35, Rn. 244; Rönnau, JuS 2004, 667, 668. Die Appellfunktion ist jedoch keine Besonderheit des Vorsatzes gegenüber der Fahrlässigkeit, siehe Jakobs, Strafrecht AT2, 11 / 47; mit gleichem Ergebnis auch Schaffstein, OLG Celle-FS, S. 181; a.A. Paeffgen, Armin Kaufmann-GS, S. 399, 407 f. 186 Rönnau, JuS 2004, 667, 668. 187 Schünemann, Chengchi Law Review Volume 50, S. 259, 269; ders., Hirsch-FS, S. 363, 371. 182 183

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3. Teil: Grundlagen der subjektiven Zurechnung

Teil des Tatgeschehens und vernachlässigt die Ursache der Unkenntnis. Es muss auch gefragt werden, was der Handelnde bei der Herbeiführung dieser Unkenntnis wissen kann und soll. Dieser psychologische und intellektualistische Standpunkt hat einen blinden Fleck, insofern als ein unlösbares Problem bei der subjektiven Seite entsteht, wenn der Handelnde die Kenntnis nicht erwerben will. Dann nämlich blockiert bzw. manipuliert der eigene Intellekt sich selbst, woraus der paradoxe Fall folgt, dass die psychologische und intellektualistische Position überhaupt keine Beurteilung des Vorsatzes vornehmen kann. Das Ergebnis des § 16 StGB, wie Jakobs188 zutreffend ausgeführt hat, ist schmerzhaft, weil das Überprüfungsschema starr an den psychischen Fakten ausgerichtet ist. Dadurch wird eine axiologische Ungerechtigkeit legitimiert: Ein Täter, der kaltblütig die Folge seines Handelns, die Normverletzung, überhaupt nicht berücksichtigt, kann von seiner Unkenntnis, die doch eben seine Rechtsfeindlichkeit repräsentiert, profitieren.189 Ein aus Bosheit rücksichtsloser Täter würde hinsichtlich der Unkenntnis nur als fahrlässig angenommen, wenn er sich für die Folge seiner Handlung überhaupt nicht interessiert. Hingegen soll ein ernsthafter Täter aus Vorsatz bestraft werden, weil er das unerlaubte Risiko aufmerksam registriert hat.190 Die von Jakobs so gekennzeichnete ,Tatsachenblindheit‘ scheint deswegen in den Augen der heutigen h. M. hinsichtlich § 16 StGB unlösbar, und es bleibt unklar, warum die gedankliche Ausrichtung von § 16 (Kenntnisprinzip) und § 17 (Verantwortungsprinzip) StGB nicht übereinstimmt.191 Die Problematik beim Unterlassungsdelikt lässt Armin Kaufmann und Welzel192 radikal auf den Unterlassungsvorsatz verzichten, stattdessen wird ein „Quasi-Vorsatz“ verlangt. Denn einerseits verlangt die h. M.193 unbedingt die Kenntnis der 188 Jakobs, Studien zum fahrlässigen Erfolgsdelikt, S. 104 f.; ders., Beiheft ZStW 1974, 6, 8; ders., Bruns-FS, 31, 37; ders., Strafrecht AT2, 8 / 5a; ders., Das Schuldprinzip, S. 20; ders., ZStW 107 (1995), 843, 862; ders., ZStW 114 (2002), 584, 585 f.; ders., Rudolphi-FS, S. 107, 108; ders., NStZ 2005, 276, 278. 189 Ebenso Lesch, JA 1996, 346; ders., JA 1997, 802; Pawlik, Person, Subjekt und Bürger, S. 85 f.; Müssig, Mord und Totschlag, S. 182; Voßgätter, Die soziale Handlungslehre, S. 186; Heuchemer, Erlaubnistatbestandsirrtum, S. 264 f. 190 Autoren, die unmittelbar zu diesem axiologisch ungerechten Ergebnis kommen, sind z. B. Roxin, Strafrecht AT I4, 12 / 97; Schneider, Kritik des strafrechtlichen Funktionalismus, S. 118 ff.; Sacher, Sonderwissen und Sonderfähigkeit, S. 176. 191 Wenn man wie Arthur Kaufmann (Lackner-FS, S. 185, 190) annimmt, dass jeder Tatbestandsirrtum notwendigerweise einen Verbotsirrtum zur Folge hat, und wie Otto (MeyerGS, S. 583, 584), dass § 16 StGB lex specialis gegenüber § 17 StGB ist, wird die ungleiche Behandlung von § 16 StGB und § 17 StGB noch unverständlicher. 192 Armin Kaufmann, Die Dogmatik der Unterlassungsdelikte, S. 309 ff.; Welzel, Das deutsche Strafrecht11, S. 204 f. Nach Armin Kaufmann und Welzel ist die „Erkennbarkeit“ der Abwendungsmöglichkeit schon ausreichend. 193 BGH GA 68, 336, 337; BGHSt. 46, 373, 379; Herdegen, BGH-FG, S. 195, 199; Maurach / Gössel / Zipf, Strafrecht AT II7, 46 / 113; Jescheck / Weigend, Strafrecht AT5, S. 632 f.; Freund, MK § 13 Rn. 224; Tröndle / Fischer, Strafgesetzbuch 53, § 13 Rn. 18.

§ 7 Vorsatz und Irrtum gem. § 16 StGB

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(konkreten) Möglichkeit der Erfolgsverhinderung für den Vorsatz, aber andererseits denkt ein gleichgültiger Täter praktisch nie an die Abwendungsmöglichkeit.194 Nach der h. M. müsste der Täter wegen Fahrlässigkeit bestraft werden. Damit liegt wieder eine ungerechte Konstellation vor.

IV. Zwischenergebnis Der Gesetzgeber will eigentlich die Definition des Vorsatzbegriffs der Lehre und der Rechtsprechung überlassen.195 Dies ist dem Gesetzgeber aber nicht gelungen, denn § 16 StGB enthält ein Hindernis für eine offene Diskussion über den Vorsatzbegriff, das sich zugunsten des Psychologismus auswirkt: Der Vorsatz wird stets ausgeschlossen, wenn Unkenntnis über die Tatbestandsumstände besteht. Das Strafrecht belohnt somit einen Täter für seine Rücksichtslosigkeit, verschärft aber die Schuld eines anderen wegen seiner Sorgfältigkeit. Die Auffassungen, die dieses Hindernis nicht überwinden können, unterwerfen sich dem vom Täter willkürlich manipulierten Bewusstseinszustand, ohne dass die Funktion und das System des Strafrechts erbehalten bleiben. Die andere Quelle des Psychologismus in der subjektiven Zurechung ist die individuelle Handlungslehre, die einseitig auf die Willkür des Handelnden abstellt, sei es ein von ihm erwünschtes Ziel, sei es eine pauschale Entscheidung, sei es eine egozentrische Einstellung. Das Ergebnis ist dasselbe, nämlich dass die Beurteilung der Zurechung beliebig wird, weil der Täter sie zu seinem Vorteil lenken kann. Die Theorien stellen nur auf die psychologischen Bedingungen ab, fragen aber nicht, von welchem normativen Ausgangspunkt aus und nach welchem Maßstab die Bedingungen der Zurechnung abgeleitet werden. Der Ausgangspunkt und der Maßstab liegen nämlich nicht im Individuum, sondern im Rechtsverhältnis zwischen Personen, d. h. in einem objektiven Wertsystem des Rechts. Es ist an der Zeit, die Beziehung zwischen der subjektiven Zurechnung und dem Strafnormsystem gründlich zu analysieren, damit eine konsequente Konzeption geschaffen werden kann.

194 195

Jakobs, Strafrecht AT2, 29 / 87; schon Welzel, Das deutsche Strafrecht8, S. 181. BT-DrS. V / 4095 S. 8 f.; vgl. Honig, GA 1973, 257, 258 f.

Vierter Teil

Entwicklung eines neuen Lösungsansatzes: Doppelindividualisierungsirrtum als Tatabweichung § 8 Vorsatz als normative Institution I. Grundlage der subjektiven Zurechnung Wenn man über die Grundlagen der subjektiven Zurechnung spricht, geht man – wie bei der Zurechnung überhaupt – davon aus, dass diese sich auf eine gesellschaftliche Struktur bezieht, die eine andere Gestalt als die natürliche Welt hat. Bei der naturalistischen Perspektive der Zurechnung wird ein Subjekt als isoliertes Individuum angesehen. Seine Haftung ist aus der kausalen Perspektive festzustellen, was eine Erfolgshaftung im Strafrecht erst ermöglicht, indem man die Handlung und den Erfolg durch eine Kausalkette zusammenbringt. Das ist ein Teil der physikalischen Interpretation der Welt, die Kennzeichen der unentwickelten Epochen der Gesellschaft ist.1 Die Grundlage dieser Gesellschaft ist die Natur. Hingegen haben die Zurechnung und die subjektive Zurechnung in der Gegenwart ihren Ausgangspunkt in einer aus Rechtsverhältnissen bestehenden Gesellschaft. Die Gesellschaft ist von ihren Mitgliedern mittels vernünftiger und rationaler Regelungen ausgestaltet. Die Natur ist nur als eine Tatsache anzusehen, die durch den Verstand geordnet wird. Das Subjekt einer Handlung ist eine Person, die als Träger von Rechten und Pflichten in der Gesellschaft anerkannt wird. Die Zurechung findet nur innerhalb des gesellschaftlichen Verständnisses statt.2

1. Grundzüge einer Person in der Gesellschaft Kant hat in seinem Werk „Metaphysik der Sitten“ gelehrt: „Der rechtliche Zustand ist dasjenige Verhältnis der Menschen unter einander, welches die Bedingun1 In früheren Epochen galt eine Schicksal- und Sippenhaftung, siehe Jakobs, Der strafrechtliche Handlungsbegriff, S. 14 ff. 2 Vgl. Jakobs, Norm, Person, Gesellschaft, S. 80 ff.; ders., Geilen-Symp., S. 63, 64 ff.; Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, S. 142 f., 176 f.; Lesch, Der Verbrechensbegriff, S. 4; Kawaguchi, Eser-FS, S. 139, 145 ff. Zur soziologischen Darstellung der Personalisierung Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 291 ff.; ders., Soziale Welt, 42 (1991), 166 ff.

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gen enthält, unter denen allein jeder seines Rechts teilhaftig werden kann“3. Anders als der Naturzustand, in dem „sich kein kompetenter Richter fand“4, bedeute ein rechtlicher Zustand eine friedliche Ordnung, in der die rechtliche Zurechnung legitimiert und gewährleistet werde. Die Norm konstruiert die Lebensweise der gesellschaftlichen Welt.5 Wer in ihr leben möchte, muss immer ein normatives Verständnis davon haben. Die Gesellschaft ist normativ strukturiert. Von der Freiheit der Person auszugehen, bedeutet nicht, von den Problemen, die sie beinhaltet, nämlich, wie Freiheit möglich ist, und wie die Freiheit sich zwischen Personen verhält, abzusehen. Das Verhalten eines Mitglieds der Gesellschaft bleibt geheim und geschützt, wenn es ausschließlich zur eigenen Sphäre gehört. Ein Verhalten hat nur dann rechtliche Bedeutung, wenn es einen anderen berührt. Diese Bedeutung besteht in einem Rechtsverhältnis, das anfangs aufgrund gemeinsamer Interessen als Ordnung geschaffen wird und danach unabhängig vom Privaten gehalten werden muss. Mit anderen Worten wird das Verhalten in der Gesellschaft unter einem normativen Aspekt betrachtet und bewertet. Das bedeutet nicht, dass die subjektive Seite unbeachtet bleibt. Vielmehr sind die seelischen Zustände Gegenstand der Bewertung. Sie sind aber kein Kriterium der Bewertung selbst.6 In einer Gesellschaft, in einem rechtlichen Zustand, verhält sich ein Mensch als Person, die nach einem Schema von Pflicht und Freiraum handelt, und nicht als Individuum, das hingegen nach einem Schema von Lust und Unlust handeln würde.7 Die Frage, unter welchen Bedingungen eine soziale Ordnung möglich ist, forscht nach den gleichen Voraussetzungen wie die Frage, wann eine Pflichterfüllung gegeben ist.

2. Normbefolgungswille als Grundhaltung einer Person bei ihrer Handlung Eine Person als ein Rechtsträger8, die als Individuum mit Leib und Bewusstsein in der Welt lebt, verhält sich in einem Schema von Pflicht und Freiheit. Das Bewusstsein der Person soll durch die Normen geprägt sein.9 Diese Prägung hat eine passive Seite. Das bedeutet, dass das Bewusstsein nicht seine Orientierung verliert, wenn es mit einem Verhalten von anderen konfrontiert wird, das nicht seinen normgeprägten Erwartungen entspricht. Aber das normgeprägte Bewusstsein hat auch eine aktiv-positive Seite. Die Norm als Lebensverhältnis in einer Gesellschaft Kant, Metaphysik der Sitten, § 41. Kant, Metaphysik der Sitten, § 44; ausführlich Zaczyk, Das Unrecht der versuchten Tat, S. 150 ff., 181 ff.; Gierhake, Begründung, S. 71 ff. 5 Jakobs, ARSP Beiheft 74, S. 57 ff. 6 Bereits Jakobs, Strafrecht AT2, 8 / 100. 7 Vgl. Jakobs, Norm, Person, Gesellschaft, S. 9 ff. 8 Vgl. Jakobs, ZStW 117 (2005), 247 ff. 9 Vgl. Jakobs, Norm, Person, Gesellschaft, S. 42 ff. 3 4

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4. Teil: Entwicklung eines neuen Lösungsansatzes

erschließt einer Person die Grundzüge ihrer Lebenswelt. Die Norm zu befolgen ist die Welt zu verstehen.10 Die Normbefolgung ist notwendig, um ein Leben in einer Rechtsgemeinschaft zu verwirklichen. Unrecht zu vermeiden ist aus Sicht der Norm eine typische Handlungsweise, um das Rechtsverhältnis zu erhalten.11 Auf der anderen Seite gibt es innerhalb dieser Notwendigkeit der Norm eine unübersehbare Vielzahl von Auswahlmöglichkeiten. Deswegen kann die Person ihr Rechtsleben frei organisieren. Hier wird deutlich, dass das Schema von Pflicht und Freiheit von Anfang an ein voluntatives Element enthält. Entsprechend der Pflicht muss sich die Person selbst motivieren, sich rechtmäßig zu verhalten. Das voluntative Element, das die Person beim Umgang mit dem Rechtsverhältnis hat, sollte besser als Normbefolgungswille bezeichnet werden.12 Dieser Normbefolgungswille darf nicht als psychologisches Momentum verstanden werden, das vom Bewusstsein des Handelnden bestimmt wird, sondern als universelles Prinzip. In der Wissenschaft setzt sich die Ansicht durch, dass die Strafnorm in Hinsicht auf die Generalprävention für den Bürger eine Verhaltensnorm ist. Diese These wird irreführend so formuliert, dass zum Zeitpunkt der Handlung dafür ein psychisches Verhältnis zwischen dem Handelnden und der Norm notwendig sei. Ähnlich dem Lesen eines Stadtplanes könne der Bürger sich durch die Strafnorm orientieren, welches Verhalten, Tun oder Unterlassen, zu vermeiden ist. Deswegen sei gegenüber dem Willen ein psychischer Kontakt, die Kenntnis, eine absolut notwendige Voraussetzung für die subjektive Zurechnung. Diese psychologische These deutet ein Geschehen individuell, und ist vom Handelnden manipulierbar, weil er nur sieht, was er sehen will. Somit besitzt die beliebige Annahme des Handelnden keine allgemeine Gültigkeit. Die These, die Kenntnis dominiere eine Handlung, ist daher sehr fragwürdig. In der Strafrechtsdogmatik gilt die psychologische These de lege lata nur für Tatsachenkenntnis, nicht bei Normeinsicht: Nach § 17 StGB ist die Unkenntnis der Norm kein ausreichender Grund für die Entschuldigung. Für die rechtliche Beur10 Zutreffend schreibt Jakobs, Norm, Person, Gesellschaft, S. 88: „Wer als Person definiert wird, von dem wird Normbefolgung erwartet“; auch ders., ZStW 117 (2005), 247, 259. 11 Zu dieser Notwendigkeit und ihrem Zusammenhang mit der Freiheit bei Kant führt Zaczyk zutreffend aus: „Die notwendige Bezogenheit menschlichen Lebens auf diese Einheit, verbunden mit der Notwendigkeit, sich wechselseitig eine Sphäre von Handlungsverwirklichung einzuräumen, zwingt die Menschen dazu, gemeinsam Verhältnisse zu stiften, die ein solches Leben in Freiheit ermöglichen“, Heinze-FS, S. 1111, 1114; vgl. auch Zaczyk, Rudolphi-FS, S. 361, 364 f. 12 Pawlik spricht von der Loyalität und der Loyalitätpflicht der Bürger, die sich auf „die Aufrechterhaltung eines Zustandes allgemein gesicherter Rechtlichkeit“ bezieht, Person, Subjekt und Bürger, S. 83, 90 f. Köhler führt aus: „Im Vollzug interpersonaler Anerkennungsverhältnisse beruht die Weltordnung [ . . . ] auf dem Rechtswillen der Personen“; der Unrechtswille beruht „auf der Form des konkreten Vernunftschlusses, welcher die Person in ihrer Selbstkonstitution, einschließlich bestimmter intersubjektiver (auch: gesellschaftlicher) Zusammenhänge, ausmacht“, ARSP Beiheft 87, 67, 76 f. Diese Ausführung ist insoweit zutreffend. Vgl. Lampe, ZStW 118 (2006), 1, 30.

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teilung, ob ein Normbefolgungswille vorhanden ist, kann es auch nicht auf die Ansicht des Individuums ankommen, sondern nur darauf, ob die Erwartung der Pflicht erfüllt wurde oder nicht. Das heißt, es geht um eine rechtliche Bewertung, durch die und deren Rechtsfolgen das Normsystem objektiv bestimmt und gewährleistet wird. Mit anderen Worten hängt die Bewertung nicht von der individuellen Willkür ab, sondern von der Pflicht, die der Person hinsichtlich der Normgeltung obligatorisch auferlegt ist.13 Der hier genannte Normbefolgungswille ist die positive Bewertung unter dem Aspekt der Norm, deswegen unterscheidet er sich vom Willensbegriff im Sinne des Triebes und der Willkür.14 Die sog. subjektive Zurechnung ist keine „individualisierende Zurechnung“, sondern eine „personale Zurechnung“15. Jakobs16 weist zu Recht darauf hin, dass die subjektive Tatseite von dem Strafzweck ausgehen soll, wobei der Zweck die Normgeltung zu erhalten und somit eine positive Generalprävention ist. Der subjektive Tatbestand verbindet die Handlung des Täters mit dem objektiven Tatbestand. Hierbei kann es zweierlei Verbindungen geben, die sich durch die Beziehung zwischen Täter und Norm unterscheiden; Tatwille oder versehentlich fehlenden Normbefolgungswille. Tatwille (Vorsatz) liegt vor, wenn der Handelnde entgegen dem Normbefolgungsbefehl die Handlung unternimmt, wohingegen ein Handelnder mit versehentlich fehlendem Normbefolgungswillen (Fahrlässigkeit) zwar keinen Tatwillen hat, aber der Handlung keine hinreichende Aufmerksamkeit für die Normbefolgung schenkt. Vorsatz und Fahrlässigkeit sind deswegen weder psychische Beziehungen zum Unrecht, sog. innere Tatseite im Sinne der kausalistischen Lehre, noch ontologische Willensformen im Sinne der finalistischen Lehre, sondern deren Bewertung.17

13 In dieser Richtung schreibt Bockelmann: „Freilich ist die Ethik, auf der das Strafrecht fußt, die Sozial- und nicht die Individualethik. Nur die Verfehlung gegen Pflichten, die aus dem Gemeinschaftsleben erwachsen, kann Gegenstand einer Strafdrohung sein“, RadbruchGS, S. 252, 257. Pawlik führt hierzu aus: „Nun ist freilich eine Haltung bürgerlicher Loyalität nicht rechtlich erzwingbar. [ . . . ] Zulässig ist es darüber hinaus auch, loyales Verhalten zu einer Obliegenheit auszugestalten“, Person, Subjekt und Bürger, S. 83 (Hervorhebung original). 14 Deswegen verhält sich die hiesige Konzeption ganz anders als das traditionelle Erklärungsschema des Willens, das von Jakobs zu Recht kritisiert wird, Norm, Person, Gesellschaft, S. 80 f. 15 Jakobs, ARSP Beiheft 74, 57, 67. 16 Jakobs, ZStW 101(1989), 516 f. 17 Beim Erlaubnistatbestandsirrtum handelt der Täter ohne Vorsatz, da er an sich rechtstreu reagiert. Vgl. BGHSt. 3, 105, 107; Baumann / Weber / Mitsch, Strafrecht AT11, 20 / 34; Freund, Strafrecht AT, 7 / 106; Kühl, Strafrecht AT5, 13 / 71 f.

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4. Teil: Entwicklung eines neuen Lösungsansatzes

II. Der Wille als Element der Zurechnung 1. Der normative Willensbegriff Wenn man in Ethik und Recht vom freien Willen redet, darf der Willensbegriff nicht in seiner umgangssprachlichen und psychologischen Bedeutung verstanden werden, in welcher der Willensbegriff Ausdruck einer naturalistischen Betrachtungsweise der Handlung beim Individuum ist.18 Beispielhaft bezeichnet Frankfurt19 den Willen einer Person (nicht als bloße Singularform von Menschen, sondern als vernünftiges Wesen) zutreffend als Wunsch zweiter Stufe, also als die Fähigkeit zur reflektierenden Selbstbewertung. „Jemand hat einen Wunsch erster Stufe, wenn er dies und das tun oder nicht tun möchte, und er hat einen Wunsch zweiter Stufe, wenn er einen bestimmten Wunsch erster Stufe haben oder nicht haben möchte“. Den Wunsch erster Stufe – den Trieb – haben alle Tiere. Hingegen ist der Wille nur bei der Person als vernunftbegabtem Wesen zu finden. „Das charakteristische Merkmal eines Triebhaften ist, daß ihm [einer Person] sein Wille gleichgültig ist“20. Hegel, der die Person als Subjekt in Moral und Recht erkennt, bezeichnet nur eine Äußerung des moralischen Willens als eine Handlung.21 Der moralische Willen unterscheidet sich von dem Willen im psychologischen Sinne oder in der Bedeutung der Alltagsprache. Der moralische Wille ist ein reflektierender Wille, der zwischen vielfältigen Trieben und Neigungen wählen muss.22 Der Wille ist deswegen nicht nur die innere Seite des Handelnden, sondern besitzt darüber hinaus noch eine denkende Allgemeinheit23. Der Wille, der sich auf die Normbefolgung bezieht, ist ein Normbefolgungswille oder sein Gegensatz, ein Tatwille. Der Wille kommt im Motivationsprozess zum Ausdruck. Hier zeigt der Wille seine objektive Seite. Das subjektive Unrecht einer Handlung besteht aus einem Defizit an Normbefolgungsmotivation beim Handelnden. Dieses Defizit kann vorliegen, wenn der Handelnde aktiv motiviert ist, die rechtswidrige Tat zu begehen, oder wenn der Handelnde nicht ausreichend motiviert ist, die Gefahr, die von seiner Handlung ausgeht, zu erkennen und dementsprechend zu handeln. Die zwei Formen des Defizits werden als Vorsatz und Fahrlässigkeit bezeichnet.24 Die beiden Deliktsformen unterscheiden sich danach, ob

Vgl. Seebass, Wollen, S. 225. Frankfurt, Willensfreiheit und der Begriff der Person, S. 288 ff.; vgl. Lampe, ZStW 118 (2006), 1, 28 ff., 42. 20 Frankfurt, Willensfreiheit und der Begriff der Person, S. 292. 21 Hegel, Philosophie des Rechts, 1821, § 113 und Anmerkung dazu. 22 Hegel, Enzyklopädie, 1830 III, §§ 476, 477, S. 299. 23 Hegel, Philosophie des Rechts, § 21 und Anmerkung dazu. 24 Vgl. Jakobs, Der strafrechtliche Handlungsbegriff, S. 39. Er erläutert: „Vorsatz und Fahrlässigkeit begründen das Unrecht nicht als individualpsychische Fakten, sondern als am 18 19

§ 8 Vorsatz als normative Institution

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der Motivationsprozess der allgemeinen Meinung Ausdruck gibt, dass die Norm ungültig sei. Richtigerweise ist deswegen der rechtliche Willensbegriff ein konstruierendes Element der subjektiven Seite der Person, denn er repräsentiert, wie eine Person ihre Handlung zwischen Pflicht und Freiheit organisiert. Dass eine Person mit Willen handelt, bedeutet nicht, dass ein Individuum mit seiner Umwelt per körperlicher Bewegung interagiert, sondern dass das rechtliche Verhältnis ausschließlich durch die Handlung einer Person geändert werden kann, und die Veränderung ihrem Willen zuzurechnen ist. Die subjektive Seite des Unrechts liegt vor, wenn eine rechtswidrige Handlung auf den Willen der Person zurückzuführen ist. Der vorsätzliche Täter erkennt die Geltung der Norm nicht an. Der Täter beim Fahrlässigkeitdelikt reagiert passiv, während er im Großen und Ganzen noch die Norm befolgen möchte. Eine Vorsatztat stellt einen unmittelbaren Widerspruch gegen die Normgeltung dar.25 Das Fahrlässigkeitsdelikt bezeichnet hingegen nur das Unsorgfältigsein gegen die normative Pflicht.26 Darin besteht der qualitative Unterschied zwischen dem Vorsatz und der Fährlässigkeit. Auf der anderen Seite liegt die (materielle) Schuld vor, „solange zur konkreten Ordnung keine plausiblen Alternativen bestehen, solange es also keinen anderen Weg gibt, als die Selbstdefinition der Normunterworfenen als Angehörige dieser Ordnung zu unterstellen“27. Wenn man von Normbefolgung und Rechtsfeindlichkeit spricht, schildert man die zwei Pole des Willens. Die Untersuchung des Willens dient dazu, die Grundlage seiner Vorwerfbarkeit festzustellen.28 Vorsatz und Fahrlässigkeit bezeichnen nichts anderes als zwei negative Formen des Willens: Der Tatwille, der die Rechtsfeindlichkeit trägt, wird Vorsatz genannt. Der Tatwille als Vorsatz ist die subjektive Seite einer Handlung, die objektiv das Nichtanerkennen der Individuum erscheinender Ausdruck eines objektiv bestimmten Fehlers“ (Hervorhebung original). 25 Vgl. Engisch, Untersuchungen, S. 234; Köhler, Die bewußte Fahrlässigekeit, S. 321 ff. 26 Mit dieser Pflicht ist nicht die sog. Sorgfaltspflicht gemeint, sondern die Pflicht, das unerlaubte Risiko zu vermeiden. 27 Jakobs, Das Schuldprinzip, S. 34 (Hervorhebung original). 28 Man findet noch Beispiele im Strafrecht, die sich nicht auf Vorsatz und Fahrlässigkeit beschränken. In einem davon wird der Verteidigungswille bezweifelt, wenn es um eine Absichtsprovokation geht. Die Einstellung bei der Herbeiführung der Notwehrlage liegt zeitlich stets vor der Notwehr vor. Aber diese vorherige Einstellung wird für strafrechtlich relevant gehalten und als Grund angenommen, den später eintretenden Verteidigungswillen abzulehnen. Der Grund ist nicht nur, dass die Provokation im sprachlichen Widerspruch zur Verteidigung steht, sondern auch, dass die vorwerfbare Grundhaltung zur Norm im Widerspruch steht zu einem die Norm anerkennenden Willen. In diesen Fällen – etwa Wut, Hass oder Kampfeseifer – wird der Täter anders behandelt, obwohl diese Konstellationen auch im sprachlichen Widerspruch zur Verteidigung stehen, BGH, NStZ 2000, 365; NJW 2003, 1955, 1958; OLG Stuttgart, NJW 1992, 850. Die Ansicht (S / S / Leckner / Perron, Strafgesetzbuch27, § 32 Rn. 63; Kühl, Strafrecht AT5, 7 / 128 f.), die die Kenntnis der Notwehrlage für den Verteidigungswillen als ausreichend ansieht, lässt eine rein psychische Erklärung genügen, und kann deswegen nicht konsequent sein.

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4. Teil: Entwicklung eines neuen Lösungsansatzes

Normgeltung belegt. Die Fahrlässigkeit als Unsorgfältigkeit ist ein Defizit beim Normbefolgungswillen.29 Die innere Seite einer Handlung im Strafrecht ist nur dann bedeutend, wenn sie sich auf die Norm und ihre Geltung bezieht. Diese subjektive Beziehung muss an einem normativen Maßstab, dem Rechtstreuewillen als Grundhaltung, gemessen werden. Das heißt, die objektive Bedeutung der inneren Seite des Handelnden wird dadurch interpretiert und festgestellt. Der Ausgangspunkt des hier vorgeschlagenen Konzepts ist zuerst, dass die sog. subjektive Zurechnung keinesfalls von einer individuellen Deutung, also keinesfalls von einer persönlichen Annahme des Täters abhängig ist, sondern es sich bei der Zurechnung vielmehr um eine normative Bewertung handelt. Das heißt, dass die Überprüfung der subjektiven Zurechnung darauf abstellt, was der Täter normativ wollen soll; also ob man dem Täter Rechtsuntreue vorwerfen kann. Rechtsuntreue – und damit der Tatwillen – wird deutlich, wenn eine Handlung die Nichtanerkennung der Normgeltung ausdrückt.

2. Der Wille im psychologischen Sinne? a) Der Willensbegriff seit Luden bis zur kausalen Handlungslehre Seit Luden30 wird die Rolle der Kausalität in der Handlung einseitig betont, wodurch die Bedeutung des Willensbegriffs, der als das ungeschriebene Element der Handlung gilt, entleert wurde, wie Bubnoff31 zutreffend bemerkte. Denn der Wille ist nur eine Ursache im Kausalzusammenhang. Nach Binding32 ist der Wille eine „schaffende Energie des Menschen zur ändernden Einwirkung auf die Außenwelt“, „indem sich der Willen auf Verwirklichung einer vorgestellten Handlung von solcher kausalen Natur richtet“33. Franz v. Liszt34, der Begründer der modernen Strafrechtssystematik, definiert die Handlung als menschliche Kausalität, die auf das Wollen bzw. die Willkür zurückgeführt werden könne, und die eine Veränderung der Außenwelt herbeiführe. Naturalistisch interpretiert ist der Wille nach seiner Auffassung ein psycho-physischer Akt, durch den eine Anspannung der Muskeln erfolgt. Die Handlung besteht aus der Willensbetätigung, dem Erfolg und der Beziehung zwischen den beiden Elementen. Der Wille hat darin die Bedeutung der kausalen Funktion. Aber auf der anderen Seite nimmt v. Liszt als Vertreter der Vorstellungstheorie an, dass der Wille die Vorstellung voraussetzt.35 Das Vorliegen des 29 Die Fahrlässigkeit umfasst das Normgeltung-Nichtanerkennen im weiteren Sinn; vgl. Jakobs, Der strafrechtliche Handlungsbegriff, S. 33 ff. 30 Luden, Abhandlung II, S. 316 ff. 31 Bubnoff, Die Entwicklung des strafrechtlichen Handlungsbegriffes, S. 95. 32 Binding, Die Normen II, S. 312. 33 Binding, Die Normen IV, S. 364. Ausführlich zu seinem Willensbegriff Jakobs, Studien zum fahrlässigen Erfolgsdelikt, S. 38 f. 34 v. Liszt, Lehrbuch2, S. 104 f.; ders., Rechtsgut und Handlungsbegriff, S. 238 ff.

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Willens wird nur bei Kenntnis angenommen. Aber auf der anderen Seite ist der psychologisierte Willensbegriff wegen der Überlegen des Sprachgebrauchs, es gebe auch „unangenehme Erfolge“36, aus der Definition des Vorsatzes ausgeschlossen. Es bleibt deswegen unklar, was der Willensbegriff bei v. Liszt eigentlich ist. Der andere Begründer der modernen Strafrechtssystematik, Beling, vertritt ebenfalls eine kausale Handlungslehre, bei der der Wille die Rolle der Ursache des Geschehens spielt. Eine Handlung bedeutet, willentlich tätig zu werden (Begehen) oder untätig zu bleiben (Unterlassen). Sie sei insofern ein wertfreier Begriff. Der Handlungsinhalt sei erst durch den Tatbestand zu bestimmen. Der Willensinhalt hingegen sei eine Frage der Schuld, aber nicht der Handlung.37 Für Beling als Vertreter der Willenstheorie hat der Wille bei der Vorsatztat, im Gegensatz zu v. Liszt, die besondere Bedeutung, dass der Erfolg vom Handelnden gewollt sein muss. Der Wille wird von den Anhängern der kausalen Handlungslehre deswegen nur als Ursache der Handlung im psychologischen Sinne angesehen. Beispielhaft bezeichnet Mezger38 den Willen als emotionales Element des Vorsatzes, als emotionalen Vorgang. Diese Auffassung ist innerhalb der Lehre konsequent, aber das bedeutet noch nicht, dass die kausale Handlungslehre und der von ihr behauptete Willensbegriff berechtigt sind. Die in der Literatur39 oft erwähnte Schwäche der kausalen Handlungslehre ist, dass sie das Unterlassungsdelikt nicht erfassen kann. Denn bei der Unterlassung fehlt es an der naturalistischen Kausalität oder der Körperlichkeit. Der oben entwickelte Handlungsbegriff ist deswegen nicht als Oberbegriff für alle Formen des Verbrechens zu verstehen. Diese Schwäche hängt mit dem hauptsächlichen Mangel des Kausalismus zusammen: Er kann das strafrechtliche Geschehen nicht erklären.40 Die zwei Mängel lassen sich auf den Willensbegriff, der als Willensimpuls verstanden wird, zurückführen. Wenn der Wille als Ursache der Handlung schlechthin ein psycho-physischer Akt wäre, könnte man anhand dieser Definition die tierische und die menschliche Handlung nicht unterscheiden, da der Willensbegriff im biologischen Sinne auch auf kluge Tiere wie Affen passt.41 Die menschliche Handlung ist vielmehr aus der Perspektive der gesellschaftlichen Pflicht und Erwartung zu betrachten. Wegen dieser Besonderheit kann der biologische Wilv. Liszt, Lehrbuch4, S. 28 Anm. 2. v. Liszt, Lehrbuch21 u. 22, S. 164 f. 37 Beling, Grundzüge, S. 38, ders., Die Lehre vom Verbrechen, S. 10 f. 38 Mezger, Strafrecht3, § 42 I. 39 Eingehend E. A. Wolff, Der Handlungsbegriff, S. 10 f.; Bubnoff, Die Entwicklung des strafrechtlichen Handlungsbegriffes, S. 139 f.; Jakobs, Tun und Unterlassen, S. 17 f. 40 Radbruch, Frank-Festgabe I, S. 158, 161; E. A. Wolff, Der Handlungsbegriff, S. 11. 41 Die Willkür, „welche nur durch Neigung (sinnlichen Antrieb, stimulus) bestimmbar ist, würde tierische Willkür (arbititrium) sein“, Kant, Metaphysik der Sitten, Einleitung in die Metaphysik der Sitten, I. Der Wille in diesem Sinn ist ein natürlicher Wille, Köstlin, System des deutschen Strafrechts I AT, § 44. 35 36

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4. Teil: Entwicklung eines neuen Lösungsansatzes

lensbegriff nicht als Element der Klassifikation dienen. Selbstverständlich kann er das strafrechtliche Geschehen nicht erklären.42

b) Die Trennung innerhalb des Willens bei Welzel Der kausalistische und psychologische Willensbegriff ist von der finalen Handlungsehre weiterentwickelt worden. Welzel, der Begründer des Finalismus, kennt tatsächlich auch einen werthaften Willensbegriff, wenn er das Wollen als „eine aktiv sein Verhalten bestimmende Stellungnahme des Ich“43 definiert. Das Ich in seiner wollenden Einstellung richte sich nach dem Wert in dem Sinne, „daß es sich die Verwirklichung des erkannten Wertes vornimmt, eben weil es seine So-Beschaffenheit erkannt und erwogen hat“44. Später unterstreicht Welzel jedoch, um den Fehler des naturalistischen Handlungsbegriffes zu verdeutlichen, die Orientierung der vorsätzlichen Handlung und reduziert den Willensbegriff auf einen zwecktätigen Willen.45 Welzel schreibt in seinem Lehrbuch, dass er das Wollen als zielbewussten, das kausale Geschehen lenkenden Willen46 und als Hilfszeitwort, das zu seiner Verdeutlichung stets ein Hauptzeitwort braucht, versteht. Ein Beispiel von Welzel47: Wer sein Haus anzündet, um die Versicherungssumme zu erlangen, will nur das Geld haben. In diesem Sinne wird der Willen als Verwirklichungswillen, der sich auf Tatbestand bzw. Unrecht bezieht, erklärt. Das sog. persönliche Unrecht als Handlungssteuerung wird von der Willensverwirklichung konstituiert. Demgegenüber nennt Welzel den Inhalt der Schuld Antriebssteuerung, die als Willensbildung verstanden wird.48 Diese Trennung innerhalb des Willensbegriffes zwingt zu einer Überprüfung der Willensverwirklichung, ohne den Willensbildungsprozess zu berücksichtigen. Das heißt, dass der Willens- und Vorsatzbegriff keine Zurechnungsbegriffe sind, sondern psychologische Phänomene. Die Begriffsdefinitionen stoßen bei der Erklärung des Vorsatzes umgehend auf Schwierigkeiten: Der Wille wird von Welzel bejaht, auch wenn der Täter den Eintritt des Erfolgs nicht ,will‘, sondern bedauert. Ein von Welzel angeführtes Beispiel lautet49: Wer sein Haus anzündet, um die Versicherungssumme zu erhalten, wolle ausschließlich das Geld haben. Der Täter be42 Jakobs kritisiert die Uferlosigkeit des kausalen Handlungsbegriffes, denn dieser sei eine zivilrechtliche und polizeirechtliche Ruine im Gebiet des Strafrechts, Der strafrechtliche Handlungsbegriff, S. 22. 43 Welzel, ZStW 51 (1931), 703, 713. 44 Welzel, ZStW 51 (1931), 703, 716. 45 Welzel, ZStW 58 (1939), 491, 501. 46 Welzel, Das deutsche Strafrecht11, S. 34; auch Blei, Strafrecht AT18, S. 113 f. 47 Das deutsche Strafrecht11, S. 66. 48 Welzel, Das neue Bild4, S. 47. Zur Kritik an der Trennung siehe, Zielinski, Handlungsund Erfolgsunwert, S. 67, Fn. 67; Ziegert, Vorsatz, Schuld und Vorverschulden, S. 127. 49 Welzel, Das deutsche Strafrecht11, S. 66.

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dauere vielleicht sehr, dass das Haus zerstört und das Mobiliar vernichtet wird sowie dass eine gelähmte Hausbewohnerin ums Leben komme. Nach der Auffassung Welzels hat der Täter trotzdem die Zerstörung des Hauses, die Vernichtung des Mobiliars und den Tod der Frau verwirklichen ,wollen‘. Der Wille wird hingegen von Welzel verneint, auch wenn der Täter die Verwirklichung erhofft und wünscht. Zum Beispiel wenn der Täter einen anderen bei einem aufkommenden Gewitter in den Wald schickt und hofft, dass der andere durch einen Blitz erschlagen wird. Welzel führt aus, dass der Täter keinen Tötungswillen habe, da der Tod des Opfers außerhalb der Einwirkungsmöglichkeit des Täters liegt. Es zeigt sich insgesamt, dass es außer dem Willensbegriff im psychologischen und alltagssprachlichen Sinne noch einen Willensbegriff im rechtlichen Sinne gibt. Die Finalisten und ihre Nachfolger versuchen die Voraussetzungen der Strafbarkeit in zwei Kategorien, nämlich in eine sachontologische und eine normative, zu teilen. Diese Spaltung von Kenntnisprinzip und Verantwortungsprinzip ist jedoch inkonsequent und deswegen gescheitert.50 Im Finalismus ist die Handlung die Durchführung eines Zweckes, der im ontologischen Sinne verstanden wird. Wie die h. M. kritisiert hat, enthält diese Theorie der Handlung keine Interpretationskraft für ein Fahrlässigkeitdelikt. Bei Wissentlichkeit und dolus eventualis ist die Theorie ebenfalls fragwürdig.51 Wie oben dargelegt, sucht Welzel, wenn er sich mit Problemen wie aberratio ictus beschäftigt, die Lösung weder durch die Beherrschung des Täters noch durch den Begriff der Finalität, sondern durch das objektive Kriterium der Adäquanz. Der Vorsatz als Finalität kann den Maßstab der subjektiven Zurechnung nicht leisten. Vielmehr wird der Vorsatz beinahe bedeutungslos, da bei allen Konstellationen des Irrtums das Adäquanzurteil dominiert, das bei der Kausalität im objektiven Tatbestand bereits überprüft wurde.

c) Der ontologische Willensbegriff der heute h. M. in der Literatur Trotz aller Kritik wird der Willensbegriff Welzels von der h. M. einverständlich akzeptiert, da diese seine Trennung zwischen Unrecht und Schuld übernommen hat. Der Bedeutung des strafrechtlichen Willensbegriffes in der h. L. liegen danach eine ontologischen Interpretation der Handlung und der alltagssprachliche Gebrauch des Willensbegriffes52 zugrunde. Die Verwendung des Willensbegriffs steht aber in großem Widerspruch zu dieser Grundlage. Der Wille wird bis heute im Strafrecht als psychologisches Element des Vorsatzes betrachtet und deswegen Ausführlich Jakobs, Schreiber-FS, S. 949 ff. Bereits Jakobs, Aussagewert der Handlungsanalyse einer Tat, S. 21, 25 ff.; ders., Der Strafrechtliche Handlungsbegriff, S. 24. 52 Z. B. Schmidhäuser, Oehler-FS, S. 135, 137 ff.; Spendel, Lackner-FS, S. 167, 169 ff.; Schünemann, GA 1985, 341, 361; zusammenfassend Ross, Über den Vorsatz, S. 112 ff. 50 51

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4. Teil: Entwicklung eines neuen Lösungsansatzes

stets im Sinne der Alltagssprache verstanden. Diese Ansicht ist nicht nur widersprüchlich, sondern hat auch sehr negative Konsequenzen für Rechtsprechung und Lehre. Der Willensbegriff, der im üblichen Sprachgebrauch als Beabsichtigen, Bezwecken oder Wünschen53 verstanden wird, kann nämlich kaum mit der Wissentlichkeit und dem dolus eventualis übereinstimmen. 54 Auf einen Willensbegriff in diesem Sinn muss verzichtet werden. Die Anhänger der finalen Handlungslehre, die den Vorsatz als Teil des Unrechtstatbestands verstehen, sollten konsequent einen normativierten Vorsatzbegriffannehmen, da der Vorsatz das subjektive Unrecht ist. Daher bezweckt die Frage ,Hat der Täter mit Willen gehandelt?‘ „das gerade Gegenteil einer psychologischen Erhellung der Motivationsstruktur, sie verlangt als Antwort nur Aufschluß darüber, ob der Täter (im sozialen Sinne) zielbewußt oder versehentlich gehandelt hat“55. Der BGH56 kennt einerseits das Billigen im Rechtssinne, mit dem das individuelle psychologische Phänomen, das Wünschen, vom strafrechtlichen Willensbegriff ausgeschlossen wird. Aber andererseits überprüft der BGH den Begriff des Billigens doch nach einem psychologischen Maßstab. Die Auffassung57, die mit dem Sprachverständnis argumentiert, dass der Wille und die Inkaufnahme voneinander getrennt zu verstehen seien, ist nicht plausibel. Sie wäre nur dann richtig, wenn der Inhalt eines strafrechtlichen Begriffs mit seiner umgangssprachlichen Bedeutung deckungsgleich wäre. Der Schießbudenfall von Lacmann58 hat längst gezeigt, dass die persönliche Neigung bzw. Hoffnung und der Willensbegriff im Strafrecht zu verschiedenen Kategorien gehören. Ein rechtsfeindlicher Wille könnte bejaht werden, obwohl der Täter den Eintritt des Erfolgs überhaupt nicht ,will‘. Bemerkenswert ist, dass die Literatur das Missverständnis hinsichtlich des Willensbegriffs kaum aufklärt. Hingegen hat Lesch zutreffend bemerkt, dass ein psychologischer Willensbegriff (ein auf den tatbestandlichen Erfolg gerichteter Willen) nur mit dem dolus directus 1. Grades zusammenhängt. Für die anderen Formen des Vorsatzes schlägt Lesch vor, sie als eine negative Willensbeziehung zu bezeichnen. Der Täter habe den erforderlichen Willen zur Vermeidung der Tatbestandsverwirklichung nicht gebildet.59 Zur vollständigen Erklärung des Vorsatzes muss man einen normativen Willensbegriff konzipieren. Ein psychologischer kann diesen Beitrag nicht leisten. Ein anderer Widerspruch innerhalb der Auffassung der h. M. liegt darin, dass sie einerseits die Trennung zwischen Unrecht und Schuld, nämlich die Trennung zwiDuden, Bedeutungswörterbuch, 2. Aufl., 1985. Bereits Lesch, JA 1997, 802, 808. 55 Krauß, Bruns-FS, S. 11, 22 (Hervorhebung vom Verfasser). 56 BGHSt. 7, 363. 57 Zielinski, AK § 15, 16 Rn. 27; Kindhäuser, Strafrecht AT, 13 / 3. 58 Lacmann, ZStW 31 (1911), 142, 159. 59 Lesch, JA 1997, 802, 808 f.; ausführlich ders., Der Verbrechensbegriff, S. 175 ff., 204. Vgl. Lampe, Das personale Unrecht, S. 188 ff. 53 54

§ 8 Vorsatz als normative Institution

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schen Willensverwirklichung und Willensbildung übernommen hat, jedoch andererseits viele ihrer Vertreter den Vorsatz als Entscheidung bezeichnen. Mit dem Vorsatz in diesem Sinne kann man jedoch dem Problem der Willensbildung nicht ausweichen, selbst dann nicht, wenn der Entscheidungsbegriff nur als ein psychologisches Konzept verstanden wird. Der Grund liegt darin, dass man bei jedem Prozess einer Entscheidungsfindung überprüft, ob die Handlung des Handelnden als eine Entscheidung gegen Rechte von anderem verstanden werden kann. Seitdem der Vorsatz bzw. die ganze subjektive Zurechnung als psychologische Begriffe angesehen werden, verkennt das Strafrecht seinen Gegenstand und seine Aufgabe, wie schon Kelsen60 zu Recht kritisiert hat. Die subjektive Zurechnung sollte nicht auf die Analyse der inneren Seite eines Individuums, einer psychischen Einheit, reduziert werden61, während der eigentliche Gegenstand der Jurisprudenz, die Person, wegfällt. Die Strafrechtsdogmatik erscheint Kelsen62 als offensichtlich widersprüchlich. Denn einerseits wird das Prinzip, ohne (Willens-)Schuld keine Strafe, ausdrücklich unterstrichen. Aber auf der anderen Seite sei das Willenselement nur bei der Absicht erforderlich. Aufgrund dieses Zweifels könnte auf den Willensbegriff ganz verzichtet werden. Aber diesen Ausweg zu wählen hieße, das Kind mit dem Bade auszuschütten, weil das eigentliche Problem bestehen bleibt; die subjektive Zurechnung wäre der Domäne der Psychologie unterworfen. Eine saubere Lösung für das Strafrecht besteht aber vielmehr darin, dass wir das ganze Gebiet der subjektiven Zurechnung von der Psychologie befreien. Somit müssen der Vorsatz und seine Elemente, Wissen und Kenntnis, als normative Struktur verstanden werden.63

60 Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, S. 121 ff.; bis zu einem gewissen Grade zustimmend Jakobs, Studien zum fahrlässigen Erfolgsdelikt, S. 39 ff.; Lesch, JA 1997, 802, 808. 61 Müssig weist zutreffend darauf hin, dass die subjektive Zurechnung sich auf das Kongruenzverhältnis von individueller und objektiver Deutung bezieht, „das im Zusammenhang strafrechtlicher Bedeutungszuschreibung grundsätzlich nicht auf ein psychologisches Schema reduziert werden kann, sondern als ein normativ begründetes zu verstehen ist“, Mord und Totschlag, S. 183. 62 Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, S. 133 f. 63 Bockelmann schreibt zutreffend: „Doch kann die Basis der Entscheidung einer Rechtsfrage niemals die Untersuchung psychologischer, sondern stets nur die Analyse der anzuwendenden Rechtsbegriffe sein“, Radbruch-GS, S. 252, 256.

