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German Pages 344 Year 2020
Tobias Müller Die Wurzeln des Populismus
Histoire | Band 181
Tobias Müller (M.A.) lehrt Politische Theorie und Ideengeschichte an der Universität Greifswald. In den Jahren 2015 und 2019 war er Gastwissenschaftler und Lecturer an der New School for Social Research in New York City.
Tobias Müller
Die Wurzeln des Populismus Eine Ideengeschichte in den USA des 19. Jahrhunderts
Zugl.: Greifswald, Univ., Diss., 2019
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Inhalt
Einleitung .......................................................................... 7 Forschungsstand ........................................................................................... 10 Zum Begriff des politischen Denkens................................................................. 17 Methode ......................................................................................................20 Untersuchungsgegenstand und Quellenauswahl................................................... 27 Aufbau der Arbeit ......................................................................................... 30 1. 1.1 1.2
Das politische Denken Thomas Jeffersons................................... 35 Kontextualisierung: Unabhängigkeit und Verfassungsgebung ......................... 35 Politisches Denken ................................................................................52 1.2.1 Jefferson Anthropologie – Über die natürliche Moralität des Menschen ... 57 1.2.2 States, wards und das Ideal kleiner Gemeinwesen ............................... 67 1.2.3 Partizipation und Repräsentation..................................................... 76 1.2.4 Jeffersons politische Ökonomie....................................................... 91
2. Das politische Denken der Jacksonian Democrats............................ 115 2.1 Kontextualisierung: Demokratisierung und Market Revolution ......................... 115 2.2 Politisches Denken ................................................................................ 131 2.2.1 Das demokratische Prinzip ............................................................137 2.2.2 Die Demokratisierung des Präsidentenamtes ....................................149 2.2.3 Laissez faire! .............................................................................. 167 2.2.4 Der Bank War und die Folgen......................................................... 185 2.2.5 Auf dem Weg in die Marktgesellschaft? ............................................194 3. Das politische Denken der Populisten ...................................... 205 3.1 Kontextualisierung: Corporate capitalism und politischer Stillstand ................ 205 3.2 Politisches Denken .............................................................................. 223 3.2.1 Rationalisierung und ›saubere‹ Politik ............................................ 224
3.2.2 Direkte Demokratie und republikanisches Bürgerideal........................ 242 3.2.3 Fallstricke des laissez faire-Prinzips ............................................... 256 3.2.4 Cooperative commonwealth........................................................... 274 Fazit.............................................................................. 297 Quellen- und Literaturverzeichnis ................................................. 311 Quellen ....................................................................................................... 311 Zeitungen und Magazine ......................................................................... 311 Editionen und Gesammelte Schriften ........................................................ 311 Sonstige Quellen ...................................................................................312 Offizielle Dokumente und Statistiken ........................................................316 Literatur .....................................................................................................316
Einleitung
Spätestens seit dem 20. Januar 2017 ist die Frage, ob wir gegenwärtig einen populistischen Moment erleben, zum Gegenstand weltweiter Diskussionen geworden (Jörke/Selk 2017: 9). An jenem 20. Januar wurde Donald J. Trump in Washington ins Amt des US-Präsidenten eingeführt und all jene, die auf eine Tonfalländerung qua Amtsübernahme gehofft hatten, mussten sich eines Besseren belehren lassen (vgl. Thunert 2018: 503). »For too long«, so Trump, »a small group in our nation’s Capital has reaped the rewards of government while the people have borne the cost. Washington flourished – but the people did not share in its wealth. Politicians prospered – but the jobs left, and the factories closed. The establishment protected itself, but not the citizens of our country.« Nun sei es an der Zeit, die Macht nicht nur von einer Regierung auf die nächste zu übertragen; »today«, so Trump weiter, »we are transferring power from Washington, D.C. and giving it back to you, the American people.« (Trump 2017) Für warnende Stimmen (vgl. Müller 2016a; Ders. 2016b) ebenso wie für jene, die auf einen progressiven »linken Populismus« hoffen (Mouffe 2018a), ist jene Rhetorik, die einen unüberbrückbaren Gegensatz zwischen Elite und Volk propagiert, konstitutiver Bestandteil des Populismus im späten 20. und frühen 21. Jahrhundert (vgl. Mudde/Kaltwasser 2017). Wo Erstere einen mitschwingenden Antipluralismus fürchten, propagieren Letztere die Konstruktion eines Volkes, das gegen die rückschrittlichen Eliten kämpfen und auf diese Weise gesamtgesellschaftlich emanzipatorisch wirken soll. Bemerkenswerterweise wird die gegenwärtige Debatte um Wesen und Bewertung des Populismus jedoch unter weitgehender Ausblendung seiner historischen Erscheinungsformen geführt. Im Falle Jan-Werner Müllers führt dies zur »somewhat awkward« (Frank 2018) Schlussfolgerung, dass »die von den Farmern getragene People’s Party am Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert in den USA
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[…] größtenteils gar nicht populistisch« war (Müller 2016b: 28) – wenngleich die Farmer sich selbst als Populisten bezeichneten. Jenem historischen Populismus, der in Müllers Populismusverständnis gar nicht als populistisch zu klassifizieren ist, wendet sich die vorliegende Arbeit zu. Ihr Gegenstand ist das politische Denken der Populisten im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts. Zwar widmen sich viele historische Darstellungen diesem Kapitel der amerikanischen Geschichte. Doch typischerweise werden die Populisten hier in ein geistesgeschichtliches Narrativ eingeordnet, das wesentliche Merkmale ihres Denkens verzerrt. Deswegen sollen in dieser Arbeit die Konturen des populistischen Denkens durch einen vergleichenden Blick geschärft werden. Die Vergleichsobjekte sind hierbei zum einen das politische Denken Thomas Jeffersons und zum anderen das politische Denken der Jacksonian Democrats. Die Vergleichsfälle wurden aus zwei Gründen gewählt: Zum einen finden sich in der Forschung, wie im nächsten Abschnitt dargelegt wird, dort, wo überhaupt auf die ideengeschichtlichen Vorläufer der Populisten eingegangen wird, in der überwältigenden Mehrheit der Fälle Verweise auf Jefferson und/oder die Jacksonians. Zum anderen, und vermutlich ist hierauf die in der Forschung oftmals postulierte Traditionslinie von Jefferson über die Jacksonians zu den Populisten zurückzuführen, lassen sich jene drei Akteure beziehungsweise Akteursgruppen als Teile des im weiteren Sinne demokratischen Denkens in den ersten rund 100 Jahren nach Gründung der US-amerikanischen Republik verstehen. Jefferson, den Jacksonians und den Populisten ging es dem eigenen Empfinden nach um die Verteidigung der republikanischen beziehungsweise demokratischen Ordnung.1 Hierbei grenzte sich Jefferson von den seines Erachtens monarchischen Federalists2 ab und die Jacksonians bekämpften die ihrer Meinung nach aristokratisch-elitären Whigs. Bei den Populisten wandelte sich das Feindbild dann zwar insofern, als nunmehr vor allem mächtige Wirtschaftsakteure zur Bedrohung für die US-amerikanische Demokratie ausgerufen wurden, es ging jedoch dem eigenen Selbstverständnis nach weiterhin um die Verteidigung Letzterer.
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Bekanntermaßen wurde der Begriff Demokratie noch zur Zeit der Verfassungsgebung von vielen pejorativ verwendet. Erst in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sollte sich dies ändern. Gemeint ist die parteienähnliche Bewegung, nicht die Autoren der berühmten Federalist Papers.
Einleitung
Die jeweiligen Sorgen um den Fortbestand der US-amerikanischen Demokratie waren hierbei in der historischen Wirklichkeit fundiert. Wie beispielsweise Karl Loewenstein (1957: 17) bemerkt, kann Jeffersons Wahl zum US-Präsidenten (1800) nicht nur aufgrund dessen als Meilenstein auf dem Weg zur Stärkung der US-amerikanischen Demokratie begriffen werden, dass hiermit der erste Machtwechsel innerhalb des noch jungen Staates in unblutiger Weise vollzogen wurde, sondern vor allem aufgrund dessen, dass Jeffersons »Sieg […] die eigentliche Vervollständigung der amerikanischen Revolution [war], da sie den Griff der wohlhabenden Oberschicht auf die Regierungsmaschinerie brach.« Nachdem sich die Federalists ob ihrer Haltung zum zweiten britisch-amerikanischen Krieg (1812-1815) selbst abschafften, bestand bis in die frühen 1830er Jahre praktisch eine Einparteienherrschaft, während welcher die Republicans mit James Madison, James Monroe und John Quincy Adams den jeweiligen US-Präsidenten stellten. Dass sich mit den Whigs 1832 eine neue parteipolitische Kraft gründete, war insbesondere auf das Wesen und Wirken des ab 1828 im Weißen Haus residierenden Andrew Jackson und dessen Democratic beziehungsweise Democratic-Republican Party zurückzuführen. Hierbei argumentierten die Whigs ihrerseits, dass Jackson und die Seinen die Stabilität der Republik gefährden würden, und zwar vor allem durch die unheilvolle Stärkung der Exekutive, weshalb die Rede von ›King Andrew I.‹ in ihren Reihen die Runde machte. Wie auch immer jene Auseinandersetzungen im Einzelnen zu beurteilen sind, unstrittig ist, dass abermals die Frage nach Wesen und Sicherung der republikanischdemokratischen Ordnung im Zentrum der politischen Konflikte stand3 und abermals lässt sich kaum bestreiten, dass die Debatten in der soziopolitischen Wirklichkeit fußten, beispielsweise in der erwähnten Stärkung des Präsidentenamtes, die aus Sicht der Jacksonians wenig überraschend anders zu beurteilen war als aus Sicht der Whigs. Die Populisten schließlich, die das Gründungsdokument ihrer parteipolitischen Manifestation, die Omaha Platform, nicht zufällig am geschichtsträchtigen 4. Juli 1892 verabschiedeten, stellten ebenfalls die Sicherung der revolutionären Errungenschaften ins Zentrum ihres politischen Projekts.4 Die Demokratie wurde ihrer Ansicht nach von mächtigen privatwirtschaftlichen Akteuren bedroht, deren Wirken
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Vgl. hierzu Hildenhagen (2017). Zwischen den 1840er und 1870er dominierten die »burning issues of race and Union« die politischen Auseinandersetzungen in den USA (vgl. Ackerman 1998: 248; vgl. Ashworth 1995: 367; Wilentz 2005a: 242).
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der monarchischen Willkürherrschaft, gegen die sich die Gründergeneration in den 1770er Jahren zur Wehr gesetzt hatte, in nichts nachstand. »[M]onarchy is bad because it is arbitrary power, whether it be political or industrial«, wie Henry D. Lloyd, einer der führenden populistischen Intellektuellen, bemerkte (Lloyd 1894: 498). Alle drei in der vorliegenden Arbeit diskutierten Akteure beziehungsweise Akteursgruppen können vor diesem Hintergrund dem republikanisch-demokratischen Lager zugerechnet werden, was die Annahme ideeller Verbindungslinien zwischen ihnen, so man von der Existenz Letzterer überhaupt auszugehen mag, durchaus plausibel macht. Die im Rahmen dieser Arbeit zu beantwortende Frage lautet dementsprechend, inwiefern die Populisten im ausgehenden 19. Jahrhundert als ideelle Wiedergänger Jeffersons und der Jacksonian Democrats angesehen werden können.
Forschungsstand Die Frage nach den ideengeschichtlichen Wurzeln des politischen Denkens der Populisten hat die äußerst umfangreiche Forschung zum USamerikanischen Populismus erst vergleichsweise spät und auch dann nur für einen überschaubaren Zeitraum umgetrieben. Dominiert wurden die Debatten um Wesen und Bewertung des populistischen Aufstandes lange Jahre – in gewisser Weise bis zum Erscheinen der letzten umfangreichen Studie von Charles Postel (2007) – von der Frage, ob es sich bei den Populisten um progressive Kräfte handelte, deren Reformprogramm bereits ins 20. Jahrhundert wies, oder ob man es nicht vielmehr mit rückwärtsgewandten Hinterwäldlern zu tun hatte, von denen in erster Linie ein »Paranoid style in American Politics« (Hofstadter 1964) überdauerte, der den Nährboden für die Kommunistenhetze unter Joseph McCarthy bereitete. Ralf Schimmers (1997) überzeugender Periodisierung folgend, lässt sich die diesbezügliche Forschung in vier Phasen unterteilen.5 Bis in die 1950er Jahre herrschte demnach ein »naiv-affirmatives Populismusbild« (ebd.: 89) vor, das wesentlich von den so genannten progressiven Historikern entworfen worden war. Die wichtigste, weil wirkmächtigste Publikation dieser ersten Periode war John D. Hicks’ The Populist Revolt (1931). Hicks porträtierte die
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Vgl. auch Miller (1993).
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Populisten vor dem Hintergrund der sich dem Ende zuneigenden Westexpansion der USA als Fortschrittsverlierer, denen an der Erlangung des ihnen aus ihrer Perspektive zustehenden Teils des nationalen Aufschwungs gelegen war. In eine ähnliche Kerbe, den Fokus jedoch auf die Südstaaten gerichtet, sollte zwei Dekaden später C. Vann Woodwards Origins of the New South (1971: Kap. IX) schlagen. Hierbei begriffen sowohl Woodward als auch Hicks die Populisten als rationale Akteure, deren Protest begründet und nachvollziehbar gewesen sei. Eben jene Attribuierung sollte dann in der zweiten Welle der Populismusforschung in Frage gestellt werden. Jene setzte mit Richard Hofstadters The Age of Reform (1955) ein. Deutlich differenzierter als Victor C. Ferkiss’ ebenfalls 1955 formuliertes Diktum, demzufolge die Populisten direkte Vorläufer des US-amerikanischen Faschismus im 20. Jahrhundert gewesen seien,6 durchzieht Hofstadters essayistisch gehaltenes The Age of Reform gleichwohl ein negativer Grundtenor. Hofstadters an rezipierter Primärliteratur armer Text bedient sich eines sozialpsychologischen Instrumentariums, um die Populisten als von Abstiegsängsten gepeinigte Mittelstandsangehörige porträtieren zu können. Ihnen sei weniger an einer ernsthaften Kritik der bestehenden Verhältnisse gelegen gewesen als an der Verhinderung der eigenen sozioökonomischen Deprivation, weshalb die Verantwortungsdelegation des eigenen Schicksals an imaginierte Sündenböcke eines der herausragenden Merkmale des populistischen Protestes gewesen sei.7 Die dritte Forschungswelle versuchte in der Folge unter Rückgriff auf das bis dahin wenig ausgeschöpfte Quellenmaterial die spiegelbildlichen Überhöhungen und Verurteilungen des populistischen Aufstandes in ein ausbalancierteres Verhältnis zu setzen. Insbesondere die Behandlung des temporären »Populism« als Teilmenge eines überhistorischen, negativ konnotierten Phänomens »populism«, das mit Hofstadters Studie eingesetzt hatte (vgl. Jäger 2017), wurde von den Historikern jener dritten Generation zurückgewiesen. »Unter Ablehnung soziologischer Methoden bekräftigte sie, dass der während der fünfziger Jahre abhanden gekommene sozialgeschichtliche ›Populism‹ und nicht sein dispositionales Abstraktum ›populism‹ der eigentliche 6 7
»American fascism had its roots in American populism; it pursued the same ends and even used many of the same slogans« (Ferkiss 1955: 174). Vgl. zur Genese Hofstadters These Marotta (2016). Im deutschsprachigen Raum hat Franz Neumann in seinem breit rezipierten Artikel zu »Angst und Politik« (1954) eine Hofstadter vergleichbare Argumentation bemüht, weshalb es nicht überrascht, dass auch Neumann die Populisten als irrationale Kleingeister betrachtet.
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historiographische Kernbereich sei, der über das Wesen der populistischen Bewegung zu entscheiden habe.« (Schimmer 1997: 98) Die Folge war eine Vielzahl empirischer Einzelfallstudien, die die revisionistische Lesart Hofstadters ihrerseits revidierten. Eines der herausragenden Werke jener Zeit war Walter T.K. Nugents 1963 erschienenes The Tolerant Populists (2013),8 in welchem er die Populisten in Kansas in Anbetracht eines umfassenden Quellenstudiums vom Vorwurf der Bigotterie und des Antisemitismus entlastete. Kurz zuvor hatte sich bereits Norman Pollack mit seinem The Populist Response to Industrial America (1962) daran gemacht, das Zerrbild der selbstbezogenen populistischen Interessenpolitik zu korrigieren und die Populisten stattdessen als ernstzunehmende Sozialkritiker eines sich rasant wandelnden Landes zu zeichnen. Vor allem attestierte Pollack dem populistischen Protest jedoch progressiv und zukunftsgerichtet gewesen zu sein, sich den sozioökonomischen Realitäten des ausgehenden 19. Jahrhunderts also gerade nicht verweigert zu haben, wie Hofstadter dies behauptet hatte. Weniger auf das politische Denken denn auf die politische Praxis zielend bescheinigte O. Gene Clanton (1984) den Populisten schließlich, genuin progressive Kräfte gewesen zu sein, die beispielsweise erstmals Regierungstätigkeit im sozialpolitischen Sektor forderten und dies 20 bis 30 Jahre bevor jene Forderung im Rahmen des so genannten New Deal Wirklichkeit werden sollte. Auch Bruce Palmers Deutung (1980) des populistischen Protestes kann als wohlwollend bezeichnet werden; allerdings befindet er ihre Haltung zu den sich wandelnden Gegebenheiten und der modernen Welt als von Ambivalenzen durchzogen, die wesentlich auf ihre ideologische Verankerung im ausgehenden 18. und der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zurückzuführen seien. Diese hätten es den Populisten nicht erlaubt, ihre umfangreiche Sozialkritik in ein der sozialen Wirklichkeit gemäßes Reformprogramm zu transformieren. Wie gleich zu zeigen sein wird, ist Palmers Arbeit für die vorliegende Studie Inspiration und Herausforderung zugleich; seine Deutung blieb jedoch auch jenseits der Frage nach der ideengeschichtlichen Verankerung des populistischen Denkens nicht unwidersprochen. Namentlich Elizabeth Sanders (1999) und Charles Postel (2007) haben die Populisten im Anschluss an die Arbeiten Pollacks, Clantons und anderer wieder ohne größere Einschränkungen als modern klassifiziert und sie zu Vorläufern des Progressivismus im frühen 20. Jahrhundert erklärt (vgl. Miller et al. 2009). 8
Der Verweis erfolgt auf die mit einem neuen Vorwort versehene zweite Auflage von 2013.
Einleitung
Gerade Postel ist hierbei daran gelegen,9 das Denken der Populisten zu rekonstruieren. The Populist Vision, so Postel, »explores what these men and women were thinking.« (Postel 2007: 4) Aufgrund des lange Zeit vorherrschenden ereignisgeschichtlichen Zugriffs auf den populistischen Protest ist Postels Studie von besonderer Bedeutung für die hier vorliegende Untersuchung, indem sie ganz grundlegend nachgewiesen hat, dass »Populism embodied a remarkable intellectual enterprise.« (Ebd.) Eben dies war aufgrund Hofstadters einflussreicher Interpretation, die die Populisten im Kern als erfolgsorientierte Kleinunternehmer porträtiert und ihr Denken somit zum Epiphänomen herabgesetzt hatte, lange Zeit unterbelichtet geblieben, wenn nicht sogar geleugnet worden. Wenngleich auf breiterer Quellenbasis und vor dem Hintergrund einer modifizierten Fragestellung knüpft Postel hiermit an die Arbeiten progressiver Provenienz wie diejenigen Pollacks10 an, indem er die Populisten als Ideengeber wieder ernst nimmt.11 In dem zuletzt skizzierten Feld lässt sich auch die vorliegende Studie verorten, die nach dem Verhältnis des populistischen Denkens zu jenen Ideengebäuden fragt, die für den Zeitraum 1776 bis 1840 in aller Regel als demokratische Gegenspieler zum teilweise hegemonialen und teilweise oppositionellen elitären Denken begriffen werden. Jene Stichwortgeber der USamerikanischen demokratischen Tradition sind Thomas Jefferson und Andrew Jackson beziehungsweise die Jacksonian Democrats. Eine der wenigen Arbeiten, die sich dieses Themas nennenswert annimmt, ist Bruce Palmers bereits erwähnte »Man over Money«. The Southern Populist Critique of American Capitalism (1980). Aufgrund seines nicht vergleichenden Blicks spricht Palmer allerdings eher beiläufig von dem »Jeffersonian-Jacksonian heritage«, womit er sich auf die besondere Rolle des Farmers bezieht, der für Jeffersons Denken ebenso zentral gewesen sei wie für jenes der Populisten, sowie auf einen Produzentenethos, der Letztere mit den Jacksonians verbunden habe.12 In ähnlicher Weise spricht O. Gene Clanton von einem Republikanismus in der Tradition Jeffersons und 9 10 11
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Sanders schließt eher an die Arbeiten von Clanton an, indem sie ihren Fokus darauf richtet, was die Populisten (in der Legislative) taten. Neben dem bereits zitierten The Populist Response to Industrial America sind dies The Just Polity (1987) und The Humane Economy (1990). Hiervon legen auch Postels tagespolitische Interventionen unter Rückgriff auf die Populisten des ausgehenden 19. Jahrhunderts Zeugnis ab. Vgl. Postel (2012), Ders. (2013a) und Ders. (2013b). Ähnlich Ritter (1999: 190).
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der Jacksonians, der konstitutiv für das Denken der Populisten gewesen sei (Clanton 1969). Im deutschsprachigen Raum wird das revolutionäre Erbe, das in das politische Denken der Populisten eingegangen sei, vermehrt in liberalen Begrifflichkeiten gefasst. Hans Vorländer (1997: 149-153), der sich den Populisten jedoch lediglich auf wenigen Seiten annimmt, sieht sie als Teil des von ihm postulierten »Hegemoniale[n] Liberalismus« und Hans-Jürgen Puhle (1975: 125) schlägt sie mit seiner Behauptung, die Populisten seien Anhänger sozialdarwinistischer Glaubenssätze gewesen, einer bestimmten Spielart des Liberalismus in der Ära nach Ende des US-amerikanischen Bürgerkrieges zu.13 Die umfangreichste Diskussion des populistischen politischen Denkens im deutschsprachigen Raum findet sich jedoch bei Karin Priester. Priesters Studie ist zunächst aufgrund dessen von besonderem Interesse, dass sie den Populismus als Ideologie erst nimmt, ihn also nicht lediglich als eine spezifische Politikform beziehungsweise als Rhetorik versteht, sondern als politisches Denken, dem ein klar identifizierbarer ideeller Kern zu eigen sei. Dieser ist für Priester in der fundamentalen Ablehnung des modernen Staates zu sehen respektive in einem »frühliberale[n] Ideal staatsfreier ökonomischer Selbstständigkeit und Selbstorganisation« (Priester 2007: 23; vgl. ebd.: 50).14 Aufgrund des Feindbildes des modernen Staates attestiert Priester dem Populismus einerseits eine konservative Grundposition, andererseits auf Grundlage des imaginierten Ideals »staatsfreier ökonomischer Selbstständigkeit und Selbstorganisation« libertär-anarchistische Elemente (ebd.: 48). Wie im Hauptteil der vorliegenden Studie gezeigt wird, sind alle von Priester vertretenen Annahmen hinsichtlich des ideologischen Kerns des Populismus höchst problematisch. Weder lassen sich die Populisten umstandslos als rückwärtsgewandt klassifizieren, noch lässt sich vor diesem
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Zu jener Spielart vgl. White (2017: 172-213). Jene »Gilded Liberals«, so White, waren »people who in many, but not all, respects would be called conservatives in the twentyfirst century« (ebd.: 172). Wenngleich Priester bemerkt, dass der Populismus jedwede Form von Machtkonzentration ablehne, big business also ebenso verachte wie big government, macht sie wenig später klar (Priester 2007: 16f.), dass »›[d]ie bürokratische Klasse‹, die ›Neue Klasse‹ als staatsnahe Steuerungselite […] für Populisten der Gegner schlechthin [ist]« (ebd.: 27). Im Folgenden heißt es dann noch expliziter, dass der »eigentliche Gegner des Populismus […] die Sozialdemokratie im weitesten Sinne einschließlich der USamerikanischen Politik des New Deal, und der von ihr getragene moderne Wohlfahrtsstaat [ist]« (ebd.: 43; vgl. ebd.: 69).
Einleitung
Hintergrund davon sprechen, dass das von ihnen formulierte normative Ideal in einer Wiederherstellung jener verlorenen Vergangenheit bestünde. Basierend auf ähnlichen Gründen grenzt sich die vorliegende Arbeit auch von John F. Hughes’ (1994) Überlegungen hinsichtlich des politischen Denkens zweier der von mir untersuchten Akteursgruppen ab. In »The Jacksonians, the Populists and the Governmental Habit« argumentiert Hughes, dass die Populisten »can best be understood as a distant, attenuated aftershock of Jacksonian Democracy.« (Ebd.: 6) Die »world views of the Jacksonians and the Populists«, so Hughes, »were essentially the same.« (Ebd.: 17) Beide hätten eine präkapitalistische Wirtschaftsordnung mit ungefähr gleichverteiltem Wohlstand imaginiert, einer »essentially static conception of economic reality« (ebd.: 13) angehangen und die wirtschaftliche Entwicklung kritisch beäugt.15 Aufgrund einer für beide Bewegungen zentralen »labor theory of value«, gemäß derer persönlicher Wohlstand nur das Ergebnis harter Arbeit und somit ein langwieriger Prozess sein konnte, hätten sowohl Jacksonians als auch die Populisten große Wohlstandsdisparitäten nur als Ergebnis betrügerischer Praktiken begreifen können, was schließlich zu einer gesellschaftspolitischen Perspektive geführt hätte, die die Welt in »victims« and »victimizers« unterteilte. Dass sich vor diesem Hintergrund die Forderungen beider Bewegungen fundamental voneinander unterschieden – auf der einen Seite das uneingeschränkte Bekenntnis zum radikalen laissez faire-Prinzip, auf der anderen Seite das, was Elizabeth Sanders (1999: 173) als »statist agenda« bezeichnet hat –, ist für Hughes gerade nicht Ergebnis eines unterschiedlichen »world view«, sondern lediglich eine policy-Entscheidung. Genau dies bezweifelt die vorliegende Studie. Entgegen der Behauptung, der zufolge wir nur mit strategischen policy-Entscheidungen konfrontiert würden, die prinzipiell allen untersuchten Akteursgruppen offen gestanden hätten, möchte ich die These vertreten, dass sich in Abhängigkeit von sozioökonomischen Transformationsprozessen gerade die Weltsicht der Akteure änderte, was den Möglichkeitsraum der jeweils zugänglichen normativen Visionen zwar nicht determinierte, aber doch soweit eingrenzte, dass, um bei Hughes zu bleiben, beispielsweise den Jacksonians ein Eintreten für eine wie auch immer geartete »statist agenda« nicht möglich war. Solche prinzipiellen Unterschiede finden sich zwischen allen drei hier untersuchten Akteursgruppen, weshalb ich meine, dass es nicht plausibel ist, von einer Traditionslinie von Jefferson über die Jacksonians bis zu den Populisten zu sprechen, wie 15
Letztere These findet sich auch bei Priester (2007: 42).
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dies alle mir bekannten Studien tun, die sich zumindest oberflächlich mit ideengeschichtlichen Traditionszusammenhängen zwischen zweien oder dreien der Akteursgruppen auseinandersetzen. Einer der wesentlichen Gründe dafür, dass die teilweise offensichtlichen Brüche zwischen dem politischen Denken Jeffersons, der Jacksonians und der Populisten entweder als eine Art konzeptionelle Überdehnung (vgl. Postel 2007: 161) marginalisiert oder aber überhaupt nicht beachtet werden, scheint mir in der impliziten Annahme zu finden zu sein, der gemäß theoretische Inkonsistenzen im US-amerikanischen politischen Denken nicht weiter erwähnenswert seien. Ob eines gewissermaßen natürlichen Eklektizismus scheinen inhaltliche Abweichungen zwischen Akteuren, die einer Traditionslinie zugeordnet werden, jene Zuordnung in letzter Konsequenz nicht erschüttern zu können. Ich möchte im Rahmen der vorliegenden Studie einen anderen Weg einschlagen und den Versuch unternehmen, die augenscheinlichen Brüche zwischen den drei diskutierten Denkern beziehungsweise Denkkollektiven als Ausdruck tieferliegender systematischer Neukonfigurationen16 im jeweiligen politischen Denken zu begreifen. Auf diese Weise werden unterschiedliche Programmatiken zu mehr als zufälligen Entscheidungen der jeweiligen Akteure, die prinzipiell auch immer anders hätten ausfallen können. Im Gegenteil wird sich zeigen, dass es gerade unterschiedliche Prinzipien waren, auf denen jene Programmatiken fußten. Hiermit ist selbstredend nicht gesagt, dass die in dieser Arbeit diskutierten Akteure angesichts ihrer jeweiligen politischen Widersacher nicht deutlichere Gemeinsamkeiten untereinander aufweisen als die jeweiligen Vorläufer respektive Nachfolger zu ihren jeweiligen Antipoden. Es soll also nicht die These vertreten werden, dass beispielsweise die Jacksonians eigentlich den Federalists oder die Populisten beziehungsweise Jefferson eigentlich den 16
Hiermit ist freilich auch schon eingestanden, dass sich Versatzstücke der einzelnen Denkgebäude auch im Denken der jeweils anderen diskutierten Akteure finden lassen. Wenngleich der Nachweis im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht erbracht werden kann, gilt dies jedoch gleichermaßen für Versatzstücke jener politischen Denker, gegen die sich die jeweiligen Akteure in ihrer Zeit richteten. Ich meine also, dass beispielsweise ein Nachweis bestimmter Gedanken Jeffersons in den untersuchten Schriften der Jacksonians für sich genommen wenig aussagt, denn es ließe sich ebenfalls der Nachweis bestimmter Ideen der Federalists im Denken Letzterer erbringen. Nur über den Versuch einer auf Grundlagen zielenden Rekonstruktion der jeweiligen Ideengebäude werden aufgrund des im nächsten Abschnitt darzulegenden Charakters des USamerikanischen politischen Denkens sinnvolle Aussagen möglich.
Einleitung
Whigs nähergestanden hätten. Es soll lediglich nachgewiesen werden, dass die Rede von diachronen Traditionslinien im US-amerikanischen politischen Denken mit Blick auf die hier verhandelten Positionen mehr verwischt als sie offenlegt und dass man stattdessen gut daran täte, Jefferson, die Jacksonians und die Populisten als eigenständige Beiträge zu begreifen, die nicht aufeinander reduzierbar sind. Bevor ich mich der im Rahmen dieser Studie verwendeten Methodik zuwende, muss im nächsten Abschnitt vorbereitend noch auf den in den vorangegangenen Ausführungen bereits mehrfach verwendeten Begriff des politischen Denkens eingegangen werden.
Zum Begriff des politischen Denkens Das politische Denken in den USA unterscheidet sich wesentlich von jenem in Kontinentaleuropa. Als wohl augenscheinlichste Differenz lassen sich die Abstraktionsniveaus ausmachen, auf denen sich die beiden Spielarten bewegen. Dieser Umstand lässt sich anhand der Kontrastierung von politischem Denken einerseits und politischer Philosophie beziehungsweise Theorie17 andererseits verdeutlichen. Konstitutiv für jede Form der politischen Theorie ist mindestens der selbstgesetzte Anspruch, ein in sich widerspruchsfreies System von Aussagen aufzustellen, dem ein analytischer, normativer oder gar ein prognostischer Wert zukommt. Derartige Systeme können, ohne dass dies notwendigerweise zulasten ihrer intellektuellen Qualität gehen muss, in vergleichsweise großer Distanz zum politischen Alltagsgeschehen formuliert werden. Eine Gerechtigkeitstheorie beispielsweise muss nicht in der zum Zeitpunkt ihres Entstehens beobachtbaren sozialen Wirklichkeit verankert sein. Es mag gute Gründe dafür geben, die Grundlagen der formulierten Theorie – gerade wenn es sich um ein normatives Projekt handelt – mit hegemonialen Wertvorstellungen der adressierten Gesellschaft(en) abzugleichen, zwingend notwendig ist ein solches Vorgehen aber nicht. Ebenso wenig ist die Formulierung einer politischen Theorie von wahrnehmbaren Bedürfnislagen abhängig. Sicherlich ist das Projekt einer Reformulierung sozialistischer Prinzipien angesichts breiter sozialer Proteste reizvoller als zu Zeiten gesamtgesellschaftlicher Zufriedenheit und durch die Decke schießender Glücksin17
Jene Begrifflichkeiten werden im Rahmen dieser Einleitung aufgrund vergleichbarer Systematisierungsanforderungen synonym verwendet.
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dizes. Die Güte einer politischen Theorie des Sozialismus hängt von der impliziten Nachfrage nach einem derartigen Theorieangebot jedoch nicht ab. Hiervon lässt sich das politische Denken unterscheiden. »Politisch gedacht«, so Henning Ottmann (1996: 1), werde »schon vor aller Wissenschaft.« (Vgl. Stollberg-Rilinger 2010: 8) Ganz wesentlich ist hierbei die Feststellung, dass politisches Denken »zunächst einmal praktisches Denken [ist], d.h. es ist geleitet von einem Interesse an politischem Handeln. Es ist nicht reine Theorie oder bloße Spekulation.« Hinzu tritt, dass je nach Rolle des politisch Denkenden »verschiedene Distanzen vom Problemdruck der politischen Lebenswelt« existieren. »[E]in General, der in der Schlacht entscheiden muss; ein Parlamentarier, der ein Gesetz zu verabschieden hat; ein Bürger, der abends am Kamin politische Gespräche führt; ein Politikwissenschaftler, der sich im künstlichen Raum einer Universität der Politischen Wissenschaft widmet – sie alle haben je verschiedene Distanzen zum Problem- und Entscheidungsdruck.« (Ottmann 1996: 6)18 Für die US-amerikanische Ideengeschichte scheint mir der Begriff des politischen Denkens deutlich angemessener zu sein als jener der politischen Theorie. Es ist kein Zufall, dass die USA keinen Hegel hervorgebracht haben und die Federalist Papers sich im Zweifelsfall auch dem Laien – also dem einfachen Bürger beziehungsweise der einfachen Bürgerin – erschließen, was von der Phänomenologie des Geistes schlechterdings nicht behauptet werden kann. Politisch gedacht – auch in Anbetracht etwaiger theoretischer Folgewirkungen – wurde in den USA seit ihrer Gründung in den allermeisten Fällen angesichts konkreter Problemlagen. Das im wahrsten Sinne herausragende Beispiel hierfür sind die angesprochenen Artikel Alexander Hamiltons, James Madisons und John Jays, die uns als Federalist Papers bekannt sind. Nicht dass es sich bei den Federalist Papers um ein abstraktionsfeindliches Pamphlet auf dem Niveau heutiger Wahlkampfauseinandersetzungen gehandelt hätte. Hamilton, Madison und Jay hatten ihre Klassiker gelesen, rekurrierten ebenso auf Autoren der griechischen und vor allem römischen Antike wie auf Montesquieu – ihr Ziel war jedoch genuin praktisch,
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Von der geringeren Fallhöhe des amerikanischen politischen Denkens gegenüber der westeuropäischen Tradition spricht auch Robert McCloskey: »Franklin, John Adams, Jefferson, Madison, Marshall, Jackson, Calhoun, Lincoln, Theodore Roosevelt, Woodrow Wilson – these were all extraordinary men by any standard, but no one of them was exceptional in such a way as to be out of touch with the American grain.« (McCloskey 1957: 117; Hervorh., T.M.) Vgl. hierzu auch Frisch (1955) und mit Blick auf das politische Denken im Zuge der Amerikanischen Revolution Wood (2006: 601).
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ihr Adressat die wahlberechtigte Bevölkerung des Staates New York.19 Dass sie hiermit gewissermaßen im Vorbeigehen einen der bis heute grundlegenden Beiträge zur modernen Gewaltenteilungslehre und der Theorie repräsentativer Demokratie vorgelegt haben, hätte Hamilton, Madison und Jay vermutlich nicht gestört, die Absicht hatten sie beim Verfassen der Artikel sicherlich nicht.20 Dieser Wesenszug US-amerikanischen politischen Denkens hat die akademische Auseinandersetzung mit der politischen Ideengeschichte der USA bisweilen zu einem randständigen, da vermeintlich wenig lohnenswerten, Unterfangen werden lassen und der bis heute schwelende Streit darüber, ob die Politische Theorie in den USA überhaupt noch zum Fach Politikwissenschaft gerechnet werden sollte, hat hier mit einiger Wahrscheinlichkeit seine Wurzeln (vgl. Caswell 1985: 20-27). Gerade weil politisches Denken in den Vereinigten Staaten immer problembezogen war, wird die Frage nach der Relevanz Politischer Theorie hinsichtlich der »institutional facts of life« auf der anderen Seite des Atlantiks mit größerem Nachdruck gestellt als hierzulande.21 Wie auch immer sich diese fachinterne Debatte entwickeln wird, unbestreitbar scheint, dass »American political thinkers have not often produced works that rank with the best that has been thought or known in the world’s intellectual history.« (McCloskey 1957: 115) Dies, so die hier vertretene Annahme, ist wesentlich darauf zurückzuführen, dass es sich bei den politischen Denkern der Vereinigten Staaten eben nicht um politische Philosophen handelte. Wenngleich McCloskey in seiner Auseinandersetzung nicht vordergründig 19 20
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»An das Volk des Staates New York« ist Artikel Nr. 1 überschrieben (Hamilton/Madison/Jay 1787/88: 53). So bemerkt auch Morton J. Frisch: »If we consider political philosophy to be systems of thought as developed in the Aristotelian, Hobbesian, or Lockean fashion then there has been no American political philosophy. Americans have traditionally ›felt no intellectual responsibility to fuse their various ideas into one deft synthesis.‹« (Frisch 1955: 189) Bereits Tocqueville hatte zu Beginn des zweiten Bandes seines Über die Demokratie in Amerika festgestellt: »Es gibt, glaube ich, in der Kulturwelt kein Land, in dem man sich weniger mit Philosophie befasst als in den Vereinigten Staaten. Die Amerikaner haben keine eigene philosophische Schule, und alle die, welche Europa entzweien, lassen sie ziemlich gleichgültig« (Tocqueville 1840: 11). Angesichts einer immer wieder erkennbaren Fixierung auf die Moden im angloamerikanischen Raum wird diese Debatte auch an einigen empirisch orientierten Standorten in der Bundesrepublik geführt, wenngleich die hiesigen Beharrungskräfte, die für Sinn und Nutzen theoretischer Auseinandersetzungen eintreten, größer sein dürften als in den USA.
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mit diesen Begriffen operiert, so stützt sein Urteil über Thomas Jefferson eben jene Lesart: »Jefferson«, so McCloskey, »is surely the patron saint of the American political tradition; we start from Jefferson as the medievals start from Aristotle. But sage and eloquent though he often was, Jefferson could hardly be called a great political philosopher.« (Ebd.: 116) Jefferson, so McCloskey keineswegs despektierlich, war schlicht kein John Locke, kein Jean-Jacques Rousseau und sicherlich kein Hegel. Angesichts der Tatsache, dass »it has just not been characteristic of Americans to concern themselves with the stratosphere of political speculation« (ebd.),22 warum sollte sich gerade der »Ahnherr« (Dietze 1992: 25) der US-amerikanischen Demokratie hiervon abheben? Nun ist Jefferson von den in dieser Arbeit diskutierten Autoren und Autorinnen mit Sicherheit derjenige, der noch am ehesten als mehr als ein nur randständig philosophisch und theoretisch interessierter politischer Denker klassifiziert werden kann. Wenn schon für ihn nicht von politischer Theorie gesprochen werden kann, so erst recht nicht mit Blick auf die im Folgenden verhandelten Jacksonian Democrats beziehungsweise Populisten. Das vor diesem Hintergrund plausiblere Verständnis des Untersuchungsgegenstandes als politisches Denken hat unmittelbare Auswirkungen auf die in Anschlag gebrachte Methode, der sich der nächste Abschnitt zuwendet.
Methode Die deutschsprachige Methodendebatte im Bereich der politischen Ideengeschichte ist als lebhaft zu bezeichnen. Sowohl der von Andreas Busen und Alexander Weiß herausgegebene Band Ansätze und Methoden zur Erforschung politischen Denkens (2013) als auch Holger Zapfs Methoden der Politischen Theorie (2013) legen hiervon Zeugnis ab. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht mit Blick auf die Ideengeschichtsschreibung zweifellos die so genannte Cambridge School um J.G.A. Pocock und vor allem Quentin Skinner. Einstmals als kritische Stimme gegen den methodischen Mainstream rund um Arthur Lovejoys Die große Kette der Wesen (1993) entstanden, ist die Cambridge School heute selbst zur dominanten Strömung geworden, an der sich die Wissenschaft von den politischen Ideen abarbeitet (vgl. Stollberg-Rilinger 2010: 20f.).
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Sehr ähnlich Frisch (1955: 184): »The roots of American political thought lay in his skepticism toward untested principles and trust in the facts of our own experience.«
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Gegen die von Skinner vehement eingeforderte Kontextualisierung politischen Denkens respektive Schreibens – wegweisend formuliert in seinem Aufsatz zu »Meaning and Understanding in the History of Ideas« (1969) – dürfte gegenwärtig kaum jemand zu Felde ziehen. Auch im Folgenden soll dieser zentrale Gedanke nicht in Frage gestellt werden. Allerdings soll angesichts der verfolgten Fragestellung und des besonderen Charakters des US-amerikanischen politischen Denkens für eine Fokusverschiebung plädiert werden. Um Letztere vorstellen zu können, bedarf es zunächst eines kurzen Abrisses über Skinners ursprüngliches Programm. Dessen Kern bilden, wie Jens Olesen (2013) feststellt, zwei Begriffe, Konvention und Intention, deren Verhältnis mit Blick auf das von Skinner formulierte Erkenntnisinteresse illustriert werden kann. Dieses kann Skinner folgend nur auf die Frage zielen, »what an agent may have intended or meant by speaking or writing in a certain way.« (Skinner 2002a: 3) Stelle man diese Frage nicht ins Zentrum der Betrachtung, so Skinner, »we shall find ourselves […] in a position comparable to that of someone listening to the prosecution or the defence in a criminal trial without having heard the other side.« (Ebd.: 115) Würde man sich nämlich lediglich auf den geschriebenen Text beziehen, diesen also isoliert behandeln, so liefe man Gefahr, zu Einsichten zu gelangen, die Skinner als »historisch absurd« (Skinner 2010: 27) bezeichnet. Eines der meist zitierten Beispiele, die Skinner in diesem Zusammenhang anführt, ist die These, nach der Marsilius von Padua als Begründer der modernen Gewaltenteilungslehre angesehen werden könne. »Historisch absurd«, so Skinner, sei diese These aufgrund dessen, dass sich Marsilius der Möglichkeit, Gewalten zu teilen, überhaupt nicht bewusst sein konnte; ihm fehlten anders gesagt die Worte, um diese Idee ausdrücken zu können (ebd.: 27f.). Unter Rückgriff auf das Begriffspaar Olesens ließen die ideellen Konventionen seiner Zeit die Intention, Gewalten teilen zu wollen, nicht zu. An dieser Stelle wird auch die Verwandtschaft des Skinner’schen Ansatzes zu den sprachphilosophischen Überlegungen Ludwig Wittgensteins und John L. Austins deutlich (vgl. Müller/Schmieder 2016: 358; Bevir 2010: 212). Das Wittgenstein’sche Diktum, nach dem man von all dem schweigen solle, von dem man nicht reden könne, bildet die Grundlage für Skinners Überlegungen, die ihrerseits in der zunächst einleuchtenden These kulminieren, dass ein Autor schlechterdings nicht zu einer Debatte beitragen könne, deren Existenz ihm nicht bewusst sei und dessen Sinn ihm nicht einleuchten würde, so er sie kannte. Die Aufgabe des Forschers beziehungsweise der Forscherin müsse es demnach sein, den diskursiven Raum des von ihm oder ihr untersuchten Zeit-
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abschnittes derart umfassend zu rekonstruieren, dass es hierüber möglich würde, die Intention beziehungsweise die möglichen Intentionen des jeweils betrachteten Autors zu erschließen (vgl. Stollberg-Rilinger 2010: 21). Die Singularität vergangener Sprechakte macht die Ideengeschichte auf diese Weise zu einem rein historischen Unterfangen (vgl. Nitschke 2011: 275f.) und das Gipfelgespräch zwischen den großen Geistern verschiedener Epochen, das lange Zeit den Kern der Ideengeschichte bildete (vgl. Münkler 2013: 22), wird damit zum »Sündenfall« ideengeschichtlicher Forschung (Hegewisch 2014: 29).23 Statt kontextübergreifende politische »Elementarideen« aufzuspüren,24 obliege es dem Forscher, »[d]ie klassischen Prinzipien der Hermeneutik – die Einbeziehung der Standortgebundenheit des Forschers, die Kontextualisierung der Quellen und die Perspektivität jeder Erkenntnis als Grundbedingung des Verstehens« (ebd.: 22) – auf die Ideengeschichte anzuwenden.
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Skinner selbst ist diesbezüglich über die Jahre ›milder‹ geworden. »My basic aim in my book [Liberty before Liberalism; T.M.] was thus to reconstruct the terms and motivations of an early-modern argument. But one of my reasons for wanting to reconstruct the argument is that it seems to me worth reconsidering. Modern liberal political theorists largely agree with Hobbes about the idea of freedom; Harrington’s vision has for long been dismissed as confused. But is it confused? Or does his analysis capture something important that Hobbes forgets (or deliberately underplays)? Once we see what is at stake, we can begin to think again about the issues they discussed. My own view, moreover, is that as soon as we do so we begin to see two things that modern liberal theorists have sought to conceal from us. One is the ideological character of their purportedly value-neutral analysis of freedom. The other is that, in attempting to discredit those who were arguing for greater public participation in government in the name of greater liberty, they have missed an important dimension of thinking about freedom that needs to be restored. I admit that I am walking a tightrope. As with all tightropes, moreover, it is possible to fall off on one side or the other. It seems to me that most historians fall off on the side of worrying too little about the point of what they are doing. I am more in danger of falling off in the direction of sacrificing historicity. If the choice is between historical impurity and moral pointlessness, then I suppose that in the end I am on the side of the impure. But I see myself fundamentally as an historian, so that my highest aspiration is not to fall off the tightrope at all« (Skinner 2002b: 54f.; Hervorh., T.M.). Dies ist nach Auffassung Lovejoys, gegen dessen Vorgehensweise sich die Cambridge School unter anderem wendet, die Aufgabe der Ideengeschichte. Lovejoy ist die NichtBeachtung der Intentionen des zu untersuchenden Autors hierbei nicht etwa entgangen. Er gibt vielmehr offensiv zu Protokoll: »Wir möchten erkennen, wie spätere Generationen Schlüsse daraus zogen, die ihre Urheber nicht gewollt haben oder von denen sie sich nicht hätten träumen lassen« (Lovejoy 1993: 33).
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Das Kontextualisierungsargument ist im Bereich der politischen Ideengeschichte zum Gemeinplatz geworden (Stollberg-Rilinger 2010: 7f.) und mit Blick auf die schonungslose Aufdeckung der Schwachstellen einer kontextvergessenen Ideengeschichtsschreibung, die Skinner vor allem in »Meaning and Understanding in the History of Ideas« betreibt, fällt es schwer, sich vorzustellen, wie grosso modo hiergegen argumentiert werden sollte. Selbst alternativ verfahrende Ansätze positionieren sich nicht offensiv gegen die Cambridge School, sondern konstatieren lediglich – mit ungleich größerer Gelassenheit als der junge Skinner25 – ein unproblematisches Nebeneinander kontextsensibler historischer und kontexttranszendierender aktualisierender Ideengeschichtsschreibung (vgl. Rorty 2000: 364). Ist die oft angeführte Abkehr des Skinner’schen Ansatzes vom ideengeschichtlichen »Gipfelgespräch« (Friedrich Meinecke) und den Lovejoy’schen Elementarideen eine Seite der Medaille, so bildet der Angriff auf die marxistisch inspirierte Ideengeschichtsschreibung die andere. Deren aus Skinners Perspektive eindimensionales Basis-Überbau-Theorem, dem zufolge der gesellschaftliche Überbau und somit die hegemonialen Ideen nichts anderes als Ausdruck der ihm zugrundeliegenden ökonomischen Basis seien, gilt Skinner als nicht weniger fehlgeleitet (Skinner 2002a: 145; vgl. Hellmuth/Ehrenstein 2001: 156). Wie Skinner bemerkt, war eine der einflussreichsten ideengeschichtlichen Studien seiner Zeit C.B. Macphersons The Political Theory of Possessive Individualism (1962). In den Worten John Dunns, einem der engsten intellektuellen Weggefährten Skinners (vgl. Skinner 1978: x), unternahm Macpherson hier den Versuch, »to demonstrate how a political theory which sanctioned capitalist economic relations and the state structures required to maintain these ever came to be created.« Hierbei werde »the appearance of concepts in the thought of Hobbes and Locke, above all their view of human beings as essentially greedy and competitive« mit »the emergence of the market society« erklärt (Dunn 1974: 490). Der marxistische Ansatz, so Skinner, »had a baleful effect on the status as well as the methodology of intellectual history. The discipline was either treated as of marginal interest, or else was studied in such
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Skinner selbst bezeichnet »Meaning and Understanding in the History of Ideas« rückblickend als »terrorist attack« auf die konventionelle Ideengeschichtsschreibung (Skinner 2002b: 39). Vom Glauben an die Möglichkeit eines weitgehend friedlichen Zusammenlebens ist der Text wahrlich nicht durchzogen.
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a way as to provide alleged evidence in favour of the base/superstructure itself.« (Skinner 2002b: 38) Gegenüber jener reduktionistischen Sichtweise, der zufolge sich das Aufkommen bestimmter Ideen aus den materiellen Verhältnissen der jeweiligen Zeit ableiten lasse, verweist Skinner auf die Eigenständigkeit politischer Ideen und Diskurse.26 Letzteren komme aufgrund dessen ein Eigenwert zu, dass sie politische Handlungsräume absteckten und den politisch Handelnden nicht beliebig zur Disposition stünden (Skinner 1978: xiif.; Ders. 2002a: 156).27 Da politische Vokabulare jedoch durch diskursive Interventionen wandelbar seien, zielten Akteure zur Legitimation neuartiger Handlungen auf die Neujustierung eben jener Vokabulare, derer sie bedürfen, um ihren Handlungen Legitimität zu verleihen. In genau jenem Sinne lässt sich Skinners viel zitierter Ausspruch vom politischen Sprechen als politischer Tätigkeit verstehen. Skinners diesbezügliche Vehemenz ist aus heutiger Perspektive bisweilen befremdlich, hat sich die These von der sprachlichen Konstruktion der Wirklichkeit in der einen oder anderen Art und Weise doch in der Zwischenzeit in weiten akademischen Kreisen durchgesetzt. Mir scheint einer der Gründe dafür, dass Skinner die aus der vorgetragenen Kritik sich ergebende Programmatik bisweilen zu weit treibt, in der damaligen Dominanz der von ihm angegangenen Ansätze zu suchen zu sein. Denn ebenso selbstverständlich wie der Umstand, dass sich soziale Wirklichkeit nie jenseits der Sprache erschließen lässt, die dem Handelnden zur Verfügung steht, ist auf der anderen Seite doch auch, dass Erstere die Handlungen Letzterer nicht zu determinieren vermag.28 Bisweilen sind es soziale, politische und ökonomische Transformationen, die zum politischen Denken und Sprechen beziehungsweise Schreiben treiben und nicht die intendierte Intervention in politische
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Mit Blick auf die Philosophiegeschichte mag sich dies anders darstellen, da die Rekonstruktion eines philosophischen Gipfelgesprächs aufgrund der nicht zwangsläufig an die Ereignisgeschichte rückgekoppelten philosophischen Fragestellungen eher einleuchtet. »Philosophen«, so Stollberg-Rilinger, »geht es im wesentlichen darum, die unterschiedlichen Antworten auf prinzipiell gleiche philosophische Fragen in der Geschichte aufzusuchen.« (Stollberg-Rilinger 2010: 9). Vor diesem Hintergrund kritisiert Skinner Lewis Namiers Annahme, wonach Handlungen im Nachhinein durch den Rekurs auf legitimitätsstiftende Vokabulare Rechtfertigung erfahren können. Skinner zufolge lässt sich gerade nicht beliebig auf ein bestimmtes Vokabular zurückgreifen; dieses muss vielmehr bearbeitet werden, um die angestrebte legitimierende Funktion erhalten zu können. Vgl. zu diesem Vorwurf an die Cambridge School Hellmuth/Ehrenstein (2001: 169f.).
