127 109 21MB
German Pages 184 [185] Year 1952
Ulrich von Lübtow Studien zum römischen und bürgerlichen Recht..
Studien zum römischen und bürgerlichen Recht Band I
Beiträge zur Lehre von der Condictio nach römischem und geltendem Recht Band II
Figenschaftsirrtum und Sachmängelhaftung beim Kauf
Beiträge zur Lehre von der Condictio nach römischem und geltendem Recht Von
Dr. Ulrich von Lübtow Professor an der Freien Universität Berlin
DUNCKER&HUMBLOT/BERLIN
Alle Rechte vorbehalten Verlag Duncker& Humblot, Berlin-Lichterfelde Gedruckt 1952 bei Alfa-Druck, Berlin W 35
FRITZ SCHULZ in Verehrung zugeeignet
Vorwort Die Lehre von den sogenannten Bereicherungsansprüchen gehört zu den Zentralproblemen des Zivilrechts. Die vorliegende auf einer Synthese von Dogmatik und Geschichte beruhende Arbeit will keinen Detailbau des Kondiktionensystems aufführen, sondern ist bestrebt, Licht in das Wesen und die Zwecke der Kondiktion zu bringen. Es wäre erfreulich, wenn sie der Wissenschaft den Anstoß zu einer Nachprüfung der bisherigen Kondiktionenlehre geben würde. Dann hat sie ihren einen Zweck, die Diskussion weiterzuführen, erfüllt; ihr anderer Zweck ist, ein helfender Beitrag zu der Reformation der lex lata zu sein. Unsere Untersuchungen führten zu einer Gegenüberstellung des klassischrömischen mit dem geltenden Recht. Es zeigt sich, daß das Zurückgehen auf die Anschauungen der großen klassischen Meister eine Notwendigkeit war. Sie bilden für uns die Richtschnur, wenn wir feststellen wollen, ob die im BGB. getroffene Regelung angemessene Entscheidungen ermöglicht oder nicht. Schließen wir uns ihnen an, so nicht aus sklavischer Liebedienerei gegenüber dem Fremden und Alten, sondern weil ihr System, von byzantinischer Übermalung befreit, mit seinem Maß, seiner Abgewogenheit und Klarheit der wissenschaftlichen Methode den Eindruck einer objektiven Gesetzmäßigkeit erweckt, weil es einen reichen Schatz an praktischer Lebenserfahrung und genialer Schöpferkraft in sich birgt. Wo uns allerdings die durch positive Norm gezogene Schranke ein unüberwindliches Hindernis setzt, bleibt nur der Weg einer Kritik des bestehenden Rechts. Der richtig verstandene Begriff der klassischen condictio interessiert auch heute noch nicht nur
internationa~,
sondern ist außerdem -
mindestens de lege
ferenda- gleichmäßiger internationaler Benutzung fähig. Auf diese Weise kann die Erkenntnis des klassischen Rechts wie so oft zu Ergebnissen von übernationaler Bedeutung führen und die Wege zu einem einheitlichen Privatrecht der Kulturvölker ebnen, womit ihrem friedlich-harmonischen Zusammenleben nur gedient sein dürfte. DieeinzelnenRechtsordnungen mögen zu einem verschiedenen konstruktiven Aufbau des Bereicherungsanspruchs gelangt sein. Die Grundfragen aber sind ihnen gemeinsames Anliegen.
Vorwort
8
Das Manuskript wurde im Oktober 1949 abgeschlossen. Während der Korrektur sind hier und da Zusätze erfolgt. Zahlen bedeuten die Paragraphen des BGB. Die Hinzufügung von Paragraphenzeichen ist als entbehrlich unterblieben. Die späteren Änderungen der klassischen Texte sind durch eckige, die Rekonstruktionen durch spitze Klammern gekennzeichnet. Herr Referendar Georg Runge, Berlin, hat die Korrekturen mitgelesen und das Sach- und Quellenverzeichnis ausgearbeitet, wofür ich ihm zu Dank verpflichtet bin. Mit großer Freude erfüllt es mich, daß Fritz Schulz, Oxford, der hochverdiente Forscher und Lehrer auf dem Gebiet des römischen und des bürgerlichen Rechts, dessen Arbeiten auch diese Monographie so manche Anregung verdankt, die Widmung der Schrift entgegennahm. Berlin, im Juli 1951. Ulrich von Lübtow
Inhalt Seite
§ 1 Das Problem der Unmittelbarkeit der Bereicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
§ 2 Die Beschränkung der Bereicherungsklage auf gleitende Beträge . . . . . . . . . . .
20
§ 3 Die Frage der Vermögensverminderung des Kondiktionsgläubigers und die Grundstruktur der modernen Kondiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
§ 4 Die Kondiktion des klassisch-römischen Rechtß bei "Konsumtion" fremden Geldes....................................... . ............... . ......
35
1. Hingabe eines Darlehns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
a) Darlehn eines flüchtigen Sklaven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
b) Dahrlehn eines Mündels ohne Vollwort des Vormundes . . . . . . . . . . . . . . .
37
c) Mangelnde Einigung über den Rechtsgrund der Hingabe des Geldes (Darlehn oder Schenkung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 d) Darlehn eines Geisteskranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41
2. Erfüllung einer wirklichen oder vermeintlichen Schuld . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
a) Erfüllung einer Schuld mit fremdem Gelde..........................
43
b) Erfüllung einer Schuld durch ein Mündel • • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
c) Erfüllung einer Nichtßchuld durch ein Mündel oder einen Geisteskranken................................................ . ....... 45
§ 5 Die Kondiktion bei der Darlehnshingabe an ein Mündel ohne Vollwort des Vormundes........................................ . ......... . . . . . . . • 47 § 6 Die Kondiktion bei Dienstleistung:"n oder Benutzung von Wahnräumen ohne Vertrag............................................... . ............. 51 1. Leistung nicht geschuldeter Dienste...... .. .... . . . ... ........... . . . . .
51
2. Überlassung einer Wohnung ohne gültigen Mietvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . .
58
§ 7 Die Grundstruktur der klassischen Kondiktion und ihre Bedeutung für das moderne Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 § 8 Die ,,kondiktizische" actio in factumdes Prätors....... .... ......... . .... 150
10
Inhalt
§ 9 Erörterung einiger für die Klärung der in Rede stehenden Probleme wichtiger Bereicherungsfälle des modernen Rechts . . . . . . . . . . . . • . . . . . . • . . . . . . . . . . . . 154 I. Fallgruppe: Kondiktionsanspruch desjenigen, der auf Grund eines Ver-
trages mit einem Dritten etwas in das Vermögen eines anderen überführt hat ...· . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . 154 2. Fallgruppe: Kondiktionsanspruch gegen den Geschäftsherrn des mittelbaren Vertreters ........................................ 156 3. Fallgruppe: Kondiktionsanspruch bei Nichtigkeit von Rechtsgeschäften eines Handlungsunfä.higen ................................ 157 Exkurs ..............................................................•.. 161 Sachregister .......................... . ....... ..... ......... .. .... . ..... 164 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182
"Noch heute nicht einwandfrei geklärt erscheint Ursprung und Bedeutung des Bereicherungsanspruches im römischen Recht." Friedmann, Die Bereicherungshaftung im anglo-amerikanischen Rechtskreis (1930), S. 14. "Wie gewöhnlich ist auch hier der Schlüssel für das richtige Verständnis eines Instituts in der Erkenntnis seines Ursprungs gegeben." E isele, Beiträgezurrömischen Rechtsgeschichte (1896), S. 37.
§ 1 Das Problem der Unmittelbarkeit der Bereicherung Nach 812 BGB. ist jemand, der auf Kosten eines anderen etwas ohne Rechtsgrund erlangt, ihm zur Herausgabe der Bereicherung verpflichtet. Aus den Worten des Gesetzes "auf Kosten" folgert die in Rechtslehre und Rechtsprechung herrschende Meinung, daß die Vermögensverschiebung sich unmittelbar zwischen dem Kondiktionskläger und seinem Gegner vollzogen haben müsse, daß sie also nicht auf dem Umweg über das Vermögen eines Dritten durch ein Rechtsgeschäft mit diesem ·zustande gekommen sein dürfe, der nicht als Vertreter, sondern im eigenen Namen handele 1 ). Diese Auslegung findet man bestätigt durch die Ausnahmebestimmung des 822 BGB., wonach, wenn der Erstempfänger das Erlangte einem Dritten zuwende, dieser nur unter bestimmten Voraussetzungen, zu denen namentlich die Unentgeltlichkeit der Zuwendung gehöre, zur Herausgabe an den Gläubiger des ursprünglichen Empfängers verpflichtet sei. Ferner wird auf 816 I verwiesen. Schließlich beruft man sich auf die Entstehungsgeschichte des Gesetzes, aus der sich ergebe, daß seine Verfasser die gemeinund preußisch-rechtliche Verwendungsklage ausdrücklich abgelehnt hätten 2 ). Dies allein berechtigt jedoch nicht, die Bereicherungsklage auch dort zu versagen, wo ihr Tatbestand mit dem der Versionsklage zusammentrifft3). Damit wird keineswegs etwa der unzulässige Versuch gemacht, der Verwendungsklage auf einem Umweg wieder Eingang ins geltende Recht zu verschaffen. Das wäre nur dann der Fall, wenn alle Tatbestände der Verwendung begriffsnotwendig solche der ungerechtfertigten Bereicherung wären. Tatsächlich aber liegen die Dinge anders. Es gibt Fälle nützlicher Verwendung, die nicht gleichzeitig auch einen Bereicherungstatbestand erfüllen. Die Versionsklage paßte in der Tat nicht in den Rahmen des BGB., 1 ) Vgl. RG. 92, 83. Ennecctrua-Lehmann, Schuldrecht (1932), 726 ff. RGRK. Vorbem. 1 vor 812 und A 3 zu 812. Weitere Literaturangaben bei Wilburg, Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung (1934), 108 A. 513. EBBer, Schuldrecht, 438ff., betont mit Recht, daß der Wortlaut nicht entscheidend sein kann. 2 ) Mot. II S. 87lff. Zur Verwendungsklage siehe Wilburg a. a. 0. 53ff. 3 ) RGRK. Vorbem. 1 vor 812 S. 643.
12
§ 1 Das Problem der Unmittelbarkeit der Bereicherung
weil sie von der Bereicherungsklage nicht hinreichend abgegrenzt war') und deshalb der Stellungnahme des Entwurfs widersprach, wonach "der die Kondictio begründende Tatbestand grundsätzlich ein unmittelbar zwischen dem Benachteiligten und dem Berechtigten eingetretener ist". Damit sollte jedoch nur gesagt sein, daß der Bereicherungsanspruch ein persönlicher ist und sich nicht gegen Dritte richtet. Deshalb wurde bei der Entstehung des BGB. nicht nur die Versionsklage abgelehnt, sondern ursprünglich auch kein Anspruch gegen den unentgeltlichen Erwerber aufgenommen 5). Rechtspolitisch wird die Einschränkung des Bereicherungsanspruchs damit gerechtfertigt, daß sonst sein Gebiet eine uferlose Ausdehnung erfahren würde 6 ). Man nehme folgendes Beispiel: B wird von A beauftragt, in eigenem Namen für ihn ein Darlehn aufzunehmen, weil er selbst aus irgendwelchen Gründen nicht als Darlehnsnehmer auftreten will. Geht man zunächst von der herrschenden Lehre aus, so fragt sich, ob zwischen A und dem Darlehnsgläubiger C eine unmittelbare Vermögensverschiebung stattgefunden hat. Das wäre zu verneinen, wenn zunächst B Eigentümer des Geldes geworden wäre und es dann in das Eigentum des A überführt hätte. Auch bei der mittelbaren Stellvertretung regelt sich der Eigentumserwerb grundsätzlich nach 164 II BGB. 7 ). Der Vertreter erwirbt also Eigentum am Gelde und muß es durch besonderen Rechtsakt (667, 929 BGB.) auf den Auftraggeber übertragen. Verwendet man nun die Konstruktion des "antezipierenden Konstituts", so findet ein Durchgangserwerb durch das Vertretervermögen statt, so daß die herrschende Lehre das Vorliegen einer unmittelbaren Vermögensverschiebungverneinen müßte. Anders bei der Rechtsfigur der Übereignung an "wen es angeht" 8 ). Hier findet ein unmittelbarer Eigentumserwerb des mittelbar Vertretenen statt. Während der Darlehnsgeber beim obligatorischen Grundgeschäft auf die Person des Vertragsgegners großen Wert legt, ist es ihm in der Regel gleichgültig, für wen der Empfänger das Geld erwirbt, da er sowieso dem Zweck des Darlehnsgeschäfts entsprechend (Verwendung des Geldes zum Eintausch anderer Lebensgüter) mit der Weitergabe des Geldes rechnen muß 8 ). Deshalb ist bei solcher Sachlage der Wille des Darlehnsgebers dahin auszulegen, daß er demjenigen übereignet, dem sein Vertragsgegner das ') Vgl. Pringsheim in "Die Reichsgerichtspraxis" III, 114f. 5 ) Vgl. Heck, Schuldrecht, 433. 8 ) Rabel, Rhein. Ztschr.10, 89ff. Friedmann,JW.1931, 1171. Titze, Schuldrecht, 148. Wilburg a. a. 0. 108. 7) RG. 140, 229. RGRK. A. 3 zu 164 S. 361. 8 ) Vgl. dazu Lehmann, Allgem. TeilS, 232ff. und neuestens von Lühtow, ZHR. 112 (1949), 227ff. 9 ) Vgl. Danz, Auslegung, V f. Der Zweck des Darlehns erfordert, daß der Empfänger über die Kapitalsumme als Eigentümer verfügen darf. Deshalb sprechen schon die römischen Juristen von "utendum dare" (D. 12, l, 9, 9; ll pr.). Siehe auch Haniel, Die Wirkungen der Darlehnshingabe von fremdem Gelde, Rostocker Diss. 1902, llf.
§ 1 Das Problem der Unmittelbarkeit der Bereicherung
13
Geld übergeben will. Infolgedessen ist hier das Eigentum an dem Gelde unmittelbar, d. h. ohne Durchgang durch das Vertretervermögen, von A erworben. Daher liegt, wenn man der herrschenden Lehre und Rechtsprechung folgt, eine unmittelbare Vermögensverschiebung zwischen dem Darlehnsgeber und A vor. Sie ist auch ohne Rechtsgrund erfolgt. Zwar besteht ein Kausalverhältnis zwischen Darlehnsgeber und B (Darlehn), aber nicht zwischen dem Darlehnsgeber und A. Es wird nun allerdings die Ansicht vertreten, daß für den Ausschluß des Bereicherungsanspruchs jedwede causagenüge und es nicht notwendig sei, daß die causagerade dem Verhältnis zum Kondiktionsgläubiger entstamme 10 ). Aber es ist nicht einzusehen, weshalb sich der Bereicherte einen Rechtsgrund von dritter Seite holen könnte, um seine Bereicherung zu rechtfertigen 11 ). Der causa-Begriff ist, was auch noch in der gemeinrechtlichen Jurisprudenz immer wieder verkannt wurde 12 ), etwas Relatives. Obwohl eine unmittelbare Vermögensverschiebung vorliegt und im Verhältnis zwischen Darlehnsgeber und A keine causa besteht, ist gleichwohl ein Bereicherungsanspruch des Darlehnsgebers gegen A ausgeschlossen. Der Darlehnsgeber war auf Grund des Darlehnsvertrages verpflichtet, dem B das Geld als Kapitalsumme zu zeitlich begrenzter Nutzung zu überlassen (607 BGB.). Das technische Mittel hierzu bildet die volle Übertragung des Eigentums an dem Gelde verbunden mit der Verpflichtung des Empfängers zur Rückgabe der gleichen Summe 13 ). Bei der Übereignung an "wen es angeht" leistet der Schuldner vereinbarungsgemäß das seinem Gläubiger Geschuldete einem Dritten, hier dem A. Dem Schuldner gegenüber ist die an den Dritten vorgenommene Leistung rechtlich als an den Gläubiger, hier den B, bewirkt anzusehen 14). Denn der Wille der Parteien ist darauf gerichtet, die Schuld, nämlich die Pflicht zur zeitweisen Überlassung der Kapitalnutzung, in der Weise zu erfüllen, daß der Schuldner C', der gleichzeitig Darlehnsgläubiger ist, an den Dritten leistet und dieser an Stelle des Gläubigers die Leistung empfängt. Daher wird durch seine Leistung an den Dritten schuldrechtlich nur seine Rechtsstellung zum GläubigerB betroffen, als dessen Schuldner er leistet. Aus welchem rechtlichen Grunde der Gläubiger B an den Dritten A geleistet wissen und dieser an Stelle jenes die Leistung empfangen will, ist für ihn ohne Bedeutung. Geschieht die Leistung an den Dritten, so hat der Darlehnsgeber wirksam geleistet und seine Schuld gegenüber dem Darlehnsnehmer erfüllt. Der Darlehnsgeber hat 10 )
Titze, Schuldrecht, 149. PringBheim a. a. 0. 116 (I, b).