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§ 9 Wissen und Wollen bei der subjektiven Zurechnung I. Die Ebenen und der Inhalt der Kenntnis 1. Abstrakte Kenntnis und konkrete Kenntnis Wer in der Welt lebt, lernt von Anfang an ihre Regeln. Wer in einer Gesellschaft mit anderen Personen täglich in angebrachter Form umgehen möchte, muss die gegebene Struktur dieser Gesellschaft, die aus verschiedenen Normsystemen besteht, verstehen. Die genannten Normsysteme sind die soziale Norm und die rationalnaturwissenschaftlichen Regeln, die als Anwendungsbedingungen der gesellschaftlichen Normen gelten.64 Diese allgemeine Erkenntnis, die sich auf die abstrakte Ebene der Gesellschaft bezieht, ist etwas anderes als eine Kenntnis, die mit einer konkreten Situation umgeht. Das Irrtumsproblem wirft die Frage auf, wie man festlegen kann, dass eine Handlung dieses Nicht-Anerkennen ausdrückt. Die Schwierigkeit liegt darin, dass hier der Täter keine Kenntnis über den tatsächlichen Kausalverlauf besitzt. Wir sollten hier ein grundlegendes Problem der Irrtumslehre betrachten: In der Strafrechtsdogmatik werden zwei unterschiedliche Maßstäbe für die Lösung angewandt: einerseits mittels sinnlicher Wahrnehmung, anderseits durch geistiges Verständnis. Die Bedeutung der Kenntnis im Sinne von § 16 StGB muss neu untersucht werden. Beim Sinninhalt der Kenntnis lassen sich zwei Ebenen des Kausalverlaufs trennen: Zu einem ist Kenntnis das, was üblicherweise als Erkenntnis bezeichnet wird. Sie bezieht sich auf generelle Eigenschaften eines Gegenstands oder einer Tatsache. Die Erkenntnis ist eine rationale, eine abstrakte Kenntnis. Zum anderen ist die Kenntnis das, was der Handelnde durch seine aktuelle Wahrnehmung erfahren hat. Diese Kenntnis hat etwas Konkretes zum Gegenstand. Sie wird als Annahme von dem Handelnden festgehalten. Hinsichtlich der unterschiedlichen Wesen (rationale Erkenntnis oder Wahrnehmung) muss man auch bei der Irrtumslehre zwei verschiedene Arten von Kenntnis differenzieren.65 Die abstrakte Kenntnis ist nicht nur die immanente Grundlage einer Handlung, sondern auch ihr Kommunikationsinhalt. Das heißt, durch die abstrakte Kenntnis kann der soziale Sinn einer Handlung von anderen erkannt werden, obwohl der Handelnde wegen seiner Annahme, der Kenntnis einer konkreten Situation, diesen Sinn nicht kennt.66 Wir kennen den Handelnden als vernünftige Person, nicht wie noch Feuerbach, nur als willkürliches Individuum. Siehe Jakobs, ARSP-Beiheft 74, 57, 60. Vergleichbar ist die kantische Unterscheidung zwischen Erfahrungsurteil und Wahrnehmungsurteil. Das Wahrnehmungsurteil hängt von der individuellen Empfindung ab und ist insoweit nur subjektiv gültig. Diese behauptete Beziehung ist eine subjektive Meinung. Hingegen ist das Erfahrungsurteil, das „auf einem reinen Verstandesbegriffe beruht“, objektives und allgemein gültiges Wissen, Kant, Prolegomena, § 18 f.; ders., Kritik der reinen Vernunft, S. 141 ff.; zusammenfassend Höffe, Kants Kritik der reinen Vernunft, S. 135 ff. 64 65

§ 9 Wissen und Wollen bei der subjektiven Zurechnung

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Beim Irrtum über den jeweiligen Gegenstand aufgrund einer falschen Wahrnehmung wird thematisiert, ob die Unkenntnis bei der Handlung eine Rolle gespielt hat. Jeder Mensch ist als Lebewesen durch seinen Körper eingeschränkt. Die Fähigkeit des Körpers ist ein Teil der Wirklichkeit, die als vorgegebenes Element berücksichtigt werden muss. Zunächst impliziert die Befähigung des Menschen als vernünftiges Lebewesen schon das Vermögen, die Lebenserfahrungen zu deduzieren. Danach gehen die von den Menschen gebildete Gesellschaft und die praktische Philosophie zwingend von diesem Mindest-Intellekt aus. Die Behauptung der Unkenntnis der allgemeinen Natur der Sache wird in der Regel von dem Zurechnungsverfahren in jeder Hinsicht ignoriert. Die Bedeutung der konkreten Kenntnis ist seit Aristoteles bekannt. Bei ihm beschränkt sich die Unkenntnis, die die Freiwilligkeit des Handelnden beseitigt, auf die Umstände des einzelnen Falles, sei es die Sache, ihre Art und Bedeutung, sei es die Person und ihre Handlung nach Gegenstand und Material, sei es das Mittel, z. B. ein Werkzeug, sei es der Zweck, z. B. ob etwas der Selbsterhaltung wegen geschah, oder sei es die Art und Weise der Handlung, also ob sanft oder heftig.67 Hingegen wird hinsichtlich der Unkenntnis „im allgemeinen Sinn“ von Aristoteles unterstrichen, dass sie von der Unfreiwilligkeit ausgeschlossen werden sollte, denn solche Unkenntnis begründet keine Entlastung, sondern einen Vorwurf.68 Zur Verdeutlichung folgenden Fall: Dass ein Handelnder eine Pistole für Spielzeug hält und einen Menschen erschießt, kann ihn wegen Unkenntnis entlasten. Dass der Handelnde das Tötungsverbot nicht gekannt hat69, oder dass er einen Schuss nicht für tödlich hielt, entlastet ihn hingegen nicht. Weiterführend ist der rechtsphilosophische Gedanke von Hegel. Zuerst differenziert er zwischen Vorsatz und Absicht: „Der Vorsatz betrifft nur das unmittelbare Dasein, die Absicht aber das Substantielle und Zweck desselben“70. Der Vorsatz sei durch ein unmittelbares Urteil zu bestimmen, aber die Absicht durch ein Reflexionsurteil.71 Quante führt aus: Beim Reflexionsurteil „wird das Verhältnis von Subjekt und Prädikat nicht als der Inhärenz, sondern als das der Exemplifikation gedacht“. Das Allgemeine (das Prädikat) wird durch Einzelnes exemplifiziert, „während das Einzelne (das Subjekt) gedacht wird als ein bestimmtes Subjekt, das dieses Allgemeine exemplifiziert. Ein Urteil der Reflexion ist dies des66 Die hier geschilderte abstrakte Kenntnis hat deswegen mit der psychologischen Theorie vom ,Mitbewusstsein‘ wenig zu tun. 67 Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch III 1111a. 68 Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch III 1110b f.; vgl. auch die englische Übersetzung als ,general ignorance‘ von Rackam, Aristotle The Nicomachean Ethics, 1956, III i. 15 – 17. ,Die Unkenntnis im allgemeinen Sinn‘ wird von Lasson als Unkenntnis der allgemeinen Regeln des Verhaltens übersetzt, Aristoteles Nikomachische Ethik, 1909. Die Übersetzung von Rolfes ,die Unkenntnis der allgemeinen sittlichen Vorschriften‘ dürfte eigene Interpretation sein, Aristoteles Nikomachische Ethik, 1985. 69 Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch III 1113b. 70 Hegel, Enzyklopädie, § 505.

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halb, weil die Relation der Exemplifikation ein ,wesentliches‘ Verhältnis zwischen Allgemeinem und Einzelnem ist. [ . . . ] Die Relation der Exemplifikation besteht also zwischen gesetztem Einzelnen und gesetztem Allgemeinen, das Verhältnis beider ist ein ,Sollen‘, und das Allgemeine ist das zugrunde Liegende“72. Hegel weist dann darauf hin73, dass die notwendigen Folgen der Handlung von der Absicht des Handelnden umfasst sein müssten, obwohl er die Folgen nicht gekannt hat. Denn sie seien das immanente Allgemeine, und der Handelnde müsse die allgemeine Natur der einzelnen Tat kennen. Hegel erklärt: „Das Recht der Absicht ist, daß die allgemeine Qualität der Handlung nicht nur an sich sei, sondern von dem Handelnden gewußt werde, somit schon in seinem subjektiven Willen gelegen habe“74. Hegel geht nicht von einem Individuum aus, sondern von der Person75, die hinsichtlich ihrer Pflicht die allgemeine Natur der Handlung, nämlich die soziale Bedeutung ihres eigenen Verhaltens76, kennen muss. Die Folgen solcher Art des Verhaltens würden vom Handlungswillen umschlossen: „So auftretend ist das Allgemeine das von mir Gewollte, meine Absicht“77. „Wenn eine Handlung Verbrechen ist, so ist der dolus von selbst bewiesen, und der Richter braucht den dolus nicht mehr zu beweisen“78. Dieser Gedanke ist ersichtlich eine normative Objektivierung, „so wie umgekehrt das Recht der Objektivität der Handlung, wie es genannt werden kann, sich vom Subjekt als Denkendem als gewusst und gewollt zu behaupten“79. Freilich ist dies keineswegs eine Erfolgshaftung, denn die zufälligen Folgen sind von vornherein ausgeschlossen.80 Das generelle Wesen der Handlung Hegel, Philosophie des Rechts, § 114 Randnotiz Quante, Hegels Begriff der Handlung, S. 199. 73 Hegel, Philosophie des Rechts, § 118 Zusatz, § 119. Vgl. Hegel, Mitschrift von Wannenmann, § 61. 74 Hegel, Philosophie des Rechts, § 120 (Hervorhebung original). Hegel weist in der Hotho-Nachschrift auf folgendes hin: „Die Sache ist nicht das Einzelne, sondern das Ganze, das Allgemeine, das sich nicht auf diese bestimmte Einzelheit der besonderen Handlung bezieht, sondern auf die allgemeine Natur der Handlung“, Vorlesungen über Rechtsphilosophie, Bd. 3, S. 363. In der Griesheim-Nachschrift führt Hegel weiter aus: „Dieser Charakter der Allgemeinheit macht das Wesentliche der Handlung aus und ist das, was in der Absicht zu betrachten ist“, Vorlesungen über Rechtsphilosophie, Bd. 4, S. 323. 75 Piontkowski, Hegels Lehre, S. 239. 76 Seelmann, Ebenen der Zurechnung bei Hegel, S. 85. Vgl. Schnädelbach, Hegels praktische Philosophie, S. 233. 77 Hegel, Philosophie des Rechts, § 118 Zusatz (Hervorhebung original). 78 Hegelka; , Mitschrift von Wannenmann, § 61. 79 Hegel, Philosophie des Rechts, § 120 (Hervorhebung original). Über das Recht der Objektivität führt Hegel weiter aus: „Das Recht der Objektivität hat nach dieser die Gestalt, daß, da die Handlung einer Veränderung ist, die in einer wirklichen Welt existieren soll, also in dieser anerkannt sein will, sie dem, was darin gilt, überhaupt gemäß sein muß. Wer in dieser Wirklichkeit handeln will, hat sich eben damit ihren Gesetzen unterworfen und das Recht der Objektivität anerkannt“, Philosophie des Rechts, § 132 A. 80 Piontkowski, Hegels Lehre, S. 236 ff. 71 72

§ 9 Wissen und Wollen bei der subjektiven Zurechnung

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kann auch bei Unkenntnis noch zum Willen des Handelnden zugerechnet werden.81 Der rechtliche Willensbegriff oder die sog. Willensschuld muss von dem psychischen Zustand klar unterschieden werden. Die Gegenüberstellung von Konkretem und Abstraktem hat seine Bedeutung in der Strafrechtdogmatik zunächst im Problembereich des sog. Mitbewusstseins, in dem der Vorsatzbegriff und seine Elemente stark psychologisiert werden. Platzgummer82 geht von der Erkenntnis der Psychologie aus, dass das Unbewusste mit seinem Bewusstseinsinhalt mitbewusst sei und das Mitbewusste auch mitgewollt werde. Diese Auffassung bezieht sich nicht nur auf die allgemeine Natur der Handlungssituation, z. B. den Tatort, sondern auch auf die konkreten Umstände, z. B. das Alter des Opfers. An dieser psychologischen Begründung wird von einigen Strafrechtslehren83 heftig kritisiert, dass sie nur eine Fiktion geleistet habe. Weitere Kritik kommt aus medizinisch-psychologischer Sicht84. Es zeigt sich deutlich, dass ein auf der Psychologie basierender Kenntnisbegriff nicht praktikabel ist. Denn die Assoziation als subtil-psychologisches Phänomen ist individuell und zustandsbedingt, bei ihr besteht keine Notwendigkeit. Ein Schluss lediglich aufgrund von Assoziationen ist somit unhaltbar.85 Entgegen der Richtung der Lehre des Mitbewusstseins kommt eine andere psychologische Untersuchung zu einem gegensätzlichen Ergebnis. Nach der sog. Affektlogik wird verlangt, dass auf die Rolle der abstrakten Kenntnis verzichtet werden solle. Das Schema, dass Menschen in der Natur durch ein affektlogisches Bezugssystem die lebensnotwendigen Informationen über Lust oder Unlust sammeln und dadurch das zu ihrer Selbsterhaltung Notwendige unternehmen, wird auf den Umgang mit Personen übertragen. Das Affektsystem und das Intellektsystem würden „völlig gemeinsam und analog ausgebildet“86. Eine abstrakte Kenntnis bedeute deswegen, das Wissen von den lebensgeschichtlichen Erlebnissen abzuschneiden, die individuelle Wirklichkeit zu vernachlässigen. Eine Zurechnung aufgrund der abstrakten Kenntnis sei deshalb unangebracht.87 Diese kognitive Theorie beschränkt die Quelle des Wissens auf die Erfahrungen und Wahrnehmungen und ignoriert die Fähigkeit des Menschen zu lernen und zur Logik. Es bedarf überhaupt keiner eigenen Erfahrungen eines Normverstoßes, um die Norm zu erkennen. Für niemanden braucht es das persönliche Erlebnis, um zu Larenz, Hegels Zurechnungslehre, 54 f. Platzgummer, Die Bewußtseinsform des Vorsatzes, S. 83; zustimmend Roxin, ZStW 78 (1966), 214, 248 ff., 253 f. Stratenwerth, Strafrecht AT4, 8 / 76; Schroeder, LK11, § 16 Rn. 99; differenziert Blei, Strafrecht AT18, § 33 IV. Kritisch dazu Frisch, Armin Kaufmann-GS, S. 311, 324 f.; Schild, Stree / Wessels-FS, S. 241, 263 ff. 83 Jakobs, Strafrecht AT2, 8 / 12; Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, S. 159. 84 Schewe, Bewußtsein und Vorsatz, S. 47 ff. 85 Auch Köhler, GA 1981, 285, 290; Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, S. 159. 86 Kargl, Der strafrechtliche Vorsatz, S. 61 ff. 87 Kargl, Der strafrechtliche Vorsatz, S. 68. 81 82

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wissen, dass ein Schuss aus einer Pistole auf den Oberkörper eines Menschen regelmäßig lebensgefährlich ist.88 Wenn wir diese Theorie zuspitzen, könnte aus ihr das außergewöhnliche Ergebnis abgeleitet werden, dass eine subjektive Zurechnung irgendwelcher Art unmöglich ist; denn ohne „Wahrnehmung“ der inneren Seite des Täters würde niemand wissen, was der Täter getan hat, und was seine Handlung bedeutet.

2. Die Bedeutung der Unterscheidung zwischen konkreter und abstrakter Kenntnis Um die Bedeutung der Trennung der konkreten von der abstrakten Kenntnis vertiefen zu können betrachten wir den folgende Sachverhalt: Auf der Baustelle eines 8-stöckigen Gebäudes, werden an verschiedenen Tagen von Konstruktionsfirmen Baumaterialien angeliefert und bis zum Einbau auf dem Boden gelagert. Kaufinteressanten können den Rohbau schon besichtigen (Baustellenfall). Anhand dieses Sachverhalts lässt sich die Unterscheidung von konkreter und abstrakter Kenntnis sehr gut nachvollziehen. Der Satz, dass das Fallen aus dem siebenten Stock eines Gebäudes regelmäßig tödlich ist, aber aus dem ersten nicht, sondern nur möglich, gehört zur abstrakten Kenntnis. Diese abstrakte Kenntnis wird so behandelt, als sei sie jeder Person eigen – auch wenn das im konkreten Fall nicht so war bzw. der Täter sich dahingehend einlässt. Im Gegensatz dazu gehört der Satz, dass am Tag der Tat viele gefährliche Baumaterialien am Tatort liegen, und deswegen das Fallen aus dem ersten Stock auch tödlich ist, zur konkreten Kenntnis. Diese Kenntnis ist aktuelle kognitive Erfahrung durch Wahrnehmung. Die konkrete Kenntnis ist auch keine Detailkenntnis des Kausalverlaufs, die für eine Vorsatzzurechnung nicht verlangt wird.89 Anders als die abstrakte Kenntnis und die konkrete Kenntnis bedeutet die Detailkenntnis das Wissen über die Einzelheiten des Kausalverlaufs. Baumann90 erklärt zutreffend: „Nicht einmal der Mörder, der mit dem Messer zusticht, kennt den genauen Ablauf der Kausalkette zwischen seinem Stich und dem Eintritt des Todes, [ . . . ] (es) sei denn (er ist) Mediziner“. Die Detailkenntnis wird für die Vorsatzzurechnung nicht verlangt, weswegen die mangelnde Detailkenntnis rechtlich irrelevant ist. Die Detailkenntnis bezieht sich in diesem Baustellenfall darauf, wie das Fallen den Tod des Opfers genau verursacht, nämlich durch Kopfverletzung, inneres Verbluten oder anderes. Dann ist die Untersuchung wie folgt: Zuerst ist es in der Literatur unumstritten, dass Tötungsvorsatz auch dann vorliegt, wenn der Täter das Opfer mit Tötungs88 Vgl. BGH NStZ 2005, 92; zusammenfassend Altvater, NStZ 2005, 22, 23; Schneider, Dahs-FS, S. 189 ff. 89 Jakobs, Strafrecht AT2, 8 / 66; Bloy, JuS 1989, L 1, 3. 90 Baumann, Grundbegriffe, S. 105; ebenso Jakobs, Strafrecht AT2, 8 / 66.

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absicht aus dem ersten Stock gestoßen hat. Dies gilt, gleichgütig, ob der Täter konkrete Kenntnis hat oder nicht, denn die Absicht genügt, wenn der Täter den Eintritt des Erfolgs lediglich für möglich hält. Es ist auch klar, dass Tötungsvorsatz vorliegt, wenn der Täter das Opfer bewusst aus dem siebenten Stock stößt und die Todesfolge für gewiss hält. Diese Auffassung ist schlüssig, da der Tatwille vorhanden ist. Zweitens ist diskussionswürdig, wie es zu beurteilen ist, wenn der Täter weder Tötungsabsicht noch Kenntnis von der Möglichkeit des Todes hat. Es ist in der Literatur unumstritten, dass der Tötungsvorsatz dann entfällt, wenn der Täter mit Körperverletzungsabsicht das Opfer aus dem ersten Stock gestoßen und nicht die Möglichkeit des Todes des Opfers gekannt hat, da es dem Täter nicht bekannt ist, dass am Tag der Tat viele gefährliche Baustoffe auf dem Boden liegen. Diese Ansicht ist auch schlüssig, weil der Tatwille zur Tötung weder subjektiv vorhanden noch objektiv erkennbar ist. Es verhält sich jedoch anders, wenn der Täter das Opfer bewusst aus dem siebenten Stock gestoßen, aber die Möglichkeit des Todes des Opfers nicht kannte. Denn er konnte durch „abstrakte Kenntnis“ bereits wissen, dass diese Handlung den Tod regelmäßig herbeiführen wird. Das ist von der kognitiven Erfahrung mittels sinnlicher Wahrnehmung unabhängig. Die Behauptung des Täters, er habe die Möglichkeit des Todes nicht gesehen, oder er nehme sie nicht als tödlich an, ist dann aus normativer Perspektive unerheblich. Im Gegenteil ist der Tatwille zur Tötung nach allgemeingültigem Urteil objektiv erkennbar, da die Handlung des Täters nach der abstrakten Kenntnis regelmäßig tödlich ist. Dieses Urteil ist zwingend auch für den Täter gültig, der als Person im Recht anerkannt wird, und die Handlung (den Stoß des Opfers aus dem siebenten Stock) willentlich unternommen hat.91 Freilich setzt diese These voraus, dass der Täter das Opfer bewusst aus dem siebten Stock stößt, und dass er eventuell unter ungewöhnlichen Umständen exkulpieren kann durch Nachweise der fehlenden Voraussetzung für Vorliegen der abstrakten Kenntnis. Das oben Gesagte ist von folgender Konstellation zu differenzieren: Der Handelnde klopft jemandem, der im siebten Stock auf einem Balkon steht, kräftig auf die Schulter, um ihn zu begrüßen, stößt ihn dadurch jedoch ungewollt vom Balkon und bringt ihn dadurch um. Bei dieser Konstellation lässt sich nicht von einer abstrakten Kenntnis der Regelmäßigkeit der Todesfolge sprechen, sondern nur von grober Fahrlässigkeit (Leichtfertigkeit). Denn zum einen ist die Handlung (Stoß 91 Joerden schreibt „(Beim Brückenpfeilerfall) ist es möglich, die anwendbare Richterregel so zu formulieren, daß sie die Täterregel in ihrem Anwendungsbereich voll umfasst: Es ist nämlich ganz generell ein taugliches Mittel zur Tötung eines Menschen, wenn man ihn von einer hohen Brücke stürzt“, Jahrbuch für Recht und Ethik 1994, 307, 319. Abgesehen von der Richtigkeit des Kriteriums zeigt diese Auffassung auch die Notwendigkeit eines allgemeingütigen Urteils für die subjektive Zurechung, insbesondere im Fall der Kausalabweichung. Das allgemeingütige Urteil steht zwangsläufig im Zusammenhang mit der abstrakten Kenntnis.

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vom Balkon) nicht zielgerichtet. Zum anderen kann der Handelnde die Folge eigentlich leicht vermeiden92, da er weiß, wo das Opfer steht. Die Trennung der konkreten von der abstrakten Kenntnis hat deswegen in der Strafrechtsdogmatik Bedeutung: Der Erfolg, der nach der abstrakten Kenntnis gewiss oder regelmäßig durch eine Handlung herbeigeführt wird, ist vom Tatwillen umfasst.93 Die Zurechnung zum Vorsatz erfolgt, wenn der objektive Tatbestand aus dem Blickwinkel der abstrakten Kenntnis notwendig verwirklicht wird. Bei dieser Konstellation sind dann Kenntnis bzw. Unkenntnis der konkreten Umstände rechtlich irrelevant. Wie Jakobs94 richtig ausgeführt hat, gelten die Regeln der Logik, der Mathematik sowie der Rationalnaturwissenschaft als Anwendungsbedingungen der gesellschaftlichen Norm. Dies bedeutet, dass die Anwendungsbedingungen, nicht isoliert betrachtet werden können; vielmehr ergeben sie erst gemeinsam mit der sozialen Norm einen Sinn in einem bestimmten Kontext. Wenn jemand einem anderen die Möglichkeit nimmt, auf Dauer zu atmen, wird das als Verstoß gegen das Tötungsverbot angesehen. Es entlastet den Handelnden nicht, wenn er behauptet, dass diese naturwissenschaftlichen Regeln (hier die Notwendigkeit zu atmen) ihm unbekannt gewesen seien. Die Behauptung wird in der Kommunikation nicht verstanden und deswegen nicht als begründet akzeptiert. Die Unkenntnis über die Möglichkeit eines Erfolgs, der nach der abstrakten Kenntnis regelmäßig durch die Handlung verursacht wird, ist deswegen kein Entlastungsgrund. Ein Urteilsspruch des BGH (NStZ 2005, 90) ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert. Um den Widerstand des Opfers zu beseitigen umfasste der Täter den Hals des Opfers mit den Händen und würgte es kraftvoll, bis es bewusstlos wurde und mehrere Stunden reglos am Boden lag. Die Frage, ob der Täter mit Tötungsvorsatz handelte, bejaht der BGH und begründet wie folgt95: Zum einen hat dieses kräftige Würgen unter diesen Umständen seine Eigenschaft als bloße Verletzungshandlung bereits überschritten. Zum anderen leidet der Täter zwar aufgrund der Alkoholisierung an einer leichten Intelligenzminderung, kennt aber trotzdem die im Alltag geltenden Normen gut, und kann sich auch danach verhalten. Der BGH betont, dass die hier vom Täter zu verlangende Erkenntnis, dass ein kraftvolles Würgen bis zur Bewusstlosigkeit zur Herbeiführung des Todes eines Menschen geeignet ist, keine Bewertung eines komplexen Sachverhalts erfordert, sondern zu dem auch dem Täter zur Verfügung stehenden Erfahrungswissen zählt. Die vom BGH genannten, im Alltag geltenden Normen und das Erfahrungswissen sind 92 Zum Inhalt der groben Fahrlässigkeit Jakobs, Strafrecht AT2, 9 / 24; ders., Beiheft ZStW 1974, 6, 32; Schroeder, LK11, § 16 Rn. 213; Wegscheider, ZStW 98 (1986), 624, 653; Kretschmer, Jura 2000, 267, 268; Volk, GA 1976, 161, 178 f. 93 Vgl. im Ergebnis ähnlich Perron, Nischihara-FS, S. 145, 151 f. 94 Jakobs, ARSP Beiheft 74, 57, 67. 95 BGH NStZ 2005, 90, 91; vgl. NStZ 2004, 330, 331.

§ 9 Wissen und Wollen bei der subjektiven Zurechnung

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nichts anderes als die abstrakte Kenntnis, die zum notwendigen Teil der normativen Verständigung einer Handlung gehört und etwas anders als die individuellen Annahmen des Handelnden ist. Die Diskrepanz zwischen der abstrakten Kenntnis und der individuellen Annahme wird ignoriert, weil die abstrakte Kenntnis als Mindestkenntnis einer vernünftigen Person vorausgesetzt wird, sonst wäre jedes Verständnis und jede Beurteilung undenkbar. Ein ähnlicher Gedanke ist ebenfalls beachtenswert: In der Gesetzgebung ist häufig zu sehen, insbesondere bei gemeingefährlichen Straftaten, dass aufgrund der generellen Gefährlichkeit einer Handlungsweise ein Delikttypus gebildet wird, bei dem die Verletzung weder für den objektiven noch für den subjektiven Tatbestand eine Rolle spielt.96 Bei diesem sog. abstrakten Gefährdungsdelikt braucht der Richter nur zu überprüfen, ob der Täter seine Handlung selbst gekannt hat. Ob dem Täter der Gefährdungserfolg vorher bekannt oder von ihm gewollt ist, wird nicht gefragt.97 Bei der Legitimation der Gesetzgebung und Interpretation zeigt sich, dass das System der Zurechnung im Strafrecht die abstrakte Kenntnis als Zurechnungsgrund kennt.98 Das abstrakte Gefährdungsdelikt negativ zu definieren, indem der Gesetzgeber weder die Verletzung noch die konkrete Gefährdung als Tatbestandselement beschrieben hat99, ist problematisch, wenn man beim abstrakten Gefährdungsdelikt noch von einem Gefährdungsvorsatz sprechen möchte. Das Gesagte wird insbesondere deutlich bei den Fällen, in denen der Gesetzgeber durch das Merkmal der „Eignung“ zur Herbeiführung eines bestimmten Erfolgs (§§ 126, 186, 187 StGB) geregelt hat, welche Beschaffenheit die Tatbestandshandlung besitzen muss. Diese generelle (abstrakte) Beschaffenheit muss vom subjektiven Tatbestand umgefasst werden. Hingegen ist die konkret mögliche Folge kein Gegenstand des Vorsatzes.100 Das abstrakte Gefährdungsdelikt als Vorverlagerung der strafbaren Tat enthält eine Handlungsweise, die regelmäßig oder notwendig eine Gefahr verursacht. Darin allein liegt das Unrecht der Handlung, somit ist nicht mehr nach der konkreten Folge (Gefahr) zu fragen. Der Gefährdungsvorsatz umfasst den Inhalt dieser Handlung. Hingegen ist ein Gefährdungsvorsatz dann nicht mehr anzunehmen, wenn wegen einer willentlichen Handlung ein Verletzungserfolg nach der abstrakten Kenntnis regelmäßig oder notwendig eintritt. In diesem Fall liegt ein Verletzungsvorsatz unabhängig davon vor, ob diese Folge beim gewünschten Opfer planmäßig oder planwidrig verwirklicht wird. Jakobs, Strafrecht AT2, 6 / 86. 97 Vgl. S / S / Heine, Strafgesetzbuch27, § 306a Rn. 14; Wessels / Hettinger, Strafrecht BT I29, Rn. 968; Jescheck / Weigend, Strafrecht AT5, S. 264. 98 Zu einer tiefgreifenden Begründung mit der Funktion des Strafrechts siehe Jakobs, Strafrecht AT2, 6 / 86a ff.; ders., ZStW 107 (1995), 843, 855 ff. 99 Wessels / Beulke, Strafrecht AT35, Rn. 29; Horn, SK Vor § 306 Rn. 15. 100 Vgl. Rudolphi / Stein, SK, § 126 Rn. 8; Bubnoff, LK11, § 126 Rn. 11; Rudolphi, SK, § 186 Rn. 18; Hilgendorf, LK11, § 186 Rn. 11. 96

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4. Teil: Entwicklung eines neuen Lösungsansatzes

Anders als beim abstrakten Gefährdungsdelikt muss der Täter beim konkreten Gefährdungsdelikt außer seiner Handlung noch die konkrete Gefahrfolge kennen. Der Grad dieser Gefahr ist im Vergleich mit derjenigen beim Verletzungsdelikt niedriger.101 Die Unkenntnis dieser Gefahr schließt den Gefährdungsvorsatz dann nicht aus, wenn die bewusste Handlung des Täters nach abstrakter Kenntnis einen Verletzungserfolg schon aber auch höchstens möglicherweise (also noch nicht regelmäßig oder notwendig) herbeiführen kann. Z. B.: Der Täter eines Raubes schlägt das Opfer mit der Faust heftig ins Gesicht, sodass das Opfer eine Augenverletzung erleidet, die um ein Haar zum Verlust der Sehkraft geführt hätte.102 Dass der Täter diese Gefahr nicht bedacht hat, schließt nicht den Gefährdungsvorsatz im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1 c StGB aus, da der Täter das Opfer willentlich schlägt und diese Handlung nach abstrakter Kenntnis den Verlust der Sehkraft stets verursachen kann.103 Es verhält sich jedoch anders, wenn diese Gefahr nur durch die Drohung mit gegenwärtiger Gewalt herbeigeführt wird.104

3. Kenntnis, Erkennbarkeit und sog. allgemeine Lebenserfahrung Was in der Vergangenheit als „vorhersehbar“ oder als „innerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung“ charakterisiert wurde, ist nicht klar. Eine Gefahr wird nur dann für vorhersehbar gehalten, wenn ihre Verwirklichung sich innerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung befindet. Diese zwei Begriffe erklären sich mit dem jeweils anderen, wodurch keiner von ihnen richtig erklärt wird. Sie hängen notwendig mit der sozialen Norm und den rationalnaturwissenschaftlichen Regeln zusammen. Aber das besagt nicht, dass die Vorhersehbarkeit und die allgemeine Lebenserfahrung105 mit der abstrakten Kenntnis identisch sind. Zunächst kann man die herkömmliche Terminologie der „Vorhersehbarkeit“ in der Strafrechtsdogmatik so verstehen, dass der Handelnde die aktuelle Möglichkeit der Gefahr aus der abstrakten Kenntnis ableiten sollte und die Bewirkung einer konkreten Gefahr vermeiden kann und soll. Es ist bemerkenswert, wie der Begriff 101 Jakobs, Strafrecht AT2, 6 / 79; Frisch, Vorsatz und Risiko, S. 295 ff., 298. Vgl. Horn, Konkrete Gefährdungsdelikte, S. 210. 102 Beispiel nach Mitsch, Strafrecht BT II 12, 3 / 67. 103 Vgl. Mitsch, Strafrecht BT II 12, 3 / 67. Er führt aus: „Schäden an Leib und Leben sind naturgemäß typische Folgen körperlicher Gewalt“. 104 Vgl. Kindhäuser, NK2, § 250 Rn. 9. 105 Der Begriff der allgemeinen Lebenserfahrung ist eher ein empirischer Begriff, ein Erlebniszusammenhang, der mit der Psychologie in Beziehung steht. Sein Schöpfer, Wilhelm Dilthey, beschreibt zuerst eine individuelle Lebenserfahrung, die aus den Erinnerungen an das Milieu besteht. „Der individuelle Gesichtpunkt, welcher der persönlichen Lebenserfahrung anhaftet, berichtigt und erweitert sich in der allgemeinen Lebenserfahrung“, Gesammelte Schriften VII. S. 132 f. Zur Begriffgeschichte siehe F. Rodi, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Stichwort: Lebenserfahrung (S. 117). Der Begriff ist umfangreich und deswegen nicht deutlich genug um ihn in der Strafrechtwissenschaft unmittelbar anzuwenden.

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der Vorhersehbarkeit bei dem Problem der subjektiven Zurechnung funktioniert: Beim Fahrlässigkeitdelikt wird von der h. M. für den Tatbestand verlangt, dass ein „objektiv voraussehbarer“ Erfolg wegen mangelnder Sorgfalt verursacht wird. Dazu behauptet die h. M. eine „objektive Sorgfaltspflicht“, deren Verletzung als der Handlungsunwert des Fahrlässigkeitsdelikts angenommen wird. Diese angebliche Pflicht ist zweifelhaft.106 Vielmehr bezeichnet die sog. objektive Vorhersehbarkeit die Verfehlung des Täters, nämlich dass er trotz der vorgegebenen abstrakten Kenntnis über die mögliche Gefahr nicht motiviert ist, das anschauliche (konkrete) Wissen zu bekommen und dann die Realisierung der Gefahr zu vermeiden. Die abstrakte Kenntnis stellt nur das Mindestmaß dar. Falls der Täter, der zur Vermeidung des Erfolgseintritts verpflichtet ist, wegen eigener Fähigkeit genaueres Wissen erhalten kann, um den Erfolg zu vermeiden, „sollte“ der Handelnde als Person normgemäß motiviert sein, die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen. Hier bedeutet die Erkennbarkeit107 ein Defizit an Motivation, die Norm zu befolgen. Es gibt nur eine einzige Pflicht, nämlich die Pflicht zur Vermeidung der rechtswidrigen Tatbestandsverwirklichung. Anders verhält es sich beim Irrtum über den Kausalverlauf. Nach verbreiteter Meinung ist die objektive Vorhersehbarkeit oder die allgemeine Lebenserfahrung das Kriterium, um zu entscheiden, ob der verwirklichte Erfolg trotz des Irrtums zum Vorsatz zuzurechnen ist. Aber die sog. Vorhersehbarkeit bzw. die allgemeine Lebenserfahrung sind zweideutig.108 Zur Anwendung in der subjektiven Zurechnung bedürfen diese zwei Begriffe der weiteren Konkretisierung, insbesondere weil die Lehre der objektiven Zurechnung schon weithin akzeptiert worden ist. Für eine Tötungshandlung wird der Täter nach h. M. nur wegen Versuchs bestraft, wenn das schwer verletzte Opfer erst durch den Unfall des Krankenwagens ums Leben gekommen ist. Aber wir werden jeden Tag über zahlreiche Autounfälle informiert. Kann man da noch sagen, dass ein solches Geschehen sich „außerhalb“ unserer allgemeinen Lebenserfahrung befindet? Es ist nicht einzusehen, warum der Autofahrer wegen der objektiven Vorhersehbarkeit wegen Fahrlässigkeit bestraft

106 Diese angebliche Pflicht ist von Jakobs mittels seines Argumentes von der Normlogik zutreffend widerlegt worden. Vgl. dazu näher Jakobs, Strafrecht AT2, 9 / 6. 107 Vgl. Jakobs, Strafrecht AT2, 9 / 5 f.; Schroeder, JZ 1989, 776. 108 Die Rechtsprechung vertritt beim Kausalverlaufsirrtum das Kriterium der allgemeinen Lebenserfahrung. Dieses Kriterium, also die allgemeine Lebenserfahrung oder Vorhersehbarkeit, ist auch die Voraussetzung eines Fahrlässigkeitsdelikts. Der BGH schreibt: „Ein nicht völlig außerhalb jeder Lebenserfahrung liegender Geschehensablauf wird regelmäßig auch vorhersehbar sein“, BGHSt. 31, 96, 101. Aber der Begriff der allgemeinen Lebenserfahrung bleibt fragwürdig. Beispielsweise setzt der BGH die allgemeine Lebenserfahrung mit der adäquaten Kausalität gleich, und hält den Tatverlauf für innerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung befindlich, wenn nach Tatbeginn Zurechnungsunfähigkeit des Täters eintritt, BGHSt. 7, 325, 329; 23, 133, 135. Der BGH hat hier zwei Kategorien, den Lebenserfahrungsbegriff und das Verantwortungsprinzip, ohne Begründung verbunden. Der Begriff der sog. allgemeinen Lebenserfahrung ist inhaltlich sehr unklar und deshalb in diesem Zusammenhang abzulehnen.

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wird, wohingegen diese Objektivität bei der Beurteilung des Verhaltens des Täters nicht angewandt wird.109 Man könnte diese Auffassung wie folgt stützen: Die objektive Vorhersehbarkeit oder die allgemeine Lebenserfahrung gelten nicht unmittelbar als Kriterium der Zurechnung zum Vorsatz. Der Vorsatz liegt trotz der abweichenden Realisierung des Erfolgs vor, wenn diese nach der abstrakten Kenntnis mehr als möglich, nämlich regelmäßig ist. Mit anderen Worten: Wenn die Realisierung des Erfolgs nach der abstrakten Kenntnis regelmäßig eintritt, hindert die Unkenntnis nicht die Erfolgszurechung zum Vorsatz. Ein Autounfall liegt noch innerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung, aber er ist nach der abstrakten Kenntnis nur als möglich zu bezeichnen. Damit ist der Täter nur als fahrlässig einzustufen.

4. Der Inhalt der Kenntnis Es ist offensichtlich, dass es in der Welt unzählige Gegenstände gibt, die Inhalt der Kenntnis sein können. Die Kenntnis, die als Element der subjektiven Zurechnung gilt, hängt mit dem Tatwillen zusammen. Der Wille als Ganzes, inklusive des positiven Normbefolgungswillens und des negativen Tatwillens, orientiert sich an der Norm. Die Norm und ihr konkreter Tatbestand sind objektiv bestimmt, also unabhängig von dem individuellen Wunsch. Der Tatwille ist deshalb kein Wunsch im psychologischen Sinne, sondern bezeichnet die Nichtanerkennung der Normgeltung. Die Kenntnis, die vom Willen motiviert wird, empfängt die gegebene Struktur der Norm110, bringt sie aber nicht hervor. Wem eine Pflicht nicht auferlegt ist, übernimmt sie deswegen auch nicht, wenn er Kenntnis von ihr erhält. Der Grund liegt auf der Hand, denn die Norm entscheidet, wer der Pflicht gehorchen muss, nicht umgekehrt.111 Jemand, der vor dem Fernseher sitzt und die Übertragung einer Pflichtverletzung sieht, braucht nicht rasch an den Tatort zu eilen, er trägt keine Verantwortung wegen seiner Unterlassung, auch wenn er sich wissentlich an dem Erfolg erfreut.

109 Kritik an dem Begriff der Voraussehbarkeit: Frisch, Tatbestandmäßiges Verhalten, S. 576 f. Kritik an dem Kriterium der allgemeinen Lebenserfahrung insgesamt: Herzberg, ZStW 85 (1973), 867; ähnlich Wolter, ZStW 89 (1977), 649, 658 ff.; vgl. im Ergebnis auch Schroeder, LK11, § 16 Rn. 26. 110 Der Gegenstand des Vorsatzes ist nicht die ontologische Struktur einer Tatsache eines Tatgeschehens, sondern der Unrechtstatbestand. Dies ist auch so, wenn man die finale Handlungslehre vertritt. Nach Krauß bedeutet das eine ,Objektivierung‘ des Vorsatzes, denn der Vorsatz als Unrechtstatbestandselement habe einen Inhalt, der durch die Wertungskategorie sozialer Anschauung geprägt sei. Bruns-FS, S. 11, 22. 111 Köhler hat zu Recht in dieser Richtung geschrieben: „Zurechnung setzt eine für das handelnde Subjekt objektiv gültige moralgesetzliche Norm voraus“, ARSP Beiheft 87, 67, 68.

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In der Strafrechtsdogmatik wird das deskriptive Tatbestandsmerkmal von dem normativen Merkmal unterschieden und behauptet, dass dafür jeweils eine Art des Wissens bestehe: das erstere ist „eine bloße Kenntnis des erfahrbaren Substrats“112. Hingegen ist die Kenntnis für das letztere eine Bedeutungskenntnis113, eine parallele Bewertung in der Laiensphäre114. Abgesehen davon, ob beide Arten der Tatbestandsmerkmale sauber getrennt werden können, ist anzunehmen, dass die Kenntnis über den ganz objektiven Tatbestand zum letzteren gehört, weil die deskriptiven und die normativen Merkmale zusammen einen Unrechtsgehalt bilden, und weil deswegen alle Merkmale gemäß dieses Gehalts verstanden werden sollten.115 Der Inhalt der Kenntnis ist deshalb nicht irgendeine Wahrnehmung eines beliebigen Gegenstandes. Vielmehr umfasst die Kenntnis die am Willen orientierte Tatsituation. Nicht nur der Wille, sondern auch die von ihm aktivierte Kenntnis beziehen sich auf normativ relevante Umstände. Jakobs zeigt zu Recht: „Die Vorstellung des Täters muss schon kommunikativ relevant sein“116. Die in dieser Arbeit vertretene Auffassung behauptet durchaus nicht, dass die Kenntnis „als ein bloß heteronomes Gegenstandswissen“117 angesehen werden soll. Vielmehr wird von der Person als Träger des Rechts und der Pflicht die Einsicht erwartet, dass den eigenen Horizont im großen und ganzen mit der Norm in Übereinstimmung zu bringen.