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Diskurse, um Handlungsräume auszuweiten beziehungsweise einzugrenzen. Skinner selbst bemerkt, dass es in erster Linie politische Ereignisse seien, die politisches Denken respektive politisches Handeln vermittels Sprache motivierten (Skinner 1978: xi). Vor diesem Hintergrund meint er, dass »the understanding of any proposition requires us to identify the questions to which the proposition may be viewed as an answer« (Skinner 2002a: 115). Bezeichnend ist nun aber, dass Skinner als Beispiel einer derartigen Identifikation von Fragen beziehungsweise Problemlagen, auf die Autoren zu bestimmten Zeiten eine Antwort zu formulieren versucht hätten, auf J.G.A. Pocock und das Erlernen politischer Sprachen rekurriert. Mit anderen Worten seien wir dazu in der Lage, die Fragen und Problemlagen ausfindig zu machen, auf die Autoren Antworten zu formulieren versucht haben, wenn wir die Sprache ihrer Zeit sprechen lernten – die wiederum von vielen ihr vorgängigen Sprachen inspiriert worden sein können (vgl. Pocock 2010: 106f.). Jenseits des Vorwurfs eines hiermit einhergehenden linguistischen Determinismus scheint mir Skinners Ansicht angesichts des im vorangegangenen Abschnitt ins Feld geführten Begriffs des politischen Denkens zu intellektualistisch zu sein, impliziert er doch, dass die Sprache, die wir als Beobachter zu erlernen hätten, den Akteuren im politischen Handgemenge derart transparent gewesen sei, dass deren Sprechen in erster Linie auf die Transformation jener Sprache gezielt hätte. Dies anzunehmen, mag mit Blick auf einen Untersuchungsgegenstand, der sich im engeren Sinne der Politischen Theorie zuordnen lässt, plausibel sein; für politisch Denkende und Sprechende, deren Distanz zum »Problemdruck der politischen Lebenswelt« deutlich überschaubarer war, ist hingegen die These von der politischen und sozialen Welt, die zum Denken und Handeln treibt, überzeugender.29 Mit anderen Worten spricht mit Blick auf das Politische Denken wenig dafür, »dem sprachlichen Kontext […] den Primat« gegenüber alternativen Kontexten zuzusprechen, namentlich dem sozioökonomischen und politischen (Hellmuth/Ehrenstein 2001: 170; vgl. Bevir 1992: 294). Und gerade im US-amerikanischen Kontext, der sich seit den ersten Kolonialtagen durch das Bewusstsein auszeichnet, historisch einzigartig gewesen zu sein, ist die Annahme, dass der in erster Linie relevante Kontext für die Analyse politischen Denkens ein linguistischer
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Hiermit ist freilich mitnichten gesagt, dass die Welt den Gedanken in eine bestimmte Richtung treibt, es geht also nicht um das Wiederkäuen der These, der zufolge die herrschenden Gedanken lediglich diejenigen der herrschenden Klasse gewesen seien und sein mussten.
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gewesen sein müsste und dann bestenfalls auch noch einer, der nicht als »an immediate one« angesehen werden kann (Skinner 2002a: 116), nicht überzeugend. Vielmehr ist davon auszugehen, dass ein geeigneterer Ausgangspunkt im vorliegenden Fall die politischen und sozioökonomischen Kontexte sind, dass die Ausführungen der in dieser Arbeit diskutierten Autoren und Autorinnen sich in einem ersten Schritt also am besten dadurch erschließen lassen, dass man sie in ihren sozioökonomischen und politischen Entstehungszusammenhang einbettet. An die von Skinner (Ebd.: 115) gebrauchte Metapher des Gerichtssaals angelehnt, geht es also zunächst darum, die Argumente der hier untersuchten Parteien hinsichtlich des verhandelten Falles zu rekonstruieren und nicht in erster Linie hinsichtlich der Argumente der Gegenpartei. Letzteres ist selbstredend eine legitime Untersuchungsabsicht, sie zielt allerdings auf eine andere Ebene. Die Analyse der Argumente der beiden Parteien unter Absehung des verhandelten Falles kann mich vor allem zu Aussagen über angewandte Strategien führen und somit Antworten auf die Frage geben, wie die Parteien versuchen, ihre Darstellung und Interpretation überzeugender aussehen zu lassen. Was die Parteien jeweils bezüglich des verhandelten Falles und der präsentierten Evidenzen darlegen, ist eine hiervon zu unterscheidende Analyseebene. Im in dieser Arbeit verhandelten Fall verspricht letztgenannte Ebene meines Erachtens nach die fruchtbarere zu sein. Der Grund hierfür liegt in der Tatsache, dass der linguistische Kontext in den USA bis ins 20. Jahrhundert ein vergleichsweise einheitlicher war, der mit der Bezeichnung »Hegemonialer Liberalismus« (Vorländer 1997) recht treffend beschrieben ist. Nähert man sich politischen Denkerinnen und Denkern vor diesem Hintergrund ist es naheliegend, einem gewissen Determinismus zum Opfer zu fallen, Ersteren also die Möglichkeit kreativen Denkens a priori zu nehmen. Tatsächlich tut es jedoch Not, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass »[a]uthors say, what they want to say. They are not slaves of paradigms.« (Bevir 1992: 294) Die Fragen, auf die politisches Denken in den USA in aller Regel Antworten zu finden sucht, speisen sich in allererster Linie aus politischen und sozioökonomischen Transformationsprozessen und der Nachweis, dass sich klare Differenzen zwischen den hier untersuchten Autoren und Autorinnen ausfindig machen lassen, obwohl sich die jeweils zeitlich später schreibenden und sprechenden immer auch in der Traditionslinie der früher agierenden verorteten, unterstreicht dieses Postulat. Der Grund hierfür ist meines Erachtens in der sich fundamental wandelnden politischen und sozioökonomischen Um-
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welt zu suchen, in der die jeweiligen Autorinnen und Autoren handelten. In einem zweiten Schritt ließe sich dann untersuchen, wie die einzelnen Akteure tatsächlich aufeinander Bezug nahmen, wie eine vormals existierende Sprache im Einzelnen transformiert beziehungsweise von einer passenderen abgelöst wurde und mit welchen Mitteln diese Ergebnisse jeweils erzielt wurden. Diese und ähnliche Fragen liegen jedoch jenseits der hier verfolgten Untersuchungsabsicht.
Untersuchungsgegenstand und Quellenauswahl Ein unbedingt zu adressierendes Problem hinsichtlich der in dieser Arbeit gewählten Untersuchungsgegenstände ist das Postulat zweier Kollektivsubjekte.30 Die Rede von den Jacksonians und den Populisten suggeriert einerseits ideologische Einheitlichkeit und andererseits einen Anspruch auf enzyklopädische Vollständigkeit auf Seiten des Darstellenden. Beide Ansprüche werden in der vorliegenden Studie nicht erhoben. Zunächst kann weder mit Blick auf die Jacksonians noch mit Blick auf die Populisten von einem einheitlichen Denkkollektiv gesprochen werden. Eingedenk der Tatsache, dass die USA zwischen 1815 und 1824 die so genannte »Era of Good Feelings« durchliefen, in der sich das Streben nach nationaler Einheit unter anderem in der Auflösung der Partei der Federalists manifestierte, die zu einer ideologischen Zerfaserung der übriggebliebenen Democratic-Republican Party führte, dauerte es einige Zeit, bis ideologische Grabenkämpfe wieder zwischen zwei klar voneinander unterscheidbaren Akteursgruppen ausgetragen wurden. Erst mit der Gründung der Democratic Party 1828 respektive der National Republican Party 1830 und der Whig Party 1832 als Nachfolgerin der National Republicans lässt sich wieder von politischen und ideologischen Lagerbildungen unter unterschiedlichen Bannern sprechen. Das heißt im Umkehrschluss, dass die Democratic Party um Andrew Jackson als zentraler Führungspersönlichkeit anfangs
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Mit Blick auf Thomas Jefferson stellen sich die in diesem Unterkapitel diskutierten Fragen und Probleme, die dem Umgang mit Kollektiven eigen sind, nicht. Jeffersons Schriften liegen in mehreren Editionen vor. Die vorliegende Untersuchung stützt sich vor allem auf die von Paul Leicester Ford herausgegebenen Writings of Thomas Jefferson (1892-1899) sowie auf die weniger umfangreichen Zusammenstellungen von Joyce Appleby und Terence Ball in Political Writings (1999) und das von Jean M. Yarbrough herausgegebene The Essential Jefferson (2006).
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als Sammelbecken diverser Strömungen fungierte, was die Rede von dem politischen Denken der Democratic Party wenig sinnvoll erscheinen lässt. Etwas hiervon Unterschiedliches ist die Rede vom politischen Denken der Jacksonian Democrats. Für diese kann, anders als Joseph Blau (1954: x; Hervorh., T.M.) dies annimmt, nicht mehr gesagt werden, dass es sich bei ihnen um »an aggregation of diverse groups, covering well-nigh the entire spectrum of political, social, and economic thought« gehandelt habe. Tatsächlich hatten sich als Reaktion auf die Wahl Jacksons und die Neugründung der Democratic Party zuerst die National Republican Party und wenig später die Whig Party gegründet. Es kam also vergleichsweise schnell zu einer neuerlichen Ausdifferenzierung der parteipolitischen Landschaft, die sich gerade auch ideologisch ausdrückte (vgl. Ashworth 1983; Kohl 1989). Dementsprechend muss von einer hinreichend klaren Konturierung des politischen Denkens der Jacksonian Democracts, zu denen die Democrats nach 1830 de facto geworden waren, ausgegangen werden. Dies heißt gleichwohl nicht, dass es nicht auch im Lager um Andrew Jackson unterschiedliche Strömungen gab. Es handelte sich bei der Democratic Party immerhin um die erste Massenpartei in der Geschichte der USA. Ich meine aber, dass die Rede von den Jacksonians mit Blick auf die Grundpfeiler ihres politischen Denkens möglich und geboten ist (vgl. Gerring 1994). So war es beispielsweise sinnlos, sich als Anhänger einer aktiveren Bundesregierung der Democratic Party anzuschließen. Nicht minder aussichtslos wäre der Versuch gewesen, sich innerhalb der Democratic Party für eine elitistische Demokratiekonzeption stark zu machen; kurz, das ganze Spektrum politischer Ansichten wurde in den Reihen der Partei Andrew Jacksons ganz sicher nicht abgebildet und das heißt im Umkehrschluss, dass von einem programmatischen Kern auszugehen ist, um den sich die Parteigänger gruppieren konnten. Insgesamt kann die historische Periode, die gemeinhin als Age of Jackson bezeichnet wird und von der zweiten bis in die fünfte Dekade des 19. Jahrhunderts reicht, als gut erforscht gelten. Bei der Quellenauswahl habe ich mich aufgrund dessen zum einen an der einschlägigen Literatur zur Jacksonian Democracy orientieren können.31 Zum anderen bildet die von Joseph Blau (1954) zusammengetragene Quellensammlung zu den Social Theories of Jacksonian Democracy einen guten Ausgangspunkt.32 Schließlich dienen zentrale Reden und
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Wahre Fundgruben sind diesbezüglich beispielsweise Meyers (1960), Kohl (1989), Sellers (1991), Wilentz (2005a) und Howe (2007). Dies gilt freilich mit der angesprochenen Einschränkung, dass Blau stellenweise dazu neigt, die ganze Bandbreite der Positionen innerhalb der Jacksonian Democracy zu
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Veto Messages von Andrew Jackson selbst als eine Art Prüfstein für die Repräsentativität der in seiner Gefolgschaft formulierten Überlegungen. Die in dieser Arbeit herangezogenen zeitgenössischen journalistischen Arbeiten, wissenschaftlichen Abhandlungen und programmatischen Entwürfe sollen der ohne Zweifel zentralen politischen Figur, die Jackson war, gewissermaßen zur Seite gestellt werden, ohne Jackson hierbei unkenntlich zu machen.33 Jackson selbst fungierte sowohl aufgrund seiner politischen Rolle als auch ob seines Charakters nicht als großer politischer Ideengeber; auf Grundlage der von ihm eingenommenen Positionen nehme ich aber an, dass er den Ausführungen, die von prägnanter denkenden Jacksonians formuliert wurden, nicht widersprochen hätte. Zusammengenommen ergibt sich hieraus das politische Denken der Jacksonians. Mit Blick auf die Populisten verhält es sich ähnlich. Die Bewegung, die 1892 in der Gründung der People’s Party kulminierte, erstreckte sich von North Carolina bis Kalifornien und von Texas bis nach North Dakota. In den 1890er Jahren, die den Höhepunkt des populistischen Protests darstellen, existierten zeitweise über 1000 Zeitungen, die sich dem populistischen Lager zuordnen lassen (Goodwyn 1978: 206). Bei den Präsidentschaftswahlen von 1892 konnte James B. Weaver, der Kandidat der Populisten, vier Staaten für sich gewinnen und insgesamt über eine Million Stimmen auf sich vereinigen. Er war hiermit der erste Kandidat einer Drittpartei, der nach Ende des US-amerikanischen Bürgerkriegs überhaupt Wahlmännerstimmen gewinnen konnte. Jene Popularität in unterschiedlichen Landesteilen macht die Rekonstruktion des politischen Denkens der Populisten naheliegend zu einem schwierigen Unterfangen. Wenn im Rahmen der vorliegenden Studie von den Populisten oder der populistischen Perspektive gesprochen wird, dann ist hiermit, wie gesagt, kein Anspruch auf enzyklopädische Vollständigkeit erhoben. Gleichwohl ist mir daran gelegen, ob der vorgenommenen Quellenauswahl den Anspruch der Repräsentativität stellen zu können. Ausgehen konnte ich in diesem Zusammenhang von einer kleineren und einer umfänglichen Quellensammlung. Erstere wurde 1976 von George Brown Tindall als A Populist Reader vorgelegt, Letztere bereits 1967 von Norman Pollack unter dem Titel The Populist Mind. Hilfreich war zudem die ursprünglich
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erfassen und vor diesem Hintergrund Autoren ›aufwertet‹, die in der Forschung überzeugend als Most Uncommon Jacksonians (Pessen 1967) charakterisiert werden. Kurze biographische Skizzen der erwähnten Autoren finden sich in den jeweiligen Kapiteln.
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von Henry Clay Detloff in Buchform herausgegebene Bibliographie A List of References for the History of the Farmers’ Alliance and Populist Party, die zunächst von Worth Robert Miller an der University of Missouri und in der Folge von Jeff Welsh an der University of Kentucky weitergeführt und digitalisiert wurde.34 Aufgrund der Existenz zweier Epizentren des US-amerikanischen Populismus im ausgehenden Jahrhundert, Kansas im Westen und Texas im Süden, bilden zwei der wichtigsten Zeitungen jener Bundesstaaten, der in Dallas erschienene Southern Mercury und der in Topeka ansässige Advocate zwei zentrale, über die existierenden Quellensammlungen hinausgehende zeitgenössische Referenzen, die in die vorliegende Arbeit aufgenommen wurden. Zusätzlich wurde mit Blick auf die diskutierten Monographien auf eine ungefähre Parität zwischen Autoren aus dem Süden und solchen aus dem Westen geachtet.35 Der wesentliche Nachteil eines solchen Vorgehens ist sicherlich darin zu sehen, dass eben keine enzyklopädische Vollständigkeit beansprucht werden kann. Allerdings ist dies angesichts der hier verfolgten Untersuchungsabsicht von nachgeordneter Bedeutung, da mir nicht daran gelegen ist, die jeweils diskutierten Denker und Denkkollektive bis in die letzten Winkel auszuleuchten, um hierdurch ein neues Bild zeichnen zu können. Vielmehr geht es darum, sie in ein Verhältnis zu setzen, wofür die Identifikation zentraler Wesenszüge hinreichend ist. Dies ist durch die skizzierte Quellenauswahl gewährleistet.
Aufbau der Arbeit Die Arbeit setzt sich aus jeweils einem Kapitel zum politischen Denken Thomas Jeffersons, dem politischen Denken der Jacksonians und dem politischen Denken der US-amerikanischen Populisten im ausgehenden 19. Jahrhundert zusammen. Die grundlegende Struktur der Kapitel ist hierbei identisch. Einer Rekonstruktion des jeweiligen historischen Kontextes folgen die Darstellungen des politischen Denkens. Als Ganze geht die vorliegende Arbeit hierbei chronologisch vor, ich beginne also mit Thomas Jefferson und schließe mit den Populisten.
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http://courses.missouristate.edu/bobmiller/Populism/Texts/bibliography.htm. Für den Westen sind dies beispielsweise James B. Weaver, Ignatius Donnelly und William A. Peffer. Für den Süden Thomas L. Nugent und W. Scott Morgan.
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Intern sind die jeweiligen Kapitel hingegen nicht chronologisch, sondern thematisch gegliedert. Die Kontextualisierungskapitel rekonstruieren jeweils die zentralen politischen und sozioökonomischen Themen und Transformationsprozesse, auf die sich das in der Folge erörterte politische Denken der einzelnen Akteure beziehungsweise Akteursgruppen bezieht. Für Thomas Jeffersons Denken ist dies ohne Zweifel der Weg zur Amerikanischen Unabhängigkeit und die sich nach Erlangen der Unabhängigkeit auftuende Frage, wie die gerade erlangte Freiheit vom englischen Mutterland erhalten und stabilisiert werden könne (1.1). Jeffersons im ersten Abschnitt zu seinem politischen Denken (1.2.1) dargelegte Vorstellung von der natürlichen Moralität des Menschen stellt gewissermaßen die Grundlage für seine anti-monarchischen Überzeugungen dar. Ob des Glaubens an die dem Menschen innewohnenden Kohäsionskräfte kann Jefferson in Abgrenzung zu alternativen Ordnungsvorstellungen nach dem Ende des Unabhängigkeitskriegs für ein System plädieren, in dem die Bürger ihre Geschicke weitestgehend kollektiv selbst lenken können (1.2.2). Gleichwohl, und hierauf geht der folgende Abschnitt ein (1.2.3), zeichnet die immer wieder aufgestellte These von Jefferson als radikaldemokratischem Denker ein zu einseitiges Bild. Tatsächlich teilte Jefferson die Überzeugungen seines langjährigen Freundes und Weggefährten James Madison hinsichtlich der mit der territorialen Größe der USA einhergehenden Notwendigkeit politischer Repräsentation. Hierbei votierte Jefferson keineswegs für ein deskriptives Repräsentationskonzept, sondern unterschied zwischen den »natural aristoi« in den politischen Ämtern auf überkommunaler Ebene und den von ihnen Repräsentierten. Gerade in Abgrenzung zur überkommenen Monarchie musste jedoch sichergestellt werden, dass tatsächlich die fähigsten Männer die politischen Ämter bekleideten und nicht, wie im ehemaligen Mutterland, eine artifizielle Aristokratie, deren Stellung sich auf Wohlstand und Herkunft, nicht aber auf Fähigkeiten gründete. Die im abschließenden Kapitel (1.2.4) vorgestellten Überlegungen Jeffersons zur politischen Ökonomie müssen dann als Versuch verstanden werden, die ökonomischen Strukturen in einer Weise auszugestalten, die eine notwendige Unabhängigkeit auf Seiten der einfachen Bürger beförderte, die Freiheitsrechte des Einzelnen – und somit auch das Recht auf Eigentum – unangetastet ließ und gleichzeitig verhinderte, dass sich ein US-amerikanisches Pendant zum englischen Adel herausbilden konnte. Im Vergleich zum ausgehenden 18. Jahrhundert hatten sich die Vereinigten Staaten 1824, dem Jahr des ersten Versuchs Andrew Jacksons als Präsident ins Weiße Haus einzuziehen, weitreichend gewandelt. Ökonomisch war das
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Land dabei, von der kleinräumig organisierten Agrarrepublik zur ausdifferenzierten Marktwirtschaft nationalen Ausmaßes zu werden; politisch hatte sich die noch zu Jeffersons Lebzeiten elitäre Republik in Richtung einer Demokratie des common man entwickelt (2.1). Beide Entwicklungen hatten erheblichen Einfluss auf das politische Denken der Jacksonians. Mit Blick auf die im engeren Sinne politische Sphäre zeigt der erste Abschnitt die von den Jacksonians imaginierte Vergewöhnlichung des politischen Prozesses (2.2.1). Nicht mehr besondere Fähigkeiten sollten politische Amtsinhaber auszeichnen. Vielmehr sollten politische Ämter und Prozesse derart simplifiziert werden, dass der gewöhnliche Bürger mit ihrer Besetzung beziehungsweise Ausführung betraut werden konnte. Als Wächter der US-amerikanischen Demokratie gegen etwaige aristokratische Angriffe fungierte aus Sicht der Jacksonians dann durchaus paradoxerweise der Präsident (2.2.2). Dieser sollte als letzte und von der gesamten Bürgerschaft legitimierte Instanz dafür Sorge tragen, dass aus einem einfachen und mit wenigen Kompetenzen ausgestatteten Regierungsapparat nicht eine aristokratische Maschinerie würde, mit Hilfe derer die Wenigen über die Vergabe von Gefälligkeiten die eigene Machtbasis zu Lasten des gewöhnlichen Volkes sichern konnten. Jenem Bestreben, die Regierungsgeschäfte möglichst einfach und durchschaubar zu halten, korrespondierte auf wirtschaftspolitischer Ebene, wie im dritten Abschnitt gezeigt wird, die Befürwortung eines strikten laissez faire-Prinzips (2.2.3), dessen symbolträchtigste Manifestation die Auseinandersetzung um die Second Bank of the United States und den geldpolitischen Kurs des Landes darstellt (2.2.4). Trotz ihrer Skepsis hinsichtlich einer künstlich – und dies meinte durch Regierungshandeln – forcierten gesellschaftlichen Entwicklung lassen sich die Jacksonians nicht umstandslos als Agrarier bezeichnen. Vielmehr lässt sich in ihrem politischen Denken eine zumindest zaghafte Aufwertung wichtiger werdender Produzentengruppen ausmachen, die der rasanten ökonomischen Transformation der USA in Ansätzen Rechnung trug (2.2.5). Im so genannten Gilded Age (1877-1900) lösten sich die Vereinigten Staaten endgültig von der landwirtschaftlichen Entwicklungsstufe und wurden 1900 als größte Manufakturnation der Welt geführt. Einher ging diese abermals rasante Transformation mit beispiellosen ökonomischen Konzentrationsprozessen, denen eine weitgehend tatenlose und auch durch die sektionalen Animositäten in der Nachfolge des Bürgerkriegs (1861-1865) gelähmte politische Führung gegenüberstand, die überdies von landesweit Aufmerksamkeit erregenden Korruptionsskandalen erschüttert wurde (3.1). In dieser Konstellation formierte sich der populistische Protest, der 1892 vorläufig in der Gründung
Einleitung
der People’s Party mündete. Wenngleich die Populisten häufig als lediglich auf ökonomische Reformen zielende Protestbewegung porträtiert werden, zeigt der erste Abschnitt zu ihrem politischen Denken, wie zentral ihnen eine Reformierung des politischen Systems erschien. Die in dieser Arbeit vertretene Lesart versteht jene Reformvorschläge als Versuche, demokratische Entscheidungsfindungsprozesse auf den Weg zu bringen, die zum einen zu einer sachlichen Auseinandersetzung führen sollten, die die Populisten von der in Folge des Bürgerkriegs betriebenen symbolischen Politik abgrenzten, und die zum anderen eine gleichmäßige Berücksichtigung unterschiedlicher gesellschaftlicher Interessen gewährleisten sollten, die die Populisten durch die immer größer werdende Macht privatwirtschaftlicher Akteure unterminiert sahen (3.2.1-3.2.2). Jene Machtkonzentration begriffen die Populisten, wie zu zeigen sein wird, nicht länger als Resultat korrumpierenden Regierungshandelns, sondern als Folge einer laissez faire-Politik, die im Zuge der ökonomischen Transformationsprozesse nicht länger als normatives Ideal fungieren konnte (3.2.3). Zur Verwirklichung des von ihnen so bezeichneten cooperative commonwealth bedurfte es vielmehr einer Ausdehnung der staatlichen Regelungskompetenzen, die noch für Jefferson und die Jacksonians als gleichbedeutend mit dem Niedergang bürgerschaftlicher Freiheit gesetzt worden war (3.2.4). Die vorliegende Arbeit schließt mit einem Fazit, in welchem anhand zentraler Themen und Vergleichskriterien die Ausführungen zum politischen Denken der jeweils diskutierten Akteure und Akteursgruppen in kondensierter Form dargelegt werden.
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1. Das politische Denken Thomas Jeffersons
1.1
Kontextualisierung: Unabhängigkeit und Verfassungsgebung
Das prägendste Ereignis für das politische Denken Thomas Jeffersons war unzweifelhaft die Amerikanische Revolution, am Ende derer die Loslösung der ehemaligen Kolonien vom englischen Mutterland stand. Es gilt daher zu fragen, welche Beweggründe die Kolonisten in Richtung Unabhängigkeit trieben und welche Probleme sich demnach als nach der erlangten Unabhängigkeit dringend lösungsbedürftig erwiesen. In der deutschsprachigen Forschung hat Michael Hochgeschwender (2016) jüngst noch einmal darauf hingewiesen, dass die US-amerikanische Unabhängigkeit untrennbar an die Folgen des Siebenjährigen Krieges beziehungswiese des French and Indian War (1754-1763) gekoppelt ist (vgl. Sautter 2013: 70). In der angloamerikanischen Geschichtswissenschaft wird sogar noch weiter gegangen und die Bedeutung der britischen new colonial policy ab 1748 betont, freilich in erster Linie als wenig erfolgreiches Vorspiel für die britischen Regulierungsmaßnahmen ab 1763, die durch eben jenen ausbleibenden Erfolg wesentlich motiviert gewesen seien (Greene 2000: 110; vgl. Murrin 1980: 386). Unzweifelhaft ist in jedem Fall die Feststellung, dass sich die nordamerikanischen Kolonien ab der Jahrhundertmitte von der wenig beachteten Peripherie des britischen Empires immer mehr in dessen Zentrum schoben (Howard 2001: 58).1 »[B]y 1763, after a generation of war and a century of neglect, the British government had turned its attention to America.« (Thomas 2000: 118) Wie Jack P. Greene (2000: 101f.) darlegt, intensivierten sich die britischen Bemühungen um eine engere Kontrolle der nordamerikanischen Kolonien be-
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Hiermit ging eine Politik zu Ende, für die Edmund Burke (1775: 186) den später häufig verwendeten Begriff des »wise and salutory neglect« geprägt hatte.
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reits seit Ende der 1740er Jahre in Abhängigkeit von der wachsenden Bedeutung, die den Kolonien im ökonomischen Verkehr des Empire zukam einerseits und der wachsenden Angst vor kolonialen Unabhängigkeitsbestrebungen andererseits. Die teils verzweifelten Situationsbeschreibungen der britischen Gouverneure in den Kolonien verstärkten auf Seiten der Krone den Eindruck, handeln zu müssen, um die vermeintlich bröckelnden Ränder des Empire wieder auf Linie zu bringen. Was folgte, war der Versuch, die Kolonien engmaschiger zu kontrollieren, indem beispielsweise die Gouverneure angewiesen wurden, den königlichen Weisungen unbedingt Folge zu leisten, was den Handlungsspielraum der Exekutivorgane in den Kolonien verringerte und die Animositäten zwischen den kolonialen Unterhäusern und den Gouverneuren verstärkte. Nachdem diese Maßnahmen jedoch nicht griffen, folgte eine zweite Phase der versuchten Kontrollausweitung, in welcher das Board of Trade, das die kolonialen Angelegenheiten regeln sollte, mithilfe der Übernahme weitreichender Ernennungsrechte, verstärkten Einfluss auf die andere Seite des Atlantiks zu nehmen bestrebt war. Wenngleich wohl zu keinem Zeitpunkt daran gedacht wurde, die repräsentativen Organe der Kolonisten vollständig abzuschaffen beziehungsweise zu entmachten, waren die Briten doch bestrebt, deren Einfluss möglichst weit zurückzudrängen, indem der Versuch unternommen wurde, das Funktionieren der kolonialen Strukturen von den Entscheidungen der assemblies zu entkoppeln.2 So sollte die koloniale Gesetzgebungspraxis unter britischen Vorbehalt gestellt werden und »[t]o decrease the extraordinary financial powers of the lower houses, the Board urged the governors to secure laws creating a permanent revenue that would support the entire civil list independent of further legislative appropriations«; schließlich war das Board bestrebt, die Jurisdiktion im Sinne der Krone zu rationalisieren und dem Einfluss der Kolonisten zu entziehen (Greene 2000: 107; vgl. Hochgeschwender 2016: 110). Jenseits der Frage, ob die Briten die Kolonien hiermit in irgendeiner Form ausbeuten wollten – Thomas (2000: 121) meint diesbezüglich, dass »[t]here was never any foundation for the contemporary and historical myth that Britain would drain money from America« –, steht außer Frage, dass in den britischen Unternehmungen der Versuch zu sehen ist, das Empire zu konsolidieren und die aus dieser Perspektive chaotischen Zustände zu ordnen. Dies ging notwendigerweise zulasten der au2
Diese hatten sich seit Ende des 17. Jahrhunderts in Folge der Glorious Revolution und nach Vorbild des britischen House of Commons zunehmend Kompetenzen angeeignet, allen voran in finanzpolitischen Fragen. Vgl. hierzu Tully (2000).
1. Das politische Denken Thomas Jeffersons
tonomen Selbstverwaltung der Kolonien. Bis 1763 wurden jene Bestrebungen jedoch eher halbherzig verfolgt und liefen dementsprechend weitestgehend ins Leere. Die Situation änderte sich in Folge des French and Indian War insofern, als sich die Anreize dafür erheblich ausweiteten, die Kolonien als integralen und zu bestimmten Leistungen verpflichteten Teil des Empire zu betrachten. Der French and Indian War, im Zuge dessen britische Truppen Seite an Seite mit den Kolonisten um die Sicherung ihrer Gebiete vor den territorialen Bestrebungen der Franzosen und Indianerstämme kämpften, war aus Sicht der Briten nicht nur im Interesse des Mutterlandes, sondern ebenso im Interesse der Kolonien (Remini 2008: 31). Und wenngleich sich Letztere in erheblichem Umfang mit menpower an den kriegerischen Auseinandersetzungen beteiligt hatten, zählte für die Briten vor allem anderen die finanzielle Beteiligung – und diese war in der Tat nicht nennenswert (vgl. Purvis 2000: 115). Was folgte waren diverse Versuche, das ursprünglich vom Board of Trade initiierte Vorhaben fortzuführen und die kolonialen Verwaltungsstrukturen auf eigenständige und das hieß von den assemblies unabhängige Grundlagen zu stellen. Die Stempelsteuer (Stamp Act) wurde 1765 ebenso zu jenem Zweck eingeführt wie später die Townshend Acts und die in Folge auf deren Zurücknahme übriggebliebenen Abgaben auf importierten Tee. Die britische Regierung »looked upon the tea tax as the most effective way to make some colonial civil administrations independent of the people – the very purpose Charles Townshend had in mind when he first proposed his measures.« (Chaffin 2000: 145) Sie wurden in den Kolonien jedoch von Anbeginn vehement bekämpft, weil sie offensichtlich mit der bisher üblichen Praxis brachen, die Kolonien nur äußerlich zu regulieren, also beispielsweise den Handel zwischen Mutterland und Nordamerika zu dirigieren. Nun gingen die Briten daran, die Kolonien im Inneren zu lenken – und hierzu waren sie aus Sicht der Kolonisten nicht legitimiert (vgl. Hogeland 2012: 22). Mit dem Stamp Act griff die Krone insofern in die innerkolonialen Angelegenheiten ein, als Letztere mit jener Steuer erstmals direkt belastet werden sollten, um sich an den britischen Ausgaben im Zuge des French and Indian War zu beteiligen (vgl. Hochgeschwender 2016: 116; Zagarri 2000: 661). Offizielle Dokumente sollten genauso mit einer Steuermarke versehen werden müssen, wie Handelspapiere, Zeitungen und Flugblätter, weshalb die Steuer auf nahezu die gesamte koloniale Bevölkerung in der ein oder anderen Weise wirkte (Thomas 2000: 120; Murrin 1980: 390). Ähnliches galt für die ab 1767 verhängten Townshend Acts, deren Symbolwirkung jedoch über jene des Stamp
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Act hinausging, da sie nicht nur Abgaben auf importierte Güter – beispielsweise Glas, Blei, Farben und Tee – umfassten, sondern darüber hinaus das Zollwesen reformierten, neue Zollbehörden schufen und die Volksvertretung in New York aufgrund fehlender Gefolgschaft gegenüber britischen Gesetzen suspendierten. Neben der Refinanzierung britischer Ausgaben in den Kolonien dienten die Townshend Acts daher ebenfalls der symbolischen Zementierung des königlichen Hoheitsanspruchs (vgl. Chaffin 2000: 134). Auch aufgrund jener symbolischen Dimension verursachten die Townshend Acts – auch wenn es sich im Gegensatz zum Stamp Act wieder um eine indirekte Steuer handelte3 – unmittelbare Proteste in den Kolonien. Die vorgesehene Installierung des American Board of Customs mit seinen fünf britischen Kommissaren ebenso wie die zum Kampf gegen den amerikanischen Schmuggel neu geschaffenen Vice Admirality Courts4 in Boston, Charleston und Philadelphia machten unzweideutig klar, dass es den Briten mit der engmaschigeren Kontrolle der Kolonien ernst war. Auch war die Stimmung in den Kolonien durch die Diskussionen nach 1765 so aufgeheizt, dass vormals akzeptierte Maßnahmen plötzlich kontrovers debattiert wurden. So »bestritten die Kolonisten [erstmalig; T.M.] auf breiter Front das Zollrecht des Parlaments.« (Hochgeschwender 2016: 139) Zölle wurden fortan zu »externen Steuern« umdefiniert (ebd.), weshalb auch diesbezüglich der bereits im Zuge der Stamp Act-Krise gebrauchte Slogan ›no taxation without representation‹ in Anschlag gebracht werden konnte. Immer mehr Kolonisten begriffen die britischen Handlungen ab den späten 1760er Jahren als Angriff auf die ihnen zustehenden Freiheiten als Englishmen und hierbei spielte es zunächst eine untergeordnete Rolle, ob ihr Unbehagen aufklärerischen Ideen, der common law-, der Naturrechts- oder der bürgerrepublikanischen Tradition entsprang;5 dass ein Mann ohne Zustimmung um sein Eigentum gebracht wurde, war in all diesen Traditionen ein
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Die Briten hatten sich nach den Unruhen im Gefolge des Stamp Act bewusst wieder für jene traditionellere Form der Einnahmengenerierung entschieden (vgl. Hochgeschwender 2016: 138). Die Vice Admirality Courts waren »Gerichte der Royal Navy, die ohne eine Jury auskamen und mit weicheren Beweisregeln arbeiteten als die normalen Gerichte« (Hochgeschwender 2016: 112). Gemeinhin wird neben diesen Traditionen auch der Puritanismus als einflussreich auf das Denken der Kolonisten im revolutionären Amerika begriffen (vgl. Bailyn 1992: 2255; Kramnick 2000).
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zu verurteilender Vorgang. Dass Kolonien und Krone nicht aneinander vorbeiredeten, dass also durchaus klar war, dass es sich um diskutable Vorgänge handelte, verdeutlicht auch der argumentative Versuch, auf die – teilweise verschwörungstheoretisch anmutende6 – Argumentation der Kolonisten einzugehen, indem der ›no taxation without representation‹-Kampfruf mit Hilfe des Konzepts der virtuellen Repräsentation direkt adressiert wurde (vgl. Zagarri 2000: 661). Wenngleich die britischen Apologeten jenes Konzepts in manchen Fragen unterschiedliche Standpunkte vertraten, »all eventually centered on the point that all Americans, like all Englishmen who subscribed to ›the principles of our Constitution‹, were comprehended by acts of Parliament through a system of virtual representation, however ›imaginary‹ and however incomprehensible to ›common Sense‹ this conception of representation may have been.« (Wood 1998: 173) Auch die nicht wahlberechtigte Bevölkerung im Mutterland, so wurde argumentiert, werde durch das Parlament vertreten, weshalb die Kolonien nicht gelten machen könnten, dass sie nicht durch direkt von ihnen entsandte Abgeordnete vertreten würden und parlamentarische Beschlüsse für sie aufgrund dessen keine Gültigkeit besäßen. Tatsächlich, so die weitergehende Überlegung, werde niemand tatsächlich im Parlament repräsentiert, da jeder Abgeordnete nicht seine Wähler, sondern die Gesamtheit Großbritanniens vertrete. »What made this conception of virtual representation intelligible […] was the assumption that the English people, despite great degrees of rank and property, despite even the separation of some by three thousand miles of ocean, were essentially a unitary homogeneous order with a fundamental interest.« (Ebd.: 174; vgl. Morgan 1988: 240) Da die Repräsentanten also mithin bei Einzug ins Parlament ihre Wählerschaft im guten Sinne hinter sich ließen und fortan im Interesse des Gemeinwohls operierten, hatten sie auch nicht die Pflicht, sich bei ihrer partikularen Wählerschaft rückzuversichern, während sie im Amt weilten; im Gegenteil wäre hiermit aus Sicht der Anhänger jenes Konzepts dem Einzug gemeinwohlschädlicher Einzelinteressen Tür und Tor geöffnet worden. Jene Argumentation bewegte sich zwar auf demselben Boden, auf dem auch die Kolonisten standen, vermochte Letztere jedoch gleichwohl nicht zu überzeugen. Dies lag weniger am Konzept der virtuellen Repräsentation als solchem, als an dessen Nicht-Anwendbarkeit auf das aus Mutterland und Kolonien bestehende englische Empire. Für die Briten auf der anderen Seite des Atlantiks, ob wahlberechtigt oder nicht, konnte das Konstrukt der virtuellen 6
Vgl. hierzu Wood (1966) und Ders. (1982).
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Repräsentation ohne Einschränkung persönlicher Freiheiten ins Feld geführt werden, da Repräsentierte und Repräsentanten letztlich unter den gleichen Gesetzen in gleichen Verhältnissen zu leben hätten, weshalb in der Tat davon ausgegangen werden könne, dass die Repräsentanten immer das Gemeinwohl im Blick hätten, da sie eben immer als Teil jener Gemeinschaft angesehen werden mussten, deren Wohl sie zu fördern hatten. Selbiges ließ sich mit Blick auf das Verhältnis zwischen Kolonien und Mutterland nicht behaupten. Denn hier sei es sowohl denkbar als auch wahrscheinlich, dass im Mutterland Gesetze verabschiedet würden, die die Kolonien übervorteilten, weil die Repräsentanten im Mutterland gerade nicht von diesen Gesetzen betroffen wären. »Representatives in the House of Commons could impose harsh taxes on the colonies without ever feeling the effects themselves or seeing the consequences before their eyes.« (Zagarri 2000: 661; vgl. Wood 1998: 177f.; Murrin 1980: 389f.) Das im Zuge der Kontroverse um Stamp Act und Townshend Acts virulent werdende Thema politischer Repräsentation zählt ohne Zweifel zu den zentralen Streitpunkten in der Early Republic. Dies gilt für die Verfassungsdebatte zwischen Federalists und Anti-Federalists ebenso wie für die Auseinandersetzung zwischen Federalists und Jeffersonian Republicans in den Jahren 1789 bis 1800.7 Mit Blick auf im engeren Sinne politische Themen war die Frage nach Mechanismen politischer Entscheidungsfindung, die die Freiheitsrechte der Kolonisten zu wahren in der Lage waren, ohne hierbei auf repräsentative Strukturen zu verzichten, eine der wesentlichen Herausforderungen politischen Denkens (vgl. Onuf 2000: 675; Kloppenberg 2016: 326). Nicht weniger relevant war jedoch ein Themenfeld, das sich auf die Republik als Lebensform bezog und von der Annahme gespeist wurde, dass Institutionen alleine kollektive Freiheit nicht würden verbürgen können (vgl. Bailyn 1993: 27f.). »Republicanism«, so Gordon Wood (1998: 47), »meant more for Americans than simply the elimination of a king and the institution of an elective system. It added a moral dimension, a utopian depth, to the political separation from England – a depth that involved the very character of their society.« (vgl. Kloppenberg 2016: 340) Wie Bernard Bailyn dargelegt hat, war diese Überlegung wesentlich von der Irritation darüber beeinflusst, dass das britische Parlament, »that most famous citadel of liberty (Bailyn 1992: 86), Geset7
Mit Blick auf die erste Debatte vgl. Storing (1981: 15-24), Main (1961: 134-139) und Johnson (2004). Mit Blick auf die zweitgenannte Auseinandersetzung vgl. klassisch Banning (1980: 196-200).
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ze verabschiedete, die von Seiten der Kolonisten als quasi-tyrannisch begriffen wurden. Eine der in den Kolonien weitverbreiteten Erklärungen hierfür meinte die Ursache für die Korruption des Parlaments in sozioökonomischen Strukturen ausmachen zu können, die sich nicht lediglich auf das Parlament und seine Abgeordneten auswirkten, sondern auf die Bürgerschaft als Ganze. Amerikanische Erfahrungsberichte aus dem englischen Mutterland zeigten sich beispielsweise schockiert über die dort grassierende Wahlmanipulation. »Bribery is so common that it is thought there is not a borough in England where it is not practiced, and it is certain that many very flourishing ones a ruined, their manufactories decayed, and their trade gone by their dependence in what they get by their votes.« (Dickinson, zit.n. ebd.: 90; vgl. Pocock 1973: 125) Paradigmatisch für jenen Verfall stand die Zeit Robert Walpoles (Bailyn 1993: 27),8 der von 1721 bis 1742 als de facto Premierminister fungierte und die politische Landschaft im Mutterland in dieser Zeit zu stabilisieren wusste. Mit Blick auf das Oberhaus geschah dies über die Kontrolle der so genannten Crown Patronage, also über die königliche Ämtervergabe. »Zwei Jahrzehnte lang wurden nur noch solche Leute berufen, die für Walpole stimmten«, wodurch »Walpole das Oberhaus unter Kontrolle halten [konnte].« (Maurer 2005: 277) Mit Blick auf das Unterhaus lagen die Dinge ungleich schwieriger, da dessen Abgeordnete vom Wählerwillen abhängig waren und sich die Einflussnahme somit weniger leicht gestaltete. Dies galt jedoch primär für die bevölkerungsstarken Regionen. In den Pocket beziehungsweise später so genannten Rotten Boroughs bedurfte es lediglich der Bestechung einiger weniger Wahlberechtigter, um die Wahlen zur eigenen Gunst zu beeinflussen (ebd.: 278). Jenseits jener einfach manipulierbaren Wahlbezirke waren die Begebenheiten freilich komplizierter. Diesbezüglich spielte der von Walpole durchgesetzte Wirtschaftskurs eine herausgehobene Rolle. Walpoles Programm drehte sich zunächst um die Senkung der massiven Staatsschulden. Hierzu schlug er einen streng merkantilistischen Pfad ein, durch den der Export von Manufakturwaren gesteigert und lediglich Rohstoffe importiert werden sollten. Darüber hinaus spielte ihm die immer bedeutender werdende Finanzwirtschaft mitsamt ihrer tragenden Rolle für den öffentlichen Haushalt in die
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Es ist bezeichnend, dass Alexander Hamilton nach der Revolution von nicht wenigen als Reinkarnation Walpoles diffamiert wurde, dessen hauptsächliches Anliegen in der Rückabwicklung der errichteten republikanischen Ordnung der USA zu suchen sei (Banning 1980: 128; McCoy 1980a: 153).
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Karten. Jene Verflechtung privater Institutionen und öffentlicher Finanzen hatte 1694 mit der Gründung der Bank of England ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. Hiermit war die Möglichkeit geschaffen worden, die Staatsverschuldung auf Dauer zu stellen, die Schulden also nicht mehr innerhalb eines festgelegten Zeitraums zu tilgen; stattdessen wurden den Gläubigern dauerhaft Zinsen ausgezahlt, ein für vermögende Anleger derart lukratives Geschäft, dass der Schuldenstand von 1691 bis 1727 von 3,1 auf 53 Millionen Pfund anstieg. Im Zuge dessen entstand eine Schicht, die, so die Kritiker, ein privates Interesse daran hatte, dass die Krone ihre Zinsen zahlen konnte – koste es, was es wolle. Hierneben, und dies war für die um die englischen Freiheiten besorgten Oppositionellen ungleich wichtiger, erweitere der schuldenfinanzierte Haushalt die Gestaltungsmöglichkeit findiger Minister: »[T]he minister by that means acquired a greater influence by the disposal of offices, which necessarily arose from the discharge and receipt of that immnse sum. Thus the higher the debts of the nation are the more must the power of the sole minister increase.« (O.A. zit.n. Kramnick 1992: 43) Die ohnehin nicht unwichtige Crown Patronage wurde auf diesem Wege noch einmal ausgeweitet. Den privaten Gläubigern kam jedoch auch mit Blick auf die Commons Bedeutung zu. »The support of the the large financial interests of the City«, so Kramnick (ebd.: 49-51), »was one of the important sources of Walpole’s strenght. […] In return for […] favors, for contracts and continued support of the debt, funding, and stockjobbing, Walpole was assured of votes in the Commons. The moneyed interests, recipient of so many favors from the government, was a supporter of the government in power, which, for much of the early eighteenth century, was Walpole’s.« (Vgl. Bailyn 1993: 31; Jankovic 2016: 197; Murrin 1980: 382) Es war genau jener Mechanismus, den führende Kolonisten auch in den 1760er und 1770er Jahren zu beobachten können glaubten (vgl. Onuf 2000: 675f.). Nachdem die Empörung über die ersten Versuche der britischen Regierung, die Kolonisten stärker an den Verteidigungsausgaben des Empire zu beteiligen zunächst in kolonialen Boykotten britischer Waren mündete und in deren Folge zu einer Rücknahme der britischen Steuerbeschlüsse führte (Sautter 2013: 76), spitzte sich die Situation mit den bereits erwähnten Townshend Acts von 1767 und dem 1773 erlassenen Tea Act aufs Schärfste zu. 1770 hatte das Parlament beschlossen, nahezu alle Güter von der Steuerliste zu streichen – einzige Ausnahme stellte Tee dar. »Letzterer wurde belassen, einmal aus Prinzip und zweitens, weil er die höchsten Steuereinnahmen
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gebracht hatte.« (Ebd.: 78) Dies war für sich genommen bereits eine riskante Maßnahme, deren Sprengkraft der Tea Act dann noch einmal erhöhte. Jener zielte auf die Gesundung der finanziell angeschlagenen East India Company, die seit dem frühen 18. Jahrhundert zu den Gläubigern der Krone gehörte. Das Gesetz beschaffte der Company Steuererleichterungen im Mutterland und ein Verkaufsmonopol in den nordamerikanischen Kolonien. Die Kolonisten sollten aus ihrer Sicht nun also sogar an der finanziellen Rettung einzelner Unternehmen beteiligt werden (Remini 2008: 35f.; vgl. Murrin 1980: 394f.)! Die folgende Boston Tea Party war dann ihrerseits für die Briten der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, was sie zur Verabschiedung der so genannten Intolerable Acts veranlasste, die entgegen ihrer Intention die koloniale Integration beförderten und zur Einberufung des ersten Kontinentalkongresses 1774 in Philadelphia führte. Für das politische Denken der Early Republic bedeuteten diese Entwicklungen wie eingangs erwähnt die Notwendigkeit den Blickwinkel zu erweitern. Alleine mit den ›richtigen‹ Institutionen war noch keine Republik zu machen. Es bedurfte zusätzlicher Brandschutzmauern, um deren Korrumpierung vorbeugen zu können, wenn eine Verfassung, die eigentlich als Garant der Freiheit verstanden wurde, durch Günstlingswirtschaft und persönlichen Ehrgeiz der Amtsträger zu derart tyrannischen Akten imstande war. Für den Moment entscheidend war jedoch die von den radikaleren Stimmen in Philadelphia in die Diskussion eingebrachte Idee der Volkssouveränität. Diese konnte zwar zunächst von den Moderaten noch einmal zugunsten der Dominion-Theorie des Empire zurückgewiesen werden, der gemäß nicht mehr gefordert werden sollte, als eine möglichst umfassende Selbstverwaltung der Kolonien unter königlicher Hoheit.9 Mittelfristig war mit dem ersten Kontinentalkongress jedoch die Saat gestreut worden, die zur Beerdigung der Idee der Parlamentssouveränität und zur Loslösung vom Mutterland führte (vgl. Remini 2008: 39f.; Peterson 1970: 95). Die am 4. Juli 1776 abgesegnete Unabhängigkeitserklärung aus der Feder Jeffersons veranschaulichte diese Umkehr in aller Drastik. George III. hatte als King in Parliament seine Fürsorgepflicht derart umfangreich verletzt – der mit Abstand umfassendste Mittelteil
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Dieser Vorschlag irritierte selbst jene britischen Oppositionellen, die der Sache der Kolonisten freundlich gegenüberstanden, schien sich hier doch ein kolonialer Wille abzuzeichnen, der Gefahr lief, »to jeopardize their rights by denouncing parliamentary protection and inviting the Crown to play a larger role in imperial governance« (Onuf 2000: 675).
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der Erklärung zählt seine Verfehlungen im Einzelnen auf –, dass mit ihm kein Staat mehr zu machen war. Stattdessen schwangen sich die ehemaligen Kolonisten auf, den in der Declaration of Independence dargelegten Grundsätzen der allgemeinen Gleichheit und Freiheit auf neuen Wegen Geltung zu verschaffen (vgl. Bailyn 1992: 324). Es wurde hiermit nicht weniger angestrebt als eine Verschiebung der Loyalität der Bürgerschaft weg vom König und hin zu den Repräsentativkörperschaften in Nordamerika (vgl. Kloppenberg 2016: 338). Zunächst geschah dies innerhalb der voneinander unabhängigen Kolonien. Von einer Zentralregierung wollte nach der gerade vollzogenen Ablösung einer anti-freiheitlichen Zentralmacht noch niemand etwas wissen (vgl. Remini 2008: 40; Foner 2008: 247).10 Hiermit waren die in den 1780er Jahren virulenter werdenden Probleme hinsichtlich einer angemessenen Koordinierung der einzelstaatlichen Interessen angelegt, denn von der Rolle einer wirkungsvoll koordinierenden Zentralregierung war der Kontinentalkongress denkbar weit entfernt. In der ein oder anderen Form schien jedoch eine koordinierende Instanz gebraucht zu werden, da die Articles of Confederation, die »as a treaty of alliance among semi-sovereign states« gewirkt hatten (Onuf 2000: 677), die Konflikte zwischen den Einzelstaaten nicht mehr zu regeln imstande schienen. »What the document proposed was a confederation of states, not a Union of people. As a result, the government it projected was doomed from the start.« (Remini 2008: 40)11 Versuchten sich diverse Einzelstaaten zunächst bilateral über die drängendsten Fragen zu einigen, wuchs alsbald das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer Neuordnung der Verhältnisse (vgl. Schweitzer 2000: 560, 566; Howard 2001: 235). Zu diesem Zwecke wurde schließlich die Konferenz in Annapolis einberufen, auf der man wiederum den Beschluss fasste, sich 1787 noch einmal in Philadelphia zu treffen, um die gegenwärtig bestehende Verfassung so zu modifizieren, dass sie den seit Ende der 1770er Jahre entstandenen Gegebenheiten gerecht würde.
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Von den der Unabhängigkeit vorausgehenden gemeinsamen Aktionen der Kolonien darf man sich an dieser Stelle nicht täuschen lassen. Es war vielmehr bezeichnend, dass sie für ihre Zusammenkünfte sowohl in direkter Folge des Stamp Act als auch 1774 den Begriff »Congress« wählten. »A congress in the eighteenth and nineteenth centuries usually denoted a diplomatic assembly of sovereign and independent states« (Remini 2008: 33). Unter anderem kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Einzelstaaten sowie zwischen diesen und der Zentralregierung über Grenzverläufe, Handel, Schulden und Währungsfragen (vgl. Remini 2008: 46).