11) Vgl. EnneccerUB-Lehmann, 729 A. 13 und 14. F. Schulz, ArchzivPrax. 105, 411.
Lautz, Fälle analoger Anwendung des § 816 BGB., Kölner Diss. 1936, 5. Wilburg, Lehre v. d. ungerechtfertigten Bereicherung (1934), 13, ll5, 117. BarnBtedt,Merkmal der Rechtsgrundlosigkeit (1940), 89f. 12) Wilburg a. a. 0. 13 A. 39. 13) Vgl. RG. 161, 56. 14 ) RG. 87, 39.
14
§ 1 Das Problem der Unmittelbarkeit der Bereicherung
gegen den Darlehnsnehmer nunmehr einen Vertragsanspruch auf Rückzahlung der geleisteten Summe, wenn die für die Kapitalnutzung bestimmte Zeit abgelaufen ist, aber nicht einen Anspruch auf Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung 15) . Anders bei nichtigem Darlehnsvertrage. Dann bestünde einBereicherungsanspruch. Deswegen müßte sich der Darlehnsgeber aber an seinen Darlehnsnehmer halten. Denn dieser gilt ihm gegenüber im Hinblick auf das Schuldverhältnis, das den Grund zu der Leistung abgab, rechtlich als Empfänger der Leistung 16 ). Zu A, dem tatsächlichen Empfänger, steht er schuldrechtlich in keiner Rechtsbeziehung; denn die an A bewirkte Leistung ist als an B bewirkt anzusehen, der Darlehnsgeberhat dadurch seine Schuld, die Pflicht zur zeitweisen Überlassung der Kapitalnutzung, erfüllt, hat also das erreicht, was er durch die Leistung an den Dritten erreichen wollte 17 ). Der Darlehnsgeber hat also mit dieser Sachlage rechnend einem fremden Vermögen, dem des A, etwas zugewendet, ohne ihm gegenüber eine rechtliche Verpflichtung als Grundlage vorauszusetzen 18 ). Von Leistung an einen andern ohne Rechtsgrund kann immer nur gesprochen werden, wenn der Leistende dem Empfänger gegenüber ein Rechtsgrundverhältnis voraussetzt, das in Wahrheit nicht besteht 19 ). Eine Leistung erlangt überhaupt erst durch ihren Rechtsgrund ihren wahren Inhalt 20 ). Wenn jemand an einen andern leistet, ·obwohl er weiß oder damit rechnet, daß zwischen ihnen kein Rechtsgrundverhältnis besteht, kann er die Leistung nicht zurückfordern, wie sich auch aus 814 (bewußte Zahlung einer Nichtschuld) ergibt. Aber auch wenn die Übereignung des Geldes an A durch Vorauskonstitut stattgefunden hat, ist ein Bereicherungsanspruch des Darlehnsgebers gegen A nicht begründet, da er sich als persönlicher nur gegen den Leistungsempfänger im Rechtssinne richtet 21 ). Die herrschende Lehre verlangt, wie bereits erwähnt, eine unmittelbare Vermögensverschiebung. Die Unmittelbarkeit bedeutet, daß die Vermögensverschiebung nicht auf dem Umweg über ein anderes Vermögen erlangt sein darf. Daran fehlt es, wenn das Eigentum am Gelde zunächst auf B und dann auf A übergeht. Indessen ist das Erfordernis der unmittelbaren Zuwendung zu unbestimmt und läßt eine genaue dogmatische Analyse des Aufbaues des Bereicherungsanspruchs vermissen. Es wird von der Rechtsprechung und ·Wissenschaft mitunter einfach verleugnet. So liegt z. B. eine nur mittelbare Vermögensverschiebung vor, wenn der Darlehnsgeber C die Bank anweist, das Geld dem Darlehnsnehmer B auszuzahlen. Ist der Darlehnsvertrag nichtig, so hat nach der Planck, Anm. 5 vor 812. RG. JW. 1933, 1251; RGZ. 166, 71. Wilburg a.a. 0. RG. 87, 39. 17) RG. 87, 40. 18) Siber, Schuldrecht, 420. Wilburg a. a. 0. 118. 18 ) Vgl. Wilburg a. a. 0. 7, ll. 20 ) Leonhard, Schuldrecht ll, 480. 21) Vgl. unten S. 18ft. 16)
16 )
11~
§ 1 Das Problem der Unmittelbarkeit der Bereicherung
15
herrschenden Lehre C trotzdem eirie Kondiktion gegen B, obwohl B den Wert nur mittelbar aus dem Vermögen des C, unmittelbar dagegen aus dem Vermögen der Bank erlangt hat. Muß die herrschende Meinung abgelehnt werden, und zwar auch de lege ferenda 22), so soll damit keineswegs behauptet werden, daß nun jede mittelbare Vermögensverschiebung genüge 23 ). Es ließen sich hier schwerlich feste Grenzen aufstellen, um einer uferlosen Ausdehnung des Bereicherungsanspruchs vorzubeugen. Die Frage, ob die Bereicherung unmittelbar oder mittelbar erlangt sein müsse, beruht auf unrichtiger Problemstellung. Beide Erfordernisse sind konstruktiv entbehrlich, ja vom Übel. Wir können sie aufs tote Gleis schieben. Wir kommen ohne sie aus. Angenommen, der unerkennbar geisteskranke B hat das von C als Darlehn empfangene Geld seinem Auftraggeber A ausgehändigt. Das Geld ist lediglich in den Eigenbesitz des B übergegangen, ohne daß er das Eigentum erwirbt (105). C steht also gegen B der Eigentumsherausgabeanspruch und daneben- jedenfalls nach herrschender Lehre- die condictio possessionis zu, solange sich das Geld in seinem Besitz befindet 24 ). Der Eigentumsanspruch entfällt, sobald B das Geld an A weitergegeben hat, und richtet sich jetzt gegen A, da die zum Eigentumserwerb nach 929 erforderliche Einigung zwischen B und A nichtig ist. Stellt sich jedoch heraus, daß B das Geld verbraucht und anderes Geld weitergegeben hat, so muß die Eigentumsklage abgewiesen werden. Nach der in der Praxis herrschenden Ansicht kann C das Geld außerdem mit der condictio von A verlangen, da die Unmittelbarkeit durch das Dazwischentreten eines Geschäftsunfähigen nicht ausgeschlossen werde 25 ). Die Gegenmeinung lehnt einen unmittelbaren Anspruch gegen A ab, weil sonst dem Vormund des Geisteskranken die Möglichkeit abgeschnitten werde, die Identität des Geldes zu bestreiten und nachzuweisen, daß der Geisteskranke das von C empfangene Geld verbraucht und dem A eigenes Geld geliehen habe 28 ). Die Entscheidung wird also allein auf einer Interessenahwägung aufgebaut, ohne daß eine klare 22 ) Abweichend Nipperdey, Jahrb. AkDR. 1937, 26, der das Erfordernis der Unmittelbarkeit in den Gesetzestext aufgenommen haben will. 23) Vgl. RGRK. A. 3 zu 812 S. 656 mit weiteren Nachweisungen. Beachtenswert vor allem die dort angef. Schrift von Nebenzahl (darüber Liebisch, ArchzivPrax. 133, 225. Friedmann JW.l93l, ll7lff). Unrichtig ist es, wenn Nebenzahl das Problem der mittelbaren Vermögensverschiebung aus der Frage des Mangels des rechtlichen Grundes lösen will. 24 ) Vgl.Heck,Sachenrecht, 420. Planck,Vorbem. 5 vor812S.1615, aberauchRGRK. Vorbem. 6 vor 812. Der Besitzer hat, so sagt man, den Besitz "auf Kosten" des Eigen· tümers erlangt, obwohl der Eigentumsanspruch erhalten geblieben ist (a. A. Schüller, Unmittelbarkeit und Mittelbarkeit der Vermögensverschiebung, Kölner Diss. 1930, 11); vgl. zu dem Problem auch Endemann, Schuldrecht, 1237 und den Exkurs am Schluß des Buches. 25 ) Vgl.Heck, Schuldrecht, 431 mit Nachweisungen aus der Rechtspr. 28) Heck a. a. 0. 432. Enneccerus-Lehmann a. a. 0. 731.
16
§ 1 Das Problem der Unmittelbarkeit der Bereicherung
systematische Grundlage zu erkennen wäre. Zugleich zeigt sich aber auch hier, ein wie unsicheres Merkmal die Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung bildet. Statt dessen muß man von der schuldrechtlichen Natur des Bereicherungsanspruchs ausgehen. Der einmal entstandene Anspruch ist ein relatives Recht. Ist er zwischen zwei Personen entstanden, so scheidet die Passivlegitimation eines Dritten aus. Dieses persönliche Moment gibt auch in dem in Rede stehenden Fall den Ausschlag. :pie condictio possessionis steht C nur gegen den B zu; denn nur ihm hat er die Leistung, nämlich die Übertragung des Besitzes, erbracht. Die Frage, ob dem C gegenA eine condictio aus 822 zusteht, kann nur auftauchen, wenn die Bereicherung des B fortgefallen ist. An dieser Voraussetzung fehlt es jedoch. Da das Auftragsverhältnisnichtig ist, hat B gegen A die condictio possessionis, ist also um diese condictio noch bereichert (818 III). Hat eine Vermischung des Geldes stattgefunden, so wird dadurch die Eigentumsklage des Darlehnsgebers ausgeschlossen. Hat B die Vermischung vorgenommen - sie ist ein Geschäftsfähigkeit nicht voraussetzender Realakt - , so tritt an die Stelle des Alleineigentums des C an der Darlehnssumme und des B an seinem Gelde das wertentsprechende Miteigentum beider an dem gesamten vermischten Gelde (948, 947). Auf das zahlenmäßige Übergewicht der bisherigen Geldsummen des einen oder des anderen kann es nich~ ankommen, so daß die entsprechende Anwendbarkeit des 947 II ausscheidet 27). Denn von Haupt- und Nebensachen läßt sich bei bloßen Mengenunterschieden nicht sprechen, sondern nur dann, wenn verschiedenartige Sachen in Frage kommen 28). Läßt sich das Wertverhältnis nicht feststellen, so soll nach herrschender Meinung der Besitzer, hier also B, Alleineigentümer des gesamten Geldes werden und C auf einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung angewiesen sein. Das erscheint indessen ungerecht. Denn es liegt ja nicht an C, wenn sich sein Anteilsrecht nicht ermitteln läßt, da die von ihm stammende Geldsumme feststeht. Der aus dieser Rechtslage erwachsende Nachteil müßte daher B treffen. Trotzdem bietet sich hierfür keine rechtliche Möglichkeit. Denn C kann das Geld des B nicht in Höhe der Darlehnssumme vindizieren, weil nur bestimmte Gegenstände vindiziert werden können. Hat B das so vermischte Geld dem A gegeben, so kann C gegen A den Bereicherungsanspruch 11-ach Maßgabe des 822 geltend machen 29 ). Ob das Auftragsverhältnis zwischen B und A insofern nicht unentgeltlich war, als A den B von der Verpflichtung aus dem Darlehn befreien muß (Aufwendungsersatz)80), mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls war es nichtig 27) Abweichend Wolf/, Sachenrecht, 233f. as) RGRK. A. 1 zu 948. Palarult, Anm. zu 948. Staudinger-Kober A. 6 zu 948. Vgl. auch RG. 112, 102. Unklar Plarwk-Brodmann, A. 2 zu 948. 29) Wolf/, Sachenrecht, 237. Planck-Brodmann, A. 1 b zu 951. Palarult A. 2 c zu 951. Staudinger-Kober, A. 7 zu 951. ao) Vgl. v. Tuhr, Allgem. Teil l i 2, 139.
§ 1 Das Problem der Unmittelbarkeit der Bereicherung
17
und, wenn auch eine des rechtlichen Grundes ermangelnde Zuwendung nicht zu den unentgeltlichen gehört 31), so verdient sie doch keinen stärkeren Schutz als die unentgeltliche 82 ). Ist die Vermischung des Geldes erst durch A erfolgt und das Wertverhältnis nicht bestimmbar, kann C auf Grund des 951 sofort gegen A kondizieren, und zwar nicht deshalb, weil die Vermögensverschiebung sich unmittelbar zwischen C und A vollzogen hat 33 ), sondern weil die Rechtsänderung "in sonstiger Weise" zugunsten des A eingetreten ist. Der Bereicherungsanspruch dient hier nur als Ersatz für den verlorenen Eigentumsanspruch 34 ). Es besteht auch kein hinreichender Grund, mit Rücksicht auf die Interessen des geschäftsunfähigen Mittlers einen Anspruch gegen den Letztempfänger zu verneinen. Wenn A auf die Klage des C rechtskräftig zur Rückzahlung des Geldes verurteilt ist und an C zurückgezahlt hat, so kann der Vormund des B im Wege der Klage gleichwohl einen Bereicherungsanspruch gegen A geltend machen mit der Begründung, daß B das von C erhaltene Geld verbraucht und dem A eigenes Geld gegeben habe. Denn über den aus diesem Sachverhalt entspringenden Bereicherungsanspruch war im Vorprozeß 35 ) nicht entschieden worden, sondern nur über den aus dem gesetzlichen Erwerbstatbestand der Vermischung mit dem Gelde des C herrührenden 38 ). Analog ist die Rechtslage, .wenn A das Geld auf Grund des 822 an C zurückgegeben hat. Auch hier kann A dem Bereicherungsanspruch des B gegenüber nicht mit dem Einwand des Wegfalls der Bereicherung gehört werden, weil es ebenfalls an einer I~entität der Ansprüche fehlt. Wie wir schon sahen, kann schließlich die Unmittelbarkeit sehr wohl. vorliegen, auch ein Rechtsgrund zwischen dem Leistenden und dem tatsächlichen Empfänger der Leistung nicht bestehen, und doch die Bereicherung ausgeschlossen sein, weil die Leistung an den Dritten als Leistung an den Gläubiger gilt, wenn sie auf dessen Geheiß erfolgt ist. Daraus ergibt sich, daß die herrschende Lehre unbrauchbar ist, weil sie lediglich das wirtschaftliche Moment betont, statt auf die juristische Sinnbe:~;ogenheit der wirtschaftlichen Vorgänge abzustellen. Durch die unklare Mischung juristischer und wirtschaftlicher Gesichtspunkte erklärt sich die Verworrenheit, die in der Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung herrscht. Das Gesetz (812) unterscheidet zwischen der Leistungskondiktion und dem Bereicherungsanspruch ohne Leistung ("in sonstiger Weise" 37 ). Die Leistungskondiktion steht dem Leistenden gegen den Leistungsempfänger 31 ) Anders RG. 163, 354ff. von Tuhr a. a. 0. 141 f. Dagegen Biber, Jher Jahrb. 89, 35, 94. Müller-Freienfela, ebendort, 345 ff. Weitere Lit. bei Enneccerua-Lehmann, Schuldrecht, 745 A. 3a. ' 1) Siehe unten S. 160. aa) So Enneccerua-Lehmann, a. a. 0. 731. 84) Vgl. Wilburg a. a. 0. 114. lli) Was Enneccerua.Lehmann a.. a.. 0. 731 übersehen. 18 ) Vgl. auch Biber, Schuldrecht, 440 A. 29. 87) Vgl. Brandt, Eigentumserwerb und Austauschgeschäft (1940), 238ff.