II. Die Beziehung zwischen Wissen und Wollen Die Kontroverse über die Stellung des Willensbegriffes im Vorsatz kann auf den am letzten Jahrhundertanfang stattgefundenen Streit zwischen der Willenstheorie und der Vorstellungstheorie zurückgeführt werden. Wie Frank118 mit Recht zeigt, 112 113

Jakobs, Strafrecht AT2, 8 / 49; ebenso Kühl, Strafrecht AT5, 5 / 91. Binding, Die Normen III, S. 148 ff.; Mezger, Strafrecht3 § 44 I; Kühl, Strafrecht AT5,

5 / 91. Schroeder, LK, § 16 Rn. 43; Jescheck / Weigend, Strafrecht AT5, S. 295; S / S / Cramer / Sternberg-Lieben, Strafgesetzbuch27, § 15 Rn. 43a; Baumann / Weber / Mitsch, Strafrecht AT11, 21 / 5 ff.; kritisch Puppe, NK2, § 16 Rn. 46 ff.; Jakobs schlägt vor, besser von einer „parallelen Beurteilung im Täterbewusstsein“ zu sprechen, Strafrecht AT2, 8 / 49. Anderer Vorschlag bei Schlüchter, Irrtum über normative Tatbestandsmerkmale, S. 100 ff. 115 Vgl. Jakobs, Dahs-FS, S. 49, 53. 116 Jakobs, Armin Kaufmann-GS, S. 271, 283; vgl. ders., Lampe-FS, S. 561, 568. 117 Ein derartiger Kenntnisbegriff wird bereits von Köhler verworfen. Hingegen verlangt Köhler die Kenntnis der Verletzungsbedeutung im Sinne eines Sich-selbst-Wissens hinsichtlich des Eintritts des Tatvorsatzes und zeigt, „dass der Vorsatzbegriff [ . . . ] jedenfalls handlungskategorial einer dem Unrechtsbewußtsein ähnlichen Bestimmung folgt“, GA 1981, 285, 286 f. 118 Frank, Strafgesetzbuch18, § 59 I, er vertritt die Vorstellungstheorie; v. Hippel, ein Vertreter der Willenstheorie, schreibt auch ausdrücklich, dass sich die zwei Theorien nur „scheinbar unversöhnlich“ einander gegenüberstehen, VDAT III, S. 487. 114

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ist der Streit nur ein formeller. Schmidt119, ein Vertreter der Vorstellungstheorie, räumt ein, dass „die Vorstellung allein keinen Vorsatz ausmacht, dass sie vielmehr nur interessiert, wenn sie in Beziehung zu einem Handlungswillen tritt. Die Vorstellungstheorie sucht aber vornehmlich durch die Vorstellung, den Vorsatz und seine Arten zu erklären“. Es wird noch in der jüngeren Zeit häufig behauptet, dass der Willensbegriff für den Vorsatz nicht mehr nötig sei.

1. Die konventionelle Erklärung im Strafrecht In der strafrechtlichen Literatur120 wird es als notwendig und selbstverständlich angesehen, dass ohne Kenntnis kein Vorsatz vorliegt. Diese Auffassung wird, zum Beispiel bei Gropp, weiter wie folgt formuliert: „Wer die Folgen seiner Handlung kennt und dennoch handelt, will diese Folgen in der Regel auch“121. Den gleichen Gedanken können wir auch in § 16 StGB finden, bei dem die Kenntnis ein unentbehrliches Element für den Vorsatz ist. Nach dieser Auffassung geht das Wissen als Grundlage der Überlegung vor. Der Handelnde handelt in einer bestimmten Richtung aufgrund seiner Kenntnis davon.122 Hingegen setzen die voluntativen Faktoren, Tatentschluss und Verwirklichungswille, die Kenntnis der Umstände voraus. Die Kenntnis dominiert das Verhalten des Menschen. Es wird etwa so beschrieben: A hat B erschossen. A handelt vorsätzlich, denn A weiß, dass das Schiessen tödlich ist und dass B ein Mensch ist. Kindhäuser123 begründet diese Erklärung ausführlich mit seiner Analyse der Handlung: Die Struktur jeder Handlung bestehe aus drei Elementen: Dem Tun, dem „In-der-Lage-Sein“ und dem Eintreten des Resultates. Das zweite Element der Handlung ist die Kompetenz des Handelnden (Kontrolle auszuüben), also das In-der-Lage-Sein. Dazu muss einerseits eine objektive Realisierungsmöglichkeit bestehen. Auf der anderen, der subjektbezogenen Seite, erschöpft sich der Kompetenzbegriff in „Können und Wissen“. Es sei offensichtlich, dass Können und Wissen zusammenhängen, denn „nur derjenige weiß, wie man Schach spielt, der mit den einzelnen Figuren regelgerecht ziehen und auf gegnerische Züge reagieren kann.“ Das heißt, die aktuelle Kontrolle werde von der Kenntnis dominiert. Bei Kindhäuser ist die Kompetenz als Handlungsfähigkeit nichts anderes als ein psycho-physischer Begriff. In jüngerer Zeit schreibt Kindhäuser124 dann ausführv. Liszt / Schmidt, Strafrecht AT26 , S. 256 Fn. 9. Stratenwerth, Strafrecht AT4, 8 / 80; ähnlich Blei, Strafrecht AT18, S. 113; Puppe, Vorsatz und Zurechnung, S. 73 f.; Haft, Strafrecht AT9, S. 151; er drückt deutlich aus, dass das Wissen stets dem Wollen vorausgehe. „Das Umgekehrte ist nicht vorstellbar“. 121 Gropp, Strafrecht AT3, 5 / 89. 122 In dieser Richtung und radikal Toepel, JA 1996, 886, 888. 123 Kindhäuser, ZStW 96 (1984), 1, 18 f. 124 Kindhäuser, Eser-FS, S. 345, 350 f.; ders., Hruschka-FS, S. 527 f. 119 120

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lich, dass es bei dem Vermeiden eines Erfolgs außer der Handlungsfähigkeit noch eine weitere Fähigkeit, die Motivationsfähigkeit, gibt. Sie ist die Fähigkeit, die den Handelnden kompetent sein lässt, beispielsweise die benötigten Informationen zu sammeln oder widersprüchliche Handlungen zu vermeiden. Kindhäuser hat beide Fähigkeiten zutreffend aus dem Schuldprinzip abgeleitet: „Da die strafrechtliche Verantwortlichkeit die Nichtbefolgung einer Norm zum Gegenstand hat, betreffen die einschlägigen Zurechnungsregeln die Voraussetzungen, unter denen die Befolgung einer Norm von Rechts wegen erwartet werden kann; sie haben die Fähigkeit zur Normbefolgung zum Gegenstand“125. Die Handlungsfähigkeit und die Motivationsfähigkeit sind beide notwendige und miteinander verbundene Voraussetzungen für die Befolgung der Norm. Kindhäuser spaltet diese zwei Fähigkeiten jedoch auf und stuft sie jeweils in Tatbestand und Schuld ein. Dadurch erscheine das Problem der Unkenntnis aus Rechtsgleichgültigkeit nicht als eine Frage des Vorsatzes, sondern als eine der Schuld. Diese Ansicht lässt den Inhalt des strafrechtlichen Vorsatzes ontologisch erscheinen. Eine Meinung solcher Art ist bei der Bewertung einer Unkenntnis unbrauchbar. Diese Begriffsteilung von Kindhäuser kann auf die Trennung zwischen Handlungssteuerung und Antriebssteuerung126, also zwischen Willensverwirklichung und Willensbildung zurückgeführt werden. Die Teilung ist unhaltbar, da die subjektive Seite auf der Ebene des Unrechts und der Rechtfertigung notwendig die Motivationselemente enthält.127 Die Trennung von Handlungsfähigkeit und Motivationsfähigkeit ist unverständlich, denn Kindhäuser differenziert beide Fähigkeiten, indem er sie verschiedenen Kategorien zuordnet. Dies führt zum Ergebnis, dass die Handlungsfähigkeit sich vom Begriff der strafrechtlichen Verantwortlichkeit loslöst und distanziert.128 Das ist widersprüchlich, vor allem wenn Kindhäuser noch die Vorsatzfunktion an einem normativen Maßstab ausrichten will. Das Problem besteht deswegen in der Handlungslehre Kindhäusers, der einerseits daran festhält, dass eine Kontrolle die Kenntnis voraussetze129, andererseits behauptet, dass es für das Erhalten der Kenntnis auf den Handelnden ankomme. Mit anderen Worten ist nach der Theorie Kindhäusers die Motivationsfähigkeit die eigentliche Voraussetzung der Handlungsfähigkeit. Aber er prüft zuerst nur die Kindhäuser, Eser-FS, S. 345, 349; schon ders., GA 1994, 197, 202 f. Welzel, ZStW 51 (1931), 703, 718; ders., Das deutsche Strafrecht11, S. 144; Armin Kaufmann, Weber-FS, S. 207, 221 f. 127 Zur Untrennbarkeit zwischen Handlungssteuerung und Antriebssteuerung siehe Jakobs, Studien zum fahrlässigen Erfolgsdelikt, S. 1 ff., 13. Krümpelmann ist der Meinung, Motivationselemente könnten subjektive Unrechtsmerkmale sein. Er schreibt, dass das Können synonym mit dem doppeldeutigen Fähigkeitsbegriff ist: Zum einen ist er das Ziel, die Fähigkeit zur pflichtmäßigen Motivation. Zum anderen bezeichnet der Begriff den tatsächlichen Motivationszustand, ZStW 87 (1975), 888, 898. Für weitere Nachweise siehe Lampe, Das personale Unrecht, S. 175 ff., 243 ff.; Ziegert, Vorsatz, Schuld und Vorverschulden, S. 130 f. 128 Die rechtliche Handlungsfähigkeit siehe Binding, Die Normen II, S. 117 ff. 129 Kindhäuser, ZStW 96 (1984), 1, 19. 125 126

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letztere. Erst wenn er ihr Vorliegen bejaht oder verneint hat, wird ihre Ursache, die Motivationsfähigkeit geprüft. Diese Überprüfung ist jedoch systematisch unhaltbar. Denn wenn die Handlungsfähigkeit verneint wird, kann die Überprüfung ihrer Voraussetzungen nur innerhalb des Rahmens der Fahrlässigkeit stattfinden. Das Ergebnis der Überprüfung widerspricht sich selbst, falls man feststellt, dass der Täter böswillig nicht wissen möchte. Eine noch weniger lösbare Situation ergibt sich dann, wenn die Überprüfung der Motivationsfähigkeit nicht stattfinden darf, wenn nämlich Z. B. die Fahrlässigkeit nicht strafbar ist. Losgelöst von Kindhäusers analytischer Handlungserklärung können wir folgendes festhalten: In der Tat gehören die sog. Handlungsfähigkeit und die Motivationsfähigkeit beide zum Begriff der Kompetenz des Handelnden. Das Element der sog. Handlungsfähigkeit, das Können, ist eben das Vermögen, auf dem die Motivationsfähigkeit beruht. Die Handlungszuschreibung ist erst dann vollständig, wenn beides berücksichtigt wird. Eine weitere Begründung der hier vertretenen Ansicht ist, dass der Motivationsprozess ein Klassifikationselement innerhalb der subjektiven Zurechung bzw. des subjektiven Unrechts ist. Das ist immer dasselbe, gleichgültig, von welcher Theorie man ausgeht. Wenn man von der Unterscheidung von Hauptfolgen und Nebenfolgen spricht, beschreibt man schon eine Willensbildung. Hier ist der Motivationsprozess ein Klassifikationselement dafür, Hauptfolgen und Nebenfolgen zu trennen. Diese Funktion gilt auch bei denjenigen, die nicht die finale Handlungslehre vertreten: Die Absicht sagt aus, welche Um-zu-Relationen zwischen Handlung und Ziel in einer Tat bestehen. Das bezieht sich nicht auf den Beweggrund, sondern auf die Bildung des Handlungswillens bei der Risikoherbeiführung: Um ein Opfer zu erschießen, visiert der Täter es mit einem Gewehr an und drückt ab. Die abweichende Meinung130 trennt die Absicht und den Motivationsprozess, weil die Absicht kein Beweggrund sei. Diese Auffassung kann nicht als Gegenbeweis benutzt werden. Wissentlichkeit und dolus eventualis bezeichnen den mangelhaften Prozess bei der Willensentstehung beim Handelnden. Bei der sog. bewussten Fahrlässigkeit versucht man durch das Vertrauen zu erklären, dass es sich hier um einen Vorgang handelt, der geringfügiger mangelhaft sein soll.131 Neuerdings hat Kindhäuser seine Vorsatzdefinition wie folgt umformuliert: „Der Täter handelt vorsätzlich, wenn er sein Handeln für so riskant hält, dass er es als rechtstreuer und rational entscheidender Bürger um der Erfolgsvermeidung willen Oehler, NJW 1966, 1633, 1637. Vgl. Stratenwerth, ZStW 71 (1959), 51, 56; Gallas geht davon aus, dass der Begriff der Finalität sich auch auf die bewusste Fahrlässigkeit erstreckt. Um die Unterscheidung zwischen dolus eventualis und bewusster Fahrlässigkeit zu erklären, führt Gallas aus, „hinter dem Abstellen auf die vermeintliche Willentlichkeit bei dolus eventualis und die Nichtwillentlichkeit bei der bewussten Fahrlässigkeit steckt im Grund ein Unterschied in der Motivations- und Gesinnungswertung“, ZStW 67 (1955), 1, 43; vgl. auch Engisch, Kohlrausch-FS, S. 141, 155 f.; Lampe, Das personale Unrecht, S. 243 ff. Jescheck schreibt auch: „Die Kriterien des ,Sich-Abfindens‘ und des ,Vertrauens auf einen guten Ausgang‘ gehören nicht dem Bereich der Willensverwirklichung an, sondern sind Faktoren, die der Willensbildung eine besondere Note geben“, Wolf-FS, S. 473, 487. 130 131

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unterlassen müsste“132. Diese Definition wäre nur dann haltbar, wenn man festlegen könnte, wie sich der Täter als „rechtstreuer und rational entscheidender Bürger“ in einer bestimmten Lage verhalten könnte bzw. müsste. Diese Überlegung über das „Gesollte“ bei der Reaktion des Handelnden ist aber nichts anderes als die „Untersuchung des Willens“ wie Kindhäuser133 sie zuvor vorgeschlagen hatte. Zusammengefasst: Die Auffassung von Kindhäuser und Anhängern der finalen Handlungslehre134, es handele sich beim subjektiven Unrecht nicht um den Vorgang der Willensbildung, sondern nur um dessen Produkt, ist irreführend.

2. Die Wechselseitigkeit von Wissen und Wollen Ein anderes Argument, das von Kindhäuser dafür angeführt wird135, dass die Gleichgültigkeit kein Vorsatz sei, lautet, dass es in dieser Situation dem Handelnden an dem für das Vermeidungsmotiv notwendigen Faktenwissen fehle. Durch diese Ausführung wird jedoch bestätigt, dass die kategorische Trennung der Handlungsfähigkeit von der Motivationsfähigkeit nicht richtig ist, denn beide befinden sich in einem reziproken Verhältnis zueinander: Der Handelnde ist wegen eines Mangels an Motivation überhaupt nicht oder unvollständig informiert. Es könnte auch sein, dass er nicht die Kenntnis über Vorzeichen der Weiterung seiner Handlung besitzt, weswegen er nicht motiviert ist, sich die mögliche Folge zu überlegen. Es ist irreführend, wenn man beide Fähigkeiten in der Art von Stufen interpretiert, da sie einander bedingen. Die grundlegende Problematik der oben ausgeführten Theorie und der h. M. liegt darin, dass die Interpretation der Beziehung von Wissen und Wollen einen Teil der naturalistischen Handlung eines Individuums darstellt. Sie reduziert die Handlung auf die von Menschen herbeigeführte kausale Veränderung oder physikalische Herrschaft. Die subjektive Seite der Handlung besteht entweder in dem Trieb oder in der sinnlichen Wahrnehmung. Der strafrechtliche Intellektualismus sieht den Täter als hochbegabtes, aber isoliertes Individuum, weswegen seine Handlung gespalten betrachtet wird. Wenn man von dem Täter als Person ausgeht, verhält es sich anders: Die Person, die nach dem Schema von Pflicht und Freiheit handelt, hat eine Stellungnahme zur Norm abgegeben. Diese Einstellung ist entweder ein Normbefolgungswille oder ein Tatwille. Einerseits umfasst der Wille die vorher vorhandenen Kenntnisse, die sich aus Normkenntnis und allgemeiner Kindhäuser, Hruschka-FS, S. 527, 540. Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, S. 95 f., 100. 134 Z. B. Armin Kaufmann, Weber-FS, S. 207, 221 f. 135 Kindhäuser, Eser-FS, S. 345, 357. Schon Hruschka, Rechtstheorie 22 (1991), 449, 454 ff. Er beruft sich auf einen Grundsatz „Ignoratorum nulla est imputatio“ und führt wie folgt aus: Der Täter ist „in der Lage, die gebotene Handlung vorzunehmen und die verbotene zu unterlassen. Doch hat er kein Motiv dafür, weil er die einschlägigen Verhaltensregeln nicht kennt“. 132 133

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Kenntnis über Gesellschaft und Umwelt ergeben. Andererseits empfängt und verwendet der Wille Informationen über konkrete Umstände. Dieser Komplex stellt die Rechtverhältnisse zwischen Personen dar und sollte nicht durch individuelle Betrachtungsweise reduziert werden. Die Frage, ob das Wissen oder der Wille zuerst vorliegen muss, wurde längst von Thomas von Aquin relativiert. Mit der Verneinung der Behauptung, dass der Willen ein höheres Vermögen als der Verstand sei, scheint Thomas von Aquin dem Verstand den Vorrang zu geben.136 Aber anschließend schränkt Thomas von Aquin die Funktion des Verstandes im Ergebnis darauf ein, dass dieser das Gute erkennt und den Willen betätigt. Auf der anderen Seite weist schon Thomas von Aquin hinsichtlich des Tätigseins darauf hin137, dass der Wille den Verstand und alle Kräfte der Seele bewegt. Dieses Zusammenarbeiten von Wille und Verstand kann auch als Wechselseitigkeit von Wissen und Wollen bezeichnet werden. In einem anderen Werk des Thomas von Aquin wird diese Beziehung deutlicher aufgezeigt: „Das erste tätige Prinzip bei den sittlichen Tätigkeiten ist also das erkannte Ding; das zweite die Erkenntniskraft; das dritte der Wille; das vierte die Bewegkraft, die den Befehl der Vernunft ausführt“138. Der Mangel an „Hinordnung“ (d. h. die Fähigkeit, sich selbst zu beherrschen) ist willentlich, „denn in der Macht des Willens stehen Wollen und Nichtwollen. Ebenso steht in seiner Macht, ob die Vernunft aktuell überlegt oder von der Überlegung ablässt oder ob sie dies bzw. jenes überlegt“. Zwischen der Grundhaltung und der Kenntnis besteht keine einseitige Beziehung, in der die letztere die erstere dominiert, sondern ein Wechselseitigkeitsverhältnis, wie das für die Relation zwischen dem ethischen Willen und dem Wissen schon von Thomas von Aquin gezeigt wurde. Während das Wissen Einfluss auf den Willen ausüben kann, braucht es den Willen, um das Wissen zu aktivieren. Dies besagt, dass die Kenntnis der Tatbestandsumstände auf die Entscheidung zur Handlung und auf die Haltung des Täters gegenüber der möglichen Tatbestandsverwirklichung einwirkt. Zudem kann die Haltung des Täters auch bestimmen, ob er seine immanente Fähigkeit dazu verwendet, die Tatbestandsumstände zu erkennen. Darauf wird von Jakobs139 seit langem hingewiesen. In letzter Zeit formuliert 136 Thomas von Aquin, summa theologica, I 82 3a. Beim Willensbegriff des Thomas von Aquin kann man zwei Ebenen unterscheiden. Erstens handele es sich um den Willen, die Seligkeit anzustreben. Die Seligkeit als Endziel sei notwendig, deswegen sei der Wille in diesem Sinne durch seine Bestimmung entschieden. Zweitens ermögliche der Wille bei einer Handlung, eine Wahl zu treffen. 137 Thomas von Aquin, summa theologica, I 82 4a. Vgl. T.-A. Ramelow, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Stichwort: Wille (S. 772). 138 Thomas von Aquin, Summa contra gentiles, 3. Bd. Teil 1. Buch III, Kapitel 10. Vgl. Kluxen, Philosophische Ethik bei Thomas von Aquin, S. 212 f.; Gläser, Zurechnung bei Thomas von Aquin, S. 44 ff. Zur weiteren Entwicklung des wechselseitigen Verhältnisses von Intellekt und Willen bei Duns Scotus siehe Dreyer / Ingham, Johannes Duns Scotus, S. 83 ff.; bei Fichte siehe dessen Grundlage des Naturrechts, § 1 Corollaria. 139 Jakobs, ZStW 101 (1989), 516, 529; ders., Das Schuldprinzip, S. 19 f.

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er dies wie folgt: „Allerdings wird sich die Entscheidung, ob ein sich aufdrängendes Wissen von der Tatbestandsverwirklichung aus Rechtsgleichgültigkeit nicht aktualisiert wird [ . . . ], nicht fällen lassen, ohne auf die Haltung des Täters zum Recht abzustellen“140. Für einen normativen Vorsatzbegriff bezeichnet Schild141 Wissen und Wollen als „Verantwortungsstrategie der alltäglichen Lebenswelt“ und beschreibt sie als „dynamisches Wechselspiel“ zwischen Wissen und Wollen, „weil das Wissen auch erst im Verlaufe des Tätigwerdens entstehen oder sicherer werden kann und trotzdem weiter gehandelt wird“. Die Unkenntnis von konkreten Umständen hindert nicht die Zurechnung zum Willen, wenn der Täter trotz der vorgegebenen (abstrakte) Kenntnis diese immanente Begabung nicht nutzt.142 Das oben Gesagte geht natürlich nicht davon aus, dass ein Individuum für seine Unkenntnis Verantwortung trägt, sondern lediglich davon, dass eine Person von Anfang an verpflichtet ist, die Norm und ihre Geltung zu befolgen. Rechtsuntreue i.S. der subjektiven Zurechnung ist die Konstellation, in der eine Person pflichtwidrig ihr Wissen nicht aktiviert. Wenn diese Pflichtverletzung zudem die Eigenschaft hat, nach abstrakter Kenntnis regelmäßig oder notwendig eine Folge herbeizuführen, dann umfasst die Pflichtverletzung den Tatwillen zur Herbeiführung dieser Folge. Dies ist unabhängig davon, ob die Folge ein Ausfluss der Lust oder Unlust des Handelnden als Individuum ist.

3. Vermeidungsmotiv, Wissen und Wille Jakobs hat zu Recht die Gemeinsamkeit des Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikts mit der Vermeidbarkeit bezeichnet.143 Nach seiner Ansicht kommt es für die MotiJakobs, Rudolphi-FS, S. 107, 122. Schild, Der strafrechtliche Vorsatz, S. 119, 136. 142 Seebass schreibt in dieser Hinsicht: „Die meisten Folgen ihres Tuns jedoch sind Menschen vollständig unbekannt oder nicht sicher und detailliert von ihnen vorausgesehen. Manche könnten sie wissen und als Bestandteil der „konkreten Option“ begreifen, die sie mit Willen verwirklichen. Haben sie zuvor bewußt und willentlich davon Abstand genommen, sich solche Kenntnisse zu verschaffen und in ihre praktischen, willensbildenden Überlegungen einzubeziehen, wird man noch immer, relativ auf gewisse rationale und epistemische Normalitätsstandards, mit Sinn davon sprechen können, daß das Ergebnis implizit oder indirekt mitgewollt ist. Das gilt, prinzipiell, auch für generelle und permanente Rationalitätsoder Wissensbeschränkungen, wenn diese mit Wissen und Willen des Betreffenden zustandegekommen sind, z. B. durch seine bewußte Entscheidung für oder sein wissentliches SichEinlassen auf ein rücksichtsloses, leichtsinniges Leben“, Wollen, S. 199 (Hervorhebung original). 143 Jakobs, Strafrecht AT2, 9 / 4; ders., Welzel-FS, S. 307 ff. Nach der Ansicht von Armin Kaufmann ist der Vermeidungswille der Abgrenzungsmaßstab zwischen dolus eventualis und Fahrlässigkeit, ZStW 70 (1958), 64, 74 f. Diese Auffassung ist fragwürdig. Denn ein Täter wird auch dann nur wegen Fahrlässigkeit bestraft, wenn der Erfolg vermeidbar war und der Täter pflichtwidrig nicht vermieden hat. Hillenkamp hat die Theorie Kaufmanns zwar positiv bewertet, ihr aber nur die Bedeutung einer Indizfunktion beigemessen, vgl. Hillenkamp, Armin Kaufmann-GS, S. 351 ff. 140 141

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vation des Vermeidens darauf an, ob die Tatbestandsverwirklichung dem Täter individuell erkennbar ist.144 Die h. M. kritisiert, dass die individuelle Vermeidbarkeit nur mit der Schuld zu tun habe. Diese Kritik verkennt, dass die sog. Steuerbarkeit bzw. die sog. Tatherrschaft nichts anderes als die positiv faktische Beschreibung der individuellen Vermeidbarkeit sind. Jakobs hat zutreffend darauf hingewiesen: „Ist dem Täter keine Lage erkennbar, was heißt, bei hinreichender Normtreue erreichbar, die einen Tatbestand verwirklicht, so ist, was die Verbrechensfrage angeht, die Feststellung eines „an sich“ gegebenen objektiven Tatbestands überflüssig“145. Demnach kann der Täter ohne Kenntnis keine Motivation bilden. Damit wird erklärt, wodurch die Macht der Motivation begrenzt ist.146 Die Erklärung der Beziehung zwischen Wissen und Wollen muss deshalb wie folgt ergänzt werden: Ein rechtswidriger Erfolg kann nur dann einer Person zugerechnet werden, wenn festgestellt wird, dass sie selbst nicht motiviert ist, ihn aus der Anerkennung der geltenden Norm heraus zu vermeiden. Das Vermeidungsmotiv ist von Anfang an mit etwas Voluntativem verknüpft.147 Genauer gesagt ist das Vermeidungsmotiv mit dem Normbefolgungswillen identisch. Das heißt: Wenn eine Person einer Konstellation begegnet, bei der ein rechtswidriger Erfolg durch ihre Handlung herbeigeführt werden kann, muss sie als Rechtssubjekt ihr immanentes Vermögen erwecken, das Unrecht zu hindern. Diese Anerkennung durch Befolgung der Norm ist voluntativ, nämlich den Willen betreffend. Ein Willensdefizit besteht darin, dass die Person selbst der Grund für ihre Unfähigkeit der Vermeidung ist. Der rechtsbezogene Willensbegriff sollte nicht auf einen psychischen Zustand reduziert werden, denn der Normbefolgungswille ist vielmehr das affirmative Ergebnis der Beurteilung, die aus normativer Perspektive die psychischen Zustände und ihren Kontext bewertet. Deswegen muss man den Willensbegriff in einem Zusammenhang mit Verantwortung verstehen. Wenn man vom Vermeidungsmotiv ausgeht, d. h. befreit vom psychischen Zustand als Anknüpfungspunkt, stellt sich die Frage folgendermaßen: Welche Unvermeidbarkeit und Vermeidbarkeit bei einer Normverletzung kann noch durch die Norm anerkannt werden? Die tatsächliche Unsteuerbarkeit ist nicht schlechthin mit der Unvermeidbarkeit identisch, sondern ein naives inneres Faktum. Die individuelle Erkennbarkeit hat die Bedeutung, dass die Person pflichtgemäß den Erfolg Jakobs, Strafrecht AT2, 9 / 6. 145 Jakobs, Hirsch-FS, S. 45, 61. 146 Dazu führt Jakobs aus: „Die Vermeidung eines hinreichend bedingten Erfolges bleibt beim Fehlen eines Motivs zur Erfolgsvermeidung in gleicher Weise aus, wie sie bei fehlender intellektueller Fähigkeit zur Erfolgsvoraussicht und bei fehlender physischer Fähigkeit zur Erfolgsabwendung ausbleibt. [ . . . ] Die tatsächliche Bereitschaft zur Übernahme des einzelnen Rechtssatzes als Motiv kann vom Rechtssatz selbst nicht hergestellt werden.“ Studien zum fahrlässigen Erfolgdelikt, S. 2. 147 In dieser Richtung auch Günther. Nach seiner Auffassung „wird die Motivation in Beziehung gesetzt“, denn die Vermeidbarkeit im Sinne von Jakobs „geschieht mit Hilfe der Hypothese, daß der Erfolg vermieden worden wäre, wenn das Motiv der Vermeidung dominant gewesen wäre“, Schuld und kommunikative Freiheit, S. 44 (Hervorhebung original). 144

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vermeiden kann und muss, soweit sie aufgrund ihres höheren Verstandesvermögens in der Lage ist, den Vermeidungswillen zu bilden. Die gesamte Handlung einer Person ist in ihrem gesellschaftlichen Kontext zu analysieren. Normbefolgungswille und abstrakte Kenntnis werden von dem normativen Verständnis vorausgesetzt. Jede Handlung wird auf der Grundlage dieser beiden Voraussetzungen normativ interpretiert, womit sich folgender Satz ergibt: Nach der negativen oder positiven Pflicht sollte eine Person die Realisierung eines unerlaubten Risikos vermeiden.148 Eine Person verstößt gegen eine Pflicht, indem ihr Tatwille diese immanente abstrakte Kenntnis ausnutzt. Der Handelnde kann aufgrund der abstrakten Kenntnis ein unerlaubtes Risiko dadurch schaffen, dass er bewusst einige Aktivitäten in Bezug zu der konkreten Situation ausübt, also in konkreter Kenntnis agiert. Auch kann der Handelnde erst in abstrakter Kenntnis ein unerlaubtes Risiko schaffen und sich dann weigern die konkrete Gefährlichkeit seines Handelns zu erkennen. Ebenso kann der Handelnde abstrakte Kenntnis von einem bestehenden – nicht notwendig selbst verursachten – Risiko erlangen und trotzdem untätig bleiben oder sich sogar bewusst der konkreten Kenntnis verschließen, um untätig bleiben zu können. Dieses Schema ist keine psychologische oder ontologische Analyse der Handlung, sondern die normative Interpretation der Willensbildung als entscheidende Vorstufe des Verhaltens bzw. des Verhaltens selbst.

III. Die Schuldformen und die subjektive Zurechnung 1. Die Kenntnis beim Versuch Die sog. gemischt subjektiv-objektive Theorie entscheidet nicht nur über den Zeitpunkt des Versuchsbeginns, sondern auch über den Inhalt des subjektiven Tatbestandes beim Versuch. Er wird als Tatentschluss bezeichnet und entsteht, wie der objektive Tatbestand, auf Grundlage der Tätervorstellung. Die Frage drängt sich auf, ob und inwiefern man sagen kann, dass der Täter die Kenntnis über den objektiven Tatbestand besitzt. Diese Frage spitzt sich zu bei der Betrachtung der Kenntnis beim untauglichen Versuch. Die zirkuläre Antwort lautet149, ein Wissenselement liege jedenfalls vor, weil der Täter sich die Tatumstände vorstellen müsse. Die eigentliche Frage ist, was dem Täter bei dieser Vorstellung bekannt ist. Eine psychologische Erklärung von Schlehofer150 lautet, dass der Täter gar nichts „wissen“ kann, da alles noch innerhalb der eigenen Vorstellung bleibt. „Wissen“ könne man nur etwas Reales. Der Inhalt des „Wissenselements“ des Versuchs ist durch diese umgangssprachliche Interpretation entleert worden. Wenn diese umgangs148 Zur negativen und positiven Pflicht siehe Jakobs, Tun und Unterlassen, S. 36 ff.; Sánchez-Vera, Pflicht und Beteiligung, S. 67 ff., 76 ff., 105 ff. 149 S / S / Eser, Strafgesetzbuch27, § 22 Rn. 13 f. 150 Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, S. 19 f. (Hervorhebung original); Herzberg hat dieser Auffassung zugestimmt, JuS 1999, 224.

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sprachliche Ausführung richtig wäre, könnte man nicht mehr vom „Versuchsvorsatz“ sprechen, weil es hierbei kein Wissen gibt. Da dieser Fehler allen psychologisierenden Ansichten zugrunde liegt, sind diese allesamt zu verwerfen. Die Vorstellung im Sinne von § 22 StGB schafft eine Grundlage, auf die es für die Beurteilung des Versuchsbeginns ankommt.151 Parallel besteht der subjektive Tatbestand, der Tatentschluss, der nach der h.L.152 wie der Vorsatz bei den Vollendungsdelikten Wissenselement und Wollenselement enthält. Das Wissenselement verlangt die Kenntnis der Tatbestandsmerkmale. Typisch ist, dass der Täter etwa die Möglichkeit des Erfolgseintritts oder die Fremdheit der zu stehlenden Sache kennt. Gegenstand des subjektiven Tatbestandes sind aber auch andere vom Täter vorgestellten Sachverhalte. Beispielsweise basiert die sog. „Möglichkeit“ eines Erfolgseintritts auf einer Prognose des Täters über die mögliche Verwirklichung des unerlaubten Risikos. Bei der Ausführung kann die Entwicklung eine völlig andere werden. Der Gegenstand der Vermutung ist jedoch nicht etwas Unreales. Vielmehr ist sie ein Wissen aufgrund der abstrakten Kenntnis. Wer eine fremde Sache wegnehmen möchte, versucht, auf wirksame Weise die Eigentumsverhältnisse in der Gesellschaft zu brechen. Wer einen Betrug begehen möchte, erstrebt in seiner Vorstellung anhand der vorgegebenen Kenntnis für sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil, unabhängig davon, ob dieser tatsächlich objektiv rechtswidrig ist.153 Das Vorliegen einer Tat beim abergläubischen Versuch, bei dem man nicht mittels der rationalnaturwissenschaftlichen Regeln kommunizieren kann, wird weder bejaht noch verneint, weil man die Handlung nicht verstehen kann.154 Beim untauglichen Versuch gehören die Handlungen zum Kommunikationsbereich, etwa beim „Vergiften“ mit einem vermeintlich tödlichen Mittel oder „Abtreiben“ mit Kopfschmerztabletten. Sie sind noch verständlich, obwohl die Arten der Tatbegehung nicht wie geplant funktionieren können. Anders als bei Wahndelikten versucht der Täter hier, eine wirklich vorhandene Norm expressiv zu erschüttern155, unabhängig davon, ob der Versuch ihm letztendlich gelungen ist oder nicht. Die Mindestanforderung für die Feststellung eines strafbaren Versuchs durch das geltende Recht besteht in der Objektivität eines Rechtsuntreuewillens. Dem Täter ist der konkrete Sachverhalt noch nicht zu Bewusstsein gekommen, aber der Sinnesausdruck der Handlung widerspricht der gegebenen sozialen Norm, dem Strafrecht.

151 Hillenkamp hat deswegen deutlich die Vorstellung des Täters als Teil des objektiven Tatbestands beim Versuch eingeordnet, Roxin-FS, S. 689, 702. 152 S / S / Eser, Strafgesetzbuch27, § 22 Rn. 13 ff.; Zaczyk, NK2 § 22 Rn. 17 ff.; Hillenkamp, LK11, § 22 Rn. 31 ff. 153 BGHSt. 42, 268, 272 f. 154 Jakobs, Armin Kaufmann-GS, S. 271, 278 f.; ders., ARSP Beiheft 74, 57, 61. 155 Jakobs, Strafrecht AT2, 25 / 21 f.

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2. Kenntnis, Unkenntnis und Fahrlässigkeit a) Die unbewusste Fahrlässigkeit Bei Fahrlässigkeitsdelikten wird üblicherweise zwischen bewusster und unbewusster Fahrlässigkeit unterschieden. Aber gegenüber dem Vorsatz werden die Strafen bei beiden Formen wegen Unkenntnis156 der Tatbestandsverwirklichung vom Gesetz deutlich gemindert. Nach verbreiteter Meinung hat der Täter bei unbewusster Fahrlässigkeit nicht die vorhersehbare Gefahr, die durch seine Handlung herbeigeführt wird, gekannt. Es ist unbestritten, dass die Gefahr vorhersehbar sein muss, sonst ist die Tatbestandsverwirklichung unvermeidbar. Eine Gefahr wird dann als voraussehbar angesehen, wenn man aufgrund der abstrakten Kenntnis mit ihr rechnen kann. Nach der abstrakten Kenntnis ist die Gefahr also eine potenzielle. Die Ursache der Unkenntnis ist die mangelnde Sorgfalt des Täters. Wegen der mangelnden Sorgfalt hat der Täter seine Fähigkeit nicht eingesetzt, das unerlaubte Risiko zu erkennen. Das heißt, der Täter aktiviert seinen Normbefolgungswillen nicht oder nicht ausreichend, und deswegen wurde das Erkenntnisvermögen nicht entfaltet. Für Köhler157 ist die Strafe bei unbewusster Fahrlässigkeit unzureichend legitimiert, denn das Verbrechen als objektiv-subjektive Verletzung des Rechts „als Recht“ benötige beide Seiten: Objektiv würde verlangt, dass die Handlung nicht nur in abstrakt entfernter Weise Gefahr vermittelnd ist, sondern auch eine konkrete Gefahr schafft. Subjektiv müsse der Täter mit Gefahrbewusstsein gehandelt haben. Nach Köhlers Ansicht ist der psychische Zustand des Gefahrbewusstseins eine Voraussetzung der Strafbarkeit, „sonst kann von einem auch subjektiv zurechenbaren Verstoß gegen strafrechtliche Verhaltensnormen in einem systematisch widerspruchsfreien Sinne nach dem Schuldbegriff nicht die Rede sein“158. Es ist fraglich, ob ein psychischer Zustand direkt als Voraussetzung der Zurechnung angesehen werden kann. Eine Person soll sorgfältig sein, weil sie das Recht einer anderen Person und die Norm respektieren muss. Wenn dies als eine Pflicht ernst genommen wird, gilt ein psychischer Zustand, also die Unkenntnis, nicht als Grund für eine Entlastung, sondern als Gegenstand der Bewertung, denn dieser Zustand könnte ein Resultat der Rechtspflichtsverletzung sein. Stattdessen fragt man, ob der Täter die Gefahr vernachlässigt, und ob die Vernachlässigung pflichtwidrig ist. Dazu weist Zaczyk159 zutreffend darauf hin, dass beim Fahrlässigkeitsdelikt der sich geltend machende Rechtskreis der anderen vom Handelnden aus seinem Horizont verdrängt wird. Das gilt nicht nur für bewusste Fahrlässigkeit, sondern auch für unbewusste Fahrlässigkeit, und zwar genau dann, „wenn sich an156 157 158 159

Jakobs, Strafrecht AT2, 9 / 3. Köhler, Strafrecht AT, S. 172 f., 177 f. Köhler, Strafrecht AT, S. 172 f. Zaczyk, ARSP Beiheft 74, 103, 113; vgl. Lampe, ZStW 118 (2006), 1, 25.

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gesichts einer sich auch dem Handelnden aufdrängenden Pflicht jener innere Akt der Verdrängung der anderen Rechtssphäre und der Reduzierung auf sich selbst feststellen lässt. Man kann dann allgemein von Rücksichtslosigkeit sprechen“. Deswegen ist die Strafbarkeit der „unbewussten“ Fahrlässigkeit mit der strafrechtlichen Zurechnung und mit dem Schuldprinzip vereinbar.

b) Die sog. bewusste Fahrlässigkeit und das Vertrauen Nach h. M. hat der Täter bei der sog. bewussten Fahrlässigkeit160 die generelle Möglichkeit des Risikos zum Zeitpunkt der Handlung gekannt. Nach seiner individuellen Erfahrung und seiner Fähigkeit leugnet er aber, dass sich das Risiko in der konkreten Konstellation tatsächlich verwirklichen könnte. Deswegen wird das Risiko vom Täter nicht als echtes anerkannt. Anlass dieser Unkenntnis ist sein Vertrauen auf den guten Ausgang.161 Bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen nimmt der BGH162 zwar an, es liege nahe, dass der Täter auch mit der Möglichkeit des Todes des Opfers rechnet und, weil er gleichwohl sein gefährliches Handeln beginnt oder fortsetzt, einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt. Trotzdem verneint der BGH den Tötungsvorsatz mit der Behauptung, es liege auch nahe, dass der Täter ernsthaft und nicht nur vage darauf vertraut, ein solcher Erfolg werde nicht eintreten. Denn vor dem Tötungsvorsatz steht eine viel höhere Hemmschwelle als vor dem Gefährdungsvorsatz (sog. Hemmschwellentheorie). Dass der Täter etwas weiß, aber nicht glaubt, ist ein Widerspruch, der nicht durch das Erklären der Beziehung zwischen Vorstellung und Wirklichkeit beseitigt werden kann, denn diese Erklärung besagt einseitig, dass der Täter einem Irrtum unterliegt. Das berücksichtigt aber nicht die andere Ebene, nämlich dass dem Täter die Gefahr vorher bekannt ist und er seine Handlung willkürlich weiter ausführt. Deswegen muss die Frage beantwortet werden, warum das Vertrauen als Entlastungsgrund gilt. Einem Problem auszuweichen, kann es nie wirklich lösen.163 Zur Lösung dieses Widerspruchs ist die Frage zu beantworten, warum das Vertrauen als relevant bewertet werden soll. Das Vertrauen ist keine ausreichende Bedingung, den Täter zu entlasten, bevor nicht auch die Grundlage des Vertrauens 160 Zur Kritik dieses Begriffs siehe Jakobs, Beiheft ZStW 1974, 6, 9 f.; ders., Strafrecht AT2, 9 / 3. 161 Köhler, Strafrecht AT, S. 161. Kindhäuser bezeichnet die bewußte Fahrlässigkeit als Irrtum über die Vermeidbarkeit, nämlich als Überschätzung eigener präventiver Handlungskompetenz, ZStW 96 (1984), 1, 26 ff. Diese Ansicht ist nichts anders als die Lehre vom Vertrauen. 162 BGH NStZ 1983, 407; NStZ 1988, 361; zusammenfassende Ausführung siehe Fahl, NStZ 1997, 391, 392. 163 Denn man könnte auch einseitig von Anfang an den Begriff der bewussten Fahrlässigkeit bezweifeln, weil der Täter die Kenntnis hatte, so Kargl, Der strafrechtliche Vorsatz, S. 67. A.A. z. B. Kindhäuser, ZStW 96 (1984), 1, 27 ff.

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überprüft wurde. Denn ein grundloses Vertrauen kann nicht mit einem begründeten gleichgestellt werden. Die bewusste Fahrlässigkeit ist strafbar, wenn das Vertrauen nicht auf einer sorgfältigen Überprüfung, sondern allein auf beliebigem Selbstvertrauen basiert. Für die Feststellung, ob das Vertrauen „grundlos“ ist, kommt es nicht darauf an, was der Täter glauben will. Vielmehr wird überprüft, ob das Vertrauen mit dem Wertsystem der Norm übereinstimmt oder nicht. Mit anderen Worten kann das Vertrauen den Täter entlasten, weil es von der Norm erlaubt wird, aber nicht, weil der Täter sich wegen der Überschätzung seiner Fähigkeit in einem Irrtum befindet.164 Auch die Rechtsprechung des BGH hat die Bedeutung des Vertrauens relativiert; es „wird in der Regel das Vertrauen auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolges dann zu verneinen sein, wenn der vorgestellte Ablauf eines Geschehens einem tödlichen Ausgang so nahe ist, dass nur noch ein glücklicher Zufall diesen verhindern kann“165. Die Bedeutung des Vertrauens muss neu überdacht werden. Die Berücksichtigung des Vertrauens des Täters kann nur dann erfolgen, wenn das Risiko nach der abstrakten Kenntnis entfernt möglich ist. Es verhält sich umgekehrt, wenn der Erfolg nach der abstrakten Kenntnis regelmäßig durch die Handlung herbeigeführt wird, da bei dieser Konstellation das Vertrauen des Täters grundlos ist. Das Wesen der bewussten Fahrlässigkeit besteht darin, dass der Normbefolgungswillen des Täters das Verständnisvermögen nicht ausreichend aktiviert hat. Das ist ein vermeidbarer Mangel an Normbeachtung trotz fehlenden rechtsfeindlichen Willens.166 Zusammengefasst: Fahrlässigkeitdelikte sollen nur dann vorliegen, wenn die Herbeiführung des unerlaubten Risikos sondern nur versehentliche Rechtsuntreue des Täters bedeutet. Die Unkenntnis als psychisches Phänomen kann ein Grund für Straflosigkeit sein, wenn der Eintritt der Unkenntnis des Täters unausweichlich und nicht von ihm zu verantworten ist. Die Unkenntnis kann hingegen ein Grund für das strafbare Fahrlässigkeitsdelikt sein, wenn sie allein auf die mangelnde Sorgfalt des Täters zurückzuführen ist. Die Fahrlässigkeit bezeichnet einen versehentlich fehlenden Normbefolgungswillen, der wegen dessen Pflichtwidrigkeit strafbar ist. Anders verhält es sich, wenn durch die Handlung ein Tatwille gezeigt wird. Es geht um eine Konstellation, bei der die Weiterung nach der abstrakten Kenntnis regelmäßig oder notwendig durch die Handlung des Täters herbeigeführt wird. Denn in diesem Fall ist die Bedeutung der Handlung eindeutig. Der Täter darf sich nicht auf sein Vertrauen berufen, da er ein allgemeingültiges Urteil nicht einseitig widerlegen kann. Diese Situation ist eine andere als die der Fahrlässigkeit und deswegen muss differenziert werden. Die hier getroffene Grundunterscheidung 164 Nach § 18 Abs. 2 E 1962 handelt fahrlässig, „wer es für möglich hält, daß er den gesetzlichen Tatbestand verwirklicht, jedoch pflichtwidrig und vorwerfbar im Vertrauen darauf handelt, daß er ihn nicht verwirklichen werde“. Diese Regelung ist fragwürdig. Denn es kann nicht erklärt werden, wieso ein wissender Täter durch pflichtwidriges und vorwerfbares Vertrauen entlastet werden sollte. 165 BGH NStZ 2005, 92; ähnlich Kühl, Strafrecht AT5, 5 / 77. 166 Vgl. Lampe, ZStW 118 (2006), 1, 25.