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Aus jener angestrebten Modifikation wurde dann bekanntermaßen unter Nicht-Berücksichtigung des eigentlichen Mandats der Delegierten ein umfassender neuer Verfassungsentwurf, der nach Ratifizierung durch elf Einzelstaaten 1789 angenommen wurde. Die jener Ratifizierung vorangegangenen Debatten zwischen Befürwortern (Federalists) und Gegnern (Anti-Federalists) der Verfassung drehten sich wesentlich um folgende Aspekte: Die Stärke der neu zu errichtenden Regierung, die etwaige Notwendigkeit einer Grundrechtecharta, die Teilung der Gewalten, die angemessene Verwirklichung des Prinzips der Volkssouveränität, Wahlrechtsfragen und politische Repräsentation (vgl. Ketcham 2003: xxxviv). Eingedenk der bestehenden Einzelstaatsverfassungen sowie der Konföderationsartikel nahmen die Anti-Federalists in der Auseinandersetzung eine konservative Position ein und versuchten die in Richtung Zentralisierung zielenden Vorschläge der Federalists wo möglich zu verhindern (vgl. Bailyn 1992: 331). Hierbei trieb sie vor allem die Sorge um eine zu starke Zentralgewalt, die sich ob der geographischen Gegebenheiten in Nordamerika keiner ernstzunehmenden Kontrolle durch die Bevölkerung ausgesetzt sehen und aufgrund dessen alsbald tyrannische Züge annehmen, ein korruptes System aus Regierungsvertretern und Günstlingen errichten und die gerade erst gewonnen Freiheiten wieder einschränken würde. Die Federalists hielten dem entgegen, dass eine stärkere Zentralregierung zum einen eine unbedingte Notwendigkeit darstelle und zum anderen ausreichende Kontrollmechanismen wirken würden, die jedwede freiheitsbeschneidende Regierungstätigkeit verunmöglichten, namentlich ein ausgeklügeltes System der checks and balances, das sowohl zwischen den Gewalten auf Bundesebene als auch zwischen Bundesebene und Einzelstaaten wirken würde. Darüber hinaus führten sie, paradoxerweise, sich gegenseitig ausgleichende Faktionen ins Feld, die einem Dominantwerden von Partikularinteressen vorbeugen würden. Paradox war diese Argumentation aufgrund dessen, dass bisher die auch von den Anti-Federalists bediente Auffassung vorherrschend war, dass sich Partikularinteressen in zu großen Gemeinwesen leichter würden durchsetzen können als in Klein- und Kleinstrepubliken (vgl. Jörke 2019: 69). Was die Federalists weit weniger offensiv adressierten, waren die Sorgen der Verfassungsgegner, denen gemäß die Rolle des eigentlichen Souveräns – namentlich des Volkes – zugunsten vermeintlich rationalerer Eliten beschränkt werden sollte. Tatsächlich entsprach dies der Haltung der Federalists, denn, wie James Madison es ausdrückte: »Liberty may be endangered by the abuses
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of liberty as well as the abuses of power.« (Zit.n. Foner 2008: 253)12 Den Hintergrund jener Sorge bildeten diverse lokale Aufstände, in denen sich einfache Farmer, die oftmals unverschuldet in wirtschaftlich prekäre Lagen gerutscht waren, gegen die Obrigkeit wendeten.13 Der prominenteste dieser Aufstände war ohne Zweifel die so genannte Shay’s Rebellion, im Zuge derer hoch verschuldete Farmer Gerichte im Westen Massachusetts blockierten, um die Konfiszierung ihres Landbesitzes zur Begleichung der noch ausstehenden Schuld zu unterbinden. Jenseits der Frage, ob das Anliegen der Farmer hinreichend begründet war oder nicht,14 ängstigte deren Verhalten viele Mitglieder der politischen und wirtschaftlichen Elite, weil es eine Eruption von Begehrlichkeiten aus dem gewöhnlichen Volk jenseits gewählter Vertretungen darstellte. Jene, von Madison später so bezeichnete, »reine Demokratie« (Hamilton/Madison/Jay 1788/89: 97) galt es zugunsten eines repräsentativen, »republikanische[n]« Systems (ebd.: 96) zu beschneiden. Diese im Verfassungsentwurf der Federalists empfohlene Einschränkung des ungefilterten Volkswillens war sicherlich auch auf die lokalen Aufstände zurückzuführen, stellte andererseits jedoch nur bedingt einen Bruch mit den Verfassungsexperimenten auf Einzelstaatsebene zwischen 1776 und 1788 dar. Abgesehen von Pennsylvania, Georgia und Vermont hatten sich alle Staaten für ein auf Ausgleich zielendes Zweikammersystem entschieden, wenngleich die von traditionaler denkenden Protagonisten wie John Adams propagierte starke Exekutive, die Beschlüsse der beiden Kammern mit einem Veto belegen können sollte, lediglich in Massachusetts umgesetzt wurde (vgl. Foner 2008: 216; Wilentz 2005a: 27). Die radikaleren Verfassungen und insbesondere jene Pennsylvanias mit ihrer Machtkonzentration in der Einkammerlegislative, die eine mehrköpfige Exekutive bestellte, konnten sich jedoch ebenfalls nicht als beispielgebend behaupten.15 Unerhört war demnach nicht so sehr der Verfassungsentwurf als solcher, sondern eher der Umstand, dass er für eine großflächige Union ausgearbeitet worden war.16 Wenngleich die Streitigkeiten mit Annahme des Verfassungsentwurfes am 26. Juni 1788 formal beendet wurden, prägten sie die politische Landschaft der Early Republic auch hiernach wesentlich. So entzündeten sich die
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Zur grassierenden Angst vor einem Missbrauch der Freiheit vgl. auch Wood (1998: 412). Zu den ländlichen Aufständen vgl. Hochgeschwender (2016: 359-362). Vgl. hierzu Schweitzer (2000: 564). Zu Pennsylvania vgl. Wood (1998: 226-237) und Kloppenberg (2016: 333-336). Vgl. auch Schweitzer (2000: 565) und Jörke (2019: 69).
1. Das politische Denken Thomas Jeffersons
ersten gewissermaßen parteipolitischen Auseinandersetzungen zwischen Federalists und (Jeffersonian) Republicans in den späten 1780er und 1790er Jahren vornehmlich an vermeintlich monarchischen Zügen und aufgrund dessen potentiell oder gar aktuell tyrannischen Handlungen der Zentralregierung.17 Jenes Thema dominierte die Debatten von 1789 bis zum Wahlsieg Jeffersons 1800 (vgl. Murrin 1980: 378). Ging es zu Beginn noch vorwiegend um symbolische Fragen wie die angemessene Anrede des US-Präsidenten, so wurde der Ton in Folge der 1798 verabschiedeten Alien and Sedition Acts18 schärfer, dienten diese der Opposition doch als eindeutiges Zeichen dafür, dass die Zentralregierung die gerade erst errungenen Freiheiten nonchalant wieder einschränkte. Die im Raum stehende Frage war jene nach dem Ort der Macht. Die Folge der Alien and Sedition Acts waren die von James Madison und Thomas Jefferson verfassten Virginia and Kentucky Resolutions, wobei Letztere, durchaus im Sinne der Anti-Federalists, dafür plädierten, die Einzelstaaten zum eigentlichen Hort der Souveränität zu machen, sollte es letztlich doch diesen überlassen werden, ob sie Bundesgesetze für verfassungskonform oder -widrig erachteten und sie diese dementsprechend durchzusetzen gedachten oder eben nicht.19 Bei aller Uneinigkeit über die Kompetenzverteilung zwischen Bundesstaat und Einzelstaaten und teils heftigen Debatten um die Form der Bundesregierung, vor allem hinsichtlich der Anordnung und Gewichtung der demokratischen, aristokratischen und monarchischen Strukturelemente, war in den ersten zehn bis 20 Jahren nach der formalen Unabhängigkeitserklärung doch ein Zustand gelebter Autonomie eingetreten, in dem kein Zweifel mehr an der Eigenständigkeit der USA bestand.20 Die Debatten kreisten so17 18
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Vgl. hierzu Banning (1980: Teil II). Es handelte sich um ein von den Federalists durch den Kongress gebrachtes Gesetzesbündel, dass den Einfluss der Opposition eindämmen sollte. Neben einer Anhebung der Wartefrist für die Einbürgerung von Immigranten von fünf auf 14 Jahre gestatteten die Gesetze die Ausweisung als gefährlich erachteter Ausländer und die Strafverfolgung vermeintlich aufrührerischer Tätigkeiten. Letzteres zielte vor allem auf die oppositionelle Presse, da so ziemlich jedes gedruckte Schriftstück als potentiell aufrührerisch klassifiziert werden konnte (vgl. Sautter 1997: 20). Die aus Madisons Feder stammenden Virginia Resolutions waren hierbei insgesamt zurückhaltender und befürworteten einen Schutz der Grundrechte durch die Bundesgerichte, wollten die grundsätzliche Suprematie der Bundesebene also erst einmal nicht antasten. Beispielhaft kann hier die oppositionelle Kritik an Finanzminister Hamilton erwähnt werden, die sich nicht primär darauf bezog, dass seine Wirtschaftspolitik die USA externen Mächten ausliefern würde – wenngleich auch dieser Aspekt mit Blick auf die
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mit, anders als noch Mitte der 1770er nicht mehr um die Rolle der Kolonien im Empire, sondern um jene der USA in der Welt, was ausdrücklich die innere Verfasstheit miteinbezog.21 Mit Blick auf die Rolle der USA in der Welt drängten sich neben einer vermeintlichen Vorbildrolle, die der jungen Republik mit Blick auf ihre institutionelle Ausgestaltung zukommen sollte, auch im engeren Sinne ökonomische Fragen auf, die bis zum Ausgang des zweiten britisch-amerikanischen Krieges (1813-1815) hitzig debattiert wurden. Im Wesentlichen zielte die im Raum stehende Frage auf den Entwicklungspfad, den die Vereinigten Staaten einschlagen sollten. Innerhalb des Empire war die Rolle des nun unabhängigen Staates, wie oben dargelegt, klar gewesen: Das agrarisch geprägte Nordamerika hatte die Rohstoffe zu liefern, die im Mutterland veredelt und weiter- oder aber zurückverkauft wurden. Die junge Republik war dergestalt und gemäß eines im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts weitverbreiteten gesellschaftlichen Entwicklungsschemas auf der »agricultural stage« angelangt (McCoy 1980a: 19). Nicht mehr ausschließlich von nomadisierenden Jägergemeinschaften besiedelt, war die im Raum stehende Frage, ob die USA landwirtschaftlich geprägt bleiben oder sich in Richtung des ehemaligen Mutterlandes entwickeln und zur wirtschaftlich ausdifferenzierten Handelsnation werden sollten (vgl. ebd.; Edling 2012: 442).22 Aufgrund der geographischen Gegebenheiten sprach für viele zunächst recht wenig für ein Verlassen der agrarischen Entwicklungsstufe: »In the American case, there were few gains to be made from cramming large numbers of women and children into a four-storey building for 70-hour weeks. Most Americans well understood that the nation’s trading advantage came from its agricultural sector« (Schweitzer 2000: 573). Der Weg des Mutterlandes, das in Sachen Ausbau der Manufakturwesen und Frühindustrialisierung bekanntlich eine globale Vorreiterrolle
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Anteilseigner der Bank of the United States formuliert wurde –, sondern dass sie eine interne Verfasstheit mit sich bringe, die der im ehemaligen Mutterland gleichen würde. Bernard Bailyn (1992: 321-381) hat diesbezüglich »three distinct phases« (ebd.: 321) politischen Denkens zwischen den frühen 1770er und den späten 1780er Jahren unterschieden. Ging es in der ersten Phase vornehmlich um eine Legitimation kolonialen Ungehorsams, sollten die mit der Unabhängigkeitserklärung in die Welt gebrachten Normen in der zweiten Phase auf einzelstaatlicher Ebene verwirklicht werden. Erst in der dritten Phase ging es dann um die Ausgestaltung der Republik auf nationaler Ebene. Vgl. zur Bedeutung der Theorie gesellschaftlicher Entwicklung in der Early Republic auch Huston (1998: 50).
1. Das politische Denken Thomas Jeffersons
einnahm, sollte also zunächst nicht beschritten werden. Unumstritten war dies freilich nicht und spätestens mit Alexander Hamiltons wirtschafts- und finanzpolitischen Reformplänen entbrannte ein veritabler Streit um Gegenwart und Zukunft der US-Ökonomie. Die konservativere Position nahmen hierbei die Republicans ein, während die Federalists und namentlich Alexander Hamilton für eine staatlich unterstütze Weiterentwicklung in Richtung einer ausdifferenzierten Wirtschaft eintraten. »Hamilton […] believed that the perfection of each individual could not be separated from his productivity, and that productivity is enhanced by division of labor.« (Frisch 1978: 132) Jene Arbeitsteilung war ihrerseits eng mit der wirtschaftlichen Ausdifferenzierung verbunden und beides zusammen ermögliche den Menschen die größtmögliche Ausschöpfung ihrer Potentiale bei gleichzeitiger Förderung des gesamtgesellschaftlichen Wohlstandes, den Hamilton mit dem Gemeinwohl gleichsetzte. »Hamilton understood that an acquisitive society is too committed to private wealth to generate a vigorous civic-spiritedness. But […] Hamilton regarded acquisitiveness […] as beneficial to society as a whole.« (Ebd.: 136; vgl. Wood 2009: 100f.) Demgegenüber positionierten sich die Republicans und allen voran Thomas Jefferson, der aus im nächsten Kapitel ausführlich darzulegenden Gründen für die Bewahrung der landwirtschaftlichen Grundausrichtung der USA plädierte. Für den Moment mag ein Verweis auf den hier entfalteten Kontext genügen: Jefferson wollte die Republik auch deswegen auf der agrarischen Entwicklungsstufe halten, weil er ähnliche Entwicklungen wie jene im ehemaligen Mutterland nach 1688 fürchtete.23 Eine ausdifferenzierte Wirtschaft brachte in Form von arbeitsbezogenen Abhängigkeitsverhältnissen, finanzwirtschaftlichen Strukturen und der künstlichen Generierung neuer Bedürfnisse derart viele Gefahren für das neu geschaffene »empire for liberty«24 mit sich, dass jener Weg nicht beschritten werden sollte, zumal die internationale zwischenstaatliche Arbeitsteilung ein weit weniger bedrohliches Substitut darstellte. Die agrarische Vision war ohne Zweifel jene, die sich an den vorherrschenden Gegebenheiten orientierte, denn die Revolution hatte zwar politisch einen veritablen Neuanfang bedeutet (vgl. Wood 1991), sozioökonomisch aber vergleichsweise wenige Spuren hinterlassen. So blieben die USA »von einer weithin vorherrschenden kleinlandwirtschaftlichen Subsistenzökonomie auf 23 24
Vgl. Kramnick (1992: 70-76). Brief an James Madison vom 27. April 1809, in: FO (https://founders.archives.gov/documents/Jefferson/03-01-02-0140).
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der Grundlage einer patriarchalisch-paternalistischen Familienwirtschaft gekennzeichnet.« (Hochgeschwender 2016: 346) Die in den späten 1790er und vor allem zu Beginn des 19. Jahrhunderts einsetzenden Entwicklungen hin zu Industrialisierung, Marktwirtschaft und urbaner Arbeiterschaft fielen zwar noch in die Amtszeit Jeffersons (1800-1808), wiesen jedoch »bereits auf die folgende Epoche Andrew Jacksons und die Zeit vor dem Bürgerkrieg. In den 1780er und 1790er Jahren waren die sozialen Veränderungen, die Industrie und städtische Arbeiterschaft für das Selbstverständnis der USA in sich bargen, noch eher randständig.« (Ebd.: 347) Für den Moment bestand vor allem aufgrund dessen keine unmittelbare Notwendigkeit die sozioökonomischen Strukturen einem nennenswerten Wandel zu unterziehen, da die Voraussetzungen dafür, eine agrarische Nation bleiben zu können unverhältnismäßig gut zu sein schienen. »Land prices were very low in the colonies, compared with those in Europe. Indeed, the very existence of substantial tracts of land for sale in an impersonal market made the New World vastly different from the old.« (Perkins 2000: 53) Dies führte zu einer vergleichsweise egalitären sozialen Struktur, in der »[o]nly 3 to 5 percent of middle-aged white males were genuinely poor and dependent on charity.« (Ebd.: 54) Hiermit ist nicht gesagt, dass es sich bei der Early Republic um eine hierarchiefreie Gesellschaft gehandelt hat,25 die Gegebenheiten waren jedoch derart, dass sozialer Aufstieg für nahezu alle weißen Männer möglich war und der wichtigste diesbezügliche Faktor »was ready access to vast stretches of undeveloped land in the interior at prices which thousands of potential buyers could reasonably afford.« (Ebd.; vgl. Foner 2008: 246) Jener Umstand war auch hauptverantwortlich dafür, dass handwerkliche Tätigkeiten in den USA weit besser entlohnt wurden als in Kontinentaleuropa, denn zum einen stellte der Erwerb eigenen Landes für schlecht bezahlte Handwerker immer eine gangbare ExitStrategie dar; zum anderen sorgte die Attraktivität landwirtschaftlicher Betätigung für einen Mangel an Handwerkern, der dazu beitrug, dass die wenigsten Gesellen lange Zeit abhängig beschäftigt blieben – vielmehr zog es viele als Meister in die neu besiedelten Gebiete.26 Das Ideal persönlicher Un-
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Zu den hierarchischen Elementen vgl. beispielsweise Ellis (1993), Wood (1991) und Bushman (2014). Jene lagen vornehmlich im Westen (vgl. Schweitzer 2000: 574). Die so genannte Frontier, also die Westgrenze, verschob sich bis ins letzte Drittel des 19. Jahrhunderts immer weiter gen Westen, bis die USA den Kontinent schließlich von Osten nach Westen erschlossen hatten.
1. Das politische Denken Thomas Jeffersons
abhängigkeit konnte demnach, zumindest partiell, auch im Handwerkswesen gewahrt werden. Die Expansion nach Westen brachte auf der anderen Seite jedoch auch jene Probleme mit sich, die im Laufe der 1780er Jahre zur angesprochenen Bewusstwerdung der Notwendigkeit wirkmächtigerer staatlicher und Verwaltungsstrukturen beitrug. In kolonialen Zeiten, in denen sich die Bevölkerung beinahe ausschließlich an den Küsten sammelte, sodass der Zugang zum transatlantischen Handel nahezu allen offenstand, bestand kaum Bedarf nach infrastrukturellen Innovationen und Investitionen. Der Verwaltungsapparat war, wie oben dargelegt, aufgrund der lang anhaltenden Nichtbeachtung der Kolonien ebenfalls überschaubar gewesen. Massives Bevölkerungswachstum, einsetzende Westexpansion und das angespannte Verhältnis zum ehemaligen Mutterland verursachte dann eine Blickverschiebung, die eine Neuorganisation der politischen und sozioökonomischen Strukturen zumindest diskussionswürdig erscheinen ließ. Wie stark die Zentralregierung in die innerund zwischenstaatlichen Angelegenheiten würde eingreifen sollen, war freilich höchst umstritten; dass es jedoch irgendeiner wirtschaftspolitisch agierenden Instanz bedurfte, war selbst unter vielen Befürwortern starker Einzelstaatskompetenzen unbestritten (vgl. Wood 2009: 15). Ende der 1780er Jahre liefen demnach alle Diskussionsstränge auf die Frage nach den Voraussetzungen republikanischer Ordnung zu. Von der angelsächsischen Geschichte ebenso inspiriert wie vom antiken Republikanismus und den eigenen Erfahrungen seit den 1740/50er Jahren drehten sich die Debatten etwa um Stärke und Reichweite der Zentralregierung; Wesen und Ausgestaltung politischer Repräsentation; das Verhältnis von Regierung und Gesellschaft beziehungsweise »power« und »liberty«; die Anforderungen, die republikanische Regierungsformen an den Bürger stellten und die Frage nach dessen Korrumpierbarkeit, die notwendigerweise zum Verfall der Republik führen würde; sowie schließlich um Gehalt und Grenzen der Volkssouveränität. Wenngleich Thomas Jefferson trotz seiner herausgehobenen Rolle im Zuge der Formulierung der Unabhängigkeitserklärung im engeren Sinne nicht zu den Founding Fathers zu zählen ist, weil er dem verfassungsgebenden Kongress nicht angehörte, sollte auch sein politisches Denken sich wesentlich um jene Fragen drehen. Die von ihm gegebenen Antworten stehen im Zentrum des folgenden Kapitels.
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1.2
Politisches Denken
In Arbeiten über das US-amerikanische politische Denken wird mit Blick auf die Early Republic gerne zwischen dem Geist von 1776 und jenem von 1788/89 unterschieden. Wo ersterer bestrebt gewesen sei, die Loslösung von Großbritannien zu rechtfertigen und in der Folge den Zentralwert der kollektiven Freiheit beschwor, sei es gegen Ende der 1780er Jahre nicht nur darum gegangen, die Republik über eine neue Verfassung zu stabilisieren, sondern jenes Vorhaben sei unmittelbar mit einer Herabstufung der Bedeutung jener kollektiven Freiheit, für die die Kolonisten in den 1770er Jahren gestritten hätten, einhergegangen (vgl. Ellis 2002: 9). Gerne wird jene Verschiebung auch mit den Namen zweier der wirkmächtigsten Protagonisten der Early Republic verbunden: Thomas Jefferson und Alexander Hamilton. Wo Ersterer die Unabhängigkeitserklärung, jene Manifestation des Geistes der Freiheit, nahezu im Alleingang zu Papier gebracht hätte und zeitlebens der zentrale Verfechter einer möglichst umfassenden Aufwertung des gewöhnlichen Volkes gewesen sei, mithin der »Ahnherr« der US-amerikanischen Demokratie (Dietze 1992: 25), hat sich das Bild des Letzteren erst in jüngerer Vergangenheit zum Positiven gewandelt (vgl. Hochgeschwender 2016: 362f.). Lange Zeit war Hamilton eher der ›ungeliebte Sohn‹, dessen Geschick man anerkennen musste, dessen Ideale aber nicht zur nationalen Selbstberauschung taugten. Nicht zuletzt die progressiven Historiker der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatten dazu beigetragen, dass Hamilton vornehmlich als ewiggestriger Freund der britischen Monarchie galt, der die Mitbestimmungsrechte des Volkes auf ein Minimum reduzieren und stattdessen ein elitäres Gebilde zwischen schlagkräftiger Zentralregierung und wohlhabender Oberschicht errichten wollte. Hamilton, so schien es, hatte den Schuss in Lexington und Concord, der doch um die Welt gegangen war, nicht vernommen.27 Jefferson selbst hatte jenes Hamilton-Bild nicht unwesentlich mitgezeichnet. So schmücken bis zum heutigen Tage zwei Büsten die Eingangshalle Monticellos, jenem nach Jeffersons Plänen erbauten Anwesen in der Nähe von Charlottesville, Virginia. Auf der einen Seite Jefferson selbst, ihm gegenüber Alexander Hamilton. Einem verwunderten Besucher gegenüber – Jeffersons Abneigung gegenüber Hamilton war kein Geheimnis – erklärte Jefferson, dass
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Als »shot heard round the world« hatte Ralph Waldo Emerson später den Beginn des US-amerikanischen Unabhängigkeitskrieges umschrieben (Emerson 1836: 47).
1. Das politische Denken Thomas Jeffersons
jene Büsten der Nachwelt die Unvereinbarkeit seiner und der Prinzipien Hamiltons vor Augen führen, dass Hamilton und er »opposed in life as in death« sein sollten (zit.n. Richard 1995: 48). Hamiltons politisches Denken war tatsächlich in Teilen als monarchisch zu bezeichnen (vgl. Murrin 1980: 415), wie insbesondere seine Überlegungen im Rahmen der de facto verfassungsgebenden Versammlung in Philadelphia bezeugen. Die Geschichte, so Hamilton im Rahmen seiner viel beachteten Kongressrede, lehre, dass dem wiederkehrenden Übel innerer Zwietracht, das für gewöhnlich zum Verfall des Gemeinwesens gemäß des zyklischen Geschichtsverständnisses der Antike führe, nur durch die Übergabe partikularer Souveränitäten in die Hände einer starken Zentralgewalt begegnet werden könne (vgl. Adair 1964: 72). War dies für einige Versammlungteilnehmer schon schwer zu akzeptieren – hatte man nicht gerade dafür geblutet, eben keine Souveränität mehr an Zentralgewalten abtreten zu müssen? –, so ging Hamilton in der Folge noch einen Schritt weiter, indem er ausgerechnet die britische Monarchie als Vorbild für die auszuarbeitende US-Verfassung beschwor (vgl. Murrin 1980: 405). Die Grundlage seiner Blaupause war die Annahme, dass sich Gesellschaften stets in zwei Lager spalteten: auf der einen Seite die wohlhabenden Wenigen, auf der anderen Seite die armen Massen. »Here«, so formuliert Douglass Adair treffend, »was the rock of truth upon which he would build his constitutional temple.« (Ebd.: 76) Wenngleich Hamilton die beidseitige Gefahr einer Unterdrückung der einen durch die andere Gruppe bei fehlenden Ausgleichsmechanismen erwähnte, so wurde schnell ersichtlich, dass ihm vor allem vor den ungezügelten Vielen, dem Pöbel, graute. Vor diesem Hintergrund war ihm an einer geteilten Regierung »with rough and ready approximation of King and Patricians« (ebd.: 77) gelegen (vgl. Wilentz 2005a: 32).28 Die Wenigen sollten an die im Grundsatz monarchische Regierung gebunden werden, auch um die ungezügelten Leidenschaften der Vielen im Zaum zu halten29 und den jungen 28
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Banning übersieht Hamiltons Affinität zur Institution des Königs, wenn er ihn als im Prinzip mit dem Republikanismus seiner Widersacher um Jefferson einverstanden erklärt (Banning 1980: 138f.). Adair zitiert diesbezüglich Gouverneur Morris, um darauf hinzuweisen, dass Hamilton, anders als John Adams, die Zeichen der Zeit erkannt hatte, also wusste, dass das Prinzip der Volkssouveränität nicht zugunsten der Ständelehre fallengelassen werden konnte; dessen ungeachtet, so Morris, habe Hamilton jedoch »on every occasion […] the excellence of […] monarchical government« betont (Adair 1964: 141, Anm. 14). Im Rahmen einer Rede Hamiltons in der verfassungsgebenden Versammlung heißt es gemäß der Mitschrift Robert Yates’: »The people are turbulent and
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USA zu internationalem Glanz zu verhelfen – denn nicht nur hinsichtlich des Regierungssystems sondern auch mit Blick auf die außenpolitische Machtfülle war das britische Empire für Hamilton Vorbild. Es gäbe über Hamilton noch viel zu sagen,30 für die feindselige Haltung zwischen ihm und Jefferson war aber vor allem jene monarchische Schlagseite ausschlaggebend (vgl. Young 2011: 384; Yoo 2008: 424). Wo Hamilton eine nordamerikanische Version der britischen Monarchie vorschwebte, war Jefferson von einem absoluten Anti-Monarchismus beseelt, und zwar gerade angesichts des Verfalls der britischen Monarchie, die Hamilton als Vorbild diente. »The rock of truth«, auf dem Jeffersons Ansichten gründen, ist demnach grundverschieden von Hamiltons Sorge um den natürlichen Bürgerkrieg zwischen den Vielen und den Wenigen. Jeffersons Anliegen sollte tatsächlich zeitlebens die Freiheit bleiben, die 1776 erlangt worden war; dass er aufgrund dessen ein Gegner jenes Dokuments gewesen sei, das dem zweiten »founding moment« (Ellis 2002: 9) entsprungen war, muss allerdings bezweifelt werden. Jefferson nahm gegenüber der US-Verfassung keineswegs eine unkritische Haltung ein, meinte dessen ungeachtet jedoch, dass »[t]he constitution too which was the result of our deliberations, is unquestionably the wisest ever yet presented to men, and some of the accomodations of interest which it has adopted are greatly pleasing to me who have before had occasions of seeing how difficult those interests were to accomodate.«31 Jefferson war, anders als manche radikale Anti-Federalists,32 nicht der Meinung, dass die Articles of Confederation im Prinzip bleiben könnten, wie sie waren und mithilfe weniger Modifikationen ihren Zweck würden
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changing; they seldom judge or determine right. Give therefore to the first class [the rich and well born; T.M.] a distinct, permanent share in government. […] Nothing but a permanent body can check the imprudence of democracy. Their turbulent and uncontrolling disposition requires checks.« Robert Yates’s Version, in: FO (https://founders.archives.gov/?q= %22The %20people %20are %20turbulent %20and %20changing %22&s=1111311111&sa=&r=1&sr=). Vgl. zu Hamilton Federici (2012). Brief an David Humphreys vom 18. März 1789, in: TJW, V: 89. In der Autobiography heißt es überdies, er habe die ersten Entwürfe, die ihm aus der Versammlung zugesendet worden seien mit »great satisfaction« zur Kenntnis genommen, auch wenn er nicht mit jedem einzelnen Artikel einverstanden gewesen sei, wobei Letzteres vermutlich in der Natur der Sache liege, wenn viele verschiedene Interessen zum Ausgleich gebracht werden müssten. Autobiography, in: TJW, I: 109. Beispielsweise Patrick Henry. Hierzu Speeches of Patrick Henry, June 5 and 7, 1788, in: Ketcham (2003: 199-220).
1. Das politische Denken Thomas Jeffersons
erfüllen können. Stattdessen macht er sich, zumindest retrospektiv, die Problembeschreibung der Verfassungsbefürworter zu eigen, wenn es heißt: »The fundamental defect of the Confederation was that Congress was not authorized to act immediately on the people, and by it’s own officers.«33 Für Jefferson selbst schien es also zwischen dem Geist von 1776 und jenem von 1789 keinen grundsätzlichen Widerspruch zu geben. Verfassungen waren der Verwirklichung kollektiver Freiheit nicht per se abträglich, sie konnten, ganz im Gegenteil, ein wesentliches Bollwerk der Freiheit gegenüber potentiell freiheitsbeschränkenden Handlungen von Seiten der Regierung sein. Dass einer der größten Makel des ursprünglichen Verfassungsentwurfs für Jefferson im Fehlen eines Grundrechtekatalogs bestand, unterstreicht diese Überlegung.34 Mir scheint, dass einer der Gründe für diesen Umstand in der Überzeugung zu suchen ist, demzufolge es sich bei der Republik nicht in erster Linie beziehungsweise nicht ausschließlich um ein bestimmtes Institutionenset handelt, nicht lediglich um eine Rahmung für die freiheitliche Ausübung individueller Lebenspläne. Vielmehr wird sich im Folgenden zeigen, dass Jefferson zu jenen ehemaligen Kolonisten gehörte, die, wie weiter oben dargelegt, davon überzeugt waren, dass »[r]epublicanism meant more […] than simply the elimination of a king and the institution of an elective system. It added a moral dimension, a utopian depth, to the political separation from England.« Hiermit ist mitnichten gesagt, dass der institutionellen oder sozioökonomischen Umwelt für jene moralische Dimension keine Relevanz zukam. Jefferson war vielmehr davon überzeugt, dass sich letztere nur bei angemessener Ausgestaltung ersterer würde entfalten können. Institutionen allein blieben gleichwohl blutleer. War »the character of a free people«35 nicht gegeben, liefen selbst die besten institutionellen Arrangements Gefahr zusammenzubrechen (vgl. Gish/Klinghard 2017: 188). Dass Jefferson den Weg in Richtung demokratischen Republikanismus deutlich weiter zu gehen bereit war als seine elitäreren Antipoden – und hier 33
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Autobiography, in: TJW, I: 108. Bei Hamilton (!) heißt es im Federalist Nr. 15: »Der große und grundlegende Fehler in der Konstruktion der bestehenden Konföderation liegt in dem Prinzip, dass die Konföderation nur legislative Kompetenzen gegenüber den Staaten oder Regierungen in ihren kollektiven Pflichten und Rechten kennt, nicht aber gegenüber den Individuen, aus denen diese bestehen.« (Hamilton/Madison/Jay 1787/88: 122; vgl. Bernstein 2004: 105f.; Dorfman 1966a: 437; Murrin 1980: 405). Brief an David Humphreys vom 18. März 1789, in: TJW, V: 89. Vgl. auch Brief an James Madison vom 20. Dezember 1787, in: TJW, IV: 476. So der treffende Untertitel der Studie Jean M. Yarbroughs (1998).
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vor allem Alexander Hamilton – hing vor diesem Hintergrund wesentlich mit seiner Überzeugung zusammen, dass der Mensch prinzipiell zum Leben in Freiheit in der Lage sei. Es gab keinen Grund dafür, das gewöhnliche Volk zu fürchten: »Some are whigs, liberals, democrats, call them what you please. Others are tories, serviles, aristocrats etc. The latter fear the people, and wish to transfer all power to the higher classes of society; the former consider the people as the safest depository of power in the last resort; they cherish them therefore, and wish to leave in them all the powers to the exercise of which they are competent.«36 Gleichwohl musste die Bevölkerung – in manchen Fällen mehr, in anderen weniger – auf die von ihr einzunehmende Rolle vorbereitet werden. »[T]o render even them [the people; T.M.] safe, their minds must be improved to a certain degree.«37 Der Glaube an die Möglichkeit jener Entwicklung fußte wesentlich auf Jeffersons positiver Anthropologie. Beeinflusst von der schottischen Moralphilosophie (vgl. Kloppenberg 2016: 339) vertrat Jefferson die Meinung, dass der Mensch ob eines ihm angeborenen moral sense die Fähigkeit besitze, gerecht zu handeln, also seinem Gegenüber als zu achtenden Gleichen gegenüberzutreten, und zwar ohne dass er hierzu gezwungen werden müsse. Ich werde im Folgenden im Detail auf den moral sense eingehen. Eine Rekonstruktion des politischen Denkens Jeffersons mit dem moral sense beginnen zu lassen, ist aufgrund dessen sinnvoll, dass er, ganz im Sinne des Republikanismus der 1770er Jahre, den am wenigsten substituierbaren Teil der republikanischen Ordnung darstellte. Wo Letzterer eine moralische Tiefendimension zugeschrieben wurde, musste man sich über das menschliche Wesen auseinandersetzen. Im Sinne eines gewissermaßen naturwissenschaftlichen Erkenntnisideals38 fungierte der Mensch überdies als eine Art Elementarteilchen der sozialen Ordnung; und wenn einer der wesentlichen Maßstäbe für die Güte politischer Ordnungen deren Natürlichkeit, also die Übereinstimmung mit der Natur der in ihr aufgenommenen Teile war, dann musste Letztere zuallererst bekannt sein (vgl. Thompson 2012: 67).
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Brief an William Short vom 8. Januar 1825, in: TJW, X: 335. Notes on the State of Virginia, in: TJW, III: 254. Vgl. hierzu Wood (2011: 218) und Adair (1964: 23).
1. Das politische Denken Thomas Jeffersons
1.2.1
Jefferson Anthropologie – Über die natürliche Moralität des Menschen
Sich mit dem Wesen des Menschen zu befassen war in der geistesgeschichtlichen Epoche des Rationalismus und der Aufklärung, die Mitte des 16. Jahrhunderts einsetzt und bis zum Ende des 18. Jahrhunderts reicht (vgl. Schwan 1991: 157), keineswegs ungewöhnlich. Die bedeutendsten politischen Ordnungsentwürfe jener Zeit maßen dem Wesen des Menschen eine entscheidende Rolle zu und gehören zu den Klassikern der politischen Anthropologie. Zuvorderst Thomas Hobbes hatte mit seinem Vorhaben, eine »naturwissenschaftliche Theorie der Politik zu liefern« (Jörke 2005: 23) jenen Pfad eingeschlagen. Eine realistische Herrschafts- respektive Staatstheorie lässt sich für Hobbes nur konzipieren, wenn man sich darüber klar wird, wie »die menschliche Natur geartet ist« (Hobbes 1642: 67). Hobbes’ Position ist diesbezüglich eindeutig: Ob einer konstitutiven Unsicherheit für Leib und Leben im vorstaatlichen Zustand wird der Mensch zum Wolf des Menschen und agiert in dieser Rolle noch weitaus bedrohlicher als sein tierischer Referenzpunkt, da sein Denken und Handeln auf die Zukunft ausgerichtet und sein Verlangen damit potentiell unstillbar ist. Zum Erreichen seiner Ziele bedient er sich seines kühl kalkulierenden Verstandes, der ihn letztlich zum Vertragsschluss bringt und somit die Beendigung seines »solitary, poor, nasty, brutish, and short [life]« im Naturzustand bewirkt (Hobbes 1651: 84). Jefferson hält Hobbes Menschenbild für eine vollständig unangemessene Verkürzung, gar für eine »humiliation to human nature«. Insbesondere Hobbes’ Annahme, dass gerechte Handlungen lediglich im Rahmen von Vertragswerken zustandekommen könnten, die der individuellen Berechnung entsprungen wären, stößt Jefferson bitter auf.39 Seiner Ansicht nach ist jenes pessimistische Menschenbild das Resultat einer nicht erfahrungsgesättigten Spekulation. Würde man Herrschaftstheorien ebenso wie naturwissenschaftliche Studien mit empirischer Beobachtung beginnen lassen, so Jefferson, dann würde ersichtlich, dass die natürliche Herrschaftsform für den Menschen nicht etwa die Monarchie sei und schon gar nicht die absolute, sondern die Republik. »In their [the speculators on government; T.M.] hypothesis of the origin of government, they suppose it to have commenced in the 39
Brief an Francis W. Gilmer vom 7. Juni 1816, in: TJW, X: 32. Vgl. Brief an John Adams vom 14. Oktober 1816, in: PW: 296. Brief an Samuel Kercheval vom 12. Juli 1816, in: TJW, X: 42. Katz (2003: 8).
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patriarchal or monarchical form. Our Indians are evidently in that state of nature which has passed the association of a single family; and not yet submitted to the authority of positive laws, or of any single acknowledged magistrate.«40 Die Beobachtung und Untersuchung der Indianerstämme ist für Jefferson somit das weit bessere Mittel, um Aussagen über die menschliche Natur zu gewinnen, als abstrakte Naturzustandskonstruktionen. Aus seiner Perspektive, »native Americans reflected man’s true nature.« (Onuf 1999: 104) Wie Richard K. Matthews (1984: 54) feststellt, waren es dementsprechend die Indianerstämme, die Jefferson das Material an die Hand gegeben hatten, »that he needed so that he could errect a solid […] political theory.« Dies ist insofern ein wichtiger Hinweis, als Jeffersons politisches Denken häufig auf seinen Agrarianismus gegründet wird.41 Mir scheint es demgegenüber angemessener, eine sicher nicht zu bestreitende Sympathie Jeffersons für die agrarische Lebensweise als Resultat seiner anthropologischen Überlegungen und den sich aus diesen ableitenden politischen Ordnungsvorstellungen zu begreifen. Der Mensch ist offensichtlich nicht immer schon Teil der einleitend skizzierten agrarischen Entwicklungsstufe, wie gerade die Indianerstämme deutlich machen. Der Drang nach freiheitlicher Selbstorganisation liegt dem Erreichen dieser für Jefferson somit voraus.42 Zuvorderst zeichnen sich die Indianerstämme für Jefferson also dadurch aus, dass sie zu den Gesellschaften ohne Regierung, ja selbst ohne »positive laws« gehören. Die Organisation der Gemeinschaft kommt demnach ohne eine übergeordnete, weisungs- und zwangsbefugte Instanz aus: »The principles of their society forbidding all compulsion, they are to be led to duty and to enterprize by personal influence and persuasion.« Dieses Verhalten, so Jefferson, »results from the circumstance of their having never submitted themselves to any laws, any coercive power, any shadow of government. Their only controuls are their manners, and that moral sense of right and wrong, which, like the sense of tasting and feeling, in every man makes part of his nature.«43 Der Gerechtigkeitssinn beziehungsweise die Fähigkeit moralisch zu handeln, wohnt
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Brief an Francis W. Gilmer vom 7. Juni 1816, in: TJW, X: 32f. Vgl. beispielsweise Quinn (1940). Ähnlich auch Helo (2014: 148). Notes on the State of Virginia, in: TJW, III: 195, Fn. 2. Hervorh., T.M. Für die Wirkmächtigkeit jenes hier durchscheinenden Prinzips der gegenseitigen Überzeugung via Argumentation vgl. Edling (2003: 15-31).
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demnach potentiell allen Menschen inne.44 Die Indianerstämme waren in ihrer Naturbelassenheit »natural republicans who showed that society did not depend on submission to the authority of a governing class but was instead the spontaneous expression of man’s sociable nature.« (Onuf 1999: 104; Hervorh., T.M.)45 Sie boten aufgrund dessen einen schlagenden Beweis dafür, dass der Mensch zur Selbstregierung fähig sei, eine Überzeugung, die Jefferson Zeit seines Lebens nicht aufgeben sollte. Vor diesem Hintergrund muss Jeffersons Ausspruch, dem zufolge die Yeoman Farmer »the chosen people of God« seien, relativiert werden. Die Bauern zeichnen sich weniger durch herausragende naturgegebene Fähigkeiten aus, als vielmehr durch eine besondere Kultivierung des menschlichen Gerechtigkeitssinnes (vgl. Boorstin 1960: 147f.; Yarbrough 1998: 66).46 Dieser muss Jefferson zufolge bereits aufgrund dessen jedem Menschen innewohnen, dass dieser ein Gemeinschaftswesen ist und andernfalls überhaupt nicht dazu in der Lage wäre, dauerhaft zu überleben: »He who made us would have been a pitiful bungler if he had made the rules of our moral conduct a matter of science. For one man of science, there are thousands who are not. What would have become of them? Man was destined for society. His morality therefore was to be formed to this object. He was endowed with a sense of right and wrong merely relative to this. This sense is as much a part of his nature as the sense of hearing, seeing, feeling; it is the true foundation of morality«.47 Der Mensch, so Jefferson an anderer Stelle, »was created for social intercourse; but social intercourse cannot be maintained without a sense of justice; then man must have been created with a sense of justice.«48 Bereits zu diesem frühen Zeitpunkt lässt sich also festhalten, dass Jefferson den menschlichen moral sense als universale Begebenheit begreift.49 So war er offensichtlich 44
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Ideenhistorisch knüpfte Jefferson hiermit an die schottische Moralphilosophie an (vgl. Wood 1991: 269). Eine ausführliche Diskussion dieses Themenkomplexes findet sich bei Yarbrough (1998: Kap. 2). Hiermit ist freilich nicht gesagt, dass Jefferson die Indianerstämme uneingeschränkt bewunderte. Zu seiner teils harschen Kritik an ihrer Lebensweise vgl. Katz (2003: 9). Dem Verhältnis von angeborenem Gerechtigkeitssinn und sozialem Kontext wende ich mich im Folgenden im Detail zu. Brief an Peter Carr vom 10. August 1787, in: TJW, IV: 428. Vgl. Boorstin (1960: 140). Brief an Francis W. Gilmer vom 7. Juni 1816, in: PW: 143. Vgl. zur Anthropologie Jeffersons auch Boyd (1948: 238). Vgl. auch Yarbrough (1998: 27) und Holowchak (2012: 287).
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nicht an ein bestimmtes intellektuelles Niveau gebunden, was beispielhaft am viel zitierten Briefwechsel zwischen Jefferson und Maria Cosway deutlich wird, zu der er während seiner diplomatischen Tätigkeit in Paris ein romantisches Verhältnis unterhielt.50 In jenem Briefwechsel lässt Jefferson »Head« und »Heart«, also ratio und emotio, in einen Dialog treten. Der kühl analysierende Verstand schlägt seinem Hort in diesem Kontext vor, sein Leben an utilitaristischen Grundsätzen auszurichten. »The art of life«, so der Verstand, »is the art of avoiding pain: and he is the best pilot who steers clearest of the rocks and shoals with which it is beset.« Dem entgegnet das Gefühl, dass das Leben sich nicht in Gänze kalkulieren lasse, sondern vielmehr aus unterschiedlichen Sphären bestehe, die von den jeweiligen Teilen des Selbst bestimmt werden sollten. »When nature assigned us the same habitation, she gave us over it a divided empire. To you shed allotted the field of science, to me that of morals. When the circle is to be squared, or the orbit of a comet to be traced; when the arch of greatest strength, or the solid of least resistance is to be investigated, take you the problem: it is yours: nature has given me no cognisance of it. In like manner in denying to you the feelings of sympathy, of benevolence, of gratitude, of justice, of love, of friendship, she has excluded you from their controul. To these she has adapted the mechanism of the heart. Morals were too essential to the happiness of man to be risked on the incertain combinations of the head. She laid their foundation therefore in sentiment, not in science. That she gave to all, as necessary to all: this to a few only, as sufficing with a few.«51 Ganz ähnlich heißt es in einem Brief an seinen Neffen Peter Carr: »State a moral case to a ploughman and a professor. The former will decide it as well, and often better than the latter, because he has not been led astray by artificial rules.«52 Zu viel Wissen und zu wenig Intuition können der Entfaltung des moral sense somit sogar abträglich sein, wie sich weiter unten mit Blick auf Jeffersons Instruktionen zur Stärkung des Letzteren noch genauer zeigen wird. Ebenso wenig wie an spezifische intellektuelle Fähigkeiten ist die Existenz des moral sense an bestimmte religiöse Imprägnierungen beziehungsweise subjektive Glaubenssätze gebunden. »Some«, so Jefferson,
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Vgl. zu jener Romanze Wayson (2012). Brief an Maria Cosway vom 17. Oktober 1786, in: TJW, IV: 317-319. Hervorh., T.M. Brief an Peter Carr vom 10. August 1787, in: TJW, IV: 429.
1. Das politische Denken Thomas Jeffersons
»have made the love of God the Foundation of morality […][but] [i]f we did a good act merely from the love of God and a belief that it is pleasing Him, whence arises the morality of the Atheist? […] I have observed, indeed, generally, that while in Protestant countries the defections from the Platonic Christianity of the priests is to Deism, in Catholic countries they are to Atheism. Diderot, D’Alembert, D’Holbach, Condorcet, are known to have been among the most virtuous of men. Their virtue, then, must have had some other foundation than the love of God.«53 Und schließlich ist auch, wie weiter oben bereits anklang, eine bestimmte gesellschaftliche Entwicklungsstufe keineswegs Voraussetzung für die Existenz des moral sense. Gemäß der im vorangegangenen Kapitel skizzierten Theorie gesellschaftlicher Entwicklung, mit der Jefferson im Rahmen seines Studiums am William and Mary College in Berührung gekommen war (vgl. Dorfman 1940: 101f.), mussten die Indianerstämme als gegenüber den sesshaft gewordenen ehemaligen Kolonisten unterentwickelt begriffen werden. Gleichwohl dienten gerade sie Jefferson als schlagender Beweis für die Existenz und Wirkmächtigkeit einer intersubjektiven Benevolenz jenseits patriarchalischer Zwansgausübung, die er letztlich auf den angeborenen moral sense zurückführte. Jener spielt somit eine herausragende Rolle für die Vision einer möglichst egalitären politischen Ordnung. Wäre die Existenz des moral sense von kontingenten äußeren und inneren Umständen abhängig, so Jean Yarbrough zusammenfassend, »then the bulk of humankind […] would be dependent on the wise few for moral knowledge. […] [T]raditional moral philosophy tended to support aristocratic, or at least non-democratic, political arrangements for precisely this reason.« (Yarbrough 1998: 36) So viel zum Vorhandensein des moral sense. Was aber ist dessen Substanz? Der Briefwechsel Jeffersons mit Maria Cosway sowie Jeffersons Ausführungen hinsichtlich der internen Organisiertheit der nordamerikanischen Indianerstämme geben einen ersten Hinweis. Im Brief an Cosway heißt es, dass »the feelings of sympathy, of benevolence, of gratitude, of justice, of love, of friendship« Dinge des Herzens seien, die nicht der Hoheit des Verstandes unterworfen werden sollten. Und mit Blick auf die Indianerstämme hatte Jefferson bemerkt, dass deren Sitten jedweden Zwang im sozialen Miteinander ächten würden. Der moral sense, so lässt sich hieraus folgern, soll demnach
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Brief an Thomas Law vom 13. Juni 1814, in: PW: 286.
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dafür Sorge tragen, dass wir unserem jeweiligen Gegenüber wohlwollend begegnen, ihn also nicht lediglich als zu brechenden Willen beziehungsweise Hindernis auf dem Weg zur Verwirklichung unserer feststehenden Präferenzen betrachten.54 Vielmehr sollte er dazu anleiten, die eigenen Handlungen immer auch aus der Perspektive des Anderen zu bewerten. In einem Brief an seinen Neffen Peter Carr bemerkt Jefferson demgemäß: »And never suppose, that in any possible situation, or under any circumstances, it is best for you to do a honorable thing, however slightly it may appear to you. Whenever you are to do a thing, though it can never be known but to yourself, ask yourself how you would act were all the world looking at you, and act accordingly.«55 Der moral sense sollte demnach zur Perspektivübernahme befähigen, die für ein dauerhaftes friedliches Zusammenleben ohne eine die vermeintlich destruktiven Potentiale des Menschen unterdrückende Zwangsgewalt unabdingbar sei. Ohne eine derartig ausbalancierende respektive die Einzelwillen vermittelnde Instanz würde eine Gemeinschaft ohne »positive laws« oder einen »shadow of government«, also eine Gemeinschaft wie jene der nordmamerikanischen Ureinwohner, lediglich als Spielfeld »of blind impulses« (Wood 1991: 270) fungieren, in Anarchie versinken und schließlich zerfallen. Dass dies nicht geschah, war für Jefferson auf jenen natürlichen »sympathetic instinct« zurückzuführen, »that made possible natural compassion and affection and that bound everyone together in a common humanity.« (Ebd.: 269) »The essence of virtue«, so Jefferson, »is in doing good to others«.56 Über die Existenz jenes Mitgefühls informieren uns nach Jefferson bereits ganz alltägliche Begebenheiten, beispielsweise die Lektüre belletristischer Werke. Sei nicht jeder »reader of feeling and sentiment« vom »fictitious murther of Duncan by Macbeath« ebenso berührt respektive abgestoßen wie vom »real one 54
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Jene Überlegung war nicht nur für Jeffersons Denken bedeutsam. Wie Gordon Wood schreibt, bestand für viele verhältnismäßig egalitär gesinnte Denker der Early Republic eine Notwendigkeit »›for a balance, as well as some arbiter of moral action.‹ And this balancer or arbiter was not reason, which was too unequally distributed in people, but a common moral sense – a moral intuition existing in every person’s heart or conscience, however humble and however lacking in education that person may have been« (Wood 1991: 270). Brief an Peter Carr vom 19. August 1785, in: PW: 244. Hervorh., T.M. Vgl. Brief an Martha Jefferson vom 11. Dezember 1783, in: FO (https://founders.archives.gov/documents/ Jefferson/01-06-02-0303). Brief an John Adams vom 14. Oktober 1816, in: PW: 296. Es muss meines Erachtens außer Frage stehen, dass es hier um ein intentional auf den konkreten Anderen gerichtetes Handeln geht.