2 Lübtow, Condietlo
18
§ I Das Problem der Unmittelbarkeit der Bereicherung
zu. Die Kondiktion ohne Leistung ist nach Wilburg 88 ) ein Ersatz für einen verlorengegangenen dinglichen Anspruch, insbesondere den Eigentumsanspruch. Indessen dient auch die Leistungskondiktion, soweit sie auf grundlos erfolgtem Eigentumsübergang beruht, demselben Zweck"). Der Bereicherungsanspruch trägt persönlichen Charakter und richtet sich daher grundsätzlich nur gegen den Erstbereicherten, nicht gegen einen Dritten, an den der Erstbereicherte die ;sereicherung weiter übertragen hat ' 0 ). Gibt C dem Bein Darlehn, so liegt eine Leistung des C vor, die aber nicht ohne Rechtsgrund erfolgt ist, wenn der Darlehnsvertrag gültig besteht. B ist also nicht um die Darlehnssumme bereichert, sondern haftet aus Vertrag auf Rückzahlung. Ist der Darlehnsvertrag nichtig, so steht dem C gegen den B eine Kondiktion wegen grundloser Leistung zu. Gibt nun B die Darlehnssumme weiter an A, so hat C keinerlei Anspruch gegen A. Eine Leistungskondiktion scheidet aus, weil C dem A nichts geleistet hat. Ebensowenig steht aber dem C gegen A ein Anspruch wegen Bereicherung "in sonstiger Weise" zu. Ein solcher Anspruch käme nur in Frage, wenn Bein Rechtsgut des C irgendwie in das Vermögen des A überführt hätte. Das ist jedoch nicht der Fall. Die Darlehnssumme ist durch die Leistung des C an B in das Eigentum des B übergegangen. Dadurch hat sich bereits der Eigentums- und Besitzverlust des C vollzogen. Was B nun mit dem nunmehr seinem Vermögen zugehörigen Gelde macht, betrifft nicht mehr das Vermögen des C. A hat also nichts aus dem Vermögen des C erlangt, und zwar weder durch Leistung des C noch in sonstiger Weise durch Leistung des B. Das ist der wahre Grund, weshalb A nicht von B kondizieren kann n). Aus dieser Struktur des Bereicherungsanspruchs ergibt sich ohne weiteres, daß dem Darlehnsgeber kein Bereicherungsanspruch gegen A zusteht. Ein solches Ergebnis ist auch keineswegs unbillig. Wer ein Darlehn gewährt, muß damit rechnen, daß der Empfänger das Geld beliebig verwendet, und er muß die Gefahr der Kreditgewährung auf sich nehmen. Der Darlehnsanspruch auf Rückzahlung ist schuldrechtlicher Natur und nimmt im System des Schuldrechts keine Sonderstellung ein. Die Weitergabe des Darlehns an einen Dritten kann dem Darlehnsschuldverhältnis auch nicht beschränkt auf Bereicherung Wirksamkeit gegen den Zweitempfänger (A) verschaffen. 88 ) A. a. 0. 49f., 112ff. Zustimmend Barnstedt, Das Merkmal der Rechtsgrundlosigkeit in der ungerechtfert. Bereicherung (1940), 72ff. Gegen die "Fortwirkung" des sachenrechtliehen Schutzes als Grundlage der Bereicherung "in sonstiger Weise", Eaaer, Schuldrecht, 440, weil die Bereicherungshaftung sich "auf eine der rechtlichen Planung nicht entsprechende Güterbewegung" (S. 433) gründe. Es wird sich aber kaum behaupten lassen, daß mit diesem farblosen und undurchsichtigen Begriff irgend etwas gewonnen sei. Er führt ins Dunkle. 39 ) Endemann, Schuldrecht, 1237. Vgl. unten S. 26. ' 0 ) Vgl. unten S. 28f. U) Vgl. Wilburg a. a. 0. 1081!.
§ 1 Das Problem der Unmittelbarkeit der Bereicherung
19
Dieses Resultat wird durch § 822 BGB. bestätigt. Danach besteht gegen den Zweitempfänger, mag er auch das Geld vom Erstempfänger unentgeltlich erlangt haben, überhaupt kein Bereicherungsanspruch des Darlehnsgebers, wenn er gegen seinen Schuldner einen Vertragsanspruch hat. Sollte der Darlehnsvertrag nichtig sein, so kann der Gläubiger von seinem Schuldner kondizieren. Gegen den Dritten wird ihm der Bereicherungsanspruch erst dann ausnahmsweise gewährt, wenn durch die Weitergabe an den Dritten die Bereicherungsverpflichtung des Schuldners erloschen ist. Solange der Bereicherungsanspruch des Gläubigers gegen den Schuldner besteht, kann sich der Gläubiger nur an den Schuldner halten, erst recht natürlich dann, wenn dem Gläubiger gegen den Schuldner sogar ein Leistungsanspruch aus dem Vertrage zusteht 41). Ebensowenig ist 816 I als Argument für die Lehre von der Unmittelbarkeit zu verwerten 43 ). Man könnte meinen, 816 I S. 1 erweitere das Anwendungsgebiet des 812 insofern, als ja das durch die Verfügung Erlangte nicht aus dem Vermögen des Kondiktionsschuldners stamn;tt, sondern aus dem Vermögen desjenigen, an den die Sache wirksam weiterveräußert worden ist"). Aus diesem Grunde und weil der Verfügende das rechtsgeschäftliche Entgelt kraft einer causaerhalten habe, erblickt Bar718tedt 0 ) in dem 816 I S. 1 einen Sondertatbestand gegenüber dem allgemeinen Tatbestand des 812. Jedoch hat der Verfügende im Verhältnis zum Rechtsträger keine iusta causa acquirendi"); außerdem hat er den Erwerb aus der Tasche des Eigentümers der Sache und daher auf dessen Kosten gemacht'7 ). 816 I S. 1 bildet ja eine Folgerung aus der Funktion des Eigentumsrechts als Interessenschutz und beruht auf dem Gedanken, daß der durch unberechtigte Verwertung fremden Eigentums gewonnene Ertrag (das Äquivalent) dem Eigentümer gebührt"). Auch 816 I S. 2 und 822 sind nicht als Ausnahmen von der angeblich sonst notwendigen Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung") zu verstehen, sie bilden vielmehr eine im Hinblick auf die geringere Schutzwürdigkeit eines unentgeltlichen Erwerbs statuierte Ausnahme von dem Grundsatz, daß sich ein obligatorischer Anspruch nicht gegen einen Dritten richtet 10). Vgl. dazu Wilburg a. a. 0. 115f. Vgl. dazu auch Enneceef'UIJ-Lehmann, Schuldrecht, 729 A. 14. Heck, Schuldrecht, 426. ") RGRK. A. 1 zu 816. Palandt A. 1 zu 816. e&) A. a. 0. 22, 63, 77, 100. 18) So auch Eaaer, Schuldrecht, 443. 41) Oertmann A. 1 zu 816. ' 8) Näheres unten S. 25ff., besonders S. 26ff. ' 8 ) So Enneccerua-Lehmann, Schuldrecht, 745, 756. Palandt zu 822. 60) Vgl. Walburg a . a. 0. 109, 115f. Näheres unten S. 28. ' 1)
48)
20
§ 2 Die Beschränkung der Bereicherungsklage auf gleitende Beträge
§ 2 Die Beschränkung der Bereicherungsklage auf gleitende Beträge Was aber am meisten am geltenden Bereicherungsrecht stört, ist erstens die Beschränkung aller Bereicherungsklagen auf gleitende Beträgel) (818 BGB., 1431 ABGB., 64 SchwOR.), an der man de lege lata leider wohl festhalten muß, und zweitens die Auslegung des Begriffs "auf Kosten" dahin, daß wie beim Schadensersatz eine Vermögensverminderung des Kondiktionsgläubigers gefordert wird 2 ), die jedoch das Gesetz, wenn man es nur richtig interpretiert, nicht voraussetzt. Beide Dogmen gehören, um mit den Worten von F. Schulz 3 ) zu sprechen, der sie zur Charakteristik des dem Gestor bei der unechten negotiorum gestio gewährten Bereicherungsanspruchs verwendet, zu "den vielen Quälgeistern, die die Byzantiner auf die abendländische Jurisprudenz losgelassen haben", sind unheilvolle V ermäch tnisse des byzantinischen Rechts an das gemeine und das geltende Recht, die nur durch Kenntnis der Vergangenheit innerlich überwunden werden können. Das Problem des Wegfalls der Bereicherung') ist nach herrschender Ansicht wirtschaftlicher Natur und zu beantworten nach dem Ergebnis einer Vergleichung des Vermögensstandes des Herausgabepflichtigen zur Zeit des Empfangs der Leistung und der der Rechtshängigkeit des Bereicherungsanspruchs6). Die Bereicherung besteht in dem Überschuß der Aktiv- über die Passivposten, also in einem Saldo 6). Das Gesetz zwingt also die Rechtsprechung, sich auf den Standpunkt eines Werttaxators zu stellen. Das Ergebnis ist gänzlich ungewiß und dem Kläger unerkennbar, was nicht gerade zur Rechtssicherheit beiträgt. Nach 812 soll das "Erlangte" herausgegeben werden, also wie bei der rei vindicatio die bestimmte "erlangte" Sache'). Aber wenn man so das Gesetz beim Worte nehmen will, wird man eines Besseren belehrt. Nicht schlechthin das erlangte körperliche Etwas soll herausgegeben werden, sondern nur, soweit es zur Durchführung des Ausgleichs nach 818 möglich ist 7 ). Die condictio des klassisch-römischen Rechts war weder eine Klage aus der noch auf die Bereicherung 8 ), sondern eine Klage, die sich neben Literalvertrag und Stipulation vor allem auf Hingabe einer Sache (datio) 1) Biber, Röm. R echt li, 220, 222; Schuldrecht, 445; Jher. Jahrb.89, 17 A. I. WeifJ, Inst.1 , 407. 2 ) Siehe Wilburg a. a. 0. 97ff. mit Lit., 105ff. 3 ) ArchzivPrax. 105, 472f. ') Vgl. dazu Wilburg a. a. 0. 198ff. 5 ) RGRK. A. 7 zu 818. 6 ) F. Schulz, ArchzivPrax. 105, 328. 7 ) RGRK. A. 7 zu 812. 8 ) von Mayr, RRg.II 2, 55, 57. Beaeler, Jur.Min., ll3ff.
§ 2 Die Beschränkung der Bereicherungsklage auf gleitende Beträge
.21
stützte, worunter aber nicht nur das Darlehn fiel 9 ). Diese Verpflichtung durch datio hieß re obligari 10). Der Empfang einer Sache zu Eigentum verpflichtete zur Rückgabe, wennkein besonderer Grund fürdasBehalten vorlag. Hierher rechneten Hingabe eines Darlehns, irrtümliche Zahlung einer Nichtschuld, Leistungen auf Grund fehlgeschlagenen Vertragsschlusses u. a. Die klassische condictio geht auf Rückgabe des vollen Erlangten, nicht auf Rückgabe der noch vorhandenen Bereicherung 11). Dem hätten nach klassischem Prozeßrecht- unüberwindliche Schwierigkeiten entgegengestanden. Der Kläger hätte in der intentio die Bereicherung des Beklagten zur Vermeidung der Gefahr des "plus petendo causa cadere" genau beziffern müssen. Das wäre für ihn eine unlösbare Aufgabe gewesen; denn wie sollte er wissen, was der Beklagte noch hatte, was er verbraucht, erspart, zu Anschaffungen verwendet hatte usw. 12). Mit Recht hat übrigens schon Pernice 13 ) bemerkt, daß die abstrakte Kondiktionsformel des klassischen Rechts "gar nicht die Möglichkeit hat auszudrücken, daß nur das zur Zeit der Litiskontestation noch Vorhandene zurückgewährt werden soll". So wurde der römische Richter davor bewahrt, mit einem "variablen abstrakten Vermögenswert" 11) zu arbeiten und die zahllosen Verwandlungen der Bereicherung zu verfolgen. Der Gegenstand der condictio sind certa res und certa pecunia. Die nachklassisch-byzantinische Zeit hat die klassische condictio zu einer allgemeinen aus der Billigkeit (aequitas) abgeleiteten Bereicherungsklage umgestaltet, auf Grund deren der Beklagte - abgesehen natürlich von den condictiones furtivae und ob turpem vel iniustam causam - nur zurückzugeben hatte, um was er bei Streitbefestigung noch locupletior factus est 11). Neben der zivilen condictio gab es eine Reihe prätorischer "Bereicherungs"klagen gegen den Erben in id quod pervenit 15). Es erschien dem Prätor ungerecht, daß der Erbe das behalten ') Von einer Klage aus ungerechtfertigtem Haben sprechen Rabel, Grundz. d. röm. Privatr.459, 470f., Levy, ZSSt. 54,311, vonLübtow, Festschr. Koschaker li, 134f., Kreller, R. Rg.1 , 134. Ebenso nach freundlicher Mitteilung des Herrn Kollegen Kaser neuestens Banfilippo, Condictio indebiti I (1943), 56ff. Die Schrift war mir nicht zugänglich. 10) Ga.i. 111, 90, 91. Näheres unten S. 86ff. 11) Rabel a. a. 0. 471. Biber, Röm. Recht II, 218, 220ff., Studi Riccobono III, 259f. Beseler Jur. Min., 117. G. H. Maier, Prätorische Bereicherungskla.gen, 2. Kunkel, Röm. Priva.tr. 249 A. 5. Kaser, Quanti ea res est, 114ff. 1 •) Biber, Studi Riccobono III a. a. 0. 18) Labeo II, 266 A. 19; vgl. auch 2. Aufi. Il 2 I, 101 A. 2. Zustimmend F. Bckulz, Die actiones in id quod pervenit et cet., Bresl. Dias. (1905), 36f. Biber, Röm. Recht li, 219. I&) Btieve, Gegenstand des Bereicherungsanspruchs, 28. 15 ) Darüber siehe von Lübtow, Der Ediktstitel" Quod metus causa",299ft. H. G. M aier a. a. 0. passim. Albertario schießt über das Ziel hinaus, wenn er mit der Bereicherungshaftung auch die kondiktizischen Klagen in id quod pervenit selbst verwirft (vgl. Rend. Ist. Lomb. 1913, 449ff., 845ff.). Diese Aufsätze Albertarios sind jetzt neu ab" gedruckt in Studi di dir. rom. IV (1946), 275ft. (freund!. Mitteilung des Herrn Kollegen Kaser).
22
§ 2 Die ·Beschränkung der Bereicherungsklage auf gleitende· Beträge
solle, was er auf Grund des Delikts seines Erblasser'! erlangt hatte. Die nachklassisch-byzantinische Zeit hat. auch hier die Pervenit-Haftung auf die noch vorhandene Bereicherung beschränkt, indem sie das quod pervenit dahin interpretierte: in quantum locupletior factus est 11). Auf der so geschaffenen Grundlage hat die Beschränkung der Kaudiktionshaftung auf den gleitenden Betrag der jeweiligen Bereicherung mit der suggestiven Kraft eines überzeugenden Dogmas auf die Nachwelt bis ins moderne Recht unheilvoll eingewirkt17). Wir sind auch in der Lage, die Quelle dieses Dogmas festzustellen. Sie liegt, wie F. Bchulz in seiner Breslauer Dissertation 18) nachgewiesen hat, in der griechischen Rechtsphilosophie. Allerdings bot auch das klassische Recht der Bereicherungshaftung des pupillus, die es nur zu verallgemeinern galt, einen überaus wichtigen Anknüpfungspunkt 1'). Im fünften Buch der Nikomachischen Ethik erörtert Aristoteles eingehend den Begriff der Gerechtigkeit und bezeichnet es als die Aufgabe der ausgleichenden Gerechtigkeit dafür zu sorgen, daß niemand zum Schaden (l;'ll'ia) eines andern einen Vorteil ( xe(JtSot;) erlange. Wir wissen, daß es nicht die klassische, sondern die nachklassisch-byzantinische Jurisprudenz war, die in "falschem Anlehnungsbedürfnis" bei der griechischen Philosophie Hilfe suchte 10). Aristotelischem Ideenkreis entstammt auch der die ganze neue Bereicherungstheorie untermauernde vielumstrittene 11) Generalsatz 0 ): iure naturae aequum est neminem cum alterins detrimento et iniuria fieri locupletiorem. 11) So ist insoweit interpoliert beispielsweise D.4, 3, 26 (Gaius): in heredem eatenus da.turum se ea.m actionem -die actio de dolo malo - proconsul pollicetur, qua.tenus ad eum pervenerit [id est quatenus ex ea. re locupletior ad eum hereditas venerit]. 17 ) Anders das österreichlache und das französische Recht: Wilburg a. a. 0. 138ff. 18) S. 19ff. mit Wiedergabe der entscheidenden Stellen der Nikom. Ethik. Nur glaubt F. Bchulz, daß schon die Klassiker hier von der griechischen Rechtsphilosophie beeinfiußt gewesen seien. lt) Vgl. unten S. 49ff. IO) von !Aibtow, Wenger-Festschr. II, 235; ZSSt. 66, 460ff. 11) Dazu von Mayr, Die Condictio (1900), 298f., 312. von Koschemhahr-LyBkowaki, Die Condictio I (1903), p. V und S. 3. PluBen, Die Grundlagen der modernen condictio (1904), 1ff. Wilburg, a. a.. 0. 5f. Pflüger, Condictio und kein Ende, 90f. 11 ) D. 50, 17, 206. D. 12, 6, 14. D. 23, 3, 6, 2. Dazu F. Bchulz a. a. 0. 23. PringBAeim, ZSSt. 52, 145ff. E. Genzmer, Deutsche Landesref. z. II. Intern. Kongr. f. Rechtsvergl. im Haag 1937, 62. Auch nach Riccobono, Corso di dir. Rom., Form. e svil., Parte II (1933/34), 290ff., kannte das ius civile kein Generalprinzip der ungerechtfertigten Bereicherung. Der allgemeine Bereicherungsgedanke habe auf dem Wege über die stoische Philosophie Einzug in das ius pra.etorium gehalten. Darauf führt Riccobono die a. de dolo ma.lo, die Rechtsbehelfe gegen den Zwang (metus), die i. i. r. und vieles andere zurück. Im nachklassisch-byzantinischen Recht sei dann der Bereicherungsgedanke ins Zivilrecht eingearbeitet worden, besonders bei der neg. gestio und den condictiones. Meine Stellungnahme ergibt sich aus dem im Text Gesagten.