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sollte für eine Lehre, die ein überzeugendes Wertsystem im Strafrecht zu bilden versucht, unumstritten sein.

3. Die Kenntnis bei den drei Erscheinungsformen des Vorsatzes a) Absicht Nach der h. M. hat der Vorsatz drei Erscheinungsformen; Absicht, direkten Vorsatz und Eventualvorsatz. Die Absicht wird als zielgerichteter Erfolgswille definiert. Auf der anderen Seite wird häufig die Auffassung167 vertreten, dass bei der Absicht an das Wissen geringe Anforderungen gestellt werden, „da schon die stark betonte Wollensseite die Vorsatzform der Absicht als klare Entscheidung für die Rechtsgutsverletzung erscheinen läßt“168. Nach dieser Definition der Absicht lässt die h. M. als Voraussetzung für Vorsatz schon das Für-möglich-Halten des Erfolgs durch den Täter genügen, wenn der Täter den Eintritt des angestrebten Erfolgs für möglich hält. Dies wird als das bereits erläuterte sog. Kompensierungsverhältnis zwischen dem Wissen und dem Wollen bezeichnet.169 Das sog. Kompensierungsverhältnis beschreibt ein Phänomen, das sich für die Beurteilung des Vorsatzes wie ein Problem der Addition zeigt. Der Vorsatz liege auch vor, wenn der Täter auf den Erfolg abgezielt habe, aber wisse, dass die Möglichkeit seines Eintritts ein reiner Zufall170 ist. Dass ein Täter, der sein Opfer zu erschießen plant, die Schussweite, die Zieleinrichtung und seine Schießkunst bezweifelt, berühre aber das Vorliegen der Absicht nicht.171 Frisch unterstreicht auch, dass geringfügige Möglichkeiten der Tatbestandsverwirlichung schon ausreichen.172 Schroeder schreibt sogar, „daß auf der Wissensseite keine weiteren Merkmale erforderlich sind“173. Somit kann das Verhältnis mit dem psychologischen Vorsatzbegriff nicht folgerichtig erklärt werden, denn dieser Begriff hat die Kenntnis als Voraussetzung des Willens. Bei der Absicht ist die Erfüllung dieser Voraussetzung fragwürdig, da es zweifelhaft ist, ob die Kenntnis über einen Zufall einen Willen begründen kann. Mit anderen Worten besteht die Schwierigkeit darin, dass 167 BGHSt. 18, 246, 248; 21, 283, 284; Welzel, Das deutsche Strafrecht11, S. 66 f.; Engisch, Untersuchungen, S. 141; S / S / Cramer / Sternberg-Lieben, Strafgesetzbuch27, § 15 Rn. 67; Baumann / Weber / Mitsch, Strafrecht AT11, 20 / 42; Oehler, NJW 1966, 1633, 1634 f.; Haft, Strafrecht AT9, S. 157; Samson, JA 1989, 449, 450; Roxin, Strafrecht AT I4,12 / 8; Rudolphi, SK, § 16 Rn. 38; Frisch, Vorsatz und Risiko, S. 21. 168 Kühl, Strafrecht AT5, 5 / 36; auch Hoyer, Strafrecht AT I, S. 54 f. 169 Nach Schroeder kann die Absicht nicht nur das Wissen des Erfolgseintritts, sondern auch der begleitenden Umstände kompensieren, Rudolphi-FS, S. 285, 290 ff. 170 Haft, Strafrecht AT8, S. 153. 171 Engisch, Untersuchungen, S. 141 f.; Baumann / Weber / Mitsch, Strafrecht AT11, 20 / 42; Kühl, Strafrecht AT5, 5 / 36. 172 Frisch, Vorsatz und Risiko, S. 21. 173 Schroeder, LK11, § 16 Rn. 76.

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die h. M. durch die Erklärung des Kompensierungsverhältnisses keine befriedigende Begründung der Erfolgszurechnung zum Vorsatz bei Absicht geben kann. Ein extrem starker Wunsch zum Erfolg und eine extrem niedrige Kenntnis über das Risiko des Erfolgs reichen sogar für die Position des Finalismus174 nicht für Vorsatz aus. Die Kenntnis bei Absicht muss der hier vertretenen Ansicht nach wie folgt verstanden werden: Eine Kenntnis solcher Art ist zuerst noch kein Wissen über die konkreten Umstände des Tatbestands, sondern über die oben genannte soziale Norm und die rationalnaturwissenschaftlichen Regeln, also abstrakte Kenntnis, die teilweise aus dem Wissen von den abstrakten Tatumständen, teilweise aus dem vorgegebenen Wissen, das aus zahlreichen ähnlichen Sachverhalten in der Vergangenheit gesammelt ist, entsteht. Der Tatwille aktiviert die vorher vorhandene abstrakte Kenntnis, um eine konkrete prognostische Vermutung anzustellen.175 Wir können folgendes Beispiel betrachten: Es ist für den Täter bereits am Anfang bekannt, ob eine Handlung, z. B. Schießen und Ohrfeigen, generell tödlich ist oder nicht. Mit dieser gegebenen Kenntnis plant der Täter und bereitet seine Tat vor. Jeder Schritt der Entwicklung spiegelt wider, was der Täter nach seiner gegebenen Kenntnis als nötig ansieht. Bei Absicht nutzt der Täter seine abstrakte Erkenntnis aus, um sein Ziel zu erreichen. Dies tut beispielsweise ein Täter, der vor der Tat gewusst hat, dass ein Schuss in den Oberkörper tödlich ist, das Opfer mit einer Pistole anvisiert und danach schießt, um es zu töten. Die konkrete Kenntnis, dass er einen bestimmten Menschen anvisiert und auf ihn schießt, basiert auf der abstrakten Erkenntnis. Ob der Täter mit Sicherheit an das Gelingen des Tatplans glaubt, spielt keine entscheidende Rolle, denn nun ist der Tatwille bereits erkennbar. Dazu wird eine Detailkenntnis über die Wirkung der Schussverletzung, Schussweite oder Ballistik nicht verlangt. Dass dem Täter vielleicht die geringe Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts wegen seiner fehlenden Erfahrung genau bewusst ist, hindert nicht das Vorliegen der Absicht als Vorsatzform. Aufgrund seines Tatwillens hat der Täter bei Absicht die abstrakte Kenntnis eingesetzt, um sich für die Handlung konkrete Kenntnis zu verschaffen. Eine beabsichtigte rechtswidrige Handlung bedarf nicht nur eines Willens, der pflichtwidrig auf die Verwirklichung des Tatbestands abzielt, sondern auch der Ausführung aufgrund der abstrakten Kenntnis. Die konkrete Kenntnis bei der Ausführung wird in geringerem Maße verlangt, denn der Täter hat seine abstrakte Kenntnis bereits ausreichend eingesetzt. Die Kenntnisse verschiedener Ebenen können einander ergänzen. Das sog. Kompensierungsverhältnis zwischen dem Wissen und dem Wollen beschreibt bei Absicht jedoch lediglich die Ergänzungsbeziehung zwischen der jeweiligen Kenntnis beider Ebenen.

Z. B. Welzel, Das deutsche Strafrecht11, S. 66. Die Kenntnis bei Absicht wird von Kühl als „Möglichkeitsvorstellung“ beschrieben, Strafrecht AT5, 5 / 37. 174 175

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b) Wissentlichkeit Bei direktem Vorsatz bezieht sich die Kenntnis darauf, dass ein tatbestandsmäßiger Erfolg durch die Handlung sicher herbeigeführt wird. Diese Wissentlichkeit ist auch eine Prognose über den Erfolg, die notwendigerweise zuerst auf der abstrakten Kenntnis beruht. Der Erfolg wird zum Willen des Täters zugerechnet, wenn er die Handlung unternimmt, obwohl er der Tatbestandsverwirklichung gewiss ist.176 Hierbei wählt er den Tatbestandserfolg, gleichgültig, welchen privaten Zweck oder Wunsch er hat.177 Die Gewissheit als Element der Erfolgszurechnung zum Vorsatz bezeichnet keinen individuellen Glauben des Täters, sondern ein mit der abstrakten Kenntnis übereinstimmendes Wissen. Auf den ersten Blick vertreten die Anhänger der Lehre von der Entscheidung als Vorsatz eine ähnliche Meinung. Hassemer hält beispielsweise die Wissentlichkeit für einen „verläßlichen Schluß auf die Entscheidung gegen das Rechtsgut“178. Rudolphi behauptet sogar, dass zum voluntativen Vorsatzelement keine besondere Feststellung benötigt werde.179 Aber die Argumentation dieser Lehre ist nichts anderes als eine Beweisregel. Wenn diese richtig wäre, dann würde die Wissentlichkeit ihre Bedeutung als Vorsatzform verlieren. Denn es wird nicht begründet, wo sich der materielle Grund für die subjektive Zurechnung bei der Wissentlichkeit befindet. Die These180, dass die Wissentlichkeit die Funktionslosigkeit des Willensbegriffs beweise, muss als widerlegt betrachtet werden. Sie geht davon aus, dass die Wissentlichkeit den Vorsatz ausreichend erfülle. Beispiel: Ein fanatischer Sektierer schießt auf den Kopf des Sektenführers und glaubt an dessen Unsterblichkeit. Das Vertrauen des Täters auf einen guten Ausgang schlösse den Tötungswillen aus. Trotzdem „würde [ . . . ] wohl allgemein Tötungsvorsatz angenommen, und damit Wissentlichkeit beim Sektierer“181. Die Einseitigkeit dieser Auffassung liegt darin, dass sie wegen bestehenden Vertrauens den Willen verneint, aber trotzdem wird die Kenntnis bejaht. Die Widersprüchlichkeit zwischen dem Vertrauen auf einen guten Ausgang und der Wissentlichkeit wird verschwiegen. Wieder zeigt sich die Unstimmigkeit innerhalb der psychologischen Begriffe. Andererseits besteht ein weiteres Problem dieser Meinung darin, dass die innere Ursache der wissenden 176 Im Ergebnis gleich, aber mit einer psychologischen und kausalistischen Begründung schon Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht I, S. 283 ff., 292 f.; v. Bar, ZStW 18 (1898), 534, 536. Ebenfalls im Ergebnis gleich, jedoch mit einem psychologischen und gleichzeitig logischen Argument siehe v. Hippel, Die Grenze von Vorsatz und Fahrlässigkeit, S. 133 f. 177 Nach der Ansicht Köhlers handelt der Täter hier mit Tatwillen (Tatvorsatz) allgemeinen Begriffs, Strafrecht AT, S. 163. 178 Hassemer, Armin Kaufmann-GS, S. 289, 299. 179 Rudolphi, SK, § 16 Rn. 37. 180 Z. B. Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, S. 164 f. 181 Vgl. Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, S. 164.

§ 9 Wissen und Wollen bei der subjektiven Zurechnung

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Handlung vernachlässigt wird, als ob der Täter die Handlung nicht überlegt und sie automatisch vorgenommen hätte. c) dolus eventualis Es ist in der Lehre unstreitig, dass bei dolus eventualis die Kenntnis der Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung jedenfalls eine Bedingung für den Vorsatz ist. Das Problem, ob die Kenntnis als einzige Bedingung des Vorsatzes gilt, ist bloß ein Scheinproblem. Man könnte den Willen anhand der Kenntnis feststellen und die Bedeutung des Willens trotzdem bezweifeln. Man könnte ebenfalls das Vorliegen der Kenntnis des Erfolgs aus der Ausführung einer Handlung ableiten182 und die Funktion der Kenntnis für unnötig halten. Strafrechtlich relevant ist aber vielmehr, ob der Täter durch die vorhandene Kenntnis und das Unternehmen einer Handlung einen Tatwillen gezeigt hat. Beim Eventualvorsatz erkennt der Täter aufgrund seiner abstrakten Kenntnis die konkrete Lage, das unerlaubte Risiko. Im Gegensatz zur bewussten Fahrlässigkeit urteilt der Täter, dass die Risikoverwirklichung nicht unwahrscheinlich ist.183 Er setzt aber seine Handlung dennoch fort und riskiert deswegen die Tatbestandsverwirklichung, wodurch er seine Pflicht zur Erfolgsvermeidung verletzt. Der Erfolg ist zum Vorsatz zuzurechnen, wenn die Pflichtverletzung auf seinen Tatwillen zurückgeführt werden kann. Den Widerspruch zwischen dem vom Täter „gewollten“ Ziel und dem „ungewollten“ Erfolg der Tatbestandsverwirklichung, z. B. beim Schießbudenfall von Lacmann, interessiert das Strafrecht nicht. Strafrechtlich relevant ist nur, ob eine Handlung den Tatwillen manifestiert. Der Tatwille kann festgestellt werden, wenn der Täter eine Handlung unternimmt, ohne dass die von ihm als konkret möglich erkannte Verwirklichung des Risikos zu berücksichtigen ist. Somit liegt dolus eventualis, also Vorsatz, vor.

4. Die Kenntnis und der Willen beim Unterlassungsdelikt Es ist unbestritten, dass die Gegenstände des Unterlassungsvorsatzes beim Erfolgsdelikt die folgenden sind: die Garantenstellung, die Gefahr der Tatbestandsverwirklichung und die Abwendungsmöglichkeit. Es gibt jedoch unterschiedliche Auffassungen über das Kenntniselement des Unterlassungsvorsatzes. Alle haben eine Gemeinsamkeit, nämlich die Minderung der Anforderungen an die Kenntnis; es handele sich bei ihr um eine Vorstellung in Umrissen184, sie sei ein generelles 182 In der Rechtsgeschichte ist der bekannte Rechtsbegriff des „dolus ex re“ beispielhaft; vgl. Hruschka, Kleinknecht-FS, S. 191, 195 ff. 183 Jakobs schreibt: „Bei dieser Kenntnis muss es sich um ein für den Täter gültiges Urteil handeln“, Strafrecht AT2, 8 / 23. 184 Jescheck, LK11, vor § 13 Rn. 96.

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4. Teil: Entwicklung eines neuen Lösungsansatzes

Bewusstsein der Rettungsmöglichkeit185, sie sei sogar lediglich eine „Erkennbarkeit“ der Abwendungsmöglichkeit186. Nach dem sog. Kompensierungsverhältnis zwischen dem Wissen und dem Wollen soll hier vom Willenselement mehr verlangt werden. Aber die Situation ist genau umgekehrt. Das Problem beim Unterlassungsvorsatz besteht nicht darin, dass das Unterlassungsdelikt sich vom Begehungsdelikt durch die Struktur unterscheidet, sondern dass die h. M. von der finalen Handlungslehre dominiert wird und lediglich den psychologischen Vorsatzbegriff kennt.187 Einerseits wird vom Willen als Vorsatzelement beim Unterlassungsdelikt abgesehen, denn nach der finalen Handlungslehre ist der Wille die die Kausalität steuernde Finalität, die bei der Unterlassung kaum Interpretationskraft hat. Anderseits wird der untätig bleibende Täter ungern Überlegungen zu Abwendungsmöglichkeiten anzustellen. Es erweist sich also, dass die Vorsatzdefinition der h. M. einer kritischen Überprüfung nicht standhält. Die nachfolgende Untersuchung wird eine taugliche Vorsatzdefinition erarbeiten. Der ontologische Strukturunterschied zwischen Begehungs- und Unterlassungsdelikt ist kein Grund für die Veränderung der normativen Erwartung. Die Erwartung bleibt dieselbe, nur die Art und Weise ihrer Erfüllung ändert sich. Der Unterlassungsvorsatz bezeichnet natürlich auch die an der Tatbestandsverwirklichung orientierte Motivation, die mit Hilfe der Kenntnis von den oben genannten zwei Ebenen wirkt. Zuerst ist die Kenntnis über die Gefahr des tatbestandmäßigen Erfolges nichts anderes als diejenige beim Begehungsdelikt. Dann kann die Kenntnis der Rettungsmöglichkeit wie folgt beschrieben werden: Die Norm fordert nicht, dass jeder Garant dieselbe Fähigkeit wie z. B. ein Arzt oder ein Bademeister besitzt. Die gegenständliche Kenntnis wird deswegen für den Vorsatz nicht verlangt. Als Unterlassungsvorsatz genügt wie beim Begehungsdelikt, dass der Täter die abstrakte Kenntnis besitzt und motiviert ist, diese zu nutzen. Im hier diskutierten Fall, bei dem der Täter keine konkrete Rettungsmöglichkeit kennt, hat der Täter nach der abstrakten Kenntnis die Möglichkeit der Rettung vorgesehen, aber er hört auf, darüber weiter nachzudenken. Ein Beispiel: Die Einlieferung in die Klinik ist eine allgemeine Lösung, um eine Krankheit zu heilen. Der Unterlassungsvorsatz liegt bereits vor, wenn eine Mutter weiß, dass ihr Kind schwer erkältet ist, aber untätig bleibt und das Kind nicht in die Klinik bringt.188 Die konkrete Kenntnis, wie man die Körpertemperatur reduzieren kann oder welche Medizin einzunehmen ist, wird jedoch nicht als unentbehrlich für den Vorsatz angesehen, womit die Unkenntnis darüber den Vorsatz nicht ausschließt. Rudolphi, SK, vor § 13 Rn. 24; schon Stratenwerth, Strafrecht AT4, 13 / 71. 186 Armin Kaufmann, Weber-FS, S. 207, 209; Welzel, Das deutsche Strafrecht11, S. 204 f. 187 Vgl. Jakobs, Tun und Unterlassen, S. 18 f. 188 Rudolphi nimmt zutreffend an, für den Vorsatz des Unterlassungsdelikts reiche das Bewusstsein, dass eine Rettung generell möglich sei, SK vor § 13 Rn. 23 f.; Stratenwerth verlangt auch nur ein Bewusstsein, konkrete Abwendungshandlungen könnten sich bei näherem Zusehen als möglich erweisen, AT I4, 13 / 71. 185

§ 9 Wissen und Wollen bei der subjektiven Zurechnung

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In der gleichen Richtung verlangen Armin Kaufmann und Welzel189 die „Erkennbarkeit“ der Abwendungsmöglichkeit für den Vorsatz, um die Konstellation richtig zu bewerten, in der der Täter aus Gleichgültigkeit die Rettungsmöglichkeit nicht bedenkt. Armin Kaufmann und Welzel wird nicht von Grünwald zugestimmt, aber seine Ansicht ist mit der hier vorgetragenen Lösung kompatibel. Zuerst führt er aus, dass ein sinnlich nicht wahrnehmbarer Umstand dem Handelnden als Bestandteil eines Komplexes von Umständen bewusst werden kann, selbst wenn er sich nicht auf den Umstand konzentriert190. Ein Beispiel, das nicht nur ein spezielles Problem des Unterlassens thematisiert: Eine Mutter badet ihr Kind, das ihr entgleitet und mit dem Kopf unter Wasser gerät. Dazu schreibt Grünwald zutreffend: „Hier ist, ohne daß es der Feststellung irgendwelcher zusätzlicher psychischer Vorgänge bedürfte, die Aussage berechtigt, daß der Frau die Möglichkeit der Rettung bewußt war“191. Der Vorsatz darf nach allem folgerichtig nicht wegen der Unkenntnis über die Rettungsmöglichkeit ausgeschlossen werden, wenn die Möglichkeit nach der abstrakten Kenntnis regelmäßig denkbar ist.

IV. Zwischenergebnis 1. Der Vorsatz als Tatwille Der Vorsatz als subjektiver Tatbestand bedeutet, dass die objektive Tatbestandsverwirklichung dem Willendes Täters zugerechnet werden kann. Die Bestimmung der Zurechnung geht von der Pflicht und ihrem Auferlegen aus, die nur in Rechtsverhältnissen zwischen Personen denkbar sind. Das Rechtsverhältnis zu verletzen oder gegen die Pflicht zu verstoßen, heißt die Normgeltung zu brechen. Der immanente Zweck der Zurechnung ist, die Normgeltung zu bestätigen. Die subjektive Zurechnung festzustellen bedeutet zu überprüfen, ob eine objektiv zurechenbare Handlung eine Behauptung des Nichtanerkennens der Normgeltung beinhaltet. Der Willensbegriff als Zurechnungsbegriff bezeichnet nicht den Wunsch eines Individuums als bio-psychisches Lebewesen, sondern präsentiert sich als die Grundhaltung einer Person zu einer Norm. Der Vorsatz als Tatwille wird nicht durch eine individuelle Hoffung, sondern durch die Feststellung bestimmt, dass der Täter sich der Norm widersetzt, sei es, indem er motiviert auf die Verwirklichung des objektiven Tatbestands abzielt, sei es, dass er hinsichtlich der Möglichkeit der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes gewiss ist bzw. sicher nicht motiviert ist, die Verwirklichung zu vermeiden. Es kann auch sein, dass der Täter eine Handlung unternimmt, ohne auf die von ihm als konkret möglich erkannte Verwirklichung des Risikos Rücksicht zu nehmen. 189 190 191

Welzel, Das deutsche Strafrecht8, S. 181. Grünwald, H. Mayer-FS, S. 281, 294 f. Grünwald, H. Mayer-FS, S. 281, 295.

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4. Teil: Entwicklung eines neuen Lösungsansatzes

Der Tatwillen ist keine psychische Entscheidung, sondern ein nach außen manifestierter Ausdruck der inneren Nichtigkeit der Normgeltung. Das heißt, der Tatwille besteht nicht im individuellen Schema von Willigkeit oder Unwilligkeit, sondern dann, wenn er als Wille zur Rechtsuntreue erklärt werden kann. Das Verfahren der Erklärung ist normativ und deswegen objektiv, es kommt also nicht auf die Vorstellung des Täters, sondern auf einen an der Norm orientierten Maßstab an. Bei der Normverletzung befindet sich der individuelle Wille des Täters im Widerspruch zu sich selbst, denn er als Person nimmt Respekt für sich in Anspruch, erklärt aber den Respekt vor dem anderen als Person für unnötig.

2. Die Bedeutung der abstrakten Kenntnis Die abstrakte Kenntnis bezieht sich zunächst auf die theoretische Ebene; das theoretische Wissen umfasst das, was nach einem allgemeingültigen Urteil gilt. Diese Kenntnis ist bei jeder Person vorhanden und bildet die Grundlage für deren Handlung, wodurch die abstrakte Kenntnis auch einen praktischen Bezug bekommt. Aufgrund der vorgegebenen abstrakten Kenntnis trifft der Handelnde die Wahl, das konkrete Wissen, das er benötigt, um eine Handlung vornehmen zu können oder die Folgen seiner Handlung zu erkennen, zu erwerben oder nicht zu erwerben. Ausgehend von einem normativen Willensbegriff liegt die Bedeutung der abstrakten Kenntnis darin, dass sie die Allgemeinheit des Inhalts des Handlungswillens impliziert, da keine Handlung isoliert betrachtet werden kann. Vielmehr offenbart jede Handlung aus sich heraus in allgemein verständlicher Art und Weise ihren Inhalt, den der Rechtsanwender korrekt zu ermitteln hat.192 Die abstrakte Kenntnis hat deswegen eine strafrechtlich dogmatische Bedeutung, da sie (die Kenntnis) den normativen Sinngehalt offenbart, welchen die Tathandlung für den Täter hatte, was Grundlage der strafrechtlichen Bewertung ist (oder als solche gilt).

§ 10 Irrtum und die subjektive Zurechnung I. Bedeutung der Unkenntnis im Strafrecht Unkenntnis bezeichnet das Phänomen der Diskrepanz zwischen der Vorstellung des Täters und dem tatsächlichen Tatverlauf. Es ist unumstritten, dass die Unkenntnis nur unter bestimmten Bedingungen den Vorsatz ausschließt und deswegen in relevante und irrelevante unterteilt werden kann. Die psychologische Irrtums- und 192 Zur Beziehung zwischen Objektivierung der Ausrichtung der Vernunftsleistung und Vernunftallgemeinheit vgl. Zaczyk, Selbstverantwortung des Verletzten, S. 24 f.

§ 10 Irrtum und die subjektive Zurechnung

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Vorsatzlehre muss somit aufgegeben werden, da die relevante und irrelevante Unkenntnis die gleiche psychologische Bedingung haben. Die psychologische Tatsache kann nicht die Frage beantworten, wann eine Unkenntnis rechtlich relevant ist. Um die richtige Lösung zu finden, beginnt die anschließende Untersuchung mit folgender Frage: Anhand welchen Maßstabs wird bei einer Handlung der Vorsatz (als Grundlage für eine schwerere Form der Bestrafung) abgelehnt?

1. Unkenntnis als Grund für Straferleichterung a) Unkenntnis als Unfreiwilligkeit Warum die Unkenntnis als Grund für eine Erleichterung im Strafrecht anerkannt ist, wird schon bei Juristen im Mittelalter 193 deutlich: Der Handelnde gerät in einen Zustand der Willensunfreiheit. Köstlin194 führt dazu aus: Dem Subjekt kann der rechtswidrige Erfolg seiner Handlung nicht zugerechnet werden, wenn die Handlung, die zum Taterfolg führt, nach dem Willen des Täters ausgeführt wird, es ihm aber an Wissen fehlt. „Das Prinzip des Handelns [ . . . ] liegt nur formell in ihm, nur in seinem Wissen, welches im Gegensatz zu seinem Willen, und zwar in einem durch die Objektivität determinierten Gegensatze sich befindet“195. Die überwiegende Lehre196 der Gegenwart sieht den Entlastungsgrund nicht anders als Köstlin, insbesondere weil Handlung und instrumentaler Wille nach Ansicht der Finalisten eng zusammenhängen. Wer über eine Tatsache keine Kenntnis habe, befinde sich deshalb im Irrtum und handele nicht gewollt. Danach komme nur die Fahrlässigkeit in Betracht. Dieser Gedanke erinnert an die Moralphilosophie von Aristoteles. Für die Frage, ob es eine Handlung ohne Kenntnis, aber aus freiem Willen, geben könnte, muss zuerst ein Standpunkt bei Aristoteles betrachtet werden: Die von der Tugend197 ausgehende Diskussion über die freiwillige Handlung beziehe sich in ihrem Kern auf das Problem der Verantwortung. Nur freiwillige Handlungen könnten gelobt oder getadelt, belohnt oder bestraft werden.198 Die Beziehung zwischen der Un193 Zur den historischen Ausführungen zu diesem Gedanken Engelmann, Die Schuldlehre der Postglossatoren, S. 23 ff.; ders., Irrtum und Schuld, S. 47 ff.; His, Das Strafrecht des deutschen Mittelalters I, S. 85 ff. 194 Köstlin, Neue Revision, § 89. 195 Köstlin, Neue Revision, § 89. 196 Vgl. Welzel, Das deutsche Strafrecht11, S. 73 ff.; Köhler, Strafrecht AT, S. 151 ff.; Rath, aberratio ictus und error in persona, S. 249 ff.; Hruschka, Rechtstheorie 22 (1991), 449, 454 ff.; Heinrich, Strafrecht AT II, Rn. 1073; ebenso wie die gegenwärtig überwiegende Meinung spricht Toepel von „Handlungsfreiheit“, Jahrbuch für Recht und Ethik 1994, 413, 422 ff., 427 f. Inhaltlich gleich ist der von Roxin verwendete Begriff der „Planverwirklichung“, Strafrecht AT I4, 12 / 97. 197 Wittmann, Die Ethik des Aristoteles, S. 97; Köhler, FS-Hirsch, S. 65, 66. 198 Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch III 1109b.

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4. Teil: Entwicklung eines neuen Lösungsansatzes

freiwilligkeit und der Unwissenheit wird bei Aristoteles durch die Deutung erleuchtet, dass Unwissenheit und Zwang199 zum Zeitpunkt des Handelns zwei Ursachen seien, aus denen die unfreiwillige Handlung entstehe. Das bedeutet aber nicht, dass die Unkenntnis ein direkter Maßstab des ethischen Beurteilens wird; vielmehr ist sie eine Beschreibung des Zustands, in dem der Handelnde sich befindet. Die Unkenntnis aus Trunkenheit oder aus Zorn wird von Aristoteles nicht mit Unfreiwilligkeit bewertet.200 „Und selbst auf Unwissenheit steht Strafe, wenn angenommen werden kann, daß jemand an dieser Unwissenheit nicht unschuldig ist. So wird dem Betrunkenen das Strafmaß verdoppelt, denn das bewegende Prinzip ist in ihm selbst [ . . . ]“201. Eine Handlung, die aus Unkenntnis geschehen ist, wird dann von Aristoteles als „unfreiwillig“ angesehen, wenn der Handelnde das Geschehen nachträglich bedauert. Wer hingegen kein Bedauern fühlt, handele weder freiwillig noch unfreiwillig, sondern „nichtfreiwillig“, denn insofern hat er „nicht unfreiwillig“ gehandelt.202 Diesen Gebrauch von „Nichtfreiwilligkeit“ hält Aristoteles für zweckmäßiger. Selbstverständlich bedeutet diese Bezeichnung einen ethischen Mangel, eine Minderwertigkeit des Charakters.203 Bei Aristoteles sind die psychischen Fakten, die zur Unwissenheit führen, deswegen kein ethischer Maßstab in sich, sondern sie werden am ethischen Prinzip gemessen und knüpfen an das an, was wir bei einer Handlung bewerten.204 Die Wechselseitigkeit von Wissen und Wollen wird von Aristoteles deutlich hervorgehoben. Es wird hierzu in der Literatur205 zutreffend ausgeführt, dass Aristoteles die Unkenntnis als das definiert, was fehlt, aber man zu wissen erwarten kann. Erst wenn Wissen erwartet werden kann, ist Unwissenheit vorwerfbar. Anders als die Unfreiwilligkeit ist die Unwissenheit kein Entschuldigungsgrund. Vom Wissen als Erwartung ausgehend, sind sein Gegenstand verständlicherweise in erster Linie die allgemeinen moralischen Regeln und Normen.206 Nicht als Entlastungsgrund lässt Aristoteles die Unkenntnis der allgemeinen Regeln des Verhaltens gelten207, sowie die vermeidbare Unkenntnis der gesetzlichen Bestimmung, „die man kennen müßte und die keine schwierige Materie betrifft“208. Folglich ist der Gegenstand der 199 Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch III 1110a; vgl. Köhler, Die bewußte Fahrlässigkeit, S. 104. 200 Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch III 1110b. Zur weiteren Untersuchung über das Problem siehe unten vierter Teil § 10 II. 1. 201 Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch III 1113b. 202 Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch III 1110b. 203 Höffe, Aristoteles, S. 206. 204 Deswegen ist es irreführend, wenn Hruschka die Lehre der Freiwilligkeit von Aristoteles als Quelle der Formel ansieht, dass der Vorsatz das Wissen und das Wollen der Tatbestandsverwirklichung ist, Roxin-FS, S. 441, 443. 205 Rapp, Aristoteles, S. 41. 206 Rapp, Aristoteles, S. 41. 207 Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch III 1110b. 208 Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch III 1113b.

§ 10 Irrtum und die subjektive Zurechnung

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Unkenntnis bei der Prüfung der Verantwortung des Handelnden ebenfalls zu berücksichtigen. Dieser Aspekt gilt nicht nur in der praktischen Philosophie, sondern auch bei der rechtlichen Bewertung. Auf der anderen Seite ist der Teil der reinen Tugendlehre des Aristoteles kaum für die rechtliche Bewertung anwendbar, da Aristoteles annimmt, dass die Freiwilligkeit nachträglich anhand des Charakters des Handelnden festgestellt werde: Das Bedauern, das als ein psychischer Fakt erscheint, sei ein Indiz der Beurteilung. Dieser Bezugspunkt sei individuell zu bevorzugen, denn es komme für die Freiwilligkeit auch auf das nachträgliche persönliche Gefühl an.209 Die rechtliche Bewertung muss hingegen ausschließlich die Bedeutung der Handlung berücksichtigen.210 Auffällig ist, dass die gegenwärtig h. L. bei der Beurteilung einer Handlung die Wechselseitigkeit von Wissen und Wollen nicht beachtet. Es wird angenommen, das Wissen sei die Voraussetzung des Willens, jedoch nicht umgekehrt. Danach schlösse die Unkenntnis den Vorsatz aus und gelte demnach als Entlastungsgrund. Diese Erklärung ist jedoch nicht nur völlig einseitig und unzutreffend, sondern bereitet noch eine weitere Schwierigkeit. Es befindet sich ein Widerspruch darin, dass einerseits eine in Unkenntnis vorgenommene Handlung als ungewollt und deswegen als Fahrlässigkeit bezeichnet wird, aber anderseits die Fahrlässigkeit noch als eine Art von Willensschuld gilt. Dieser Widerspruch ist unvermeidlich, da die überwiegende Lehre den Willensbegriff im psychologischen oder alltagssprachlichen Sinne versteht. Dies zeigt noch einmal, dass der psychologische oder alltagssprachliche Willensbegriff unhaltbar ist.

b) Unkenntnis der „starken“ Norm Von der Funktion des Strafrechts ausgehend, behauptet Jakobs, dass die Unkenntnis der starken Norm als ein Grund für die Entlastung gelte. Die Argumentation beginnt mit der Trennung von der sog. starken und schwachen Norm. Die starke Norm, nämlich das Gesetz der Logik, Mathematik und Natur, könne sich selbst stabilisieren. Unkenntnis kann nicht deren Geltung erschüttern, sondern nur das Handlungsziel vereiteln. Im Gegensatz dazu könne sich die schwache Norm, beispielsweise eine gesetzliche Vorschrift, selbst nicht erhalten, ohne dass sie äußere Unterstützung durch Zwang bekommt.211 Um die Geltung der gesetzlichen Vorschriften vor dem Normbruch zu bewahren, werde die Unkenntnis nicht als Entlastungsgrund betrachtet. Hingegen könne die Geltung der starken Norm weiter bestehen, obwohl der Handelnde sie wegen seiner Unkenntnis nicht befolgt. Ein Wissensmangel bedroht nicht die Erhaltung der starken Norm, son209 210 211

Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch III 1110b. Ausführlich Lesch, Der Verbrechensbegriff, S. 175 ff. Jakobs, Das Schuldprinzip, S. 12 ff.

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4. Teil: Entwicklung eines neuen Lösungsansatzes

dern Vorhaben und Interessen des Handelnden. Deshalb müsse der Handelnde sich für die Erreichung des eigenen Plans mit der Kenntnis der starken Norm beschäftigen. Die Frage, warum die Unkenntnis entlasten kann, beantwortet Jakobs anhand der oben beschriebenen Konzeption dahingehend, dass der unwissende Täter von Gefahr einer poena naturalis bereits belastet werde; er werde selbst durch Unkenntnis verletzt und seine Unkenntnis schädige die Geltung der starken Norm nicht.212 Das heißt, die Notwendigkeit des Auferlegens von Strafe sei wegen der Selbststabilisierung der Norm und der vorhandenen Gefahr der poena naturalis erheblich geringer. Die funktionale Deutung ist in sich sehr konsequent. Die Erklärung von Jakobs wirft die folgenden Fragen auf: Zuerst bleibt offen, welche Rolle die Theorie der poena naturalis bei der Irrtumslehre spielt. Diese Theorie bietet keinen Maßstab, um wesentliche und unwesentliche Irrtümer zu unterscheiden. Denn ein irrender Täter ist immer der Gefahr einer poena naturalis ausgeliefert. Ein Irrtum, wie etwa über die genaue Wirkungsweise eines lebensgefährlichen Giftes, ist nicht als wesentlich zu bewerten, wenn jemand mittels des Giftes einen anderen tötet. Ein Täter, der diesem Irrtum unterliegt, ist der Gefahr einer poena naturalis ausgesetzt, wenn er mit diesem Gift umgeht und es verwendet. Es wird ein anderes Kriterium benötigt, anhand dessen zwischen wesentlichen und unwesentlichen Irrtümern differenziert werden kann. Jakobs würde die Unkenntnis nicht als absolut vorsatzausschließenden Grund gelten lassen, da ein Wissensfehler nur dann als vorsatzausschließender Grund anzuerkennen sei, wenn dieser Fehler nicht aus dem Willensfehler stammt: „Unkenntnis aus Desinteresse ist keine Kenntnis, aber auch kein Irrtum“213. Es zeigt sich, dass die Unkenntnis über die starke Norm allein den Täter nicht ausreichend entlasten kann. Es bleibt also insgesamt noch unklar, inwiefern der Irrtum über die starke Norm als Entlastungsgrund gelten kann.

c) Der nicht vorhandene Tatwille Um die Geltung der Norm zu bewahren, muss man bei einer Normverletzung fragen, ob eine Handlung beim Normbruch das Nichtanerkennen der Normgeltung behauptet. Dagegen ist es unerheblich, ob der Täter gut oder böse eingestellt ist. Für die Norm ist deswegen das nachträgliche Gefühl des Täters nicht bedeutend, da dies allein dessen persönlichen Charakter betrifft. Bedauern oder Starrsinn haben keine Bedeutung, weil sie die Handlung und ihre Motivation nicht beeinflussen, genauso wenig wie dolus subsequens. Deswegen ist der Begriff der Freiwilligkeit bei Aristoteles eher ein moralischer.

212 213

Jakobs, Das Schuldprinzip, S. 13. Jakobs, Dolus malus, in: Rudolphi-FS, S. 107, 110.

§ 10 Irrtum und die subjektive Zurechnung

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Wenn ein Gebot oder Verbot befolgt werden soll, ist es für die Geltung der Norm erheblich, ob der Handelnde ihr mittels seiner Handlung widerspricht. Für die subjektive Zurechnung kommt es daher darauf an, ob der normativen Erwartung ein Tatwille entgegensteht. Mit anderen Worten sind Vorsatz und Fahrlässigkeit als die Grundhaltung des Täters gegenüber der Normgeltung zu bezeichnen. Vorsatz und Fahrlässigkeit sind soziale Deutungen der Handlung des Täters und richten sich nach dem normativen Sinnausdruck einer Handlung, unabhängig davon, welche Bedeutung der Täter seiner Handlung zumisst. Die Lehre der poena naturalis bietet eine Erklärung dafür, warum ein relevanter Irrtum weniger schwer bestraft werden darf. Es muss jedoch noch ein normativer Maßstab gefunden werden, mit dem die Relevanz eines Irrtums festgestellt werden kann. Der Vorsatz ist der Tatwille zur Tatbestandsverwirklichung.214 Deswegen ist beim Problem der Unkenntnis zu fragen, ob die Tatbestandsverwirklichung, der Bruch der Normgeltung, noch als Handlung des Tatwillens qualifiziert werden kann. Das hängt davon ab, welche Beziehung zwischen der Handlung und der Verwirklichung des Tatbestands besteht, also ob man den Tatwillen zur Tatbestandsverwirklichung aus der Handlung ableiten kann. Das Fahrlässigkeitsdelikt, das als mindere Schuldform angesehen wird, liegt nur dann vor, wenn die Normverletzung lediglich Ausdruck eines versehentlich fehlenden Normbefolgungswillens ist. Der Grund hierfür ist, dass ein Täter, der aus Unkenntnis eine Handlung ausführt, prinzipiell noch bereit ist, die Norm zu befolgen. Er versagt lediglich wegen eines Mangels an Sorgfalt.

2. Unkenntnis als Irrtum in der Strafrechtsdogmatik Die Unkenntnis als Erleichterungsgrund wird irreführenderweise in § 16 und § 17 StGB ungleich vorgeschrieben. Wegen dieser Unterscheidung hält eine heute verbreitete Meinung daran fest, dass das Strafrecht das Kenntnisprinzip bei § 16 und das Verantwortungsprinzip bei § 17 kennt. Das heißt, dass nur bei einem Verbotsirrtum eine Erwägung der Ursache der Unkenntnis nötig ist. Diese differenzierte Behandlung von § 16 und § 17 StGB hat die absolute h. M. jedoch in ein Dilemma gebracht: Die Kontroverse beim rauschbedingten Erlaubnis-Tatbestandsirrtum dient als Beispiel. Die Frage, ob der Täter sich auf die Irrtumsvorschrift berufen kann, wenn er bei der im Rausch begangenen Tat rauschbedingten Fehlvorstellungen erliegt, hat die herrschende Lehre zunächst bejaht, denn der subjektive Tatbestand bei der Rauschtat müsse auch berücksichtigt werden. Die Anwendung der Irrtumsvor214 In der Literatur finden sich vielfach ähnliche Meinungen zur Trennung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit, gleichgültig, wie der Willensbegriff im Einzelnen verstanden wird, vgl. z. B. Wessels / Beulke, Strafrecht AT35, Rn. 656, die die Fahrlässigkeit für eine ungewollte Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes halten.

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4. Teil: Entwicklung eines neuen Lösungsansatzes

schrift beim Tatbestandsirrtum wird zugelassen.215 Auf der anderen Seite wird über den Verbotsirrtum bei der Rauschtat nicht nachgedacht, um sich der Frage auszuweichen, ob der Täter den Irrtum hätte vermeiden können.216 Diese nur scheinbare Klarheit der Trennung von Kenntnisprinzip bei § 16 und Verantwortungsprinzip bei § 17 stößt auf Schwierigkeiten bei dem rauschbedingten Erlaubnis-Tatbestandsirrtum. Ein typischer Fall liegt vor, wenn der Täter, der wegen seiner Trunkenheit irrtümlich glaubt, dass eine ihn begrüßende Bekannte ihn angreifen wolle. Ob der rauschbedingte Erlaubnis-Tatbestandsirrtum den Vorsatz ausschließt, ist stark umstritten. Es ist bemerkenswert, dass die Lehre217 den rauschbedingten Tatbestandsirrtum bei der Rauschtat für relevant hält, aber den rauschbedingten Erlaubnis-Tatbestandsirrtum als unerheblich ansieht. Das heißt: Beim rauschbedingten Erlaubnis-Tatbestandsirrtum wird das Verantwortungsprinzip ebenfalls anerkannt.218 Die unterschiedliche Behandlung von Tatbestandsirrtum und Erlaubnis-Tatbestandsirrtum ist sehr bedenklich, insbesondere, weil die strenge Schuldtheorie heute nur noch weniger Anhänger findet. Diese Auffassung ist daher unbegründet. Die beschriebene Problematik zeigt sich schwerwiegend bei der Position der Rechtsprechung. Der BGH219 stimmt einem den Vorsatz ausschließenden rauschbedingten Tatbestandsirrtum zu. Aber zur rauschbedingten Falschvorstellung über das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrunds wurde von den Gerichten z. T.220 die gegenläufige Ansicht vertreten. OLG Celle221 nahm m. E. nach zu Recht im Gegensatz zum BGH an, dass ein alkoholbedingter Irrtum über die Rechtfertigungslage den Vorsatz nicht beseitigen könne. Die Gegenmeinung in der Literatur222 nimmt an, dass dieser verschuldete Irrtum den Vorsatz ausschließen könne, und definiert die Erheblichkeit des Irrtums ausschließlich durch psychische Tatsachen. S / S / Cramer / Sternberg-Lieben, Strafgesetzbuch27, § 323a Rn. 18; Ranft, JA 1983, 239, 241; Otto, Jura 1986, 478, 485; Bruns, JZ 1964, 473, 478; Dencker, NJW 1980, 2159, 2164; Horn, SK, § 323a Rn. 12; Lackner / Kühl, Strafgesetzbuch25, § 323a Rn. 9; Maurach / Schroeder / Maiwald, Strafrecht BT II8, 96 / 13; Tröndle / Fischer, Strafgesetzbuch53, § 323a Rn. 7; Paeffgen, NK2, § 323a Rn. 74; Arzt / Weber, Strafrecht BT, 40 / 21; Wessels / Hettinger, Strafrecht BT I29, Rn. 1038. A.A. Spendel, LK11 § 323a Rn. 200 f. 216 Paeffgen, NK2, § 323a Rn. 77; Horn, SK § 323a Rn. 17; Otto, Jura 1986, 478, 485; Dencker, NJW 1980, 2159, 2165; Arzt / Weber, Strafrecht BT, 40 / 26; Cramer, JuS 1964, 360, 363; Bruns, JZ 1964, 473, 481; Wessels / Hettinger, Strafrecht BT I29, Rn. 1038. 217 Z. B. Bruns, JZ 1964, 473, 478, 480 f.; Lay, LK9, § 330a Rn. 54, 56, 63; Maurach / Schroeder / Maiwald, Strafrecht BT II8, 96 / 13; Tröndle / Fischer, Strafgesetzbuch50, § 323a Rn. 13, 14. A.A. Tröndle / Fischer, Strafgesetzbuch53, § 323a Rn. 7. 218 Lay, LK9, § 330a Rn. 63. 219 BGHSt. 18, 235, 237. 220 RG 73, 11, 17; OLG Celle NJW 69, 1775; OLG Stuttgart JZ 1964, 522. 221 OLG Celle NJW 69, 1775. Die Meinung des OLG Celle ist teilweise zutreffend; denn nicht jeder verschuldete Irrtum geschieht aus Rechtsfeindlichkeit. Horn hat die Rechtsprechung als Rückkehr in die extreme Schuldtheorie bezeichnet, NJW 1969, 2156. 222 S / S / Cramer / Sternberg-Lieben, Strafgesetzbuch27, § 16 Rn. 12. 215

§ 10 Irrtum und die subjektive Zurechnung

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Die unterschiedliche Behandlung von Tatbestandsirrtum und Erlaubnis-Tatbestandsirrtum innerhalb der Rechtsprechung ist deshalb bedenklich, weil der BGH223 dauerhaft die eingeschränkte Schuldtheorie vertritt. Nach dieser Theorie soll der Erlaubnis-Tatbestandsirrtum wie der Tatbestandsirrtum gemäß § 16 StGB behandelt werden.