1. Das politische Denken Thomas Jeffersons
of Henry IV by Ravaillac«, fragt er rhetorisch in einem Brief an Robert Skipwith. Dies sei ganz ohne Zweifel der Fall, denn wann immer eine gute oder schlechte Tat »is presented either to our sight or imagination, we are deeply impressed«, und zwar in einem praktischen, unsere eigenen Handlungen in der Folge anleitenden Sinne.57 Jefferson zielte nun jedoch keineswegs darauf, dass sich der Einzelne selbst vergessen und seine Interessen dauerhaft hinter denen des Kollektivs zurückstellen sollte. Jefferson war nicht darauf bedacht, das individuelle Vorankommen zu verdammen; Letzteres hatte sich allerdings in Bahnen zu vollziehen, die nicht gegen den imaginierten beziehungsweise konkreten Anderen verliefen.58 In dem bereits zitierten Brief an seinen Neffen heißt es diesbezüglich: »Give up money, give up fame, give the earth itself and all it contains, rather than do an immoral act.«59 Ruhm und Geld sind durchaus nichts Verwerfliches, sie dürfen lediglich nicht, und zwar niemals, auf unmoralische Weise und somit entgegen der Billigung des imaginierten Anderen erfolgen, den Menschen ob ihres angeborenen moral sense eben immer schon mitdenken, wie Jefferson mit Blick auf belletristische Erzeugnisse zu demonstrieren versucht. Aus dem bis hierhin Gesagten ergibt sich ein erster Hinweis auf die normative Vision des politischen Denkens Jeffersons sowie ein Fingerzeig für den weiteren Gang der Darstellung. Mit Blick auf Jeffersons politische Vision lässt sich festhalten, dass die natürliche Beschaffenheit des Menschen unmittelbar auf die diesem angemessene Form politischer Herrschaft verweist. Entgegen hierarchischer Herrschaftskonzeptionen, seien sie aristokratischer oder monarchischer Ausprägung, verweist Jeffersons Menschenbild auf die Notwendigkeit möglichst egalitärer Verhältnisse im politischen Raum. Indem er die Existenz des moral sense von intellektuellen Fähigkeiten, religiösen Überzeugungen, bestimmten Lebensformen und dergleichen mehr löst, verwehrt
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Brief an Robert Skipwith vom 3. August 1771, in: TJW, I: 396f. Vgl. hierzu auch Arendt (1965) und Boorstin (1960: 145). Die von Staloff (2005: 246) angesichts der von Jefferson zusammengestellten Leseliste vorgenommene Unterscheidung zwischen belletristischen und politischen Werken scheint mir vor diesem Hintergrund an der Sache vorbeizugehen. Für Jefferson waren die belletristischen Empfehlungen immer auch politisch, insofern sie das zwischenmenschliche und somit auch öffentliche Handeln anzuleiten helfen sollten. Vgl. hierzu auch Koch (1964: 9f.). Diesen Umstand blenden liberale Interpreten bisweilen aus. Ich werde darauf im Verlaufe des Kapitels noch genauer zu sprechen kommen. Brief an Peter Carr vom 19. August 1785, in: PW: 244.
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es sich gegen die Annahme, dass die Vielen von einigen erleuchteten Wenigen abhängig sein sollten. »Since the Creator intends men for society«, so Yarbrough zusammenfassend, »He has equipped each of them with the capacity to know and act on those truths most needful for their common life together. […] For Jefferson, human sociability has decidedly republican implications, in morals and epistemology no less than in politics.« (Yarbrough 1998: 36; Hervorh., T.M.)60 In der besten aller Welten käme die Republik aufgrund dessen gar ohne übergeordnete Regierung aus, wie ein Schreiben Jeffersons an seinen Weggefährten James Madison verdeutlicht. Dort heißt es: »Societies exist under three forms sufficiently distinguishable. 1. Without government, as among our Indians. 2. Under governments wherein the will of every one has a just influence, as is the case in England in a slight degree, and in our states in a great one. 3. Under governments of force: as is the case in all other monarchies and in most of the other republics. […] It is a problem, not clear in my mind, that the 1st. condition is not the best.«61 Wie im weiteren Verlauf der Darstellung deutlich wird, hielt Jefferson einen regierungslosen Flächenstaat jedoch für nicht realisierbar (vgl. Helo 2014: 142; Koch 1964: 151). Ganz im Sinne von Madison meinte Jefferson, dass das »new principle of representative democracy has rendered useless almost everything written before on the structure of government«. Es konnte also nur darum gehen, »to leave no authority existing not responsible to the people«,62 also dafür zu sorgen, dass die Verbindung zwischen Regierung und Bürgerschaft gewahrt blieb und Gewalt nicht zum Herrschaftsprinzip wurde, wie dies in Monarchien der Fall zu sein pflegte.63 Auch eine zweite Folgerung, die sich aus bisher Gesagtem ziehen lässt, verweist auf den weiteren Gang der Darstellung, und zwar angesichts der von Jefferson behaupteten universalen Existenz des moral sense und des damit einhergehenden Verweises auf eine republikanische Regierungsform einerseits 60
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Yarbrough zielt in ihrer Darstellung, meines Erachtens leicht verkürzt, jedoch lediglich auf die sekundäre Rolle ab, die Jefferson dem Verstand und somit den nicht egalitären Verstandesfähigkeiten zuweist. Glaubensfragen und Lebensformen, die, wie oben dargelegt, ebenfalls einen nicht hierarchisierenden Stellenwert haben, thematisiert sie in diesem Zusammenhang nicht. Brief an James Madison vom 30. Januar 1787, in: TJW, IV: 362. Hervorh., T.M. Vgl. auch Yarbrough (1998: 5). Brief an Isaac H. Tiffany vom 26. August 1816, in: PW: 218. Vgl. hierzu Brief an Samuel Kercheval vom 12. Juli 1816.
1. Das politische Denken Thomas Jeffersons
und der lediglich rudimentären Existenz Letzterer zu Jeffersons Lebzeiten. Mit anderen Worten: Wenn allen Menschen ein moral sense innewohnt, der freiheitliche republikanische Regierungsformen impliziert, warum lebte der Großteil der Weltbevölkerung im ausgehenden 18. Jahrhundert nicht in Republiken und war, wie einige Länder Südamerikas, in Jeffersons Augen auch noch nicht bereit hierzu? (Vgl. Helo 2014: 144f.) Den Grund für die nicht vorhandende Fähigkeit der Völker Lateinamerikas dauerhaft in Freiheit zu leben, erblickte Jefferson in der Tatsache, dass sie zu lange unterjocht worden seien, um umstandslos in die Freiheit entlassen werden zu können.64 Gegenüber Peter Carr vergleicht Jefferson den moral sense mit anderen Körperteilen: »The moral sense […] is as much a part of man as his leg or arm. It is given to all human beings in a stronger or weaker degree, as force of members is given them in a greater or less degree. It may be strengthened by exercise, as may any particular limb of the body.«65 Der moral sense ist somit zuvorderst ein Potential, das es auszuschöpfen gilt, wobei jene Ausschöpfung wesentlich von der Situiertheit des Einzelnen abhängt (vgl. Matthews 1984: 34). Wie also stellte sich Jefferson das Wechselverhältnis zwischen der Verwirklichung der menschlichen Anlage zum benevolenten Verhalten und den sozialen Kontextfaktoren vor? Jeffersons Haltung gegenüber der Sklavenfrage wird mich trotz der nicht nur im akademischen Raum geführten Debatten hierüber im weiteren Verlauf der Darstellung allenfalls randständig beschäftigen,66 allerdings lässt sich an einer diesbezüglichen Überlegung Jeffersons sehr anschaulich zeigen, inwieweit sich die Entwicklung des moral sense und der soziale Kontext bedingten. Bevor Jefferson sich in den Notes on the State 64
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So heißt es in einem Brief an den Marquis de Lafayette vom 30. November 1813 (in: PW: 191f.), dass die Völker Südamerikas noch nicht »capable of maintaining a free government« seien, da sie geistig zu lange unterdrückt worden wären. Vgl. hierzu auch Brief an Baron von Humboldt vom 13. Juni 1817, in: PW: 220-222, Brief an John Adams vom 22. Januar 1821, in: PW: 227f. und Brief an M. Dupont de Nemours vom 13. April 1811, in: TJW, IX: 322. Das gleiche Argument bemühte Jefferson nach der Westerweiterung in Folge des Louisiana Purchase 1803. Auch in den neuen Territorien waren die Bewohner aufgrund anderer Traditionen und Gewohnheiten noch nicht reif für die republikanische Selbstverwaltung (vgl. Dorfman 1940: 112; Sheldon 1991: 98). Ähnlich auch seine zutiefst rassistische Diskussion einer etwaigen Emanzipation und nachfolgenden Deportation der Sklaven (vgl. Bernstein 2004: 55f.). Brief an Peter Carr vom 10. August 1787. Ähnlich auch Brief an Peter Carr vom 19. August 1785. Vgl. hierzu Helo (2014), Egerton (2009), Stanton (2009), Thompson (2012: 70f.) und Kendi (2016: Kap. 7-12).
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of Virginia dem Lobgesang auf den tugendhaften Farmer zuwendet, bemerkt er, dass die Institution der Sklaverei eben jene Tugenden unterminiere, die die ländliche Lebensform eigentlich auszeichneten. »With the morals of the people«, so Jefferson, »their industry also is destroyed. For in a warm climate no man will labor for himself who can make another labor for him. This is so true, that of the proprietors of slaves a very small proportion indeed are ever seen to labour.« Doch nicht nur der Fleiß des Einzelnen werde durch die Existenz der Sklaverei untergraben. Noch schwerer wog die mit der Sklaverei einhergehende Geringschätzung des Gegenübers, die doch das eigentliche Zentrum des moral sense darstellt. »The whole commerce between master and slave is a perpetual exercise of the most boisterous passions, the most unremetting despostim on the one part, and degrading submissions on the other. Our children see this, and learn to imitate it; for man is an imitative animal. […] The man must be a prodigy who can retain his manners and morals undepraved by such circumstances.«67 Allein unter Sklavenhaltern und Sklaven, so muss dieser Gedankengang verstanden werden, wird der Heranwachsende zu vielem, aber sicherlich nicht zu einem Menschen, auf dessen Charakter die Republik gegründet werden kann.68 Wenn dem aber so ist, dann muss Jeffersons politisches Denken nach der generellen Feststellung des dem Menschen angeborenen moral sense um die Frage kreisen, welcher Umwelt er bedarf, um diesen auszubauen und somit dazu in die Lage versetzt zu werden, in kollektiver Freiheit zu leben (vgl.
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Notes on the State of Virginia, in: TJW, III: 267. Nicht um Jefferson zu verteidigen, sondern nur der Vollständigkeit halber, sei erwähnt, welchen punktuellen Ausweg aus diesem Dilemma er sah – schließlich war er bekanntermaßen selbst einer der Sklavenhalter, deren Tugend er unterminiert sah. »If a parent could find no motive either in his philantrophy or his self-love, for restraining the intemperance of passion towards his slave, it should always be a sufficient one that his child is present. But generally it is not sufficient.« Notes on the State of Virginia, in: TJW, III: 266f. Hervorh., T.M. Wie im Laufe der Darstellung deutlich werden wird, war Jefferson von den außergewöhnlichen Fähigkeiten der recht verstandenden gesellschaftlichen Eliten überzeugt, zu denen er sich ohne Zweifel zählte. Man darf annehmen, dass er davon ausging, jene Zügelung der Leidenschaften gegenüber seinen Sklaven an den Tag gelegt zu haben, die er dem gewöhnlichen Sklavenhalter zuzugestehen nicht bereit war.
1. Das politische Denken Thomas Jeffersons
Koch 1964: 18). Dementsprechend werde ich mich in den folgenden Abschnitten dieses Kapitels den notwendigen Voraussetzungen für die Stärkung des moral sense und somit der Etablierung einer dauerhaft stabilen republikanischen Ordnung zuwenden, wie Jefferson sie sich vorstellte.
1.2.2
States, wards und das Ideal kleiner Gemeinwesen
Nicht von ungefähr wird Jefferson gerne als »Ahnherr« der US-amerikanischen Demokratie bezeichnet. Wie eingangs erwähnt, war es der mit der englischen Monarchie liebäugelnde Hamilton, den Jefferson als ideologischen Antipoden identifizierte und demgegenüber er für das Prinzip der Volkssouveränität eintrat, das er als den Wesenskern der Republik identifizierte: »[A] pure republic is a state of society in which every member, of mature and sound mind, has an equal right of participation personally in the direction of the affairs of the society. Such a regime is obviously impractical beyond the limits of encapment, or of a very small village. When numbers, distance, or force oblige them to act by deputy, then their government continues republican in proportion only as the functions they still exercise in person are more or fewer, and as in those exercised by deputy the right of appointing their deputy is pro hac vice only, or for more or fewer purposes, or for shorter or longer terms.«69 Es ist, wie im letzten Abschnitt angedeutet wurde, bereits angesichts dieser Definition grundfalsch, Jefferson als Anhänger der »reine[n] Demokratie« zu bezeichnen (Hamilton/Madison/Jay 1787/88: 97), also als Verfechter einer ungefilterten Herrschaft des Volkes. Mit dem von Madison vorgeschlagenen Re-
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Brief an Isaac H. Tiffany vom 4. April 1819, in: PW: 224. Vgl. auch Brief an John Taylor vom 28. Mai 1816, in: PW: 207.
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präsentativsystem war Jefferson prinzipiell einverstanden;70 gleichzeitig betonte er die Notwendigkeit direkter Bürgerbeteiligung in politischen Fragen. Wäre jene vollständig zugunsten repräsentativer Einrichtungen zurückgefahren, ließe sich gemäß Jeffersons Definition nicht mehr von einer Republik sprechen. In Madisons Termini musste die Republik mit Elementen der reinen Demokratie durchsetzt sein, um als Republik gelten zu können. Wie weit war der »Ahnherr« der US-Demokratie den Pfad der reinen Demokratie zu gehen bereit? Gemäß Jeffersons im vorangegangenen Abschnitt skizzierten Überlegungen zur Wünschbarkeit gemeinschaftlicher Verbünde ohne Regierung und Gesetze kann der Stellenwert, den er räumlich eng umgrenzter Selbstorganisation beimisst, nicht überraschen. Jeffersons Überlegungen kreisen angesichts der politischen Realität des Flächenstaates dementsprechend bereits frühzeitig um Möglichkeiten der Institutionalisierung lokaler Selbstregierungsstrukturen. Nähme man sich dieses Problems nicht an, so Jefferson, dann würde zum einen die Performanz der republikanischen Regierungsform leiden und zum anderen wäre Letztere mittelfristig in ihrem Bestand gefährdet. »Our country is too large to have all its affairs directed by a single government. Public servants at such a distance, and from under the eye of their constituents, must, from the circumstance of distance, be unable to administer and overlook all the details necessary for the good government of the citizens, and the same circumstance, by rendering detection impossible to their constituents, will invite the public agents to corruption, plunder and waste.«71
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Es ist daher auch kein Zufall oder eine intellektuelle Fehlleistung, dass Jefferson die Federalist Papers als die beste Abhandlung »descending from theory to practice« bezeichnete (Brief an Thomas Mann Randolph vom 30. Mai 1790, in: TJW, V: 173), deren Lektüre bezüglich einer angemessenen Darlegung der Grundlagen politischer Herrschaft er empfahl (Brief an John Norvell vom 14. Juni 1807, in: TJW, IX: 71) und die er als Elementartext zur politischen Bildung im Rahmen der angedachten University of Virginia vorschlug (From the Minutes of the Board of Visitors, University of Virginia vom 4. März 1825, in: FO (https://founders.archives.gov/documents/Madison/04-03-02-0487)). Dass das Bekenntnis zur Repräsentativregierung nicht selbstverständlich war, zeigt ein Blick auf radikalere Stimmen unter den Anti-Federalists. Vgl. hierzu Lynerd (2018). Brief an Gideon Granger vom 13. August 1800, in: TJW, VII: 451. Der hier aufgestellte Gemeinwohlbezug (»for the good government of the citizens«) entspricht dem repu-
1. Das politische Denken Thomas Jeffersons
Eine weit verbreitete Angst vor der stets expansiven und korrumpierenden Regierungsgewalt leitete demnach auch Jeffersons Denken. In einem Brief an James Madison heißt es etwa exemplarisch: »I own I am not a friend to a very energetic government. It is always oppressive.«72 Jefferson war sich andererseits im Klaren darüber, dass ein Flächenstaat schlechterdings nicht auf eine Zentralregierung würde verzichten können. Ihm war nicht daran gelegen, die neu gegründete Union wieder aufzulösen, das Rad der Zeit also lediglich zurückzudrehen.73 Was Jefferson vorschwebte, war eine radikale Föderalisierung der jungen Union (vgl. Bernstein 2004: 9; Parrington 1930a: 345). »The elementary republics of the wards«, so Jefferson, »the country republics, the state republics, and the republic of the Union, would form a graduation of authorities, standing each on the basis of law, holding everyone its delegated share of powers, and constituting truly a system of fundamental balances and checks for the government.«74 Dieses Modell sollte einerseits dazu dienen, die Kompetenzen der Zentralgewalt möglichst weitreichend zu begrenzen und die Amtsträger andererseits möglichst umfassend zu kontrollieren helfen.75
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blikanischen Diskurs des 18. Jahrhunderts. Jefferson nahm ihn allerdings explizit nicht in seine Republikdefinition auf. Brief an James Madison vom 20. Dezember 1787, TJW, III: 479. Hervorh., T.M. Vgl. Edling (2012: 444) und Parrington (1930a: 350). Dies gilt meines Erachtens trotz der von Jefferson und Madison auf den Weg gebrachten Kentucky and Virginia Resolutions von 1798/99, die den Einzelstaaten das Recht zugestehen wollten, für sich zu entscheiden, wann Bundesgesetze verfassungswidrig seien – das judicial review des Supreme Court war noch nicht institutionalisiert worden. Die Resolutionen stellen insofern einen Ausnahmefall dar, dass Jefferson angesichts der von der Kongressmehrheit der Federalists verabschiedeten Alien and Sedition Acts die republikanischen Freiheiten ernsthaft in Gefahr und an derer statt monarchische Prinzipien aufziehen sah. Etwas defensiver ließe sich ebenfalls argumentieren, dass Jefferson sich der Implikationen der Resolutionen nur unzureichend bewusst war und dass »Jefferson’s own thinking on the matter [state rights; T.M.] fluctuated« (Wilentz 2005a: 79). Brief an Joseph C. Cabell vom 2. Februar 1816, in: PW: 205. Hierin ist sicherlich einer der wichtigsten Gedankengänge Jeffersons zu sehen, der Liberträre bis heute dazu animiert, Jefferson für ihr normatives Projekt zu vereinnahmen, handelt es sich bei der Beschränkung der »functions« und der »power« von Regierungen doch um ein erzliberales Projekt (Bobbio 1986: 11). Zu den Ausdifferenzierungen dieses liberalen Kernthemas vgl. überblicksartig Freeden (2015).
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Für beides spielten die von Jefferson angedachten wards,76 die er als »pure and elementary republics« bezeichnete,77 eine herausragende Rolle. Mit Blick auf die Begrenzung der zentralstaatlichen Kompetenzen waren sie von Bedeutung, da innerhalb der wards all das geregelt werden sollte, was sich auf dieser untergeordneten Organisationsebene sinnvollerweise regeln ließ; und hinsichtlich einer Begrenzung der zentralstaatlichen Macht sollten die wards erstens dafür Sorge tragen, dass sich die Regierung nicht von der Bürgerschaft entfernen und in Folge dessen eine eigenständige Handlungsgrundlage entwickeln konnte, die von den Interessen der Regierten unterschieden war.78 Zweitens sollte es den wards obliegen, die Bürger emotional an das Gemeinwesen zu binden. Bevor ich gesondert auf diese beiden Aspekte eingehe, muss dargelegt werden, wie sich Jefferson die Restrukturierung der Vereinigten Staaten in überschaubare wards vorstellte. Die wards bildeten für Jefferson das Rückgrat der republikanischen Staatsform, weil nur sie »[t]he true foundation of republican government« sicherstellen konnten, namentlich »the equal right of every citizen, in his person and property, and in their management.«79 Da die Verwaltung jedoch für Jefferson 76 77 78
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Eine wörtliche Übersetzung dieses Begriffs ist schwierig. Am ehesten lässt er sich mit ›kleine Gemeinden‹ ins Deutsche übertragen. Brief an Samuel Kercheval vom 5. September 1816, in: PW: 219. Ein politischer Amtsinhaber, so Jefferson, »[i]f once elected and at a second or third election out voted by one or two votes, […] will pretend false votes, foul play, hold possession of the reins of government [and] be supported by the States voting for him«. Brief an James Madison vom 20. Dezember 1787, in: TJW, IV: 477. Über je mehr Macht Amtsinhaber also verfügten, umso mehr konnten sie dafür tun, diese zu schützen – ein Gedanke der auch in der englischen Country-Opposition im 18. Jahrhundert gewichtig war. Brief an Samuel Kercheval vom 12. Juni 1816, in: PW: 212. Hervorh., T.M. Vgl. auch Brief an John Tyler vom 26. Mai 1810, in: TJW, IX: 276-278. Ari Helo (2009) macht demgegenüber das Mehrheitsprinzip zum Elementarprinzip des republikanischen Denkens Jeffersons. Ich widerspreche dieser Einschätzung aus zwei Gründen: Zum einen meine ich, dass Jeffersons republikanisches Denken viel tiefer ansetzt als bei Entscheidungsfindungsregeln, nämlich bei den hier dargelegten Wesenszügen einer republikanischen Bürgerschaft und deren Bestandsvoraussetzungen. Zum anderen scheint mir der Verweis auf die Mehrheitsregel das prinzipiell harmonische Gesellschaftsverständnis Jeffersons nicht ausreichend zu berücksichtigen. Jefferson, so würde ich der Betonung des Mehrheitsprinzips entgegenhalten, war ein Denker des Konsenses und keiner der Kampfabstimmung. Auch sein Begriff der Volkssouveränität ist kein exkludierender, sondern ein möglichst inklusiver – der trotzdem keine Sklaven, Frauen oder Kinder umfasst, was Ende des 18. Jahrhunderts in den USA aber mitnichten eine kon-
1. Das politische Denken Thomas Jeffersons
nicht von einer weit entfernten Zentralregierung vollzogen werden konnte, zumindest nicht im Sinne der Bürgerschaft, bedurfte es jener intermediären Instanzen, von denen wiederum lediglich die wards den Bürger auch direkt in die Entscheidungsfindungsprozesse einbezogen. Sie waren Jefferson zufolge für die Erhaltung der Republik derart wichtig, dass er in einem Brief an Joseph Cabell ausführt: »As Cato then concluded every speech with the words ›Cartago delenda est,‹ so do I every opinion, with the injunction, ›divide counties into wards‹«;80 und auch in seiner ersten Amtsantrittsrede als Präsident im Jahr 1801 bezeichnet Jefferson die Föderalisierung der Landes als »the surest bulwark against anti-republican tendencies«.81 Über die genaue Größe der wards lässt Jefferson seine Leser im Ungefähren, es ist angesichts der Forderung, dass die wards es allen Bürgern ermöglichen sollten, »[to] attend, when called on, and act in person«,82 jedoch nicht davon auszugehen, dass sie hinsichtlich der Einwohnerzahl die Größe eines Dorfes überschreiten sollten.83 Aus im Folgenden genauer darzulegenden Gründen sollten die wards jedoch lediglich mit jenen »portions of self-government« betraut werden, »for which they are best qualified«.84 Hierzu zählten die Armenfürsorge, der Erhalt und Ausbau des Verkehrswesens, die lokale Sicherheit, das Abhalten von Wahlen, die Nominierung von Geschworenen und die Klärung kleinerer Rechtsstreitigkeiten.85 Die Regierungen der Einzelstaaten wären Jeffer-
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servative Position war. Zu inklusivem und exklusivem Souveränitätskonzept vgl. Jackson (2007: 88). Brief an Joseph Cabell vom 2. Februar 1816, in: PW: 206. First Inaugural Adress, 4. März 1801, in: TJW, XIII: 4. Brief an Samuel Kercheval vom 12. Juni 1816, in: PW: 213; Hervorh, T.M. Mit Blick auf die territoriale Größe spricht Jefferson in einem Brief an John Adams vom 28. Oktober 1813 (TJW, IX: 427) von »five or six miles square«. Und in einem Brief an Samuel Kercheval vom 12. Juli 1816 (PW: 214. Hervorh., T.M.) heißt es, dass in den »ward republics […] the small, and yet numerous and interesting things of the neighborhood« entschieden werden sollten. Weiter oben wurde zudem bereits angemerkt, dass Jefferson die direkte Beteiligung der Bürgerschaft nur in »small villages« für möglich hielt. Brief an John Adams vom 28. Oktober 1813, in: TJW, IX: 427. Dieser vergleichsweise umfangreiche Aufgabenkatalog widerspricht nur vordergründig Jeffersons berühmter Aussage, nach der eine gute Regierung »shall restrain men from injuring one another, which shall leave them otherwise free to regulate their own pursuits of industry and improvement« (First Inaugural Adress, 4. März 1801, in: TJW, XIII: 4). Wie Garrett Ward Sheldon richtig feststellt, war Jefferson »content to limit the national government in this liberal fashion because he was confident that Americans’ political life was best conducted in the local and state republics« (Sheldon 1991: 87; Hervorh., T.M.).
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sons Modell folgend insbesondere mit dem Schutz der Bürgerrechte befasst gewesen, wohingegen Verteidigungs- und Außenpolitik sowie die Beilegung föderaler Streitigkeiten in den Aufgabenbereich der nationalen Zentralgewalt gefallen wären.86 Dieses Modell gestufter Kompetenzverteilung sollte demnach die Aufgaben der Zentralgewalt auf ein Mindestmaß reduzieren helfen und diente somit der funktionalen Beschränkung der tendenziell oppresiven Regierung. Neben jener funktionalen Beschränkung sollte die Föderalisierung der Republik, wie oben dargelegt, die bessere Kontrolle der Regierungsgeschäfte ermöglichen. Heutigen Diskussionen hinsichtlich geschlossener respektive nicht geschlossener Legitimationsketten nicht unähnlich, ging Jefferson davon aus, dass eine Regierung – auf welcher Organisationsebene auch immer – nur dann im Sinne der Repräsentierten handeln könne, wenn sie deren Interessen gewahr wäre. Dies wäre einer Zentralgewalt in einem Flächenstaat nicht möglich gewesen. Ein gestufter Meinungsbildungsprozess, wie er durch die umfassende Föderalisierung der Republik errichtet werden sollte, die Jefferson vorschwebte, sollte an dieser Stelle Abhilfe schaffen: »A general call of ward meetings by their wardens on the same day through the State, would at any time produce the genuine sense of the people on any required point, and would enable the State to act in mass, as your people have so often done, and with so much effect by their town meetings.«87 Nur wenn jener »genuine sense of the people« die Handlungen der Regierung leitete, war diese republikanisch zu nennen, da nur auf diesem Weg dem republikanischen Prinzip der Volkssouveränität Genüge getan werden konnte. Je umfassender Regierungen von politischen Wahlen abhingen und je weitreichender die sonstigen Kontroll- und Einflussmöglichkeiten auf Seiten der Bürgerschaft waren, desto republikanischer waren sie. Gemäß der oben zitierten Definition begriff Jefferson eine Republik als »a government by its citizens in mass, acting directly and personally […]; […] every other government is more or less republican in proportion as it has in its composition more or less of this ingredient of the direct action of the citizens. Such a government is evidently restrained to very narrow limits of space and population.«88
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Brief an Joseph C. Cabell vom 2. Februar 1816, in: PW: 204f. Brief an John Adams vom 28. Oktober 1813, in: TJW, IX: 428. Hervorh., T.M. Jefferson bezieht sich mit »your people« auf die Tradition lokaler Selbstverwaltung in Adams’ Heimatstaat Massachusetts. Brief an John Taylor vom 28. Mai 1816, in: TJW, X: 28f.
1. Das politische Denken Thomas Jeffersons
Im nächsten Abschnitt werde ich mich den Grenzen einer derart reinen Republik zuwenden, die Jefferson für den Fall der USA sah. Es sei allerdings bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es Jefferson mit Blick auf die Bundesebene vor allem um die Kontrolle der Amtsträger zu tun war, nicht um das direkte Wirken der Bürgerschaft, da der hierzu notwendige »narrow space« und die überschaubare Bevölkerungsgröße nur auf kommunaler Ebene gegeben war. In einem Brief an John Adams heißt es dementsprechend: »It suffices for us, if the moral and physical condition of our own citizens qualifies them to select the able and good for the direction of their government, with a recurrence of elections at such short periods as will enable them to displace an unfaithful servant, before the mischief he meditates may be irremediable.«89 Der vollkommenen Republik konnten demnach am ehesten die wards entsprechen und nur bedingt die Bundesregierung. Den wards kam jedoch auch jenseits der Übernahme der kommunalen Selbstverwaltung und der Kontrolle der jeweils übergeordneten Regierungsebenen eine zentrale Rolle zu. Die im Brief an Adams erwähnte »moral and physical condition« der Bürger sollte vor allem durch die wards sichergestellt werden. Sie fungierten in diesem Sinne als eine Art Schule der Bürgertugend (vgl. Sheldon 1991: 69; Michelsen 2017: 151). Entscheidend war in diesem Zusammenhang, dass die bürgerschaftliche Tugend beziehungsweise der »spirit of the people«, den Jefferson zum Rückgrat der jungen Republik erklärte, durch die politische Beteiligung gestärkt werden sollte: »making every citizen an acting member of the government« sei demnach die beste Strategie, um jeden Einzelnen »by his strongest feelings to the independence of his country, and its republican constitution« zu binden.90 Eine derart affektive Bindung an die Republik, so Jefferson in einem Brief an Joseph C. Cabell, sei gleichzeitig die nachhaltigste Absicherung gegenüber anti-republikanischen Umsturzversuchen, sorge sie doch dafür, dass jeder einzelne Bürger, der aktiv in die Regierungsgeschäfte eingebunden wird, »[would] let the heart be torn out of his body sooner than his power be wrested from him by a Caesar or a Bonaparte.«91
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Brief an John Adams vom 28. Oktober 1813, in: TJW, IX: 429. Hervorh., T.M. Gemeint sind die nationale und die Regierungen der Einzelstaaten. Vgl. auch Brief an John Taylor vom 28. Mai 1816, in: TJW, X: 46-50. Brief an Samuel Kercheval vom 12. Juli 1816, in: TJW, X: 40f. Brief an Joseph C. Cabell vom 2. Februar 1816, in: PW: 205. Ganz ähnlich auch Brief an Dr. Thomas Cooper vom 10. September 1814, in: PW: 136-142. Vgl. Scott (1977: 57). Diese
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Bindet man diese Überlegungen an die für die dauerhafte Stabilität der Republik notwendige Kultivierung des moral sense zurück, dann scheint mir die mit der ständigen Involviertheit in die öffentlichen Belange einhergehende Fähigkeit zur Perspektivübernahme von herausragender Bedeutung zu sein. Im Zuge seiner Auseinandersetzung mit den indigenen Stammesgesellschaften hatte Jefferson seine Bewunderung für deren Praxis der gegenseitigen Überzeugung in strittigen Fragen der gemeinsamen Lebensführung geäußert (»They are to be led to duty and to enterprize by personal influence and persuasion«). Um sich gemäß diesem Prinzip kollektiv selbst regieren zu können, bedurfte es jedoch entsprechender Sitten und Bräuche, man könnte sagen, einer gemeinsamen politischen Kultur. Dies war einer der ausschlaggebenden Faktoren dafür, dass Jefferson vor zu vielen Einwanderern aus Monarchien warnte; diese seien aufgrund falscher Gewohnheiten nicht geeignet, in freiheitlichen Republiken zu leben. Der republikanischen Lebensform »nothing can be more opposed than the maxims of absolute monarchies. Yet from such, we are to expect the greatest number of immigrants. They will bring with them the principles of the government they leave, imbided in their early youth; or, if able to throw them off, it will be in exchange for an unbounded licentiousness, passing, as is usual, from one extreme to another.«92 (Vgl. Gish/Klinghard 2017: 170) Die republikanische Lebensweise musste erlernt werden und dies konnte nur in der direkten interpersonalen Kommunikation geschehen, die wiederum zwingend an kleinräumige Regierungsstrukturen gebunden war (vgl. Heun 1994: 381). Um die Belange des jeweiligen Gegenübers angemessen berücksichtigen zu können, bedurfte es keiner Schulungen im Bereich der abstrakten Moralphilosophie, sondern der sozialen Praxis. In einem Brief an seinen Neffen heißt es demgemäß: »Moral philosophy. I think it lost time to attend lectures in this branch. He who made us would have been a pitiful bungler if he had made the rules of our moral conduct a matter of science. For one man of science, there are thousands who are not. What would have become of them? Man was destined for society. His morality therefore was to be formed to this object.«
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Überlegung findet sich ganz ähnlich auch bei den Anti-Federalists (vgl. Sinopoli 1992: 139). Notes on the State of Virginia, in: TJW, III: 189.
1. Das politische Denken Thomas Jeffersons
Statt also abstrakte Einlassungen zur Moralphilosophie zu hören, soll der junge Peter seinen moral sense im Rahmen des alltäglichen sozialen Austausches vervollkommnen: »above all things«, so Jefferson, »lose no occasion of exercising your dispositions to be grateful, to be generous, to be charitable, to be humane, to be true, just, firm, orderly, courageous etc. Consider every act of this kind as an exercise which will strenghten your moral faculties, and increase your worth.«93 (Vgl. Koch 1964: 16f.) Der Involviertheit in öffentliche Belange, der politischen Partizipation kommt im politischen Denken Jeffersons dementsprechend eine herausragende Bedeutung zu, ist sie doch wesentlich dafür verantwortlich, dass der dem Menschen eigene moral sense stetig gestärkt und weiterentwickelt wird. Die radikale Föderalisierung der Republik ist vor diesem Hintergrund nicht lediglich Mittel zum Zweck. Zwar diente sie der Kontrolle und funktionalen Limitierung der jeweils höheren Regierungsebene; sie ermöglichte dem Menschen darüber hinaus aber vor allem die Ausschöpfung der in ihm angelegten Potentiale und trug somit wesentlich zur tatsächlichen Menschwerdung bei. Ob sich Jefferson vor diesem Hintergrund als Anhänger eines aristotelischen Verständnisses politischer Partizipation klassifizieren lässt, demzufolge die politische Partizipation nicht lediglich der Sicherung persönlicher Freiheiten diente, sondern ebenso dazu angetan war, das menschliche Wesen zu vervollkommnen, ist gleichwohl nicht ausgemacht. Denn auch wenn die politische
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Brief an Peter Carr vom 10. August 1787, in: TJW: IV: 428f. Ganz ähnlich heißt es bereits 1771 in einem Brief an Robert Skipwith: »Thus a lively and lasting sense of filial duty is more effectually impressed on the mind of a son or a daughter by reading King Lear, than by all the dry volumes of ethics, and divinity that ever were written.« Brief an Robert Skipwith vom 3. August 1771, in: TJW, I: 398. Hannah Arendt hat Jeffersons Überlegungen wie folgt zusammengefasst: »So wie alle Nächstenliebe ihre Substanz schleunigst verlieren würde, wenn der Nächste immer nur alle zwei Jahre wie ein Phantom in Erscheinung träte, so konnte die Mahnung, das eigene Land mehr zu lieben als sich selbst, nur Sinn haben, wenn es in lebendiger Gegenwärtigkeit im Leben jener Bürger selbst vorhanden war.« (Arendt 1965: 324). Den Gegensatz, den Arendt zwischen dem eigenen und dem Wohl der Allgemeinheit beziehungsweise des Landes andeutet, hätte Jefferson vermutlich nur sehr bedingt nachvollziehen können, da das gegenseitige Wohlwollen für ihn Teil der menschlichen Natur war. Gleichwohl ist Arendts Verweis auf die Notwendigkeit der ständigen öffentlichen Betätigung unbedingt zuzustimmen.
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Beteiligung nicht nur Mittel zum Zweck war, so war sie dies eben wesentlich auch.94 Jefferson war sich nichtsdestotrotz der Notwendigkeit repräsentativer Institutionen auf überkommunaler Ebene bewusst. Die Erfahrungen, die die Kolonisten mit dem wenig institutionalisierten Staatenbund und den Articles of Confederation gemacht hatten und die letztenendes zum Konvent in Philadelphia führten, hatten auch Jeffersons Denken geprägt. Sein AntiMonarchismus fußte ohne Zweifel auf dem Prinzip der Volkssouveränität, er buchstabierte dieses jedoch, wie weiter oben bereits angerissen, mitnichten radikaldemokratisch aus.95 Zwar gilt Jefferson zurecht als der radikalere Denker der »Great Collaboration« (Koch 1950) mit James Madison, was teilweise auf das größere Interesse des Letzteren für das politische Klein-Klein zurückgeführt werden kann (vgl. Berghahn 2001: 222); Jefferson stimmte jedoch bezüglich der großen Linien mit Madison überein, so auch hinsichtlich der Notwendigkeit repräsentativer Herrschaftsstrukturen und politischer Eliten. Dem Verhältnis von Partizipation und Repräsentation wendet sich daher der folgende Abschnitt zu.
1.2.3
Partizipation und Repräsentation
Trotz der hier dargelegten vergleichsweise zurückhaltenden Lesart Jeffersons, die diesen als weit weniger progressiv zeichnet als radikaldemokratische Interpreten wie beispielsweise Richard K. Matthews, kann kein Zweifel daran bestehen, dass Jefferson dem gewöhnlichen Bürger vor allem auf den ersten Blick eine deutlich gewichtigere Rolle zusprach als aristokratisch gesinnte Zeitgenossen. Ein in diesem Zusammenhang oft bemühtes Beispiel ist Jeffersons Eintreten für die Wiederholung des Verfassungsgebungsprozesses alle 19 Jahre:96 94
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An der Frage, ob die athenisch-aristotelische oder die römische republikanische Tradition prägend für die amerikanischen Kolonien war, hat sich eine Debatte zwischen Quentin Skinner und J.G.A. Pocock entzündet. Während Skinner meint, dass die politische Beteiligung gemäß der römischen Tradition für die US-amerikanischen Gründerväter vor allem der Freiheitssicherung dienen sollte, betont Pocock ihren intrinsischen Wert. Vgl. hierzu Hölzing (2014: 14). Vgl. hierzu auch Sheldon (1991: 12f.). Jeffersons periodische Einteilung war an die naturwissenschaftlichen Studien Georges-Louis Leclercs, Comte de Buffon angelegt, der davon ausgegangen war, »that in any given society one-half of all those over twenty-one years of age will have passed away in eighteen years and eight months. […] Therefore, he [Jefferson; T.M.] reasoned,
1. Das politische Denken Thomas Jeffersons
»[I]t may be proved that no society can make a perpetual constitution, or even a perpetual law. The earth belongs always to the living generation. They may manage it then, and what proceeds from it, as they please, during their usufruct. […] But persons and property make the sum of the objects of government. The constitution and the laws of their predecessors extinguished them, in their natural course, with those whose will gave them being. […] Every constitution, then, and every law, naturally expires at the end of 19 years. If it be enforced longer, it is an act of force and not of right.«97 An dieser Stelle schlägt die im vorangegangenen Abschnitt dargelegte freiheitssichernde Funktion politischer Beteiligung durch. Die Abwesenheit von Zwang als dem natürlichen Prinzip nicht-freiheitlicher Ordnung ist für Jefferson demnach nur gegeben, wenn die Bürgerschaft die Grundordnung ihres Zusammenlebens direkt gestalten kann, was für überzeitlich gültige Verfassungen gerade nicht gilt. Für seine Überlegungen ausschlaggebend ist die Tatsache, dass gegenseitige Überzeugung, die Regelung interpersonaler beziehungsweise gemeinschaftlicher Konflikte auf Augenhöhe, die er mit Blick auf die Indigenen als freiheitliches Prinzip ausgemacht hatte, mit Toten schlechterdings nicht möglich ist. Sie besitzen nicht nur keine Rechte mehr, sie können auch nichts mehr tun, sie können weder überzeugen, noch überzeugt werden. Ihr Handeln und dessen Manifestation mag beispielgebend wirken, es kann aber keine Verbindlichkeit beanspruchen.98
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no society can make any constitution, law, or contract of binding force for any period longer than nineteen years.« (Merriam, Jr. 1902: 28) Wie Heun (1994: 385) bemerkt, war »diese Vorstellung blockartig zusammengefasster Generationen unrealistisch«. Brief an James Madison vom 6. September 1789, in: TJW, V: 121. Jefferson spricht nicht davon, dass Verfassungen geändert werden müssen, es muss lediglich die Möglichkeit bestehen, dies zu tun (vgl. Michelsen 2017: 149). Dass sie beispielhaft wirken können, bestreitet Jefferson nicht, der, wie oben erwähnt, sowohl der Lektüre belletristischer Werke als auch dem Studium der Geschichte großen Wert für die Entwicklung des Einzelnen und der Gesellschaft zusprach. Jefferson Wertschätzung des Studiums der Geschichte, die auch Adair (1964: 28; vgl. Eicholz 2001: 80) betont, spricht gegen die These Applebys (1982), der zufolge Jeffersons Blick stets in die Zukunft gerichtet gewesen sei, was seinen grundsätzlichen Optimismus bezüglich des Fortdauerns der jungen Republik zu erklären helfe. Anders als viele Zeitgenossen hätte er sich nicht am zyklischen Geschichtsverständnis des Republikanismus orientiert. Dieser These ist meines Erachtens nicht zuzustimmen. Zwar war Jefferson in der Tat weit optimistischer als manch einer seiner Weggefährten, er war sich aber andererseits der Gefahr, der sich republikanische Ordnungen ausgesetzt sahen, mehr als bewusst. Vgl. hierzu auch die weiter untenstehenden Überlegungen Jeffersons zur an-
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Die Wurzeln des Populismus
Die Forderung nach der Wiederholung des Verfassungsgebungsprozesses alle 19 Jahre speist sich demnach aus der freiheitsverbürgenden Funktion politischer Beteiligung. Da Gesellschaften Jefferson zufolge in ständiger Bewegung sind, sich ihre Zusammensetzung also permanent ändert, sei es unzulässig, Verfassungen und Gesetze zu erlassen, die von nachfolgenden Generationen nicht mehr geändert werden könnten. Der Zwangscharakter überzeitlich geltender Verfassungen wird für Jefferson nun noch einmal dadurch deutlich, dass sich auch die äußeren Umstände einer Gesellschaft von Generation zu Generation ändern, was zur Folge habe, dass Gesetze und Verfassungen, die zu einem Zeitpunkt X angemessen erschienen, ihren eigentlichen Zweck zum Zeitpunkt X1 unter Umständen nicht nur nicht länger erfüllen, sondern diesem gar zuwiderlaufen könnten.99 In einem Brief an Samuel Kercheval bringt Jefferson seine diesbezüglichen Überlegungen unter Rückgriff auf das Bild des sich entwickelnden Körpers wie folgt zum Ausdruck: »I know also, that laws and institutions must go hand in hand with the progress of the human mind. As that becomes more developed, more enlightened, as new discoveries are made, new truths disclosed, and manners and opinions change with the change of circumstances, institutions must advance also, and keep pace with the times. We might as well require a man to wear still the coat which fitted him when a boy, as civilized society to remain ever under the regimen of their barbarous ancestors.«100 Es sind also sowohl die sich ändernde Umwelt, als auch die sich beständig im Wandel befindende Zusammensetzung der konstituierenden Gewalt, die
gemessenen Ausbildung führender Staatsmänner. Zur generellen Bedeutung der Geschichte für das Verständnis der Gegenwart im Denken der revolutionären Kolonisten vgl. Banning (1980: 75). 99 Hiermit lässt sich Jefferson natürlich vor jeden beliebigen politischen Karren spannen. Ich denke gleichwohl, dass es sozioökonomische Entwicklungen gab, die Jefferson als mit republikanischen Verfassungen per se unvereinbar begriff. Man sollte Jefferson, mit anderen Worten, mit Blick auf seine Aussagen zu regelmäßig stattfinden Verfassungsgebungen nicht zu formalistisch lesen. 100 Brief an Samuel Kercheval vom 12. Juni 1816, in: TJW, X: 42f. Vgl. Peterson (1970: 103f.). An dieser Stelle fügt sich auch Jeffersons Skepsis gegenüber einer unkritischen Glorifizierung von Verfassungstexten ein. Bürger sollten Verfassungen nicht als »too scared to be touched« begreifen. Brief an Samuel Kercheval vom 12. Juni 1816, in: TJW, X: 42. Zur Bedeutung gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen hinsichtlich kollektiv geteilter Moralvorstellungen vgl. Helo (2014).
1. Das politische Denken Thomas Jeffersons
Jefferson dazu veranlassen, für eine regelmäßige Wiederholung des Verfassungsgebungsprozesses einzutreten.101 Würden Verfassungen über mehrere Generationen unhinterfragt bestehen, so wäre dies gleichbedeutend mit der Fremdbestimmung von Generation X1 durch Generation X. Liest man Jeffersons Überlegungen zu sich regelmäßig wiederholenden Verfassungsgebungen isoliert, kann durchaus der Eindruck entstehen, als habe der dritte Präsident der USA einen »remarkable enthusiasm for revolution« an den Tag gelegt (Young 2011: 384, Anm. 17). Tatsächlich bestand aber aus seiner Sicht zum einen kein Zwang zu regelmäßigen Verfassungsänderungen; zum anderen zeigt ein Blick auf ein zweites von radikaldemokratischen Interpreten häufig ins Feld geführte Beispiel, dass Jefferson hinsichtlich etwaiger Konflikte zwischen politischer Elite und einfacher Bürgerschaft keineswegs uneingeschränkt auf Seiten Letzterer stand. Jenes Beispiel betrifft die von ihm postulierte Notwendigkeit von in regelmäßigen Abständen sich ereignenden Aufständen. Es heißt bei Jefferson diesbezüglich, dass »the tree of liberty must be refreshed from time to time with the blood of patriots and tyrants. It is it’s natural manure.«102 Zweifellos brachte Jefferson dem als Shay’s Rebellion103 in die US-Geschichte eingegangenen Aufstand in Massachusetts deutlich mehr Sympathie entgegen als viele Weggefährten in den Reihen der politischen Eliten. Für seinen Antipoden Hamilton war die Shay’s Rebellion ein Beweis für die Notwendigkeit einer im wahrsten Sinne schlagkräftigen Zentralregierung104 und auch George Washington sah in dem Aufstand ein Indiz dafür, dass es um die Tugendhaftigkeit des gewöhnlichen Bürgers in den Vereinigten Staaten unter Umständen
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Ähnliche Überlegungen finden sich auch bei Thomas Paine. Vgl. hierzu Parrington (1930a: 333-335). 102 Brief an William Stephens Smith vom 13. November 1787, in: TJW, IV: 467. 103 Der Aufstand war ein Protest gegen die Schuldenlast von Kleinbauern im Hinterland von Massachusetts. Aufgrund der von Kontinentaleuropa angestoßenen Änderung der Zahlungs- und Kreditmodalitäten nach der Unabhängigkeit wurde die Verschuldung zum existentiellen Problem für viele. Zur Shay’s Rebellion vgl. Zinn (2013: 94-98) und Richards (2002). 104 Aufgrund dessen begrüßte Hamilton den Aufstand, da sie die von ihm präferierte Gewaltenteilung zwischen Zentral- und Einzelstaatsregierung in den Bereich des Notwendigen verschob. Vgl. Chernow (2004: 225). Aus identischen Gründen kam den Federalists die Whiskey Rebellion von 1794 gelegen, die in Pennsylvania von Bundestruppen niedergeschlagen wurde – aufgrund der numerischen Überlegenheit Letzterer ohne viel Blutvergießen. Vgl. hierzu Wilentz (2005a: 62-64).
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doch nicht so gut bestellt sein könnte, wie die Gründerväter dies angenommen hatten.105 Jefferson aufgrund seines Eintretens für regelmäßig abzuhaltende Verfassungskonvente und seine euphorisch anmutende Behandlung bürgerschaftlicher Aufstände zum uneingeschränkten Freund des gemeinen Bürgers und Anhänger der »reinen Demokratie« zu erklären, verkennt jedoch die Bedeutung, die Jefferson mit Blick auf Shay’s Rebellion den politischen Eliten beimisst. Es ist in diesem Zusammenhang hilfreich, Jeffersons Ausspruch vom mit Blut zu wässernden Freiheitsbaum ausführlicher zu zitieren: »The British ministry have so long hired their gazetteers to repeat and model into every form lies about our being in anarchy, that the world has at length believed them, the English nation has believed them, the ministers themselves have come to believe them, and what is more wonderful, we have believed them ourselves. Yet where does this anarchy exist? Where did it ever exist, except in the single instance of Massachusetts? And can history produce an instance of rebellion so honourably conducted? I say nothing of it’s motives. They were founded in ignorance, not wickedness. God forbid we should ever be 20 years without such a rebellion. The people cannot be all, and always, well informed. The part which is wrong will be discontented in proportion to the importance of the facts they misconceive. If they remain quiet under such misconceptions it is a lethargy, the forerunner of death to the public liberty.«106 Eine der radikaldemokratischen Lesart der Überlegungen Jeffersons entgehende und gleichwohl entscheidende Nuance zum Verständnis seines politischen Denkens ist Jeffersons Formulierung, der zufolge der Aufstand vor allem mit fehlenden Informationen auf Seiten der Aufständischen begründet wird. Sie seien nicht boshaft (»wickedness«), sondern lediglich unwissend (»ignorance«),107 was nicht verwundern könne, sei die notwendige Informiertheit zur sachgemäßen Entscheidung politischer Fragen für den gewöhnlichen Bürger oftmals schlicht nicht zu erlangen (»The people cannot be all, and always, well informed«).108 Spinnt man den ausgelegten Faden weiter, 105 Brief an Henry Knox vom 26. Dezember 1786, in: The Writings of George Washington. Being his correspondence, addresses, messages, and other papers, official and private. Herausgegeben von Jared Sparks. Boston 1834-1837, 225-228. 106 Brief an William Stephens Smith vom 13. November 1787, in: TJW, IV: 466f. Hervorh., T.M. 107 Diese Position war in den Reihen der politischen Eliten der Early Republic weit verbreitet (vgl. Edling 2003: 26). 108 Vgl. auch Yarbrough (1998: 144).
1. Das politische Denken Thomas Jeffersons
dann haben die von Jefferson befürworteten Aufstände aus Sicht der Aufständischen vor allem den Zweck, den politischen Eliten zu signalisieren, dass sie mit getroffenen Entscheidungen nicht einverstanden sind, wobei die Eliten ihrerseits mit besserer Aufklärung zu antworten haben.109 Es geht Jefferson nicht darum, der gewöhnlichen Bürgerschaft die Initiative in Fragen mit nationaler Reichweite zu übertragen.110 Was ihnen zukommt, ist vielmehr eine »monitoring role« (Staloff 2009: 135; vgl. Tessitore 2003: 134) und regelmäßige Aufstände signalisieren, dass dieser Rolle nachgekommen wird; sie bedeuten aber nicht, dass die Masse die Sachverhalte tatsächlich durchschaut.111 In der Regel dürfte sie dies jenseits der kommunalen Ebene aus Jeffersons Perspektive eher nicht tun, wobei der Grund hierfür in einer Art Stufenmodell der politischen Kompetenzen zu finden ist, das sich nur begreifen lässt, wenn
109 Mit Blick auf die ersten Schritte hin zur Etablierung parteipolitischer Strukturen nach der Revolution bemerkt Sean Wilentz vor diesem Hintergrund treffend, dass es den Oppositionskräften um Jefferson und Madison darum gegangen sei, die »misinformed citizens« darüber aufzuklären, dass ihre Wahlentscheidung für die Federalists – die den von den einzelstaatlichen Parlamenten gewählten Senat »by a wide margin« dominierten – ihren Interessen in Wahrheit entgegenstünden. Dieser Aufklärungsprozess hatte »top down« zu erfolgen, was die »gentry politics« von ihren basisdemokratischeren Alternativen – den seit den frühen 1790er Jahren sprießenden »Democratic-Republican societies« – unterschied (Wilentz 2005a: 53-57). 110 Für diese Lesart spricht auch, dass den gewöhnlichen Bürgern in der Regel nur die einfache Ja-Nein-Stellungnahme zu ausgearbeiteten Reformvorhaben zugestanden wurde (vgl. Matthews 1984: 85). 111 Wie traditionell ein solches Verständnis eigentlich war, verdeutlicht ein Blick in Gordon Woods The Radicalism of the American Revolution (1991: Teil 1). Wood skizziert hier eindrücklich, dass Aufstände des gewöhnlichen Volkes von den Eliten in aller Regel geduldet wurden, weil sie eine akzeptable Ausdrucksform politischer Präferenzen der einfachen Bürger waren, die die grundsätzliche Aufgabenteilung zwischen Eliten und Volk nicht in Frage stellten.