§ 2 Die Beschränkung der Bereicherungsklage auf gleitende Beträge
23
Dieser Gedanke ist aus der Nikom. Ethik des Aristoteles in die stoische Ethik übernommen worden. Sie sieht es, wie uns Cicero (de off. III, 5, 21) berichtet, als Satz des Naturrechts an, daß man nicht um seines Vorteils willen einem andern schaden dürfe, und es contra naturam sei, wenn ein Merisch Vorteil aus dem Schaden eines anderen Menschen ziehe. Dieses vage Axiom widerspricht der Abneigung der Römer gegen unbestimmte Verallgemeinerungen, ihrer Tendenz, beim konkreten Falle stehen zu bleiben, Wesensgrundzüge, die sie mit der englischen Jurisprudenz teilen 13). Es gehört in das Kapitel der "Flucht in die Generalklauseln", eine hervorstechende Eigentümlichkeit des byzantinischen Rechtsdenkens, das alle festen Maßstäbe verlor. Die condictio generalis (D. 12, 1, 9), die- auch in Konkurrenz mit den Vertragsklagen - überall dort eingreift, wo eine Vermögensvermehrung zurückgefordert werden kann, ist bekanntlich byzantinischen Ursprungs. Die Generalregel, deren Anwendungssphäre völlig unbestimmt ist, wird von den Byzantinern kombiniert mit dem Gedanken des bonum et aequum 14). Sie fundieren die condictio auf die Billigkeit und gestalten sie zu einer vagen Billigkeitsklage "ex aequo et bono" 16). Derselbe Gedanke wird auch für die aus dem prätorisehen Recht stammenden Bereicherungsklagen gegen den Erben zum allgemeinen Prinzip erhoben 26 ): Sicut poena ex delicto defuncti heres teneri non debet, ita nec lucrum facere •.••. Ist es aber billig, daß die ungerechtfertigte Bereicherung eine Verpflichtung zur Herausgabe erzeugt, so ist es a 1ch billig, daß diese Verpflichtung nicht länger dauert als die Bereicherung selbst. Beschränkung auf die Bereicherung und Gewährung der condictio aus Billigkeitsgründen bedingen sich also gegenseitig. Als allgemeine Billigkeitsklage hat dann die condictio ihren Einzug in die moderne Rechtsprechung und Wissenschaft gehalten.- Es gilt als ihre Aufgabe, den aus formalen Gründen eingetretenen Rechtszustand um des materiellen Rechts willen rückgängig zu machen, ein Gedanke, der einen eigenartigen. 13) Vgl. auch F. Schulz, Prinzipien, 27, 34, 45. Vor der Vorliebe für "inhaltlose Allgemeinbegritfe" und für "systematische Deduktion" schützte die Römer ihr Mangel an spekulativem Trieb. Daß es einen einzigen ewig allgemeinen Grund gebe, um deswillen, mehr oder minder mittelbar, jedes Recht Recht sei, davon waren sie ebenso kräftig überzeugt, wie die Griechen; aber es kam ihnen nicht bei, diesen Grund in Gestalt einer Idee des Rechts an sich zum objektiven Ableitungsquell der besonderen Form des Gerechten zu machen; sie kannten ihn nur als Einstimmigkeit der praktischen Vernunft mit si ch selbst, welche Vernunft ihren Gesamtgedanken niemals ganz aussprechen kann, aber in bezugaufeinzelne Verhältnisse befragt, Entscheidungen der Billigung oder Mißbilligung gibt, die alle untereinander folgerecht zusammenhängen: Latze, Microcosmos III, 408, 409. 26) Pri111Jsheim a. a. 0. 144tf., bes. 150tf. 16) Besonders deutlich D. 12, 6, 66: Ha.ec condictio ex bono et aequo introducta et cet. Vgl. auch Ehrhardt, Justa causa, 42tf. PflÜlJer, Zur Lehre vom Erwerbe des Eigentums nach röm. Recht, 133. Pringsheim, ZSSt. 52, 152tf. 2&) D. 50, 17, 38. Vgl. auch D. 4, 2, 16, 2. D. 4, 3, 28. D. 3, 6, 5 pr. D. 43, 16, 3 pr.
24 § 3 Vermögensverminderung des Kondiktionsgläubigers und moderne Kondiktion
Widerspruch des gegebenen Rechts mit sich selbst oder mit einem geheimnisvollen Recht höherer Art schafft 27 ) und Otto von Gierke 18) zu dem bemerkenswerten Ausspruch veranlaßte, man sei in dieser Frage gezwungen, im Vorraum des Allerheiligsten haltzumachen. Besonders bezeichnend ist das Urteil des Reichsgerichts vom 29. November 1905 21 ): "DerRückforderungsanspruchder§§812,813beruhtaufdemallgemeinen Grundsatz der Billigkeit und Gerechtigkeit. Er soll die Ausgleichung einer eingetretenen Vermögensänderung da herbeiführen, wo diese Ver:änderung ohne rechtfertigenden Grund eingetreten ist. Die Zubilligung des Anspruchs darf demnach nur erfolgen unter Berücksichtigung der gesamten zwischen den Parteien obwaltenden Rechtslage und unter Berücksichtigung des Grundsatzes, daß jedermann sein Verhalten so einrichten muß, wie es Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte fordern". Deutlich ist hier die Nachwirkung aristotelisch-byzantinischer Gedankengänge zu erkennen. Es liegt auf der Hand, daß so eine scharfe dogmatische Erfassung der Kondiktionsansprüche unmöglich ist und statt eines Systems einheitlicher Begriffe eine uferlose Kontroversenliteratur die Folge sein mußte.
§ 3 Die Frage der Vermögensverminderung des Kondiktionsgläubigers nnd die Grnndstruktur der modernen Kondiktion
Dieser verderbliche Einfluß des allgemeinen Bereicherungsgrundsatzes: neminem cum alterius detrimento locupletiorem fieri zeigt sich auch noch in einer anderen Hinsicht. Die herrschende Meinung verlangt, daß dem Gewinn des Bereicherten (lucrum) ein Schade (detrimentum) des Entreicherten gegenüberstehen müsse 1 ), was insbesondere auf dem Gebiet des Immaterialgüterrechts der Anerkennung eines Bereicherungsanspruches große konstruktive Schwierigkeiten bereitet 1 ). Dann wäre der Bereicherungsanspruch in der Tat ein "geminderter Schadensersatzanspruch 3)". Um das Problem zu lösen, muß man das innersteWesender Kondiktion aufhellen. In der Anerkennung eines subjektiven Rechts durch die Rechtsordnung liegt stets die Zuweisung des vollen Interessengehalts der 27 ) Gegen solche und ähnliche Lehren zutreffend Jung in "Die Reichsgerichtspra.xis" III, 155. Leonhard, Besonderes Schuldrecht, 474f. Wilburg a.. a.. 0. 18ff. 2&) DPR. 111, 996f. 28) JW. 06, 69ff. (70). Vgl. im übrigen die Angaben im RGRK. Vorbem. 1 vor 812. 1) Vgl. RGRK. A. 2 zu 812. Wilburg a.. a. 0. mit Lit. ') Vgl. RGRK. a. a. 0. Staudinger-Keidel-Lechner, Vorbem. 16 vor 812. 3 ) Segall, Über die Verwandtschaft des Anspruchs auf Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung und des Scha.densersa.tzanspruchs, Heidelberger Diss. 1907, 38ff. Dazu F. Schulz, ArchzivPrax. 105, 441, 457.
§ 3 Vermögensverminderung des Kondiktionsgläubigers und moderne Kondiktion 25
zugewiesenen Lebensgüter (Sachen, Geistesprodukte, Naturkräfte, menschliches Verhalten, vorteilhafte Rechtspositionen). Daraus ergibt sich ein allgemeiner Rückforderungsanspruch wegen Fehleus eines konkreten Behaltungsrechts, wie er in der datio- und pervenit-Haftung des römischen Rechts vorbildlich herausgearbeitet ist. Gelangt ein Lebensgut an jemanden, dem es nach den zugrunde liegenden Rechtsbeziehungen nicht zukommt, so muß es an denjenigen zurückgeführt werden, dem es gebührt. Einen solchen Anspruch "Bereicherungsanspruch" zu nennen, ist jedenfalls de lege ferenda verfehlt. Das "Erlangte" und nicht "die Bereicherung" bildet den Gegenstand dieses Anspruchs. Die Kombinierung beider Begriffe innerhalb der modernen Kondiktion hat viel Unklarheit und Verwirrung geschaffen 4 ). Insofern ist den tiefdringenden, eine ursprüngliche Frische und Kraft ausstrahlenden, auf breiter dogmatischer Grundlage aufgebauten Untersuchungen von F. Sckulz in seinem "System der Rechte auf den Eingriffserwerb"') zuzustimmen, der ebenfalls die moderne Bereicherungstheorie verwirft. Seine Ausführungen zeugen von jenem feinen rechtspoÜtischen discernement, das unsere klassischen Lehrmeister auszeichnet. Zu dem Interessengehalt des subjektiven Rechts gehören auch der Gebrauchs-, Verbrauchs- und Veräußerungswert. Auch diese Werte gebühren dem wahren Berechtigten. Er ist nicht verpflichtet, sie einem anderen unentgeltlich zu überlassen. Gelangt der andere unentgeltlich in ihren Besitz, so muß er sie zurückerstatten. Insofern herrscht auch heute noch das in der Rechtsgeschichte eine so bedeutsame Rolle spielende Entgeltlichkeitsprinzip•). Ein umfassendes System der Kondiktionen kann hier nicht entwickelt werden. Auszugehen ist de lege lata (812 I) wie de lege ferenda von dem Unterschied zwischen den Leistungskondiktionen und den Kondiktionen ohne Leistung des Benachteiligten. Die erste Kategorie nimmt ihren 'Ausgangspunkt von einer Leistung des A an den B . Jede Leistung gehört einer bestimmten konkreten Wertbewegung an 7 ). Sie erfolgt im untrennbaren Zusammenhang mit dieser Wertbewegung. Besteht die Wertbewegung von 4 ) In welchem Irrgarten sich die moderne Dogmatik verliert, beweist folgende Bemerkung des RGRK. Vorbem. 4 vor 812 S. 544: "Gegenstand des Anspruches auf Herausgabe ist nicht das in sein" -des Bereicherten- Vermögen gelangte "Etwas" körperlicher oderunkörperlicher Natur, auch nicht die "Bereicherung", die überhaupt nur ein Maß- und Rechnungsbegriff ist, kein der Herausgabe fähiges Etwas". Wenn dies richtig wäre, dann brauchte also ein Kondiktionsschuldner die erlangte Sache überhaupt nicht herauszugeben! Vgl. auch ähnlich wie der RGRK. RG. 118, 188. Berechtigte Kritik schon bei F. Schulz a. a. 0. 476f. 5 ) ArchzivPrax. 105, 474ff. u. sonst. Dazu sehr anerkennend Heck, Schuldrecht, 436; ferner Enneccerus-Lehmann a. a. 0. 732 A. 1. Wilburg a. a. 0. 25f. 8 ) Vgl. von Lührow, Koschaker-Festschr. II, 114 mit Lit. 7 ) Stampe, Grundr. der Wertbewegungslehre II (1919), 190.
26 § 3 Vermögensverminderung des Kondiktionsgläubigers und moderne Kondiktion
Anfang an nicht oder fällt sie später weg 8 ), so ist die Leistung ungerechtfertigt und kann kondiziert werden, und zwar in ihrer ursprünglichen Form, soweit sie ihrer Natur nach rückforderbar ist, eine Voraussetzung, die z. B. bei Arbeitsleistungen fehlt. Denn es wird mit der Leistung der "typische Geschäftszweck", also z. B. die Durchführung eines Kaufes, nicht erreicht•). Der Nichterreichung des typischen Geschäftszwecks wird in bestimmten Grenzen die Nichterreichung des "besonderen konkreten Geschäftszwecks" 10) gleichgestellt (812 I S. 2). Bei kausaler Gestaltung des Leistungsgeschäfts würde zunächst die Vindikation eingreifen, wenn der typische Geschäftszweck nicht verwirklicht wird und die Leistung rückforderbar ist. Wilburg 11) zieht nun einen tiefen Trennungsstrich zwischen diesen Leistungskondiktionen und den Kondiktionen, die nicht einer Leistung zwischen Kondiktionsgläubiger und -schuldner ihr Dasein verdanken, wie beim Erwerb durch Verbindung oder Verbrauch fremder Güter. Er verneint die gemeinsame dogmatische Grundlage, hält die Grundlagen sogar für "fundamental" verschieden: Die Kondiktionen ohne Leistung beruhten auf dem Zweck eines durch den Erwerb des Kondiktionsschuldners betroffenen Grundrechts, besonders des Eigentums, seien also "Rechtsfortwirkungsanspr.üche", während die auf dem Willensakt des Leistenden basierenden Leistungskondiktionen "eine Art rechtsgeschäftlicher Anfechtung" darstellten; zu den Gründen der Anfechtung gehöre vor allem der Irrtum des Leistenden über den rechtlichen Grund seiner Leistung. Demgegenüber muß betont werden, daß beide Kondiktionsarten ihrem Fundament nach zusammengehören. Sie sind nur Spielarten einer allgemeinen Ausgleichsordnung 11). Man sieht dies sofort, wenn man sich bei rückforderbaren Rechtsgütern den abstrakten Leistungseffekt wegdenkt. Dann ist der dem übertragenen Rechtsgut entsprechende dingliche Rechtsbehelf, in erster Linie also der Eigentumsanspruch, gegeben. Also dient auch die Leistungskondiktion nur als Ersatz für das durch die Abstraktheit des Leistungseffekts verlorene Recht13 ). Auch sie ist ein Rechtsfortwirkungsanspruch, was nur dadurch etwas verdeckt wird, daß die Leistungskondiktion keinen· unmittelbaren Eingriff in das Recht voraussetzt, es vielmehr von seinem Träger freiwillig übertragen wurde. Ein besonders deutlich in die Erscheinung tretender Eingriff liegt im Falle des 816 I S. 1 vor. Der Anspruch aus 816 wird bisweilen nicht als "eigentlicher Bereicherungsanspruch" betrachtet, und zwar vom Reichs&) Gleichgestellt sind die Fälle, wo der Empfänger durch die Annahme gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt (817). •) Stampe a. a. 0. 191. IO) Dazu Stampe a. a. 0. 19lf. 11 ) A. a. 0. 7f., 28ff., 49f. Vgl. auch von Tuhr, Festschr. f. Bekker, 27. 12 ) Richtig Barnstedt a. a.. 0. 100. 13) Vgl. Endemann, Schuldrecht, 1239. Ehrhardt, Justa ca.usa. traditionis, 36.