3. Die Bedingung eines relevanten Irrtums Weit verbreitet ist die Auffassung224, dass Unkenntnis stets den Vorsatz ausschließe, ohne dass man fragen müsse, aus welchem Grund der Täter sich in diesem Zustand befindet, und ob die Unkenntnis vermeidbar ist. Dies stimmt nicht mit dem Strafrechtssystem überein; denn die Ratio des Vorsatzausschlusses muss unter allen Umständen die Grundlage des Schuldprinzips berücksichtigen. Ein selbst verantworteter Umstand, insbesondere Unkenntnis, ist niemals ein absoluter Entlastungsgrund. Die überwiegende Meinung kann auch nicht widerlegen, dass die Ratio der Vorsatzbestrafung nicht nur auf der intellektuellen Seite des Täters gründet, sondern auf der voluntativen. Deswegen ist es inkonsequent, dass die h. M. sich ausschließlich an den Wortlaut des § 16 StGB anlehnt und die von ihr selbst betonte Ratio der Vorsatzbestrafung missachtet. Die alten Schuldformen dolus und culpa sind durch die neuen Terminologien Vorsatz und Fahrlässigkeit psychische Formen geworden, indem beide Begriffe durch die heute h. M. umgangssprachlich interpretiert wurden. Damit befindet sich die Abgrenzung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit in großen Schwierigkeiten. Wenn wir bei bewusster Fahrlässigkeit das Vertrauen des Täters dahingehend überprüfen, ob es zu einer Entlastung kommen kann, dürfen nicht die geistigen Phänomene den Maßstab bilden. Wir müssen uns einer normativen Lösung zuwenden und fragen, wie der Täter die Norm und ihre Geltung behandelt. Die psychische Tatsache stellt kein normatives Kriterium dar, vielmehr sollte sie unter einen normativen Begriff subsumiert werden, um eine rechtliche Beurteilung zu bekommen. Es wird mit der hier unterbreiteten Lösung nicht behauptet, dass bei der durch mangelnde Sorgfalt herbeigeführten Unkenntnis noch Vorsatz vorliege. Vielmehr ist zu betonen, dass auf den einseitigen Intellektualismus in der Strafrechtswissenschaft verzichtet werden muss.225 Ansonsten betrachteten wir nur den Teil des BeBGHSt. 3, 105, 107; 31, 264, 286 f.; 45, 378, 384; NStZ 2001, 530, 531. Z. B. Kindhäuser, LPK-StGB2, § 16 Rn. 1. 225 Der Intellektualismus wurde interessanterweise z. T. schon von Aristoteles überwunden, indem er ausführt, dass jede wissenschaftliche Forschung und jede Handlung, nämlich alles, nach einem Guten, das seine höchste Form der Glückseligkeit ist, strebt (Nikomachische Ethik, Buch I 1094a, 1095a.). Die Klugheit richtet sich auf das Letztziel, das Glück, aus. Die Bestimmung der Klugheit setzt deswegen zwei Grundelemente voraus: Zuerst ist es das Streben (orexis), eine zielorientierte Bewegung. Zweitens ist es die feste Grundhaltung (hexis), nämlich die Disposition oder Verhaltensweise der Seele. Die Haltung entscheidet, 223 224

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wusstseinsverlaufs, dessen Entwicklung mit der Norm nichts zu tun hat, und hätten eine rein psychologische Perspektive. Die psychische Tatsache ist nur ein Objekt eines normativen Maßstabs, nicht jedoch selbst der Maßstab.226 Beim Ausschluss des Vorsatzes im Strafrecht ist eine Kernfrage, ob die relevante Handlung den Tatwillen widerspiegelt. Dies können wir durch die Beziehung zwischen Wollen und Wissen erfassen. Dabei spielt die Unkenntnis die folgende Rolle: Der Täter hat keine konkrete Kenntnis, ob seine Handlung den objektiven Tatbestand verwirklichen wird oder nicht. In dieser Situation kommt es bei der subjektiven Zurechnung auf die abstrakte Kenntnis an: Ein Erfolg wird dem Tatwillen zugeschrieben, wenn die Handlung nach der abstrakten Kenntnis den Erfolg regelmäßig oder notwendig herbeiführen kann. Denn der regelmäßige oder notwendige Erfolg gehört noch zum Handlungswillen, dem Tatwillen. Wenn der Täter das Risiko aus emotionellen Gründen, etwa Aufregung, übersieht, ist der Vorsatz nicht auszuschließen. Vielmehr ist ein die Normgeltung verachtender Tatwille unabhängig von dem Gemützustand zu bestimmen. Jemand, der einen ihn beleidigenden anderen im Treppenhaus die Treppe hinab stößt, drückt mittels seiner bewussten Handlung einen Körperverletzungswillen aus, selbst wenn der Handelnde in dem Augenblick nur von seiner Wut beherrscht wird und nicht das Körperverletzungsrisiko reflektiert. In dieser Situation ist zwar eventuell der Entschuldigungsgrund des § 33 StGB, aber auf jeden Fall Vorsatz gegeben. Hingegen liegt ein Fahrlässigkeitsdelikt vor, wenn die Handlung nach der abstrakten Kenntnis den Erfolg nur möglicherweise verursachen kann, denn die Handlung kann dann den Erfolg nicht unmittelbar erklären. Wegen mangelnder abstrakter Regelmäßigkeit wird in geringerem Maße als beim Vorsatzdelikt verlangt, dass der Täter sich zum Erwerb von konkreter Kenntnis motivieren muss. Einerseits ist der Täter schuldig, weil er im Umgang mit dem Recht anderer nicht sorgfältig ist. Andererseits wird er trotzdem mit Nachsicht behandelt; denn er wird nicht als motiviert angesehen, die Norm zu brechen. Zusammengefasst: Unkenntnis kann den Täter nur entlasten, weil und soweit seine Handlung lediglich auf seine verringerte Rechtsuntreue schließen lässt – im Gegensatz zum Vorsatzdelikt, bei welchem dem Täter die Rechtstreue vollständig fehlt.

wohin das Streben geht und wie die Klugheit benutzt wird. Dies besagt, dass Aristoteles eine Charaktertugend kennt; vgl. Höffe, Aristoteles, S. 202 ff., 230 ff.; Wolf, Aristoteles’ ,Nikomachische Ethik‘, S. 131. Wie Benakis zutreffend schreibt, ist der Gegenstand der aristotelischen Lehre die menschliche Handlung als Ausdruck einer inneren Haltung, und die auf dieser Haltung basierende Entscheidung (prohairesis) entspricht in der modernen strafrechtlichen Doktrin dem dolus malus, Welzel-FS, S. 213, 214 Fn. 7, 224. 226 Im Anschluss an Mezger, LK8, Einleitung, S. 6 hat Schewe zwischen der „abstrakt-normativen Begriffsbildung“ des Vorsatzes und den psychologischen Zusammenhängen zutreffend differenziert, Lange-FS, S. 687, 694.

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II. Vorliegen von nicht relevanten Irrtümern 1. Die verschuldete Unkenntnis Die Unwissenheit des Täters bei der Handlung kann unzählbar viele Gründe haben. Jedoch beschäftigt sich die subjektive Zurechnung nicht mit der Untersuchung der Unkenntnis als Bewusstseinsphänomen, sondern mit der Frage, ob die Unkenntnis den Tatwillen beeinflusst. Es ist in der Literatur unstrittig, dass eine relevante Unkenntnis vorliegt, wenn der Handelnde sich aus einem unverschuldeten Grund in diesem Defektzustand befindet. Nach der hier vertretenen Lösung soll die Unkenntnis jedoch an der abstrakten Kenntnis gemessen werden, denn erst mittels dieser kann entschieden werden, ob die Unkenntnis relevant ist oder nicht. Fraglich ist jedoch, ob der Täter sich mittels einer verschuldeten Unkenntnis entlasten kann. Das heißt, es bleibt unklar, ob die verschuldete Unkenntnis zu einer milderen Bestrafung (lediglich für Fahrlässigkeitsschuld) führen kann. Eine bereits von Aristoteles227 getroffene Unterscheidung ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert: Die Unwissenheit als beschreibendes Attribut wird unter dem Gesichtspunkt des zeitlichen Prozesses der Handlungsentstehung in zwei Gruppen unterteilt; erstens die Gruppe ,aus‘ Unwissenheit und die Gruppe ,in‘ Unwissenheit. Es kommt für diese Unterscheidung darauf an, ob die Unkenntnis bei der Handlung vom Handelnden vorher selbst verursacht wurde. Aristoteles untersucht die Quelle einer Fehlhandlung bis zu dem Handelnden, also nicht nur den Zustand des Handelnden bei der Handlung, sondern auch deren Entstehungsbedingungen, soweit diese auf den Handelnden zurückzuführen sind. Deswegen wird das Problem der Verantwortung nach Ansicht der praktischen Philosophie von Aristoteles nicht allein durch den psychischen Zustand bei der Handlung entschieden.228 227 Jemand handele aus Unwissenheit, wenn die Unwissenheit eben der Grund der Handlung ist. Diese Konstellation sei unfreiwillig und deswegen solle der Handelnde freigesprochen werden; Loening, Die Zurechnungslehre des Aristoteles, S. 211. Hingegen wird eine andere Konstellation von Aristoteles als ,in‘ Unwissenheit bezeichnet, wenn der Grund der Unkenntnis beim Handelnden liegt. Von der Unfreiwilligkeit könne man nicht mehr sprechen, vielmehr sei die Handlung freiwillig. Eine Verfehlung eines Betrunkenen oder Zornigen sei stets auch unwissend begangen, aber diese werde nicht ,aus‘ Unkenntnis herbeigeführt, sondern aus Trunkenheit und Zorn. Der Handelnde handelt in Unwissenheit – „nicht mit Bewußtsein, sondern ohne ein Wissen zu haben“, Nikomachische Ethik, Buch III 1110b. Zum Zorn sagt Aristoteles: „Die Bestimmung des Unfreiwilligen als das, was infolge von Zorn [ . . . ] geschieht, ist ja doch kaum richtig“, Nikomachische Ethik, Buch III 1111a. Mit anderen Worten sei die Unwissenheit keine Ursache der Handlung. Der Handelnde habe sich aus eigener Schuld in eine Situation der Unfähigkeit gebracht und dadurch eine Verfehlung begangen. Deswegen sei der Grund der Handlung nicht die Unkenntnis, sondern der verschuldet Handelnde. 228 Wolf, Aristoteles’ ,Nikomachische Ethik‘, S. 122; Rapp, Freiheit, Entscheidung und Verantwortlichkeit, S. 109, 116.

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Ein anderer Gedanke von Aristoteles über die Unkenntnis als geistiges Phänomen ist ebenfalls bemerkenswert: Die Unkenntnis, mit der man sich von Tadel befreien kann, werde nicht als Konstellation bezeichnet, in der der Handelnde bei der Entscheidung unwissend ist.229 Die Unkenntnis bei Aristoteles kann, wie gesagt, als Grund für eine Entlastung gelten, weil der Handelnde die Handlung nicht freiwillig unternimmt. Jedoch kann bei einer gewollten Unwissenheit nicht mehr von Unfreiwilligkeit die Rede sein.230 Die Unkenntnis kann vielmehr ein Indiz für den schlechten Charakter eines Menschen sein.231 Bei der Ausführung einer Handlung sei die Unkenntnis nicht entscheidend, hingegen spiele das Minderwertigsein des Handelnden die entscheidende Rolle. Ob die Handlung ,in‘ Unwissenheit bei Aristoteles mit der Freiwilligkeit identisch ist, bleibt unklar. Zu dieser Frage liefert Thomas von Aquin einige erhellende Einsichten. Wie dieser ausgeführt hat, können Unkenntnis und Wille wegen der Wechselseitigkeitsbeziehung zwischen Wissen und Wollen gleichzeitig bestehen. Um die Frage, ob die Unkenntnis die Schuld (bzw. die Sünde) entschuldigen oder reduzieren kann, zu beantworten, untersucht er eingehend die Unkenntnis als Defizit des Intellekts, da die Kenntnis eine Bedingung für eine willentliche Handlung sei. Aber es kann sich anders verhalten. Thomas von Aquin weist darauf hin, dass die Unkenntnis nur den Willen, der danach vorliegen könnte, hindere, nicht aber den Willen, der von vornherein vorhanden ist. Diejenige Unwissenheit, die selbst in irgendeiner Weise, sei es mittelbar oder unmittelbar, gewollt ist, wird von Thomas nicht als unwillentlich bezeichnet.232 Stattdessen nennt er erstere ignorantia directe voluntaria, eine direkt gewollte Unwissenheit: Der Handelnde möchte die Umstände nicht kennen, damit er eine Verfehlung leichter begehen oder danach einen Entschuldigungsgrund vorweisen kann. In dieser Konstellation könne der Handelnde sich weder ganz noch teilweise entschuldigen, sondern vielmehr werde die Sünde verschärft.233 Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch III 1110b. Nach der Meinung von Wolf könne diese Handlung als Freiwilligkeit im Sinne von Aristoteles angesehen werden, Aristoteles’ ,Nikomachische Ethik‘, S. 122. 231 Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch III 1110b. 232 Thomas von Aquin, de malo q.3, a .8 c; ders., STh. I-II q.19, a.6, zitiert aus: Über die Sittlichkeit der Handlung, S. 95. 233 Thomas von Aquin, de malo q.3, a. 8 c; vgl. auch Hruschka, Welzel-FS, S. 115, 143. Die Unwissenheit, die aus negligentia resultiert, wird als ignorantia indirecte voluntaria bezeichnet, nämlich eine indirekt gewollte Unwissenheit. Steht die Person beispielsweise unter Stress, dann fehle ihr aus negligentia das notwendige Wissen, um Übel zu vermeiden. Negligentia, nämlich Nachlässigkeit, wie Hruschka, Welzel-FS, S. 115, 144, ausgeführt hat, bedeute „einen Mangel an Eifer bei der Aneignung dessen, was zu wissen erforderlich ist“. Thomas beschränkt negligentia auf das, was der Handelnde zu wissen verpflichtet ist, de malo q.3, a. 8 c; vgl. auch Köhler, Die bewußte Fahrlässigkeit, S. 126. Der Handelnde wird trotz seiner Unwissenheit von Thomas als freiwillig handelnd und deswegen als sündig angesehen, weil negligentia eben freiwillig ist, de malo q.3, a. 8 c; ders., STh., I-II q76, a. 3. Die Unwissenheit wird deswegen im thomasischen System nicht schlechthin als ein Entschuldigungsgrund bewertet, es sei denn, der Handelnde ist nicht verpflichtet zu wissen, oder die 229 230

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Entsprechend dem oben geschilderten Gedanken des Aristoteles nahm Köstlin234 an, dass nur eine unvermeidbare Unkenntnis als Grund für die völlige Befreiung von der Zurechnung angesehen werden kann. Diese Ansicht, die von der praktischen Philosophie ausging, fand viele Anhänger unter seinen Zeitgenossen235. Selbst Feuerbach236, der die Psychologie als Ausgangspunkt nimmt, sieht den unverschuldeten Gemütszustand als Voraussetzung für die Beseitigung der Zurechnung an, z. B. den unüberwindlichen Irrtum über die Gefährlichkeit der Handlung. Das Verantwortungsprinzip ist längst bei allen Problembereichen des Irrtums im Strafrecht in hohem Maße anerkannt, jedoch leider nicht in der derzeitigen Fassung von § 16 StGB. Am Gedankengebäude des Thomas von Aquin zeigt sich deutlich, dass die Zurechnung nicht vom Handelnden manipuliert werden soll. Die Zurechnung ist die Verurteilung dieser Manipulation. Dieses Prinzip muss bei rechtlicher Bewertung ebenso gelten. Bei der rechtlichen Bewertung verhält es sich nicht identisch, aber ähnlich. Wenn die Unkenntnis vom Handelnden vermeidbar ist, da die Ursache der Unkenntnis bei ihm liegt, folgt daraus zumindest eine Fahrlässigkeitsschuld. Eine schwerere Schuld muss vorliegen, falls der Handelnde die Kenntnis offen und pflichtwidrig ablehnt.237 Dies wird in Lehre und Rechtsprechung jedoch zurzeit noch kontrovers diskutiert. Die nachfolgenden Beispiele sind diskussionswürdig: Die Problematik der Affekttat kann jetzt neu überdacht werden. Die erste Kontroverse in der gegenwärtigen Diskussion beschäftigt sich damit, ob die affektive Erregung die kognitive Fähigkeit hindert. Zwar wird von manchen Autoren einerseits behauptet, dass der Einfluss des Affekts auf das Wissenselement sehr niedrig sei; bei einer Affekttat kenne der Täter sein Opfer und seine Handlungsweise238 oder habe in diesem Zustand zumindest noch das sog. Mitbewusstsein der Tatumstände239.

Unwissenheit ist unüberwindlich, STh., I-II q.76, a. 3; vgl. Hruschka, Welzel-FS, S. 115, 145. Zusammengefasst: Bei ignorantia directe voluntaria handele man mehr willentlich, deswegen sei sie auch eine größere Sünde. Hingegen enthalte ignorantia indirecte voluntaria weniger Willentlichkeit, weshalb die Größe ihrer Sünde gemindert sei, STh., I-II q.76, a. 4. Diese Unterscheidung ist insofern lehrreich als der Fall der „gewollten Unkenntnis“ eine höhere Schuld nach sich zieht. Leider berücksichtigt die derzeitige Fassung von § 16 StGB das gerade nicht. 234 Köstlin, Neue Revision, § 89. 235 Heffter, Lehrbuch, § 57; Hälschner, Das preußische Strafrecht II, S. 167 f. 236 Feuerbach, Lehrbuch14, § 90. 237 Bei Aristoteles wird deutlich, dass eine Handlung aus Fahrlässigkeit oder Zorn unterschiedlich behandelt werden müssen, Nikomachische Ethik, Buch III 1135b. 238 Welzel, Vom Bleibenden und von Vergänglichen, S. 19, Fn. 45; Roxin, Strafrecht AT I4, 12 / 129; Schneider, MK § 211 Rn. 24; Bockelmann, Radbruch-GS, S. 252, 255 f. 239 S / S / Cramer / Sternberg-Lieben, Strafgesetzbuch27, § 15 Rn. 51, 61; Platzgummer, Die Bewußtseinform des Vorsatzes, S. 31 ff., 92 ff.; Bockelmann / Volk, Strafrecht AT4, S. 73 f. A.A. Jakobs, Strafrecht AT2, 8 / 13. Er verlangt für den Vorsatz de lege lata bei der Affekttat,

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Andererseits bestätigt die moderne empirische und psychologische Wissenschaft, dass die Denkfähigkeit wegen eines Affekts und Erregung in der Tatzeit erheblich reduziert ist.240 Das Ergebnis ist somit nicht anders als in der Zeit von Aristoteles. Nach der Affektlogik ist Handeln trotz Wissen die Entscheidung für eine Rechtsgutsverletzung. Der Umfang des Wissens vom Täter werde nach dem Grad der Intensität seiner Emotionen abgestuft. „Es gibt kein emotionsloses Wissen, ebenso wenig wie es ein kognitionsloses Wollen gibt“241. Ein Widerspruch ergibt sich, da einerseits das Wissen bei Zorn oder Erregung deutlich eingeschränkt ist, obwohl sich andererseits der Handelnde in diesem Zustand gerade in einem hohen Grad der Emotion befindet. Sollten wir diese psychischen Phänomene als Kenntnis oder Unkenntnis beurteilen? Der BGH242 hat nicht nur deutlich anerkannt, dass die Unkenntnis im Affektzustand den Vorsatz ausschließt. Er hat sich vielmehr auch mit der subtilen Veränderung des psychischen Zustands beschäftigt, insbesondere mit dem, was der Täter in diesem Zustand möglicherweise vernachlässigt. Der BGH hat es im Hammerschlagfall243 für „durchaus möglich“ gehalten, dass der sich im affektiven Zustand befindende Täter die lebensgefährliche Handlungsweise gegenüber dem Opfer vollständig kennt, „ohne doch [ . . . ] infolge eines unkontrollierten Gefühlsausbruchs aufgrund nervlicher Überforderung, sich dessen bewußt zu sein, daß sein Tun zum Tod des Opfers führen kann“. Diese Auffassung könnte man mit dem Argument der „angeblichen Erinnerungslücke“ begründen. Wenn dieses Argument richtig wäre, würde der Täter selbst den Tatvorgang nicht kennen. Wer außer ihm selbst könnte sagen, was er kennt und nicht kennt? Wenn der Richter dies entscheiden soll, muss es einen normativen Maßstab für die Beurteilung geben. Nur ein normativer Maßstab kann eine rechtliche Bewertung begründen und von den egozentrischen Überlegungen des Täters befreien. Die Behauptung des BGH, dass der Täter um seine lebensgefährliche Handlung, nicht aber um den Tod des Opfers wisse, ist unplausibel. Durch sein rücksichtsloses Verhalten, das regelmäßig einen Todeserfolg herbeizuführen geeignet ist, hat der Täter die Geltung des Tötungsverbotes für nichtig erklärt.

dass der Täter eine bildhafte Kenntnis des möglichen Erfolges hat; Frisch, Armin KaufmannGS, S. 311, 326. 240 Lempp, Jugendliche Mörder, S. 198. Zustimmend Kargl, Der strafrechtliche Vorsatz, S. 25 f.; ähnlich Prittwitz, GA 1994, 454, 469 ff.; differenzierend Ambrosius, Untersuchung zur Vorsatzabgrenzung, S. 71 ff. 241 Kargl, Der strafrechtliche Vorsatz, S. 68. 242 BGHSt. 6, 332: „Auch wenn der Täter sich schuldhaft in eine affektive Spannung versetzt hat, in der er sich – bei im übrigen bestehender strafrechtlicher Verantwortlichkeit – einzelner Merkmale eines Strafbestandes nicht bewußt wird, können ihm diese nicht als dennoch von seinem Vorsatz umfaßt zugerechnet werden.“ In BGHSt. 11, 20, 23 wird der Einfluss der Erregung auf die intellektuelle Fähigkeit abermals unterstrichen. 243 StV 1987, 92 f.

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Der BGH hat später unverständlicherweise an der Hemmschwellentheorie festgehalten und sich von den emotionalen Tatsachen dominieren lassen. Dies kann man deutlich aus der Rechtsprechung des BGH244 ablesen. Der BGH betont, dass bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen die Vorhersehbarkeit des Todes des Opfers zwar naheliege. Trotzdem bedürfe es im Hinblick auf die hohe Hemmschwelle bei Tötungsdelikten einer besonders sorgfältigen tatrichterlichen Prüfung. Die „sorgfältige“ Prüfung des BGH lautet wie folgt: Der Täter habe aus Wut über die ihm zugefügten Misshandlungen zum Messer gegriffen und dem Opfer spontan und in affektiver Erregung den tödlichen Stich versetzt. Was er sich in dem Moment vorgestellt habe, sei nicht festgestellt. Der Täter habe mit seiner Überführung aufgrund vieler Augenzeugen rechnen müssen. „Dies könnte dafür sprechen, dass der Angeklagte zwar die Gefährdung des I, nicht aber auch dessen Tod in sein Bewusstsein und seinen Willen aufgenommen hatte“. Es komme hier für das Willenselement auf die Rücksicht gegenüber den Augenzeugen an, da der Täter sich beobachtet gefühlt haben müsse. Der BGH hat mit dieser Begründung seine eigene Theorie vom „Billigen im Rechtssinne“245 missachtet und sich damit begnügt, ein subtil geistiges Phänomen des Täters zum Tatzeitpunkt zu ermitteln. Die zutreffende Kritik246 an der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass der BGH keinen deutlichen Maßstab entwickelt, sondern inhaltslose Hinweise auf das Problem des Vorsatzausschlusses benennt, wird nicht vom BGH aufgenommen. Ein Problem der Begründung des BGH ist, dass dieser von einem psychologischen Vorsatzbegriff ausgeht, ohne in der Lage zu sein, jedes subtile Bewusstseinphänomen nach seiner Bedeutung für den Vorsatz einzuordnen. Ein weiteres Problem des BGH-Urteils ist, dass dieses dem Bewusstseinphänomen mehr Bedeutung zukommen lässt, als es nach § 16 StGB notwendig wäre. § 16 StGB unterscheidet nur nach Kenntnis oder Unkenntnis247, nicht nach dem Gemütszustand. Unter die244 Beispielhaft BGH NStZ 2003, 603 = StV 2004, 75 mit folgendem Sachverhalt: Wegen eines Streits über einen Heroinverkauf begann eine Schlägerei zwischen dem Täter, einem Heroinhändler, und seinem Kunden, dem Opfer. Der körperlich unterlegene Täter ging zweimal zu Boden und blutete auf Grund eines herausgerissenen Ohrrings. Ein Partner des Täters, R, kam ihm zu Hilfe. Als R und das Opfer auch in eine Schlägerei gerieten, hatte der Täter ein Taschenmesser mit einer Klingenlänge von 9,5 cm und einer Klingenbreite von 2,5 cm aus der Hosentasche gezogen, und dem Opfer in den linken oberen Brustkorb gestochen. Es brach wenige Meter vom Blumenkübel entfernt zusammen und starb infolge innerer Blutungen. 245 BGHSt. 7, 363. Vgl. Lampe, ZStW 118 (2006), 1, 24. 246 Fahl, NStZ 1997, 391, 392; Geppert, Jura 2001, 55, 59; Altvater, NStZ 2002, 20 Fn. 10; Schneider, MK § 211 Rn. 24; Verrel, NStZ 2004, 309, 310 f.; Trück kritisiert, „dass es sich bei der affektiv aufgeladenen Einzelhandlung nur um eine Leerformel handelt, die von den Tatgerichten gar nicht ausfüllbar ist. Sie dient im Ergebnis dazu, dem BGH die jederzeitige Möglichkeit offen zu halten, auch ein in sich stimmiges tatgerichtliches Urteil aufzuheben, um letztlich in eine für unangemessen gehaltene Strafzumessung eingreifen zu können.“, NStZ 2005, 233, 238. 247 Vgl. Jakobs, Strafrecht AT2, 8 / 13; ders., Aussagewert der Handlungsanalyse einer Tat, S. 21, 25 f.

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sen beiden Aspekten betrachtet, bleibt die Frage nach der Behandlung der Affekttat im Strafrecht weiterhin offen. Verrel248 weist bei dem Widerspruch des BGH zudem darauf hin, dass der Alkoholeinfluss, die affektive Erregung des Täters oder die Spontaneität der Tat gerade die Faktoren sind, die regelmäßig zur Wirkungslosigkeit genereller Tötungshemmungen führen. Dieser Auffassung des BGH und ihrem Ergebnis bei Affekttätern kann nicht zugestimmt werden. Wenn der Täter seinen Zorn oder Affekt einfach ausbrechen lässt, wie im Hammerschlagfall, deaktiviert sein Tatwille teilweise seinen eigenen Verstand. Der Handelnde sieht, was er ,will‘. Wenn die strafrechtliche Bewertung sich ausschließlich an dem vom Täter gewählten Wissen orientieren würde, verlöre das Strafrecht gänzlich den richtigen Maßstab. Neben der oben genannten Konstellation hat der BGH für die äußerst gefährlichen Gewalthandlungen bei der alkoholbedingt herabgesetzten Einsichtsfähigkeit widersprüchliche Entscheidungen gefällt. Zunächst hat er angesichts der erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 21 StGB angenommen, in dieser Situation sei es nicht selbstverständlich, dass der ,in Wut geratene‘, eine dissoziale Persönlichkeitsstruktur aufweisende Täter den Tod des Opfers wegen seiner lebensgefährlichen Gewalthandlungen als möglich erkannt und diese Folge auch billigend in Kauf genommen habe.249 Später in NStZ 1991, 126250 behauptet der BGH demgegenüber, dass die Fähigkeit, das Unrecht einer Handlung einzusehen, und die Fähigkeit, die objektive Gefährlichkeit dieser Handlung zu erkennen, zwei unterschiedliche und voneinander unabhängige psychische Fähigkeiten seien. Wer trotz einer alkoholbedingten psychischen Beeinträchtigung noch in der Lage sei, das Unrecht einer von ihm gegen einen anderen gerichteten Gewalttätigkeit einzusehen, könne durch denselben Defekt an der Erkenntnis gehindert sein, dass sein Handeln für den anderen tödliche Folgen haben kann. Aus dieser Auffassung ergibt sich erstens, dass der Täter von der Alkoholisierung in einer Doppelverwertung profitieren könne251; sowohl als Entlastungsgrund beim subjektiven Tatbestand als auch bei der Schuld.252 ZweiVerrel, NStZ 2004, 309, 311. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 55. Und der BGH weist im Anschluss an Schroth NStZ 1990 324, 325 auf folgendes hin: „Wenn ein Täter durch Alkohol oder andere Rauschmittel in seiner Wahrnehmungsfähigkeit beeinträchtigt war, obliegen dem Tatgericht besondere Begründungsanforderungen, wenn es das Wissenselement des bedingten Vorsatzes aus der objektiven Gefährlichkeit seiner Handlung herleiten will“; bereits BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 26. 250 In diesem Fall trat der zur Tatzeit erheblich alkoholisierte Täter mit seinen Füßen auf das Opfer ein und schlug es mehrfach mit einem Glas- und einem Porzellanaschenbecher auf den Kopf. Aufgrund dieser sich über 1 / 2 Stunde hinziehenden Misshandlungen verstarb das Tatopfer. 251 So kritisiert Trück, NStZ 2005, 233, 237, obwohl eine Doppelverwertung bei diesem Fall nicht wirklich vorliegt. 252 Seit BGHSt. 49, 239 könnte der Zweifel der Doppelverwertung erheblich reduziert werden, indem der BGH bei nach vorwerfbarer Alkoholisierung begangenen Gewaltdelikten 248 249

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tens bestätigt der BGH noch einmal, dass für ihn der Vorsatz und die Unkenntnis nur psychische Phänomene sind. Aber trotz der Wiederholung ist die Rechtsprechung nicht konsequent, da es in ihrer Bewertung der Kausalverlaufsabweichung nicht nur auf den psychischen Zustand des Täters, sondern auch auf die Wesentlichkeit der Abweichung ankommt.253 Dem Kriterium der Wesentlichkeit entsprechend muss der BGH noch überprüfen, ob die Abweichungen noch innerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung liegen, und ob sie keine andere Bewertung der Tat rechtfertigen. Dementgegen behandelte der BGH in NStZ 2005, 92254 den alkoholisierten Täter erst vor kurzem wie einen nicht alkoholisierten und hat wegen der hohen Wahrscheinlichkeit des tödlichen Ausgangs das Vertrauen auf ein Ausbleiben eines solchen verneint, ohne zu hinterfragen, ob die Erkennensfähigkeit des Täters gemindert war oder nicht. In NStZ 2005, 384 bestätigte der BGH, dass im Fall einer offensichtlich lebensgefährlichen Handlungsweise die Alkoholisierung nicht ausreiche, um einen bedingten Tötungsvorsatz pauschal abzulehnen. Aufgrund der Widersprüche in der Rechtsprechung bleibt es unklar, wie und wann die von der Alkoholisierung herabgesetzte Einsichtsfähigkeit eine Rolle bei der Zurechnung zum Vorsatz spielt. Der Rechtsanwender ist orientierungslos. Insgesamt bestätigt sich erneut, dass psychologische Fakten und der psychische Zustand kein tauglicher Maßstab für die subjektive Zurechnung sind.

2. Die Problematik der Tatsachenblindheit Eine typische Konstellation der verschuldeten Unkenntnis ist die Tatsachenblindheit255. Sie hat die folgenden Besonderheiten: Zum einen ist der Erfolgseintritt wegen der Handlung des Täters nicht unwahrscheinlich. Zum anderen hat der Täter aus Desinteresse seine Erkenntnisfähigkeit vermindert. Nach der Ansicht von Mezger256 sollten die Behandlung der Tatsachenblindheit und die der Rechtsblindheit gleichgestellt und als vorsätzliche Tat bestraft werden, da der Täter in beiden eine Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 I StGB ausscheidet, wenn sich angesichts der persönlichen oder situativen Verhältnisse des Einzelfalls in Zusammenhang mit der Alkoholisierung das Risiko der Begehung von Straftaten vorhersehbar signifikant erhöht hat. 253 Vgl. BGHSt. 7, 325, 329; 23, 133, 135. 254 Der Täter, der sich durch seine Nachbarin und drei weitere Frauen in seiner Nachtruhe gestört fühlte und diese vertreiben wollte, gab mit einem halbautomatischen Selbstladegewehr Kaliber 22 aus der Hüfte heraus in schneller Folge sechs Schüsse auf die rund 27 Meter entfernten Frauen ab. Eine der Frauen wurde durch einen Geschosssplitter von einem Querschläger am rechten Oberschenkel verletzt; eine Frau erlitt einen Durchschuss am rechten Fuß. 255 Zur Bezeichnung „Tatsachenblindheit“ schon Mezger, Kohlrausch-FS, S. 180, 184. 256 Mezger, Kohlrausch-FS, S. 180, 184; ders., Moderne Wege, S. 45 f. Ähnlich Hall, Mezger-FS, S. 229, 245; ders., Fahrlässigkeit im Vorsatz, S. 62. Kritisch gegenüber der Ansicht von Hall Lang-Hinrichsen, ZStW 73 (1961) 210, 233.

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Fällen dieselbe Grundeinstellung hat. Zur Tatsachenblindheit gibt es umfangreiche Diskussion sowie Lehren, die für die Irrtumsproblematik sehr hilfreich sind. Ein Problem wird besonders vertieft behandelt, nämlich ob der Täter wegen der verschuldeten Unkenntnis entlasten werden kann oder nicht. Die Tatsachenblindheit ist für die Frage des Doppelindividualisierungsirrtums wichtig, weil ein gemeinsames Problem erörtert wird, nämlich unter welchen Bedingungen dem „unwissenden“ Täter zum Vorsatz zugerechnet werden muss. Deswegen muss die vorliegende Arbeit dieses Thema untersuchen. a) Die Diskussion über die Tatsachenblindheit Ein von Jakobs257 genanntes Beispiel beschreibt einen Terroristen, der mit seinem Kraftfahrzeug durch eine Straßensperre der Polizei bricht, um seinen Verfolgern zu entfliehen. Obwohl der Fliehende die Polizisten, die neben, vor oder hinter der Sperre stehen, gesehen hat, konzentriert er sich allein auf seine Flucht und bedenkt deswegen nicht, ob seine Handlung die Polizisten in Todesgefahr bringt. Der Täter verarbeitet seine Wahrnehmung nicht. Er handelt mit sehendem Auge „blind“, weswegen dies eine „gerichtete Fahrlässigkeit“258 ist. Jakobs nimmt bei dieser Konstellation Vorsatz an, denn die Unkenntnis folge aus der Gleichgültigkeit, also aus einem Willensfehler. Das Desinteresse am Wissen belegt die Rechtsuntreue des Täters, weswegen seine Unkenntnis nicht entlastend wirken könne.259 Zielinski stimmt dem zu: „Daß Vorsatzunrecht im Vergleich zum Fahrlässigkeitsunrecht bzgl. desselben Handlungsobjekts generell den schweren Schuldvorwurf indiziert, läßt sich angesichts des Phänomens von Tatsachenblindheit füglich bezweifeln“260. Im Ergebnis nimmt Zielinski261 hinsichtlich des Wortlauts von § 16 Abs. 1 StGB jedoch an, dass die Tatsachenblindheit nur einen Fahrlässigkeitsvorwurf begründen könne. Das gleiche Ergebnis findet sich in der überwiegenden Lehre262, nach der der Eventualvorsatz voraussetzt, dass der Täter die Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung vorhergesehen hat. Deswegen kommt die h. M. beim Problem der Tatsachenblindheit zwangsläufig zur Fahrlässigkeitslösung. Puppe bewertet das oben genannte Beispiel anders als Jakobs: „Denn hier kennt der Täter alle Einzeltatsachen, die Vorsatzgefahr begründen, er zieht nur daraus Jakobs, Das Schuldprinzip, S. 20. Jakobs, ZStW 101 (1989), 516, 529. 259 Jakobs, Das Schuldprinzip, S. 19 ff.; ders., ZStW 114 (2002), 584 ff.; zustimmend Lesch, JA 1996, 346; Pawlik, Person, Subjekt und Bürger, S. 85 f.; Müssig, Mord und Totschlag, S. 182; Voßgätter, Die soziale Handlungslehre, S. 186; Heuchemer, Erlaubnistatbestandsirrtum, S. 264. 260 Zielinski, AK § 15, 16 Rn. 11 (Hervorhebung original). 261 Zielinski, AK § 15, 16 Rn. 19. 262 S / S / Cramer / Sternberg-Lieben, Strafgesetzbuch27, § 16 Rn. 73; Schroth, Vorsatz und Irrtum, S. 11; zu ihm kritisch Jakobs, GA 1999, 382. 257 258

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nicht den sich aufdrängenden Schluß“263. Aufgrund ihrer Theorie der Vorsatzgefahr sollte die Situation eigentlich als Vorsatztat beurteilt werden. Sie hat selbst ein Beispiel genannt, in dem ein Jäger „durch schwere Gedanken oder durch ein plötzliches Ereignis abgelenkt“ ist und deswegen nicht das Signal von seinem Jagdgenossen bemerkt. Der Jäger schießt auf einen sich bewegenden Busch, in dem sich ein nach seiner Brille suchender Jagdgenosse befindet, welcher aufgrund der Schussverletzung stirbt. Puppe weist darauf hin, dass das Beispiel nach Meinung von Jakobs als Vorsatztat angesehen werden müsste, da der Jäger das Signal hätte hören und wissen müssen, dass sich im Busch ein Jäger befand. Obwohl der Schuss auf einen sich bewegenden Busch eine Vorsatzgefahr darstelle, hält Puppe dieses Ergebnis, das ihrer Auffassung gemäß aus Jakobs Theorie folgt, für unangebracht, ohne eine weitere Begründung hierfür zu geben. Puppe sagt im Gegensatz zu Jakobs, dass wir Situationen dulden, in denen der Täter wegen der auf Gleichgültigkeit basierenden Unkenntnis nur wegen Fahrlässigkeit bestraft wird, obwohl die Kenntnis sich ihm „geradezu aufdrängte“264. Dem von Puppe genannten Beispiel fehlt jedoch das von Jakobs angenommene Kernelement, nämlich die Gleichgültigkeit oder das Desinteresse. Deshalb sind beide Sachverhaltstypen in der Tat kaum vergleichbar. Dieser Jäger-Fall soll nach Auffassung von Jakobs wegen Fahrlässigkeit bestraft werden. Die Kritik von Puppe ist also nicht zutreffend, weil es in der Tat in deren o.g. Fall nicht um Gleichgültigkeit geht, sondern um Rechtspflicht. Schünemann265 geht von seiner Lehre des typologischen Vorsatzbegriffes aus, der aus zwei Elementen bestehe; Tatherrschaft und rechtsgüterfeindlicher Gesinnung. Nach seiner Lehre stehen die beiden Elemente in einem Kompensationsverhältnis. Das heißt, sie können sich gegenseitig ergänzen. Besitze ein Täter bei der Konstellation der Tatsachenblindheit die Kenntnis der Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung nicht, dann fehle es ihm an der Mindestvoraussetzung der Tatherrschaft. Nach Ansicht von Schünemann muss deswegen auch der Vorsatz entfallen, da das Kompensationsverhältnis nicht ohne eines der beiden Elemente bestehen kann. Von der Methodenlehre ausgehend ist die Auffassung Schünemanns fraglich, sofern der Vorsatz ein typologischer Begriff wäre. Wie Leenen266 richtig ausgeführt hat: „In keinem Falle wird der Typus durch unverzichtbare Merkmale gebildet“. Der Typus besitzt vielmehr die Eigenschaft der Offenheit. Diese bezeichnet die Abstufbarkeit267 innerhalb eines Typus: Der Typus ist in mehr oder minder starker Puppe, ZStW 103 (1991), 1, 37 f.; auch dies., NK, § 15 Rn. 7. Puppe, ZStW 103 (1991), 1, 38. 265 Schünemann, Chengchi Law Review Volume 50, S. 259, 270 f.; ders., Hirsch-FS, S. 363, 372 f. Ähnliche Begründung mit Tatherrschaftmangel: Schneider, Kritik des strafrechtlichen Funktionalismus, S. 120. 266 Leenen, Typus und Rechtfindung, S. 53. 267 Leenen, Typus und Rechtfindung, S. 40. 263 264

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Ausprägung darzustellen, weswegen es immer denkbar ist, dass einzelne Merkmale fehlen können.268 Die Ansicht Schünemanns ist außerdem auch fragwürdig, weil es bei der Struktur der Zurechnung nie einseitig auf die ontologische Tatsache ankommen kann. Der Vorsatz und die Fahrlässigkeit unterscheiden sich nicht durch den Grad der Kontrolle, sondern durch die Vorwerfbarkeit des Unrechtstypus. Ein bewusst fahrlässiger Täter kann die Tatentwicklung nicht unbedingt weniger kontrollieren als ein Täter mit dolus eventualis. Wenn man starr von diesem Zeitpunkt des Defektzustands ausgeht und an einem ontologischen Tatherrschaftsbegriff festhält, geht die eigentliche Struktur der Zurechnung verloren. Nach Sancinetti269 sei der Täter ,sehend‘, da er unzweifelhaft wisse, dass ein Polizeibeamter vor oder hinter der Sperre steht und er trotzdem mit einem Kraftwerkzeug in schneller Fahrt auf die Sperre zusteuert. Sancinetti nimmt an, dass das Bewusstsein der gesehenen Tatsache bereits für die Voraussetzungen des Tötungsvorsatzes genüge. Diese Auffassung bedenkt zwei Dinge nicht. Erstens den möglichen Tod und zweitens die Motivationseite der behaupteten Tötungshandlung. Nach dieser Ansicht liegt ein Tötungsvorsatz vor, wenn der Fahrende ein gefährliches Manöver vollführt. Aber dieses Ergebnis von Sancinetti wird nicht ausreichend begründet, da es noch unklar bleibt, ob es sich nur um einen Gefährdungsvorsatz handelt. Eine Konstellation wird erst dann von Sancinetti als Tatsachenblindheit bezeichnet, wenn der Fahrer im Beispiel sich gerade umdreht, aus Angst unachtsam ist oder ähnliches. In solchen Situationen gibt es laut Sancinetti nur die Möglichkeit, wegen Fahrlässigkeit oder Gefährdungsvorsatz zu bestrafen, weil der Täter den Erfolg nicht sieht.270 Bei dieser Auffassung steht der Vorsatzbegriff im umgangssprachlichen Sinne im Vordergrund, wobei es auf den psychischen Zustand ankommt. Der Grund für die Unkenntnis wird erst auf der Ebene der Schuld überprüft. Diese Trennung verfehlt aber die richtige Interpretation einer Handlung. Für Köhler, der von der Freiheit der Selbstgesetzgebung als Legitimationsparadigma ausgeht271, trägt der Vorsatz „als frei-normbezogenes Handeln selbst den Zurechnungsgrund“272. Die Konstellation der Tatsachenblindheit habe Schwierigkeiten zuerst mit der Unterscheidung zwischen dem Gefährdungs- und dem Verletzungsvorsatz, und dann mit „der konstitutiven Stelle des Vorsatzes“, denn für das handelnde Subjekt werde kein konkreter Entscheidungszusammenhang bewiesen. Larenz, Methodenlehre, S. 468. Sancinetti, Subjektive Unrechtsbegründung, S. 263. 270 Sancinetti, Subjektive Unrechtsbegründung, S. 270. 271 Zu einer zusammenfassenden Ausführung dieser Position siehe, Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug, S. 15 ff. 272 Köhler, Hirsch-FS, S. 65, 72. Kritisch Jakobs, Strafrecht AT2 8 / 5a Fn. 9. 268 269

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Köhler273 versteht den Vorsatz zutreffend nicht als sog. wertfreien psychologischen Sachverhalt. Aber die oben genannte Lösung ist noch starr an den Bewusstseinszustand gekoppelt. Das Problem der Tatsachenblindheit bestehe vielmehr darin, ob die Gleichgültigkeit eine „unmittelbare Negation des konkreten Allgemeinwillens“ darstellen könne. Zur Beantwortung dieser Kernfrage wird von dem hier vertretenen Ansatz im Folgenden eine Unterscheidung von konkreter und abstrakter Kenntnis vorgenommen.