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man Jeffersons häufig vernachlässigte Überlegungen112 zur politischen Elite berücksichtigt. Dass es im Normalfall Missverständnisse und nicht etwa Missstände sind, die Jefferson zufolge zu regelmäßig stattfindenden Aufständen führen, verweist auf die hohe Qualität, die er den Entscheidungen der politischen Repräsentanten zuspricht.113 Und dies lässt wiederum vermuten, dass es nicht damit getan sein kann, Jefferson als antielitären Geist zu porträtieren, dem die meritokratischen Prinzipien des zeitgenössischen politischen Denkens fremd waren. Ein Blick auf Jeffersons Überlegungen zur politischen Bestenauslese als Lösung des Problems der notwendigen Repräsentation in moderen Flächenstaaten hilft unter anderem auch zu verstehen, warum Jefferson die Federalist Papers trotz seiner persönlichen Animositäten gegenüber Hamilton als eine herausragende Abhandlung bezeichnete und warum Madison – wahrlich kein Freund der direktdemokratischen Selbstregierung – bis zu Jeffersons Tod der engste politische Wegbegleiter des ›Weisen aus Monticello‹ bleiben sollte.114 Ich hatte weiter oben bereits darauf hingewiesen, dass Jefferson keineswegs ein Anhänger dessen war, was die Autoren der Federalists Papers und namentlich Madison in seinem berühmten Federalist, Nr. 10 als »reine Demokratie« bezeichnete, also jener Formen politischer Herrschaft, in denen der 112
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So meint beispielsweise Jean M. Yarbrough (1998: 103), dass »Jefferson devotes much more of his efforts to forming the character of the citizens than he does to thinking about the distinctive virtues republican statesmen should possess.« Diese Einschätzung ist zweifellos richtig, gleichwohl meine ich, dass auch ein Blick auf die Ausführungen zu den politischen Amtsträgern notwendig ist, um ein angemessenes Bild des politischen Denkens Jeffersons zu zeichnen. Eine überzeugende Erklärung für das Ungleichgewicht in Jeffersons Überlegungen liefert Daniel Boorstin. Boorstin zufolge waren »society« und »institutions« in Jeffersons Denken zwei getrennte Sphären, von denen Letztere mit dem menschlichen Makel behaftet war, wohingegen Erstere Ausdruck göttlichen Wirkens war, denn der Schöpfer wäre ein »pitiful bungler« gewesen, wenn er die Menschen nicht so geschaffen hätte, dass sie ohne eigenes Zutun miteinander zu leben im Stande gewesen wären. Aufgrund jener Abwertung politischer Institutionen, so Boorstin, »it is not surprising that Jeffersonian thought did not apotheosize the statesman« (Boorstin 1960: 188). Die Aufstände können lediglich als Reaktion auf Entscheidungen zustandekommen, die auf übergeordneter Ebene getroffen wurden und somit nicht innerhalb der ward republics. Das von Jefferson gegebene Beispiel der Shay’s Rebellion fügt sich in diese Lesart ein. Zum Verhältnis von Madison und Jefferson vgl. klassisch Koch (1950) und überblicksartig Gordon-Reed (2009).
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Volkswille ungefiltert, genauer, ohne die Verfeinerung durch das Walten politischer Repräsentanten zum Tragen kommen sollte. Jefferson hat, ganz im Gegenteil, keine prinzipiellen Bedenken gegen repräsentative Institutionen. In einem Brief an John Taylor vom 28. Mai 1816 bezeichnet er das Repräsentantenhaus als »[t]he purest republican feature in the government of our own state […]. The senate«, so Jefferson weiter, »is equally so the first year, less the second, and so on. The Executive still less, because not chosen by the people directly. The Judiciary seriously anti-republican, because for life; and the national arm wielded, as you observe, by military leaders, irresponsible but to themselves.«115 An John Adams schrieb Jefferson am 28. Oktober 1813 darüber hinaus, dass »that form of government is best which provides most effectually for a pure selection of these natural aristoi into the offices of government.«116 Anti-republikanisch ist demnach keineswegs die politische Repräsentation als solche, sondern lediglich jene, die sich aufgrund fehlender Rechenschaftspflichten von ihrer zu repräsentierenden Basis entfernt oder aber nicht dazu angetan ist, die fähigsten Männer in die politischen Ämter zu bringen. Von einem Lobgesang direktdemokratischer Entscheidungsfindungsprozesse auf Bundesebene kann in diesem Zusammenhang sicherlich nicht gesprochen werden (vgl. Ellis 1973: 94). Jefferson, selbst Teil der nordamerikanischen Elite, war durchaus nicht bestrebt sich und seinem sozialen Rang die natürliche Befähigung zur politischen Regierung abzusprechen (vgl. Isenberg 2016: 86f.); er wollte diese jedoch gemäß den meritokratischen Prinzipien des republikanischen Denkens nicht auf Abstammung und Geburt gründen, wie dies in monarchischen Systemen der Fall war, sondern auf der Leistung des Einzelnen. Hieraus entsponn sich die von Jefferson vorgenommene Unterscheidung zwischen der »natural« und der »artificial aristocracy« sowie ein Stufenkonzept politischer Kompetenzen, die sein Eintreten für weitgehende Selbstregierung auf unterer Ebene einerseits und seine Befürwortung repräsentativer Institutionen auf übergeordneter Ebene andererseits in Einklang zu setzen hilft.
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Brief an John Taylor vom 28. Mai 1816, in: FO (https://founders.archives.gov/documents/Jefferson/03-10-02-0053 ). Jeffersons in späteren Jahren immer größer werdende Skepsis gegenüber der Judikative ist meines Erachtens nicht so sehr auf deren Eigenständigkeit gemäß der Gewaltenteilungslehre zurückzuführen als vielmehr darauf, dass die obersten Richter, waren sie einmal im Amt, dem Einfluss des Bürgerwillens vollständig entzogen waren (vgl. Parrington 1930a: 353). Brief an John Adams vom 28. Oktober 1813, in: TJW, IX: 426.
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Wenngleich Jeffersons Hauptaugenmerk, wie auch die hiesigen Ausführungen deutlich zeigen, auf der Beschaffenheit und Entwicklung des gewöhnlichen Bürgers lag, war ihm doch auch an der Konstitution der politischen Elite gelegen. Wie wichtig diese war, verdeutlichen Jeffersons Aussagen, denen zufolge die Hauptaufgabe der University of Virginia nicht etwa die Bildung der breiten Masse war; im Gegenteil: den Zweck der Universität sah Jefferson darin, »to form the statesmen, legislators, and judges« des Landes, indem deren »reasoning faculties«, ihre »morals« sowie ihre Verpflichtung auf »virtue« und »order« gefördert würden.117 Als leitendes Prinzip sollte in diesem Zusammenhang die Förderung des Wohlergehens der anderen, also des Gemeinwesens gelten, die Tugend der politischen Amtsinhaber bestand demnach in der Selbstlosigkeit (vgl. Yarbrough 1998: 142). Um dieses sehen zu können, waren jedoch zwei Voraussetzungen nötig: Zum einen die stetige Kultivierung des jedem Menschen innewohnenden moral sense durch praktische Betätigung im öffentlichen Raum und zum anderen eine weit überdurchschnittliche Qualität jenes Sinnes. Diese beiden notwendigen Bedingungen schließen sich keineswegs aus, wie man auf den ersten Blick annehmen mag. Auch im Bereich des körperlichen Wettkampfs ist es aufgrund der natürlichen physischen Begenheiten zwar jedem möglich, die eigenen Fähigkeiten durch hartes Training zu steigern, es ist jedoch nur den wenigsten gegeben mit Hilfe dauerhafter Übung zur Spitze der Wettkampf Treibenden zu stoßen. Was dem Wettkampf der Ausnahmeathlet, sind für Jefferson der Politik die »natural aristoi«.118 Deren Merkmale seien angesichts technischer Neuerungen, die der Überlegenheit einer Bevölkerungsgruppe über eine andere auf Grundlage physischer Kräfteverhältnisse ein Ende bereitet hätten, »virtue and talents.«119 Demgegenüber – das abschreckende Beispiel waren die 117
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Report of the Commissioners for the University of Virginia vom 14. August 1818, in: EJ: 67f. Vgl. zur Bedeutung der Universität für die Ausbildung der politischen Eliten Staloff (2009: 130f.). Für wie zentral Jefferson selbst sein Engagement für die Ausgestaltung der Universität hielt, verdeutlicht die Tatsache, dass es auf seinen eigenen Wunsch als eine von nur drei Tätigkeiten auf seinem Grabstein festgehalten wurde (vgl. Remini 2008: 46). Zum Konzept der »natural aristoi« während der nordamerikanischen Revolutionszeit vgl. Morgan (1988: 248f.). Brief an John Adams vom 28. Oktober 1813, in: TJW, IX: 425. Das Eintreten für eine umfassende Chancengleichheit fand in Nordamerika im ausgehenden 18. Jahrhundert große Zustimmung. Mit der Forderung nach Gleichheit wollte man zur damaligen Zeit keineswegs jedwede soziale Hierarchie unterminieren; »[r]ather it was considered to be an ›equality, which is adverse to every species of subordination beside that which
1. Das politische Denken Thomas Jeffersons
Feudalsysteme Kontinentaleuropas – fände sich jedoch in jeder Gesellschaft auch eine künstliche Aristokratie, »founded on wealth and birth, without either virtue or talents«120 . Für Jefferson war das Wohl der Republik im Großen nun davon abhängig, dass jene »natural aristoi« die höchsten Staatsämter ausfüllten und dort ihre Talente zum Wohle aller einbrachten. Damit nun die natürlichen »aristoi« den ihnen gebührenden Platz an der Spitze der Gesellschaft einnehmen konnten, musste ein System etabliert werden, dass die Talente und Tugenden der Bürger auch tatsächlich zu erkennen im Stande war. Zwar waren die Bürger dazu in der Lage, die am besten geeignetsten Mitbürger in die politischen Führungspositionen zu wählen, es musste jedoch dafür Sorge getragen werden, dass sich die Fähigsten auch tatsächlich zur Wahl stellten.121 Ein flächendeckendes Förderungssystem für arises from the difference of capacity, disposition, and virtue.« (Wood 1998: 71; vgl. Becker 1943: 695) Dass die nordamerikanischen Kolonien von Beginn an ein Ort der sozialen Gleichheit waren, ist ohnehin eine nicht zu haltende Auffassung. Wie beispielsweise Richard J. Ellis gezeigt hat, war ungleich verteilter Wohlstand in den frühen Kolonien ebenso charakteristisch wie akzeptiert und auch für das Alltagsleben waren hierarchische Strukturen typisch: Die Sitzordnung beim gemeinschaftlichen Abendessen war ebenso klar hierarchisiert wie jene beim Kirchenbesuch, die Kleidung des einfachen Mannes unterschied sich, wenngleich weniger offensichtlich als in Europa, von derjenigen der sozial höher stehenden Teile der Siedlergemeinschaft, kurz: die Kolonisten »carefully preserved the social distinctions between lesser gentry, yeomanry and cottagers« (Ellis 1993: 8; vgl. Breen 1966: 282). 120 Brief an John Adams vom 28. Oktober 1813, in: TJW, IX: 425. 121 Seinem Vertrauen in die Fähigkeiten des gewöhnlichen Bürgers entsprechend, meinte Jefferson, dass »the best remedy [against mischiefs; T.M.] is exactly that provided by all our constitutions, to leave to the citizens the free election and separation of the aristoi from the pseudo-aristoi […]. In general they will elect the really good and wise.« Brief an John Adams vom 28. Oktober 1813, in: TJW, IX: 426. Demgegenüber steht eine vergleichsweise überraschende Überlegung, die Jefferson in einem Brief an James Madison anstellt, und der zufolge die direkte Wahl des Repräsentantenhauses vermutlich eine Kammer hervorbringen würde, die »will be very illy qualified to legislate for the Union, for foreign nations etc.«. Brief an James Madison vom 20. Dezember 1787, in: TJW, IV: 475. Eine mögliche Auflösung jenes vermeintlichen Widerspruchs könnte wiederum im ward-System liegen. Ohne jenes wäre die direkte Wahl nationaler Amtsträger aufgrund dessen schwierig, dass das Elektorat die Qualität der zur Wahl stehenden aufgrund mangelnder Informationen nicht würde einschätzen können, wodurch Demagogen die Möglichkeit erhalten würden, sich die Gunst der Wähler zu erschmeicheln. Das ward-System würde hier Abhilfe schaffen, weil es einen Selektionsmechanismus für die sich zur Wahl Stellenden darstellt, wodurch auch auf nationaler Ebene letztlich qualifizierte Bewerber ausgewählt würden.
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die begabtesten Schüler sollte zunächst deren bestmögliche Ausbildung sicherstellen. Im Rahmen seines ward-Systems formulierte Jefferson diese Idee wie folgt: »[G]et them [the wards; T.M.] to meet and build a log school-house. Have a roll taken of the children who would attend it, and of those of them able to pay. These would probably be sufficient to support a common teacher, instructing gratis the few unable to pay.«122 Sollte die grundständige Ausbildung aller männlichen ward-Bewohner auf diese Weise gesichert werden, so folgte die Idee der Bestenauslese ähnlichen Überlegungen: »to provide for the annual selection of the best subjects from these [ward-]schools, who might receive, at the public expense, a higher degree of education at a district school; and from these district schools to select a certain number of the most promising subjects, to be completed at a University, where all the useful science should be taught.«123 Auf diese Weise wäre im ganzen Staatsgebiet ein System etabliert worden, dass die tugendhaftesten und talentiertesten Bürger ausgewählt und dafür hätte sorgen können, dass die künstliche Aristokratie nicht aus den falschen Gründen die Gunst der Bevölkerung auf sich hätte vereinigen können.124 Die höhere Ausbildung sollte hiernach dafür sorgen, dass die angehenden Staatsmänner umfassendes Wissen vermittelt bekämen, um der ihnen übertragenden Verantwortung nachkommen zu können. Gemäß Jeffersons eigenen, weit gestreuten Interessen125 sollte jene Ausbildung Instruktionen im Bereich der Regierungslehre ebenso enthalten wie Unterrichtungen in Mathematik und Physik. Neben der reinen Wissensvermittlung war Jefferson an der Charakterschulung der politischen Führungspersönlichkeiten gelegen, sodass er die Liste der zu vermittelnden Kompetenzen mit dem Verweis auf die Formung der »habits of reflection and correct action« schließt, die die »natural aristoi« zu Beispielen der Tugendhaftigkeit »and of happiness within themselves« machen sollte.126
122 Brief an Joseph C. Cabell vom 2. Februar 1816, in: PW: 204. 123 Brief an John Adams vom 28. Oktober 1813, in: TJW, IX: 427. 124 Brief an John Adams vom 28. Oktober 1813, in: TJW, IX: 424-430. Ähnlich Notes on the State of Virginia, in: TJW, III: 254. Vgl. zu diesem Konzept Honeywell (1969: 67f.), der auch auf die rudimentären Ansätze eines Stipendiensystems in Jeffersons Konzeption eingeht. 125 Jeffersons persönliche Bibliothek war überregional bekannt und »encompassed all fields of inquiry« (Sheldon 1991: 127). 126 Report of the Commissioners for the University of Virginia vom 14. August 1818, in: EJ: 67.
1. Das politische Denken Thomas Jeffersons
Die bisherigen Ausführungen zeichnen ein komplexeres, wenngleich nicht notwendigerweise widersprüchlicheres Bild von Jeffersons politischem Denken als dies angesichts vermeintlicher Grabenkämpfe zwischen aristokratischen Republikanern und reinen Demokraten in der Literatur bisweilen geschieht.127 Sicherlich war Jefferson hinsichtlich der Selbstregierungsfähigkeiten des gewöhnlichen Bürgers weitaus optimistischer als die elitäreren Anhänger der Federalists; ihn als Anhänger dessen zu porträtieren, was letztere als »reine Demokratie« bezeichneten, geht aber schon aufgrund dessen fehl, dass Jefferson sich der Notwendigkeit politischer Repräsentation vollends bewusst war. Darüber hinaus war das Eintreten für die politische Repräsentation kein argumentatives Feigenblatt zur Besänftigung der aristokratisch gesinnten Federalists. Jefferson befürwortete keineswegs, dass der gewöhnliche Bürger ohne weitere Qualifikationen in höchste Staatsämter gelangen sollte. Für die Förderung der »publick happiness« war es vielmehr notwendig, dass »those persons whom nature hath endowed with genius and virtue« in jene Ämter gebracht würden, die es ihnen erlaubten, »to guard the sacred deposit of the rights and liberties of their fellow citizens«.128 Die höchsten Staatsämter sollten die Besten und Talentiertesten bekleiden, die es in einem mehrstufigen Auswahlverfahren hervorzubringen galt. Das erwähnte Stufenmodell politischer Kompetenzen lässt sich wie folgt zusammenfassen: Auf der für Jefferson wichtigsten Stufe der lokalen und kommunalen Selbstregierung genügte der einem jeden Menschen innewohnende moral sense zusammen mit der flächendeckenden grundständigen Bildung129 zur direkten kollektiven Entscheidungsfindung. Durch das alltägliche Miteinander innerhalb der dorfähnlichen ward-Gemeinschaften wurde jener Gerechtigkeitssinn fortwährend kultiviert, der die für gemeinwohlfördernde Entscheidungen notwendige Perspektivübernahme im Kleinen ermöglichte. Dass jene Kleinstrepubliken trotz ihrer überschaubaren Kompetenzen eine Zentralstellung in Jeffersons republikanischer Vorstellungswelt einnehmen, basiert auf dem Prinzip der Volkssouveränität, demzufolge auch die übergeordneten Amtsträger auf die Legitimation durch die wahlberechtigten Bevölkerungsteile angewiesen waren. Diese sollten zum einen von einem republikanischen Geist beseelt werden, der es einem anti-republikanischen Usurpator unmöglich machen sollte, die politische Herrschaft gewaltsam an sich zu
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Vgl. zur Problematik jenes Unterscheidungskriteriums Edling (2003). A Bill for the more general Diffusion of Knowledge (1779), in: TJW, II: 221. Vgl. hierzu auch Pleasants (1956: 477).
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reißen; zum anderen sollten sie verhindern, dass die falschen Männer qua Wahl in die höchsten Ämter des Staates aufsteigen konnten. Die Sorge um die Elitengenese war das eine, diejenige um deren angemessene Selektion das andere. In jedem Fall nahm die politische Involviertheit der Bürger proportional zur von den politischen Entscheidungen betroffenen Fläche ab. Innerhalb der kleinräumigen ward republics sollten die Bürger an allen wesentlichen politischen Entscheidungen direkt beteiligt werden, auf überkommunaler Ebene aber lediglich die politischen Repräsentanten wählen und deren Verhalten kritisch beobachten. Wahlberechtigt sollten hierbei tatsächlich möglichst viele weiße Männer sein, da die Wahrscheinlichkeit einer Irreführung respektive Korruption des Elektorats disproportional zu dessen Größe sank. »The influence over government must be shared among all the people. If every individual which composes their mass participates of the ultimate authority, the government will be safe; because the corrupting the whole mass will exceed any private resources of wealth; and public ones cannot be provided but by levies on the people.«130 Wie im nächsten Abschnitt deutlich wird, waren Jeffersons Vorschläge zu einer Ausweitung des Wahlrechts durchaus als radikal zu bezeichnen. Wenn das Elektorat als »best bloodhound against tyrants« (Boorstin 1960: 192; vgl. Onuf 2012: 407) fungieren konnte, dann galt es, möglichst viele Bluthunde auf die Fährte zu setzen. Sollte es den »artificial aristoi« also entgegen der angestrebten Wirkungsweise der Bestenauslese doch gelingen, nach der politischen Macht zu streben, so sollte das Elektorat eine im quantitativen Sinne größtmögliche Hürde für dieses Unterfangen darstellen. Dass die gewöhnlichen Bürger keine hierüber hinausgehende Rolle im politischen Entscheidungsfindungsprozess jenseits der lokalen Ebene spielen sollten, ist meines Erachtens auf ihren notwendigerweise fehlenden Weitblick zurückzuführen, der es ihnen nicht gestattete die Interessen all jener zu berücksichtigen, mit denen sie nicht in direktem Austausch standen.131 Dass die Außenpolitik exklusiv von den aus Wahlen hervorgegangenen nationalen Eliten betrieben werden sollte, passt zu dieser Lesart, bedurfte es für 130 Notes on the State of Virginia, in: TJW, III: 254. 131 Hinsichtlich der Befähigung einfacher Bürger zur Bekleidung der höchsten Staatsämter klassifiziert er Erstere als »being unqualified for the management of affairs requiring intelligence above the common level.« Allerdings seien sie »competent judges of human character« und daher »they chose […] representatives, some by themselves immediately, others by electors chosen by themselves.« Brief an P.S. Dupont De Nemours vom 24. April 1816, in: TWJ, X: 22f.
1. Das politische Denken Thomas Jeffersons
jene doch nicht lediglich des Blickes über den persönlichen Tellerrand hinaus, sondern eine beinahe globale Perspektive, die mehr erforderte als den ohnehin nicht möglichen direkten Kontakt zu den Bürgern anderer Weltregionen. Hier brauchte es weniger emotio und mehr ratio, weniger »heart« und mehr »head«. Jenes Stufenmodell spiegelt sich auch in der von Jefferson vorgenommenen Unterscheidung zwischen »primary« und »higher branches of education« wider.132 Der flächendeckend zu institutionalisierenden »primary education« kamen in Jeffersons Vision folgende Aufgaben zu: »To give to every citizen the information he needs for the transaction of his own business; To enable him to calculate for himself, and to express and preserve his ideas, his contracts and accounts, in writing; To improve, by reading, his morals and faculties; To understand his duties to his neighbors and country, and to discharge with competence the functions confided to him by either; To know his rights; to exercise with order and justice those he retains; to choose with discretion the fiduciary of those he delegates; and to notice their conduct with diligence, with candor, and judgment; And, in general, to observe with intelligence and faithfulness all the social relations under which he shall be placed.«133 Der höheren Bildung, die den »statesmen, legislators, and judges« zuteilwerden sollte, fielen demgegenüber die Aufgaben zu: »To expound the principles and structure of government, the laws which regulate the intercourse of nations, those formed municipally for our own government, and a sound spirit of legislation, which, banishing all arbitrary and unnecessary restraint on individual action, shall leave us free to do whatever does not violate the equal rights of another; To harmonize and promote the interests of agriculture, manufactures and commerce, and by well informed views of political economy to give a free scope to the public industry;
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Report of the Commissioners for the University of Virginia vom 14. August 1818, in: EJ: 66f. Report of the Commissioners for the University of Virginia vom 14. August 1818, in: EJ: 66f.
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To develop the reasoning faculties of our youth, enlarge their minds, cultivate their morals, and instill into them the precepts of virtue and order; To enlighten them with mathematical and physical sciences, which advance the arts, and administer to the health, the subsistence, and comforts of human life; And, generally, to form them to habits of reflection and correct action, rendering them examples of virtue to others, and of happiness within themselves.«134 Wenngleich nicht vollständig trennscharf, so fällt hinsichtlich der vorgeschlagenen Aufgabenteilung doch auf, dass sich die »primary education« vornehmlich auf die Vermittlung notwendiger Fähigkeiten zur aktiven Gestaltung des persönlichen Nahbereiches beschränkt und mit Blick auf größere Organisationszusammenhänge lediglich die Befähigung zur Beobachtung und Kontrolle des Schaffens anderer erlangt werden soll. Bereits in den Notes on the State of Virginia hatte Jefferson der grundständigen Bildung die Vermittlung moralischer Grundsätze überantwortet, »such as […] may teach them [the pupils; T.M.] how to work out their own greatest happiness«.135 Mit Blick auf die übergeordneten Belange der Nation ging es vor allem darum, die »people« zu den »ultimate guardians of their liberty« zu machen, in dem sie dazu befähigt würden, »actions and designs of men« zu bewerten, »ambition under every disguise« zu erkennen und zu verhindern, dass ungeeignete, »artificial aristoi« politische Ämter besetzten.136 Den »higher branches« kommt demgegenüber eine Kompetenzvermittlung zu, die deutlich stärker auf die Gestaltung des nicht mehr persönlich erfahrbaren Raumes abzielt. Geht es der »primary education« beispielsweise um die Informationen, die der Einzelne »for the transaction of his own business« benötigt, sollen dem angehenden Staatsmann die Fähigkeiten vermittelt werden, derer er bedarf, »to harmonize and promote the interests of agriculture, manufactures and commerce«. Es waren zur Führung eines Flächenstaates demnach andere, der breiten Masse gerade nicht zugängliche Fähigkeiten nötig, als im Hinblick auf die individuelle und kommunale Bewältigung des alltäglichen Lebens. Der Blick für das große Ganze konnte über die alltäglichen Begegnungen innerhalb bereits
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Report of the Commissioners for the University of Virginia vom 14. August 1818, in: EJ: 67. Notes on the State of Virginia, in: TJW, III: 253. Hervorh., T.M. Notes on the State of Virginia, in: TJW, III: 254.
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weitestgehend harmonischer Personengruppen nicht erlangt werden (vgl. Peterson 1970: 98).137 An dieser Stelle waren die politischen Eliten gefragt, deren besondere Fähigkeiten es ihnen erlauben sollte, die Geschicke der Republik im Sinne des Gemeinwohles zu lenken und dementsprechend einen Zustand gesamtgesellschaftlicher Harmonie herbeizuführen, den Jefferson im Rahmen seiner ersten Amtsantrittsrede mit den viel zitierten Worten »We are all republicans: we are all federalists« umschrieben hatte.138 Die bis zu diesem Punkt wesentlichen Eckpfeiler des politischen Denkens Jeffersons, insbesondere der durch die kleinräumige Organisation der Republik möglich gewordene direkte Austausch zwischen den Bürgern mitsamt seinen Limitationen, werden auch im nächsten Abschnitt, der sich den politökonomischen Vorstellungen annimmt, eine tragende Rolle spielen. Zudem wird die Wichtigkeit einer auf dauerhaft friedliche Handelsbeziehungen ausgerichteten Außenpolitik und deren Verhältnis zum von Jefferson anvisierten »frugal government« herausgearbeitet.
1.2.4
Jeffersons politische Ökonomie
Das ökonomische als Teil des politischen Denkens zu klassifizieren, mag aus heutiger Perspektive nicht selbstverständlich erscheinen, im 18. Jahrhundert handelte es sich bei Wirtschaftsfragen aber immer auch um politische Angelegenheiten, die politische Ökonomie war tatsächlich noch eine politische Ökonomie. »Before ›economics‹ achieved the dubious status of pure science«, so Drew McCoy, »it was not common practice to separate economics and ethics.« (McCoy 1980a: 6; vgl. Adair 1964: 7; Edling 2012: 439). Auch für Jefferson zählten die ökonomischen Verhältnisse, das Wie und das Was der kollektiven (Re)Produktion, zu den entscheidenden Umweltfaktoren, die einer republikanischen Ordnung dienlich sein konnten oder aber diese zu unterminieren in der Lage waren.
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Sehr anschaulich wird dies am Beispiel des Unverständnisses Jeffersons ob der Tatsache der Einrichtung von gleich vier Handelshäfen in seinem Heimatstaat Virginia, in dem seiner Ansicht nach zwei Häfen vollkommen ausreichend gewesen wären. Bedauerlicherweise hätte politisches Kalkül – und dies meint hier eben die Befriedigung lokaler Interessen – einer wahrhaft rationalen Entscheidungsfindung im Weg gestanden (vgl. Gish/Klinghard 2017: 186). Vgl. hierzu auch das Verständnis politischer Repräsentation bei den Anti-Federalists wie es von Johnson (2004) diskutiert wird. Inaugural Address vom 4. März 1801, in: TJW, VIII: 3.
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Eine erste offensichtliche Verbindung zwischen im engeren Sinne ökonomischen Fragen und der politischen Ordnung findet sich mit Blick auf die Besitzverhältnisse. Privatbesitz war für Jefferson ein notwendiger Bestandteil der persönlichen Unabhängigkeit. Nur wenn der einzelne Bürger sein Leben in materieller Unabhängigkeit fristen konnte, war er auch dazu in der Lage, unabhängige öffentliche Entscheidungen zu treffen. Die zahlreichen Gesetzesinitiativen, die Jefferson in seinem Heimatstaat Virginia einbrachte139 und die die Konzentration des Besitzes in wenigen Händen vermeiden helfen sollten, sind hierfür ebenso deutliches Indiz wie ein Brief an Rev. James Madison, in dem es heißt, dass »[l]egislators cannot invent too many devices for subdividing property«.140 Der springende Punkt an letzterer Aussage ist jedoch entgegen radikalerer Interpretationen – beispielsweise jener von Michael Hardt (2007) angebotenen, die in Jefferson einen protosozialistischen Denker auszumachen können glaubt – nicht Jeffersons vermeintliches Eintreten für weitreichende Regierungsinterventionen. Jefferson bezieht jene Forderung, wie Jean Yarbrough (1998: 96) zurecht bemerkt, auf die exorbitanten materiellen Ungleichheiten im vorrevolutionären Frankreich, das er während seiner Zeit in Paris kennengelernt hatte und die mit der Situation in den USA keineswegs vergleichbar waren: »[F]rom Savannah to Portsmouth you will seldom meet a beggar. In the larger towns indeed they sometimes present themselves. These are usually foreigners, who have never obtained a settlement in any parish. […] I never yet saw a native American begging in the streets or highways.«141 Darüber hinaus lässt Jefferson keinerlei Zweifel daran aufkommen, dass ihm nicht an der Herstellung materieller Gleichheit gelegen sei, »an equal division of property« bezeichnet er als schlicht »impracticable«. Lediglich die Verhinderung zu großer Wohlstandsdisparitäten hielt er über die Abschaffung des Erstgeborenenrechts, also die gleichmäßige Aufteilung vererbbaren Landbesitzes auf alle Kinder, für praktikabel.142
139 Hierzu ausführlich Peterson (1970: 97-158). 140 Brief an Rev. James Madison vom 28. Oktober 1795, in: TJW, VII: 35. Vgl. hierzu Griswold (1946: 678f.). 141 Notes on the State of Virginia, in: TJW, III: 239. Vgl. Dorfman (1940: 102) und Ders. (1966a: 434f.). 142 Brief an Rev. James Madison vom 28. Oktober 1795, in: TJW, VII: 35f. Die von Jefferson ebenfalls angesprochene progressive Besteuerung bezog sich lediglich auf die Besteuerung von Luxusgütern, die vornehmlich die Wohlhabenden treffen würde. Brief an M. Dupont de Nemours vom 15. April 1811, in: TJW, IX: 321. Sie ist daher nicht mit un-
1. Das politische Denken Thomas Jeffersons
Es ist offensichtlich, dass sich Jefferson mit seiner Assoziierung materieller Unabhängigkeit und politischer Freiheit auf dem Boden des politischen Denkens seiner Zeit bewegte.143 Dass der politischen eine materielle Unabhängigkeit zu entsprechen hatte, war beinahe ein Gemeinplatz, freilich ohne dass hieraus auch nur ansatzweise identische Schlussfolgerungen gezogen wurden. Für die einen war die nicht zu verwirklichende materielle Unabhängigkeit jedes Einzelnen ein schlagendes Argument für die politische Ungleichheit – wer materiell in Abhängigkeit verharrte, konnte politisch keine Entscheidungen mit Gemeinwohlbezug auf den Weg bringen –, andere wollten sich jener vermeintlichen Unausweichlichkeit nicht fügen und traten nach dem Erreichen formaler politischer Gleichheit für die Angleichung der sozioökonomischen Verhältnisse ein. Jeffersons diesbezügliche Überlegungen thematisieren jene traditionelle Wechselwirkung zwischen materieller und politischer Unabhängigkeit, zielen in ihrer Gesamtheit jedoch vor allem auf die Auswirkungen, die je unterschiedliche ökonomische Ordnungen auf den Charakter der Bürger haben könnten. Bezüglich jenes Themenfeldes wird womöglich am deutlichsten, warum Jefferson in einem Brief an Samuel Kercheval den US-amerikanischen »republicanism […] merely in the spirit of our people« verortet.144 Zunächst jedoch schloss sich Jefferson dem klassischen Diktum an, dem zufolge dem republikanischen Geist eine materielle Unabhängigkeit entspreche (vgl. Paret 1993: 11f.). In diesen Zusammenhang ist auch Jeffersons berühmte Aussage zu verorten, der zufolge »[t]hose who labour in the earth are the chosen people of God, if ever he had a chosen people, whose breasts he has made his peculiar deposit for substantial and genuine virtue.« Zu den Auserwählten zählen die landbesitzenden Farmer für Jefferson zunächst einmal, weil sie aufgrund der Erschaffung ihrer eigenen Lebensgrundlage nicht in Abhängigkeiten materieller Art geraten konnten.145 Dies erklärt auch Jeffersons ursprüngliche Ablehnung der Förderung des Manufakturwesens, serem heutigen Verständnis progressiver Steuersätze zu verwechseln (vgl. Yarbrough 1998: 97f.). 143 Diesbezügliche Debatten wurden sowohl in den Kolonien (vgl. Morgan 1988: 249f.), als auch in der de facto verfassungsgebenden Versammlung 1787 (vgl. Wilentz 2005a: 33) geführt. 144 Brief an Samuel Kercheval vom 12. Juli 1816, in: TJW, X: 39. Hervorh., T.M. Vgl. auch Notes on the State of Virginia, in: TJW, III: 269. 145 Es geht hier dementsprechend nicht um Tugendhaftigkeit durch Askese. Wie Joyce Appleby richtigerweise feststellt, lehnte Jefferson die Reichtumskonzentration und die
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die seinem politischen Gegenüber Hamilton vorschwebte. Für Jefferson war die Verbreitung der Lohnarbeit mit einer dauerhaft stabilen republikanischen Ordnung schlicht nicht vereinbar.146 Jefferson »anticipated the charge […], that working for hire represented a diminished form of liberty, tentamount to ›wage slavery‹.« (Katz 2003: 2) Paradigmatisch heißt es diesbezüglich in den Notes on the State of Virginia: »While we have land to labor, then, let us never wish to see our citizens occupied at a workbench, or twirling a distaff.«147 Ebenso fügt sich in dieses Bild Jeffersons Eintreten für eine besitz- und nicht etwa einkommensbezogene Einschränkung des Wahlrechts in Virginia ein, das er freilich um die Forderung ergänzte, jeden Bürger mit genau jenen »25 acres« Land auszustatten, die ihm als Wahlzugangshürde vorschwebten (vgl. Appleby 1982: 294; Peterson 1970: 105).148 Jefferson teilte demnach die klassische Skepsis hinsichtlich der politischen Autonomie materiell nicht unabhängiger Bevölkerungsteile; er sah deren Abhängigkeit jedoch keineswegs als natürlich an. Wer nicht unabhängig war, der sollte unabhängig werden, auf andere Weise war eine Republik für Jefferson nicht zu machen (vgl. Appleby 1982: 295). Gleichwohl hatte Jefferson, wie bemerkt, keine egalitäre Verteilung des Besitzes im Sinn, die er für »impracticable« hielt. Auch dies war eine in den USA der Gründerzeit weit geteilte Auffassung. Eine Egalisierung der Eigentumsverhältnisse, so die Argumentation, würde die persönliche Freiheit, die man gerade erst errungen hatte, unweigerlich wieder zerstören. Jene Angst vor zu großer Eigentumskonzentration auf der einen und einer gleichzeitigen Ablehnung der Infragstellung des Privateigentums auf der anderen Seite führte zu einem Dilemma, das folgendermaßen formuliert wurde: »[T]here can be no true liberty without security of property; and where property is secure, industry begets wealth; and wealth is often productive of a train of evils mit ihr einhergehende Luxussucht ab, stand einer generellen Anhebung des Lebensstandards allerdings keineswegs feindselig gegenüber (Appleby 1982: 305). 146 Diese Überlegung geht auf James Harrington zurück. Dieser hatte dargelegt, dass »power follows property«. Sollte die politische Macht in den Händen des Volkes liegen, so war klar, dass dies nur geschehen konnte, wenn dieses aus Eigentümern bestand (vgl. Banning 1980: Kap. 1; Sheldon 1991: 90f.; Pettit 1997: 32; Freeman/Mensch 2000: 640f.). 147 Notes on the State of Virginia, in: TJW, III: 269. 148 Michael Hardt fasst diese Ungereimtheit in Jeffersons Denken folgendermaßen zusammen: »[E]veryone who owns less than 25 acres will be excluded from the vote, but all who own less than 50 acres will be given that much by the state; therefore, no one will be excluded from the vote« (Hardt 2007: 53; vgl. Appleby 1982: 295).
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naturally destructive to virtue and freedom!« (Zit.n. Wood 1998: 65) Es galt demnach, die Entstehung des Eigentums in Bahnen zu lenken, die zu große Eigentumskonzentrationen verhinderten, ohne dem Einzelnen das Recht auf Eigentum sowie dessen Sicherung abzusprechen. Jeffersons Position entspricht diesem Drahtseilakt, wie ich folgend darlegen werde.149 Was Jefferson zu verhindern gedachte, war zunächst nicht mehr aber eben auch nicht weniger als die Konzentration des (Land-)Besitzes in den Händen einer kleinen Oberschicht. Dies war durchaus keine radikale Forderung. Bereits John Locke hatte, bei allem Insistieren auf der Schutzbedürftigkeit des persönlichen Eigentums, von gewissermaßen natürlichen Schranken im Rahmen der Eigentumsgenerierung gesprochen.150 Den Locke’schen Überlegungen nicht unähnlich (vgl. Katz 2003: 9) ging auch Jefferson davon aus, dass die Aneignung des Bodens nur in solchem Umfang stattfinden dürfe, dass zum einen keine Flächen in Privatbesitz brachlägen und zum anderen ein gewisser Mindestbesitz gesichert sei.151 Hierzu seien auch politische Maßnahmen nötig, die die stetige Ausweitung des eigenen Besitzes einzudämmen im Stande wären. Der bekannteste diesbezügliche Reformvorschlag war Jeffersons letztlich erfolgreicher Versuch einer Reformierung des Erb- und Fideikommissrechts in Virginia weg vom Erstgeborenenrecht152 und hin zu einer egalitäreren Verteilung der jeweiligen Erbmasse durch die Möglichkeit 149 Anders als Morton Frisch (1978: 134, 138) meine ich also nicht, dass Jefferson – im vermeintlichen Gegensatz zu Hamilton – die Gleichheit höher schätzte als die Freiheit. Es galt vielmehr die Freiheit auf eine Art und Weise zu bewahren, die nicht über die Entstehung zu großer Ungleichheiten auf ihre Unterminierung hinauslief. 150 Für das vormonetäre Zeitalter bemerkt Locke bekanntermaßen: »Das Maß des Eigentums hat die Natur durch die Ausdehnung der menschlichen Arbeit und durch die Annehmlichkeiten des Lebens festgesetzt. Keines Menschen Arbeit konnte sich alles unterwerfen oder aneignen, und sein Genuß konnte nicht mehr als nur einen kleinen Teil verbrauchen. […] Dieses Maß beschränkte den Besitz jedes Menschen auf einen sehr bescheidenen Anteil, nämlich auf das, was er sich aneignen konnte, ohne irgend jemandem einen Schaden zuzufügen« (Locke 1689: § 36). 151 Brief an Rev. James Madison vom 28. Oktober 1795, in: TJW, VII: 33-36. Eben aus diesem Grund sah Jefferson die nicht sesshafte Lebensweise der Indianerstämme kritisch, wenngleich ihm Letztere ob ihrer Entscheidungsfindungsprozesse, wie oben dargelegt, als natürliche Republikaner galten. 152 Jefferson wandte sich hierbei sowohl gegen die radikalste Form des Erstgeborenenrechtes, die vorsah, dass dem ältesten Sohn beziehungsweise dem ältesten Kind der gesamte Besitz des Verstorbenen zukam, als auch gegen die abgemilderte Form, der zufolge der älteste Sohn respektive das älteste Kind die doppelte Masse dessen bekommen sollte, was die Geschwister bekamen. Siehe hierzu Bernstein (2004: 54).
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der Besitzteilung. Jefferson war der Ansicht, dass die bis dahin praktizierte ungleichmäßige Verteilung der Erbmasse keinerlei moralische Grundlage hätte, da sich ein Recht auf einen größeren Teil des Erbes seiner Auffassung nach einzig aus anderen Bedürfnissen oder Fähigkeiten hätte ergeben können; »being on par in his powers and wants, with his brothers and sisters, he [the first born; T.M.] should be on a par also in the partition of the partimony«.153 Ungleich wichtiger war die Überlegung, dass das Ergeborenenrecht Aristokratien entsprach. »The aristocracy of Europe, but of England most emphatically«, so James Huston (1998: 47) zusammenfassend, »derived its strength from a near monopoly of the land. This condition resulted from the operation of the laws of entail and primogeniture over the centuries.« Der dieser Feststellung zugrundliegende Gedanke war vergleichsweise simpel: Wo Ländereien als Ganze immer nur an eine Person vererbt werden, vergrößert sich notwendigerweise die Anzahl derjenigen, die ohne eigenen Landbesitz überleben müssen – gesetzt den Fall natürlich, dass es mehr als einen Nachkommen gibt, was den Tatsachen entsprach und von den politökonomischen Auseinandersetzungen um das stetige Bevölkerungswachstum widergespiegelt wurde, allen voran durch Thomas Malthus. Eben dies begünstigte dann jedoch eine gesellschaftliche Spaltung in die wenigen Besitzenden und die vielen Besitzlosen und somit aristokratische Herrschaftsformen (vgl. McCoy 1980a: 127; Bernstein 2004: 53f.). Hieraus ist zu schließen, dass Jefferson in erster Linie an der Ermöglichung der persönlichen materiellen Unabhängigkeit für möglichst große Bevölkerungsteile gelegen war. Was es zu sichern galt, war demnach zuvorderst »the fundamental right to labour the earth«.154 Joyce Appleby ist folglich zuzustimmen, wenn sie anführt, dass Regierungen Jeffersons Ansicht nach mindestens ebenso dazu angehalten waren, den Zugang zu Eigentum zu ermöglichen wie dazu, das erworbene Privateigentum zu schützen (vgl. Appleby 1982: 297).155 153
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Autobiography, in: TJW, I: 60. Vgl. Notes on the State of Virginia, in: TJW, III: 243. Dies nährt Zweifel an der Hartz’schen These (1955) vom »natural liberalism«, der charakteristisch für die USA gewesen sei. Tatsächlich gab es in der jungen Republik sehr wohl aristokratische Strukturen, die es aus dem Weg zu räumen galt; dass die Republik als liberale vom Himmel gefallen ist, entspricht nicht den Tatsachen – selbst wenn man, wie Hartz, die vorrevolutionäre Zeit nicht berücksichtigt (vgl. Wood 1991: Kap. 1-5). Brief an Rev. James Madison vom 28. Oktober 1795, in: TJW, VII: 36. Vgl. hierzu auch Banning (1986: 14) und Yarbrough (1998: 11). Appleby sieht hierin den Grund für die Abweichung Jeffersons von Locke zu Beginn der Unabhängigkeitserklä-
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Auf den ersten Blick weicht Jefferson hiermit deutlich von einer liberalen laissez faire-Politik ab. Von alleine, so müssen Jeffersons Ausführungen an dieser Stelle gelesen werden, reguliert sich die Gesellschaft nicht. Tatsächlich sind seine zitierten Aussagen, beispielsweise jene zur Zerstückelung des Besitzes, jedoch, wie oben angedeutet, weit weniger radikal, als manche Interpretationen dies glauben machen möchten. Ihm war vorwiegend daran gelegen, die wirtschaftliche Dynamik durch Weichenstellungen in der Gründungsphase der Republik derart einzugrenzen, dass sie deren Stabilität auf Dauer nicht gefährden konnte, zuvorderst durch unverhältnismäßige Privateigentumskonzentrationen. So war Jefferson der Auffassung, dass es vor allem den ungleichen Eigentums- und Machtpositionen in der Gründungsphase der jeweiligen Gesellschaften geschuldet sei, dass Gesellschaften sich nicht selbst regieren und regulieren können; wird diesen einmal Abhilfe geschaffen, indem eine gewisse Chancengleichheit hergestellt wird, dann, so die naheliegende Interpretation, sei die Regierung zur Zurückhaltung verpflichtet.156 Gestützt wird diese Lesart durch einen genaueren Blick auf die bereits skizzierten Überlegungen Jeffersons zu einer Reform des Erbrechts. Jefferson schreibt diesbezüglich, dass »[i]f the overgrown wealth of an individual
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rung, die in der Forschung bis zum heutigen Tag diskutiert wird. Spricht Locke von dem Recht auf »life, liberty, and property«, so heißt es in der Unabhängigkeitserklärung bekanntermaßen »life, liberty, and the pursuit of happiness«. Eine Lesart, die demgegenüber den Schutz des Privateigentums betont, findet sich beispielsweise bei Griswold (1946: 674). Ob Jefferson das Eigentumsrecht als Naturrecht definiert oder nicht, ist immer wieder debattiert worden. Eine überzeugende Lesart formuliert Jean M. Yarbrough, der zufolge Jefferson das Recht auf Eigentum zwar nicht als Naturrecht konzipierte, allein schon aufgrund der Tatsache, dass primitive Gesellschaften das Privateigentum eben nicht kannten, die aber gleichzeitig betont, dass das Recht auf Privateigentum für Jefferson nicht lediglich »conventional« war (Yarbrough 1998: 91; vgl. Peterson 1970: 95). Laut Yarbrough »Jefferson holds that property is grounded in two natural principles that are to some extent in tension with each other: men’s equal wants and their unequal talents for satisfying these needs.« (Ebd.: 90) Was Jefferson demnach vorschwebte, war die sich in ungleichen Besitzverhältnissen manifestierende Belohnung individueller Anstrengungen bei gleichzeitiger Ermöglichung jener Anstrengungen durch eine anfängliche Grundaussattung jedes Einzelnen. Huston bemerkt dann auch folgerichtig, dass »by removing the props of aristocracy that produced an unnatural inequality of property, the automatic result should have been, though probably unequal, a naturally equitable distribution« (Huston 1998: 48; Hervorh., T.M.).
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is deemed dangerous to the State, the best corrective is the law of equal inheritance to all in equal degree; and the better as this enforces a law of nature, while extra-taxation violates it.«157 Eine permanente progressive Besteuerung war für Jefferson insofern mit seinen quasi-naturrechtlichen Überzeugungen nicht vereinbar, als dass sie dem Gleichheitsgrundsatz zuwidergelaufen wäre: »To take from one, because it is thought that his own industry and that of his fathers has acquired too much, in order to spare to others, who, or whose fathers have not exercised equal industry and skill, is to violate arbitrarily the first principle of association, ›the guarantee to every one of a free exercise of his industry, and the fruits acquired by it.‹«158 Der Regierung kommt somit, unter Rückgriff auf die oft gebrauchte Spielanalogie, lediglich die Aufgabe zu, das Feld zu konstituieren, darüber hinaus aber nicht in die vorgenommenen Züge der beteiligten Spieler einzugreifen und auf diese Weise selbst zum Spieler zu werden (vgl. Boorstin 1960: 190f.; Dorfman 1966a: 440). In diesem Zusammenhang scheinen sich auch die Überlegungen des politischen Denkers Jefferson mit den Handlungen des Politikers zu decken – eine keineswegs typische Begebenheit. Die Überdehnung beziehungsweise Übertretung159 der verfassungsmäßigen Kompetenzen der Exekutive, die Jefferson für den Kauf des Louisiana-Territoriums im Jahr 1803 vollzog, verdeutlicht die Bedeutung, die Jefferson dieser Handlung beimaß.160 Nur in äußerst dringlichen Angelegenheiten hätte der Mann, der wie kaum ein anderer prominenter Denker seiner Zeit die Angst vor einer starken Zentralgewalt immer und immer wieder betonte, die Kompetenzen eben dieser Zentralgewalt weitestgehend ausgedehnt (vgl. Edling 2012: 447). Die Vergrößerung des Staatsgebietes war offensichtlich ein solch dringlicher Fall. Der Grund hierfür ist die simple Tatsache, dass die Westexpansion zwei Prinzipien von Jeffersons Denken
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Brief an Joseph Milligan vom 6. April 1816, in: WTJ, XIII: 466. Hervorh., T.M. Einer der wesentlichen Vorzüge der republikanischen Regierungsform hatte ja gerade darin bestanden, dass »it prevented governmental restraint in the free acquisition of wealth.« (Dorfman 1940: 98). Vgl. auch Hogeland (2012: 104). 158 Brief an Joseph Milligan vom 6. April 1816, in: WTJ, XIII: 466. 159 Als Überdehnung wurde Jeffersons Verhalten von wohlmeinenden Weggefährten begriffen, die davon ausgingen, dass der Präsident mit Zustimmung des Senats Verträge mit anderen Staaten schließen dürfe, wobei der Kauf des Louisiana-Gebietes nichts anderes als ein Vertragsschluss gewesen sei. Von einer Übertretung sprachen hingegen all jene, die der Ansicht waren, dass das Staatsgebiet von 1787 ohne Verfassungszusatz nicht vergrößert werden dürfe (vgl. Sheldon 1991: 96; Loewenstein 1959: 296). 160 Zu Jeffersons Rechtfertigung exekutiver ad hoc-Handlungen vgl. Ray (2012: 41).
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bediente: zum einen wurde für viele Bürger der Republik die Möglichkeit geschaffen, Land zu bestellen und somit Eigentum zu generieren; zum anderen konnte dies geschehen, ohne dass der Staat eine weitreichende Umverteilung vornahm, also mithin in die bestehenden Eigentumsrechte eingreifen musste (vgl. Hardt 2007: 57). Dem Privateigentum kommt in Jeffersons Denken jedoch, wie eingangs erwähnt, nicht nur aufgrund seiner Funktion, die unabhängige Entscheidungsfindung der Bürger zu ermöglichen, eine zentrale Rolle zu. Nicht minder wichtig war das mit ihm einhergehende Knüpfen affektiver Bande zwischen Bürger und Republik einerseits und zwischen Bürger und Bürger andererseits.161 Mit Blick auf das Verhältnis zwischen Bürger und Republik betont Jefferson, dass die grundbesitzenden Bauern nicht nur die tugendhaftesten, unabhängigsten und kraftvollsten Teile eines jeden Gemeinwesens seien, sondern auch »tied to their country, and wedded to it’s liberty and interests by the most lasting bonds«.162 Würde sich also ein »Napoleon« oder ein »Caesar« aufschwingen die freiheitliche Republik gewaltsam oder demagogisch zu beseitigen, so würden dem nicht nur die Wertschätzung der politischen Freiheiten von Seiten der Bürger entgegenstehen, sondern auch deren Angst um den Fortbestand der Institution des Privateigentums, notfalls bis hin zum Griff zur Waffe in von Jefferson gegenüber ständigen Armeen präferierten Bürgermilizen.163 Darüber hinaus wichtig für das Verhältnis von Bürger und Republik beziehungsweise Mensch und politischer Ordnung ist für Jefferson, wie bis hierhin 161 162
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Auch dieser Gedanke war typisch für das politische Denken in der Early Republic. Vgl. hierzu Kruman (1992: 511f.). Brief an John Jay vom 23. August 1785, in: TJW, IV: 88. Vgl. Scherr (2016: 16). Angesichts dessen mutet A. Whitney Griswolds Lesart (1946: 672), der zufolge Jeffersons Lob des Yeoman Farmer vor allem ein Ausdruck seines individualistischen Denkens sei, wenig überzeugend an. Selbstredend kann, hierauf wurde mehrfach hingewiesen, lediglich der besitzende Bürger unabhängig sein; der Besitz bindet ihn jedoch nicht lediglich an seine Scholle, sondern darüber hinaus an die Republik, deren Stabilität aufgrund seines Eigentums in seinem Interesse sein muss. Die Zurückhaltung der ländlichen Bevölkerung im zweiten Unabhängigkeitskrieg von 1812 veranlasste Jefferson jedoch, seine Meinung aufgrund der empirischen Evidenz zu revidieren. Offensichtlich, so Jefferson, seien die Farmer zu glücklich, um jenseits einer unmittelbaren Bedrohung für Leben und Eigentum zur Verteidigung der Republik zu schreiten. Dementsprechend bedürfe es zukünftig einer Verpflichtung durch die Regierung, um dem anti-republikanischen Rückzug ins Private in Zeiten des Krieges vorzubeugen. Hierzu Yarbrough (1998: 63).