§ 3 Vermögensverminderung des Kondiktionsgläubigers und moderne Kondiktion 27
gerichtU) deshalb, weil der Bereicherungsanspruch das Fehlen eines rechtlichen Grundes voraussetze. Jedoch ist der Anspruch aus 816 I S. 1 nur eine Spielart des allgemeinen Tatbestandes des 812 I 15). Durch die Verwertung einer fremden Sache hat der Nichtberechtigte etwas, nämlich das pretium18), auf Kosten des wahren Eigentümers ohne Rechtsgrund erlangt. Im Verhältnis zwischen Nichtberechtigtem und gutgläubigem Erwerber besteht zwar ein Schuldverhältnis, das den Erwerb des Kaufpreises rechtfertigt. Ein solches fehlt jedoch im Verhältnis zwischen Eigentümer und Nichtberechtigtem. Insofern ist der Erwerb des Erlöses grundlos. Das Reichsgericht verkennt die Relativität des Rechtsgrundes 17 ). Im übrigen ist entscheidend allein, daß, wenn der Eigentümer durch die im Interesse des Verkehrs gegebenen Vorschriften über den Schutz des guten Glaubens seines Rechts verlustig gegangen ist, kein Grund besteht, ihn auch noch um den Wert seines Rechts zu schädigen. Die veräußerte Sache gehörte ihm und deshalb gebührt ihm auch der Wert. Diesem Gedanken widerspricht es, wenn ein Nichtberechtigter sich den Wert einer fremden Sache durch ihre Veräußerung aneignet. Deshalb muß er ihn dem Berechtigten herausgeben als Ausgleich für das entzogene dingliche Recht. An der Kondiktionennatur des Anspruchs aus 816 I S. 1 wird auch dadurch nichts geändert, daß er, wie das Reichsgericht18 ) betont, geradezu eine Ergänzung der Vorschriften über das Rechtsverhältnis zwischen dem Eigentümer und dem Besitzer (987ff.) bildet. Zwar ist die Frage der Herausgabe von Nutzungen in 987ff. abschließend geregelt, sodaß nicht etwa daneben noch 816 anwendbar ist 19). Aber der Erlös fällt nicht unter den Begriff der Nutzungen 20). Allerdings gehören die Vorschriften 987ff., 816 I, 281 insofern systematisch zusammen, als ~ie eine nahezu selbstverständliche Folgerung aus der Funktion des Eigentumsrechts als Inter-essenschutz bilden 21}. Wenn der Eigentumsherausgabeanspruch (985) versagt, ergibt sich ein Schadensersatzanspruch als Rest oder Fortwirkung des unmöglich gewordenen Leistungsanspruchs (989). Die Nutzungen (100) der Sache gebühren dem Eigentümer (987, 988), ebenso auch der Veräußerungswert (816). Besonders eng ist die Beziehung zwischen 816 I S. 2 und 988 11). u) Warn. Rspr. 1920, Nr. 160 = SA. 75, 264. Nr. 212 = Gruch. 65, 92. RG. 158, 47. .Zustimmend Warneyer, Anm. zu 816. U) Heck, Schuldrecht, 427. EnnecceTWJ·Lehmann, Schuldrecht, 722. Esser, Schuldrecht, 447. Siehe oben S. 19f. 16) Darüber, daß 816 zu Unrecht nicht zwischen pretium ex re und pretium ex negotiatione unterscheidet, vgl. S. 29f., 74. 17 ) Wilburg a.. a. 0. 13 m. A. 39, 115, 117. F. Schulz, ArchzivPrax. 105, 411. En~eccerus·Lehmann a. a.. 0. 729 A. 13. von Ltübtow, ArchzivPrax. 150, 255. lB) A. a.. 0. 19) von Lübtow a. a. 0. 256. 10) RG. 158, 47. 21) Vgl. Heck, Schuldrecht, 103ft. su) von Lübrow a. a. 0. 255f.
28
§ 3 Vermögensverminderung des Kondiktionsgläubigers und moderne Kondiktion
De lege ferenda ist es wünschenswert, die Sonderregelung der 987ff. und die allgemeinen Ersatz- und Bereicherungsansprüche zu harmonisieren 13). Weil der Anspruch aus 816 I S.1 auf einem unmittelbaren Eingriff in das Eigentum beruht, ist nach F. SchulzM) seine Stellung im 24. Titel nur dadurch gerechtfertigt, daß für ihn der Haftungsmaßstab der 818, 819 gelten soll. Auch der Kommentar von Reichsgerichtsräten 10) findet im Grunde bei einem Eingriff in fremdes Vermögen die Beschränkung der Haftung auf die noch vorhandene Bereicherung nicht recht passend, sieht sich aber gleichwohl gezwungen zu betonen, daß der Eingriffserwerb nicht schlechthin, sondern nur in den Grenzen der Bereicherung herauszugeben sei und das Gesetz für eine von der sonst üblichen abweichenden Auffassung des Bereicherungsbegriffs keinen Anhalt biete. Der Kondiktionsanspruch ist ein obligatorischer und richtet sich deshalb nicht gegen einen Dritten 28 ). Eine Ausnahme besteht nach 816 I S. 2 und 822 bei unentgeltlichem Erwerb. Diese Regelung beruht auf dem Gedanken, daß dort, wo es sich um den Ausgleich einer ungerechtfertigten Rechtsänderung handelt, die Belange des unentgeltlichen Erwerbers hinter denen des wahren Rechtsinhabers zurückstehen müssen 17). • Beide Vorschrüten unterscheiden sich dadurch, daß 822 erst eingreift, wenn die Kondiktionsschuld des unberechtigten Erstempfängers durc11 die Zuwendung weggefallen ist, während nach 816 I S. 2 der Empfänger einer durch einen Nichtberechtigten bewirkten unentgeltlichen Leistung unmittelbar neben dem Erstempfänger dem Entreicherlen haftet. Die Verschiedenartigkeitdieser Regelung ist unberechtigt 18). De lege ferenda muß, wenn die Forderung gegen den Ersterwerber erlischt 28 ), der Kondiktionsanspruch den neuen Träger des kondizierbaren Erwerbes treffen. Die Passivlegitimation wechselt also mit dem Verbleib des Erwerbes. Solange das "Erlangte" (das id quod pervenit des prätorischen, das auf Grund einer datio Hingegebene des zivilrechtliehen Kondiktionenrechts) im Vermögen des Kondiktionsschuldners vorhanden ist, geht der Herallsgabeanspruch auf das Erlangte. Der Gläubiger braucht sich nicht mit einem Ersatz des Wertes abspeisen zu lassen, kann ihn andererseits auch nicht statt der Herausgabe verlangen. Ist das Erlangte aber nicht mehr vorhanden, so erlischt der Herausgabeanspruch. Bei zufälligem Untergang einer Spezies wird der Kondiktionsschuldner frei und braucht auch einen Wertersatz nicht zu leisten. Anders, 18 ) Vgl. Locher, Die Neugestaltung des Liegenschaftsrechts (1942), 119. ") ArchzivPrax. 105, 336ff., 412. Vgl. auch Oertmann ebenda, Bd. 96, 39. 16 ) A. 1 zu 818. te) Vgl. Wilburg a. a. 0. 109, 115f. 17 ) Vgl. dazu Heck, Schuldrecht, 293,426. RGRK. A. 1 zu 822. von l.Aihtow, ArchzivPrax. 150, 256. Locher a. a. 0. 117 ff. 28) F. Schulz, ArchzivPrax. 105, 314. 29) Wilburg a. a. 0. 46f., 116.
§ 3 VermögenBverminderung des Kondiktionsgläubigers und moderne Kondiktion 29
wenn ·die Sache ihrer Bestimmung gemäß verbraucht ist (Geld, Getreide usw.). Durch diese Handlung hat der Kondiktions.s chuldner sich den Verbrauchswert endgültig angeeignet, als "Rechtsrest" bleibt daher der neue Anspruch auf Wertersatz zurück, ohne daß es darauf ankommen kann, ob der Schuldner sonstige Aufwendungen erspart hat oder nicht. Anders ist es leiderde lege lata, und zwar mit Rücksicht auf die bereits kritisierte Beschränkung der Haftung auf die noch vorhandene Bereicherung (lucrum). Wenn der Empfänger das Geld für eine sonst unterbliebene Vergnügungsreise oder für Anschaffungen im Haushalt, die sonst nicht gemacht wären, verwandt hat, fällt gemäß 818 111 die "Bereicherung" ersatzlos fort 30). Diese Konsequenz des byzantinisch-modernrechtlichen Bereicherungsbegriffes ist bereits von Siber 31 ) als rechtspolitisch verfehlt gerügt worden. Das preußische und französische Recht kennt eine Befreiung des Kondiktionsschuldners aus dem angegebenen Grunde ebensowenig wie die condictio certi der römischen Klassik. Wird eine Sache nicht physisch verbraucht, sondern veräußert, so entfällt damit ebenfalls der primäre Rückforderungsanspruch. An seine Stelle tritt als Ersatz der Anspruch auf Herausgabe des 'Vertes. Denn die Anerkennung des Rechts auf die Sache selbst enthält gleichzeitig die Zuweisung ihres Wertes, nicht jedoch des Verwertungserlöses, so bestechend diese Annahme auf den ersten Blick erscheint 81 ). Deshalb unterscheiden die römischen Klassiker korrekt zwischen dem pretium ex re (objektiver Wert der Sache) und dem pretium ex negotiatione (Verkaufserlös 33 ) . So erspart man die umständliche Untersuchung, inwieweit der Erlös aus der Sache erlangt ist oder als Geschäftsgewinn angesehen werden muß, der auf der besonderen Geschäftsgewandtheit des Veräußerers beruht oder ihm für eine besondere nur persönliche Gelegenheit gebührtM). Bleibt das Äquivalent hinter dem Wert zurück, so kann der Eigentümer nach Ansicht von Staudinger-Keidel-Lechner 35 ) nicht die Differenz beanspruchen, weil der Kondiktionsschuldner den Wertinsoweit nicht endgültig seinem Vermögen einverleibt, sondern weitergegeben hat. Nach herrschender Meinung ist im Falle des 816 I S. 1 der erzielte Gegenwert auch dann herauszugeben, wenn er den objektiven Wert der Sache übersteigt 3'). Dafür spricht der Wortlaut des Gesetzes, dagegen aber der Systemzusammenhang des Bereicherungs80) Vgl. statt aller Planck A. 5a zu 818.
Röm. Recht li, 220, 222, Schuldrecht, 444f., Studi Riccobono III, 282. Jher. Ja.hrb. 89, 17 A. I. Zustimmend H. G. Maier a.. a. 0. 2. 82) Staudinger-Keidel-Lechner, A. 14 zu 818. Abweichend Heck, Schuldrecht, 426. 33) Vgl. unten S. 84. ") Stieve a.. a. 0. 84. Heck a.. a.. 0.; vgl. auch unten S. 78. Wilburg a.. a. 0. 132f. Gegen diese "unglückselige Proportiona.litätstheorie" F. Schulz a. a.. 0. 106ff., 345. a&) A. a. 0. 88) Vgl. z. B. RGRK. A. 2d zu 816. Staudinger-Keidel-Lechner A. 11 zu 816. Enneccerus-Lehmann, Schuldrecht, 745. Esser, Schuldrecht, 448. Zweifelnd RG. 138, 47, das eich auf 281 zurückzieht. 81)
30 § 3 Vermögensverminderung des Kondiktionsglä.ubigers und moderne Kondiktion
rechts. Der Anspruch aus 816 kann niemals über den Wert der verkauften Sache hinausgehen, auch wenn der vom Veräußerer erzielte Erlös höher ist. Das auf Kosten des Eigentümers durch die Verfügung Erlangte 87 ) reicht nur so weit, als der Wert der Sache beträgt 38). Die Frage, ob der Kondiktionsschuldner bösgläubig über das fremde Recht verfügt, also bewußt fremdes Gut riskiert hat und deshalb auch seinen eigenen Gewinn riskieren müsse 39), scheidet hier völlig aus. Dieser Gesichtspunkt spielt als rechtspolitisches Motiv eine Rolle im Fall des 687 II, wo demgemäß der Berechtigte allen Gewinn für sich beanspruchen kann. Die herrschende Lehre will die Zuweisung des Verwertungserlöses nur für den Anspruch aus 816 I, dagegen nicht für 812 gelten lassen 40), zweifellos eine Diskrepanz, die durch die falsche Fassung des 816 I S.1 verursacht ist. Richtig gefaßt müßte er lauten: "Die im § 812 bestimmte Verpflichtung trifft auch denjenigen, der als Nichtberechtigter über einen Gegenstand eine Verfügung getroffen hat, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist". Durch die Verfügung hat der Verfügende den Wert des Gegenstandes sich endgültig angeeignet. Das Reichsgericht (RG. 86, 343fi.) hatte folgenden Fall zu entscheiden: Der geschäftsunfähige A erwirbt ein Grundstück von B und veräußert es weiter an C. B läßt auf Weisung (iussus) des A das Grundstück direkt an C auf. Die Analyse dieses Falles ergibt folgendes Resultat: Die Leistungen der Beteiligten sind kausal gebunden und dementsprechend sind die Kausalbeziehungen maßgebend für die Beurteilung der Frage, wer Leistender und Leistungsempfänger im Sinne des 812 ist•1 ). Die Kausalverhältnisse (Kaufverträge) zwischen A und BundBund C sind nichtig. Die Leistung des BanCistin Wahrheit dem A erbracht. A hat nicht aus dem Grunde eine co:ridictio auf Rückübereignung des Grundstücks gegen C, weil der Kaufvertrag A-C nichtig ist. B hat vielmehr diesen Anspruch gegen A, weil die Leistung ihm erbracht ist. A ist zur Herausgabe außerstande, weil C Eigentümer des Grundstücks geworden ist und es im Besitz hat (818 II). A muß jedoch dem B den Wert des Grundstücks ersetzen (818 II), soweit er noch bereichert ist (818 III). Er ist noch bereichert , da ihm gegen C eine condictio auf Rückgabe des Grundstücks zusteht; denn die Hingabe ist ohne Rechtsgrund erfolgt. Ein Anspruch auf Abtretung dieser condictio A-C besteht für B nicht, da diese condictio weder eine Nutzung noch ein 87 ) 88 )
89) 40)
41)
Vgl. oben S. 19. Übereinstimmend Jung in "DieReichsgerichtspra.xis" III, 156; Bürger!. Recht,443. Esser, Schuldrecht a. a. 0. Staudinger-Keidel-Lechner a. a. 0. mit Lit. Vgl. auch Kaser, ArchzivPrax. 143, 17. Vgl. von Tuhr, Allgem. Teil II 2, 99. RGRK. A. 4 zu 812.
§ 3 Vermögensverminderung des Kondiktionsgläubigers und moderne Kondiktion 31
Surrogat im Sinne des 818 I ist. Nicht bereichert ist A dagegen um den durch die Weiterveräußerung an C erzielten Kaufpreis. Das würde einen rechtsgültigen Vertrag zwischen A und C voraussetzen"). Da ein solcher nicht vorliegt, muß A an C den Kaufpreis zurückgeben, ist also insofern nicht bereichert. Aber auch, wenn der Kaufvertrag A-C gültig wäre, hätte B gegen A keinen Anspruch auf Herausgabe dessen, was A über den Wert des Grundstücks hinaus durch die Weiterveräußerung an C etwa erlangt hat, weil, wie das Reichsgericht 86, 347 zutreffend feststellt, die Voraussetzungen des 818 I nicht gegeben sind. Dabei muß es auch, wie dargetan, de lege ferenda sein Bewenden behalten. So und nicht anders ist auch trotz des entgegenstehenden Wortlauts des 816 zu entscheiden, wenn eine dem Berechtigten gegenüber wirksame Verfügung eines Nichtberechtigten vorliegen würde. Die herrschende Meinung läßt "aus Gründen der Bequemlichkeit" eine direkte Ausgleichung zwischen Leistendem (hier B) und Empfänger (hier C) stattfinden, wenn beide Kausalverhältnisse (hier sowohl das zwischen A und B wie das zwischen A und C) nichtig sind 0 ). Das ist genau der von der aufgeklärten Despotie Justinians oft beliebte, sich über die Feinheiten des klassischen Rechts souverän hinwegsetzende "gerade Weg", eine Methode, die sich durch mangelnde juristische Schärfe auszeichnet"). Wenn es sich wie hier um eine durch Anweisung vermittelte Zuwendung handelt, so haben schon die römischen Klassiker diesen Vorgang juristisch zutreffend und für uns vorbildlich dahin analysiert, daß die Leistung des Angewiesenen in zwei Leistungen zu zerlegen ist, erst die des Angewiesenen (B) an den Anweisenden (A) und dann die des Anweisenden (A) an den Leistungsempfänger (C)"). Die LeistungBan A ist ohne rechtlichen Grund erfolgt und kann daher vori B kondiziert werden, ebenso kann A ven C die Leistung kondizieren. Dagegen kommt eine Kondiktion des B gegen C nicht etwa aus dem Grunde in Frage, weil die Leistungen B an A und A an C sine causis sind. Das ist für das Verhältnis zwischen B und C ohne Bedeutung. B hat bei seiner Leistung an C keine Kauf-causa vorausgesetzt, kann also nicht von C kondizieren, obwohl zwischen ihm und C eine unmittelbare Vermögensverschiebung stattgefunden hat. Auch hier erweist sich wieder die Unbrauchbarkeit des Merkmals der Unmittelbarkeit. 41) Vgl. RGRK. A. 2 zu 8I6. «B) RG. 86, 347. RGRK. A. 4 zu 8I2 S. 657. Palandt A. 4 B b) zu 8I2. StaudingerKeidel-Lechner A. 8 zu 8I2. Ennetcerua·Lehmann, Schuldrecht, 684 A. I8. Barnstedt, Merkmal der Rechtsgrundlosigkeit, 54f. Abweichend von Tuhr, Allgem. Teil II 2, 99f.