b) Essenz der Tatsachenblindheit Die Tatsachenblindheit ist nichts anderes als der Fall, bei dem der Täter sich selbst in einen Defektzustand versetzt, weil strukturell beide einen Anlass für die Entlastung darstellen, der vom Täter herbeigeführt worden ist. Zum Zeitpunkt des Defektzustands ist es deswegen unangebracht, die subjektive Seite des Täters zu bewerten.274 Im Gegenteil muss man zuerst vom Kontext des Tathandlungsverlaufs ausgehen. Eine Kernfrage beim Ausschluss des Vorsatzes im Strafrecht ist, ob eine Handlung den Tatwillen manifestiert. Der Ausschluss des Vorsatzes ist folglich fraglich, wenn der Täter sich wegen seiner Rechtsfeindlichkeit in Unwissenheit befindet. Dies können wir durch die Beziehung zwischen Wollen und Wissen erfassen: Ein Täter unternimmt eine Handlung, bedenkt aber nicht, was durch diese zur Tatzeit verursacht werden kann. Wegen seiner Gleichgültigkeit ist der Täter nicht motiviert, konkrete Kenntnis zu erhalten. Um bei dieser Konstellation den Tatwillen festzustellen, muss man fragen, wie sich die Handlung nach der abstrakten Kenntnis des Täters darstellt. Es besteht lediglich das Problem, wie man den Inhalt der Rechtsfeindlichkeit des Täters feststellen kann. Um zu ermitteln, welche konkrete Kenntnis vom Täter unterdrückt wird, müssen wir vorher feststellen, welcher potenzielle Erfolg der Handlung immanent und ob dieser für den Täter vorhersehbar ist. Dazu blicken wir zunächst auf den Gefährdungsvorsatz, der sich nur auf die Gefahrenlage bezieht.275 Wir können aus der Ratio der Gefährdungsdeliktsbestrafung entnehmen, welcher Erfolg dadurch vermieden werden sollte, z. B. bei § 315b StGB die Verletzung des Leibes oder des Lebens einer anderen Person oder fremder Sachen von bedeutendem Wert. Im Fall einer Polizeifluchtfahrt versucht der Täter, sich durch einen gefährlichen verkehrsfeindlichen Angriff der polizeilichen Kontrolle zu entziehen, indem er auf einen ihn anhalten wollenden Polizisten zufährt oder mit risikoreicher Fahrweise den Ort verlässt. Der BGH nahm früher an, dass das Vorliegen eines TötungsvorKöhler, Die bewußte Fahrlässigkeit, S. 273. Zum Defektzustand und Vorsatz vgl. González-Rivero, Strafrechtliche Zurechnung bei Defektzuständen, S. 173 f.; zur Normativierung des Vorsatzes vgl. Lesch, JA 1997, 802, 803. 275 Vgl. BGHSt. 22, 67, 74. 273 274

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satzes denkbar ist, wenn der Täter sich im Zustand starker Erregung befindet.276 Danach ist die Meinung des BGH wegen der sog. Hemmschwellentheorie zurückhaltender gewesen.277 Aber der Vorsatz der Körperverletzung oder Sachbeschädigung könne noch bejaht werden, unabhängig davon, ob der Täter das Geschehen richtig durchdacht und die Möglichkeit der Körperverletzung oder der Sachbeschädigung einkalkuliert habe. Die Rechtsprechung ist überzeugt, dass die verkehrsfeindliche Einstellung an den Beschädigungsvorsatz anknüpfe.278 Die Annahme des BGH kann jedoch besser so begründet werden: Die Beschädigung durch eine solche Handlung wird regelmäßig passieren, wohingegen eine Tötungsfolge nur zufällig wäre. Ein Gefährdungsvorsatz hängt also mit einem Verletzungsvorsatz in dieser Art zusammen. Dabei wird der Verletzungsvorsatz zutreffend durch den Gefährdungsvorsatz erklärt. Das bedeutet nicht schon, dass der Unterschied zwischen dem Gefährdungs- und dem Verletzungsvorsatz ignoriert wird, vielmehr wird hier die enge Beziehung zwischen beiden deutlich.279 Eine modifizierte Konstellation ist der Fall des Täters, der ein Gebäude in Brand setzt, in welchem zahlreiche Menschen versammelt sind, indem er den einzigen Ausgang mit mehreren Flaschen Benzin heimlich anzündet. Eine Todesfolge wird regelmäßig durch diese gefährliche Brandstiftung geschehen. In diesem Fall genügt es für die Erfolgszurechnung zum Vorsatz, wenn der Täter willentlich und wissentlich Feuer an das Gebäude legt. Die Bestrafung aus Qualifikationsvorschriften, z. B. Lebensgefahr im Sinne von § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB oder der Tod des Opfers im Sinne von § 306c StGB, tritt insofern als subsidiär zurück, wenn erkennbar ist, dass die Handlung einen Willen gegen das Tötungsverbot darstellt.280 Die Bewertung als Tötungsvorsatz ist somit zutreffend. Gleiches gilt für die Beurteilung der Situation, bei der ein Täter mit seinem LKW mit Vollgas direkt in die Polizeisperre, hinter der mehrere Polizisten stehen, fährt, um erfolgreich zu fliehen. Die subjektive Zurechnung kann sich nicht auf den Gefährdungsvorsatz und seine Qualifikation beschränken.281 Die Antwort sollte nach der oben genannten Konzeption differenziert werden: Wenn die nicht bedachte Weiterung gemäß der abstrakten Kenntnis notwendig BGH VRS 43, 34. BGH NZV 2000, 88. 278 BGHSt. 48, 233, 237; krit. Anm. Seier / Hillebrand, NZV 2003, 490; skeptisch König, NStZ 2004, 175, 178. 279 In seiner Untersuchung führt Kindhäuser die eigenständige Bestrafungsratio der Gefährdungsdelikte gegenüber den Verletzungsdelikten aus. Ihr Legitimationsgrund bestehe darin, dass die konkrete und abstrakte Gefährdung „als Verhaltensfolge mit spezifischer Schädlichkeit gedeutet werden“, Gefährdung als Straftat, S. 20. Diese strafwürdige Schädlichkeit wird durch oben genannte Erklärung bestätigt. 280 Vgl. BGHSt. 26, 175, 175; Rengier, Erfolgsqualifizierte Delikte, S. 98 ff. Die herrschende Lehre nimmt hier Idealkonkurrenz an, Jakobs, Strafrecht AT2 9 / 31; Maurach / Schroeder / Maiwald, Strafrecht BT II8, 51 / 33; H. Wolff, LK11, § 307 Rn. 5. 281 So aber Köhler, Hirsch-FS, S. 65, 78. 276 277

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oder regelmäßig wegen der Handlung herbeigeführt wird, ist der Erfolg zum Vorsatz zuzurechnen, anderenfalls liegt nur ein Fahrlässigkeitsdelikt vor. Mit der hier gegebenen Erklärung kommt man auch über die unnötigen Missverständnisse hinweg, zu denen die oben genannten Autoren (Puppe, Köhler u. a.) gelangen. In Fällen von Tatsachenblindheit lehnt der Täter es ab, von seiner Handlung auf die regelmäßigen Weiterungen zu schließen, welche ein Rechtssubjekt pflichtgemäß vermeiden sollte. Der Täter bezieht den tatbestandlichen Erfolg nicht in seine Überlegungen mit ein, aber die Umstände der Handlung sind dem Täter konkret bekannt. Für die Zurechnung kommt es deswegen nicht auf den „unbekannten“ Erfolg an, sondern auf das in der Handlung immanente Risiko, das aus der abstrakten Kenntnis mittels der gekannten Umstände abgeleitet werden kann. Der Täter darf nicht durch seine individuelle Deutung das offensichtliche Risiko verneinen282; und wenn er es doch tut, kommt es eben auf seine persönliche Wertungen nicht an. Eine dem Fall der Tatsachenblindheit nahe liegende Rechtsfigur ist das erfolgsqualifizierte Delikt: Der Täter hat dem Opfer mit einem Messer einen tödlichen Stich versetzt, hält aber daran fest, dass er lediglich mit Körperverletzungsabsicht handelte. Hier geht es um die Frage, ob die Rechtsfigur im geltenden Recht, nämlich das erfolgsqualifizierte Delikt, eine Lösung für diese Diskrepanz zwischen Körperverletzungsvorsatz und Todesfolge leisten kann. Wenn man auf den Meinungsstand z. B. bei § 227 StGB blickt, dann regt sich Widerspruch. Es gibt nicht nur einen heftigen Streit zwischen Rechtsprechung und Literatur, sondern die gesamte Dogmatik befindet sich in einem großen Dilemma: Je enger wir den Zusammenhang zwischen Körperverletzung und Todesfolge verlangen, um das Gebot des Schuldprinzips und den Wortlaut des § 18 StGB zu beachten, desto deutlicher taucht der Zweifel auf, ob diese Rechtsfigur, das erfolgsqualifizierte Delikt, überhaupt noch notwendig ist. Denn solch strenge Anforderungen unterscheiden sich kaum noch von denen zur Überprüfung einer Vorsatztat. Diese Kontroverse kann durch die in Folgenden dargestellte Unterscheidung zwischen der abstrakten und konkreten Kenntnis gelöst werden. Um die Beziehung zwischen Körperverletzung und Todesfolge zu lockern, hat der BGH einen anderen Weg gewählt. Nach seiner Auffassung ist der Gefahrenzusammenhang durch die Betrachtung der Körperverletzungshandlung festzustellen, also ob die lebensbedrohliche Gefahr der Handlung des Grunddelikts immanent ist oder nicht.283 Diese Lehre ist jedoch teils widersprüchlich und ihre Anwendung bedenklich.284 Ein erfolgsqualifizierter Versuch wird auch dann bejaht, 282 Z. B. ist Köhler ebenso für die Bewertung des Tatverlaufsirrtums. Er spricht von „unwesentlicher Abweichung“ beim verbotenen Verlauf, „denn der konkret verbotswidrige Verlauf schließt objektiv und subjektiv diese Zufallsvarianten mit ein“, Strafrecht AT, S. 153. 283 BGHSt. 14, 110; 31, 96, 99; NStZ 97, 341; NStZ-RR 98, 171. Kritisch Geilen, WelzelFS, S. 655 ff.; Jakobs, Strafrecht AT2, 9 / 35; Roxin, Strafrecht AT I4, 10 / 116; Puppe, Strafrecht AT I, 10 / 20 ff.

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wenn das Opfer aus Panik selbst den Tod verursacht285; sogar dann wenn das Opfer wegen der Handlung von Dritten zu Tode kommt286. Das Erfordernis der Unmittelbarkeit ist von der ausdehnenden Rechtsprechung so verändert worden, dass es kaum noch etwas anderes als die Überprüfung der objektiven Zurechnung ist, obwohl die h. M. und der BGH dieses Ergebnis eigentlich nicht wollten.287 Es ist denkbar, dass die Verursachung des schweren Erfolgs durch das Grunddelikt nicht nur möglich288, sondern auch regelmäßig ist. Hat beispielsweise ein Täter das Opfer in einem leeren Zimmer zehn Tage lang eingesperrt, ohne ihm Wasser und Essen zu geben, ist der Tod des Opfers nach abstrakter Kenntnis gedanklich fast notwendig. Dieser Erfolg soll dem Täter zum Vorsatz zugerechnet werden, wenn er die langfristige Freiheitsberaubung vorsätzlich begeht. Es ist bei der Beurteilung des Tötungsvorsatzes unwesentlich, ob der Täter bei seiner Handlung den Toderfolg nicht für möglich hält oder die Möglichkeit einfach gar nicht erwägt. Weil der Täter abstrakte Kenntnis hat – auch wenn er keine konkrete Kenntnis besitzt –, liegt mehr als nur ein erfolgsqualifiziertes Delikt nach § 239 Abs. 4 StGB vor, nämlich eine vorsätzliche Tötung.

c) Die überlieferte Lösung zum Irrtumsproblem – dolus indirectus Zur Diskussion ist eine überlieferte Lösung bemerkenswert, nämlich die Lehre vom dolus indirectus.289 Bei dolus indirectus geht es um die Konstellation, in welcher der Täter einen anderen offensichtlich misshandelt und die Weiterungen nicht in seine Überlegungen miteinbezieht, 7z. B. indem er in einer Weise den Körper des Opfers verletzt, die geeignet ist, eine ernsthafte Lebensgefahr hervorzurufen, und das Opfer später dadurch ums Leben gekommen ist. Auf den ersten Blick ist die Situation dem erfolgsqualifizierten Delikt sehr ähnlich. Es gibt aber einen Unterschied: Beim dolus indirectus ist das Risiko der Weiterungen äußerst hoch. Eingehend Paeffgen, JZ 1989, 220 ff.; Kühl, BGH-FG, S. 237 ff. BGH NJW 2003, 150 = BGHSt. 48, 34. Wegen der durch Verfolgung des Täters herbeigeführten Todesangst versucht das Opfer in ein Mehrfamilienhaus zu fliehen, indem es die untere Glasscheibe der Tür eintritt, an den im Türrahmen verbliebenen Glasresten verletzt es sich an der Schlagader und verblutet. 286 BGH JR 1992, 510. 287 Zur Mindermeinung, die das Erfordernis der Unmittelbarkeit und die Überprüfung der objektiven Zurechnung gleichstellen, siehe Rengier, Erfolgsqualifizierte Delikte, S. 319; Ferschl, Das Problem des unmittelbaren Zusammenhangs, S. 89. 288 Diese schlichte Möglichkeit hängt mit der Fahrlässigkeit zusammen. Dazu führt Maiwald aus: „Die Verfolgung rechtswidriger Zweck – z. B bei Raub, Notzucht, Geiselnahme, Luftpiraterie – läßt jedes vorhersehbare Risiko für das Opfer als die in der Begründung genannte ,frivole Rücksichtslosigkeit‘ erscheinen, durch welche die Leichtfertigkeit charakterisiert wird“, GA 1974, 257, 269; vgl. Roxin, Strafrecht AT I4, 24 / 89. 289 Zu den historischen Ausführungen zu diesem Gedanken Klee, dolus indirectus, S. 1 ff., 14 ff. 284 285

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Um diese besondere Art des Irrtums zu behandeln, wurde diese Lehre vor längerer Zeit entwickelt. Durch sie wird erklärt, ob eine Diskrepanz zwischen vorgestelltem und tatsächlichem Kausalverlauf rechtlich beachtlich ist, wenn die vom Täter gewählte Handlung grundsätzlich zum Erfolg führen kann. Deshalb muss im Rahmen des hier behandelten Irrtumsproblems nachfolgend auch die Lehre vom dolus indirectus untersucht werden. aa) Historische Rückschau Covarruvias290, ein spanischer Rechtswissenschaftler des 16. Jahrhunderts, war überzeugt, dass ein Delikt immer voluntarium ist. Deswegen beschäftigte er sich mit dem Problem, wie man beweisen kann, dass nicht nur dolus, sondern auch culpa Willensschuld ist. Er verfolgte den Gedankengang von Thomas von Aquin und entwickelte daraus die Theorie von voluntas directa und voluntas indirecta.291 Ein Täter wurde von ihm als mit voluntas directa handelnd bezeichnet, wenn er eben mit Absicht nach dem gesetzwidrigen Erfolg strebt. Der Wille sei „directe et per se“ auf den Erfolg gerichtet. Nach Auffassung von Covarruvias kann man neben voluntas directa noch eine weitere Konstellation als homicidium voluntarium ansehen, nämlich z. B. einen Täter, der nur auf Verwundung abgezielt hatte, aber durch dessen schweren Schlag das Opfer gestorben ist. Der Handelnde hat die Tat zwar nicht auf den Tod des Opfers ausgerichtet, aber der Tod folgt unmittelbar aus seiner Handlung. Der Wille wird nicht durch den Tatplan beurteilt, sondern durch die potenziell verletzenden Eigenschaften der Handlung. Mit anderen Worten sind die Weiterungen auch vom Willen gedeckt, wenn sie sich aus der Handlung ergebende, natürliche Folgen sind. Das Merkmal der Unmittelbarkeit erschließt sich aus der gesamten Konstellation, nämlich der Beschaffenheit der gebrauchten Werkzeuge und deren Anwendungsweise. Deswegen könnte eine beabsichtigte Verwundung auch als homicidium voluntarium charakterisiert werden, wenn durch einen schweren Schlag unmittelbar der Tod herbeigeführt wird.292 Der Willen dieser Art wird auch als „indirecte et per accidens“ bezeichnet, denn er richtet sich nicht eigentlich auf den Tod des Opfers, der aber dennoch nicht zufällig ist.293 Dolus und culpa werden von dem Oberbegriff der „Willensschuld“ erfasst, ein Zufall hingegen wird ausgeschlossen. Wie Schaffstein294 zutreffend geschrieben hat, versucht diese Lehre die Vereinbarkeit mit dem Grundsatz herzustellen, dass nur der gewollte Erfolg zurechenbar Engelmann, Die Schuldlehre der Postglossatoren, S. 110. Engelmann, Die Schuldlehre der Postglossatoren, S. 108; Schaffstein, Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, S. 110. 292 Engelmann, Die Schuldlehre der Postglossatoren, S. 108. 293 Engelmann, Die Schuldlehre der Postglossatoren, S. 108 f.; Lesch, Der Verbrechensbegriff, S. 61 Fn. 135. 294 Schaffstein, Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, S. 111. 290 291

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ist. Dabei ist von Covarruvias nicht gemeint, dass dolus und der indirekte Wille identisch seien. Engelmann295 kommt zu dem Ergebnis, dass Covarruvias die culpa als Vorsatz konstruiert, weil er nicht mehr von dem traditionellen Unterschied zwischen dolus und culpa spricht. Aber wie Engelmann selbst gezeigt hat, nennt Covarruvias voluntas indirecta nicht dolus oder „dolus imperfectus“, vielmehr unterscheidet er deutlich voluntas directa und voluntas indirecta, wobei letztere nach ihm nur milder zu strafen ist.296 Carpzov versteht den dolus als aus zwei Untergruppen bestehend, nämlich dolus directus und dolus indirectus. Der dolus directus beziehe sich auf den Erfolg, den der Täter willentlich beabsichtigt. Beim dolus indirectus dagegen handele es sich um die Handlung und ihre Weiterungen. Habe ein Täter den Willen, eine Handlung zu vollenden, so habe der Täter auch einen indirekten Willen bezüglich der Weiterungen, die als typischer Erfolg der Handlung des Täters anzusehen sind. Carpzov hat mit der Lehre vom dolus indirectus von Covarruvias hauptsächlich zu erklären versucht, dass eine Tötungsabsicht nicht immer notwendig ist. Ein Täter, der mit dem Schwert zustößt und die Verwundung des Opfers will, könnte demnach wegen vorsätzlicher Tötung bestraft werden, da er weiß oder zumindest „wissen müsste“, dass ein Schwertstoß zur Tötung besonders geeignet ist.297 Hier hat der Täter durch den Geschehensablauf indirekt seinen Willen ausgeführt.298 Carpzov zieht folgenden Schluss299: Der Täter handelt vorsätzlich, wenn er mit „schlechter Absicht“ die Tötung vollzieht, oder er den anderen schwer verletzt, woraus danach der Tod notwendig folgt.300 Es liegt nahe, dass die Konstellation eine andere ist, wenn im Kausalverlauf ein Element des Zufalls (accidens) vorliegt; dann soll dem Täter die durch den Zufall verursachte Folge nicht zugerechnet werden. Carpzov betont, dass dieser Grundsatz nicht nur für die zufälligen Folgen, die aufgrund des guten Willens eingetreten sind, sondern auch für diejenigen, die aufgrund des bösen eintreten, gelte301; deswegen geht es bei der Theorie von dolus indirectus bei Carpzov nicht um versari in re illicita302, sondern darum, ob ein Engelmann, Die Schuldlehre der Postglossatoren, S. 110. Engelmann, Die Schuldlehre der Postglossatoren, S. 110; Schaffstein, Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, S. 111. 297 Carpzov, Practicae novae imperialis saxonicae rerum criminalium pars I, Qu. 1. Nr. 28; Übersetzung siehe auch, Puppe, ZStW 103 (1991), 1, 25 Fn. 64. 298 Carpzov, Practicae novae imperialis saxonicae rerum criminalium pars I, Qu. 1. Nr. 31. 299 Carpzov, Practicae novae imperialis saxonicae rerum criminalium pars I, Qu. 1. Nr. 53. 300 Eine positivrechtliche Umsetzung dieses Gedankens vom dolus indirectus sei § 806 II 20 ALR: „Wer in der feindseligen Absicht, einen Andern zu beschädigen, solche Handlungen unternimmt, woraus, nach dem gewöhnlichen allgemein, oder ihm besonders bekannten Laufe der Dinge, der Tod desselben erfolgen mußte, und ihn dadurch wirklich tötet; der hat als Todtschläger die Strafe des Schwerdts verwirkt“. Zit. nach Buschmann, Textbuch, S. 362. 301 Carpzov, Practicae novae imperialis saxonicae rerum criminalium pars I, Qu. 1. Nr. 63. 302 Jakobs, ZStW 114 (2002), 584, 590; Puppe, ZStW 103 (1991), 1, 26; dies., NK2, § 15 Rn. 16; vgl. Grossmann, Die Grenze von Vorsatz und Fahrlässigkeit, S. 37; v. Bar, ZStW 18 295 296

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Täter für einen unbedachten Erfolg wegen Vorsatz bestraft werden kann, wenn dieser Erfolg eine typische Wirkung der Handlung des Täters ist, und er das wissen könnte303. Böhmer geht davon aus, dass der Wille im Strafrecht die Grundlage der Schuld ist. Es gebe nur den Unterschied, dass der Wille entweder direkt oder indirekt (Fahrlässigkeit bzw. eventuelle Einwilligung) auf den Erfolg strebt.304 Es ist klar, dass Böhmer hier die Theorie von Covarruvias übernommen hat. Auch die Erklärung des Fahrlässigkeitdelikts mit indirektem Willen lässt die Spur von Covarruvias erkennen, unterscheidet sich aber von Carpzov. Im Unterschied zu Carpzov bestimmt Böhmer die Essenz des dolus indirectus dadurch, dass der Täter in den unbeabsichtigen Erfolg eventuell eingewilligt hat.305 Diese eventuelle Einwilligung bestehe darin, dass der Täter den Erfolg vorhergesehen hat. Mit diesem Gedanken ist Böhmer in der Literatur306 der Begründer der Lehre vom dolus eventualis. Er sieht dolus indirectus und dolus eventualis als vollkommen gleich an. Der Unterschied zwischen dolus indirectus und dolus directus bestehe darin, dass bei ersterem der Täter den Erfolg nur als möglich annimmt, aber beim letzteren für notwendig hält.307 Nach überwiegender Meinung setzt die von Böhmer begründete Erscheinungsform des dolus eventualis voraus, dass der Täter die Nebenfolgen seiner Handlung nicht gezielt angestrebt, aber vorhergesehen und in Kauf genommen hat. Hingegen fordert eine Mindermeinung308 dafür eine ernst genommene Kenntnis des Risikos. Deswegen sei beim dolus eventualis eine intellektuelle Beziehung zur Nebenfolge auf jeden Fall notwendig. Für die Konstellation, bei der der Täter die Weiterung nicht bedacht hat, kann man danach nicht die Rechtsfigur des dolus eventualis heranziehen: Es sei ganz egal, aus welchem Grund der Täter die Folge nicht berücksichtigt, da die Kenntnis der Folge für dolus eventualis auf jeden Fall notwendig sei. Insofern könnte man m. E. sagen, dass die Strafrechtsanwendung gewissermaßen die Orientierung verloren hat, wenn es um die Behandlung von Fragen im Zusammenhang mit rücksichtslosen Tätern geht.

(1898), 534, 553; a.A. Löffler, Die Schuldform, S. 167 f.; Grünhut, Feuerbach und Zurechnung, S. 134; v. Hippel, Deutsches Strafrecht II, S. 300. 303 Vgl. Frank, ZStW 10 (1890), 169, 172; Hemmen, Über den Begriff, die Arten und den Beweis des Dolus, S. 34 f. 304 Löffler, Die Schuldform, S. 172. 305 Löffler, Die Schuldform, S. 172; Sellert / Rüping, Geschichte der deutschen Strafrechtspflege I, S. 252. 306 Löffler, Die Schuldform, S. 172; Schaffstein, Die allgemeinen Lehren, S. 124. 307 Schaffstein, Die allgemeinen Lehren, S. 124. Deswegen ist es zweifelhaft, wenn Puppe an der Stelle, an der sie die Theorie von Böhmer interpretiert, sagt, dass der heutige dolus directus nichts anderes als der alte dolus indirectus sei, ZStW, 103 (1991), 1, 27. 308 Jakobs, Strafrecht AT2, 8 / 23.

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bb) Gleichgültigkeit als dolus indirectus – Jakobs Jakobs entwickelt seinen Ansatz aus einer Kritik am Psychologismus des § 16 StGB. Er entdeckt einige wertvolle Elemente der alten Lehre vom dolus indirectus wieder, um die unbefriedigende Lücke bei der Tatsachenblindheit zu schließen. Er verficht die These, es solle bei dem Problem des Irrtums danach differenziert werden, was der entscheidungsbezügliche Hintergrund der Unkenntnis ist. Nach Jakobs vermittelt der dolus indirectus, also z. B. der Täter, der bei Verwirklichung seiner Körperverletzungsabsicht das Opfer durch einen Schwertstoß tötet, gleichermaßen die Einsicht, dass der Täter durch seine Handlungsweise seine Gleichgültigkeit gegenüber dem fremden Körper manifestiert.309 Die Weiterungen werden von ihm zur Tatzeit ignoriert. Deswegen gehe es beim dolus indirectus „nicht um eine Fortsetzung des versari in re illicita, sondern um den Versuch eines Zugriffs auf die Tatsachengleichgültigkeit“310. Jakobs zeigt auch, dass bei Carpzov die Handelnden als Menschen nicht wegen Unkenntnis entlastet werden können, wenn sie verpflichtet sind, die relevante Kenntnis zu erwerben. Jakobs weist zudem auf die Theorie Hegels hin. Im Gegensatz zu Carpzov seien die Handelnden bei Hegel Subjekte, die Personen mit einem „für sich unendlichen“ Willen sind. Sie als Denkende dürften sich nicht auf Unkenntnis berufen, weil dies widersprüchlich sei, solange sie nicht ihre eigene Konstitution ausgeschöpft haben. Das ist eine freiheitstheoretische Begründung. Jakobs bezieht sich auch auf Hegels Theorie von der Absicht.311 Die Absicht nach Hegel ist „das als notwendig verbundene Absehbare“. Für den Inhalt der subjektiven Seite des Täters komme es deswegen darauf an, was zum „allgemeinen Inhalt“ gehört, also notwendige Folge ist, unabhängig vom aktuellen Täterwissen. Diese alte Theorie vom dolus indirectus wird von Jakobs ins Kommunikative umformuliert: Der gleichgültige Täter erkläre das nicht erfasste Risiko der Tatbestandsverwirklichung als subjektiv entscheidungsunerheblich. „Die Basis der Entscheidung ist nach seinen Kriterien komplett; das nicht Bedachte ist eben gleichgültig“ 312. Und erst diese subjektive Entscheidungsunerheblichkeit sei der Grund für die Höhe der Schuld. Dadurch könne der Unterschied zwischen Kenntnis und Unkenntnis ausglichen werden. Hier besteht ein entscheidender Unterschied zur h. M. Die Anwendung des § 16 Abs. 1 StGB kann nach Ansicht von Jakobs nur dann erfolgen, wenn das objektiv Entscheidungserhebliche für den Täter auch das subjektiv Entscheidungserhebliche ist, denn die Unkenntnis hindere die Kompetenz und „birgt in sich stets die Gefahr einer poena naturalis“313. Der Täter solle hingegen voll bestraft werden, d. h. für 309 310 311 312 313

Jakobs, ZStW 114 (2002), 584, 586. Jakobs, ZStW 114 (2002), 584, 591. Jakobs, ZStW 114 (2002), 584, 592. Jakobs, ZStW 114 (2002), 584, 594. Jakobs, ZStW 114 (2002), 584, 588.

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vorsätzliche Vollendung, wenn er aus Desinteresse oder Rechtsgleichgültigkeit die Tatbestandsverwirklichung nicht vorhersieht. In diesem Fall repräsentiere die Unkenntnis des Täters gerade seine gleichgültige Haltung gegenüber dem Normverstoß. Die Kenntnis bezeichne nur einen Indikator für die Rechtsgleichgültigkeit, d. h. die Kenntnis wird nicht wie noch im Intellektualismus bewertet. Nach der Ursache der Unkenntnis zu fragen bedeute, dass „nicht jede Unkenntnis ein Irrtum“ ist. „Zu beweisen ist nicht Kenntnis, sondern Rechtsgleichgültigkeit“314. Jakobs hatte früher zur Abgrenzungsthese der h. M. nichts anderes angenommen. Entsprechend seiner Theorie der objektiven Zurechnung wird z. B. die aberratio ictus so beschrieben, dass der Täter das Abweichungsrisiko nicht kennt, obwohl ein Dritter sich tatsächlich im Streubereich des Angriffs befindet. Freilich ist das Abweichungsrisiko situativ bedingt. Der Vorsatz wird sei ausgeschlossen, wenn die Abweichung von der gesehenen Gefahr ein Zufall ist.315 Im Anschluss an die oben genannte Historie vom dolus indirectus kommt Jakobs zu dem Problem des Irrtums. Seine These lautet: „Wenn dolus indirectus per se zur Vorsatzhaftung hinreicht, kann er auch einen nicht im objektiven Verlauf verwirklichten dolus directus substituieren“316. Der Täter werde wegen dolus indirectus für vorsätzliche Vollendung bestraft, wenn er aus Gleichgültigkeit die Abweichung bei der aberratio ictus nicht bemerkt. Das gleiche gelte auch bei den anderen Fällen wie der vorzeitigen Vollendung und dem dolus generalis. Bemerkenswert ist, welche Konsequenz sich daraus für die Auslegung des Wortlauts von § 16 StGB ergibt: Jakobs hält deswegen fest, dass die Meinung, die die Unkenntnis aus Entscheidungsunerheblichkeit auch unter § 16 StGB Abs. 1 subsumiert, die objektive Interpretation missachte, weil dadurch inkonsistente Ergebnisse entstünden. Zunächst muss weiter gefragt werden, ob durch das Argument der poena naturalis die Fahrlässigkeit ausreichend deutlich von der Konstellation der Gleichgütigkeit abgegrenzt werden kann. Es ist durchaus möglich, dass der Täter, der aus Desinteresse die möglichen Tatfolgen nicht kennt, selbst durch seine Tat verletzt wird.317 Dem Täter ist es gleichgültig, ob durch seine Handlung ein anderer geschädigt wird. Aber es verhält sich anders, wenn ihm dadurch Schaden zugefügt werden könnte. Für den Täter ist die Tatsache hinsichtlich seines eigenen Interesses dann nicht mehr gleichgültig. Als Beispiel dient der Glasflaschenfall (nach Jakobs318): Nach dem Genuss wirf A eine leere Glasflasche auf den Boden eines Parkplatzes, die zerspringt. Mangels Interesses bedenkt A nicht die Folgen seiner Handlung. Es ist denkbar, dass durch die Scherben die Reifen eines Fahrrades zerJakobs, ZStW 114 (2002), 584, 586. Siehe oben zweiten Teil § 3 II. 2.; sowie § 5 I. 3. b). 316 Jakobs, ZStW 114 (2002), 584, 597. 317 Jakobs nimmt aber an, dass hier dem Handelnden keine poena naturalis droht, „da ein vermeidbarer Erfolg nur in dem selektiven Bereich eintreten kann, dessen Entwicklung dem Täter gerade gleichgültig ist“, Aufgabe der subjektiven Deliktseite, S. 271, 278. 318 Jakobs, Su-FS, S. 43, 53 f. 314 315

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stört und ein Fußgänger verletzt werden könnten oder dass ein laufendes Kind wegen der Scherben stürzt und dadurch im Sinne von § 226 StGB schwer verletzt wird. Es ist auch vorstellbar, dass A sich selbst später bei der Rückkehr verletzt, da er ja niemals an die Scherben gedacht hat. Ein anderes Beispiel (nach Müssig319): Der Betreiber eines Chemiebetriebs gibt die Anordnung, erhebliche Mengen eines aggressiven chemischen Stoffes in einen kleinen Badesee einzuleiten, wobei er alleine an die kostengünstige Abfallentsorgung denkt. Diese Handlung des Betreibers kann bei den Badenden Körperverletzungen verursachen. Der Betreiber könnte sich jedoch auch selber schädigen, indem er verseuchtes Leitungswasser trinkt, das aus dem See stammt. Es erweist sich: Eine gleichgültig vorgenommene Handlung kann unterschiedliche Weiterungen herbeiführen. Es kann sein, dass eine poena naturalis auch auf eine gleichgültige Handlung folgt. Jakobs nimmt in solchen Fällen an, dass den gleichgültig Handelnden nie eine poena naturalis treffen könne, denn „mangels Überraschung kann es auch nicht zu einer poena naturalis kommen“320. Verletzt sich der Täter selbst, so stehe fest, dass dieser Schaden durch einen Irrtum des Handelnden herbeigeführt werde. Nach diesem Ansatz ist es also denkbar, dass die gleichen Tatfolgen bei dem Handelnden und einen anderen Betroffenen ungleich behandelt werden, obwohl sie durch ein und dieselbe Handlung hervorgerufen werden. Die zweite Frage ist, dass die Grenze des Vorsatzes unklar bleibt. In der Literatur ist es unbestritten, dass Vorsatz vorliegt, wenn der wissende Täter gegenüber dem möglichen Erfolg gleichgültig ist. Darin erweist sich schon der Tatwille. Hingegen verhält es sich bei Unkenntnis aus Gleichgültigkeit anders, da die möglichen Weiterungen einer Handlung sehr unterschiedlich sein können. Man würde nicht sagen, dass der unwissende Täter wegen Gleichgültigkeit für alle möglichen sehr unterschiedlichen Weiterungen wegen vorsätzlicher Vollendung bestraft werden könne. Es kann deswegen für den Vorsatz nicht allein auf das Element der Gleichgültigkeit ankommen. Die hier vertretene Ansicht differenziert bei den Konstellationen: Nur wenn sich das durch die Handlung gleichgültig herbeigeführte Risiko nach der abstrakten Kenntnis regelmäßig oder notwendig verwirklicht, liegt Vorsatz vor, denn hier kann man den Tatwillen feststellen, obwohl dem Täter diese Möglichkeit unbekannt ist. Aber wenn die Verwirklichung des Risikos nach der abstrakten Kenntnis nur entfernt möglich ist, nämlich weder regelmäßig noch notwendig, dann liegt nur Fahrlässigkeit vor, weil der Tatwille in dieser Situation nicht feststellbar ist und man deswegen eine Haftung aus versari in re illicita vermeiden muss.321 Müssig, Mord und Totschlag, S. 182. Jakobs, Su-FS, S. 43, 57. 321 Voßgätter schlägt in ihrer Dissertation „Die soziale Handlungslehre“ S. 186 vor, dass die Lösung von Jakobs noch nach dem Grad des Wissens und Wollens differenziert und legitimiert werden sollte. Vgl. Roxin, Strafrecht AT I4, 12 / 97. 319 320

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d) Würdigung und Kritik Der Grund, aus dem der dolus indirectus von Feuerbach und seinen Anhängern abgelehnt wurde, lag auf der Willensseite. Obwohl das voluntative Element des dolus eventualis, das Billigen, mit dem Begriff des Zweckes nicht übereinstimmt, ist der dolus eventualis bis heute anerkannt. Feuerbachs322 Argument ist nicht mehr überzeugend, wenn man den Vorsatz – wie es mit der gegenwärtigen Interpretation des dolus eventualis getan wird – nicht auf einen Zweck beschränkt. Der Grund, aus dem der dolus indirectus heute abgelehnt wird, liegt hauptsächlich auf die Wissensseite. Schon Hegel hat in seiner Philosophie des Rechts ausgeführt, dass dem Handelnden nicht nur das Bekannte zugerechnet werden kann, sondern auch das was von seiner Absicht umfasst wird, soweit es notwendig aus seiner Handlung folgt.323 Dies besagt die Zurechnungslehre. Das Kriterium der subjektiven Zurechnung beschränkt sich keineswegs ausschließlich auf das dem Handelnden Bekannte. Zwar hat Köhler324 insoweit zutreffend bemerkt, dass die Lehre vom dolus indirectus auch von Hegel kritisiert wird.325 Der Schwerpunkt liegt bei Hegel jedoch darin, dass er sich richtigerweise bemüht, den Gedanken versari in re illicita aus der Lehre vom dolus auszuschneiden326, da versari in re illicita nicht nur die notwendigen, sondern auch die zufälligen Folgen der Handlung umfasst. Wenn die Lehre vom dolus indirectus und der Gedanke versari in re illicita getrennt werden, wie Jakobs und Puppe es versucht haben, findet die Lehre vom dolus indirectus insoweit noch Anerkennung durch die Absichtstheorie Hegels. Die Kritik von Köhler, die die ganze Lehre vom dolus indirectus verneint, schüttet jedoch das Kind mit dem Bade aus. In der Tat gelangt Hegel, wie Seelmann zutreffend ausgeführt hat, an das gleiche Ziel wie die Doktrin vom dolus indirectus, nur wählt er einen anderen Weg, „indem er den Einzelnen an seiner allgemeinen Vernunftqualität misst“327. Siehe oben dritten Teil § 6 I. 3. „Darin, daß ich nur anerkenne, was meine Vorstellung war, liegt der Übergang zur Absicht. Nur das nämlich, was ich von den Umständen wußte, kann mir zugerechnet werden. Aber es gibt notwendige Folgen, die sich an jede Handlung knüpfen, wenn ich auch nur ein Einzelnes, Unmittelbares hervorbringe, und die insofern das Allgemeine sind, das es in sich hat. Die Folgen, die gehemmt werden könnten, kann ich zwar nicht voraussehen, aber ich muss die allgemeine Natur der einzelnen Tat kennen“, Hegel, Philosophie des Rechts, § 118 Zusatz. 324 Köhler, Bewußte Fahrlässigkeit, S. 202; ders., ZStW 114 (2002), 183, 186. 325 Zwar schreibt Hegel vage und missverständlich über seine Position gegen die Lehre vom dolus indirectus. Aber in den Mitschriften können wir seine kritische Meinung ablesen, siehe Hegel, Mitschrift von Wannenmann, § 61. 326 Das vertritt jedoch Piontkowski, Hegels Lehre, S. 236, 238. Vgl. auch Michelet, Das System der philosophischen Moral, S. 89. 327 Seelmann, Ebenen der Zurechnung bei Hegel, S. 85, 86. Schon Geßler schreibt: „Selbst bei Gegnern des Dolus indirectus sehen wir somit die hohe Strafbarkeit desselben anerkannt und verlohnt es sich deshalb wohl der Mühe, eine unanfechtbare Grundlage für ihre Rechtfertigung zu gewinnen“, Begriff und Arten des Dolus, S. 157 f. 322 323

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Um die lehrreiche Bedeutung der Lehre von dolus indirectus und der Gleichgültigkeit zu verdeutlichen, wird der Glasflaschenfall weiter ausgeführt: Wenn der Täter die Flasche auf einem Kinderspielplatz gedankenlos fallen lässt, ist der Eintritt einer Körperverletzung nach abstrakter Kenntnis regelmäßig, denn dort spielen kleine Menschen in Bodennähe, die beim Spielen regelmäßig unachtsam sind. Die Gleichgültigkeit als Tatwille ist in dieser Konstellation klar festzustellen.

III. Zwischenergebnis 1. Konkrete Kenntnis, abstrakte Kenntnis und Irrtum Der Bereich, in dem der Irrtum als ein relevantes Problem beim Vorsatz thematisiert wird, ist die mangelnde konkrete Kenntnis. Bei der Bewertung solcher Konstellationen stellt man darauf ab, ob die Handlung die Tatbestandsverwirklichung erklären kann. Von diesem Standpunkt aus betrachtet, verlangt das Strafrecht für Vorsatz selbstverständlich nicht die Kenntnis über alle Details des Tatverlaufs. Dies bedeutet nicht einen sog. Gattungsvorsatz, sondern es ist zu fragen, ob die vorhandenen Elemente der Kenntnis den Tatbestand bereits erfüllen können. Ein Irrtum über die konkrete Kenntnis oder das Nicht-Vorliegen der konkreten Kenntnis schließt den Vorsatz nicht aus, wenn die Bewertung der subjektiven Zurechnung durch die abstrakte Kenntnis erfolgt, nämlich wenn ihr zufolge der Tatbestand durch eine bestimmte bewusste Handlung regelmäßig oder notwendig verwirklicht wird. Denn in diesem Fall ist der Tatwille objektiv erkennbar. Der Vorsatz wird nur dann durch mangelnde konkrete Kenntnis ausgeschlossen, wenn der Wille nicht durch die abstrakte Regelmäßigkeit der Weiterung dargestellt werden kann. Praktisch angewandt auf den o.g. Baustellenfall bedeutet dies: Der Täter, der das Opfer aus dem 1. Stock stößt und nicht weiß, dass auf dem Boden Baumaterial gelagert wird, an dem sich der Fallende dann lebensgefährlich verletzt, wird durch seine mangelnde Kenntnis entlastet, wenn und weil sein Wissen aufgrund der abstrakten Regelmäßigkeit sich nicht auf die Weiterung erstreckt. Der Tatwille lässt sich hier nicht erkennen. 2. Unkenntnis und Tatwille Wer die Fahrlässigkeit gegenüber dem Vorsatz als Entlastung ansieht, muss natürlich berücksichtigen, unter welchen Voraussetzungen innerhalb des Bewertungssystems der Täter milder bestraft werden kann.328 Die Voraussetzungen werden nur dann konsequent begründet, wenn sie mit dem axiologischen System des Straf328 Nach fast völlig übereinstimmender Meinung sollte die Vorsatztat wegen ihrer Essenz schwerer als Fahrlässigkeit bestraft werden, z. B. Zaczyk, Das Unrecht der versuchten Tat, S. 213; Hassemer, Armin Kaufmann-GS, S. 289, 296; unverständlich aber die abweichende Meinung von Kindhäuser, Eser-FS, S. 345, 346 f.

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rechts übereinstimmen. Die Unkenntnis, die aus dem Tatwillen stammt, kann deswegen keineswegs ein gültiger Entlastungsgrund sein, obwohl sich der Täter in einem Defektzustand befindet. Deshalb wird auch nirgends plausibel gemacht bzw. konsequent begründet, warum der Täter mit Unkenntnis aus Gleichgültigkeit das Privileg genießen sollte, nur wegen Fahrlässigkeit bestraft zu werden, und warum die Unkenntnis aus Rechtsfeindlichkeit mit der unzureichenden Achtsamkeit gleichgesetzt werden soll. Die Beurteilung darf auch nicht im Gegensatz zu der Bewertung bei der Schuldfähigkeit und dem Verbotsirrtum stehen.329 Die Konstellation, bei der der Täter die eigene kognitive Leistung begrenzt und ihm deswegen der Erfolg unbekannt ist, umfasst jedoch vielfältige Möglichkeiten hinsichtlich des Handlungserfolgs. Ein Tatwille kann bei solcher Konstellation trotzdem festgestellt werden, wenn die Tatbestandsverwirklichung nach der abstrakten Kenntnis als regelmäßig oder notwendig angesehen wird. Praktisch angewandt auf den Baustellen- bzw. den Glasflaschenfall bedeutet dies: Ein Täter, der aufgrund seines Desinteresses nicht an die abstrakt-regelmäßig Folge denkt, nämlich daran dass ein Sturz aus dem 7. Stock tödlich ist, und dass die Glasscherben auf dem Kinderspielplatz regelmäßig gefährlich sind, haftet als Vorsatztäter.