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hinreichend deutlich geworden ist, die Art des Charakters beziehungsweise der Tugend, die durch eine bestimmte Tätigkeit gefördert wird. Daniel Kemmis hat dies mit Blick auf die Sphäre der Arbeit wie folgt beschrieben (1990: 21; Hervorh., T.M.): »Farmers who were primarily engaged in feeding, clothing and housing their own families had no choice but to depend on their own skill and industry […]. In the hard, direct necessities of such agriculture, Jefferson saw the roots of a plain honesty, industry, and perseverance he saw, in other words, the roots of those ›civic virtues‹ upon which real citizenship depended.«164 Zusätzlich zur bereits erwähnten materiellen Unabhängigkeit,165 die den Farmer sowohl zur Verteidigung der republikanischen Ordnung animieren sollte, als auch die Voraussetzung für eine freie Entscheidungsfindung darstellte, förderte die landwirtschaftliche Betätigung somit in besonderer Weise die geistigen Kapazitäten des Einzelnen. Wie Yarbrough (1998: 57f.; vgl. Katz 2003: 13) nachzeichnet, ähnelt Jeffersons Argumentation in diesem Zusammenhang derjenigen, die Adam Smith in seinem Wealth of Nations (1776) dargelegt hatte. Laut Smith förderte die einsetzende Arbeitsteilung zwar die betriebs- und volkswirtschaftliche Produktivität, dies jedoch zu einem Preis für Charakter und Fertigkeiten des einzelnen Arbeiters. Hatte dieser bis hierhin verschiedenster Fähigkeiten bedurft, um ein bestimmtes Gut in alleiniger Produktion herzustellen, so genügte fortan die Kultivierung einer einzigen Fertigkeit. Dies, so Smith, würde notwendigerweise zur geistigen Verarmung und Abstumpfung des Arbeiters führen.166 Demgegenüber, und dieser Haltung schließt
164 Vgl. hierzu auch Katz (1976: 474). 165 »It is the mark set on those, who not looking up to heaven, to their own soil and industry, as does the husbandman, for their subsistence, depend on it on casualities and caprice of customers« (Notes on the State of Virginia, in: TJW, III: 269). 166 »In the progress of the division of labour, the employment of the far greater part of those who live by labour, that is, of the great body of the people, comes to be confined to a few very simple operations, frequently to one or two. But the understandings of the greater part of men are necessarily formed by their ordinary employments. The man whose whole life is spent in performing a few simple operations, of which the effects are perhaps always the same, or very nearly the same, has no occasion to exert his understanding or to exercise his invention in finding out expedients for removing difficulties which never occur. He naturally loses, therefore, the habit of such exertion, and generally becomes as stupid and ignorant as it is possible for a human creature to become.« (Smith 1776: 734f.).
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sich Jefferson an, brauchte es eines umsichtigen Weitblickes und vielerlei spezieller Fertigkeiten, um eine Farm zu betreiben.167 Nicht nur mussten die geographischen und metereologischen Gegebenheiten in den Blick genommen und handwerkliche Fähigkeiten zur Instandhaltung der Gebäude erworben werden; auch die Besonderheiten der Tiere und Pflanzen galt es zu berücksichtigen, was zumindest grundständiges Wissen in den Bereichen Biologie und Zoologie erforderte. Jefferson preist die landwirtschaftliche Betätigung jedoch nicht vorwiegend168 aufgrund des hierfür notwendigen Wissens und der zu gebrauchenden Fertigkeiten des Einzelnen, sondern auch hinsichtlich des bereits mit Blick auf die Kultivierung des moral sense erwähnten zwischenmenschlichen Austausches. Zwar sei dieser auch der allgemeinen technischen Entwicklung des Wirtschaftssektors dienlich. Die Farmer würden fortlaufend ins Gespräch miteinander kommen und hierbei nicht lediglich Privates austauschen, sondern über »ploughs and harrows, of seeding and harvesting« sprechen.169 Hierdurch würde, so Jean M. Yarbrough (1998: 59) überzeugend, »the discovery and dissemination of the most up-to-date scientific knowledge of agriculture« befördert. Im hiesigen Zusammenhang weitaus wichtiger ist jedoch eine zweite Folge des direkten Austauschs zwischen den Farmern, und zwar die Förderung egalitärer Strukturen sowie des gegenseitigen Respekts und Anstandes in der wirtschaftlichen Sphäre. Wie oben dargelegt, bestand der von Jefferson zu bewältigende Drahtseilakt in der Ausgestaltung einer politökonomischen Blaupause, die dem Einzelnen seine beinahe uneingeschränkte Freiheit ließ, vor allem sein natürliches Eigentumsrecht, und gleichzeitig dafür Sorge trug, dass diese individuellen Freiheiten keine unbeabsichtigten Nebenfolgen zeitigten, beispielsweise die Konzentration eines Großteils des
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Diesen Aspekt verkennt Morton Frisch, wenn er bemerkt, dass Jefferson die landwirtschaftliche Betätigung auch aufgrund dessen pries, dass sie die geringsten intellektuellen Qualitäten auf Seiten der sie betreibenden voraussetze (Frisch 1978: 130). Mit Blick auf das drohende Entstehen eines flächendeckenden Manufakturwesens verhielt es sich gerade umgekehrt. 168 Das instrumentelle Wissen schätzte Jefferson, wie im ersten Abschnitt dargelegt, weniger als die aus sozialer Interaktion hervorgehenden Normvorstellungen. Diese Hierarchisierung spiegelt sich auch hier wider. 169 Brief an Tadeusz Kosciuszko vom 26. Februar 1810, in: FO (https://founders.archives. gov/documents/Jefferson/03-02-02-0211). Wie er in dem Brief bemerkt, ist auch das politische Gespräch Teil der Konversation unter Nachbarn, was wiederum auf die Bedeutung der kommunalen Strukturen für die Republik verweist.
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Eigentums in den Händen einiger weniger. Was Jefferson in diesem Zusammenhang bemühte, war das, was Charles Sellers in seiner Darstellung der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sich vollziehenden Market Revolution (1991) als ›Logik des Landes‹ bezeichnet.170 Gemäß jener Logik werden Gesellschaften nicht durch anonyme, überregionale Strukturen integriert, also beispielsweise über nationale oder gar globale Märkte, sondern über den direkten persönlichen Kontakt innerhalb kleiner Gemeinschaften. Jeffersons Yeoman ist, wie mit Blick auf die politische Sphäre bereits deutlich geworden ist, ein Gemeinschaftswesen. Dies gilt auch für den ökonomischen Bereich. Anders als im weiter unten zu erörternden Zeitalter Jacksons produziert er für begrenzte lokale Märkte und somit für den ihm bekannten Käufer, nicht für den anonymen Konsumenten am anderen Ende des Landes. Dies hat zwei zentrale Folgen: Zum einen wird hierdurch die Möglichkeit, unverhältnismäßig große Reichtümer anzuhäufen, gewissermaßen bereits strukturell unterbunden. Der Farmer hat überhaupt keine Möglichkeit, seine Produkte in einer Quantität an die Menschen zu bringen, die dies ermöglichen würde. Zum anderen wird ihm aber auch der Anreiz zur Übervorteilung der Käufer genommen, die die zweite Möglichkeit der Profitmaximierung wäre. Jeffersons Farmer produziert für die Bedürfnisse seiner Gemeinschaft, deren integraler Bestandteil er ist. Der direkte Kontakt zu seinen Kunden, denen er eben nicht ausschließlich in dieser Rolle begegnet, fördert jene grundständige Güte und Nächstenliebe, die essentieller Teil des menschlichen Gerechtigkeitssinnes ist. Und diese sorgt dafür, dass der landwirtschaftliche Produzent im Gegenüber immer auch den auf die ein oder andere Weise Bedürftigen erblickt und nicht lediglich ein Mit-
170 Sellers Argumentationsgang werde ich im Kapitel zur Jacksonian Democracy detaillierter darlegen.
1. Das politische Denken Thomas Jeffersons
tel zum Zweck des eigenen wirtschaftlichen Vorankommens.171 »Morality, not profitability«, so Matthews (1984: 40) treffend, »is the criterion for judgment.« Deutlich wird dies auch mit Blick auf das von Jefferson präferierte System der Armenfürsorge, die er sich eben nicht analog zum modernen Sozialstaatsprinzip als top down-Prozess vorstellte, sondern als Teil der horizontalen, kommunalen Selbstverwaltung. Jefferson imagininierte ein selbstorganisiertes Hilfssystem, das auf persönlichen Nahbeziehungen fußen und sowohl Bedürftigkeit als auch den etwaig zu entrichtenden Beitrag festlegen sollte. Das zentrale Gremium jenes Systems sollte sich aus jenen »discreet farmers« zusammensetzen, die »so distributed through their parish« waren, »that every part of it may be under the immediate eye of some one of them.« Die Mittelzuteilung, die von »supplementary aids« für diejenigen, die sich teilweise auch durch familiäre oder freundschaftliche Bande aufgefangen sahen, bis hin zu vollständiger Versorgung in Gastfamilien (»in the houses of good farmers«) reichte, wurde also niemals unter Absehung individueller Beurteilung festgelegt. Es ging gerade nicht um eine Rationalisierung durch Bürokratisierung, sondern um die Stärkung zwischenmenschlicher Verpflichtungen über persönliche Bekanntschaft.172 Dass die Beiträge zur Armenfürsorge in Abhängigkeit von Einschätzungen eines repräsentativen Gremiums der Kleinstgemeinde erhoben wurden, lässt jenes System zu einem Ausdruck der propagierten Selbstregierung werden. Anstelle einer im Zweifelsfall nicht responsiven (Zentral-)Regierung, die ihre Forderungen einzelfallunabhängig zu erheben hatte und deren Einnahmen vor diesem Hintergrund immer der Hauch von Willkür umwehte, entschied im System der lokalen Armenfürsorge das Kollektiv über Bedarf und Kosten. 171
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Jefferson schließt sich mit dieser Lesart dem von ihm hoch geschätzten Destutt de Tracy an und widerspricht somit Adam Smith (vgl. Berghahn 2001: 224). Für Smith war der Handel – auch jener innerhalb kleiner Gemeinschaften – bekanntlich vom je individuellen Interesse der Handeltreibenden motiviert. Der Bäcker produzierte seine Waren nicht, weil er um das Wohl seines Gegenübers besorgt war, sondern weil es ihm Geld brachte. De Tracy bestreitet zwar nicht das Ergebnis des Handels, meint jedoch, dass Handel in erster Linie aufgrund des dem Menschen eigenen Antriebs entstehe, die Bedürfnisse seiner Mitmenschen zu befriedigen. »Commerce, that is exchange, being in truth society itself it is the only bond among men; the source of all their moral sentiments; and the first and most powerful cause of the improvement of their mutual sensibility and reciprocal benevolence: we owe to it all that we are possessed of, good or amiable; […] it is the author of all social good« (zit.n. Yarbrough 1998: 73; vgl. Appleby 1982: 299). Notes on the State of Virginia, in: TJW, III: 239.
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Wo Jefferson von der skizzierten agrarrepublikanischen Vision abwich, da geschah dies zaghaft und sollte nicht als prinzipielle Abkehr missverstanden werden (vgl. McCoy 1980a: 210; Heun 1994: 390f.). Von der These einer gewissermaßen natürlichen Prädisposition des Yeoman für ein Leben in republikanischer Freiheit wich Jefferson zeitlebens nicht ab. Wo sonst waren derart viele verschiedene Tätigkeiten gefragt? Wo sonst war man so sehr an sein Land – im doppelten Sinne – gebunden? Wo sonst zwangen einen die natürlichen Gegebenheiten zu einer angemessenen Durchmischung von Arbeit, persönlichem Vorankommen, öffentlicher Betätigung und geistiger Weiterentwicklung? Angesichts des zweiten britisch-amerikanischen Krieges, der von 1812 bis 1815 ausgefochten wurde, war ihm jedoch die Notwendigkeit einer rudimentären Ausdifferenzierung der US-amerikanischen Wirtschaft bewusst geworden. »We must now place the manufacturer by the side of the agriculturist. […] Experience has taught me,« so Jefferson 1816, »that manufactures are now as necessary to our independence as to our comfort.«173 Die hier anvisierte Transformation der US-Wirtschaft brach jedoch keineswegs mit den bis dahin geltenden Grundsätzen seines politischen Denkens. Zum einen hatte dies damit zu tun, dass Jeffersons USA nach wie vor von der Landwirtschaft dominiert werden sollten, dass das Manufakturwesen also lediglich den Bedarf an grundständigen Gütern bereitstellen sollte, und dass schließlich Manufakturen räumlich in die landwirtschaftliche Produktion integriert werden sollten (vgl. Scott 1977: 57). Diesbezüglich bemerkt Jefferson 1812, dass »every family in the country is a manufactory in itself, and is very generally able to make within itself all the stouter and middling stuffs for its own clothing and household use.«174 Was Jefferson hier guthieß, waren jedoch gerade nicht die Massenproduktionsstätten englischer Provenienz, sondern die häuslich organisierte Handarbeit, die eng mit dem landwirtschaftlichen Sektor verflochten bleiben sollte und die aufgrund dessen gerade nicht von den Launen der potentiellen Kunden abhängig war (vgl. Edling 2012: 452f.; Banning 1986: 17). Eine über anonyme Angebots- und Nachfragemechanismen integrierte Marktgesellschaft schwebte Jefferson ebenso wenig vor wie Großbetriebe. Was er imaginierte war die Produktion im Familienverbund
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Brief an Benjamin Austin vom 9. Januar 1816, in: TJW, X: 10. Brief an John Adams vom 21. Januar 1812, in: TJW, IX: 333.
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zur Sicherung basaler Bedürfnisse.175 »The Spinning Jenny and loom with the flying shuttle can be managed in a family; but nothing more complicated.«176 Bei der bis hierhin sich weitgehend widerspruchsfrei lesenden Vision Jeffersons gab es allerdings ein wesentliches Problem. Neben all den intersubjektiven Vorzügen des von Jefferson angedachten Modells spielte auch eine vor allem den Einzelnen betreffende Komponente eine wichtige Rolle, namentlich der mit jener Produktions- und Lebensweise einhergehende Schutz vor Müßiggang, der in der republikanischen Tradition spätestens seit der Renaissance hochgehalten wurde. Die auf die familiäre Subsistenz und den lokalen Markt begrenzte Produktion lief Gefahr, die individuelle »industry« ungenügend zu fördern, da die Arbeitszeit – auch aufgrund des von Jefferson befürworteten technologischen Fortschritts in der Landwirtschaft – zu kurz zu werden drohte.177 Das Problem wurde in der angelsächsischen Welt bereits Mitte des 18. Jahrhunderts formuliert. So meinte etwa William Temple 1758: »If mankind confined themselves to the use of the bare necessaries of life« – Jefferson schwebte eben, wie oben dargelegt, vor, dass sich die Produktion auf jene alltäglichen Notwendigkeiten beschränken sollte – »labouring one hour in a day in each family would procure them all: Where, then, and how could universal industry be excited?« (Zit.n. McCoy 1980a: 81) Drew McCoy fasst das 175
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Jeffersons Idealbild entsprach hierbei in weiten Teilen der Realität. Vgl. hierzu Lamoreaux (2000: 404). Mit den häuslichen Betrieben einher ging, dass sich keine Klasse lohnabhängiger Arbeiter entwickeln konnte, wie Jefferson sie in den Städten Kontinentaleuropas gesehen hatte. Vgl. auch Brief an James Jay vom 7. April 1809, in: WTJ, V: 440. Hier heißt es: »An equilibrium of agriculture, manufactures and commerce is certainly become essential to our independance. [M]anufactures sufficient for our own consumption of what we raise the raw material (and no more). [C]ommerce sufficient to carry the surplus produce of agriculture, beyond our own consumption, to a market for exchanging it for articles we cannot raise (and no more). [T]hese are the true limits of manufactures and commerce.« In dieser Hinsicht bricht sich Jeffersons Epikureismus Bahn. Jefferson bezeichnete sich in einem Brief an William Short vom 31. Oktober 1819 als »Epicurian«. Epikureisch sind Jeffersons Überlegungen hinsichtlich Sinn und Grenzen familiärer Handwerksstätten aufgrund dessen, dass der Epikureismus zur Vermeidung von Frustrationen aufgrund nicht erfüllter Wünsche vorsah, die eigenen Wünsche auf den Nahbereich des tatsächlich zum Überleben Notwendigen zu beschränken. Vgl. hierzu Green (2016: 137f.) und Boorstin (1960: 146f.). Brief an John Adams vom 21. Januar 1812, in: TJW, IX: 333. Vgl. Brief an M. Dupont de Nemour vom 15. April 1811, in: TJW, IX: 317f. Wie oben dargelegt, schätzte Jefferson die landwirtschaftliche Betätigung in nicht geringem Maße gerade für die ihr eigenen Ruhephasen. Diese mussten allerdings in einem wohltarierten Ausgleich zur Zeit der Beschäftigung stehen.
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Dilemma treffend zusammen, indem er festhält, dass »those people who lived by austere, Spartan standards could never form an industrious citizenry except under a coercive system that most eighteenth-century thinkers viewed as unjust.« (McCoy 1980a: 81) Eine mögliche Reaktion auf dieses Dilemma bestand in der von den Federalists um Alexander Hamilton angedachten Ausdifferenzierung der USamerikanischen Wirtschaft. Hamilton war bekanntermaßen an einer Finanzialisierung der US-Ökonomie gelegen, die, so die Idee, auch den Ausbau des Manufakturwesens – und zwar nach englischem Vorbild – befördert hätte.178 Für Jefferson war dieser Weg nicht gangbar. Zum einen hätte die Ausdifferenzierung der Wirtschaft und die mit ihr einhergehende Arbeitsteilung zu der oben dargelegten Verkümmerung des Einzelnen geführt. Zum anderen war ihm die hierfür notwendige Finanzwirtschaft als solche hochgradig suspekt.179 In einem Brief an James Monroe vom 16. Oktober 1814 meint Jefferson bezüglich des Wertes von Papiergeld: »[b]ank-notes will be but as oak leaves«, mit anderen Worten: sie seien nichts wert.180 Jenseits dieses Bonmots sprachen für Jefferson jedoch auch triftigere Gründe gegen die Förderung finanzwirtschaftlicher Institutionen und Strukturen. Jeffersons Misstrauen gegenüber Banken und deren Kreditvergabepraktiken speiste sich aus deren gesamtgesellschaftlichen Wirkungen, zu der die fehlenden Rechenschaftspflichten der Privatbanken nicht passten (vgl. Brands 2011: 6). Gemäß seinen republikanischen Überzeugungen sollten Entscheidungen mit gesamtgesellschaftlichen Wirkungen von Personen getroffen werden, die den Bürgern Rechenschaft schuldeten. Und dass die Finanzwirtschaft gesamtgesellschaftliche Wirkungen hatte, die aristokratische statt republikanische Prinzipien förderten, darüber waren sich weite Teile der nordamerikanischen Revolutionäre nach anfänglichen Auseinandersetzungen einig geworden.181 Die hergestellte Verbindung zwischen starrer Hartgeldwährung und republikanischen Prinzipien basierte auf folgender Überlegung: Aufgrund der Tatsache, dass sich die US-Wirtschaft in den 1780er Jahren vom reinen Warentausch verabschiedet hatte, also nicht länger Waren gegen Waren sondern Waren gegen Geld tauschte, kam dem Wert des Geldes eine unmittelbare Bedeutung für die Wohlstandsverteilung zu. »If the intermediary of money was 178 Zu Hamiltons politökonomischen Ideen vgl. Federici (2012: Kap. 6). 179 Vgl. hierzu Jankovic (2016: 212). 180 Brief an James Monroe vom 16. Oktober 1814, in: TJW, IX: 493. Vgl. hierzu Swanson (1993). 181 Hierzu Banning (1980: 66-69).
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employed«, so Huston, »it became vital, to avoid injustice to one of the transactors, to establish a stable medium of exchange that accurately reflected value.« Und falls »values were not stable and reflective of the labor embedded in production, then someone in the exchange mechanism obtained more than he should and someone obtained less. That condition […] violated the [republican; T.M.] theory of property/value.« (Huston 1998: 44f.) Wenn Kreditvergabepraktiken und die hieraus folgenden Inflations- beziehungsweise Deflationstendenzen dergestalt dazu angetan waren, partikulare Gruppen zu begünstigen, dann widersprachen sie den grundlegenden Prinzipien des Republikanismus (Ebd.: 223-228). Und dass die Banker darüber hinaus der Allgemeinheit keine Rechenschaft schuldig waren, machte die Sache nicht eben besser. Kurzum, die Banken übten aus Sicht Jeffersons eine nicht zu kontrollierende und undurchschaubare Macht über Wohl und Wehe des Landes aus (vgl. Yarbrough 1998: 83). Die fehlenden Rechenschaftspflichten konnten auch durch interne Motivationen der Bankangestellten nicht ausgeglichen werden, da das Geschäftsmodell der Bank der Kultivierung des menschlichen Gerechtigkeitssinnes – anders als die landwirtschaftliche Tätigkeit – abträglich war (vgl. Hammond 1957: 8). War das eigene Vorankommen mit Blick auf den Agrarsektor darauf angewiesen, dass der Einzelne die Bedürfnisse seiner Interaktionspartner befriedigte und sorgten die überschaubare Größe lokaler Märkte auf struktureller Ebene dafür, dass die Anreize zur Übervorteilung des Gegenübers minimiert wurden, so war beides mit Blick auf die Finanzwirtschaft für Jefferson nicht gegeben. Statt das langsame aber stetige und vor allem nie übermäßige individuelle Vorankommen zu belohnen, animierte die Finanzwirtschaft zum auf den kurzfristigen eigenen Vorteil ausgerichteten Handeln und zum verantwortungslosen Zocken. »[T]he spirit of gambling«, so Jefferson, »when once it has seized a subject, is incurable. The tailor who has made thousands [of dollars; T.M.] in one day, though he has lost them the next, can never again be content with the slow and moderate earnings of his needle.«182 Jener »spirit of gambling« wurde im Bereich der Finanzwirtschaft über die Maßen angeregt. Die ersten Beispiele jener Art ereigneten sich bereits in unmittelbarer Nachkriegszeit. So hatten sich in Massachussetts jene Kräfte durchge-
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Brief an Edward Rutledge vom 25. August 1791, in: FO (https://founders. archives.gov/?q=Jefferson %20to %20rutledge %20Author %3A %22Jefferson %2C %20Thomas %22&s=1111311111&sa=&r=88&sr=). Vgl. auch Brief an David Humphreys vom 23. August 1791, in: TJW, V: 372.
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setzt, die ein solides Finanzsystem auf Einzelstaatsebene durchzusetzen gedachten, wofür die Staatsfinanzen erst einmal in Ordnung gebracht werden mussten. Hierfür setzte man auf einen »starren Austeritätskurs«, der all jenen nützte, »die im Krieg günstig Schuldscheine aufgekauft hatten und diese nun zum Nennwert von 100 Prozent einlösen konnten.« Dies geschah zu Lasten der Kleinbauern, die keine Kredite mehr aufnehmen konnten, um ihre Höfe in Stand zu halten, und die darüber hinaus zur Tilgung der öffentlichen Schuld »Steuererhöhungen von 200 bis 600 Prozent« erdulden mussten. Ob der individuellen Verschuldung mussten in der Folge viele Kleinbauern ihr Land veräußern oder gar den Weg ins Gefängnis antreten. Einen alternativen Pfad beschritten Staaten wie New York, die die Inflation ankurbelten, um ihre Bauern zu entschulden, was freilich ebenfalls negative Auswirkungen hatte, da die Erträge der Farmer auf diese Weise an Wert verloren und sie ebenfalls keine Kredite mehr bekamen, weil mit diesen kein Profit mehr zu machen war – es sei denn zu horrenden Zinsen (vgl. Hochgeschwender 2016: 358f.). Aus dieser Gemengelage entsponn sich schließlich die bereits oben erwähnte Shay’s Rebellion. Wie auch immer die finanzpolitischen Maßnahmen im Einzelnen zu bewerten waren – Jefferson äußerte, wie oben dargelegt, keine inhaltliche Sympathie für Shay und die Seinen, auch da sie den republikanischen Hartgeldprinzipien widersprachen183 –, feststand, dass das Geldverdienen mit Wetten den Tugenden des Einzelnen abträglich war und zu Maßlosigkeit und gemeinwohlschädigendem Verhalten verleitete.184 Schließlich lehnte Jefferson das aus Europa bekannte finanzwirtschaftliche Instrumentarium ab, weil es geschichtlich – und für Jefferson notwendig – mit oppresiven Monarchien assoziiert war. Die im 17. Jahrhundert in England etablierte Praxis der auf Dauer gestellten Staatsschulden ermöglichte es
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Diesbezüglich irrt H.W. Brands, wenn er Jefferson als »champion of debt-strapped farmers bezeichnet« (Brands 2011: 6). Tatsächlich wären die verschuldeten Kleinbauern mit einem radikalen Hartgeldkurs keineswegs besser bedient gewesen. Vgl. hierzu Hogeland (2012: 38). 184 Jene Gegenüberstellung von landwirtschaftlichen und Tätigkeiten auf dem Finanzmarkt verdeutlicht besonders eindrücklich, dass es Jefferson bei seiner Beschwörung des ›agrarian way of life‹ nicht in erster Linie um ökonomische, sondern um politische Aspekte und Folgewirkungen ging. Jefferson war nicht »primarily interested in agriculture as the producer of abundant crops and as the source of wealth«, sondern »as the producer of the ideal type of citizen for a republic. The agrarianism of […] Jefferson is political agrarianism« (Adair 1964: 18. Hervorh.; T.M.; vgl. Sandel 1996: 124f.).
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den herrschenden Monarchen aus Jeffersons Perspektive kostspielige Kriege zu beginnen, für die sie das Geld erst nachträglich von ihren Untertanen beschaffen mussten. »The threat of republican liberty from public debts«, so Max Edling zusammenfassend, »arose from the government’s need to tax the citizens’ property in order to service their debts. The greater the debt, therefore, the greater would be the burden of taxation. When it reached the stage where the citizens lost all or most of their property to the taxman, they could no longer retain their political independence against their rulers but would be reduced to slaves to the regime.« (Edling 2012: 445) Der auch von Edling an dieser Stelle zitierte Brief an Samuel Kercheval bringt Jeffersons diesbezügliche Sorge auf den Punkt. Bei mit den englischen Abgabelasten vergleichbaren Steuern, so Jefferson, »our people, like them, must come to labor sixteen hours in the twenty-four, give the earnings of fifteen of these to the government for their debts and daily expenses; and the sixteenth being insufficient to afford us bread, we must live, as they now do, on oatmeal and potatoes; have no time to think, no means of calling the mismanagers to account; but be glad to obtain subsistence by hiring ourselves to rivet their chains on the necks of our fellowsufferers.«185 Und um den repressiven Apparat stabilisieren zu können, so muss angesichts des im letzten Kapitel skizzierten Blickes auf das System Walpole hinzugefügt werden, hätte sich die Regierung mithilfe der ihr zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel aufgeschwungen, die Bevölkerung über Patronagepraktiken soweit zu korrumpieren, dass der Schutzwall der Freiheit hätte fallen müssen. Dementsprechend bekannte Jefferson: »I am for a government rigorously frugal and simple, applying all the possible savings of the public revenue to the discharge of the national debt; and not for multiplying of officers and salaries merely to make partisans«.186
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Brief an Samuel Kercheval vom 12. Juli 1816, in: TJW, X: 41f. Fast wortgleich Brief an William Crawford vom 20. Juni 1816, in: TJW, X: 35. 186 Brief an Elbridge Gerry vom 26. Januar 1799, in: TJW, VII: 327.
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Wenn die weitergehende187 Ausdifferenzierung der US-amerikanischen Wirtschaft demnach nicht der von Jefferson präferierte Weg war, was war seine alternative Vision? Auf den ersten Blick überraschenderweise bestand diese in einer Weitung der Perspektive, also einer für Jefferson untypischen Richtungsänderung vom Klein- ins Großflächige. Jefferson trat, kurz gesagt, entschieden für den internationalen Freihandel ein. Prinzipiell stand Jefferson dem Handel, wie oben dargelegt, nicht ablehnend gegenüber, wollte ihn jedoch auf lokale Märkte begrenzen, um seine potentiell destruktiven Folgen für den Charakter der Bürgerschaft abzufedern. Angesichts dessen verwundert nun aber das Eintreten für den internationalen Freihandel. Ich sehe nicht, wie sich diese Ungereimtheit vollumfänglich auflösen lässt. Die Vorteile, die Jefferson mit dem Freihandel verband – namentlich die Möglichkeit auf der agarischen Entwicklungsstufe verharren zu können und, wie gleich zu zeigen sein wird, die Regierung »frugal and simple« halten zu können – überwogen die Nachteile, die potentiell mit diesem hätten einhergehen können vermutlich einfach – namentlich die nunmehr eigentlich mögliche landwirtschaftliche Massenproduktion, mit der die Kleinfarm obsolet geworden wäre. Der größte Vorzug des internationalen Freihandels bestand für Jefferson also darin, dass dieser die Beibehaltung der primär agrarischen Lebensform möglich machte. Wenn die Produktion über den familiären Gebrauch und die lokale Nachfrage hinaus gesteigert werden konnte, dann konnte der Gefahr des Tugendverlustes in Form von Müßiggang begegnet werden. Die internationalen Absatzmärkte förderten den Arbeitswillen des Einzelnen und ermöglichten die agrarische Erschließung des nordamerikanischen Hinterlandes, die sonst aufgrund der fehlenden Konsumenten in den USA nur bedingt sinnvoll gewesen wäre. Jefferson dachte den Vereinigten Staaten in globaler Perspektive also die Rolle der Kornkammer zu.188 Diese Positionierung war Teil eines Konzepts globaler Arbeitsteilung, die, wenn man so möchte, mit dazu beitragen sollte, die nationale zu verhindern, die Hamilton vorgeschwebt hatte (vgl. Edling 2012: 443). Den theoretischen Hintergrund für diese Überlegungen boten Thomas R. Malthus’ Ausführungen zur sozialen Evolution.189 Für Malthus waren Gesellschaften aus biologischen Gründen zum Nie187
Jefferson schwebte, wie gesagt, keine reine Agrarrepublik vor, den Aufbau eines vom Land unabhängigen Manufakturwesens galt es aber zu vermeiden, was seine ökonomische Vision unter anderem von derjenigen Hamiltons unterscheidet. 188 Brief an William Crawford vom 20. Juni 1816, in: TJW, X: 34. Vgl. hierzu Huston (1998: 242). 189 Hierzu Heilbroner (1999: Kap. 3).
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dergang verurteilt. Seiner Auffassung nach vergrößerten sich Bevölkerungen schlicht schneller als die für ihren Erhalt notwendigen Grundlagen. Anders als die potentiell unendliche Vermehrung des Menschen seien die Erde und die aus ihr zu gewinnenden Güter beschränkt. Werde der Zustand des Gleichgewichts zwischen Bevölkerungsgröße und natürlicher Reproduktionsgrundlage erst zerstört, setze notwendigerweise der gesellschaftliche Verfallsprozess ein. Diese Entwicklung war für Malthus zwar durchaus beeinflussbar, konnte jedoch auf Dauer nicht aufgehalten werden. Die »perpetual tendency in the race of man to increase beyond the means of subsistence is one of the general laws of animated nature, which we can have no reason to expect will change.« (Malthus 1798: 111) Wenngleich Malthus den USA zugestand, dass deren Verfallsprozess aufgrund großer Flächen unerschlossenen Landes aufgeschoben werden könnte, war dieser auch hier nicht abzuwenden. Jefferson stimmte in vielen Punkten mit Malthus überein, bestritt jedoch die Gültigkeit der von ihm formulierten Verfallstheorie für die Vereinigten Staaten (vgl. McCoy 1980b: 265). Zum einen unterschätzte Malthus Jeffersons Meinung nach den tatsächlichen Ressourcenreichtum der USA, der einen anhaltenden Bevölkerungszuwachs ohne Probleme ausgleichen könnte (vgl. Huston 1998: 51). In den USA, so Jefferson »the immense extent of uncultivated and fertile lands enables every one who will labor, to marry young, and to raise a family of any size. Our food, then, may increase geometrically with our laborers, and our births, however multiplied, become effective.«190 Zum anderen, so Jefferson im Anschluss an seine eigenen Ausführungen zum Freihandel, könnte sich die agrarische Prägung der Vereinigten Staaten auch positiv auf den Rest der Welt auswirken, vor allem auf das vom Niedergang bedrohte Europa. Es müsste sich nur eine jede Nation an die Anforderungen der globalen Arbeitsteilung halten. Im Fall des Ausbaus der US-amerikanischen Landwirtschaft, die der Kauf des Louisiana Territorums ermöglicht hatte, »a double or treble portion of fertile lands would be brought into culture; a double or treble creation of food be produced, and its surplus go to nourish the now perishing births of Europe, who in return would manufacture and send us in exchange our clothes and other comforts.«191 Die Förderung des internationalen Freihandels 190 Brief an Jean-Baptiste Say vom 1. Februar 1804, in: FO (https://founders.archives.gov/? q=Jefferson %20to %20say %201804 %20Author %3A %22Jefferson %2C %20Thomas %22&s=1411311111&sa=&r=148&sr=). Vgl. Brief an Thomas Cooper vom 24. Februar 1804, in: FO (https://founders.archives.gov/documents/Jefferson/01-42-02-0463). 191 Brief an Jean-Baptiste Say vom 1. Februar 1804, in: FO (https://founders.archives.gov/? q=Jefferson %20to %20say %201804 %20Author %3A %22Jefferson %2C %20Thomas
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mit den USA als globaler Kornkammer hatte somit nachgerade weltpolitische Bedeutung (vgl. McCoy 1980a: 195). Vor allem jedoch war sie Bedingung für die Fortführung des republikanischen Experiments. Zum einen gestattete sie, wie gesagt, das Verbleiben auf der agrarischen gesellschaftlichen Entwicklungsstufe, sicherte somit die Dominanz jenes Berufsstandes, der wie kein anderer den Anforderungen an das republikanische Bürgerideal entsprach, hielt die notwendig gewordenen inneramerikanischen Manufakturen begrenzt und verhinderte die Urbanisierung europäischer Provenienz mitsamt der Entstehung der von Jefferson abwertend als »canaille«192 bezeichneten Großstadtbevölkerung. Zum anderen ermöglichte die internationale Arbeitsteilung, mit der der internationale Freihandel einherging, das von Jefferson anvisierte »frugal and simple government«. Die mächtigen und somit oppresiven Regierungen Europas waren für Jefferson ebenso wie für viele seiner Zeitgenossen vor allem Kriegsmaschinen. Der erste Herrscher, der ein stehendes Heer aufstellte, nötigte alle in Reichweite sich befindenden Herrschaftsgebiete es ihm gleichzutun, weil sie sonst die Integrität des eigenen Territoriums nicht mehr zu wahren im Stande waren. Und weil Heere unterhalten werden mussten, bedurfte es dauerhafter finanzieller Ressourcen, also einen starken Steuerstaat.193 Waren Kriege die Hauptursache für die Entstehung und Stabilisierung starker Staaten, dann war der Umkehrschluss naheliegend, dem zufolge eine friedliche
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%22&s=1411311111&sa=&r=148&sr=); Hervorh., T.M. Ganz ähnlich heißt es im von Jefferson verfassten Report on Foreign Commerce vom 16. Dezember 1793, in: TJW, VI: 479: »Instead of embarrassing commerce under piles of regulating laws, duties and prohibitions, could it be relieved from all its shackles in all parts of the world, could every country be employed in producing that which nature has best fitted it to produce, and each be free to exchange with others mutual surpluses for mutual wants, the greatest mass possible would then be produced of those things which contribute to human life and human happiness; the numbers of mankind would be increased and their condition bettered. Would even a single nation begin with the United States this system of free commerce, it would be advisable to begin it with that nation; since it is one by one only that it can be extended to all. Where the circumstances of either party render it expedient to levy a revenue by way of impost on commerce, its freedom might be modified in that particular by mutual and equivalent measures, preserving it entire in all others.« Vgl. hierzu auch Appleby (1982: 295-297). Brief an John Adams vom 28. Oktober 1813, in: TJW, IX: 428. Die Regierung konnte sich auch über Schulden finanzieren; am Ende lief aber auch diese Praxis auf einen Steuerstaat hinaus, da die Schulden beziehungsweise die Zinsen ebenfalls in regelmäßigen Abständen bedient werden mussten (vgl. Edling 2012: 445).
1. Das politische Denken Thomas Jeffersons
internationale oder zumindest transatlantische Ordnung die Machtfülle der Staaten würde abbauen können. Was es also zu etablieren galt, waren so geartete gegenseitige Abhängigkeiten,194 die Angriffskriege zu einer beinahen Unmöglichkeit und dementsprechend die Notwendigkeit hoher Militärausgaben obsolet machen würden. Auf diese Weise ließ sich das öffentliche Budget klein halten, was die Unterminierung der bürgerschaftlichen Freiheiten ungleich schwieriger machen würde, da die Möglichkeit »for a multiplication of officers and salaries merely to make partisans«, also genau das, was Walpole zu Beginn des 18. Jahrhunderts im ehemaligen Mutterland praktiziert hatte, nicht länger gegeben sei.195 Je mehr finanzielle Mittel der Regierung zur Verfügung standen, umso korrumpierender würde sie handeln können. Wenn Kriege die Finanzkraft der Regierung stärken würden, und zwar selbst in den politisch vergleichsweise egalitären USA,196 da auch hier die Notwendigkeit einer Verteidigung der territorialen und physischen Integrität anerkannt wurde, dann galt es, jenen Beweggrund so weit als möglich auszuschalten. Dass die Sicherung des Freihandels aus den dargelegten Gründen für Jefferson von überdurchschnittlicher Bedeutung war, lässt sich daran ablesen, dass er mit Blick auf die Außenpolitik sogar Zweifel daran äußerte, dass das gewöhnliche Volk dazu in der Lage sein würde, solche Repräsentanten zu wählen, die dazu befähigt
194 Wenngleich es bisweilen den Eindruck macht, als würde Jefferson die USA einfach gänzlich von Europa abschotten wollen, so denke ich nicht, dass es sein Ziel war, die Bande zur Alten Welt zu kappen (vgl. beispielsweise Brief an James Madison vom 23. März 1815, in: TJW, IX: 541-544). Er wollte sich sicherlich tunlichst aus den kriegerischen Auseinandersetzungen auf dem Kontinent heraushalten; auf der anderen Seite bestand jedoch großes Interesse an freiheitlichen Handelsbeziehungen, die mit nationaler Abschottung nichts zu tun hatten. »I am for free commerce with all nations; political connections with none«, wie Jefferson selbst es ausdrückte. Brief an Elbridge Gerry vom 26. Januar 1799, in: TJW, VII: 328. 195 Brief an Elbridge Gerry vom 26. Januar 1799, in: TJW, VII: 327. 196 Der große Unterschied zwischen den englischen Praktiken zu Beginn des 18. Jahrhunderts und der Situation in den USA an dessen Ausgang bestand darin, dass die Steuerlast in Großbritannien auf die politisch Ohnmächtigen umgelegt werden konnte; aufgrund des verhältnismäßig weit verbreiteten Wahlrechts in den USA war dies nicht möglich. Eine Expansion des öffentlichen Budgets war vor diesem Hintergrund nur mit triftigen Gründen zu rechtfertigen und idealerweise möglichst geräuschlos umzusetzen, beispielsweise in Form von Importzöllen, mit denen viele Bürger nicht direkt in Berührung kamen. Vgl. Hierzu Edling (2003: 55-58).
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wären, eine durchdachte und langfristige Außenpolitik im Sinne der Vereinigten Staaten zu verfolgen.197 Der hierfür notwendige Weitblick erschloss sich möglicherweise nicht einmal den sonst so verlässlichen »bloodhound[s] against tyrants«. Dass sich Jefferson gegenüber dem namensgebenden Akteur der Jacksonian Democracts, denen ich mich im folgenden Kapitel zuwende, mehr als kritisch verhielt, fügt sich angesichts von Andrew Jacksons nicht gerade feinfühliger Diplomatie passgenau in das hier skizzierte Bild ein.
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Brief an James Madison vom 20. Dezember 1787, in: TJW, IV: 475.
2. Das politische Denken der Jacksonian Democrats
2.1
Kontextualisierung: Demokratisierung und Market Revolution
»During the half century that ended with General Jackson’s election, America underwent changes perhaps the most radical and sweeping it has ever undergone in so short a time.« (Hammond 1957: 326) Jene Feststellung Bray Hammonds ist in der Forschung weitestgehend unbestritten. Im Kontext der vorliegenden Arbeit von besonderem Interesse ist Arthur Schlesinger, Jr.s darüber hinausgehende These, dass »[t]he America of Jefferson had begun to dissappear before Jefferson himself had retired from the presidential chair [in 1809; T.M.]. That paradise of small farms, each man secure on his own freehold, resting under his own vine and fig-trees, was already darkened by the shadow of impeding change.« (Schlesinger, Jr. 1945: 8; vgl. Watson 1985: 110; Rühle 2007: 159-166) Was war zu Beginn des 19. Jahrhunderts aus den USA Jeffersons geworden und was waren die am Horizont sich abzeichnenden weitreichenden Veränderungen, die ihre Schatten warfen? Folgt man Schlesinger, Jr.s monumentalem The Age of Jackson (1945), dann bahnte sich bis zur ersten Amtszeit Jacksons (1832-1836) eine Auseinandersetzung zwischen überzeugten Demokraten, die sich in der 1828 formal gegründeten Democratic Party zusammenfinden sollten, und immer mächtiger werdenen Wirtschafts- und Kapitalinteressen an, deren symbolträchtigste Manifestation der so genannte Bank War um die Verlängerung der Charta der Bank of the United States im Jahr 1832 war. Weniger akteurszentriert legte Charles Sellers ein knappes halbes Jahrhundert nach Schlesinger, Jr. mit The Market Revolution (1991) die für viele Jahre wirkmächtigste Interpretation des sozialstrukturellen Wandels im Zeitalter Jacksons vor. »Seller’s was the thesis that launched a thousand dissertations; evidence of the market revolution seemed to be everywhere; it seemed to explain ever-
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ything.« (Lepore 2007) Dass sich angesichts dessen mit der Zeit Kritik an Sellers Interpretation einstellte, verwundert nicht. So bemerkte Daniel Feller, dass bei Verfügbarkeit lediglich eines Hammers wirklich alles zum Nagel werde, dass also »[a] monograph that presupposes a market revolution will certainly find one.« (Feller 1997: 413) Zu Beginn des neuen Jahrtausends sind mit Daniel W. Howes What Hath God Wrought (2007) und Sean Wilentz’ The Rise of American Democracy (2005a) gleich zwei weitere synthetisierende Interpretationen vorgelegt worden, wobei Wilentz stärker an Schlesinger, Jr. und Sellers anknüpft und das antagonistische Moment der Epoche betont, wohingegen Howe die zunächst neutralen Transformationen im Bereich Kommunikation hervorhebt, die die junge Republik in ihren Grundfesten erschüttert hätten, ohne dass sich Unterstützung für oder Widerstand gegen diese Prozesse an sozioökonomischen oder parteipolitischen Positionen eindeutig festmachen lasse (Howe 2007: 5). Mit Blick auf die Ausgangssituation 1815, die für gewöhnlich den Beginn jener Epoche markiert, die häufig als das »Zeitalter Jacksons« (The Age of Jackson) bezeichnet wird, sind sich die unterschiedlich akzentuierten Synthesen weitgehend einig. Wenngleich der bevorstehende soziostrukturelle Wandel bereits seine Schatten warf, waren die USA zunächst noch genau das, was Schlesinger, Jr. als das »America of Jefferson« bezeichnet hatte: eine vornehmlich agrarische Nation mit einer vergleichsweise hohen Geburtenrate,1 die bei gleichzeitig vorherrschenden einfachen Produktionsverhältnissen zu einer erhöhten Binnenmigration und somit einer Erschließung des 1803 von Jefferson erworbenen Louisiana-Territoriums führte. Aufgrund der nach wie vor nur bedingt ausgebauten Kommunikations- und Transportwege war der Lebens- und gedankliche Mittelpunkt der meisten Bewohner auf das Lokale begrenzt. »Most white Americans lived in familiy farms and worked land that they owned or squatted on.« (Ebd.: 32) Produziert wurde vor allem, um die Selbstversorgung zu gewährleisten, wobei dies Tauschhandel mit benachbarten Farmen und die von Jefferson anvisierte an die Farm gebundene Manufaktur einschloss. Über jene Praxis hinausgehende Bedürfnisse konnten in Einzelfällen beim »local storekeeper« befriedigt werden (Ebd.: 35). Kurz: Die soziale Praxis vollzog sich in der lokalen Gemeinschaft, manchmal bis hin zur kollektiv organisierten Versicherung gegen Brandschäden und Ähnlichem (Ebd. 40). 1
Von 1800 bis 1840 vergrößerte sich die US-amerikanische Population von 3,9 auf 32 Millionen Einwohner (Murphy 2013: 95).
2. Das politische Denken der Jacksonian Democrats
Das Handeln einer überwältigenden Mehrheit der US-amerikanischen Bevölkerung vollzog sich somit gemäß einer ›Logik des Landes‹ (Sellers 1991: 3-34). Der von Schlesinger, Jr. ausgemachte »shadow of impeding change« hatte in den ersten beiden Dekaden des 19. Jahrhunderts nur einige Marktenklaven in und um die Küstenstädte belegt, da sich hier Möglichkeiten boten, am internationalen Handel zu partizipieren, die den inländisch liegenden Regionen aufgrund der unterentwickelten kommunikations- und transportbezogenen Infrastruktur noch verschlossen blieben. »Consequently people who settled at any distance from navigable water mainly produced use values for subsistence rather than the market’s commodity values for sale.« (Ebd.: 5) Von den »neuen Axiome[n] der Wirtschaftswissenschaft« (Tocqueville 1840: 235) und der allgemeinen Kenntnis unternehmerischer Skaleneffekte, wie sie Alexis de Tocqueville im zweiten Band seines Berichts Über die Demokratie in Amerika beschreiben sollte, war drei Dekaden vor der Rundreise des französischen Adligen noch nicht allzu viel zu sehen. Der Individualismus, den Tocqueville in vielen Facetten als wesentliches Charakteristikum der US-amerikanischen Gesellschaft beschrieben hatte, stand zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch im Schatten einer Gemeinschaftslogik, im Zentrum derer sich Begriffe wie Familie, Vertrauen, Kooperation, Nächstenliebe und Gleichheit fanden (vgl. Wilentz 2004: 62f.). Die subsistenzwirtschaftliche Orientierung führte dazu, dass sich die wesentliche Sorge der besitzenden Farmer auf die Bewirtschaftung des eigenen Grund und Bodens bezog, der das Überleben der Familie sichern sollte. Zu diesem Zwecke vollzog sich die interne Arbeitsteilung entlang geschlechtlicher und generationeller Linien. Während die Frauen sich der Hauswirtschaft zuwendeten, den Nachwuchs versorgten und vor allem in stetiger Regelmäßigkeit neu gebaren, bestellten die Männer die Felder, kümmerten sich um das Vieh und um die Instandhaltung der Wohnhäuser und Stallungen. Demgemäß schlossen sich die männlichen Nachkommen den Vätern und die weiblichen den Müttern an. Wesentlich hierbei war die Tatsache, dass sich die eigene Stellung nur in Abhängigkeit zur Basisinstitution Familie ergab. »Discouraging individuality and competitive striving«, so Sellers, »the subsistence culture socialized its young to a familism of all-for-one and one-for-all.« (Sellers 1991: 11) Durch die auf diese Weise vermittelten Werte war die Farm tatsächlich jene Tugendschule, die Jefferson imaginiert hatte. Paradoxerweise war es nun eben dieser Bezug auf die eigene Familie und die über Nachkommen und die engere Nachbarschaft organisierte Arbeitsteilung, die Sellers zufolge die Krise der agrarischen Lebensweise und das
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Aufkommen der Market Revolution bedingten. Da der familiäre Landbesitz in vielen Fällen nicht ausreichte, um den Nachkommen dauerhaft das Weiterführen des traditionellen Lebensmodelles zu ermöglichen – die vererbbaren Parzellen wurden mit der Zeit zu klein, um ihrerseits die Reproduktion der nachwachsenden Familien zu gewährleisten2 – blieb den zweit-, dritt- oder viertgeborenen Kindern oftmals lediglich die Möglichkeit der Binnenmigration (vgl. Laurie 1989: 19). Ob dieser Tatsache verschob sich die Siedlungsgrenze immer weiter in Richtung Westen, was die Möglichkeit der Migration jedoch insofern einschränkte, als zwar kein Mangel an Siedlungsland einsetzte – dies sollte erst gegen Ende des Jahrhunderts geschehen –, wohl aber die Migrationskosten für viele nicht mehr tragbar waren. Die unmittelbaren Folgen dieses Prozesses waren Landflucht, das Aufkommen der Lohnarbeit sowie die Orientierung der landwirtschaftlichen Produktion an den Prinzipien des Marktes. All jenen, die sich die Passage gen Westen nicht leisten konnten, die jedoch gleichzeitig nicht dazu in der Lage waren, ihre Familie auf der eigenen Farm zu versorgen, blieb entweder der Weg in die sich ausbildenden urbanen Zentren und hiermit einhergehend die Veräußerung ihrer jeweiligen Arbeitskraft im entstehenden Manufakturwesen (vgl. ebd.: 25); oder aber die Umstellung der vormals subsistenzwirtschaftlichen Produktion in Richtung des Marktes, womit zur damaligen Zeit die urbanen Zentren gemeint waren. Beide Optionen unterminierten letztlich die bis dato dominante ›Logik des Landes‹ und beförderten auf diese Weise die Market Revolution. Unabhängig davon, ob dies mit einer Neuordnung bisher dominanter Konfliktlinien zusammenhing oder nicht, ging mit dieser Entwicklung das Anwachsen bisher zu vernachlässigender sozialer Gruppen einher, namentlich der Handwerker in den Städten und der für den Markt produzierenden Farmer auf dem Land.3 Wenngleich die USA bis zum Ende des Jahrhunderts
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Man kann dies, ohne Wertung, als direkte Folge republikanischer Reformen Jefferson’scher Provenienz ansehen, denn »with Jefferson’s Virginia taking the lead, all the states in the decades following the Revolution abolished both entail and primogeniture where they existed, either by statute or by writing the abolition into their constitutions. These legal devices, as the North Carolina statute of 1784 stated, had tended ›only to raise the wealth and importance of particular families and individuals, giving them an unequal and undue influence in a republic, and prove in manifold instances the source of great contention and injustice.‹ Their abolition would therefore ›tend to promote that equality of property which is of the spirit and principle of a genuine republic‹« (Wood 2009: 498). Vgl. hierzu Ashworth (1995: 303-307) und Murphy (2013: 106f.).
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eine agrarisch geprägte Gesellschaft blieben, schritt die Ausdifferenzierung der Wirtschaft in der Ära Jacksons voran. So stieg die Zahl der in Manufakturen Beschäftigten zwischen 1820 und 1840 um 127 %, wohingegen jene der in der Landwirtschaft Beschäftigten nur um 79 % zunahm (Schlesinger, Jr. 1945: 9). Eine zunehmende Anzahl weißer Männer erfüllte angesichts dieser Entwicklungen die im Jeffersonian Republicanism ausgeflaggten Bürgerschaftsvoraussetzungen nicht mehr, weshalb die Entwicklungen im ökonomischen Bereich direkte Auswirkungen auf das im engeren Sinne politische Denken der Jacksonians hatten, wie ich im folgenden Kapitel zeigen werde. Klar ist auf der anderen Seite auch, dass sich die Lebenswelt der USAmerikaner nicht in Gänze wandelte. »The capitalist revolution of life did not convert Americans overnight into the self-confident enterprisers of liberal mythology« (Sellers 1991: 28). Stattdessen, so Sellers, könne man von einem »Ambigious Republicanism« sprechen.4 »Republicanism was compromised by contradictions between opportunity and equality, while rural egalitarianism itself was compromised by farmers’ commitment to private property and the patriarchy it sustained. The potential dangers of unlimited property rights under market conditions were obscured by Americans’ premarket experience with private property under a person/land ratio sustaining family security and equality.« (Ebd.: 33) Die vormarktliche Sozialstruktur wurde naheliegenderweise nicht lediglich durch neu auftauchende Akteure transformiert, sondern zunächst mit der von Howe akzentuierten Kommunikationsrevolution (vgl. Murphy 2013: 98). Die Binnenmigration wurde von vielen mit der Hoffnung verbunden, dass ihr isoliertes Frontier-Leben in absehbarer Zeit ein (glückliches) Ende finden sollte, welches vor allem mit der transport- und kommunikationsbezogenen Integration in die Republik assoziiert wurde (vgl. Howe 2007: 41). Befördert wurden jene Kommunikations- und Transportrevolutionen wesentlich von höchstrichterlichen Entscheidungen, die eine Stärkung kompetitiver Prinzipien nach sich zogen, und zwar zulasten älterer Arrangements einzelstaatlicher Regulierung, zuvorderst der bis dahin gängigen Praxis der an Bedingun-
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Sehr ähnlich argumentierte drei Dekaden vor Sellers bereits Marvin Meyers, der von einem eigentlich unversöhnlichen Antagonismus zwischen kulturellem Konservatismus und wirtschaftlichem Liberalismus sprach, der durch die Jeffersonian Republicans auf den Weg gebracht worden war, von diesen jedoch aufgrund des anders gearteten Kontextes noch nicht als Gegensatz wahrgenommen wurde (Meyers 1960: 11).