Siber, Schuldrecht, 421. Wilburg a. a. 0. ll4, dort A. 540 weit. Lit. CC) D. I2, 6, 53 i. f.: sed tarn benignius quam utilius est recta via ipsum qui nummos dedit suum recipere. Dazu Haymann, Jher. Jahrb. 77, 233 A. 2. 45 ) Za.hlungsdelega.tion: D. 24, I, 3, I2 (Celsus). Kreditdelegation: D. 39, 5, 2I, I (Celsus). Vgl. Pflüger, Condictio und kein Ende, 77ff. Beseler, Jur. Min. ll6ff.
32 § 3 Vermögensverminderung des Kondiktionsgläubigers und moderne Kondiktion
Zwischen B und C bildet die alleinige causa der Leistung die Anweisung (iussus). Die causa der Eigentums- und Besitzübertragung von B an C ist der einhellige Wille beider, der Anweisung des A zu entsprechen. Da dieser iussus wegen der Geschäftsunfähigkeit des A nichtig ist und nur aus diesem Grunde kann B von C direkt das Eigentum und den Besitz am Grundstück kondizieren ' 6 ). Nach dem bisherigen Ergebnis unserer Untersuchungen hat B gegen A eine condictio auf Herausgabe des Wertes des Grundstücks, A gegen C eine condictio auf Herausgabe des. Besitzes und Eigentums am Grundstück und B gegen C eine condictio gleichen Inhalts. Es liegen also konkurrierende Ansprüche vor. Es besteht infolgedessen für C die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme. Betrachtet man das Gesamtbild, so stehen Besitz und Eigentum an dem Grundstück endgültig dem B zu. Deshalb kann sich C, wenn er von A in Anspruch genommen wird, auf den Herausgabeanspruch des B gegen ihn berufen (242). Denn A handelt arglistig, weil er selbst verpflichtet ist, dem B den Wert des Grundstücks herauszugeben. Allerdings erhebt C damit eine Einwendung, die in keiner Beziehung zu dem zwischen ihm und A vorliegenden Rechtsverhältnis steht. Eine exceptio ex iure tertii ist unserem Recht grundsätzlich unbekannt. Indessen macht hier C mit der exceptio doli nur eine konkurrierende und im Range vorgehende Pflicht geltend. Auch die Römer beugten einer erfolgreichen Klagenverdoppelung durch die exceptio doli vor 17 ) . Es ist jedoch fraglich, ob nicht überhaupt der Bereicherungsanspruch des A gegen C durch den des B gegen C absorbiert wird. Das ist zu bejahen. Denn ein und derselbe V ermögensvorteil, nämlich Besitz und Eigentum an dem Grundstück, kann nicht gleichzeitig sowohl aus dem Vermögen des A wie aus dem des B stammen ' 8 ) . Wenn B von C kondiziert, so taucht die Frage auf, ob C wegen des von ihm an A gezahlten Kaufpreises ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen kann. Die Behandlung der Aufwendungen des Kondiktionsschuldners ist sehr umstritten. Enneccerus-Lehmann 48) antworten verneinend, weil diese Einrede eine unzulässige exceptio ex iure tertii wäre 50 ). Es bliebe dem C dann nur die Möglichkeit, den Kaufpreis von A zu vindizieren oder zu kondizi_e ren 50) . Gegen diese Ansicht ließen sich folgende Einwendungen erheben: Der Bereicherungsanspruch geht nach 818 III nur so weit, als der Empfänger noch, d. h. zur Zeit der Geltendmachung bereichert ist 51). Das 46 ) Vgl. von Tuhr II 2, 99f. Wilburg a. a. 0. 114. Be&ekr, Jur. Min., 117ff. '7) Be&eler, Jur. Min. 119. 48) Barn8tedt a. a. 0. 78. fV) Schuldrecht, 754. 50) EnnecceruB-Lehmann a. a. 0. 5 1) Heck, Schuldrecht, 430.
§ 3 Vermögensverminderung des Kondiktionsgläubigers und moderne Kondiktion 33
entspricht jedenfalls dem Sinn des 818 III, mag er auch in seinem Wortlaut nur von einem späteren, d. h. nach der Erlangung eingetretenen Fortfall der Bereicherung redenn). Denn der gutgläubige Kondiktionsschuldner soll ja von Anfang an nur auf die Bereicherung haften. Folglich kann er alle Einbußen, die er vor Klageerhebung erlitten hat, abziehen. Dazu gehört logischerweise auch der für die Sache entrichtete Kaufpreis 63 ), während andererseits dem Besitzer der mit der Vindikation herausverlangten Sache kein Lösungsrecht zusteht. In Höhe der Gegenleistung ist ja von vornherein keine Bereicherung entstanden 64). Gegen diese Begründung spricht indessen, daß zwischen der Zahlung des Kaufpreises durch C an A und dem Eigentumserwerb des C von B kein ursächlicher Zusammenhang besteht. Der von C an A gezahlte Kaufpreis war das Entgelt für die Leistung zwischen A und C. Diese löste aber nicht den Bereicherungsanspruch des B gegen C aus, sondern er entstand infolge des nichtigen iussus. Die Vermögensminderung des C wurde durch sein (nichtiges) Schuldverhältnis mit A bewirkt. Entsprechend der wiederholt betonten Relativität des Rechtsgrundes kann C dem B gegenüber nicht die einem Dritten, dem A, erbrachte Gegenleistung abziehen. 65) Wir sahen, daß dem B neben der Besitz- und Eigentumskondiktion gegen C auch ein Bereicherungsanspruch gegen A auf Herausgabe des Wertes des Grundstücks zusteht. Es ist natürlich nicht angängig, daß B sowohl die Sache selbst wie ihren Wert erhält. Man könnte an eine entsprechende Anwendung des 255 dahin denken, daß A nur gegen Abtretung der condictio des B gegen C zum Ersatz des Wertes verpflichtet sei. Dem Grundgedanken des Rückforderungsrechtes wegen ungerechtfertigten Habens entspricht es mehr, die condictio gegen A zu verneinen. Der Kondiktionsgläubiger hat nicht die Wahl, Herausgabe in Natur oder Wertersatz zu verlangen. Vielmehr gilt das Prinzip der Naturalrestitution 66). Sie kann B allein von C fordern. Mit der Sache selbst erhält er dann zugleich ihren Wert. Es zeigt sich also, daß dieser Wert nicht endgültig dem Vermögen des A einverleibt worden ist und insofern das Erfordernis einer Wert-Kondiktion nicht vorliegt. Der Träger eines Rechts ist nicht verpflichtet, den Gebrauch seiner Sache einem andern un e ntg eltlich zu überlassen. Das ist der wahre Grund, weshalb vertragsloses Bewohnen fremder Räume auch außerhalb der Grenzen dflS 557 zur Zahlung einer angemessenen Vergütung ver62)
Leonoord, Besonderes Schuldrecht, 532ff.
So Stieve, Gegenstand des Bereicherungsanspruchs 89ff. F. Schulz, ArchzivPrax. 105, 347. · 64) So F.Schulz a. a. 0. 347 A. 916. 65) Vgl. RG. 106, 7. Barnstedt a. a. 0. 86. 5 6) Heck, Schuldrecht, 429. Planck-Landoi8 A. 4g zu 818. 53)
3 Lübtow, Condictio
34 § 3 Vermögensverminderung des Kondiktionsgläubigers und moderne Kondiktion
pflichtet, ohne Rücksicht darauf, ob dem Eigentümer ein Schaden erwachsen ist, d. h. ob er die Räume anderweit hätte vermieten können 117). Beim ungerechtfertigten Gebrauch einer fremden Sache handelt es sich wie bei der Leistung von Diensten auf Grund eines unverbindlichen Vertrages um die Erreichung einer endgültigen, d. h. nicht rückforderbaren Position. Infolgedessen ist der übliche oder angemessene Wert des Gebrauchs oder der Dienste zu ersetzen (818 II). Dieselbe Lösung begegnet uns übrigens im 1431 ABGB., wonach der Empfänger einer Leistung, auf die er kein Recht hat, dem Leistenden einen angemessenen Lohn bezahlen muß. Dieser "echt naturrechtliche Gedanke" ist dann auch in das Österreichische Urheberrechtsgesetz vom 9. April 1936 (86 I) eingezogen 58 ). Meistens arbeiten jedoch Rechtsprechung und Rechtslehre hier mit Schadensfiktionen 68}: der Kondiktionsschuldner hätte bei ordnungsmäßigem Vorgehen eine Vergütung zahlen müssen. Sie hat er erspart, wodurch dem Kondiktionsgläubiger ein Verlust entstanden ist. Darin liegt vom Standpunkt des gesetzlichen Bereicherungsbegriffs aus gesehen ein Trugschluß. Denn nicht darauf kommt es an, ob der Schuldner normalerweise sich dieser Sache oder dieser Arbeitskraft bedient hätte, sondern ob er den gehabten Erfolg sich nicht anderweitig unentgeltlich beschafft haben würde. Wenn man allerdings den Einwand des Kondiktionsschuldners, er würde sich ohne den Gebrauch der Sache oder ohne die Dienstleistungen anderweit beholfen haben, für unbeachtlich erklärt 10), so läßt sich dieser Standpunkt de lege lata nicht halten. Denn dann liegt eine Bereicherung nicht vor. De lege ferenda dagegen ist die Erwägung maßgebend, daß der Kondiktionsschuldner den gehabten Gebrauch der fremden Sache oder der fremden Arbeitskraft endgültig und nicht rückforderbar seiner Rechtssphäre einverleibt hat. Das Erfordernis eines Schadens als notwendige Voraussetzung läßt sich auch nicht, wie die herrschende Lehre es tut, aus der gesetzlichen Formel des 812 "auf Kosten" herleiten 81}. Die Entstehungsgeschichte des Gesetzes ergibt, daß es ursprünglich hieß: "aus dessen Vermögen". Wenn die II. Kommission diese Worte durch die Fassung "auf Kosten" ersetzte, so deshalb, um auch die Fälle zu umfassen, wo "das Objekt der Bereicherung, ohne bereits in das Vermögen des Kondiktionsschuldners übergegangen zu sein, 17) RGRK. A. 1 zu 812, insbesondere OLG. 13, 388. Unrichtig RG. 105, 409; vgL dazu RGRK. A. zu 812. Der von RG. herangezogene 687 II deckt nicht den Fall der Fahrlässigkeit: vgl. RGRK: A. 3 zu 687. 68) Vgl. H. Mitteia, Grundriß des Österr. Urheberrechts (1936), 157f. Siehe auch RG. 122, 232. Titze, Ehrenbergs Handbuch li 2, 660. Wilburg a. a. 0. 135. 69) Vgl. Wilburg a. a. 0. lOOff. ' 0 ) RG. 97, 312. RGRK. A. 1 zu 812. 11) So mit Recht F. Schulz, ArchzivPrax. 105, 441. Heck, Schuldrecht, 421. Wilburg a. a. 0. 106ff.
§ 4 Die klaseisch-römische Kondiktion bei "Konsumtion" fremden Geldes
35
sefuen Vermögensstand nur berührt" habe 61). Deshalb sieht die Rechtsprechung beispielsweise fu dem bloßen Bucheigentum efue kondizierbare Rechtsstellung, weil dadurch dem Eigentümer die dem wahren Eigentümer entzogene Möglichkeit efuer Veräußerung und Belastung des Grundstücks gewährt wird 13). Das Anspruchsgebiet des 812 sollte also nicht verengert, sondern erweitert werden. Freilich ist die Neufassung nicht besonders glücklich. Jedenfalls ergibt sich, daß im Gesetz das byzantfuische Dogma "nemfuem cum detrimento alterius locupletiorem fieri" nur fusoweit aufgenommen ist, als es sich um die Beschränkung des Herausgabeanspruchs auf die Bereicherung handelt, nicht dagegen auch fusoweit, daß dem Gewfun auf der efuen Seite efu Verlust auf der andern gegenüberstehen müsse. Die Rechtsanwendung darf also nicht päpstlicher sefu als der Papst.
§ 4 Die Kondiktion des klassisch-römischen Rechts bei "Konsumtion" fremden Geldes
Unsere Auffassung von der Grundstruktur des Rückgabeanspruchs wegen Fehlens eines Behaltungsrechts erfreut sich der Harmonie mit dem klassischrömischen Kondiktionenrecht, das - bewußt oder unbewußt - ebenfalls aus den zugrunde liegenden Interessen entwickelt ist und das mit seinem Maß, seiner Abgewogenheit und Klarheit der wissenschaftlichen Methode den Eindruck einer obiektiven Gesetzmäßigkeit erweckt. Sein Bild leuchtet trotz aller byzantinischen Übermalungen noch deutlich aus den Quellen hervor. Die Klassiker sind der Ansicht, daß jemand, der fremdes Geld redlich (bona fide) "verbraucht" (nummos, pecuniam consumere) 1 ), es beispielsweise als Darlehn hingibt oder zur Bezahlung einer Schuld verwendet, sich damit den Wert des Geldes angeeignet hat 1), wie wenn er fremdes Brot verzehrt oder fremdes Getreide vermahlt. Die "juristische" Konsumtion steht also der physischen insoweit gleich, eben weil sich die "Zweckbestimmung" des Geldes "in der rechtsgeschäftliehen Übertragung geradezu erschöpft"8). Fast allgemein wird nun die Ansicht vertreten, daß nach römischem Recht die Konsumtion zum Eigentumserwerbe führe'). Das ist unrichtig. Wer fremdes Geld als Darlehn empfängt und es verbraucht, wird nicht Eigentümer, weil niemand mehr Rechte übertragen kann als ihm 62)
Prot. 2, 685. Vgl. RG. ll9, 335.
aa) RG. ll9, 335f.
1 ) D. 12, 1, ll, 2. D. 12, 1, 12. D. 12, 1, 13 pr. D. 12, 1, 14. D. 12, I, 18 pr. D. 190, 12, 1, 19, I. Vgl. dazu Windscheid-Kipp, Pandekten I, 701 A. 3. 2) Oertmann, ArchzivPrax. 96, 46. 8 ) Kaser, ArchzivPrax, 143, 17. ') Pagenstecher, Pandektenpraktikum 444. Haniel, Die Wirkungen der Darlehnshingabe von fremdem Gelde, Rostocker Diss. 1902, 32ff. Pflüger, Condictio und kein Ende, 25. Haymann, Jher. Jahrb. 77, 210.