§ 11 Lösung für die Irrtumsproblematik und ihre Fälle Die Lösung des Irrtumsproblems kann nicht aus der Vorsatzlehre des Kausalismus und des Finalismus abgeleitet werden, weil diese beiden Theorien von einer individuellen Deutung ausgehen. Eine solche Deutung nimmt die eigene Ansicht des Täters als Ausgangspunkt der Interpretation eines Geschehens, so dass sich stets eine scheinbar plausible Trennung zwischen Erfolg und eigener Handlung ergibt. Die Lösung, die von diesem Gedanken ausgeht, stellt auf ein Kriterium ab, dass der Täter bestimmt nämlich, was er zu wissen bevorzugt. Die subjektive Zurechnung ist vielmehr eine Zuschreibung nach normativem Gesichtspunkt, nicht aus einem sprach- oder handlungsanalytischen, da die subjektive Zurechnung ein Teil der Unrechtsbewertung ist. Durch die subjektive Zurechnung wird der vorwerfende Zusammenhang zwischen der objektiven Zurechnung und dem Täter repräsentiert. Hruschka hat zutreffend das Problem des Vorsatzbegriffs der h. M. aufgezeigt, nämlich dass diese wegen sprachlicher und psychologischer Erkenntnisse die subjektiven Elemente irreführend als innere Tatsache bezeichnet. „Wie alles Geistige wird auch ein Tatvorsatz nicht festgestellt und bewiesen, sondern zugerechnet“;330. Vgl. Pawlik, Person, Subjekt, Bürger, S. 84 ff. Hruschka, Kleinknecht-FS, S. 191, 201 (Hervorhebung original). Ähnliches schreibt auch Seelmann, Anerkennungsverlust und Selbstsubsumtion, S. 51. 329 330

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I. Die objektive Interpretation des § 16 StGB 1. Die objektive und widerspruchsfreie Interpretation Zunächst wird die Bedeutung des „Umstandes“ im Sinne des § 16 Abs. 1 StGB in der Literatur unterschiedlich erklärt. Eine semantische Auslegung331, der Umstand sei der Tatumstand, der zu den Merkmalen des gesetzlichen Tatbestands gehört, ist wenig erhellend. Ebenso fragwürdig ist ein Verständnis des Umstandsbegriffes als einen reinen Sammelbegriff von Subjekt, Erfolg, und Handlung etc. Denn alle Elemente des objektiven Tatbestands des jeweiligen Deliktes drücken gemeinsam einen einheitlichen Sinn aus.332 Weil dieser Sinn auch den einzelnen „Umstand“ im Sinne von § 16 Abs. 1 StGB umfasst, ist § 16 Abs. 1 StGB auch bei einem Kausalitätsirrtum anwendbar.333 Die Interpretation, der Kausalverlauf sei ein Umstand im Sinne des § 16 Abs. 1 StGB, eröffnet ein anderes Problem: Einerseits soll der Vorsatz nach § 16 Abs. 1 StGB ausnahmslos ausgeschlossen werden, wenn eine Unkenntnis über den Umstand vorliegt. Andererseits ist in der Literatur und der Rechtsprechung unumstritten, dass die Unkenntnis über Details des Kausalverlaufs irrelevant sein soll. Ein Widerspruch besteht innerhalb der semantischen und objektiven Auslegung.334 Dieser Widerspruch ist dann unlösbar, wenn die Bedeutung des Umstands semantisch interpretiert wird, also wenn der Umstand nur als Extension des Tatbestands verstanden wird. Die Lösung liegt darin, die Bedeutung nicht aufgrund des Wortlautes, sondern des Norminhaltes des Tatbestandes zu interpretieren.335 Ein Täter muss die den Tatbestand erfüllenden Tatsachen, nicht aber den tatbestandsmäßigen Erfolg kennen.336 Das heißt, dass nicht die konkrete Gestalt der Folge, sondern ihr (abstrakter) Umriss der Vorsatzgegenstand ist. Beim Totschlag § 212 StGB muss der Täter wissen, dass eine Handlungsweise tödlich ist, nicht aber, auf welche bestimmte Weise diese Handlung den Tod verursacht. Deswegen ist es für den Vorsatz irrelevant, ob der Täter z. B. die genaue Wirkungsweise eines tödlichen Gifts 331 S / S / Cramer / Sternberg-Lieben, Strafgesetzbuch 27, § 16 Rn. 8 / 9; Kühl, Strafrecht AT5, 13 / 9; Tröndle / Fischer, Strafgesetzbuch53, § 16 Rn. 3; Joecks, MK, § 16 Rn. 5 ff. 332 Zu dieser methodologischen Grundlage der Auslegung siehe Jakobs, Strafrecht AT2, 4 / 20 f.; Haft, JuS 1975, 477, 481 f.; Hassemer, Tatbestand und Typus, S. 96 ff. 333 Vgl. Struensee, ZStW 102 (1990), 21, 26 f.; Kindhäuser, Strafrecht AT, 27 / 43. 334 Vogel beharrt aber für die Auslegung des § 16 StGB noch auf der These des „natürlichen Wortsinns“, die beim Problem des Kausalverlaufsirrtum zu folgendem unakzeptierbaren Ergebnis führt: Jede Abweichung von dem tatsächlichen Kausalverlauf schließt den Vorsatz aus, GA 2006, 386, 388. 335 Vgl. Puppe, GA 1990, 145, 148 f.; dies., NK2, § 16 Rn. 36. 336 Vgl. Jakobs, Strafrecht AT2, 8 / 63. Frisch nimmt an, dass der Erfolg nur zur Sanktionsnorm gehört und deswegen kein Gegenstand des Vorsatzes sei, Vorsatz und Risiko, S. 347 ff. Diese Auffassung ist jedoch fragwürdig, da bei den Erfolgsdelikten Handlung und Erfolg untrennbar sind. Ohne den Erfolg ist der Inhalt des durch eine Handlung geschaffenen Risikos gedanklich nicht feststellbar.

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kennt. Das Gesagte ermöglicht es, die Auslegung des Umstandes in § 16 Abs. 1 und Abs. 2 StGB einheitlich zu verstehen. Nach dem Wortlaut des § 16 Abs. 2 StGB ist ein Umstand derjenige, der den Tatbestand verwirklicht.337 Gegenstand des Vorsatzes ist deswegen nicht, wie der Tatbestand verwirklicht wird, sondern was den Tatbestand verwirklichen kann. Beispielhaft bedeutet die Unkenntnis des Umstands beim Totschlag i.S.v. § 212 StGB, dass der Täter eine Handlung nicht als für das Opfer lebensgefährlich erkennt. Alle möglichen konkreten Einzelheiten des Kausalverlaufs sind vom Sinn einer Handlung, die den Tatbestand eines Totschlags erfüllt, umfasst. Deshalb wird für den Vorsatz keine präzise Prognose über die Folge einer Handlung zur Tatzeit verlangt. Hier ist auf die Grundlage der Zurechnung zurückzukommen. Die Zurechnung basiert auf einem allgemeingütigen Urteil über den Sinn einer Handlung bzw. einer Tat. Die individuelle Interpretation der Handlung wird durch einen objektiven Maßstab, also durch die Fragestellung, ob diese Deutung beliebig und deswegen nur eine Annahme ist, überprüft. Die Unkenntnis als aktuelles Nicht-Überlegen ist ein psychischer Zustand einer bestimmten Einstellung des Handelnden. Auch ein Handelnder, der zur Tatzeit nicht an die Folge seiner Handlung (z. B. den Tod oder die Verletzung des Opfers) denkt, weiß doch, dass er handelt (schlägt, stößt, sticht, usw.). Wegen dieser Kenntnis des Täters ist die Zurechnung aufgrund der sozialen Deutung seiner bewussten Handlung mit dem Schuldprinzip vereinbar. Vom oben genanntem Standpunkt ausgehend, lässt sich eine reflektierte Interpretation des § 16 Abs. 1 StGB vornehmen: Die Anwendung dieser Vorschrift ist zunächst fraglich, wenn dem Handelnden zwar der Inhalt einer Handlung bekannt ist, er jedoch die Folgen seiner Handlung nicht bedachte. Denn die Eigenschaft einer Handlung und ihre Folge sind untrennbar. Keine Handlung ist inhaltslos. Für einen Täter, der bewusst einen anderen kraftvoll stößt, aber nicht an die mögliche Körperverletzung denkt, ist die verwirklichte Körperverletzung kein Irrtum. Anders verhält es sich, wenn der Täter den anderen unbeabsichtigt stößt. Diese zwei Konstellationen sind unschwer und zwingend zu differenzieren. Die Folge der Handlung ist für den gleichgültig Handelnden uninteressant und deswegen unbekannt. Hingegen ist für ihn unbestreitbar, dass seine Handlung einen bestimmten Inhalt enthält. Dieser Inhalt ist bei jeder Person mittels der abstrakten Kenntnis festzulegen. Die Unkenntnis des Umstandes im Sinne des § 16 Abs. 1 StGB umfasst deswegen nur das, was der Handelnde aufgrund fehlender abstrakter Kenntnis nicht als Inhalt einer Handlung erkennt, also wenn die Handlung gemäß seiner Kenntnis weder regelmäßig noch notwendig eine bestimmte Folge herbeiführt. Denn nur in dieser Situation ist der Sinninhalt der Handlung für den Handelnden als Person unbestimmt. In der gegensätzlichen Konstellation ist der Sinn einer Handlung jeder Person aufgrund der ihr immanenten abstrakten Kenntnis bekannt. Um noch ein Beispiel anzuführen: Wer in Wut (und deswegen 337 Zur Bedeutung des Umstandes im Sinne des § 16 Abs. 2 StGB siehe Kindhäuser, GA, 1990, 407, 408 f.

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gedankenlos) mit einem langen Messer in den Oberkörper des Opfers sticht, kann nicht behaupten, die konkrete Folge (den Tod des Opfers) nicht gekannt zu haben, und sich deshalb auch nicht auf § 16 Abs. 1 StGB berufen.338 Denn der Täter kennt wie jede vernünftige Person den Inhalt dieser lebensgefährlichen Handlung. Diese Kenntnis kann er nicht widerlegen. Zusammengefasst: Nach der widerspruchsfreien Auslegung der „Unkenntnis des Umstandes“ ist § 16 Abs. 1 StGB nur dann anwendbar, wenn der Sinn einer Handlung durch die vorgegebene abstrakte Kenntnis des Täters unbestimmt ist, also wenn eine Folge durch die Handlung weder regelmäßig noch notwendig herbeigeführt wird. 2. Überlegungen zum Unkenntnisbegriff im Sinne des § 16 StGB Nach dem Wortlaut des § 16 Abs. 1 StGB ist der Vorsatz dann auszuschließen, wenn der Täter bei Begehung der Tat einen zum Tatbestand gehörenden Umstand nicht kennt. Diese Vorschrift wird in der Literatur als eine Regelung des Tatbestandsirrtums gekennzeichnet. Die Unkenntnis (Unwissenheit, nescientia) und der Irrtum (error) werden daher gleichgestellt. Da eine Unkenntnis jedoch einen Bewusstseinzustand beschreibt, der sich vom Zustand beim Irrtum unterscheidet, erscheint diese Gleichstellung fragwürdig. Ein Irrtum bedeutet ein Abweichen der Tätervorstellung vom Tatsächlichen. Das setzt beim Handelnden ein Urteil über oder eine Überzeugung bezüglich einer Tatsache voraus. Hingegen bezeichnet die Unkenntnis einen negativen Bezug zum Wissen, also dass der Handelnde eine Tatsache nicht kennt.339 Ein Beispiel (nach Jakobs)340 kann diesen Unterschied verdeutlichen: Jemand geht im Wald spazieren, ohne daran zu denken, auf einen Käfer getreten zu haben. Er ist bezüglich des Trittes in Unkenntnis, aber er hat sich diesbezüglich nicht geirrt. Vielmehr denkt er darüber einfach nicht nach, da die Folge seiner Handlung für ihn entscheidungsunerheblich ist. Die Verwechselung des Unkenntnis- und des Irrtumsbegriffs ist katastrophal: Zum einen hat der Gesetzgeber den Ausschluss des Vorsatzes allzu wenig begrenzt; nach dem Wortlaut des § 16 Abs. 1 StGB ist jede Unkenntnis ein Irrtum, so als ob jede Unkenntnis für den Handelnden entscheidungserheblich wäre. Wie Aristoteles es formuliert, „[ . . . ] ist jeder minderwertige Mensch in Unwissenheit darüber, was er tun oder zu lassen habe, und auf Grund dieses Fehlers bekommen die Menschen einen ungerechten und überhaupt einen verwerflichen CharakVgl. Jakobs, ZStW 114 (2002), 584, 596 f. Meier-Oeser erklärt zutreffend, dass Unwissenheit „als Oberbegriff für alles nicht sichere und unvollständige Wissen fungiert und insofern u. a. auch den Irrtum, die Unentscheidbarkeit, Ungewissheit, Vagheit und ,fuzziness‘ umfasst“, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Stichwort: Unwissenheit (S. 345). 340 Zu weiteren Beispielen Jakobs, Schuldprinzip, S. 19 f.; ders., Su-FS, S. 43, 52 f. 338 339

§ 11 Lösung für die Irrtumsproblematik und ihre Fälle

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ter“341. Zum anderen wird § 16 Abs. 1 StGB von der Literatur342 für eine Regelung über den Irrtum gehalten, welche bei jeder Konstellation der Unkenntnis anwendbar sei. Entgegen der Literaturmeinung ist jedoch nicht jede Unkenntnis ein Irrtum.343 Der Entlastungsgrund der überwiegenden Lehre – der Täter handele, wenn er sich in einem Irrtum befindet, ungewollt –, gilt nicht in jeder Situation der Unkenntnis. Der Täter kann nämlich die Kenntnis über die konkreten Folgen seiner Handlung auch nicht erlangen wollen, zum Beispiel, um ohne schlechtes Gewissen handeln zu können. Diese Konstellation wird übersehen. Ein Beispiel kann das oben Gesagte auch verdeutlichen344: Ein Täter sticht in Wut und gedankenlos mit einem langen Messer in den Oberkörper des Opfers, das von ihm mit seinem Feind verwechselt wird. Es ist zu unterscheiden: An die Todesfolge denkt der Täter nicht, weswegen er hiervon keine Kenntnis hat. Diese Unkenntnis resultiert jedoch aus seiner Gleichgültigkeit. Da ein Stich mit einem langen Messer in den Oberkörper regelmäßig tödlich ist, kann durch diese abstrakte Kenntnis die Gleichgültigkeit festgestellt werden, womit § 16 Abs. 1 StGB nicht anwendbar ist. Hingegen hat der Täter sich nur geirrt, wen er verletzt. Insoweit liegt ein error in persona vor. Diese Unterscheidung zwischen dem Unkenntnis- und dem Irrtumsbegriff ist auch für die Untersuchung des Doppelindividualisierungsirrtums bedeutend. Zunächst ist die Konstellation beim Bombelegerfall zu deuten: Einerseits kennt der Täter seine Handlungsweise, nämlich eine Autobombe in einem Auto zu installieren. Er weiß mittels immanenter abstrakter Kenntnis, dass durch seine Handlung der Tatbestand verwirklicht wird. In diesem Fall liegt die Unkenntnis darin, dass der Täter keine aktualisierte Kenntnis über die konkrete Folge hat. Diese Unkenntnis ist auf die Gleichgültigkeit zurückzuführen und deswegen kein Irrtum. Auf der anderen Seite hat der Täter sich geirrt, wer der erste Autobenutzer ist. Das macht einen Irrtum aus, aber nur einen irrelevanten, denn die Identität gehört nicht zum Tatbestand (näher vgl. im Folgenden IV.).

341

Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch III 1110b; vgl. Lampe, ZStW 118 (2006), 1,

37. 342 Z. B. Jescheck / Weigend, Strafrecht AT5, S. 307; Stratenwerth, Strafrecht4, 8 / 80; Roxin, Strafrecht AT I4, 12 / 97; Hettinger, JuS 1988, L71, 72; Kühl, Strafrecht AT5, 13 / 7 ff.; Wessels / Beulke, Strafrecht AT35, Rn. 244; Bringewat, Grundbegriffe, Rn. 656 f.; Heinrich, Strafrecht AT II, Rn. 1073. 343 Schon Jakobs, ZStW 114 (2002), 584, 588. 344 Vgl. Haft, Straftrecht AT9, S. 253.

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4. Teil: Entwicklung eines neuen Lösungsansatzes

II. Die Kausalabweichung 1. Der sog. Irrtum über den Kausalverlauf Unter dem Begriff des Kausalverlaufsirrtums ist zunächst eine Gruppe zu betrachten, bei welcher der vom Täter verursachte Kausalverlauf den Erfolg anders als geplant realisiert. Die von Dritten zuständig herbeigeführte Abweichung wird von Anfang an von der Diskussion ausgenommen. Eine Konstellation, die objektiv nicht zurechenbar ist, bleibt ebenfalls außer Betracht. Bevor wir den Kausalverlaufsirrtum betrachten, müssen wir natürlich feststellen, was der Täter für die Zurechnung wissen sollte bzw. muss. Es wurde zu diesem Problem richtigerweise darauf hingewiesen, dass zwar die Kausalität der Gegenstand des Vorsatzes ist, aber es nicht notwendig darauf ankommt, den Kausalverlauf bis ins Detail zu kennen.345 Für den Vorsatz genügt es vielmehr, dass der Täter beispielsweise bei einem Schuss auf den Oberkörper um die davon ausgehende ernsthafte Lebensgefährlichkeit weiß. Ob der Tod nach der Vorstellung des Täters aufgrund des Blutverlustes oder wegen Organversagen eintritt, ist hingegen irrelevant. Es ist auch völlig belanglos, ob das Opfer auf die von dem Täter vorgestellte Weise zu Tode kommt. Es kommt also genau entgegen der h. M. nicht darauf an, was der Täter im umgangssprachlichen Sinne „gewollt“ hat. Es ist nun noch zu klären, wie sich die These, dass es ausreicht, wenn der Täter die Kausalität seines Handelns nur in den wesentlichen Zügen kennt, begründen lässt. Der gesuchte Grund ist darin zu sehen, dass die subjektive Zurechnung nicht auf den naiven Bewusstseinsinhalt des Täters abstellt. Die h. M. verzichtet bei dem Problem der Kausalabweichung auf die naturalistische Position des Vorsatzbegriffs, denn bei ihr kommt es nicht mehr auf die Kenntnis der Kausalabweichung und das ursprünglichen Ziel an, sondern auf die Wesentlichkeit der Abweichung des tatsächlichen Kausalverlaufes. Eine Kausalabweichung bezeichnet stets die Diskrepanz zwischen vorgestelltem und tatsächlichem Kausalverlauf. Die h. M. lässt das Kriterium der Wesentlichkeit genügen, übersieht dabei aber, dass dieses Kriterium ihren eigenen und eigentlichen Standpunkt, nämlich den des psychologischen Vorsatzbegriffs, erschüttert. Die sog. Wesentlichkeit ist zwangsläufig eine Art sozialer Deutung, die die Handlung durch ihre gesellschaftliche Bedeutung interpretiert. Anders verhält es sich beim Maßstab der Planverwirklichung, der angeblich ein normatives Kriterium beinhaltet, aber schließlich doch von der individuellen Deutung, vom Plan des Täters, begrenzt und bestimmt wird. Dieses unzutreffende Ergebnis der individuellen Deutung ist schon von Anfang an wegen der Definition des Vorsatzbegriffes als „Entscheidung“ unausweichlich. Die Vorsatzgefahrlehre, welche eigentlich für die Lösung des Irrtums bzw. Kausalverlaufsirrtums entwickelt wurde, stößt auf andere Schwierigkeiten. Um den 345

Jakobs, Strafrecht AT2, 8 / 63 ff.; Kühl, Strafrecht AT5, 13 / 41.

§ 11 Lösung für die Irrtumsproblematik und ihre Fälle

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Maßstab zu begründen, wird von dieser die Bedeutung der Handlung ausschließlich durch den Grad des Risikos bestimmt. Es wird dann jedoch nicht konsequent erklärt, wie der Vorsatzbegriff überhaupt zu verstehen ist. Neben der Negierung der Rolle des Willens bleibt es zweifelhaft, ob und welche Bedeutung die Kenntnis beim Vorsatz hat. Bei der Lösung der Irrtumsproblematik mittels der Vorsatzgefahr bleibt auch unklar, auf was diese sich beziehen muss. Über den Begriff der sog. Lebenserfahrung ist wenig Konkretes und noch weniger Überzeugendes geschrieben worden. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, da der Begriff selbst unpräzise ist und daher zwangsläufig in eine Beliebigkeit der Auslegung führt. Daher ist dieser Begriff für die Deutung des Kausalverlaufsirrtums abzulehnen. Die Feststellung, dass es für die Relevanz der Abweichung darauf ankommt, „ob der konkrete Verlauf noch eine Realisierung des vom Täter vorsätzlich gesetzten Risikos ist“346, ist im Prinzip richtig. Es bedarf aber der Erläuterung, inwiefern man noch von der Realisierung des vom Täter vorsätzlich gesetzten Risikos sprechen kann. Zum einen ist die Realisierung des Risikos schon beim objektiven Tatbestand überprüft worden. Zum anderen bleibt unklar, wann ein Risiko als „vorsätzlich“ angesehen werden muss. Im Fall der Kausalabweichung liegt der Schwerpunkt darin, ob ein ungesehenes und später verwirklichtes Risiko vom gesehenen Risiko umgefasst wird. Nach der hier entwickelten Lösung wird dem Täter trotz eines abweichenden Erfolgs sein Handeln zum Vorsatz zugerechnet, wenn sich das durch die Handlung vorsätzlich herbeigeführte Risiko nach abstrakter Kenntnis notwendig oder regelmäßig verwirklicht. Beispielhaft ist der Brückenpfeilerfall. In diesem Fall ist nach der abstrakten Kenntnis eindeutig, dass der Sturz von einer Brücke regelmäßig eine ernste Lebensgefahr bedeutet. Der Täter stößt das Opfer kräftig und beabsichtigt von der Brücke nach untern. Ob der Täter bei seinem Stoß konkrete Kenntnis von dem tatsächlichen Kausalverlauf erlangt, und ob das Opfer auf die erwünschte Weise ums Leben kommt, ist für die subjektive Zurechnung nicht relevant, da der Tatwille zur Realisierung des Risikos durch deren Regelmäßigkeit bereits erklärt ist.347 Dieser Tatwille in Form der Gleichgültigkeit ist normativ äquivalent mit den anderen Vorsatzformen.348 Die Unkenntnis vom tatsächlichen Kausalverlauf im konkreten Sinne und der Wille im umgangssprachlichen Sinne sind unbeachtlich.

2. Der vorzeitige Erfolgseintritt Bei der zweiten Gruppe, dem vorzeitigen Erfolgseintritt, liegt das erste Problem darin zu beurteilen, wann der Versuch der Tatausführung beginnt. Nach der herrschenden subjektiv-objektiven Theorie soll der Zeitpunkt nicht einseitig nach der 346 347 348

Jakobs, Strafrecht AT2, 8 / 64. Vgl. Schroeder, LK11, § 16 Rn. 29. Vgl. Jakobs, ZStW 114 (2002), 584, 597.

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Vorstellung des Täters im Sinne des § 22 StGB oder vom sog. Tatplan festgelegt werden, da die Lehre sonst eher der subjektiven Theorie entspräche. Eine Handlung, die im Tatplan nicht als Beginn der Tötung angesehen wird, kann in Wirklichkeit lebensgefährlich sein und dies mag auch der Kenntnis des Täters entsprechen. Die Vorstellung als Grundlage des objektiven Versuchstatbestands349, ist deswegen nur der Gegenstand der Beurteilung, nicht aber der Beurteilungsmaßstab. Der Maßstab ist vielmehr, wann – bei einem als zutreffend angenommenen Tatplan – das Risiko der Tatbestandsverwirklichung entsteht. Auch, wenn die gefährliche Handlung des Täters, die den Erfolg herbeiführt, vom Täter in seinem Tatplan nicht als tatbestandsmäßige Handlung angesehen wird, lässt diese Annahme die rechtliche Bewertung des Versuchsbeginns unberührt. Vielmehr ist bei der Bewertung nach einem materiellen Gesichtpunkt zu entscheiden.350 Ein solcher Fall ist nicht anders zu bewerten als diejenigen Fälle der ersten Gruppe des Kausalverlaufsirrtums. In BGH NStZ 2002, 309, also dem Entführungsfall, in dem ein Ehemann seine Frau erst gefesselt und / oder geknebelt und / oder betäubt, und sie für den späteren Transport in den Kofferraum des Autos verbracht hat. In jenem Fall plante der Täter, seine Frau an einen sicheren Ort zu bringen, um sie dort zu töten. Hier lag potenziell ein lebensgefährliches Risiko vor, weswegen der Versuch zu Recht bejaht und der Tod des Opfers dem Täter objektiv zugerechnet wurde. Jedoch ist ein kurz dauerndes Einsperren im Kofferraum in der Regel nicht geeignet, den Tod des Angegriffenen herbeizuführen – im Gegensatz etwa zu längerem Würgen am Hals. Deshalb kann die Erfolgszurechnung zum Vorsatz im Entführungsfall nicht erfolgen. Es verhält sich jedoch anders beim Eisenbahnsturzfall. Die kraftvollen und bis zur Bewusstlosigkeit führenden Schläge mit einem schweren Schraubenschlüssel auf den Kopf sind nach der abstakten Kenntnis eine ernsthafte Gefahr für das Opfer, die regelmäßig zu seinem Tod führen kann. Diese Kenntnis ist vorgegeben und jeder Person immanent, weswegen die durch diese bewusste Handlung ausgedrückte Gleichgültigkeit als Tatwille zu bezeichnen ist. Die Erfolgszurechnung zum Vorsatz ist deswegen möglich, obwohl der Kausalablauf von dem Tatplan des Täters abweicht.351

3. Der sog. dolus generalis Bei der dritten Gruppe, dolus generalis, besteht die Schwierigkeit darin, dass das Risiko der zweiten Handlung von dem der ersten aufgrund der Falschannahme des vorzeitigen Todes des Opfers getrennt ist. Um diese Kluft zu überbrücken, richtet Vgl. Hillenkamp, Roxin-FS, S. 689, 702. Jakobs, Strafrecht AT2, 25 / 59; Zaczyk, NK2, § 22 Rn. 22; Kühl, Strafrecht AT5, 15 / 77. 351 Schon Jakobs, ZStW 114 (2002), 584, 597. 349 350

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eine verbreitete Meinung352 den Blick auf die erste Handlung und argumentiert mit der Vorhersehbarkeit des Erfolgs. Das Argument ist unverständlich, wenn die Anhänger dieser Auffassung gleichzeitig die Lehre der objektiven Zurechnung vertreten, da die objektive Vorhersehbarkeit nach der Lehre der objektiven Zurechnung schon bei dem objektiven Tatbestand überprüft wird.353 Das Argument scheint noch bedenklicher, wenn man an den Schlafmittelfall denkt, bei dem der Täter mit einer zu geringen Dosierung nur den Schlaf des Opfers verursacht. Bei alleiniger Betrachtung der Ersthandlung könnte man nämlich nicht sagen, dass der Erfolg gemäß der sog. allgemeinen „Lebenserfahrung“ erkennbar war.354 Selbst wenn die Ersthandlung eine größere Gefahr herbeiführt, ist das Argument nicht ausreichend. Man muss vielmehr zu der Erkenntnis kommen, dass der Erfolg möglicherweise weder objektiv noch subjektiv zurechenbar ist, obwohl der Täter vorher ein taugliches Mittel verwendet hat – man denke beispielsweise an den Falle des Krankenwagenunfalls. Selbst eine sehr hohe Gefährlichkeit der ersten Handlung begründet noch keine objektive und subjektive Zurechnung, da das Risiko auch hier nicht durch die erste Handlung verwirklicht wird, sondern durch die zweite. Der Kernpunkt des dolus generalis liegt vielmehr darin, dass der Täter durch die eigene Handlung den Erfolg absichert, in dem er die Möglichkeit des Überlebens des Opfers völlig beseitigt. Die rechtliche Bedeutung der zweiten Handlung besteht darin, dass sie als Absicherung der Tatbestandsverwirklichung der ersten Handlung nicht isoliert betrachtet werden kann. Im Fall des dolus generalis besteht natürlich ein Widerspruch innerhalb des Bewusstseinsinhalts des Täters: Zum einen ist dem Täter unbekannt, dass der tödliche Erfolg erst durch den zweiten Handlungsakt herbeigeführt wurde. Zum anderen ist ihm jedoch definitiv bekannt, dass das Opfer durch seine Handlungen ums Leben gekommen ist. Dieser innere Widerspruch kann durch den Erklärungsansatz des „strafrechtlichen Glücks“ nicht überwunden werden.355 Der Widerspruch führt auf die Auffassung zurück, die subjektive Zurechnung setze voraus, dass der Täter das Risiko „sehen“ müsse. Die Zurechnung stellt daher auf die sinnliche Wahrnehmung ab. Diese Position wird jedoch preisgegeben, wenn zugegeben wird, dass nicht alle Kausalabweichungen den Vorsatz ausschließen. 352 S / S / Cramer / Sternberg-Lieben, Strafgesetzbuch27, § 15 Rn. 58; Wessels / Beulke, Straftrecht AT35, Rn. 265; Baumann / Weber / Mitsch, Strafrecht AT11, 20 / 24 f.; Heinrich, Strafrecht AT II, Rn. 1098. 353 Dieses Dilemma erweist sich als unausweichlich. Beispielhaft schreibt Krey, Strafrecht AT I2, Rn. 397: Der Fall des dolus generalis „ist angesichts des Vorliegens der objektiven Zurechenbarkeit eine unwesentliche Abweichung vom Kausalverlauf, mithin Vorsatz anzunehmen“ (Hervorhebung original); vgl. Haft, Straftrecht AT9, S. 255. 354 Vgl. Mainwald, ZStW 78 (1966), 30, 53 ff. Z. B. schreibt S / S / Cramer / Sternberg-Lieben zurückhaltend, dass die Fälle noch innerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung liegen, wenn beispielsweise der Täter auf das Opfer geschossen hat, Strafgesetzbuch27, § 15 Rn. 58. 355 So aber Sancinetti, Roxin-FS, S. 349 ff. Kritisch Roxin, Strafrecht AT I4, 12 / 179.

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Zur Auflösung dieses Widerspruchs kann die „abstrakte Kenntnis“ beitragen. Zunächst ist die rechtliche Bewertung unabhängig davon, wie der Täter seine gesamte Handlung unterteilt und jeweils definiert, weil dies eine rein persönliche Annahme des Täters und als solche unbeachtlich ist.356 In diesem Fall wäre es die abstrakte Kenntnis, dass das Opfer jedenfalls notwendigerweise durch das Verhalten des Täters ums Leben kommt. Der Täter benutzt ein objektiv taugliches oder wenig taugliches Mittel, um das Opfer zu töten, und vergräbt es danach, wirft es in den Fluss oder die Jauchegrube, sodass das Opfer zumindest durch die Gesamthandlung des Täters zu Tode kommt.357 Wenn diese abstrakte Kenntnis bei Taten mit Problemen des dolus generalis bereits gegeben ist, braucht es für die Zurechnung zum Vorsatz nicht der Kenntnis der genauen (konkreten) Tatumstände. Das heißt, mittels eigenen Verstandes erkennt der Täter die Todesfolge als unvermeidliche Konsequenz seiner Tat. Den konkreten Kausalverlauf durch die sinnliche Wahrnehmung zu erfahren, ist für die Zurechnung irrelevant. Die Gleichgültigkeit, mit welcher der Tod des Opfers durch eine notwendigerweise tödliche Handlung herbeigeführt wird, unterscheidet sich nicht von einem Tatwillen. Die durch Desinteresse verursachte Unkenntnis über den genauen Kausalverlauf hindert die Vorsatzzurechnung nicht.358

III. Aberratio ictus und error in persona 1. Die Standardfälle Eine Vorsatzzurechnung wird trotz Unkenntnis des Täters vorgenommen, wenn dieser absichtlich eine Handlung ausführt, die nach abstraktem Wissen regelmäßig einen Tatbestand verwirklicht. Die Lösung des Problems der aberratio ictus ist unumstritten, wenn die Handlung in der Regel außer dem Standort der Zielperson einen bestimmten und besonders nahen Bereich gefährdet; beispielsweise, wenn ein Täter auf einen Politiker schießt, der sich mitten in einer dicht gedrängten Volksmenge befindet. Eine vorsätzliche Vollendung liegt auch dann vor, wenn der Täter die nahe bei seinem Opfer stehende Person erschießt, ohne dass ihm dieses Risiko bewusst war. In dieser Situation gibt es nach abstrakter Kenntnis regelmäßig die Möglichkeit des Fehlgehens des Angriffs, auch falls der Täter ein guter Schütze ist. Die Gleichgültigkeit als Tatwille ist in dieser Konstellation deutlich 356 Einige Autoren vertreten jedoch eine gegenläufige Meinung; erst die Zweithandlung sei eine tatbestandsmäßige Handlung, aber bei dieser fehle es am Vorsatz, Hruschka, JuS 1982, 317, 320; Hettinger, Spendel-FS, S. 237, 252 f.; ders., JuS 1992, L81, 83 f.; ähnlich Kühl, Strafrecht AT5, 13 / 48; Zieschang, Strafrecht AT, S. 47. Diese Position ist jedoch eine starre, rein formelle Interpretation der tatbestandsmäßigen Handlung und deswegen unplausibel. 357 Vgl. Welzel, Das deutsche Strafrecht11, S. 74; Peters, GA 1958, 97, 101; Schroeder, LK11, § 16 Rn. 31; Stratenwerth, Strafrecht AT4, 8 / 93. 358 Vgl. Jakobs, ZStW 114 (2002), 584, 597.

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festzustellen, selbst wenn der Täter den Fehlschlag nicht bedacht oder nicht „gewollt“ hat.359 Der hier vertretene Lösungsansatz unterscheidet sich von der Vorstellungstheorie, welche sich mit der Wahrscheinlichkeitskenntnis des Erfolgs begnügt. Statt auf die individuellen Überlegungen und Einschätzungen des Täters kommt es vielmehr auf die nach abstrakter Kenntnis regelmäßig zu erwartenden Folgen der Handlung an. Beim Standardfall der aberratio ictus ist die Konstellation anders. Natürlich setzt der Täter auch hier ein etwaiges Risiko für Dritte. Im Gegensatz zum oben genannten Fall wird dieses Risiko jedoch durch seine Handlungsweise sehr eingeschränkt; so liegt es beispielsweise bei einem Täter, der nur auf ein bestimmtes und alleinstehendes Opfer anlegt und nur einen Schuss abgibt. Nach der abstrakten Kenntnis ist das Fehlgehen des Angriffs weder regelmäßig noch notwendig. Außerdem, wie Jakobs360 zutreffend ausgeführt hat, ist bei der aberratio ictus anders als beim error in persona die Individualisierung des tatsächlich verletzten Objekts nicht gegeben. Entweder ist die Verwirklichung des Risikos dem Täter nicht bekannt (unbewusste Fahrlässigkeit), oder seine Verwirklichung wird für unwahrscheinlich gehalten (sog. bewusste Fahrlässigkeit). Ein Tatwille ist deswegen nicht festzustellen. Beim Standardfall des error in persona vel objecto ist der Vorsatz zu bejahen. Das rechtlich Relevante der subjektiven Zurechnung besteht darin, dass der Täter bei der Individualisierung des Opfers die tatbestandliche Bedeutung der Handlung kennt und will, obwohl die Identität verfehlt ist. Denn der Gegenstand des Vorsatzes ist die im Tatbestand immanente Pflicht und ihre Übertretung, nicht das vom Täter vorgestellte Geschehen. Hat ein Täter die konkrete Kenntnis der Tatbestandsverwirklichung, so kann man nicht mehr von einem Irrtum sprechen. Vorsatz liegt also vor.

2. Die verwandten Fälle Eine ebenfalls sehr bemerkenswerte Fallgruppe sind die Situationen, in denen ein Vordermann einem error in persona unterliegt. Es geht jeweils um die Bewertung der Handlung des Hintermanns, des Anstifters oder des mittelbaren Täters. Die Untersuchung dieser Gruppe ist bedeutend, da es eine Gemeinsamkeit mit dem Fall des Doppelindividualisierungs-„Irrtums“ gibt; der Anstifter und der mittelbare Täter haben das Opfer ebenfalls nicht vor Augen. Im Folgend wird jedoch deutlich gezeigt, dass die überwiegende Lehre widersprüchlicherweise einen anderen Lösungsansatz als beim Doppelindividualisierungsirrtum vertritt, nämlich eine Lösung anhand der aberratio ictus. Dieser Widerspruch ist ein Ergebnis des ontologisch fundierten Ansatzes, der gerade wegen der ontischen Bezüge orientierungslos geworden ist. 359 360

Vgl. Jakobs, ZStW 114 (2002), 584, 597. Jakobs, GA 1999, 382, 383.

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a) Anstiftung Ein Anstifter unternimmt die Straftat nicht selbst, sondern überlässt die tatsächliche Ausführung anderen.361 Aus der Perspektive der ontischen Struktur ist die Beurteilung der Schuldform des Anstifters problematisch, wenn der Täter einem Irrtum über die Identität des Opfers unterliegt. Denn ohne sinnliche Wahrnehmung ist die konventionelle Typisierung, nämlich aberratio ictus und error in persona, nicht mehr möglich. Der BGH hält die Konstellation für eine Kausalabweichung, so dass sich der Irrtum des Täters für den Anstifter als eine Abweichung vom geplanten Tatgeschehen darstellt. Nach der Auffassung des BGH ist die Abweichung rechtlich unbeachtlich, wenn „sie sich in den Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Vorhersehbaren hielt, so daß eine andere Bewertung der Tat nicht gerechtfertigt ist“362. Der Zusammenhang zwischen der allgemeinen Lebenserfahrung und der rechtfertigenden Abwägung ist jedoch bedenklich. Zum einen bleibt unklar, ob die Verwechslung des Opfers durch den Täter generell vorhersehbar ist. Zum anderen folgt aus der Vorhersehbarkeit nicht notwendig die Vorsatzschuld. Die Vorhersehbarkeit kann nur die Fahrlässigkeitsschuld begründen. Deswegen ist die Begründung nicht völlig plausibel. Die Lehre363, die der Rechtsprechung im Ergebnis zustimmt, differenziert die Konstellationen nach dem Grad der Genauigkeit der Weisung des Anstifters. Wenn die Weisung ausreichend genau ist und der Haupttäter trotzdem eine Verwechslung begeht, dann liege aberratio ictus vor. Diese Auffassung führt zu einem Paradoxon: Wenn eine Verwechslung wahrscheinlich erscheint, wird der Anstifter eine detailliertere Beschreibung über die Zielperson, also genauere Weisungen geben. Daraus ergibt sich jedoch ein Widerspruch, da die Verwechslung einerseits vorhersehbar ist und somit eigentlich nur ein rechtlich irrelevanter error in persona vorliegen soll. Der Anstifter hat andererseits aber dem Täter schon genaue Weisungen gegeben, was für aberratio ictus spricht.364 Die überwiegend Lehre365 geht von der Abweichung aus und nimmt einen Exzess an. Zum einen stelle der Irrtum für den Anstifter eine vorsatzausschließende 361 Ausführlich Noltenius, Abgrenzung von Anstiftung und mittelbarer Täterschaft, S. 272 ff. 362 BGHSt. 37, 214, 217; schon das Preuß. Obertribunal, GA 7 332 ff. Zustimmend Welzel, Das deutsche Strafrecht11, S. 75; Gropp, Strafrecht AT3, 10 / 134; Wessels / Beulke, Strafrecht AT35, Rn. 579; Zieschang, Strafrecht AT, S. 181; durch das Vorstellungsbild differenzierend Baumann / Weber / Mitsch, Strafrecht AT11, 30 / 89. 363 Haft / Eisele, Keller-GS, S. 81, 96 f.; Joecks, MK § 26 Rn. 73; in dieser Richtung Hoyer, SK vor § 26 Rn. 53. 364 Wir können den Widerspruch bei Stratenwerth deutlich ablesen, Baumann-FS, S. 57, 65 f. 365 Bemmann, MDR 1958, 817, 821 f.; ders., Stree / Wessels-FS, S. 397, 400; Hillenkamp, Die Bedeutung von Vorsatzkonkretisierungen, 63 ff.; Müller, MDR 1991, 830 f.; Roxin, LK11, § 26 Rn. 92 ff.; ders., Täterschaft und Tatherrschaft, S. 215; ders., Strafrecht AT II, 26 / 119; Blei, Strafrecht AT18, S. 285; Schreiber, JuS 1985, 873, 877; Jescheck / Weigend, Strafrecht

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aberratio ictus dar, weil der abweichende Kausalverlauf den unbeteiligten Dritten verletzt. Zum anderen weiche der Kausalverlauf wegen der Verwechselung von dem Vorstellungsbild des Anstifters ab, obwohl der Täter den Fehler unvorsätzlich begeht. Wegen des Exzesses liege deshalb nur eine versuchte Anstiftung vor. Diese Auffassung ist aus folgenden Gründen zweifelhaft: Erstens ist die Analogie zwischen dem diskutierten Fall und der aberratio ictus beim Täter unhaltbar, da das ontologische Argument sich selbst widerspricht. Von der ontologischen Ebene aus betrachtet, besitzt der Täter die Herrschaft über die Ausführung. Eine aberratio ictus bedeutet das Entfernen des Kausalverlaufs von der Herrschaft des Täters. Ein Anstifter hingegen besitzt von vornherein keine Herrschaft wie ein Täter, weswegen es hier nicht um die Frage gehen kann, ob der tatsächliche Kausalverlauf der Herrschaft entgleitet. Zweitens: Für die Beurteilung eines Exzesses kommt es überhaupt nicht auf den Wunsch des Anstifters an, worauf der BGH366 völlig zutreffend hingewiesen hat. Vielmehr überprüft man das Vorstellungsbild des Anstifters anhand des Tatbestandes und seiner Verwirklichungsmöglichkeit. Im Ergebnis liegt der BGH trotz der oben genannten Kritik im Ergebnis richtig: Eine Entlastung des Anstifters allein wegen der Verwechselung des Opfers durch den Haupttäter ist falsch. Die Begründung müsste jedoch wie folgt lauten: Zunächst hat der BGH zutreffend auf den Ausgangspunkt hingewiesen, nämlich auf das in § 26 StGB geregelte Verhältnis zwischen Täterschaft und Teilnahme. Der Anstifter sollte gleich dem Täter bestraft werden, es sei denn, es gibt einen besonderen Grund, aus dem ein in der Person des Täters unbeachtlicher Umstand im Gegensatz dazu bei dem Anstifter als rechtserheblich behandelt werden soll. Das Argument zur Verneinung des Grundes einer Ungleichbehandlung ist jedoch nicht der Grad der Wahrscheinlichkeit der Verwechselung des Opfers. Vielmehr sprechen folgende zwei Argumente gegen eine Ungleichbehandlung: Zum einen ist die Unkenntnis über Details der Ausführung durch das Wählen der Handlungsweise, nämlich die Anstiftung, bestimmt.367 Das heißt, dass diese Unkenntnis ein Teil des Willensdes Täters ist. Deswegen verlangt man von der Anstiftung keinen „die Vollendung beherrschenden Willen“368. Auf der anderen Seite hat sich der Anstifter die Umrisse der Tat überlegt, also zumindest, dass der Angestiftete einen bestimmten Tatbestand verwirklichen wird. Erst dies ist rechtlich relevant. Daher liegt beim Anstifter ebenfalls ein error in persona vor, wenn sich der Täter an die vereinbarten Konkretisierungsprinzipien hält. Die tatbestandliche Verletzung ist dem Anstifter AT5, S. 690; Rudolphi, SK, § 16 Rn. 30; Schroeder, LK11, § 16 Rn. 14; Otto, Strafrecht AT7, 22 / 46; Köhler, Strafrecht AT, S. 528 f.; Lackner / Kühl, Strafgesetzbuch25, § 26 Rn. 6; Sowada, Jura 1994, 37, 42; Kühl, Strafrecht AT5, 20 / 209; Toepel, JA 1997, 248, 254 f. Kritisch Puppe, GA 1984, 101, 120 f.; Schroth, Vorsatz und Irrtum, S. 109. Zum sog. Gemetzel-Argument siehe Binding, Die Normen III, S. 214 Fn. 9. 366 Vgl. BGHSt. 37, 214, 218. 367 Vgl. Backmann, JuS 1971, 113, 120; Streng, JuS 1991, 910, 914. 368 So aber Köhler, Hirsch-FS, S. 65, 80.

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von vornherein bekannt.369 Diese notwendige Tatbestandsverwirklichung ist zum Tatwillen zuzurechnen. Irrelevant ist dabei die Unkenntnis über den konkreten Kausalverlauf, soweit dieser innerhalb des notwendigen Erfolgs liegt. Diese Unkenntnis stellt gerade die Besonderheit der Gleichgültigkeit als Vorsatz dar. Als Folge sind beide aus vollendetem Delikt zu bestrafen.

b) Mittelbare Täterschaft Es ist denkbar, dass der vom mittelbaren Täter ausgenutzte Tatmittler dem gleichen Irrtum wie der Angestiftete, z. B. einer Verwechslung, unterliegt. Der größte Teil der Lehre kommt in diesem Fall zur gleichen Lösung wie bei der Anstiftung, nämlich jeweils zu einem error in persona370, einer aberratio ictus371 oder einer differenzierenden Lösung372. Diese Übertragung ist jedoch bedenklich, denn die Herrschaft bei der Anstiftung und der mittelbaren Täterschaft sind nicht vergleichbar.373 Wenn man von der ontologischen Struktur der mittelbaren Täterschaft ausgeht, liegt eine aberratio ictus nahe, weil der beherrschende Hintermann kein pauschales, sondern ein präzises Vorstellungsbild hat. Je konkreter der Vorstellungsinhalt ist, desto leichter weicht der Kausalverlauf von ihm ab. Somit scheint das Ergebnis der überwiegend Lehre374 – eine den Vorsatz ausschließende aberratio ictus – schlüssig. Dieser Schluss ist jedoch voreilig, da zumindest noch überprüft werden muss, ob die Abweichung rechtlich relevant ist. Die Überprüfung ist keineswegs ontologisch, sondern vielmehr normativ. Da dieser Ansicht eine normative Überprüfung fehlt, ist sie nicht vertretbar. Zutreffend ist hingegen nach hier vertretener Auffassung folgende Prüfung beim Hintermann: Erstens, die Frage, was 369 Jakobs, Strafrecht AT2, 22 / 29; Küpper, JR 1992, 294, 296. Wessels / Beulke argumentieren richtig, dass das nachfolgende Geschehen in seinen wesentlichen Grundzügen dem Vorstellungsbild des Anstifters entsprechen müsse, Strafrecht AT35, Rn. 579; ähnlich Weßlau, ZStW 104 (1992), 105, 116 f. Gropp führt zutreffend aus, dass die tatbestandlich gleichwertige Verletzung ,vorprogrammiert‘ ist, Lenckner-FS, S. 55, 65; ders., Strafrecht AT3, 13 / 91. Zustimmend S / S / Cramer / Heine, Strafgesetzbuch27, § 26 Rn. 23. Vgl. Mitsch, Jura 1991, 373, 375; Gössel, Strafrecht8, S. 100; Geppert, Jura 1992, 167 f.; Schroth, Vorsatz und Irrtum, S. 109. 370 Z. B. Gropp, Strafrecht AT3, 10 / 79. 371 Z. B. Roxin, LK11, § 25 Rn. 149; Rudolphi, SK, § 16 Rn. 30; Hillenkamp, Die Bedeutung von Vorsatzkonkretisierungen, 68 f.; Schreiber, JuS 1985, 873, 877; Schroeder, LK11, § 16 Rn. 14; Kühl, Strafrecht AT5, 20 / 89; Jescheck / Weigend haben dieser Meinung zugestimmt, weil „der Vorsatz des mittelbaren Täters ebenso wie der Anstiftervorsatz den Erfolg der Tat umfassen muß“, Strafrecht AT5, S. 672. 372 Z. B. Stratenwerth, Strafrecht AT4, 8 / 99; ders., Baumann-FS, S. 57, 65 f. 373 Baumann / Weber / Mitsch, Strafrecht AT11, 30 / 88 f. 374 Welzel, Das deutsche Strafrecht11, S. 75; Roxin, LK11, § 25 Rn. 149; Rudolphi, SK, § 16 Rn. 30; Hillenkamp, Die Bedeutung von Vorsatzkonkretisierungen, 68 f.; Schreiber, JuS 1985, 873, 877; Jescheck / Weigend, Strafrecht AT5, S. 672; Kühl, Strafrecht AT5, 20 / 89; Kindhäuser, Strafrecht AT, 39 / 71. A.A. Zieschang, Strafrecht AT, S. 172.