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gen geknüpften Vergabe von Monopolrechten (vgl. Murphy 2013: 98; McCurdy 1975: 988f.). Diesbezüglich von einer Freisetzung der die Republik zersetzenden Marktkräfte zu sprechen, die vor allem im Interesse der wirtschaftlich Mächtigen gewesen sei, greift jedoch zu kurz.5 Die Liberalisierung der Wirtschaft wurde von vielen als logische Fortsetzung der politischen Revolution begriffen. »If one of the promises of the American Revolution had been that personal wealth and economic liberty would be linked, that seemed to be coming true by the 1820s« (Murphy 2013: 99). Die Minimierung politischer Interventionen bezogen auf die wirtschaftliche Sphäre schien letztere vom Einfluss persönlicher Seilschaften, die das meritokratische Prinzip unterminierten, zu befreien. Hiermit ging freilich die allgemeine Depersonalisierung wirtschaftlicher Transaktionen einher (vgl. Larson 2010: 98). Die auf persönlicher Bekanntschaft fußende Republik Jeffersons wurde in der ökonomischen Sphäre abgelöst von der großflächigen und anonymeren Marktgesellschaft, die die Akteure aneinanderband, ohne dass diese sich persönlich kennen mussten. Dies war ohne Zweifel eine der weitreichendsten Transformationen im Bereich der zwischenmenschlichen Interaktion im Zuge der Epoche Jacksons. Auf Akteursebene ging hiermit, wie bereits angedeutet, das Aufkommen neuer und der Wandel ehemals zentraler Gruppen einher. Neu war eine sich stetig vergrößernde Schicht abhängig Beschäftigter. Hatte Jefferson inbrünstig dafür plädiert, die »workshops« solange wie irgend möglich in der Alten Welt zu belassen, um das anvisierte »empire for liberty« mit unabhängigen Eigentümern bevölkern zu können, so hatte sich die sozioökonomische Wirklichkeit auch in Folge der von Jefferson zögerlich eingestandenen Notwendigkeit, die US-amerikanische Wirtschaft auszudifferenzieren, von dieser normativen Vision wegbewegt. Hauptursächlich hierfür waren technologische Innovationen, die den Bedarf an Arbeitskräften reduzierten (vgl. Laurie 1989: 16, 24). Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts stand für im Handwerk tätige Bürger am Ende der Ausbildungszeit die Selbstständigkeit, aus »apprentices« wurden »journeymen« und aus »journeymen« wurden »master«. Nach Ende des zweiten britisch-amerikanischen Krieges 1815 änderte sich die Situation entscheidend. Immer mehr »master« entdeckten Möglichkeiten, die es ihnen gestatteten eine Reihe der Produktionsschritte von ungelernten Arbeitern – und teilweise auch Arbeiterinnen – durchführen zu lassen, deren Gehalt 5
Dies ist die Stoßrichtung der Darstellung Sellers’ (1991).
2. Das politische Denken der Jacksonian Democrats
selbstredend unter jenem der Fachkräfte lag.6 Da zudem die standardisierte Produktion den Output erhöhte und den Markt somit für neuankommende Selbstständige extrem verknappte, war der Weg in die Selbstständigkeit für viele dauerhaft verbaut: »[T]o be a journeymen […] was to be a journeymen for life.« (Wilentz 2004: 132; vgl. Larson 2010: 107) Die Folge war eine immer größer werdende Interessengruppe der abhängig Beschäftigten (vgl. Laurie 1989: 46),7 was sich auch institutionell niederschlug – beispielsweise in Form der 1833 gegründeten General Trades Union. Der Farmer war demgegenüber natürlich kein neuer Akteur, seine Gestalt wandelte sich im Zuge der Vermarktwirtschaftlichung jedoch ebenfalls weitreichend. Handel hatte der Farmer bereits in Jeffersons »Vorstellungswelt« treiben sollen, allerdings vor allem Tauschhandel innerhalb seiner überschaubaren Gemeinschaft. Später sollte dann, wie im letzten Kapitel dargelegt, der internationale Freihandel hinzutreten, den Jefferson jedoch keineswegs als auf Wettbewerbsprinzipien basierend begriff, sondern auf regional unterschiedlichen Bedürfnislagen, deren prästabilierte Harmonie den internationalen Frieden würde sichern helfen. Beide Vorstellungen wurden auf dem Weg ins Zeitalter Jacksons hinweggefegt. National weitete sich der Blick vieler Farmer – wie bereits angesprochen – über die lokale Gemeinschaft hinaus. Aufgrund sich stetig verbessernder Transportwege war es den Farmen fortan möglich, nicht mehr für den warenförmigen Tauschhandel zu produzieren, sondern für den geldförmig organisierten Markt. »In the shadows of rapidly growing cities […] farmers sensibly turned their attention to supplying urban populations with things city folks could not provide themselves: fresh meat, vegetables, butter and eggs, firewood, and fodder for the livestock. None of these activities was new to semi-subsistence farmers; all had traded such goods at their neighborhood stores since the earliest days of settlement. But urban growth and the articulation of complex markets made what had once been ancillary industries increasingly the primary business of farms in hinterland regions that gained from propin-
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Vgl. hierzu beispielsweise Wilentz (2004: 129-132). Die Situation verschärfte sich in den 1820er und 1830er Jahren noch eindringlicher, »as four out of five master craftsmen fell from independent viability and signed on as hired hands in the ›bastard workshops‹ that employed all those journeymen« (Larson 2010: 107).
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quity of markets what they lacked in expansive frontier potential.« (Larson 2010: 102; vgl. Laurie 1989: 22-25) Viele Farmer waren demnach zunehmend abhängig von jenen »casualities and caprice of customers« vor denen Jefferson eindringlich gewarnt hatte, wenngleich relativierend hinzugefügt werden muss, dass die Bauern keineswegs jene Luxusgüter im Sinn hatten, die Jeffersons Sorgen primär befeuert hatten. Gleichwohl nahm die »dependence on […] markets« zu (Larson 2010: 103); und sie vergrößerte sich noch einmal beträchtlich, als die Abnehmer der landwirtschaftlichen Güter sich daran machten, die Farmer in einen internen Wettbewerb zu verstricken, indem nicht mehr vor der Produktion die Menge und der Preis bei Abnahme vereinbart wurden, sondern erst hiernach. Aufgrund der bereits vorher vollzogenen Umstellung der landwirtschaftlichen Produktion in Richtung so genannter »cash crops«,8 »these specialized farms could not readily go back to earlier days.« (Ebd.) Mit anderen Worten: Auch die Farmer, von Jefferson als Rückgrat der Republik ausgezeichnet, waren zunehmend Teil des Marktsystems geworden – wenn sie nicht gar vollständig von diesem abhingen. Es war nicht zuletzt jene immer größer werdende direkte Betroffenheit der Bürger von nationalen Weichenstellungen, die zu einer steigenden Politisierung der Bevölkerung in den 1820er Jahren beitrug. Die Ende des 18. Jahrhunderts noch despektierlich als »mob« verschrienen Massen begannen, die einzelstaatliche und vor allem nationale politische Szenerie zu erobern (vgl. Berg 2017: 126). Die Saat hierfür war freilich bereits früher gestreut worden. Seit Ende des 18. Jahrhunderts war das Wahlrecht in vielen Staaten Schritt für Schritt ausgeweitet worden, vor allem mit Blick auf die weitreichende Aufhebung von Eigentumsqualifikationen. »By the end of 1821, twenty-one of the twenty-four states had approved something approaching a divorce of property-holding and voting – a major shift since the nation’s founding.« (Wilentz 2005a: 201; vgl. Schlesinger, Jr. 1945: 30; Silbey 1991: 13) Mit dieser Vergrößerung des Elektorats einher ging, dass »die Politiker nun viel bewusster auf die Bedürfnisse und Stimmungen der Massen Rücksicht« nehmen mussten (Sautter 2013: 187). Wenngleich die regionalen Differenzen teilweise beträchtlich waren und der Süden allgemein als restriktiver in Wahlrechtsfragen bezeichnet werden muss, änderte sich die Auffassung von den Bedin8
»Cash crops« waren landwirtschaftliche Erzeugnisse, die explizit für den Markt produziert wurden, die Subsistenz der Farm also nicht sicherstellen konnten. Das prominenteste Beispiel war die Baumwolle in den Südstaaten.
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gungen verantwortungsvollen Bürgerdaseins alles in allem flächendeckend. Zwar hatten die USA bereits im gesamten 18. Jahrhundert ein vergleichsweise liberales Wahlrecht, allerdings war auch nach der Unabhängigkeit die Idee vorherrschend, dass es notwendig sei, bestimmte Gruppen von den Wahlurnen fernzuhalten. Dies galt selbstredend für Frauen,9 Kinder und Sklaven, es galt aber auch für nicht vermögende weiße Männer. Selbst die radikalste der Einzelstaatsverfassungen nach 1776 – jene Pennsylvanias (vgl. Wood 1998: 83-91) – »still associated representation with taxation«, wenn auch nicht mit Landbesitz (Ratcliffe 2013: 223; vgl. Kruman 1992: 517).10 Zwar legt Ratcliffe überzeugend dar, dass de facto – vornehmlich aufgrund einer um sich greifenden Inflation und des breit verteilten Landbesitzes – auch in den Jahren bis 1821 nur relativ wenige weiße Einwohner von den Wahlen ausgeschlossen wurden und wirft unter anderen Wilentz vor, das Zeitalter Jacksons als Periode der Demokratisierung misszuverstehen. Wilentz’ Beobachtung bezieht sich jedoch nicht auf die faktische Wahlberechtigung oder den numerischen voter turnout,11 sondern auf die um sich greifende Annahme, dass es einer Einschränkung des Wahlrechts für weiße Männer auch de jure nicht mehr bedürfe (»divorce of property-holding and voting«; vgl. Schlesinger, Jr. 1945: 14; Grazia 1951: 117; Foner 2008: 353). Dies ist meines Erachtens insofern ein gewichtiger Unterschied, als das stock-in-society-Argument, das die republikanische Logik Jeffersons informiert hatte, durch die Überlegung abgelöst wird, der zufolge der Mann als (arbeitender) Mann – und unabhängig von kontingenten Faktoren der Geldentwertung und der Verfügbarkeit billigen Landes – das Recht zu wählen habe (Kruman 1992: 518).12 Jene 9 10
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Erste Abweichungen von dieser Praxis vollzogen jedoch Rhode Island, Connecticut, Delaware und New Jersey (vgl. Ratcliffe 2013: 229). Dies war insofern fortschrittlich, als hiermit auch lediglich das Land anderer bearbeitende Bauern das Wahlrecht erwerben konnten, wenn sie Steuern zahlten (Sokoloff/Engerman 2001: 6f.). Die Umstellung von Besitz auf die Zahlung von Steuern wurde nach 1776 auch von North Carolina und New Hampshire vollzogen (vgl. Ratcliffe 2013: 227). Wenngleich auch dieser auf nationaler Ebene beträchtlich anstieg. Die Wahlbeteiligung an den Präsidentschaftswahlen entwickelte sich von 27 % 1824 zu 57 % 1828 (Meacham 2008: 43; Sacher 2013: 281). Ein herausragendes Beispiel hierfür, das auch Ratcliffe anführt, war New York. Die dort 1821 vollzogene Verfassungsänderung »abolished the severly restrictive franchise for the state senate, and extended the right to vote for the assembly to all male taxpayers and militia men. […] However, as elsewhere, interpretation of the taxpaying qualification proved complex and difficult. The search for simplification produced a non-
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Wahlrechtsausweitung und die hiermit einhergehende Transformation des Bürgerbildes hatte sich demnach bis zu Beginn der 1820er Jahre im Großen und Ganzen bereits vollzogen. Es ist daher angemessen mit Daniel W. Howe davon zu sprechen, dass »[t]he consequences of white male democracy, rather than its achievement, shaped the political life [and thought; T.M.] of this period.« (Howe 2007: 5)13 Zeitlich etwas später liegend und aufgrund dessen tatsächlich als »achievement« des Age of Jackson zu bezeichnen, ist das sich wandelnde Präsidentschaftswahlverfahren (Coens 2013: 232; vgl. Grazia 1951: 118f.; Rosen 2006: 284). »Seit der Zeit Jeffersons, und zuletzt 1824, hatten Föderalisten wie Republikaner ihre Kandidaten in geheimen Fraktionssitzungen des Kongresses oder der Staatsparlamente nominiert. Nach der triumphalen Wahl Jacksons bildete sich dann 1832 bereits das System der Parteitage heraus, auf denen theoretisch jedes Parteimitglied in der Union an der Nominierung teilnehmen konnte.« (Sautter 2013; 189; vgl. Loewnstein 1959: 268f.)14 Der Weg zu den Parteitagen wurde von den ab 1808 immer prominenter werdenden »delegate conventions« geebnet, im Rahmen derer die Kandidatenauswahl von der Basis vorgenommen werden sollte (vgl. Coens 2013: 239). Ebenso »verlagerte man in den einzelnen Staaten auch die Wahl der Wahlmänner von den Parlamenten auf die Wähler« und »[d]em demokratischen Verständnis entsprach es außerdem, dass immer mehr Staatsdiener gewählt statt ernannt wurden.« (Sautter 2013: 189; vgl. Sacher 2013: 281)
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contentious shift in 1826 from taxpaying to a qualification based simply on citizenship, age, and residence« (Ratcliffe 2013: 245; vgl. Engerman/Sokoloff 2001: 14). Dass die oben genannten Gruppen – Frauen, Sklaven beziehungsweise allgemeiner nicht-Weiße und Kinder – weiterhin ausgeschlossen blieben, war freilich die andere Seite der Medaille. Der Ausschluss wurde nunmehr noch offensiver als bisher mit natürlichen Defiziten zu rechtfertigen gesucht. Insgesamt, so Eric Foner (2008: 357), »the intellectual grounds for exclusion shifted from economic dependency to natural incapacity.« Im Zuge des 19. Jahrhunderts, so Foner weiter (ebd.: 360), »race […] replaced class as the boundary between those American men who were entitled to enjoy political freedom and those who were not.« Coens (2013: 253) weist bei aller Wertschätzung der Bemühungen der Jacksonians darauf hin, dass die Kritik am »caucus«-System, also jener Nominierungspraxis, die der Fraktion die Hoheit über die Kandidatenauswahl zugestand, bereits seit spätestens 1808 massiv zugenommen hatte.
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Wenngleich die Transformation des Wahlrechts der vermutlich gewichtigste Indikator für Demokratisierungsprozesse ist, so erschöpfen sich diese aus naheliegenden Gründen nicht darin. Die Existenz politischer Parteien scheint für die moderne Massendemokratie nicht weniger wichtig zu sein. Darüber, dass von einem Parteienwesen in den ersten rund 50 Jahren des Bestehens der USA nicht gesprochen werden kann, besteht kein Zweifel. Die politischen Differenzen zwischen den Federalists um Alexander Hamilton und den Republicans um Thomas Jefferson und James Madison waren zwar beträchtlich und die Auseinandersetzungen wurden mit scharfer Zunge geführt; von organisierten Parteien lässt sich aber weder auf der einen noch auf der anderen Seite sprechen (vgl. McCormick 1986: 145).15 Für Joel H. Silbey zeichnet sich die frühe Republik vielmehr durch eine gegen Parteien gerichtete politische Kultur aus, deren Kontrahenten sich aus elitären Zirkeln rekrutierten (vgl. Silbey 1991: 7).16 Beides änderte sich auf dem Weg zur Präsidentschaft Jacksons. Zum einen entstehen durch die Aufspaltung der Republicans in die Demokratische Partei einerseits und die oppositionellen Whigs – gegründet 1833 – andererseits organisierte Parteien, die als solche zumindest teilweise normativ ausgezeichnet werden (vgl. Wilson 1988; Kruman 1992: 511; Formisano 1969); zum anderen öffnen sich die Parteien der Masse der Bürger, wie mit Blick auf die Einbeziehung gewöhnlicher Parteimitglieder in die Auswahl der jeweiligen Präsidentschaftskandidaten deutlich wird. Das aufkommende Parteienwesen ist hierbei ebenso als Reaktion wie als Katalysator einer zunehmenden Politisierung der US-amerikanischen Gesellschaft anzusehen. Hatte sich ein Großteil der Bevölkerung im agrarischen Paradies Jeffersons weder mit der nationalen Politik befassen sollen noch ein Interesse verspürt, dies zu tun, so änderte sich diese Gemengelage mit der Wirtschaftskrise von 1819 schlagartig. »Dem sich selbst versorgenden Farmer oder Handwerker im abgelegenen Dorf mangelte es früher nicht nur an der Kenntnis der Vorgänge in der Staats- oder Bundeshauptstadt; er hätte auch bei besserer Information den dort verhandelten Gegenständen schwerlich Bedeutung für sich selbst
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McCormick (1986: 157) fasst dies treffend zusammen, wenn er bemerkt: »Amidst the variations, two distinguishing features of the first party system stand out: the degree of ideological conflict and the incompleteness of of partizan organization.« Dies glich weitestgehend den politischen Praktiken der kolonialen Zeit. Vgl. zu diesen Wood (1991: Teil I).
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beimessen können. Aber als der stetig stärker werdende Verkehr die Produktion für den großen Markt statt nur für den lokalen Eigenverbrauch mit sich brachte, als die Industrialisierung Unternehmer und Arbeiter formte, deren Schicksal von Kreditverhältnissen und Tarifen abhing, da wurden auch die Nachrichten von den diese Umstände beeinflussenden politischen Vorgängen für den räumlich entfernten Bürger lesens- und hörenswert.« (Sautter 2013: 188f.; vgl. McCormick 1986: 158) Die Panik von 1819 hatte hierbei insofern Signalwirkung, als sie die erste nationale bust-Erfahrung der jungen Republik war, von der nahezu alle Bevölkerungsteile in der ein oder anderen Form betroffen wurden. Was war geschehen? Dem bust war gemäß dem zyklischen Wirtschaftsmodell in den ersten Jahren nach dem zweiten britisch-amerikanischen Krieg ein veritabler boom vorausgegangen. Der Westexpansion – Indiana, Mississippi, Illinois, Alabama und Missouri wurden bis 1820 in die Union aufgenommen – korrespondierte die rapide Verkürzung des Raumes über die mit Wasserdampf betriebene Schifffsfahrt, was für viele Anreize schaffte, mit Hilfe spekulativer Geschäfte zu schnellem Geld zu kommen (vgl. Hammond 1953: 274; vgl. Larson 2010: 37f.). Gerade im Süden war zu beobachten, dass »[t]he resumption of trade with Europe [after 1815; T.M.] created a huge overseas market for American cotton and grain. Coupled with the rapid expansion of settlement into the West, this stimulated demand for loans to purchase land, which local banks and branches of the Bank of the United States were only too happy to meet by printing more money.« (Foner 2008: 362) Die Gründung einer Vielzahl von Privatbanken war vor allem darauf zurückzuführen, dass »men without capital wanted the means of obtaining loans, which their standing in the community would not command from banks or individuals having real capital and established credit«, wie Finanzminister William H. Crawford zusammenfasste (zit.n. Sellers 1991: 133).17 Fußten Kreditbeziehungen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts vor allem auf persönlichen Vertrauensverhältnissen, so bedeuteten die Privatbanken für viele zunächst eine Befreiung, da sie Kredite auch für weniger angesehene Gesellschaftsmitglieder zugänglich machten. Auf der anderen Seite stieg auf Seiten der Banken selbstredend der Anreiz, Kredite über Maß zu vergeben, da die Kosten hierfür lediglich im Bedrucken des ausgegebenen Papiergeldes bestanden und der potentielle Nutzen
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Vgl. zur Funktionsweise des frühen Bankenwesens ausführlich Murphy (2017: 8-38).
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über die verlangten Zinsen ungleich größer war. Vor dem Hintergrund einer beschränkten Haftung der Eigentümer, die sich lediglich auf deren Einlagen erstreckte, förderte dies Blasenbildungen beziehungsweise volkswirtschaftliche boom-Phasen. Im Ergebnis wurden die USA mit Papiergeld beinahe überschwemmt, wobei das Verhältnis zwischen tatsächlich vorhandenen Hartmetallreserven in Gold und Silber und den ausgegebenen papiernen Zahlungsversprechen vollständig aus dem Ruder lief. Da die Bank of the United States (BUS) ihren regulatorischen Aufgaben nicht nachkam beziehungsweise ihr Potential regulatorisch zu wirken nicht wahrnahm und stattdessen selbst versuchte vom boom zu profitieren, indem sie ihrerseits weit über die eigenen Hartmetallreserven hinausgehende Kredite vergab,18 lief der Motor heißer und heißer, bis er 1819 explodierte. Da die im Westen ausgegeben Zahlungsversprechen der BUS über den Binnenhandel in den Nordosten des Landes zurückwanderten, schrumpften ihre Hartgeldreserven immer weiter zusammen, bis sich der neue Bankdirektor Langdon Cheves schließlich genötigt sah, die ausstehenden Kredite drastisch zu reduzieren,19 was wiederum die state banks, die ihrerseits von der BUS mit ihren eigenen Krediten konfrontiert wurden, nötigte, ihre Kredite einzufordern beziehungsweise nicht zu verlängern. Gleichzeitig sorgte eine sich parallel in Großbritannien ereignende Finanzkrise dafür, dass die Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse im transatlantischen Handel sanken, was es vielen Schuldnern unmöglich machte, ihre Kredite zu bedienen. Die Folge war »a flood of business failures and personal liquidations«, die die USA »into their first experience of general and devastating economic prostration« führten (ebd.: 136). Da jene Entwicklungen unmittelbar mit der nationalen Politik zusammenhingen, stieg das Interesse an dieser stark an, was sich nicht zuletzt an der Entwicklung des Pressewesens ablesen lässt. Anders als heute fungierten Zeitungen im 19. Jahrhundert noch nicht als unabhängige Instanz respektive
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»Instead [of regulating the state banks; T.M.] Jones [director of the BUS, T.M.] and company sought to appease the demand for credit while maximazing the Bank’s profit by extravagant lending, particulary at the Bank’s branches in the booming West. This put so many of its notes into circulation that it could no longer press the state banks for specie without being equally pressed in return. Thus the national Bank not only threw away its ability to restrain inflation but redoubled inflationary pressures« (Sellers 1991: 134; vgl. Larson 2010: 39f.). »In just over one year, the total demand liabilities […] of the Second Bank of the United States shrank from $23 million to $10 million« (Larson 2010: 40).
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›vierte Gewalt‹, sondern als Sprachrohre politischer Parteien beziehungsweise Strömungen (vgl. Howe 1979: 7). Nach Ende des Krieges 1815 nahm die Zahl der Zeitungen rapide zu. Wurden 1815 413 Zeitungen publiziert, waren es 1820 schon 512 und 1828, dem Jahr der Präsidentschaftswahl, die Jackson ins Weiße Haus bringen sollte, bereits 863 (Hildenhagen 2017: 47). »Newspapers«, so Daniel Walker Howe, »played an essential role in making representative government meaningful and in fostering among the citizens a sense of American nationality beyond face-to-face politics of neighborhoods. […] With the communications revolution, it became possible to wage a nationwide contest over public opinion.« (Howe 2007: 228-230)20 Zeitungen waren mit anderen Worten eine notwendige Voraussetzung für die Demokratisierung der Republik und für inklusivere politische Strukturen – und sei es lediglich, weil fortan zumindest auf den Wähler geschaut werden musste, der über die nationalen Vorgänge unterrichtet wurde (Sacher 2013: 283).21 An dieser Stelle wird auch deutlich, dass der Blick auf das Wahlrecht nicht ausreicht, um die Demokratisierung der USA bereits im späten 18. Jahrhundert zu verorten; die Möglichkeit der Wahl mag auch zu diesem Zeitpunkt schon nahezu allen weißen Männern offen gestanden haben, ihre Bedeutung veränderte sich nach dem zweiten britisch-amerikanischen Krieg jedoch merklich. Was Gordon Wood (1998: 562) bereits für die Zeit unmittelbar nach 1789 festhält – das Entstehen einer »politics that would no longer permit the members of an elite to talk only to each other« – wird auf überregionaler Ebene erst rund drei Dekaden später Wirklichkeit. Schließlich fällt in die Ära Jackson, wie nicht zuletzt Schlesinger, Jr. (1945) herausgestellt hat, auch die Gründung einer Vielzahl gesellschaftlicher Interessengruppen (vgl. Dorfman 1949: 298).22 Es ist später immer wieder darüber 20 21
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Vgl. Murphy (2013: 98) und Campbell (2013: 135f.). Andere Autoren, so beispielsweise Foner (2008: 357), sprechen von einer »informations revolution«. Der Entwicklung des Zeitungs- korrespondierte der Ausbau des öffentlichen Postwesens. Dieses wurde zwar bereits 1792 vom Kongress ins Leben gerufen, vergrößerte sich jedoch erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts in beträchtlichem Ausmaß. »By 1800 the number of post offices had grown to 903; by 1815 there were over three thousand post offices. […] The postal system was helping to annihilate time and distance everywhere.« In besonderer Weise begünstigte der Ausbau des Postwesens die Verbreitung der aus dem Boden schießenden Zeitungsneugründungen, da »Congress’s Post Office Act of 1792 allowed all newspapers, and not just those close to the centers of power, to be sent by mail at very low rates; in effect, newspaper circulation was subsidized by letter-writers« (Wood 2009: 478f.). Vgl. Murphy (2013: 103).
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gestritten worden, ob Schlesinger, Jr. die Bedeutung der sozioökonomischen Konfliktlinie nicht überschätzt habe. Insbesondere wurde darauf hingewiesen, dass er alternative Sozialisationsagenturen nicht beziehungsweise nur unzureichend berücksichtigt habe, die die politischen Loyalitäten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts weit besser erklären würden, namentlich religiöse Zugehörigkeit.23 Ungeachtet der tatsächlichen Bedeutung sozioökonomisch, religiös oder anderweitig bedingter Loyalitäten steht jedoch außer Frage, dass die gesellschaftlichen Interessengruppen im frühen 19. Jahrhundert einen Aufschwung erlebten.24 Sei es das Second Great Awakening, das die religiösen Gemeinden insbesondere nach den 1820er Jahren wachsen ließ, sei es die aufkommende Anti-Sklaverei-Bewegung, sei es der Kampf für die oben skizzierte Demokratisierung des Landes oder seien es die sich in den Städten formierenden Arbeitervereinigungen: die nationale Politik wurde nicht nur durch die Abgabe der eigenen Stimme immer stärker und immer beständiger mit gesellschaftlichen Forderungen konfrontiert.25 Politik war nicht länger Sache der Eliten,26 wobei sich die Artikulation des eigenen Standpunktes nicht mehr nur auf einzelne kritikwürdige Ereignisse reduzierte – Unmutsbekundungen wie die Shay’s Rebellion hatte es auch im 18. Jahrhundert genug gegeben –, sondern sich dauerhaft institutionalisierte. Schließlich: Wenngleich Vermarktlichung und Demokratisierung meines Erachtens die zentralen gesellschaftlichen Entwicklungen waren, auf die das politische Denken der Jacksonians zu reagieren versuchte und die gleichzeitig helfen, Ersteres zu verstehen, so ist der Kontext der Präsidentschaft Jacksons hiermit selbstredend nicht erschöpfend dargestellt. Die Frage der Sklaverei, die mit dem Missouri-Kompromiss von 1819 nur unzureichend geklärt wurde, die hiermit eng zusammenhängende Debatte um die Kompetenzverteilung
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»Puritans«, so Lee Benson, »would be more likely to vote Whig, nonpuritans to vote Democratic.« (Benson 1961: 165) Vgl. hierzu als Überblick Feller (1990) und Formisano (1976). Schlesinger Jr.s vermeintliche Überbetonung der Arbeitnehmerorganisation hat hierbei durchaus ein empirisches Fundament. So bildete sich 1836 die General Trades’ Union, »which included delegates from some 50 organized trade societies« und die als Ausdruck einer im Entstehen begriffenen »class solidarity« angesehen werden kann (Montgomery 1977: 121; vgl. Margo 2000: 235). Vgl. hierzu beispielsweise McCormick (1986: 159) und Volk (2009). Das heißt auf der anderen Seite weder, dass die Eliten keine zentrale Rolle im politischen Prozess mehr spielten, noch dass Demokratisierung und Politisierung mitunter nicht sogar im Interesse dieser liegen konnten.
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zwischen Bundesregierung und Einzelstaaten, die die USA durch Sezessionsbestrebungen South Carolinas bereits 1832 an den Rande eines Bürgerkrieges brachte, die Westexpansion, sowie schließlich die Vertreibung der Indianerstämme infolge des von Jackson befürworteten Indian Removal Act von 1830; all diese Themen und hiermit zusammenhängenden Entwicklungen sind für die USA der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert wesentlich und für den mittelfristigen Fortgang der Geschichte des Landes, insbesondere mit Blick auf den 1861 beginnenden Bürgerkrieg, mitunter sogar wichtiger als Vermarktlichung und Demokratisierung. Letztere Entwicklungen nichtsdestoweniger als ausschlaggebenden Kontext für die auszumachenden Verschiebungen innerhalb des republikanisch-demokratischen Lagers anzusehen, ist aufgrund dessen eine gebotene Verkürzung, da sie wesentlich zur Profilschärfung der Jacksonian Democrats beitrugen, dass sie also, anders formuliert, als zentrale Probleme respektive Entwicklungen begriffen werden müssen, auf die die Partei unter Jackson zu reagieren versuchte (vgl. Foner 2008: 371). Dass sich die oppositionellen Whigs um Daniel Webster und Henry Clay 1833 vornehmlich als Reaktion auf Jacksons Politik im Zuge des Bank War und nicht etwa auf seine Haltung in der ebenfalls 1832 sich ereignenden Nullifikationskrise gründeten, ist hierfür ebenso Indiz wie die weitreichende Einigkeit der Parteien hinsichtlich der Sklavenfrage, Westexpansion und der Vertreibung der Indianer (vgl. McCormick 1986: 167).27 Dass darüber hinaus die Sorge, dass aus der Republik eine Demokratie geworden sei, aus dem Lager der Whigs formuliert wurde,28 deutet auf die weitreichenden Unterschiede im politischen Denken zwischen beiden Parteien hin. Kurz, was die Jacksonians zu den Jacksonians machte, waren ihre Positionen zu den beobachtbaren Demokratisierungs-
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Henry Clay bemerkte beispielsweise, dass die Vernichtung der Indianer »no great loss to the world« sei (Wilentz 2005a: 324). Und mit Blick auf die Sklavenfrage waren die führenden Köpfe der Whigs ebenfalls nicht zu den radikaleren Abolitionisten zu zählen. Clay schwebte, ebenso wie dies für Jefferson gegolten hatte, die Repatriierung der Sklaven als mögliche Lösung vor, keineswegs deren Emanzipation in den USA (ebd.: 331). Als erste nationale Partei, die sich explizit gegen die Sklaverei aussprach, wurde 1854 die Republikanische Partei gegründet. Im selben Jahr lösten sich die Whigs auf. »›They [the Democrats; T.M.] have classified the rich and intelligent and denounced them as aristocrats,‹ the Richmond Whig declared, ›they have caressed, soothed, and flattered the heavy class of the poor and ignorant, because they held the power which they wanted.‹ In pursuit of their selfish ends, the Jacksonians had destroyed the political system designed by the Framers: ›The Republic,‹ the Richmond paper cried, ›has degenerated into a Democracy.‹« (Wilentz 2005a: 425)
2. Das politische Denken der Jacksonian Democrats
und Vermarktwirtschaftlichungsprozessen in den USA des frühen 19. Jahrhunderts. Kontinuität und Wandel des politischen Denkens innerhalb des im weiteren Sinne demokratischen Lagers lassen sich aufgrund dessen sinnvoll nur nachvollziehen, wenn das Denken der Jacksonians mit Blick auf ihre Haltung bezüglich beider Entwicklungen rekonstruiert wird. Im Zentrum der folgenden Ausführungen werden demgemäß unter anderem Fragen nach den Bedingungen der Bürgerschaft und dem Sinn und Zweck repräsentativer Einrichtungen ebenso stehen wie Überlegungen zum Verhältnis von Markt und Staat sowie den Auswirkungen ökonomischer Entwicklungen auf das politische System.
2.2
Politisches Denken
Für Andrew Jackson waren die eigenen politischen Ideen nichts anderes als »good old jeffersonian Democratic republican principles«29 und Jackson selbst somit der legitime Erbe des ›Sage of Monticello‹ als Verteidiger der Republik gegen deren Feinde, vor allem die vermeintlich monarchisch beziehungsweise aristokratisch Gesinnten im Inneren (vgl. Hildenhagen 2017). Jefferson hatte hierzu eine dezidiert andere Meinung. Einer Aufzeichnung Daniel Websters zufolge sprach er Jackson die Eignung für das höchste Amt im Staate rundheraus ab30 : »I feel much alarmed at the prospect of seeing General Jackson as President. He is one of the most unfit men I know of for such a place. He has had very little respect for laws and constitutions, and is, in fact, an able military chief. His passions are terrible. When I was President of the Senate, he was Senator; and he could never speak on account of the rashness of his feelings. I
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Brief an Francis P. Blair vom 22. August 1836, zit.n. Wilentz (2005b: 126). Die Übereinstimmung seiner eigenen Positionen mit denen des »true Jeffersonian creed« betonte Jackson auch im Zuge eines öffentlichen Auftritts 1835, im Rahmen dessen er den Wählern Leitfragen zur Unterscheidung zwischen Demokraten und »Whigs, nullies, and blue light federalists« mit auf den Weg gab. Hierzu Remini (1984: 339) und Watson (1985: 114). Diese Aufzeichnung ist aufgrund der politischen Animositäten zwischen Jackson und Webster mit Vorsicht zu genießen. Allerdings wird mit Blick auf das im Folgenden darzulegende politische Denken der Jacksonians deutlich, dass es gute Gründe dafür gibt, anzunehmen, dass Jefferson diesen Ausspruch tatsächlich getätigt haben könnte.
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Die Wurzeln des Populismus
have seen him attempt it repeatedly, and as often choke with rage. His passions are, no doubt, cooler now; he has been much tried since I knew him, but he is a dangerous man.« (Webster 1824: 371)31 Wie lassen sich diese widersprüchlichen Einschätzungen erklären? Auf den ersten Blick mag man Jeffersons Ablehung als auf die Person und den Charakter Jacksons zielend deuten. Jackson, nicht etwa Jacksons Programm ist demnach ungeeignet für das höchste Amt im Staat. »He is one of the most unfit men…«, »He has very little respect…«, »His passions are terrible…« und so weiter. Ich will jene persönliche Komponente keineswegs verneinen. Für den gemäß traditioneller Vorstellungen gebildeten Jefferson – dieses Kind aus gutem Hause, den »gentleman farmer« (Isenberg 2016: 86) – muss Jackson eine plumpe Erscheinung gewesen sein. »[H]e could not spell, he lacked education and culture« (Hofstadter 1989: 59).32 Als Teenager entwickelte er, ermöglicht durch das Erbe eines irischen Verwandten, eine Vorliebe für »gambling, horses, and cock-fighting« (ebd.; vgl. Wilentz 2005a: 169), für jene Aktivitäten also, denen der junge Jefferson während seiner Zeit am William and Mary College entgegen der dortigen Gepflogenheiten abgeschworen hatte.33 Wenngleich Jackson »considered himself to be […] an aristocrat« (Hofstadter 1989:
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Ähnlich äußerte sich zeitlich früher Albert Gallatin, einer von Jeffersons politischen Weggefährten (vgl. Wilentz 2005b: 20; Schlesinger, Jr. 1945: 37). Meacham meint diesbezüglich, dass die fehlende klassische Bildung Jacksons partiell durch religiöse Bildungsangebote kompensiert worden sei. Hieraus ergab sich freilich ein gänzlich anderes Weltbild als jenes des von der Aufklärung geprägten Jefferson. »In the words flowing from the minister on all those Sundays, Jackson would have been transported to imaginative realms where good and evil were at war, where kings and prophets on the side of the Lord struggled against the darker powers of the earth, where man’s path through a confusing world was lit by a peculiar intermingling of Christian mercy and might.« (Meacham 2008: 17) Darüber, dass Jackson eine äußerst bescheidene »formal education« genossen hat, besteht aber meines Wissens in der Forschung kein Zweifel. Vgl. auch Wilentz (2005a: 251). Im Wahlkampf von 1828 wurde Jacksons ›eigenwillige‹ Rechtschreibung von den Unterstützern John Quincy Adams’ öffentlichkeitswirksam ausgeschlachtet – wenngleich die Wirkung nicht die von den Adams-Anhängern erhoffte war. Hierzu Parsons (2009). Sein skandalumwobenes Privatleben, dessen Höhepunkt wohl die Eheschließung mit der zu diesem Zeitpunkt noch verheirateten Rachel Donelson 1791 darstellte (Meacham 2008: 22; Wilentz 2005a: 306), hätte Jefferson hingegen nur um den Preis der Doppelmoral anprangern können, war doch sein andauerndes Verhältnis mit der Sklavin Sally Hemmings nicht weniger Grund zur Empörung. Zur Jefferson-HemmingsAffäre vgl. Kerrison (2012) und Bernstein (2004: 186f.).
2. Das politische Denken der Jacksonian Democrats
59; vgl. Meacham 2008: 15), dürfte sein Temperament demjenigen, der von Jefferson als »natural aristoi« bezeichneten, nicht entsprochen haben.34 Soziologisch ausgedrückt waren die Habitus beider Männer grundverschieden. Jeffersons Weg war, wenn man so möchte, von der Wiege bis ins Grab zumindest vorgezeichnet (vgl. Bernstein 2004: 15-29). Dass er einen Platz in der Oberschicht Virginias einnehmen würde, war vergleichsweise wenig überraschend.35 Jacksons Weg an die (politische) Spitze des Landes war demgegenüber nicht zu erwarten gewesen. »Jackson’s rise to fortune and than fame was«, so Sean Wilentz (2005b: 13), »unparalleled among the major political leaders of his generation.« Als Halbwaise geboren – Andrew, Sr. starb rund drei Wochen vor Jacksons Geburt –, wuchs Jackson bei Verwandten auf, die ihn und seine Mutter aufgenommen hatten, da die Mittel der Jacksons begrenzt waren und die Familie der Tante Jacksons Hilfe im Haushalt benötigte (vgl. Meacham 2008: 9). 1780, als 13jähriger Junge, meldete sich Jackson für den Militärdienst und zog in den Unabhängigkeitskrieg, der für ihn persönlich fatale Folgen haben sollte. Die Narben an Hand und Kopf, die Jackson von einem britischen Soldaten zugefügt bekam, nachdem er sich geweigert hatte, dessen Schuhe zu putzen, waren hierbei das geringste Übel. Weitaus schwerwiegender war der Verlust seines zweiten Bruders und seiner Mutter im Zuge des Krieges. Was blieb, war Jacksons Hass auf die Briten, den er zeitlebens beibehalten sollte (vgl. Wilentz 2005a: 170).36 Jene prekären familiären
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Bray Hammond meint, Jackson gehörte zu einer »aristocracy of the frontier sort peculiar to the Southwest of his day« (Hammond 1957: 346). »Aristocracy came naturally to Jefferson«, wie Darren Staloff (2005: 237) bemerkt. An dieser Stelle zeigen sich beispielhaft wesentliche charakterliche Unterschiede zwischen Jefferson und Jackson. Wo Jeffersons Ablehnung Großbritanniens vorwiegend auf dessen monarchisches Regierungssystem bezogen war, und somit auf politischen Prinzipien basierte, fußte Jacksons Hass auf persönlichen Erfahrungen. Ähnliches lässt sich auch mit Blick auf die Angst vor privaten und öffentlichen Schulden sagen, die beiden Männern – aus unterschiedlichen Gründen – eigen war. Hofstadter meint bezüglich der Grundlage politischer Entscheidungen Jacksons daher auch: »Historians have never been certain how much of his policies were motivated by public considerations and how much by private animosities.« (Hofstadter 1989: 61) Wilentz (2005a: 172), der Jackson gegenüber deutlich wohlwollender eingestellt ist, bemerkt ebenfalls, dass Jackson sich kaum um »technicalities« gekümmert hätte, wobei man erwähnen muss, dass jene »technicality« eine fehlende Kriegserklärung der USA gegenüber Spanien im Zuge des britisch-amerikanischen Krieges (1812-1815) war und Jacksons Einmarsch ins spanische Florida eine veritable diplomatische Krise hätte nach sich ziehen können. Schlesinger, Jr. (1945: 40) bemerkt demgegenüber, den Beobachtungen von Jacksons
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Die Wurzeln des Populismus
Verhältnisse dürften ein Grund dafür gewesen sein, dass Jackson »may have felt he had to do more than usual to prove his strength and thus secure, or try to secure, his own standing in the community«, wie sein Biograph Jon Meacham (2008: 10) bemerkt.37 Was auch immer ihre Ursache gewesen sein mag, jene Attitüde trug ohne Zweifel wesentlich zum populären Bild Jacksons als »self-made man« bei (Hofstadter 1989: 62f.; Remini 2008: 95). Dass er als erster Präsident nicht aus der Oberschicht stammte, der Washington, Jefferson, Madison, Monroe und Quincy Adams angehört hatten,38 fügte sich nahtlos in diesen Zusammenhang ein (vgl. Hammond 1957: 328; Watson 1985: 105; Dippel 2018: 126).39 Gleichwohl lässt sich nicht sagen, dass Jackson zum Zeitpunkt seiner Wahl ein politischer Außenseiter gewesen ist. »[H]e had served as attorney general for Tennessee in its territorial days,40 in 1791; been elected to the House of Representatives in 1796; moved to the U.S. Senate in 1797; served as a judge from 1798 to 1804; and in 1802, had also become major general of the state militia.« (Meacham 2008: 28) Es sollten dann vor allem Jacksons militärische Verdienste der Jahre 1812 bis 1820 sein, die ihm die Popularität einbrachten, um 1824 für die Präsidentschaft zu kandidieren und diese 1828 auch zu erlangen (vgl. Kruman 1992: 521).41 Allen voran ist hier das sogenannte Battle of New Orleans 1813 zu nennen, im Zuge dessen er die insbesondere aufgrund des
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Vertrauten folgend, dass »contrary to the Jackson myth, there was small basis for the picture of uncontrolled irascibility.« Vgl. hierzu Wilentz (2005a: 169) und Zakim (2013: 173f.). John Adams kam ebenfalls aus eher bescheidenen Verhältnissen, das Vermögen seines Vaters reichte jedoch immerhin aus, um den jungen John nach Harvard zu schicken, auch damals kein Jedermanns-College (vgl. Wilentz 2005b: 13). Nicht ohne Ironie ist hierbei der Umstand, dass einige Anhänger Jacksons im Zuge dessen erster Kandidatur 1824 versuchten, ihn in eine Linie mit den republikanischen Eliten des späten 18. Jahrhunderts zu rücken. »And, in doing so, they portrayed him as a Cincinnatus, much like George Washington before him. Like Washington, and unlike his fellow competitors for the presidency in 1824, he had never been tainted by life in Europe or experienced corruption and intrigue in governmental office.« (Sacher 2013: 284; vgl. Hildenhagen 2017: 83-95) Tennessee wurde erst 1796 als Staat in die Union aufgenommen. Jene Jahre brachten ihm auch den Spitznamen »Old Hickory« ein, der ihm aufgrund seiner Widerstandsfähigkeit von den ihm unterstellten Soldaten verliehen wurde (vgl. Meacham 2008: xvii; Wilentz 2005a: 171).
2. Das politische Denken der Jacksonian Democrats
zweitgrößten Hafens des Landes strategisch wichtige Stadt gegen die numerisch weit überlegene britische Armee verteidigte.42 Jacksons weitere militärische Operationen fanden jedoch auf Seiten der politischen Führung der USA keineswegs ungeteilte Zustimmung und geben zumindest einen Hinweis darauf, warum Jefferson Jackson als für das höchste Staatsamt ungeeignet empfand. Nach Ende des zweiten britisch-amerikanischen Krieges 1815 blieb Jackson Kommandant der US-Truppen im Süden. Im Zuge dieser Tätigkeit kam es 1818 zum sogenannten Ersten Semiolenkrieg, der aus Sicht der Vereinigten Staaten durch Indigene ausgelöst wurde, die in regelmäßigen Abständen Teile Georgias überfielen, um sich in der Folge in das spanischer Herrschaft unterstellte Florida zurückzuziehen (Wilentz 2005b: 37). Für Jackson boten jene Überfälle Grund genug, sich der Eroberung Floridas zuzuwenden, der aus seiner Sicht einzigen Maßnahme, um den Konflikt zu beenden, indem den Aufständischen ihr Rückzugsraum genommen würde.43 Die ›Order‹44 des Präsidenten James Monroe ließen ihm den nötigen Interpretationsspielraum, um eigenmächtig handeln und seine Truppen über die Grenze Floridas führen zu können. Für Teile der politischen Führung in Washington war Jacksons Missachtung diplomatischer Gepflogenheiten – die USA hatten Spanien keinen Krieg erklärt – jedoch ein Skandal und namentlich John C. Calhoun forderte von Regierungsseite eine entschiedene Absage 42 43
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Zum Battle of New Orleans und Jacksons Rolle in diesem vgl. Howe (2007: 8-15), Meacham (2008: 31f.) und Wilentz (2005a: 173-175). Diese Maßnahme kam darüber hinaus den Plantagenbesitzern Georgias zupass, hatten diese doch über Jahre immer wieder Sklaven verloren, die ins benachbarte Florida flohen und dort ihre Freiheit wiedererlangten. Daniel Walker Howe meint, es handelte sich bei Monroes Schreiben an Jackson vom 28. Dezember 1817 eher um einen persönlichen Aufruf, der Jackson veranlassen sollte, seinen Dienst trotz mancher Unstimmigkeiten zwischen der politischen Führung in Washington und ihm nicht zu quittieren. Im Wortlaut Monroes: »Great interests are at issue, and until our course is carried through triumphantly and every species of danger to which it is exposed is settled on the most solid foundation, you ought not to withdraw your active support from it.« Es sei nicht unwahrscheinlich, so Howe, dass »all Monroe really intended was to urge Jackson not to resign his commission (as he had threatened to do when feeling unappreciated) at a time when the country needed his services.« (Howe 2007: 99) Dass Jackson das Schreiben anders interpretierte, ist nichtsdestoweniger nicht völlig unverständlich, hatte er doch zu Beginn des Jahres 1817 in einem Brief an Monroe die Notwendigkeit einer Eroberung Floridas dargelegt, bis zum Brief Monroes vom Dezember jedoch keine Antwort vom Präsidenten erhalten. Er könnte aufgrund dessen angenommen haben, dass Monroe nun ebenfalls die Notwendigkeit sah (»until […] every species of danger to which…).
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an Jacksons Verhalten (vgl. Howe 2007: 103). Als der Kongress im Dezember 1818 zusammentrat, nahm man sich des Vorfalls an und vor allem Henry Clay führte das Wort gegen Jackson, der am Ende jedoch von jeder Schuld freigesprochen wurde, habe er doch lediglich die USA verteidigt, was völkerrechtlich unbedenklich sei. Jackson sollte nichtsdestotrotz weder Calhoun noch Clay ihre gegen sein Vorgehen gerichteten Attacken jemals verzeihen (ebd.: 106f.; Wilentz 2005a: 244).45 Wohlwollend lässt sich Jacksons militärischer Coup – der durch den Verkauf Floridas durch Spanien nachträglich sanktioniert worden war – als das Vorgehen eines ›Mannes der Tat‹ interpretieren; weniger benevolent betrachtet, zeigte sich hier das von Jefferson bemängelte hitzige Temperament des Generals, das er auch im Weißen Haus nicht verlieren sollte.46 Man tut gleichwohl nicht gut daran, die anfangs zitierte Einschätzung Jeffersons lediglich auf persönliche Animositäten zurückzuführen und somit einer Art psychologischer Engführung anheimzufallen. Jackson war für Jefferson zwar vermutlich tatsächlich ein polternder Emporkömmling, der wenig mit den »natural aristoi« gemein hatte, die Jefferson die Geschicke des Landes leiten sehen wollte. Es wird sich jedoch zeigen, dass die Unterschiede zwischen Jacksonian Democracy und Jeffersonian Republicanism nicht lediglich auf die unterschiedlichen Temperamente der beiden Namensgeber und die hierauf fußende Infragestellung der persönlichen Eignung des Jüngeren durch den Älteren zurückzuführen sind. Vielmehr wandelte sich das politische Denken im Übergang von der ersten zur zweiten Bewegung47 auch inhaltlich. Schlagwortartig lässt sich das im Folgenden zu explizierende Pro45
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Sein Hass auf Clay sollte über die Jahre stetig wachsen. So machte Jackson diesen für die gegen ihn lancierten persönlichen Attacken während des Wahlkampfes 1828 verantwortlich, die Jackson als hauptursächlich für den frühzeitigen Tod seiner Frau Rachel kurz vor seiner Amtseinführung identifizierte (Wilentz 2005a: 309). Vgl. zur Debatte um Jacksons Vorgehen im Semiolen-Krieg Hildenhagen (2017: 43-75). Der Bewegungsbegriff ist an dieser Stelle etwas unglücklich, lässt sich jedoch nicht ohne Weiteres durch denjenigen der Partei ersetzen, wenngleich die heutige Demokratische Partei 1828 von den Jacksonians ins Leben gerufen wurde. Für die Republicans unter Jefferson lässt sich jedoch schwerlich von einer Partei reden, was ganz wesentlich auf die parteifeindliche Stoßrichtung des Republikanismus der Gründerzeit zurückzuführen ist. Wenngleich man sich inhaltlich von den Federalists abgrenzte, handelte es sich bei den Republicans nicht um eine Partei im modernen Sinne. Vgl. hierzu Silbey (1991: 7), der die Ära der politischen Parteien gar erst 1838 beginnen lässt. Das demokratische Massenzeitalter begann jedoch bereits in den 1820er Jahren, sodass sich in dieser Zeit auch erste Parteistrukturen im modernen Sinne ausbildeten. Vgl. hierzu Sautter (2013:
2. Das politische Denken der Jacksonian Democrats
gramm der Jacksonians hierbei als Versuch einer Demokratisierung und Liberalisierung der bis dahin immer noch elitären Republik umschreiben.