3•
36
§ 4 Die k1a.ssisch-römische Kondiktion bei "Konsumtion" fremden Geldes
selbst zustehen 6). Solange das fremde Geld unterscheidbar vorhanden ist, verbleibt es bei der rei vindicatio des Eigentümers gegen den Besitzer 6 ). Sobald aber der Empfänger das Geld gutgläubig verbraucht, wird die vindicatio gegenstandslos; nunmehr vollendet sich die bis dahin unvollkommene datio, sodaß ihre normalen Wirkungen eintreten 7 ) (Begründung des Darlehns, Befreiung von der Schuld). Bleibt der auf Leistungehewirkung gerichtete Wille des Geldgebers wirkungslos, beispielsweise weil er geisteskrank ist, so haftet der Empfänger jetzt dem Geber des Geldes nach klas. sischem Recht mit einer kondiktizischen actio in factum, nach byzantinischem Recht mit der condictio, und zwar nach klassischem Recht unabhängig davon, ob er durch die Ausgabe etwas erspart oder gewonnen hat, auf Wiedereinräumung des Geldwerts 8 ). Denn das Geld hat ihm gedient, als ob es wirklich sein Eigentum gewesen wäre, er hat es damit endgültig seinem Vermögen einverleibt. War der Empfänger beim Erwerbe bösgläubig, so haftet er mit der rei vindicatio und der condictio furtiva 8 ), aber nicht mit der actio ad exhibendum, wie die insoweit interpolierte Stelle D. 12, l, 11, 2 es willlO). Die Konsumtion fremder Sachen spielt ihre Hauptrolle, wenn die Übereignung des Geldes wegen Dissenses fehlschlägt, mit fremdem Gelde eine wirkliche oder vermeintliche Schuld gezahlt oder ein Darlehn gegeben wird oder wenn Mängel in der Geschäftsfähigkeit vorliegen. 5 ) D. 41, 1, 20 pr. Vgl. Windscheid-Kipp, Pandekten II, 418, 571. von Schey, Obligationsverhältnisse, 79. Unklar Huschke; Darlehn, 49 A. 1. - Durch physische Konsumtion erlischt das Eigentum an der Sache überhaupt, da der Gegenstand des Eigentumsrechts vernichtet wird; anders bei Vermischung (D. 46, 3, 78), da hier die Geldstücke als solche körperlich erhalten bleiben; sie sind aber als solche des bisherigen Eigentümers nicht mehr kenntlich. Daher erlischt die rei vindicatio. Da die Geldstücke aber nicht herrenlos werden können, müssen sie Eigentum dessen werden, der sie mit gleichartigen eigenen ununterscheidbar vermischt hat, und zwar Alleineigentum, nicht Miteigentum, da der Empfänger zwar eine begrenzte Menge vom Geld erhält, sein Vermögen aber, da stetig wechselnd, gewöhnlich keine abgegrenzte Menge bildet (vgl. Haniel a. a. 0. 28f.). Anders, wenn Getreidehaufen zusammengeschüttet werden, und die eingemischten Quantitäten bekannt sind: :p. 6, 1, 5 pr. D. 41, 1, 7, 8. D. 6, 1, 3, 2 (vgl. Biber, Röm. Recht II, 82. Kunkel, RP.123). Über das geltende Recht siehe Kaser, ArchzivPrax. 143, 4f., dort auch Reformvorschläge. Vgl. auch Heck, Sachenrecht, 260f. 8 ) Quellenstellen bei Biber, Studi Riccobono III, 256, A. 38. Brandt, Eigentumserwerb und Austauschgeschäft (1940), 239ff. will eine Geldvindikation überhaupt nicht zulassen, weil jeder Geldschein oder jedes Geldstück nur einen abstrakten Wert verkörpere und es deshalb auf ihre Individualität nicht ankomme. Wegen der gesteigerten Vertretbarkeit des Geldes solle man nicht mehr vom Eigentum an Geldstücken sprechen. Diese Ausschaltung des Eigentumsbegriffs beim Geld widerspricht der natürlichen Auffassung und beruht auf überspitzten Gedankengängen (vgl. dazu auch Lange, ArchzivPrax. 146, 45). 7 ) Von einem gestreckten "pecuniam dare" spricht mit RechtBiber a.a.0.253 A.34, 256. 8) Nicht etwa statt dessen auf den mit dem Gelde erlangten ErsatzvorteiL 8 ) Über das Zusammentreffen von rei v. und cond. furt. siehe Levy, Konkurrenz II 1, 90ff. 10) Vgl. darüber sogleich im Text. Über den Grund der Itpl. der a. ad exhibendum Biber, Studi Riccobono 111, 259.
§ 4 Die klassisch-römische Kondiktion bei "Konsumtion" fremden Geldes
37
1. Hingabe eines Darlehns a) Darlehn einesflüchtigen Sklaven Ein flüchtig gewordener Sklave gibt ein Darlehn. Sein Herr kann die noch vorhandenen Geldstücke vindizieren; wenn sie bösgläubig verbraucht sind, greift die condictio furtiva ein, bei gutgläubiger Konsumeion angeblich die normale condictio: D. 12, 1, 11, 2 (Ulp. l. 26 ad ed.) Si fugitivus servus nummos tibi crediderit, vindicari nummi posaunt, si extant, [aut] si dolo malo ( consumpsisti), [desinant possideri, ad exhibendum agi] (ex causa furtiva condici): [quod] (sed) si sine dolo ma.lo consumpsisti, [condicere tibi potero] (in factum actione teneberis) 10"). Eine gültige, d. h. Eigentum übertragende datio des Geldes liegt nicht vor. Sie kann auch nicht nachträglich durch Konsumtion des Geldes vollendet werden, da eine gültige Zweckabrede fehlt. Daher greift nicht die zivilrechtliche condictio, sondern die prätorisehe actio in id quod pervenit Platz 11). b) Darlehn eines Mündels ohne Vollwort des Vormundes
In
D. 12, 1, 19, 1 (Jul. I. 10 dig.) erörtert Julian die Frage, welche Wirkungen die von einem pupillus ohne Vollwort seines Vormundes vorgenommene Hingabe eines .Darlehns hat: Si pupillus sine tutoris auctoritate crediderit [aut solvendi causa dederit], consumpta pecunia [condictionem] (actionem in id quod pervenit) habet [velliberatur], non alia ratione, quam quod facto eius intellegitur ad eum qui acceperit pervenisse: [qua propter] (sed) si eandem pecuniam is, qui in creditu:rn [vel in solutum] acceperat, alü [porro] in creditum [vel in solutum] dederit, [consumpta ea et ipse pupillo obligatur vel eum a se liberabit.] [et] ( consumpta ea) eum cui dederit obligatum habebit [ vel se ab eo liberabit]. nam omnino qui alienam pecuniam credendi causa dat, consumpta ea habet obligatum euro qui acceperit: [item qui in solutum dederit, liberabitur ab eo qui acceperit pa). 10•) Der Rekonstruktion Sibera, Röm. Recht II, 104 A. 25, stimme ich mit der im Text erwähnten Maßgabe zu. Siehe jetzt Siber, Studi Riccobono III, 258: er ist sich nicht ganz sicher, ob Ulpian am Schluß von der a. in factum gesprochen hat. Vgl. auch Longo, Corso di dir. Rom. 11 mutuo (1933), 42 und Just. lnst. 2, 8, 2. - Das Eingeklammerte ist erweiternde Glosse. Der Fall, daß ein nicht flüchtiger, zur freien Verwaltung des Pekuliums ermächtigter Sklave ein Darlehn gibt, fällt aus dem Rahmen des klassischen Tatbestandes. Die rhetorische Frage Quid ergo? ist byzantinische Lieblingsform (vgl. Guarneri-Oitati, Indice (1927) s. v. ergo. 11 ) Vgl. dazu unten S. 150ff. 12 ) Zur Echtheit vgl. die Angaben im Itpl. Ind. Dazu Siber, Nat. obl. 47f., Studi Riccobono III, 253 A. 24. Ehrhardt, Justa causa, 59. Pflüger, Zur Lehre, ll5. Siehe auch L01l{Jo a. a.. 0. 31 ff. (zu konservativ). Über die Rekonstruktion herrscht keine Einigkeit.
38
§ 4 Die klassisch-römische Kondiktion bei "Konsumtion" fremden Geldes
Das Darlehen, das ein Unmündiger ohne Vollwort seines Vormundes gibt, ist ungültig. Daher können die Münzen, solange sie unverbraucht vorhanden sind, vindizie:rt werden 13). Wenn sie aber verbraucht, d. h. zur Bezahlung von Schulden verwendet oder als Darlehn weitergegeben sind (consumere), dann greift nicht die condictio ein 14), weil keine rechtswirksame datio, aber auch kein negotium contractum vorliegt; denn durch Hingabe eines Darlehns verbessert der pupillus rechtlich sein Vermögen nicht (meliorem condicionem suam facere 11). Wohl aber gewährt Julian eine nichtzivile actio in id quod pervenit nach Analogie der zivilen condictio. Zwar nicht durch eine datio auf rechtsgeschäftlicher Grundlage, wohl aber durch eine reale Handlung (facto) des Unmündigen ist das Geld in die Hand des Empfängers gelangt und seinem Vermögen durch Verbrauch endgültig einverleibt worden. Die Byzantiner dagegen nahmen es mit der datio und dem negotium nicht mehr so genau wie die Klassiker. Sie verwandelten die actio in id quod pervenit kurzerhand in eine condictio. Die ratio interpolandi ergibt sich klar aus dem berühmten Fragment D. 12, I, 32 (Celsus 1. (6) [5] dig.): Si et me et Titium mutuam pecuniam rogaveris et ego meum debitorem tibi promittere iusserim, tu stipulatus sis, cum putares eum Titü debitorem esse, [an] mihi (non) obligaris [ 1 subsisto, si quidem] (,quia) nullum negotium mecum contraxisti: (sed proprius est, ut obligari te existimem, non quia pecuniam tibi credidi (hoc enim nisi inter consentientes fieri non potest)]: sed (in factum actione teneris,) quia pecunia mea ad te (pervenisse intellegitur) [pervenit:] (et) eam mihi a te reddi bonum et aequum est. Die Stelle ist stark interpoliert 1'), der Umfang des Eingriffs und die . Rekonstruktion 17) sind streitig. Der Tatbestand, den Celsus bespricht, ist 18) Gai. Il, 82. D. 14, 6, 3, 2 (Ulp. lib. 29 ad ed.). U) Abweichend Biber, Natur. obl., 47f.
11) Gai. Il, 83. Gai. Il, 82 würde ich dementsprechend unter Benutzung der Rekonstruktion Krüger-Btudemuruia und Mommaena folgendermaßen ergänzen: At si pupillus idem fecerit, quia non (facit accipien)tis a (ine tutoris auctoritate pecunia.m,) nullam contrahit obligationem; unde pupillua vindicare quidem nummoa suos potest, aicubi extent, id est e(oa pe)tere (su)oa (ex) iure Quiritium (esse, dolo malo vero consumptos) repetere potest s(ibi eos dari opor)tere. (un) de de pupillo quidem quaeritur, an num(mis) qu(os) mutuos dedit ab eo qui accepit (bona. fide consumptis in factum) actione eos persequi possit, quoniam (dari eos sibi oportere intendere non) potest. Daß die condictio nicht Platz griff, stand fest; und die nichtzivile actio in id quod pervenit hatte sich vielleicht noch nicht unbestritten durchgesetzt. Zu Gai. II, 82 siehe auch Biber, Röm. Recht Il, 98, Natur. obl., 49, Studi Riccobono III, 258 und Bamter, ZSSt. 28, 157ff., 33, 484ff. Daß Gaius II, 82 den Verbrauch des Geldes durch den Empfänger behandelt hat, ergibt sich aus Inst. 2, 8, 2 (vgl. Longo a. a. 0. 26ff.). 18 ) Vgl. Itpl. Ind., ferner Be.Yeler, Jur. Min., 116. Pringsheim, ZSSt. 52, 151. Pflüger, Pro Roscio, 97f.; Zur Lehre vom Erwerbe des Eigentums, 114f. 17 ) Den bisherigen Wiederherstellungsversuchen, insbesondere auch Be.Yelera (a. a. 0. und ZSSt. 47, 364), vermag ich nicht zuzustimmen.
§ 4 Die klassisch-römische Kondiktion bei "Konsumtion" fremden Geldes
39
folgender: Du hast mich und Titius um ein Darlehn gebeten. Ich habe daraufhin meinen Schuldner angewiesen (iussus), durch Stipulation das Geld, das er mir schuldet, dir zu versprechen. Du hast mit ihm stipuliert in dem Glauben, daß er der Schuldner des Titius sei. Die rechtliche Würdigung ergibt, daß der Darlehnsvertrag zwischen Ego und Tu nicht zustande gekommen ist, weil es an der erforderlichenEinigung zwischen beiden fehlt. Aus demselben Grunde liegt eine wirksame datio nicht vor. Die Stipulation ist von der Gültigkeit der causa credendi unabhängig. Durch die Stipulation ist· eine Befreiung des angewiesenen Schuldners gegenüber dem Ego eingetreten. Gleichzeitig hat der Tu auf Kosten des Ego eine Forderung gegen den debitor meus erlangt. Diese Forderung ist einer baren Zahlung gleichzusetzen, die Ego dem Tu gemacht hätte 18). Die Zahlung beruht nun weder auf einer gültigen Vereinbarung noch auf einer regulären oder irregulären datio. Deshalb steht dem Ego gegen den Tu keine actio (condictio) certae er. pec. zu, wohl aber eine prätorisehe in id quod pervenit gerichtete actio in factum. Celsus rechtfertigt die Klage mit dem "bonum et aequum", das er ja mit einer gewissen Vorliebe gebraucht!'). Beseelt von dem juristischen Willen zur Gerechtigkeit, die den Dingen immanent ist, greift er damit zurück auf die Generalidee des Rechts. Definiert er es doch als die ars boni et aequi, d. h. als ein System (ars) von Normen, die der anständigen und redlichen Gesinnung eines ehrenwerten Mannes (vir bonus) entspringen und das Gleichgewicht (aequum) unter den Bürgern in jedem Konfliktsfall herstellen sollen 20). Celsus stützt sich nicht auf allgemeine Billigkeitserwägungen, sondern auf den Gedanken der Waage. Richtigkeit. Die pecunia ist weder gegen einen Gegenwert noch als Schenkung in das Vermögen des Tu gelangt. Die Werte hüben wie drüben sind daher nicht ausgeglichen. Der Tu soll als Ehrenmann die Aequitas, den Gleichungszustand der beiden Wertseiten, wiederherstellen. Der nachklassische Paraphrast hat die Stelle für die - hier später fälschlich als Juventiana benannte - condictio umgearbeitet und dabei, wie es scheint, die Übergabe des Geldes durch den debitor meus an den Tu stillschweigend vorausgesetzt. Wir kehren zu dem Juliau-Fragment D. 12, 1, 19, 1 zurück. Wenn der Empfänger das Geld weiterveräußert, so verfügt er darüber wie ein Eigentümer, er verleibt es endgültig seinem Vermögen ein (consumere), ohne aber dadurch Eigentümer zu werden oder den Zweitempfänger zum Eigentümer zu machen 21 ). Das Geld bleibt aliena pecunia, obwohl der pupillus durch 18) Cfr. D. 46, 1, 18: qui debitorem suum delegat, pecuniam dare intellegitur, quanta ei debetur, und D. 16, 1, 8, 3: solvit et qui reum delegat. n) Pring8heim, ZSSt. 52, 83f. 10) D. I, 1, 1 pr. (Ulp.). Dazu von Ltübtow, ZSSt. 66, 517ff. 11 ) So erklärt es sich, daß im Schlußresurne von der Hingabe fremden Geldes die Rede ist. Unzutreffend Haymann, Jher. Jahrb. 77, 209ff., der als ursprünglichen Gehalt des gesamten Fragments die Hingabe von pecunia aliena vermutet.
40
§ 4 Die klassisch-römische Kondiktion bei "Konsumtion" fremden Geldes
die Konsumtion seines Kontrahenten die rei vmdicatio verloren hat, während aber der Erstempfänger dem pupillus zivilrechtlich nicht verpflichtet wurde, ist es jetzt anders. Der Erstempfänger verleiht fremdes Geld. Ern Darlehn kommt zunächst nicht zustande. Es liegt eine unvollkommene datio vor. Wenn nun der Zweitempfänger das Geld verbraucht, so wird die datio jetzt zur vollwirksamen, und zwar des Erstempfängers, nicht etwa des pupillus. Allerdings geht das Eigentum an dem Gelde auf den Zweitempfänger ebenfalls nicht über; trotzdem kommt ein gültiges Darlehn zustande, weil der Verbrauch des Geldes durch den Zweitempfänger für ihn tatsächlich denselben wirtschaftlichen Erfolg hat wie die Eigentumstradition 22). Aus Gründen der Praktikabilität des Rechtsverkehrs wurde hier also das alte Prinzip der Simultaneität zwischen dem Rechtsgeschäft und seinen Wirkungen 23 ) durchbrachen und eme sukzessive Entfaltung des Tatbestandes zugelassen. Grundsätzlich ist Voraussetzung des Darlehns, daß der Geber den Empfänger zum Eigentümer des Geldes macht 21). Nach der älteren strengen Auffassung müßte diese Voraussetzung schon im Augenblick der Vornahme des Darlehnsgeschäfts vorliegen 25 ). Die Klassiker haben aber an die datio einen milderen Maßstab angelegt. Im Schlußresurne spricht Julian aus, daß ganz allgemein derjenige, der fremdes Geld leiht, sich dem Empfänger, wenn dieser das Geld verbraucht hat, zivilrechtlich verpßichtet 26 ). Dem Geber steht als prozessualer Rechtsbehelf eine kontraktliehe condictio, die Klage aus dem Darlehnsvertrag zu (actio oder condictio certae creditae pecuniae); der Gläubiger ist hinsichtlich des Rückgabetermins gebunden; denn erst nach Ablauf der für das Haben der Darlehnssumme Verernbarten Zeit ist das weitere Behalten durch den Schuldner UD• gerechtfertigt. Daher steht emer vorzeitigenKlage die exceptio doli entgegen. Die Byzantiner hätten emen scharfen Trennungsstrich zwischen Darlehnsklage und Kondiktio ziehen müssen, nachdem sie die Kondiktio zur allgemeinen Bereicherungsklage umgestaltet hatten. Statt dessen gewähren sie bei gutgläubigem Verbrauch des Geldes ihren UJtO xa)..ov oa1tiXV~f.laT:O~ xovotxr:baog 27) 28 ) und entfachten dadurch die Streitfrage der späteren Jurisprudenz, ob es sich um eine echte Darlehnsklage oder um einen Bereicherungsanspruch handele 29). 22 )
23) 24 } 25 ) 26 ) 27 )
28) 29)
von ScM-y, Obligationsverh. des österr. allgemeinen Privatrechts I 1, 72. Jhering, Geist III 1, 134fi. Mitteia, R. P. I. 170, 290. D. 12, 1, 2, 2. Vgl. P. Kretschmar, Erfüllung I, 89. Steiner, Datio in solutum, 42. Cfr. D. 44, 7, 24 pr. Inst. Just. 2, 8, 2. Daher die moderne Bezeichnung: condictio de bene depensis. Haymann, Jher. Jahrb. 77, 199f. Sohm-Mitteia-Wenger, Inst. 392. Biber, Röm. Recht II, 184. Longo a. a. 0. 33fi.