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durch seine Handlung realisiert wird. Die Handlung ist das von ihm organisierte Tatgeschehen und eben nicht das, was er sich persönlich vorgestellt hat. Zweitens, bei Abweichungen, kommt es darauf an, ob seine Handlung nach abstrakter Kenntnis regelmäßig eine bestimmte Folge herbeiführt. Tut sie das, dann darf es unter normativen Gesichtspunkten nicht auf Unkenntnis des Hintermanns ankommen. Dass sich darauf beruft, ist unerheblich, er haftet aus vollendetem Delikt. Nach einer verbreiteten Auffassung375, die mit der differenzierenden Lösung bei der Anstiftung zusammenhängt, komme es darauf an, ob der Hintermann die Individualisierung des Tatobjekts dem Tatmittler überlässt. Wenn das der Fall ist, dann müsse der mittelbare Täter sich die Verwechselung zurechnen lassen. Im umgekehrten Fall sei auf aberratio ictus zu erkennen, denn der Tatmittler funktioniere wie ein mechanisches Werkzeug weisungswidrig. Schickt beispielsweise ein Arzt eine Krankenschwester mit einer Giftspritze in ein bestimmtes Zimmer, um einen Patienten zu töten, und verwechselt die Krankenschwester wegen ihrer Kurzsichtigkeit das Zimmer und bringt deshalb einen anderen Patienten um, so liege eine aberratio ictus vor.376 Anders verhalte es sich, wenn der Hintermann dem Tatmittler nur ein Photo des Tatobjekts gezeigt hat. Der mittelbare Täter müsse sich in diesem Fall, weil er die Individualisierung des Tatopfers dem Tatmittler überlassen hat, die Verwechselung wie eine eigene zurechnen lassen.377 Für die Zurechnung zum Vorsatz kommt es entgegen der oben dargestellten Meinung jedoch nicht darauf an, ob der Tatmittler mit der Individualisierung beauftragt wird. Nur weil der Hintermann den Tatmittler beauftragt hat, heißt das noch nicht, dass ihm alle Fehler des Tatmittlers zugerechnet werden können (Tatschuldprinzip). Hat der Hintermann bereits die genaue Konkretisierung des Tatobjekts gegenüber dem Tatmittler vorgenommen, so kann man nicht von einem versagenden menschlichen Werkzeug sprechen. Würde der Hintermann die Straftat eigenhändig begehen, so würde er möglicherweise demselben Irrtum unterliegen. Deswegen ist dieser Maßstab wenig plausibel. Entscheidend ist vielmehr, ob der unmittelbar Handelnde bei dem Irrtum kein Tatmittler mehr ist. Wenn der Tatmittler, anders ausgedrückt, die Tat absichtlich weisungswidrig unternimmt, dann kann von einem „Hintermann“ im Sinne eines mittelbaren Täters keine Rede mehr sein. Dem Hintermann ist das Geschehen zum Vorsatz also nur zuzurechnen, wenn man die Entwicklung des Geschehens seinem Tatwillen zuschreiben kann, also wenn der Tatmittler der vereinbarten Konkretisierung weisungstreu handelt.378 Ein Erfolg, der sich innerhalb dieses Rahmens befindet, ist eine notwendige Folge der 375 Wessels / Beulke, Strafrecht AT35, Rn. 550; S / S / Cramer / Heine, Strafgesetzbuch27, § 25 Rn. 51 ff.; Streng schränkt die allgemeinen Lebenserfahrung ein, JuS 1991, 910, 916. 376 Wessels / Beulke, Strafrecht AT35, Rn. 550. 377 Wessels / Beulke, Strafrecht AT35, Rn. 550. 378 Ein Beispiel kann diese Meinung gut darstellen: Wenn der Irrtum auf die Verwaltung des Krankenhauses zurückgeführt werden kann, dann ist der Hintermann wegen Vorsatzes zu bestrafen, denn die Krankenschwester handelt bei der Konkretisierung noch innerhalb des verabredeten Plans, Jakobs, Strafrecht AT2, 21 / 106.

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Handlung des Hintermanns. Die von der Weisung umfasste Unkenntnis des mittelbaren Täters über den konkreten Kausalverlauf, ist selbstbestimmt; der Hintermann bedient sich des Tatmittlers, nicht nur, um nicht selbst Hand anlegen zu müssen, sondern auch, um nicht alle Details der Tatausführung kennen zu müssen und tatsächlich zu kennen. Seine Entscheidung zur eigenen Unkenntnis ist zu seinem Tatwillen zuzurechnen, weswegen mit der Gleichgültigkeit Vorsatz vorliegt.

IV. Strafrechtliche Bewertung des Doppelindividualisierungsirrtums Die Fälle des Doppelindividualisierungsirrtums beschränken sich auf die Konstellationen, in denen der Täter das Opfer nicht sinnlich wahrgenommen hat. Das Prinzip einer Bewertung dieses Irrtumsproblems ist keinesfalls einseitig davon abhängig, ob dem Täter der Erfolg bekannt ist oder nicht, denn dann wäre diese Lösung eine Sackgasse. Nicht die sinnliche Wahrnehmung, die einen Teil des Bewusstseinszustands des Täters zum Zeitpunkt der Tat ausmacht, entscheidet über den strafrechtlichen Bewertungsmaßstab des Doppelindividualisierungsirrtums. Entscheidend ist vielmehr, ob und in welchem Maße die Handlungsweise, die den Tatbestand verwirklicht, als Ausdruck des Tatwillens angesehen werden kann. Die Fälle des Doppelindividualisierungsirrtums können hinsichtlich ihrer rechtlichen Struktur in folgende Gruppen eingeteilt werden:

1. Mangel an der objektiven Zurechenbarkeit Wenn ein Erfolg objektiv unzurechenbar ist, ist eine Diskussion, ob der Erfolg dem Täter zum Vorsatz zugerechnet werden kann, nicht mehr nötig. Denn es muss nicht weiter gefragt werden, welche Beziehung zwischen Risiko und subjektiver Tatseite besteht, d. h. welchen Sinn der Täter durch die Handlung ausdrücken möchte, solange diese Handlung nicht als tatbestandmäßige Handlung aufzufassen ist oder sie mit der Tatbestandsverwirklichung nicht zusammenhängt, bzw. der Täter für die Verwirklichung des Erfolgs nicht zuständig ist. Diese objektive Zuständigkeit ist eine normative Betrachtung, weswegen es nicht auf einen statistischen Maßstab ankommt, sondern darauf, ob der Erfolg mittels eines, durch ein Verhalten geschaffenes, Risiko erklärt werden kann. Für diese Erklärung spielt der Grad der Wahrscheinlichkeit eines Geschehensverlaufs keine Rolle, da sich ein Risiko auch atypischerweise verwirklichen kann.379 a) Zunächst soll eine Variante des Enzianschnapsfalls betrachtet werden: Der Täter vergiftet den Schlaftrunk seiner Frau und stellt den Trunk in die Nähe ihres 379 Jakobs, Strafrecht AT2, 7 / 78, 85. Ausführlich zum Begriff der Zuständigkeit Jakobs, Himeji Law Review 2004, 346 ff.

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Bettes, wo ihn aber ein Einbrecher trinkt. Obwohl der Erfolg (der Tod des Einbrechers) wegen des giftigen Getränkes eintritt, ist dieser Erfolgsverlauf nicht objektiv zurechenbar, weil er den Normzweck verfehlt. In dieser Konstellation besteht deswegen kein unerlaubtes Risiko. Vielmehr schafft die Handlung des Täters nur für die Hausmitglieder und Gäste ein unerlaubtes Risiko.380 b) Ähnlich ist die Situation, wenn im Bombenlegerfall die Bombe von einem Autodieb zur Explosion gebracht und dieser dadurch getötet wird. Hier ist der Erfolgseintritt ebenfalls wegen des fehlenden Normzweckes nicht objektiv zurechenbar, weswegen nicht mehr gefragt werden muss, ob der Täter durch seine Handlung ein Nichtanerkennen der Normgeltung ausgedrückt hat.

2. Regelmäßigkeit der Tatbestandsverwirklichung Ein Erfolg, der objektiv zurechenbar ist, bezeichnet einen Normbruch, dem das Strafrecht durch die Strafe widerspricht. Die Höhe der Strafe bemisst sich nach dem Ausdruck der Handlung, sei es das explizite Nichtanerkennen der Normgeltung (höhere Strafe), sei es der unzureichende Normbefolgungswille. Es muss erneut betont werden, dass der Vorsatz eine schwere Schuldform, aber keine Bewusstseinform ist. Ein Normbruch, der durch eine Handlung mindestens regelmäßig herbeigeführt wird, kann dem Täter trotz der mangelnden konkreten Kenntnis zum Vorsatz zugerechnet werden, da in diesem Fall dem Verhalten ein allgemeines Handlungsprinzip zugrunde liegt. Ob der Erfolg dem Täter unbekannt ist oder ob der Täter ihn sich falsch vorgestellt hat, spielt für die Erfolgszurechnung zum Vorsatz dann keine Rolle mehr.

a) Bombenlegerfall Bei diesem Fall hat der Täter eine Handlungsweise gewählt, die außer für die Zielperson auch noch für andere Leute innerhalb der Reichweite gefährlich ist. Das ist nicht nur bei einer Bombeninstallation im falschen Auto der Fall, sondern auch bei einer im richtigen Auto, da ein Fahrzeug im Alltag üblicherweise auch den Familienangehörigen zur Verfügung steht. Genauer gesagt ist ein Auto ein alltägliches Werkzeug, das den Menschen je nach Bedarf jederzeit dient. Diese Tatsache gehört zur abstrakten Kenntnis. Solche im Alltag geltenden Gesetze zählen zu dem jedem zur Verfügung stehenden Erfahrungswissen.381 Der Tatbestandsverwirklichung ist bei dieser Konstellation kaum auszuweichen, weswegen dies bereits die Grundlage für den direkten Vorsatz sein kann. Die Unkenntnis über die konkrete Folge bzw. die Nichtwahrnehmung des Tatobjekts sind rechtlich irrele380 381

Vgl. Jakobs, Strafrecht AT2, 7 / 76 f. Vgl. BGH NStZ 2005, 90, 91.

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vant, da die Tatbestandsverwirklichung schon von Anfang an zum Handlungswillen gehört, wenn diese nach der abstrakten Kenntnis durch die Handlung regelmäßig herbeigeführt wird. Dieser gleichgültige Handlungswille enthält eine vom Täter durch seine Handlung ausgedrückte Behauptung dahin gehend, dass er die Geltung der Norm, welche die Tatbestandsverwirklichung verbietet, nicht anerkennt. Der Vorsatz ist deswegen festzustellen, unabhängig davon, dass die Kausalabweichung, die innerhalb des Rahmes der Regelmäßigkeit liegt, dem Täter unbekannt ist. Worüber sich der Täter geirrt hat, ist die Identität des tatsächlichen Benutzers. Diese gehört zum error in persona und ist rechtlich irrelevant. Nach der Lehre von Jakobs ist beim Bombenlegerfall jedoch darauf abzustellen, ob der Täter gegenüber einer konkreten Folge beim Opfer (beim tatsächlich ersten Autobenutzer) gleichgültig ist; wenn das nicht der Fall ist, befindet sich der Täter im Irrtum. Dieser Irrtum sei der Handlungsweise wegen als Fahrlässigkeit bzw. grobe Fahrlässigkeit zu bewerten. Bei den zu differenzierenden Konstellationen handelt es sich um folgende Sachverhalte: Dem Familienfeind ist die Identität des geschädigten Familienmitglieds gleichgültig. Seine Unkenntnis über das konkrete Opfer ist kein Irrtum, sondern ein aus Desinteresse folgendes Nicht-Wissen. Anders verhält es sich, wenn der Täter ausschließlich ein bestimmtes Mitglied der Familie töten will. Dann ist der Tod eines anderen Familienmitglieds nicht als für den Täter gleichgültig anzusehen. Die Meinung382, der Täter habe das Risiko für Dritte zur Tatzeit nicht gesehen, erkennt die sinnliche Wahrnehmung als einzige Quelle der Kenntnis an. Die Ansicht übersieht jedoch, dass der Täter als Person von Anfang an ein Verständnisvermögen und vorhandene Erkenntnis besitzt. Diese Gegenmeinung wäre nur zutreffend, wenn der Täter grundsätzlich nicht weiß, was ein Auto ist oder wie eine Bombe funktioniert. Im Fall der Installation einer Bombe mit einer Induktionsschleife und einem Zählwerk hinter einer Brücke verhält es sich nicht anders. Der Täter installiert die Bombe hinter einer Brücke, die für den öffentlichen Verkehr immer zugänglich ist. Die Bombeninstallation an diesem Ort bringt jeden Benutzer der Brücke in Todesgefahr. Diese Notwendigkeit gehört zur abstrakten Kenntnis. Dass nach der Vorstellung und dem Tatplan des Täters ausschließlich die Zielperson in Gefahr geraten sollte, ist deshalb rechtlich irrelevant. Die Handlung hat durch ihren regelmäßigen Erfolg einer etwaigen diesbezüglichen individuellen Deutung durch den Täter widersprochen. Vorsatz in Form von Gleichgültigkeit liegt vor, weil der Täter überhaupt nicht beachtet hat, dass seine Handlung notwendigerweise einen Menschen verletzt.

382 Herzberg, NStZ 1999, 217, 220 f.; Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, S. 174; Krack, JuS 1999, 832; Heinrich, Strafrecht AT II, Rn. 1112.

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b) Fangbrieffall In der Rechtsprechung des BGH wird der Schutz des Einzelnen bei der Beurteilung der Wesentlichkeit des Irrtums über den Kausalverlauf vernachlässigt, obwohl deren Schutz in den Urteilsgründen ebenfalls anerkannt wird. Die h. M. ist hier einseitig und nicht ausreichend begründet, weil sie sich ebenfalls ausschließlich auf den Schutz der Rechtspflege konzentriert. Ein weiteres Problem liegt darin, welche Lösung überzeugend ist, wenn man auch die falsch verdächtigte Person als mitgeschützt berücksichtigt. Um eine überzeugende Lösung zu finden, ist davon auszugehen, dass es für den inneren Tatbestand als Handeln „wider besseres Wissen“ im Sinne von § 164 StGB ausreicht, wenn ein Täter im Zeitpunkt der Verdächtigung die Unrichtigkeit der Verdachtstatsachen kennt oder für sicher hält. Für alle anderen Merkmale reicht dolus eventualis aus.383 Das Argument der Versuchslösung384, nach dem Gesetzeswortlaut müsse der Täter einen anderen in der Absicht verdächtigen, ein behördliches Verfahren gegen den Verdächtigten herbeizuführen, ist zweifelhaft. Diese Absicht als besonderes subjektives Tatbestandsmerkmal hat kein Gegenstück im objektiven Tatbestand.385 Sie ist vom Tatbestands-Vorsatz zu unterscheiden. Der Gegenstand des Vorsatzes, der objektiven Tatbestand des § 164 Abs. 1 StGB, ist, dass „ein anderer bei einer Behörde etc. oder öffentlich einer rechtswidrigen Tat oder der Verletzung einer Dienstpflicht falsch verdächtigt wird“386. Hingegen ist die Absicht des Täters dann gegeben, wenn dieser die Herbeiführung eines behördlichen Verfahrens oder anderer behördlicher Maßnahmen gegen den Verdächtigen bezweckt.387 Das heißt, dass sich die Absicht auf die Einleitung oder das Fortdauern eines behördlichen Verfahrens etc. richtet, und dass es irrelevant ist, ob diese Einleitung oder Fortführung ganz oder teilweise eintritt.388 Zurück zum Sachverhalt: Während der Ermittlungen der Kriminalpolizei nimmt der Täter Geld aus einem Brief und legt den leeren Umschlag in das Büro einer Kollegin, das für mehrere Angestellte zugänglich ist. Der Täter wünscht, dass eine bestimmte Person dadurch in Verdacht gerät. Er muss aber auch bedacht haben, dass wegen der offenen Zugänglichkeit des Büros ein anderer Angestellter diesen Brief öffnen kann. Das bedeutet: Der Täter hatte zwar konkrete Kenntnis der offenen Zugänglichkeit, aber nur abstrakte Kenntnis bezogen auf die Möglichkeit, dass ein anderer den Brief öffnet. Diese Möglichkeit könnte der Täter, eben weil sie Ruß, LK11, § 164 Rn. 28. 384 Herzberg, ZStW 85 (1973), 867, 892; Ruß, LK11, § 164 Rn. 30; Roxin, Strafrecht AT 4 I , 12 / 170; Rengier, Strafrecht BT II7, 50 / 25; Schroth, Vorsatz und Irrtum, S. 106. 385 Stratenwerth, Strafrecht AT4, 8 / 131, 138; Jescheck / Weigend, Strafrecht AT5, S. 319. 386 Rudolphi / Rogall, SK, § 164 Rn. 9. Vgl. Vormbaum, NK2, § 164, Rn. 11; Tröndle / Fischer, Strafgesetzbuch53, § 164 Rn. 3 ff.; Zopfs, MK, § 164 Rn. 19 ff. 387 BGHSt. 18, 204, 206; Tröndle / Fischer, Strafgesetzbuch53, § 164 Rn. 13; Rudolphi / Rogall, SK, § 164 Rn. 42 f.; Vormbaum, NK2, § 164, Rn. 11; Zopfs, MK, § 164 Rn. 42. 388 Rudolphi / Rogall, SK, § 164 Rn. 43. 383

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abstrakt war, regelmäßig bedacht haben. Daher wird ihm der Erfolg als Teil des Tatwillens zugerechnet, auch wenn der Täter tatsächlich keine Kenntnis davon hatte, dass der Tatbestand bei einem Dritten verwirklicht wurde. Eben diese Unkenntnis ist auf den Tatwillen als Gleichgültigkeit zurückzuführen.

c) Essplatz- und Hotelzimmerwechselfall In diesen beiden Konstellationen ist der Eintritt der Tatbestandsverwirklichung nach der abstrakten Kenntnis ebenfalls eine regelmäßige Folge. Es verhält sich in der Regel so, dass die für die Gäste vorbereiteten Speisen oder Getränke von diesen auch verzehrt werden. Hinsichtlich dieser abstrakten (allgemeinen) Kenntnis lässt sich somit sagen: Für den Erfolgseintritt wird der gleichgültige Täter als Vorsatztäter bestraft, wenn er die von den Gästen bestellten Speisen oder Getränke vergiftet, und diese dem Gast, der dadurch ums Leben kommt, serviert werden. Dieser durch eine bewusste Handlung regelmäßig herbeigeführte Erfolg ist zum Tatwillen zuzurechnen. Die Unkenntnis der Identität des Opfers ist deshalb rechtlich nicht relevant.

3. Unregelmäßigkeit der Tatbestandsverwirklichung Wenn ein Erfolg nach der abstrakten Kenntnis nur möglich, aber nicht regelmäßig ist, verhält es sich anders. Handelt in dieser Konstellation ein Täter in Unkenntnis, so ist der Sinnausdruck seiner Handlung weder durch die konkrete noch durch die abstrakte Kenntnis kommunikativ feststellbar. Das heißt, obwohl dem Täter der Erfolg schon objektiv zugeschrieben werden kann, ist der subjektive Inhalt der Zuschreibung (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) noch nicht festgelegt. Der Handlung des Täters ist hier keine allgemeine Aussage eines Widerspruchs gegen die Normgeltung zu entnehmen. a) Zu dieser Gruppe gehört der Enzianschnapsfall. Anders, als wenn die vergiftete Flasche etwa auf eine Parkbank gelegt würde, beschränkt sich das Risiko bei diesem Fall eigentlich ausschließlich auf den Ehemann und hat jedenfalls die Schwelle zum Versuch eines Tötungsdelikts bereits überschritten.389 Dem Ehemann wird vergifteter Schnaps gegeben, den dieser verschenkt oder mit jemandem teilt. Das Weiterverschenken durch den Ehemann oder, dass er den Schnaps mit anderen zusammen trinkt, ist jedoch situativ und individuell bedingt. Die Folgen sind nicht eindeutig abzusehen. Wenn der Täter dem Opfer ein Fass Bier schenkt, ist der gemeinsame Genuss mit anderen als regelmäßiger Fortgang des Geschehens anzusehen und damit die Unkenntnis über das Teilen rechtlich irrelevant. Die Zurechnung zum Vorsatz kann in diesem Fall mit der Begründung der Regelmäßig389

BGHSt. 43, 177, 180 f.; Roxin, JZ 1998, 211, 212.

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keit nach abstrakter Kenntnis erfolgen. Anders jedoch beim Verschenken eines „Piccolos“. b) Vergleichbar ist die Konstellation, wenn beim Bombenlegerfall die Autobombe aus einem unkontrollierbaren Grund vorzeitig explodiert und dadurch ein Fußgänger getötet wird. Hier ist nicht mehr von einer Regelmäßigkeit oder Notwendigkeit dieses konkreten Erfolgs zu sprechen, weswegen der Vorsatz ausgeschlossen wird. Der zufällige Tod des Fußgängers zeigt keine Nichtanerkennung der Normgeltung und ist nicht zum Tatwillen des Täters zuzurechnen.

§ 12 Ergebnisse I. Zusammenfassung der vorliegenden Untersuchung in Thesen Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Rolle der Unkenntnis bei der subjektiven Zurechnung. Schwerpunkt der Untersuchung ist, welche Bedeutung eine Unkenntnis bei der Kausalverlaufsabweichung, der aberratio ictus und dem error in objecto hat, insbesondere beim Doppelindividualisierungsirrtum. Das Ergebnis der Arbeit lässt sich in folgenden Thesen zusammenfassen: 1. Die subjektive Zurechnung ist keinesfalls von individueller Deutung abhängig, vielmehr handelt es sich bei der Zurechnung um eine normative Bewertung. Das heißt, dass die Überprüfung der subjektiven Zurechnung darauf abstellt, ob der Täter rechtsuntreu ist. Eine Handlung wird als vorsätzlich bezeichnet, wenn sie objektiv ausdrückt, dass die Geltung der Norm nicht anerkannt wird. 2. Die herkömmlichen Komponenten des Vorsatzes, die Kenntnis und das Wollen, beschreiben den Prozess der Motivierung: Der Handelnde kann aufgrund seiner Kenntnis versuchen, einen Normverstoß zu begehen. Er kann auch wegen seines Willens zur Tatbestandsverwirklichung diese Kenntnis ausnutzen, um ein Ziel zu erreichen. Die Beziehung zwischen Kenntnis und Willen ist deshalb richtigerweise als Verhältnis der Wechselseitigkeit zu kennzeichnen. Durch die Wechselseitigkeit zeigt der Motivationsprozess, ob die Normgeltung von dem Handelnden anerkannt wird oder nicht. Die häufig in der Literatur gegebene psychologisierte Vorsatzdefinition widerspricht sich selbst, denn einerseits wird angenommen, dass der Wille das Wissen voraussetze. Andererseits wird behauptet, zwischen Willen und Wissen liege ein Kompensationsverhältnis vor. Unabhängig davon, ob Unrecht und Schuld trennbar sind oder nicht, ist der Vorsatzbegriff kein ontologischer, sondern ein normativer; der Vorsatz als subjektiver Unrechtstatbestand erweist sich wie der objektive Tatbestand als Bewertungsergebnis.

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3. Aus der Wechselseitigkeit zwischen Kenntnis und Wollen ergibt sich, dass Unwissenheit allein kein ausreichender Entlastungsgrund sein kann. Nach der in dieser Arbeit entwickelten Konzeption muss die Lösung wie folgt aussehen: Grundlegend für die hier vorgeschlagene Lösung ist die Unterscheidung zwischen abstrakter und konkreter Kenntnis. Die abstrakte Kenntnis ist die Kenntnis über die soziale Norm und die rationalnaturwissenschaftlichen Regeln. Nach der abstrakten Kenntnis kann man generell beurteilen, ob eine Tatbestandsverwirklichung wegen einer Handlung möglich, regelmäßig oder notwendig eintritt, ohne dass die konkreten Umstände bis ins kleinste Detail zu berücksichtigen sind. Die konkrete Kenntnis ist das Bewusstsein in der konkreten Situation. Tritt ein Erfolg nach der abstrakten Kenntnis regelmäßig oder notwendig ein, so ist die Unkenntnis bezüglich des Kausalverlaufes für die rechtliche Bewertung irrelevant. Die Bedeutung der abstrakten Kenntnis liegt darin, dass man durch sie den in der Handlung des Täters ausgedrückten Widerspruch zur Normgeltung objektiv feststellen kann. Erst wenn ein Erfolg wegen einer Handlung nach der abstrakten Kenntnis ungewiss ist, also nur möglicherweise eintritt, spielt das Vorliegen oder Nichtvorliegen der konkreten Kenntnis eine Rolle. Die Konsequenz des Nichtvorliegens der konkreten Kenntnis ist, dass diese Unkenntnis als Entlastungsgrund gilt, sofern man nach der abstrakten Kenntnis nicht von der Regelmäßigkeit eines Erfolgs sprechen kann. Bei dieser Konstellation ist es nicht möglich, seinen Normwiderspruch aus der Handlung des Täters deutlich abzulesen. Somit ist nur noch Fahrlässigkeit als „Unsorgfältigkeit“ feststellbar. Der Grund der Strafbarkeit des Fahrlässigkeitsdelikts liegt in dem nur versehentlich fehlenden Normbefolgungswillen des Täters. Hingegen wird ein Tatwille zur Rechtsuntreue bekundet, wenn der Erfolg nach der abstrakten Kenntnis regelmäßig oder notwendig durch die Handlung des Täters herbeigeführt wird. Es liegt dann Vorsatz vor, da der Täter durch seine Handlung sein Nichtanerkennen der Normgeltung bereits objektiv erkennbar ausdrückt. Anders als die konkrete Kenntnis bedeutet die Detailkenntnis das Wissen über die Einzelheiten des Kausalverlaufs. Die Detailkenntnis wird für die Vorsatzzurechnung nicht verlangt, weswegen die mangelnde Detailkenntnis rechtlich irrelevant ist. 4. Die Bewertung eines Irrtums jedweder Art zeigt, dass die Erfolgszurechnung zum Vorsatz kein Prozess der Untersuchung des Gedankeninhalts oder der Analyse des Bewusstseinszustands des Täters ist. Der Vorsatzbegriff darf nicht als ein psychologisches Phänomen definiert oder durch die ontologische Handlungslehre erklärt werden. Hingegen ist der Vorsatz als schwere Schuldform eine rechtliche Beurteilung, die aus rein normativen Elementen besteht. Erst durch die normative Interpretation kann man eine Vorsatzlehre im Strafrecht von der Begriffsdefinition bis zu den Irrtumsproblemen konsequent begründen und durchsetzen.

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5. Der Täter, der durch seine Gleichgültigkeit die Tatumstände nicht kennt, muss aus Vorsatz bestraft werden, wenn wir den normativen Sinn dieser Handlung durch die abstrakte Kenntnis verstehen können. Mit anderen Worten: Wir können die Gleichgültigkeit des Täters gegenüber dem Rechtsgut eines anderen kennen und festlegen, wenn die Handlung notwendig oder regelmäßig dazu führt, es zu verletzen. Um den genannten Gedanken zu verdeutlichen seien folgende Beispiele genannt: Nach dem Genuss wirf A eine leere Glasflasche auf den Boden eines Parkplatzes, die zerspringt. Mangels Interesses bedenkt A nicht die Folge seiner Handlung. Es ist denkbar, dass durch die Scherben die Reifen eines Fahrrades zerstört und ein Fußgänger verletzt werden könnten, oder dass ein laufendes Kind wegen der Scherben stürzt und dadurch im Sinne von § 226 StGB schwer verletzt wird. Es ist auch vorstellbar, dass A sich selbst später bei der Rückkehr verletzt, da er ja nicht an die Scherben gedacht hat und denkt. Die Handlung des Täters, der sich eigentlich nur seiner Flasche entledigen wollte, kann eine Vielzahl von variablen Folgen nach sich ziehen. Alle denkbaren Folgen gehören zum Sinn dieser Handlung, weswegen diese für sich genommen strafrechtlich nicht exakt eingeordnet werden kann; es ist lediglich bekannt, dass die Handlung durch die Gleichgültigkeit des Täters entsteht. Aber wenn der Täter die Flasche auf einem Kinderspielplatz gedankenlos fallen lässt, ist der Eintritt einer Körperverletzung nach abstrakter Kenntnis regelmäßig, denn dort spielen kleine Menschen in Bodennähe, die beim Spielen regelmäßig unachtsam sind. Die Gleichgültigkeit als Tatwille ist in dieser Konstellation klar festzustellen. Nur als Vorsatztat ist diese Handlung rechtlich zutreffend zu bewerten. Das in dieser Arbeit entwickelte Konzept löst die Problematik der Unkenntnis, die wegen des Desinteresses des Handelnden unmittelbar herbeigeführt wird. Die Anwendung des vorgeschlagenen Maßstabs der abstrakten Kenntnis lässt sich anhand der folgenden Fälle darstellen: 6. Ein sog. Irrtum über den Kausalverlauf ist ein Irrtum bei Vorliegen konkreter Kenntnis. Diese Art von Unkenntnis kann die vorsätzliche Vollendung verhindern, wenn der Erfolg nach abstrakter Kenntnis nur möglich, jedoch weder notwendig noch regelmäßig ist. Die Tatbestandsverwirklichung ist zwar objektiv zurechenbar, doch ist dies für sich genommen für die Erfolgszurechnung zum Vorsatz unzureichend. Bei Kausalverlaufsirrtümern muss für die Vorsatzzurechnung der Erfolg durch die Handlung mindestens regelmäßig eintreten, denn nur dann kann der Sinngehalt der Handlung hinsichtlich der Gleichgültigkeit deutlich festgestellt werden. 7. Auf die Bestrafung hat die Unkenntnis in Fällen des error in objecto vel persona keinen Einfluss, jedoch nicht, weil das Gesetz nur einen Gattungsvorsatz verlangt, sondern weil der Täter alle vom Tatbestand geregelten Umstände kennt und die Handlung trotzdem unternimmt. Das Verhalten kann auf den Tatwillen zurück-

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geführt werden und hat bereits klar das Nichtanerkennen der Normgeltung zum Ausdruck gebracht. Die Rechtsfigur des Gattungsvorsatzes ist abzulehnen. 8. Die aberratio ictus als eine Art des Irrtums über den Kausalverlauf muss mit dessen Maßstab, nämlich mit der abstrakten Kenntnis, dahingehend überprüft werden, ob die subjektive Zurechnung zum Vorsatz erfolgen kann. Der Vorsatz ist nicht auszuschließen, wenn der Erfolg durch die Handlung nach abstrakter Kenntnis regelmäßig oder notwendig herbeigeführt werden kann, nämlich z. B. wenn das tatsächlich getroffene Objekt und das Zielobjekt dicht nebeneinander stehen. Dass der gleichgültige Täter das Risiko für nahebei stehende Dritte nicht beachtet, hindert die Vorsatzzurechnung nicht. Die Bewertung wird nicht durch die Unkenntnis, die der Täter mittels der Deaktivierung des Verstandsvermögens herbeiführt, beeinflusst. Wenn diese Konstellation nicht vorliegt, liegt auch kein Vorsatz vor. Dies ist mit der h. M. im Ergebnis kompatibel. 9. Eine dem Doppelindividualisierungsirrtum naheliegende Fallgruppe sind die Situationen, in denen ein Vordermann einer Personenverwechselung unterliegt. In diesen Fällen haben Anstifter und mittelbarer Täter das Opfer ebenfalls nicht vor Augen. Die überwiegende Lehre zu dem Problem, wie die Handlung des Anstifters oder des mittelbaren Täters bewertet werden muss, erweist sich als inkonsequent. Diese Lehre nimmt einerseits beim Doppelindividualisierungsirrtum einen error in persona an. Aber anderseits werden Personenverwechslungen durch den unmittelbaren Täter von ihr als aberratio ictus des Anstifters oder des mittelbaren Täters bewertet. Diese beiden Fallgruppen werden trotz ihrer ontologischen Gemeinsamkeit (der Täter hat in beiden Fällen das Zielobjekt nicht direkt vor Augen) von der ontologisch und psychologisch argumentierenden überwiegenden Lehre ungleich behandelt, wodurch ein innerer Widerspruch entsteht. 10. Für die Bewertung des Doppelindividualisierungs-„Irrtums“ kommt es nicht darauf an, ob der Irrtum als error in objecto oder aberratio ictus einzuordnen ist, denn die drei Konstellationen unterscheiden sich grundsätzlich voneinander. Die Beurteilung des Doppelindividualisierungsirrtums ist an der Irrtumslehre zu orientieren: Das Kriterium der subjektiven Zurechnung bei Irrtumsproblemen ist, ob die Tatbestandsverwirklichung durch die Handlung nach der abstrakten Kenntnis mindestens regelmäßig ist oder nicht. Wenn der tatbestandsmäßige Erfolg nach abstrakter Kenntnis wegen der Handlung regelmäßig oder notwendig eintritt, wie z. B. beim Bombenleger- und Platztauschfall, dann ist die mangelnde konkrete Kenntnis kein Hindernis für das Vorliegen des Vorsatzes, denn ein Tatwille in Form der Gleichgültigkeit wird durch die Handlung unwiderlegbar ausgedrückt. Es verhält sich anders, falls man nach abstrakter Kenntnis von der Regelmäßigkeit nicht sprechen kann, wie z. B. beim Enzianschnapsfall. Eine normative Bewertung, die einen Tatwillen feststellen könnte, ist hier weder durch konkrete noch durch abstrakte Kenntnis begründbar. Der Vorsatz liegt daher in diesen Fällen nicht vor.

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II. Schlussbetrachtung und Ausblick Nach der Untersuchung dieser Arbeit ist zunächst festzustellen, dass der Begriff der Doppelindividualisierung kein zutreffender ist, denn bei dieser Konstellation hat der Täter nicht wirklich zwei Individualisierungen vorgenommen. Vielmehr identifiziert er das Zielobjekt mit dem Verletzungsobjekt der von ihm in Gang gesetzten Kausalkette, weswegen er sich ausschließlich eine Verletzung des Zielobjekts vorgestellt hat. Der Begriff der Doppelindividualisierung bedeutet daher nicht, dass Alternativvorsatz vorliegt. Der Begriff der Doppelindividualisierung ist nur als Bezeichnung einer Fallgruppe verwendbar. Die Besonderheit der subjektiven Zurechnung besteht darin, dass sie sich auf die Bewertung der angewendeten subjektiven Befähigungen der handelnden Person bezieht. Diese Beurteilung kann den Tatwillen feststellen, indem sie beobachtet, in welcher Weise der Handelnde pflichtwidrig reagiert hat. Der Gemütszustand ist so zwar Gegenstand der Bewertung, nicht jedoch Bewertungsmaßstab. Nach den Untersuchungen, die durch diese Arbeit angestellt wurden, muss man die folgenden Forderungen stellen: Erstens ist es nötig, dass die subjektive Zurechnung als normative Bewertung vom Psychologismus befreit wird. Zweitens ist die unbefriedigende Vorschrift des § 16 StGB zu ändern. Das Verantwortungsprinzip muss bei § 16 StGB ebenso wie bei § 17 StGB gelten. Das heißt, allein die Unkenntnis ist keine ausreichende Bedingung für den Vorsatzausschluss. Vielmehr müsste man außerdem überprüfen, ob die Unkenntnis eben ein Resultat des Tatwillens im Sinne von Rechtsuntreue ist. Es müsste ein zusätzliches Kriterium geben, nach dem entschieden werden kann, ob ein Tatwille normativ vorliegt oder nicht. Dieses Kriterium könnte nach der oben vorgeschlagenen Konzeption darauf abzielen, ob der Erfolg nach abstrakter Kenntnis weder regelmäßig noch notwendig durch die Handlung herbeiführt wird oder eben doch. Man könnte wohl auch aus den Gedanken des Thomas von Aquin weitere Voraussetzungen festlegen, wenn man seine Lehre der gewollten Unwissenheit in die Neufassung des § 16 StGB mit einbezieht. Das kann hier nicht mehr genauer untersucht werden.

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Sachwortverzeichnis aberratio ictus 17, 19, 20, 22, 25 – 31, 33 – 35, 37 – 40, 42, 44, 56, 65, 66, 69 – 73, 75, 77, 79 – 83, 85 – 88, 137, 197, 210 – 212, 214, 221, 224 Absicht – als besonderes subjektives Tatbestandsmerkmal 219 – als dolus directus 1. Grad 61, 68, 100, 104, 112, 120, 145, 154, 164, 165 – im hegelschen Sinne 141, 142, 196, 199 Adäquanztheorie 45, 53, 63, 64, 78 – 80, 137 Alternativvorsatz 19, 64, 225 Anstiftung 81, 212 – 215 Desinteresse 174, 185, 186, 197, 201, 210, 218, 223 Deutung 203, 207 – individuelle 78, 134, 191, 201, 206, 218, 221 – soziale 175, 203, 206 dolus als Absicht 92 dolus antecedens 54, 62 dolus directus 61, 77, 100, 104, 105, 112, 115, 120, 137, 138, 154, 164, 166, 194, 195, 197, 217 dolus eventualis 21, 52, 61, 64, 77, 95, 98, 100, 104, 106, 108, 111, 112, 115, 119, 120, 137, 138, 154, 167, 188, 195, 199, 219 dolus generalis 105, 117, 118, 164, 167, 186 dolus indirectus 64, 93 – 95, 192, 194 – 196, 199 dolus subsequens 54, 174 Doppelindividualisierung 17, 19, 27 – 29, 32, 34, 35, 37, 40 – 42, 65, 84, 225 Doppelindividualisierungsirrtum 17 – 19, 26 – 31, 36, 39, 41, 42, 44, 45, 64 – 66, 71, 72, 87, 88, 128, 186, 205, 211, 216, 221, 224

erfolgsqualifizierte Delikte 191, 192 error in objecto vel persona 17, 19 – 23, 26 – 31, 34 – 39, 41, 43, 44, 65 – 71, 73, 77, 78, 80 – 83, 86, 87, 89, 205, 211 – 213, 218, 221, 223 Fahrlässigkeit 28, 34, 45, 58, 66, 79, 93, 98, 102, 103, 117, 120, 131 – 133, 137, 149, 163, 171, 173, 175, 179, 181 – bewusste 100, 108, 116, 118, 119, 124, 154, 161 – 163, 167 – gerichtete 186 – grobe 145 – im psychologischen Sinne 98, 119, 125 – unbewusste 161 Finalismus 28, 43, 45, 65, 68, 73, 78, 80, 104 – 106, 108, 109, 131, 136, 137, 155, 165, 168, 171, 201 Gattungsvorsatz 31, 44, 81 – 83, 87, 200, 223 Gefährdungsdelikt – abstraktes 147 – konkretes 148 Gefährdungsvorsatz 147, 162, 188 – 190 Gleichgültigkeit 64, 93, 95, 101, 103, 111, 118, 153, 155, 157, 169, 186, 187, 189, 196 – 198, 200, 201, 205, 207, 208, 210, 214, 216, 218, 220, 223, 224 Gleichwertigkeitstheorie – formelle 80 – 83, 85 – materielle 25, 84, 85 Individualisierung 36, 38, 39, 66, 67, 70, 80, 82 – 84, 86, 211, 215 – mittelbare 22, 42 Individuum 90, 98, 120, 127 – 129, 131 – 133, 139, 140, 142, 155, 157, 169 Irrtum 66, 76, 175, 204 – Erlaubnistatbestandsirrtum 70, 71, 175 – 177 – Subsumtionsirrtum 71

246

Sachwortverzeichnis

Kausalismus 120, 131, 135, 136, 201 Kausalverlaufsirrtum 27 – 29, 33 – 35, 37, 42, 43, 45, 46, 51 – 53, 55, 56, 60, 61, 63 – 65, 68, 70, 72 – 74, 78, 82 – 84, 89, 149, 206 – 209, 212, 218 – dolus generalis 46, 57, 58, 61, 63, 65, 83, 197, 208 – 210 – vorzeitiger Erfolgseintritt 45 – 48, 50, 51, 53 – 55, 57, 58, 62, 197, 207, 208 Kenntnis – abstrakte 140, 143 – 148, 150, 157, 159 – 161, 163, 165 – 170, 178, 179, 189, 190, 192, 198, 200, 201, 203, 205, 207, 210, 215, 217 – 225 – detaillierte 144, 165, 200, 206, 222 – konkrete 140, 141, 143 – 146, 149, 159, 165, 168, 170, 178, 189, 191, 192, 200, 207, 211, 217, 219, 220, 222 – 224 Kenntnisprinzip 126, 137, 175 Konkretisierungstheorie 73 – Lebenskonkreta 41, 66, 76 Mittelbare Täterschaft 40, 214, 215 Motiv 61 Motivirrtum 21, 66, 67, 70, 72 Norm 84, 103, 111, 112, 116, 129 – 131, 133, 134, 140, 143, 146, 148, 150, 153, 155, 157, 158, 160, 161, 163, 165, 168, 169, 174, 175, 177, 178, 222 – schwache 110, 173 – starke 110, 173, 174 Normbefolgung 130 – 133, 153 Normbefolgungswille 129 – 132, 134, 150, 155, 158, 159, 161, 163, 175, 217, 222 Normgeltung 110, 120, 131, 133, 134, 150, 169, 174, 175, 178, 217, 218, 220, 221 Normunkenntnis 110, 130, 172 Normverletzung 158, 170, 174, 175 Person 107, 110, 127 – 133, 139, 140, 142, 144, 145, 147, 149, 151, 155, 157 – 159, 161, 169, 196, 203, 208, 218, 225 poena naturalis 110, 174, 175, 196 – 198 Psychologismus 68, 69, 93, 94, 98, 120, 122, 125 – 127, 130, 143, 196, 224, 225

Rechtstreue 102, 108, 178 Rechtsuntreue 111, 134, 157, 170, 178, 186, 222, 225 – versehentliche 163 Tatsachenblindheit 126, 185 – 189, 191, 196 Tatwille 131 – 134, 145, 146, 150, 155, 157, 159, 163, 165, 167, 169, 170, 174, 175, 178, 179, 184, 189, 198, 200, 201, 207, 208, 210, 211, 214 – 216, 220 – 225 Unkenntnis 43, 58, 63, 64, 66, 75, 77, 87, 88, 111, 114, 126, 127, 141, 143, 146, 148, 150, 153, 157, 161 – 163, 168, 170 – 175, 177 – 180, 186 – 188, 196, 198, 200, 203, 205, 207, 210, 213, 215 – 218, 220 – 225 – aus Trunkenheit 172 – aus Zorn 172, 182, 184 – direkt gewollte 180, 225 – im Affektzustand 181 – 184 – im Sinne von A1B1 16 StGB 183, 197, 202 – 204 – im Sinne von § 16 StGB 31, 121, 122, 124 – unvermeidbare 181 – unverschuldete 179 – vermeidbare 181 – verschuldete 179, 185, 186 Verantwortungsprinzip 126, 137, 175, 176, 181, 225 Vorsatz 132, 175 – als Entscheidung 57, 101 – 103, 106, 107, 139, 166 – als Planverwirklichung 37, 61, 62, 65, 86, 99, 100, 206 – im hegelschen Sinne 141 – im normativen Sinne 87, 96, 111, 112, 138, 157, 221, 222 – im psychologischen Sinne 45, 54, 64, 69, 87, 90, 95, 97, 98, 119, 126, 136, 143, 164, 168, 170, 183, 206 – im typologischen Sinne 117 – 119, 187 Vorsatzgefahr 58, 59, 65, 84, 111 – 113, 186, 187, 206

Sachwortverzeichnis Vorstellung 22, 27, 28, 34, 36, 40, 41, 47 – 49, 51, 56, 62, 74, 76, 80 – 85, 87, 97, 113, 134, 151, 159, 160, 162, 167, 170, 206, 218 – im Sinne von § 22 StGB 21, 22, 49, 52, 54, 58 – 60, 63, 75, 208 Wahrnehmung 20, 42, 140, 141, 144, 151, 186 – sinnliche 21, 23, 30, 33 – 36, 40 – 42, 65, 66, 71, 87, 88, 91, 140, 145, 155, 209, 210, 212, 216, 218 Wesentlichkeit 28, 42, 43, 46, 53, 55, 57, 63, 65, 69, 87, 185, 206, 219 Wille 74, 76, 134 – im normativen Sinne 132, 133, 137, 138, 143, 157, 160, 169, 213

– im psychologischen Sinne 63, 80, 135, 137, 138, 173 Willensfehler 110, 111, 174, 186 Willensschuld 92 – 94, 117, 122, 143, 193 Wissen und Wollen 76, 105, 108, 140, 143, 145, 147, 149, 151, 153, 155, 159, 161, 163, 165, 167, 169

247 134,

173, 141, 157,

– Intellektualismus 64, 103, 112, 117, 125, 155, 177, 197 – Kompensierungsverha¨ltnis 117, 118, 120 – Wechselseitigkeit 76, 155 – 158, 172, 173, 180 Wissensfehler 110, 111, 174 Wunsch 61, 69, 71, 115, 132, 150, 165, 166, 169, 213