§ 4 Die klassisch-römische Kondiktion bei "Konsumtion" fremden Geldes
41
c) Mangelnde Einigung über den Rechtsgrund der Hingabe des Geldes
(Darlehn oder Schenkung) Von hier aus fällt Verdacht auf die in D. 12, 1, 18 pr. (Ulp. 1, 7 disp.) 30) erwähnte condictio: Quare (vindicari nummi possunt, si extant, sed) si eos (sine dolomalo) consumpserit licet condictione (non) teneatur, tarnen (is qui dedit) [doli exceptione] (in factum actione) uti poterit, [-]. Will jemand einem andern Geld schenken, hält aber der Empfänger es für ein Darlehn, so kommt nach Ansicht Ulpians auch ein Darlehn nicht zustande, geht also das Eigentum an den nummi nicht über. Durch den Verbrauch des Geldes wird die rei vindicatio gegenstandslos. Aber auch ein~ condictio ist nicht gegeben. Da die datio das Eigentum nicht übertragen hat, ist sie unvollkommen. Die Möglichkeit ihrer Vollendung durch den Verbrauch des Geldes scheidet aus, weil es an einem Konsens über die causa credendi fehlt. Also bleibt nur eine prätorisehe actio in id quod pervenit 31 }. Die allgemeine condictio sine causa (Bereicherung "in sonstiger Weise") ist erst von den Kompilatoren erfunden 32). d) Darlehn eines Geisteskranken Genauso wie im Fall des pupillus müßte entschieden werden, wenn ein Geisteskranker (furiosus) jemandem, der ihn für geistig gesund hält, ein Darlehn gewährt und der Empfänger es seinem Vermögen einverleibt. Anders sollen nun Julian-Pomponius D. 12, 1, 12 (Pomp. I. 6 ex Plautio) entschieden haben: Si (servus alienus) a furioso, cum eum compotem mentis esse putare[s](t), pecuniam quasi mutuam acceperi[s](t) eaque in rem [tuam] ( domini) versa fuerit, [condictionem] ( de in rem verso actionem) furioso (non) adquiri (sed in id quod ad dominum pervenit dari actionem) Julianus ait: nam ex quibus causis ignorantibus nobis actiones adquiruntur, ex isdem etiam furioso adquiri. Item si is qui servo crediderat furere coeperit, deinde servus in rem domini id (quod mutuum acceperat) verterit, [condici] (de in rem verso) furiosi nomine (agi) posse. [et] (sed) si alienam pecuniam credendi causa quis dederit, deinde furere coeperit et consumpta sit ea pecunia, condictionem (actionem certae creditae pecuniae( ?)) furioso adquiri 33). 30 ) Über die Antinomie zwischen D. 12, 1, 18 pr. lllld D. 41, 1, 36 soll an anderer Stelle gehandelt werden. 31) Vgl. dazu unten S. 150ff. az) Vgl. Kreller, R.Rg., 135. 38 ) Vgl. dazu Pflüger, Zur Lehre, 116. HayTTULnn, Jher. Jahrb. 77, 20lff. Longo a. a. 0. 38ff. Biber, Natur. obl. 47 A. 1. Beseler, ZSSt. 47, 364. - Fast gleichlautend D. 44, 7, 24 pr. (Pomp.).
§ 4 Die klaBBi.sch-römische Kondiktion bei "Konsumtion" fremden Geldes
42
Daß im ersten Satz der Geldempfänger nicht ein Freier, sondern ein Sklave war, ergibt sich aus dem ganzen übrigen Gehalt des Fragments und dem Gebrauch des terminus technicus in rem vertere, während sonst stets von consumere die Rede ist. Nach byzantinischem Recht kann die condictio auch die Stelle der actio dein rem verso vertreten 3'); ihre Vorliebe Jür die condictio veranlaßte die Byzantiner, hier die Erwähnung der a. d. i. r. v. überhaupt zu streichen und den Satz für ihre condictio sine causa umzuarbeiten, die auf Herausgabe der vom Erwerber auf sonstige Weise (ohne datio!) erlangten Bereicherung ging. Diese condictio wird ohne Wissen und Wollen des Gläubigers erworben, sodaß es auf seine Handlungsfähigkeit nicht ankommt. Zur Begründung für ihre Ansicht verwenden die Byzantiner ganz geschickt, indem sie sed durch nam ersetzen, den Hinweis Julians, daß es auch Fälle gebe, wo es für den Klagenerwerb des furiosus auf dessen Wissen nicht ankomme. Julianhatte gar nicht von der condictio, sondern der actio de in rem verso gesprochen und ihr Platzgrellen verneint, weil sie nach dem Edikt aus einem negotium entsprungen sein muß 11), ein solches aber mit Rücksicht auf die Handlungsunfähigkeit des furiosus gar nicht vorliegt. Dagegen ist die prätorisehe actio in id quod pervenit gegeben, die ja nicht aus einem negotium entspringt, sondern auch einem geistig gesunden Gläubiger zusteht, wenn der Tatbestand des pervenire vorliegt, genau wie die von Pomponins in der Parallelstelle D. 44, 7, 24 pr. erwähnte actio furti und actio legis Aquiliae dem Gläubiger ohne sein Wissen und Willen zufallen ae). Ebenso ist es nach Ansicht Julians, wenn jemand einem fremden Sklaven ein Darlehn gibt - das Geld geht in das Eigentum des Herrn über - und geisteskrank wird, bevor der Sklave das Geld dem Vermögen seines Herrn einverleibt. Hier hat der Darlehnsgeber als geistig Gesunder abgeschlossen, das negotium war also vor seiner Geisteskrankheit zustande gekommen; dann entsteht die actio dein remversoautomatisch mit der Verwendung des Geldes für den Herrn. Daß der Geber nach dem Verbrauch des Geldes handlungsunfähig geworden ist, macht also nichts aus. Wenn jedoch jemand fremdes Geld als Darlehn gibt, dann geistig erkrankt und das Geld vom Empfänger verbraucht wird, vollendet sich die unvollkommene datio durch den Verbrauch, ohne daß die Handlungsfähigkeit des Gebers bis zu diesem Augenblick fortzudauern braucht 37). Der Entstehungstatbestand des Darlehns kann sich sukzessiv entfalten 38). Die Vgl. D. 14, 3, 17, 4; eod. 5 und dazu Pflüger, Pro Roscio, 76. Karlowa, R.Rg. II, 1140. • Die Worte cum - putares waren notwendig; hätte der Sklave die Geisteskrankheit gekannt, so wäre gegen den Herrn die condictio furtiva begründet gewesen (vgl. Karlowa a. a. 0. 1140). Zur Annahme Siber8, Nat. obl. 47, A. 1 vgl. Haymann, Jher. Jahrb. 77, 201 A. 1. 37 ) Vgl. Haymann, Jher. Jahrh. 77, 203. 38) Cfr. D. 12, 1, 13, 1 (Ulp. 1. 26 ad ed.): unde Papinianus libro octavo quaestionum ait: si alienos nummos tibi mutuos dedi, non ante mihi teneris, quam eos consumpseris. 3 ')
86) 86)
§ 4 Die klaSBisch-römische Kondiktion bei "Konsumtion" fremden Geldes
43
Geschäftsfähigkeit, die im Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses notwendig bereits vorliegen muß, braucht bei dem durch die Konsumtion dargestellten Schlußstück nicht mehr vorhanden zu sein 38). Die Konsumtion ist als rein tatsächlicher Akt nicht rechtsgeschäftlich, d. h. nicht von einem auf Begründung der Obligation gerichteten Willen begleitet. Der Gedanke einer Konvaleszenz hat ganz außer Betracht zu bleiben. Es ist nicht etwa so, daß die Willenseinigung von Gläubiger und Schuldner nachträglich Wirksamkeit gewinnt, sondern der Darlehnseffekt wird vom Schuldner durch eine nicht rechtsgeschäftliche Schlußtatsache begründet, für welche die Leistung des Gebers kausal ist. Die Einigung (consensus) über die Hingabe des Darlehns trägt einen selbständig-rechtsgeschäftliehen Charakter, der dadurch nicht ausgeschlossen wird, daß zur vollen Wirkung des Geschäfts noch der Hinzutritt eines anderen koordinierten Tatbestandsstückes notwendig ist'0). Die Byzantiner haben die scharf pointierten Tatbestandsvariationen und Unterscheidungen des geistesgewaltigen Klassikers verwässert und lassen überall die von ihnen so bevorzugte Kondiktion zu. Ob sie eine solche auch im letzten Fall an die Stelle der actio certae creditae pecuniae treten lassen ' 1 ), mag zweifelhaft sein; denn die einen Klaggrund nicht enthaltenden Formeln der actiones in personam auf dari oportere hießen im klassischen Recht condictiones, weil sie auf die legis actio per condictionem zurückgingen (Gai. IV, 5, 17b, 18, 19)'2). 2. Erfüllung einer wirklichen oder vermeintlichen Schuld
a) Erfüllung einer Schuld mit fremdem Gelde Nicht nur beim creditum, sondern auch bei der Erfüllung wird die Rechtswirkung der Konsumtion von den römischen Juristen behandelt. Es liegen ja auch verwandte Probleme vor 13). Die römischesolutioist ihrer geschichtlichen Entwicklung entsprechend ein Vertrag"), im klassischen Recht jedenfalls insoweit, als sie auf ein dare = Eigentumsverschaffung, Übertragung dinglicher Rechte gerichtet ist. Wie bei der mutui datio kann sich auch bei dersolutioder Tatbestand sukzessiv entwickeln. Wenn fremdes Geld zur Erfüllung gegeben wird, tritt der Leistungseffekt, der Eigentumsübergang auf den Gläubiger auf der einen, die Befreiung des Schuldners auf der andern Seite, zunächst nicht ein. Die Wirkungen der datio vollenden 88) Ebenso das geltende Recht: 130 II BGB. Vgl. von Tuhr, Allgem. Teil II 1, 153. Anders nach römischem Recht beim gemeinsamen Geschäft: D. 8, 4, 18. Vgl. von Tuhr a. a. 0. 231. Betti, Ist. dir. Rom. I (1942), 92. Zur Frage der sukzessiven Entstehung der Rechtsverhältnisse siehe auch Oertmann, Rechtsbedingung, 6ff. ' 0 ) Dies gilt auch von der dinglichen Einigung des modernen Rechts: vgl. statt aller Heck, Sachenrecht, 113ff. ' 1) Vgl. Pernice, Labeo III 1, 212 A. 3. von Koschemhahr-Lyskowski, Condictio II, 42f. - Schrieb Ulpia.n in D. 12, 1, 13 pr. nicht condictio, sondern a.ctio pecuniae credita.e ? U) Vgl. unten S. 117 f. 0 ) Vgl. dazu P. Kret8chmar, Erfüllung I, 82ff. Steiner, Datio in solutum, 39ff. ") Vgl. unten S. 146.
44
§ 4 Die Jda.ssiBch-römische Kondiktion bei "Konsumtion" fremden Geldes
sich jedoch, wenn der Gläubiger das Geld bona fide verbraucht. Damit hat der Empfänger es endgültig seinem Vermögen einverleibt. Es kann ihm nicht mehr abgenommen werden; denn die bis dahin bestehende Vindikation des Eigentümers der Geldmünzen ist erloschen. Es ist derselbe Zweck er~ reicht, wie wenn dem Empfänger von Anfang an das Eigentum vom Schuldner übertragen wäre. Die Leistung gilt nicht etwa als vom Eigen~ tümer erlangt, sondern kausal für den Leistungserfolg ist die Handlung des Schuldners"). Auf solchen Erwägungen beruht es, wenn Papinian schreibt: D. 46, 3, 94 pr. (Pap. I. 8 quaest.): Si is cui nummos debitor solvit alienos, nummis integris pergat petere quod sibi debeatur, nec offerat, quod accepit, exceptione doli summo~ vebitur. Solange die fremden Münzenunverbraucht oder unvermindert vorhanden sind, kann der Gläubiger auf Grund der ja nicht erloschenen Obligation klagen, muß aber die Rückgabe des empfangenen Geldes anbieten, falls er die Abweisung der Klage auf Grund einer exceptio doli vermeiden will. Daß aber durch Konsumtion eine Befreiung eintritt, ergibt sich mit aller Klarheit aus D. 46, 3,17 (Pomp.l.l9 ad Sab.)U): Cassius ait, si cui pecuniam dedi, ut eam creditori meo solveret, si suo nomine dederit, neutrum liberari, me quia non meo nomine data sit, illum, quia alienam dederit: ceterum mandati eum teneri. sed si creditor eos nummos sine dolo malo consumpsisset, is, qui suo nomine eos solvisset liberatur, [ne, si aliter observaretur, creditor in lucro versaretur] 47 ). Jemand erhält Geld mit dem Auftrage, eine Schuld des Auftraggebers damit zu begleichen, er zahlt jedoch eine eigene Schuld bei demselben Gläubiger. Der Auftraggeber wird nicht befreit, weil nicht in seinem Namen bezahlt ist, der Beauftragte bleibt verpflichtet, weil er fremdes Geld ge~ leistet hat. Wenn der Gläubiger das Geld redlich verausgabt hat, wird der Beauftragte von seiner Schuld befreit. Die Begründung, daß sonst der Gläubiger auf Kosten des Beauftragten bereichert sein würde, weil er dann mit der Schuldklage gegen den Beauftragten vorgehen könnte, geht fehl und beruht auf oberflächlich-unklaren Billigkeitserwägungen, wie sie 46) Dasselbe gilt, wenn der Leistungseffekt durch Ersitzung des Geldes eintritt: D. 39, 6, 13 pr. (Jul.) und D. eod. 33 (Plaut-Paul.): non ab eo videretur accepisse, cuius res fuisset, sed ab eo, qui occasionem usucapionis praestitisset. Vgl. Haymann, Jher. Jahrb. 77, 256ff. 46 ) Cfr. Paul. D. 46, 3, 60. Javol. D. 46, 3, 78. 47 ) Vgl. dazu P. Kret8chmar a. a. 0. 86 (ohne Bedenken gegen die Echtheit). Haymann, Jher. Jahrb. 77, 190ff., der mit Recht den Schlußsatz beanstandet. Weitere Lit. Itpl. lnd. Siehe auch Solazzi, L'estinzione, 35, dessen Itpl. Verdacht aber unbegründet ist, insbesondere kann man sich in diesem Zusammenhang nicht mit Solazzi auf D. 12, 6, 29 berufen, wie oben im Text dargetan ist.
§ 4 Die klassisch-römische Kondiktion bei "Konsumtion" fremden Geldes
45
byzantinischem Denken zu eigen sind. Der entscheidende Grund ist vielmehr, daß durch die Konsumtion derselbe Zweck erreicht ist, wie wenn das Eigentum von Anfang an auf den Gläubiger übergegangen wäre. Mit dem Verbrauch ist seine Rechtspositiongenauso unanfechtbar geworden. · b) Erfüllung einer Schuld durch ein Mündel Die Klassiker erörtern weiter Fälle, wo der zwecks Erfüllung Leistende zwar Eigentümer des gezahlten Geldes ist, aber keine oder nur beschränkte Geschäftsfähigkeit besitzt. D. 26, 8, 9, 2 (Gai. I. 12 ad ed. prov.) 48):
Pupillus [ex omnibus causis] solvendo sine tutoris auctoritate nihil agit quia [nullum dominium transferre potest] (non facit accipientis pecuniam): si tarnen creditor bona fide pecuniam pupilli consumpserit, liberatur pupillus. Leistet ein Unmündiger, um eine Schuld zu tilgen, ohne Vollwort des Vormundes, so ist das Leistungsgeschäft unwirksam, weil der Gläubiger kein Eigentum an den Münzen erwerben kann. Solange die Münzen noch unverbraucht und unversehrt vorhanden sind, könnte der pupillus sie vin