2.2.1
Das demokratische Prinzip
Robert V. Remini bezeichnet die Präsidentenwahl von 1825 als »the single, central event that shaped many of his [Jackson’s; T.M.] ideas about government« (Remini 1984: 400).48 Die Präsidentschaftswahl hatte bereits 1824 stattgefunden, jedoch konnte kein Kandidat eine absolute Mehrheit im Electoral College gewinnen, sodass es 1825 zu einer »contingent election« im Repräsentantenhaus kam.49 Zur Wahl hatten William H. Crawford, John Quincy Adams, Henry Clay und Jackson gestanden.50 Wenngleich Jackson als Außenseiter ins Rennen gegangen war – mit dem ersten explizit gegen Washington D.C. geführten Wahlkampf der US-Geschichte (vgl. Wilentz 2005a: 248, 253) – spielte ihm die Demokratisierung des Wahlrechts dermaßen in die Karten – »in
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186f.). Howe meint ebenfalls, dass »1824 marked the end of nonparty politics« (Howe 2007: 210; vgl. McCormick 1975: 91). Ähnlich Wilentz (2005a: 389). Dieses Prozedere ist in der Verfassung der USA, Art. II, Abs. 1, 3 festgeschrieben. Dort heißt es: »The Person having the greatest Number of Votes shall be the President, if such Number be a Majority of the whole Number of Electors appointed; and if there be more than one who have such Majority, and have an equal Number of Votes, then the House of Representatives shall immediately chuse by Ballot one of them for President; and if no Person have a Majority, then from the five highest on the List the said House shall in like Manner chuse the President. But in chusing the President, the Votes shall be taken by States, the Representatives from each State having one Vote; a quorum for this Purpose shall consist of a Member or Members from two thirds of the States, and a Majority of all the States shall be necessary to a Choice. In every Case, after the Choice of the President, the Person having the greatest Number of Votes of the Electors shall be the Vice President. But if there should remain two or more who have equal Votes, the Senate shall chuse from them by Ballot the Vice-President.« (Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika, Art. II, Abs. 1, 3 in: https://www.senate.gov/civics/constitution_item/constitution.htm) Der 12. Zusatzartikel der US-Verfassung modifizierte jenes Verfahren in verschiedener Hinsicht, für den hier dargelegten Zusammenhang war jedoch lediglich die Änderung hinsichtlich der zur Wahl stehenden Kandiaten wichtig. Deren Zahl wurde auf drei statt der bisherigen fünf beschränkt. Vgl. zur folgenden Darstellung Howe (2007: 203-211), Wilentz (2005a: 240-257) und Yoo (2007: 522f.). Zu Beginn war auch John C. Calhoun im Rennen, der sich jedoch angesichts der überraschenden Erfolge Jacksons und seiner aufgrund sektionaler Überlegungen im gleichen Maße schwindenden Chancen frühzeitig aus dem Rennen zurückzog (Wilentz 2005a: 244f.).
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fact no one liked Jackson for president except the voting public« (Howe 2007: 205; vgl. Coens 2013) –, dass er die Merheit der Stimmen auf sich vereinigen konnte. Sein Anteil lag bei 42,5 %, auf Platz zwei landete Quincy Adams (31,5), gefolgt von Clay (13) und Crawford (13). Dies übersetzte sich in 99 (Jackson), 84 (Quincy Adams), 41 (Crawford) und 37 (Clay) Wahlmännerstimmen,51 sodass die Wahl zum sechsten Präsidenten der USA im Repräsentantenhaus entschieden werden musste. Gemäß des durch den 12. Zusatzartikel modifizierten Wahlverfahrens im Repräsentantenhaus standen sich Jackson, Quincy Adams und Crawford gegenüber, aber da Crawford weit abgeschlagen und zudem nicht bester gesundheitlicher Verfassung war, lief alles auf ein Rennen zwischen Quincy Adams und Jackson hinaus. Dieses wurde letztlich von Ersterem für sich entschieden, wobei persönliche Netzwerke ebenso eine Rolle spielten, wie der temporäre Zusammenschluss mit Henry Clay, der Quincy Adams die entscheidenden Stimmen von drei Staatsdelegationen (Kentucky, Ohio und Missouri) bescherte. »Jackson, although he had carried eleven states in the electoral college, received the votes of only seven state delegations in the House; he was less popular inside the political community than he was with the public at large.« (Howe 2007: 209) Schließlich wurde Quincy Adams am 9. Februar 1825 zum sechsten Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt. Jenes Verfahren erzürnte Jackson, und zwar aus prinzipiellen Gründen, machte er in diesem doch eine aristokratische Verschwörung gegen den (eigentlich bereits verkündeten) Willen der Mehrheit des (Wahl-)Volkes aus. Für die Anhänger Jacksons fungierten die Ereignisse fortan unter dem Label »corrupt bargain« (vgl. Morgan 1967; Watson 1985: 118),52 da man davon ausging,
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Dass Clay trotz gleicher Prozentzahl an Wählerstimmen weniger Wahlmänner auf sich vereinigen konnte, ist auf eine Teilung der Stimmen innerhalb der New Yorker Delegation zurückzuführen, die Martin van Buren initiiert hatte, um Clay aus dem Rennen zu werfen (vgl. Wilentz 2005a: 250). Jackson selbst sprach in seiner privaten Korrespondenz zunächst zurückhaltender von »the interests of Crawford, Clay and Adams combined, for the purpose of defeating my election.« (Brief an Brigadier-General John Coffee vom 6. Januar 1825, in: AJC, III: 273) Wenig später war dann die Rede von »intrigues of men« (Brief an Brigadier-General John Coffee vom 23. Januar 1825, in: AJC, III: 274) und davon, dass »the Judas of the West has closed the contract and will receive the 30 pieces of silver.« (Brief an William B. Lewis vom 14. Februar 1825, in: AJC, III: 276) Schließlich sprach auch Jackson von den »corrupt scenes at Washington, of which Mr. Clay has become the most conspicuous character« (Brief an Samuel Swartwout vom 16. Mai 1825, in: AJC, III: 285).
2. Das politische Denken der Jacksonian Democrats
dass Clays folgende Berufung auf das Amt des Außenministers Teil der Absprache zwischen ihm und Quincy Adams gewesen war. Entscheidend war für Jackson jedoch ungeachtet der tatsächlichen Absprachen zwischen Clay und Quincy Adams,53 dass er trotz der Mehrzahl der Stimmen für seine Kandidatur nicht ins Weiße Haus einziehen durfte. Das Wahlprozedere galt es folglich so zu reformieren, dass der »will of the people« tatsächlich ausschlaggebend für die Besetzung der höchsten Staatsämter werden würde. Nach Jacksons – wenn man so möchte verzögerter – Wahl zum Präsidenten 1828, setzte dieser die Reform der Präsidentenwahl in seiner First Annual Message an den Kongress an die Spitze der drängendsten innenpolitischen Themen: »I consider it one of the most urgent of my duties to bring to your attention the propriety of amending that part of the Constitution which relates to the election of President and Vice-President. Our system of government was by its framers deemed an experiment, and they therefore consistently provided a mode of remedying its defects. To the people belongs the right of electing their Chief Magistrate; it was never designed that their choice should in any case be defeated, either by the intervention of electoral colleges or by the agency confided, under certain contingencies, to the House of Representatives. Experience proves that in proportion as agents to execute the will of the people are multiplied there is danger of their wishes being frustrated. Some may be unfaithful; all are liable to err. So far, therefore, as the people can with convenience speak, it is safer for them to express their own will.«54 Wenngleich in dieser Priorisierung sicherlich eine gehörige Portion persönliche Kränkung ob der Ereignisse von 1824 mitschwang, so verweist sie doch auf eine prinzipielle Dimension, die den radikaleren Ton der Jacksonians im Vergleich mit Jefferson bereits erahnen lässt. Zwar war auch Jefferson, wie im vorangegangenen Kapitel beschrieben, ein Verfechter der Volkssouveränität und des Mehrheitsprinzips, allerdings waren ihm die Madison’schen Überlegungen zur Verfeinerung und Reinigung des Volkswillens alles andere als fremd. Bei Jackson lagen die Dinge anders, war er doch der Ansicht, dass
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Selbst Jacksons wohlwollender Biograph Robert Remini bemerkt, dass zwischen Clay und Adams »nothing improper was said or suggested; nothing improper was even remotely contemplated« (Remini 1963: 21). First Annual Message vom 8. Dezember 1829, in: PP (www.presidency.ucsb.edu/ws/? pid=29471). Hervorh., T.M.
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»it is safer for them [the people; T.M.] to express their own will« als diesen durch wie auch immer geartete intermediäre Instanzen im Zweifelsfall vor sich selbst zu schützen. Jackson, so Remini zusammenfassend, »brushed aside any and all intermediary agencies that stood between the people and their government – even those placed there by the Founding Fathers.« (Remini 1984: 400; Hervorh., T.M.) Jefferson war, wie im vorangegangen Kapitel dargelegt, weit weniger an institutionellen Arrangements interessiert, als dies für Madison gesagt werden kann. An der prinzipiellen Güte der US-Verfassung ließ er jedoch ebensowenig Zweifel wie an der Notwendigkeit die Geschicke des Landes gerade nicht von der Masse der Bevölkerung direkt bestimmen zu lassen. Ein nationales Kollektivsubjekt ›Volk‹, das unvermittelt agieren konnte, war in Jeffersons »Vorstellungswelt« schon aufgrund dessen schwer vorstellbar, dass der für die Selbstregierung notwendige moral sense nur im Kleinräumigen gedeihen konnte. Wo Jefferson davon spricht, dass »the State […] in mass« handeln würde, da bedurfte es jener vermittelnden Instanzen, der »natural aristoi«, um die in den wards der Einzelstaaten ermittelten Willen auszubalancieren. Die Jacksonians gingen über dieses elitäre Denken hinaus. »Forms of government«, so George Sidney Camp, einer der wenigen genuinen Theoretiker der Jacksonian Democracy,55 »have been, for the most part, only so many various modes of tyranny. Where the people are everything, and political forms, establishments, institutions, as opposed to the people, nothing, there and there only is liberty« (Camp 1841: 161). Remini zufolge war dies der Kern des politischen Denkens Jacksons: »The people govern« (Remini 1984: 401),56 und zwar möglichst unvermittelt. Es klingen bei Jackson sogar Töne an, die in Richtung direkter Demokratie weisen,57 wenngleich jener Pfad, wie im Folgenden zu 55
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Über Camps Biographie sind unglücklicherweise keine Details bekannt, er wird in der Forschung jedoch immer wieder – beispielsweise bei Ellis (1993: 68), Remini (1984: 577), Ashworth (1995: 312) und Ward (1970) – als Theoretiker der Demokratischen Partei bezeichnet. Dass seine in Democracy dargelegten Überlegungen auf Linie mit den Vorstellungen der Jacksonians lagen, unterstreicht die äußerst positive Rezeption der Schrift in der United States Magazine and Democratic Review (10 (1842), S. 122-128). Vgl. Ashworth (1986: 378). Vgl. beispielsweise Bancroft (1840: 6). George Bancroft, der vor allem ob seiner Rolle als einer der führenden US-amerikanischen Historiker im 19. Jahrhundert ein Begriff ist, war gleichzeitig einer der einflussreichsten Politiker der Demokratischen Partei in Massachusetts, wo er von 1837 bis 1845 als Kollektor im Bostoner Hafen wirkte. Hiernach bekleidete er kurzzeitig das Amt des Marineministers unter Präsident James K. Polk und war später US-amerikanischer Botschafter in Großbritannien und Deutsch-
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zeigen sein wird, von den Jacksonians nicht beschritten wurde. »[T]he people«, so Jackson 1835, »are the sovereign power, the officers their agents, and that upon all national or general subjects, as well as local, they have a right to instruct their agents and representatives, and they are bound to or resign« (zit.n. Remini 1984: 339). Jacksons hier durchscheinende Präferenz für das, was heute als imperatives Mandat bezeichnet wird und demzufolge die Repräsentanten gerade nicht dazu befugt sein sollten, den ungefilterten Volkswillen zu verfeinern, sondern lediglich als ausführende Organe zu wirken hatten, war indirekt bereits in seiner First Annual Message angeklungen. Dort heißt es »Offices were not established to give support to particular men at the public expense. No individual wrong is, therefore, done by removal, since neither appointment to nor continuance in office is a matter of right. The incumbent became an officer with a view to public benefits, and when these require his removal they are not to be sacrificed to private interests. It is the people, and they alone, who have a right to complain when a bad officer is substituted for a good one. He who is removed has the same means of obtaining a living that are enjoyed by the millions who never held office. The proposed limitation would destroy the idea of property now so generally connected with official station, and although individual distress may be some times produced, it would, by promoting that rotation which constitutes a leading principle in the republican creed, give healthful action to the system.«58 Es ist völlig unzweifelhaft, dass sich Jacksons Einlassungen primär auf den Tatbestand der Korruption in Form von Ämterpatronage bezieht,59 der auch für die Jeffersonians ein Stein des Anstoßes war, gerade weil er von den Fähigkeiten der Amtsinhaber abstrahierte. Gleichwohl schwingen nicht nur im
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land. Vgl. auch The United States Magazine and Democratic Review 10 (1842), S. 126128. Ablehnend hinsichtlich der Instruktion von Abgeordneten äußert sich demgegenüber Camp (1841: 206-220). First Annual Message vom 8. Dezember 1829, in: PP (www.presidency.ucsb.edu/ws/? pid=29471). Ganz ähnlich Bancroft (1840): »If office is a burden, it should not be forced upon a few; if it be a benefit, it should be dispensed as widely as possible. To this end, democracy, enjoys rotation in office.« Ironischer- aber, wie sich im weiteren Verlauf zeigen wird, durchaus logischerweise waren es gerade die Jacksonians, die das so genannte »spoils systems« etablierten, demgemäß öffentliche Ämter an die in den Präsidentschaftswahlen siegreiche Partei vergeben werden. Vgl. hierzu Howe (2007: 331-333).
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Subtext zentrale Differenzen zu Jeffersons Haltung mit. Zum einen hinsichtlich der Gleichsetzung von Repräsentanten und Repräsentierten. Zum anderen mit Blick auf die primäre Bedrohung der bürgerschaftlichen Freiheit. Hatte Jefferson diese in der Exekutive gesehen, erblicken die Jacksonians sie, wie ich im nächsten Unterkapitel zeigen werde, in der Legislative (vgl. Feller 1995: 164). Doch zunächst zum Verhältnis von Repräsentierten und Repräsentierenden. Jefferson hatte mit Blick auf die »natural aristoi« ja gerade deren überdurchschnittliche Fähigkeiten betont, was, wie ich oben dargelegt hatte, mit ihren über das gewöhnliche Maß hinausgehenden Fähigkeiten zur überregionalen Perspektivübernahme zusammenhing. Jackson kennt diese Unterscheidung nicht mehr. Die Repräsentierten sind seiner Ansicht nach ebenso dazu in der Lage, den Gang der nationalstaatlichen Dinge zu beurteilen, wie ihre Repräsentanten, und aufgrund dessen dazu befugt, deren Handlungen unmittelbar zu evaluieren und unter Umständen für schlecht zu befinden. In bestimmter Hinsicht konnte das Volk aus Sicht der Jacksonians nicht irren. In der ersten Ausgabe der The United States Magazine and Democratic Review, die als eine Art Reflexionsorgan der gerade zu Ende gegangenen Präsidentschaft Jacksons angesehen werden kann, heißt es dementsprechend unter dem Titel »An Introductory Statement of the Democratic Principle«: »[A]ll should be dependent with equal directness and promptness on the influence of the public opinion. […] We cannot, therefore, look with an eye of favor on any such forms of representation as, by length of tenure of delegated power, tend to weaken that universal and unrelaxing responsibility to the vigilance of public opinion which is the true conservative principle of our institutions.«60 Es ist bezeichnend, dass an dieser Stelle nicht vom Wahlvorgang oder vom Wähler die Rede ist, dem die Repräsentanten Verantwortung schuldeten – ein Gedanke, dem sich Jefferson zweifelsohne angeschlossen hätte. Es geht dem Autor John O’Sullivan61 stattdessen um eine eher diffuse öffentliche Meinung,
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The United States Magazine and Democratic Review, 1 (1837/1838), S. 2. O’Sullivan war bis 1846 Miteigentümer des offen die Demokratische Partei unterstützenden The United States Magazine and Democratic Review. Zudem fungierte er von 1846 bis 1854 als Mitglied des Board of Regents of the University of the State of New York und von 1854 bis 1858 als Botschafter in Portugal.
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die zu jeder Zeit direkt sollte Einfluss nehmen können.62 Jefferson war an der Verantwortlichkeit der Repräsentanten gelegen, sie gehörte zum Kern des Republikanismus, weshalb er die drei in der Verfassung unterschiedenen Gewalten unter anderem in Abhängigkeit von der zwischen den Wahlen liegenden Dauer als mehr oder weniger republikanisch bezeichnete. Was Jefferson sicherlich nicht goutiert hätte, war die einseitige bottom up-Perspektive politischer Willensbildung, die den Jacksonians vorschwebte. Der Repräsentant war für Jefferson nicht nur aufnehmendes Gefäß, sondern mindestens ebenso sehr aufklärerische und durch den Wahlakt zu autonomer Willensbildung legitimierte Instanz – freilich unter dem Vorbehalt seiner möglichen Abwahl.63 Er war damit in gewisser Weise primus inter pares. Bei den Jacksonians verliert er diese Sonderstellung, die diese, auch wenn sie auf überdurchschnittlichen Fähigkeiten basieren sollte, als Ausdruck eines »anti-democratic, or aristocratic, principle« ansahen (vgl. Parrington 1930b: 146). »The inference from it [the aristocratic principle; T.M.] is that the popular opinion and will must not be trusted with the supreme and absolute direction of the general interests; that it must be subjected to the ›conservative checks‹ of minority interests, and to the regulation of the more enlightened wisdom of the ›better classes,‹ and those to whom the possession of a property ›test of merit‹ gives what they term ›a stake in the community‹.«64 62
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Bekanntermaßen galt dem wohl scharfsinnigsten Beobachter der US-amerikanischen Demokratie im Zeitalter Jacksons – Alexis de Tocqueville – gerade jene öffentliche Meinung mindestens ebenso sehr als Segen wie als Fluch. Auf der einen Seite war sie Ausdruck politischer Freiheit, auf der anderen Seite beförderte sie eine mittelmäßige Konformität, die den Einzelnen im Zweifelsfall unter eine neuartige Form des Despotismus zwinge (Tocqueville 1835: 369-392). Jene Position wird dann in den 1830er Jahren paradoxerweise von den Whigs übernommen, was Daniel Walker Howe (1979) zu der These veranlasst, dass diese nicht, wie oftmals angenommen, als die Erben der Federalists angesehen werden sollten, sondern vielmehr in der Tradition der Republicans standen. The United States Magazine and Democratic Review 1 (1837/1838), S. 4. In einem Evening Post-Editorial von William Leggett, dessen politökonomische Überzeugungen im nächsten Abschnitt noch ausführlicher erörtert werden, heißt es mit ähnlicher Stoßrichtung: Einige »of the great leaders of democracy of the United States yielded to the voice of a majority on Congress, mistaking it for that of the people« (LE: 240). Leggett war von 1829 bis 1836 Mitbesitzer der Evening Post, der wohl führenden die Demokratische Partei unterstützenden Zeitung New Yorks. Er gilt gemeinhin als eine der radikaleren Stimmen innerhalb der Demokratischen Partei, was allerdings weniger auf die von ihm verfochtene und weiter unter genau zu explizierende equal rights-Doktrin
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Was bei den Jacksonians demnach zu beobachten ist, ist eine beinahe uneingeschränkte Aufwertung des Gewöhnlichen (vgl. Remini 2009: 97f.),65 weshalb die Rede von der Ära Jacksons als des Zeitalters der Vorherrschaft des common man ungeachtet der nach wie vor vergleichsweise elitären Zusammensetzung des politischen Personals (vgl. Pessen 1981: 23f.) zutreffend ist. Selbst die eigentlich urrepublikanischen meritokratischen Prinzipien (vgl. Wood 1998: 71) werden nonchalant über Bord geworfen (vgl. Peterson 1962: 83). Noch deutlicher wird dies in einer Rede George Bancrofts (1840: 3) herausgestellt. Dass dieser die Repräsentation des Volkes durch die Wohlhabenden und physisch Stärksten ablehnt, überrascht nicht. Aber auch die »fraction of the learned« kommt nicht besser weg: »But the people collectively is wiser than they, for it includes within itself their wisdom also. And further: Excellent as men of learning are in their place, I should be loath to resign the government of the country into the hands of college professors or the learned of the land. For learning has a pride and arrogance of its own.« Was war aus Jeffersons an der University of Virginia ausgebildeten »natural aristoi« geworden? Ein Haufen hochmütiger und arroganter Collegeprofessoren (vgl. Ashworth 1980: 410)!66 Die Infragestellung der Bedeutung herausragender Fertigkeiten für die Ausübung öffentlicher Ämter wurde hierbei spiegelbildlich ergänzt durch die Forderung nach einer Simplifizierung der Regierungsgeschäfte. Wenn das
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zurückzuführen ist als auf seine progressiven Ansichten hinsichtlich der Sklavenfrage. Vgl. für die Unterscheidung von »aristocratic« und »democratic principle« auch The Globe vom 23. Oktober 1839, S. 2. Auch Alexis de Tocqueville beobachtete jene ›Vergewöhnlichung‹ der Amtsträger. Er fasste seine Beobachtungen mit Blick auf das Repräsentantenhaus wie folgt zusammen: »Wenn man den Saal der Repräsentanten in Washington betritt, ist man betroffen von der Gewöhnlichkeit im Aussehen dieser großen Versammlung. Häufig sucht der Blick vergeblich in ihr einen berühmten Mann. Fast alle ihre Mitglieder sind unbekannte Leute, deren Namen in uns keine Vorstellung weckt. Es sind größtenteils Dorfanwälte, Kaufleute oder sogar Männer aus den untersten Klassen. In einem Land, in dem der Volksschulunterricht fast allgemein ist, können, sagt man, die Volksvertreter nicht immer fehlerlos schreiben« (Tocqueville 1835: 299). Ähnlich auch Camp (1841: 14, 139). Für eine eher klassische, die Komplexität politischer Entscheidungsfindung und ein hiermit einhergehendes anspruchsvolleres Bürgerbild betonende Perspektive aus dem Lager der Jacksonians, die jedoch eine Minderheitenmeinung darstellte, vgl. Rantoul, Jr. (1854: 116f.).
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Regieren eine vergleichsweise wenig komplexe Tätigkeit wäre, so die Logik, dann bedürfe es zu ihrer Ausübung auch keiner überdurchschnittlichen Fähigkeiten. In der bereits zitierten First Annual Message skizziert Jackson jene Überlegung, indem er kundtut: »The duties of all public officers are, or at least admit of being made, so plain and simple that men of intelligence may readily qualify themselves for their performance«.67 Je umfassender die Regierungsaufgaben und je spezialisierter die Anforderungen an die Amtsträger würden, desto mehr würde die Rede von der politischen Gleichheit zur Farce. Wo Expertenwissen gefragt war, hatte der ›gesunde Menschenverstand‹ zu schweigen, weshalb die Jacksonians auf einen weitgehenden Verzicht von Expertenwissen zielten, um die Regierungsgeschäfte tatsächlich in die Hände des einfachen Bürgers legen zu können.68 Dementsprechend heißt es beispielsweise in der Democratic Review: »The details of a consolidated government based on unwritten laws, perpetually changing – comprehending an infinity of functions – fettered by a vast variety of checks, balances and restrictions – connected directly with every interest of society – mingling in all the gambling and speculation of trade – entrenching itself behind immense civil, ecclesiastical and military establishments, and operating through a machinery as intricate as the differential calculus, it is true, would puzzle their [the mass’; T.M.] heads […]. But the Democratic creed contemplates no such complicated arrangement. […] It does not construct an engine of adjustments and relations so multiplied and abstruse, that 67
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First Annual Message vom 8. Dezember 1829, in: PP (www.presidency.ucsb.edu/ws/? pid=29471). Hervorh., T.M. Noch prägnanter formuliert Camp (1841: 19): »We are all sovereigns: ought we not all to be statesmen.« Vgl. hierzu Ward (1970: 49) und Ashworth (1995: 296). Diese Position deckt sich mit derjenigen, die die Anti-Federalists im Zuge der Verfassungsdebatte vertreten hatten. So bemerkte etwa Melancton Smith in einer viel zitierten Passage zur Idee der Repräsentation: »The idea that naturally suggests itself to our minds, when we speak of representatives is, that they resemble those they represent; they should be a true picture of the people; possess the knowledge of their circumstances and their wants; sympathize in all their distresses, and be disposed to seek their true interest.« (Melanchton Smith, Rede vom 21. Juni 1788, in: Ketcham 2003: 365) Ähnlich argumentiert Luther Martin: »[U]pon just principles of representation, the representative ought to speak the sentiments of his constituents, and ought to vote in the same manner that his constituents would do (as far as he can judge) provided his constituents were acting in person, and had the same knowledge and information with himself.« (Zit.n. Duncan 1994: 403) Für eine ausführlichere Diskussion des Repräsentationskonzepts der Anti-Federalists vgl. Johnson (2004).
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the most practised wisdom is alone adequate to their comprehension. It does not abuse the people for not controlling what is beyond their capacity to understand. […] While it asserts the competency of the whole to govern themselves it restricts government to its natural uses; […] simplifies the mode of its operation, and reduces the principles of legislation to the simplest expression compatible with some form of national organization.«69 »Many democrats«, so John Ashworth (1980: 410) zusammenfassend, »seemed determined to place in office men whose chief personal characteristic was their similarity to the people whom they represented.« Vor diesem Hintergrund möchte ich noch einmal den von Remini ausgemachten vermeintlichen Kern des demokratischen Prinzips der Jacksonians aufgreifen. Remini hatte diesen als ›The people govern!‹ identifiziert, wofür es gute Gründe gibt, namentlich die tatsächliche Aufwertung des gewöhnlichen Bürgers im politischen Denken der Jacksonians. Allerdings lädt jene Formulierung auch zu Missverständnissen ein, impliziert sie doch, dass eine starke Regierung, solange demokratisch legitimiert, für die Jacksonians unproblematisch gewesen wäre. Dies ist jedoch mitnichten der Fall. Die weitergehende Implikation des ›The people govern‹ lautet nämlich, dass »[t]he best government is that which governs least«.70 Hier scheint deutlich der Republikanismus der Gründerjahre durch, der auch in der Ära Jackson noch gerne genommene Währung auf dem Marktplatz politischer Ideen und Diskurse war.71 Demnach lief die in der Gesellschaft verortete »liberty« stets Gefahr, von der expansiven »power« der Regierung verschlungen zu werden. Hatten die Gründerväter, Jefferson de facto nicht weniger als das Autorenkollektiv der Federalist Papers, die Quadratur des Kreises – schließlich war ihnen die Notwendigkeit der Regierung bewusst – noch mit Verweis auf die herausragenden Fähigkeiten der Regierenden zu meistern versucht, so mussten die Jacksonians gemäß der oben dargelegten Vergewöhnlichung der politischen Eliten einen Schritt weiter gehen: Von diesen war nichts mehr zu erwarten, ihre vermeintliche Tugendhaftigkeit konnte nicht mehr für die Selbstbeschränkung der die Freiheit bedrohenden Macht in Anspruch genommen werden. Diesbezüglich sind die Jacksonians ohne Zweifel konsequenter als ihre theoretisch
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The United States Magazine and Democratic Review 7 (1840), S. 224. Hervorh., T.M. The United States Magazine and Democratic Review 1 (1837/1838), S. 6. Vgl. hierzu Wilson (1995), Pocock (2003: 535ff.) und Hildenhagen (2017).
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versierteren Vorfahren. Sie denken den ewigen Konflikt zwischen »liberty« und »power« so zu Ende,72 dass er eigentlich nicht mehr zu lösen ist. »On the one side, it has only been shown that the absolute government of the majority does not always afford a perfect guarantee against the misuse of its numerical power over the weakness of the minority. On the other, it has been shown that this chance of misuse is, as a general rule, far less than in the opposite relation of the ascendancy of a minority; and that the evils attendant upon it are infinitely less, in every point of view, in the one case than the other. But this is not yet a complete or satisfactory solution of the problem. Have we but choice of evils?« Vor diesem Hintergrund kann es also mit dem ›The people govern‹-Prinzip nicht getan sein. Vielmehr, »[i]t is under the word government that the subtle danger lurks. Understood as a central consolidated power, managing and directing the various general interests of the society, all government is evil. A strong and active democratic government, in the common sense of the term, is an evil, differing only in degree and mode of operation, and not in nature, from a strong despotism.«73 Die logische Konsequenz bestand in der normativen Auszeichnung minimaler und möglichst simpler Regierungstätigkeit. Und jene Minimalisierung der Regierungsaufgaben sollte umgekehrt – und hier gehen die Jacksonians über den Gründerzeitrepublikanismus hinaus – die tatsächliche Machtausübung durch das gemeine Volk ermöglichen. Ein von der diffusen öffentlichen Meinung losgelöstes Zentrum der politischen Entscheidungsfindung war demnach eigentlich nur noch eine Formalität. Die Substanz der Jacksonian Demo-
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John Ashworth weist ebenfalls auf diese bemerkenswerte Verschiebung hin, im Zuge derer die oppositionellen Whigs Positionen vertraten, die vorher im Lager der Jeffersonians – ebenso wie bei den Federalists – beheimatet waren. »Men where necessarily self-interested, Democrats believed, and to deny it was not merely foolish but also dangerous. As we have already seen, the Whigs claimed that for the benefit of the entire community, an elite should be allowed to wield a degree of power, both in the economy and in government, that was incommensurable with its numbers. Democrats replied that the members of this talented elite, if such it were, should not have power conferred upon them since they would use it for their own benefit, precisely as other men would« (Ashworth 1995: 310; Hervorh., T.M.). The United States Magazine and Democratic Review 1 (1837/1838), S. 5. Vgl. Camp (1841: 104f.). Für weitere Verweise siehe Ashworth (1983: 18).
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cracy löst die Trennung zwischen Gesellschaft und Regierung de facto auf.74 Es soll im Prinzip kein Wechselspiel zwischen Repräsentanten und Repräsentierten mehr stattfinden, Erstere fungieren nicht lediglich als Agenten der Letzteren, Erstere sind faktisch Letztere.75 Eine Sonderstellung kam hierbei – vor dem Hintergrund der Jefferson’schen Angst vor monarchischen Umstürzen durchaus überraschend – lediglich dem Präsidenten zu, der als primus inter pares tatsächlich für das gesamte Volk stehen und handeln sollte. Jener genialistische Einschlag stand der Lobpreisung des common man nicht notwendigerweise entgegen. Der Genius des Präsidenten fußte nämlich nicht auf jenen von Bancroft und anderen diffamierten herausragenden Fähigkeiten. Im Gegenteil, »Genius was opposed to Talent and a long series of distinctions followed: originative-imitative, intuitive-cognitive, untutored-trained, hearthead, natural-artificial. The man who possesed in uncommon measure the first qualities, it was believed, had the power in uncommon measure both to feel and to express the spirit of the age.« (Peterson 1962: 85) Die Charakteristika also, die Jefferson dem gewöhnlichen Bürger zugesprochen hatte, der von den »natural aristoi« aber klar geschieden war, qualifizierten für die Jacksonians im Gegenteil gerade für die allerhöchsten politischen Ämter. Jacksons Selbstverständnis, das Sprachrohr des Volkes zu sein (vgl. Meacham 2008: 119; Schlesinger, Jr. 1945: 43; Ashworth 1995: 294), ist dementsprechend mit dem politischen Denken der Jacksonians absolut zur Deckung zu bringen.76 74
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Ward (1970: 49) fasst diese Überlegung treffend zusammen: »Jackson’s solution to the paradox of politics, the corruption of the selfless will of the people by the power necessary to instrument that will, was no less than to try to dismiss the need for politics at all, that is, to abolish the distinction between the People and the government.« So meint auch William Leggett, dass »government is not a permanent existence separate from the will of the people, but the mere breath of their nostrils« (LE: 319). Der erste Teil der Aussage gilt selbstredend für jede Form demokratischer Herrschaft, in der die Souveränität von der Bürgerschaft ausgehen soll. Man darf die Metapher, die Leggett im zweiten Teil gebraucht, jedoch durchaus wörtlich nehmen und gemäß dieser kommt der Regierung überhaupt kein Eigengewicht zu, was, wie oben dargelegt, für Jefferson so nicht gesagt werden kann. Vgl. hierzu auch The United States Magazine and Democratic Review 10 (1842), S. 126-128. Leggett hat dies mit der treffenden Formulierung auf den Punkt gebracht, der zufolge es sich bei Andrew Jackson um eine neue Art von Despotismus handele, und zwar eine, die mit den republikanischen Prinzipien in Einklang stehe. Dieser »pure republican despotism«, so Leggett, »consists in administering the Constitution and laws with an express reference to, and entirely for, the benefit of the people at large.« (LE: 233) Der von Tocqueville abwertend verwendete Terminus der »Tyrannei der Mehrheit« wird hier positiv gewendet. Das Volk, so muss man Leggett verstehen, herrscht durch Jack-
2. Das politische Denken der Jacksonian Democrats
Man mag die Differenzen zwischen Jefferson und den Jacksonians bezüglich der Aufgaben und Reichweite von Regierungen als marginal erachten, schließlich optierten beide für eine Art Minimalstaat. Man täusche sich jedoch nicht über die unterschiedliche Gestalt dessen, was sich hinter diesem Ideal verbarg. Jefferson hatte keineswegs mit der Idee politischer Eliten und deren besonderer Verantwortung für die Lenkung der Gesamtgeschicke gebrochen, wie zurückhaltend diese auch immer erfolgen sollte. Hiervon löst sich der Antielitismus der Jacksonians. Im Prinzip existiert für sie keine von der Bevölkerung losgelöste Instanz, die mit ihren herausragenden Fähigkeiten auf erstere einzuwirken in der Lage wäre. Da »the subtle danger« sich hinter dem Konzept »government« als solchem verbirgt, wird es von den Jacksonians de facto kassiert. Das Volk hat zu regieren, paradoxerweise ohne im eigentlichen Sinne zu regieren, da »the best government is that which governs least« (vgl. Ward 1970). Gleichzeitig war den Jacksonians selbstredend nicht am Zusammenbruch der sozialen Ordnung gelegen, sodass sie benennen mussten, warum sie davon ausgingen, dass die Regierung als solche gewissermaßen überflüssig werden sollte beziehungsweise dem Gedeihen des Gemeinwohls im Prinzip im Wege stand. Bevor ich mich dem gesellschaftspolitisch dominanten laissez faire-Prinzip der Jacksonians zuwende, muss jedoch auf eine bereits kurz angerissene sowohl theoretisch als auch praktisch wirkmächtige Transformation eingegangen werden, die sich im Zeitalter Jacksons mit Blick auf den politischen Raum vollzog, namentlich auf die Aufwertung der Exekutive.
2.2.2
Die Demokratisierung des Präsidentenamtes
Das Zeitalter Jacksons ist für die Entwicklung der US-amerikanischen Demokratie neben der Aufwertung des Gewöhnlichen und der hiermit einhergehenden Demokratisierung der vormals elitären Republik noch für eine zweite im engeren Sinne politische Entwicklung maßgeblich gewesen, und zwar für die Konturierung des modernen Präsidentenamtes (vgl. Mauch/Heideking 2018: 28). Dass der US-Präsident heute gemeinhin als mächtigster Mann son direkt, weshalb es sich um einen republikanischen Despotismus handelt, was freilich auf den ersten Blick eine contradictio in adiecto darstellt. Leggetts Ausführungen waren eine Reaktion auf den Vorwurf, dem zufolge Präsident Jackson sich über den Kongress hinwegsetze, die Gewaltenteilung gefährde und somit immer mehr einem Monarchen (›King Andrew I.‹) ähnele. Vgl. hierzu Huston (1998: 234), Wilson (1995), Howe (2007: 390) und Hildenhagen (2017).
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der Welt gilt, ist natürlich nicht auf die Taten eines einzelnen Amtsträgers in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zurückzuführen. Es war allerdings ohne Zweifel Jackson, der das Amt des Präsidenten neu definierte. Wie weitreichend diese Neudefinition war, wird schon dadurch deutlich, dass sich die Whigs 1833 mitunter als Reaktion auf die Ausweitung der Exekutivmacht durch Jackson gründeten. Schon die Wahl des Parteinamens deutet auf die Zentralstellung hin, die Jackson im Programm der Whigs zukam, schließlich rekurrierten sie mit dieser bewusst auf die antimonarchische Tradition des englischen Oppositionsdenkens des 17. und 18. Jahrhunderts (vgl. Dorfman 1966b: 607f.; Formisano 2008: 146). Der vermeintliche Tyrann saß nun jedoch nicht mehr im entfernten London, sondern am Potomac. Hierbei gingen sowohl die Anschuldigungen der Whigs an die Adresse Jacksons, als auch die spiegelbildlichen Vorwürfe der Jacksonians in Richtung der ›aristokratischen‹ Whigs über reine Rhetorik hinaus.77 Eine Demokratisierung der Republik, für die die Jacksonians gegen die Whigs standen, hatte ebenso stattgefunden, wie eine Verschiebung des politischen Machtzentrums hin zur Exekutive, gegen die sich Letztere wandten (vgl. Yoo 2007: 574; Hildenhagen 2017). Die Whigs grenzten sich freilich von der Präsidialisierung der Republik ebenso ab wie von ihrer Demokratisierung, weshalb einerseits der bereits dargelegte Anti-Aristokratismus der Demokratischen Partei nicht ins Leere lief, jedoch andererseits die Vereinbarkeit von einer starken Präsidentschaft und der Aufwertung des Gewöhnlichen von den Demokraten behauptet werden musste, um die Argumentation der Whigs entkräften zu können. Zuvorderst bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang eine nicht nur nebensächliche Verschiebung des politischen Denkens im Übergang vom Republikanismus Jeffersons zur Jacksonian Democracy. Hatte Ersterer das Einfallstor für die durch die Korruption öffentlicher Amtsträger bedingte Degeneration der US-amerikanischen Republik gemäß des englischen Oppositionsdenkens vor allem in jenen Bestrebungen ausgemacht, die die USA in
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Hiermit schließe ich mich der Auffassung Harry Watsons an, der in Liberty and Power (1990) argumentiert, dass es sich bei der Auseinandersetzung zwischen den Jacksonians und deren Widersachern – erst den National Republicans und später den Whigs – tatsächlich um einen Streit über Form und Ausgestaltung der Republik handelte und nicht lediglich um einen persönlichen Disput, im Zuge dessen ideologische Fragen allenfalls zweitrangig gewesen seien. Vgl. hierzu Sacher (2013: 282, 286).
2. Das politische Denken der Jacksonian Democrats
Richtung der britischen Monarchie manövrieren wollten, so lauerte die aristokratische Tyrannei für die Jacksonians in den Hallen der Legislative (vgl. Ashworth 1983: 34f.; Mintz 1949: 435). Gerade durch die Vielzahl der im Kongress versammelten Stimmen und Interessen werde dieser zu einer unpersönlichen und nicht zur Verantwortung zu ziehenden Institution, in der die öffentliche Meinung mitnichten verfeinert, sondern vielmehr verwässert werde: »Experience proves that in proportion as agents to execute the will of the people are multiplied there is danger of their wishes being frustrated«, so Jackson in der weiter oben bereits zitierten First Annual Message. Dass Parteien, anders als dies für den klassischen Republikanismus Jefferson’scher Provenienz gegolten hatte, nicht mehr nur als Ausdruck gemeinwohlschädigender Partikularinteressen angesehen wurden (vgl. Kruman 1992: 521), sondern als notwendige Brandschutzmauer zur Verteidigung der kollektiven Freiheit, fügt sich an dieser Stelle paradoxerweise nahtlos ein. Namentlich Martin Van Buren hatte in seinem Inquiry into the Origin and Course of Political Parties in the United States (1867)78 mit der parteifeindlichen Rhetorik der Gründerzeit gebrochen (vgl. Hofstadter 1969: 212; Peterson 1962: 20). Die Aufwertung war freilich eine begrenzte. Van Buren argumentierte nicht vor dem Hintergrund eines gesellschaftlichen Pluralismus, der sich – zum Wohle aller – in unterschiedlichen Parteien sollte ausdrücken können, sondern auf der Prämisse aufbauend, dass sich mächtige Minderheiten immer in Parteien organisieren würden, denen es eine Partei des Volkes entgegen zu setzen gelte (vgl. Onuf 2012: 400). »Without any open question affecting permanently every interest, and all the people and all alike, as in the case with such as relate to and embrace the sources of power and the foundations of the government, if the Constitution had been upheld in good faith on both sides partisan contests must of necessity have been limited to local or temporary and evanescent measures and to popular excitements and opposing organizations as shifting and short-lived as the subjects which gave rise to them. But Hamilton took especial care that such halycon days should not even dawn on the country.« (Van Buren 1867: 271; Hervorh., T.M.; vgl. Wilson 1988: 420f.) Weil also Hamilton mit Gründung der Republik die Saat der Monarchie gestreut hatte (Van Buren 1867: 121), deren Austreiben es zu verhindern
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Die Schrift wurde erst posthum von seinen Söhnen Abraham und John herausgegeben.
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galt, musste sich demgegenüber eine Partei formieren.79 Und eben dieses Bestreben hielt »Anti-Federal, Republican, and Democratic parties« zusammen (Van Buren 1867: 270; vgl. Rantoul, Jr. 1854: 143, 223). »[T]he task of the Democratic party«, so John Ashworth, »was to mobilize the majority to resist the encroachments of the wealthy ›aristocratic‹ minority.« (Ashworth 1995: 293)80 Hiermit wird die Partei als Organisationsinstrument nicht normativ ausgezeichnet, sondern als notwendiges Übel begriffen.81 Gäbe es keine parasitären Minderheiteninteressen, bräuchte es für Van Buren auch keine Partei zum Schutz der Freiheit der Vielen (vgl. Kruman 1992: 522).82 Es schlägt sich an dieser Stelle eine pessimistische Anthropologie nieder, die bereits Teile der Argumentation O’Sullivans geleitet hatte. »Van Buren did not support popular rule because of an optimistic view of human nature. The evidence […] suggests that he was probably pessimistic.« (Mintz 1949: 424) Weil Menschen per se korrumpierbar, also anfällig für die Verlockungen
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Eric Foner geht meines Erachtens deutlich zu weit, wenn er meint, dass Van Buren Parteien geschätzt habe, da sie der Bürgerschaft Wahlmöglichkeiten eröffneten (Foner 2008: 369). Tatsächlich dürfte Van Buren kaum der Meinung gewesen sein, dass die Nachfolger Hamiltons eine wählbare Alternative darstellten. Sie waren vielmehr ein hinzunehmendes Übel, gegen das vorzugehen war. Ashworth fokussiert in seinen Arbeiten meines Erachtens zu sehr auf den Antagonismus zwischen Reichen und Armen. Den Jacksonians ging es eher um die Zurückdrängung solcher Interessen, die ihren Wohlstand mit Hilfe verliehener Privilegien und somit auf Kosten der Allgemeinheit generiert hatten, nicht um Wohlstandsdisparitäten als solche. Es gab auch solche Stimmen aus den Reihen der Demokraten, die die politische Partei noch weitergehend aufwerteten. Theodore Sedgwick, Jr. (1847: 23) beispielsweise schreibt: »A country without parties is a country without the first element of free government.« Auf Sedgwick, Jr. werde ich weiter unten noch genauer eingehen. Vgl. zu dieser Position auch Wallace (1968: 487). Hofstadters Interpretation geht an dieser Stelle etwas weiter, indem er Van Buren durchaus eine normative Aufwertung der Parteien nicht nur im Vergleich zum parteienfeindlichen Geist der Gründerzeit attestiert, sondern bezüglich politischer Parteien als solchen. Für Hofstadter dienten Van Buren Parteien mitsamt ihren Forderungen an die Mitglieder als eine Art Bürgerschule, wurde der einzelne innerhalb der Parteienstruktur doch genötigt, die eigenen Bedürfnisse hintanzustellen. Hofstadter bemerkt allerdings auch, dass Van Buren den Parteienwettkampf schätzte, da durch ihn die Verteidiger der Republik – also die Bürgermehrheit – enger zusammenrücke und politisch wachsam bleibe (Hofstadter 1969: 226, 229, 249). Dies deckt sich mit der hier vorgeschlagenen vornehmlich instrumentellen Aufwertung politischer Parteien durch Van Buren.
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politischer Macht waren, bedurfte es starker Schutzmechanismen. Für die gleichzeitig stattfindende Aufwertung des Präsidentenamtes, die strukturell auf eine Präsidialdemokratie hinauslief, ist diese Überlegung zentral. Da weder sichergestellt werden konnte, dass die ›richtige‹ Partei auch eine Mehrheit im Kongress erlangen würde, noch dass die Abgeordneten nicht primär auf die Durchsetzung partikularer Interessen aus waren,83 sollte der Präsident als übergeordnete Verkörperung des Volkswillens fungieren und über seine ausschließlich negativen Machtpotentiale84 dafür Sorge tragen, dass der Gleichheitsgrundsatz nicht verletzt werden würde. Die präsidentiellen Vetos waren in diesem Sinne die nur dem Präsidenten offenstehende Möglichkeit etwaige in Richtung Günstlingswirtschaft zielende Gesetzesvorhaben aufzuhalten. Wenngleich den Parteien also nur eine eingeschränkte Aufwertung zuteil wird, sind die diesbezüglichen Verschiebungen gegenüber der normativen Vision Jeffersons doch derart gewichtig, dass ich mich zunächst diesen zuwende, bevor ich näher auf die noch augenfälligere Transformation der angedachten Rolle der Exekutive eingehe. Modern waren Van Burens parteitheoretische Ausführungen an der Oberfläche insofern, als er die dauerhafte Konfrontation verschiedener Interessen als gegeben ansah, statt auf die republikanische Utopie des überparteilichen Gemeinwohls zu schielen, die Parteien immer zu einem Ausdruck partikularer Sonderinteressen machte. »Since selfish men were ever prone to conspire«, so Wilson (1988: 433) zuspitzend, »there would always be a need for good men to stay united.«85 Für die Jacksonians bestand jene ›Verschwörung‹ der Minderheiteninteressen immer in einer Übertretung verfassungsmäßig gesetzter Grenzen zum ausschließlichen Wohle eben jener Minderheit, was zentral für die im nächsten Schritt darzulegende Rolle des Präsidenten ist. Van Burens
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Dies musste nicht in jedem Fall schlecht sein. Zwar gab es jene Fälle, in denen eine angestrebte Übervorteilung zugunsten der Mächtigen wirken sollte; ebenso vorstellbar waren aber Versuche, regionale Interessen der eigenen Wählerschaft durchzusetzen, was ohne Zweifel dem Repräsentationsverständnis der Jacksonians entsprach, das, wie oben dargelegt, in Richtung Instruktion wies. Van Buren selbst spricht in diesem Zusammenhang von einem »conservative character of Democratic principles« (Van Buren 1867: 382; vgl. ebd.: 414). Die Erodierung eines freischwebenden Gemeinwohls beziehungsweise »the eclipse of the common good«, wie John Larson (2010) schreibt, war insgesamt kennzeichnend für das politische Denken der Jacksonians, was sie tatsächlich modern im Gegensatz zu den Gründervätern erscheinen lässt. Im folgenden Abschnitt werde ich ausführlicher auf diesen Aspekt zu sprechen kommen.
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Ausführungen hatten auf der anderen Seite einen sehr traditionellen Zug, der sich dem Republikanismus der Gründerzeit wieder annäherte, ohne freilich jemals vollständig zu diesem zurückkehren zu können. Diese vormoderne Seite liegt in der Annahme, dass zwar immer mehrere – in der Regel zwei – Parteien existierten, dass aber immer nur eine Partei die »popular party« sein könne, also jener eigentliche Ausdruck, des dann doch wieder als homogenes Ganzes gedachten Volkes (ebd.; vgl. Wilentz 2005a: 516).86 In den USA waren dies, wie gesehen, in chronologischer Reihenfolge, die Anti-Federalists, die (Jeffersonian) Republicans und die (Jacksonian) Democrats (Van Buren 1867: 7f.). Jene Parteien waren für Van Buren die Gralshüter der freiheitsverbürgenden Verfassung, die von den aristokratischen Kräften – den Federalists, National Republicans und Whigs – in ihrem Sinne unterminiert werden sollte. Herausragend war für Van Buren hierbei Hamiltons Interpretation der »necessary and proper clause« der US-Verfassung im Rahmen seines First Report on Public Credit (1790),87 die – auch aufgrund der Rechtssprechung im Falle McCulloch v. Maryland (1819)88 – als nicht mehr einzufangender Präzendenzfall für die 86
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Diese Partei war dann freilich keine Partei im Sinne faktionaler Interessen mehr, wie beispielsweise Frederick Robinson, ein führender Demokrat aus Massachusetts und Mitglied des dortigen Abgeordnetenhauses, bemerkt: »But it is impossible for a true democrat to be a party man, or for those favorable to democracy to constitute a party. For how can he be a partisan, who looks upon all men as equal and contends that there is no power, no advantage, no privilege, which can be enjoyed by any one man or class of men, which does not equally belong to all, and ought not equally to be enjoyed by every other man in the nation.« (Robinson 1834: 323) Hiermit wird der Eigenwert der politischen Partei als angemessener Ausdruck eines begrüßenswerten gesellschaftlichen Pluralismus unterminiert. Die Anerkennung dieses Eigenwertes zeichnet jedoch die positive Bewertung politischer Parteien im 20. Jahrhundert aus, wie auch Hofstadter bemerkt (1969: 271). Aufgrund dessen sind die Ausführungen der Jacksonians meines Erachtens auch nur sehr bedingt als modern zu bezeichnen. Vgl. hierzu auch Wilentz (2005b: 158f.). Nach Jeffersons Protest gegen die von Hamilton anvisierten Maßnahmen als verfassungswidrig, hatte Letzterer auf Nachfrage Präsident Washingtons Schritt für Schritt nachzuweisen versucht, dass sich seine Reformen sehr wohl im Rahmen der Verfassung befänden und sich mit dieser Haltung schlussendlich auch durchgesetzt (vgl. Bernstein 2012: 427; Wood 2006: 134). Im Wesentlichen wurde durch den höchstrichterlichen Spruch festgeschrieben, dass die Bundesregierung gemäß Hamiltons Überlegungen alles unternehmen durfte, was der Erfüllung der verfassungsmäßigen Ziele diente und was ihr nicht gleichzeitig explizit von den Einzelstaaten untersagt worden war. Die Argumentation der Gegner eines »energetic government« auf Bundesebene hatte demgegenüber gelautet, dass die
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unsachgemäße Ausweitung der Kompetenzen der Bundesregierung im Sinne mächtiger Minderheiteninteressen angesehen wurde (Van Buren 1867: 132134; vgl. Hofstadter 1969: 246; Peterson 1962: 74; Wallace 1968: 482f.). Dass die Jacksonians der Legislative ungeachtet einer formal intakten Legitimation der Abgeordneten skeptisch gegenüberstanden, ist sicherlich zu einem Gutteil auf den legislativen Sündenfall des bereits skizzierten »corrupt bargain« von 1824 zurückzuführen. In diesem offenbarte sich die potentielle Korrumpierbarkeit der Legislative aus Sicht der Jacksonians noch deutlicher als in den vom Kongress verabschiedeten Akten, die den Köpfen führender Federalists entsprungen waren. Sicher, die finanzpolitischen Initiativen Hamiltons waren für die Jacksonians nichts anderes als Günstlingspolitik im Sinne der Wohlhabenden. Aber immerhin hatten die Federalists in den ersten sechs Kongressen – mit Ausnahme einer republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus von 1795 bis 1797 – die Mehrheit, sodass die Jahre bis 1800 nur vor dem Hintergrund eines hypothetischen Volkswillens interpretiert und kritisiert werden konnten. 1824 lagen die Dinge insofern anders, als die den Präsidenten wählende Legislative tatsächlich gegen die bereits bestehende Mehrheitsmeinung stimmte. Jackson hatte, entgegen aller Prognosen, die (relative) Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigen können. »Outside Adams’ New England Base […] Jackson was the plain preference of the large majority of voters. If those states where he ran second to Clay89 added their congressional votes to those of the states Jackson won outright, Jackson would have had the backing of fourteen congressional delegations – two more than necessary to win the election in the House of Representatives.« (Wilentz 2005a: 250) Am Ende war er trotzdem nicht ins Weiße Haus gewählt worden, was die Jacksonians auf Absprachen zwischen Adams und Clay zurückführten, die Letzteren dazu veranlassten ›seine‹ Staaten zur Wahl Adams’ zu bewegen, was, so mutmaßten die Jacksonians weiter, nicht ohne versprochene Gegenleistungen vonstattengegangen sein konnte (ebd.: 255). Auch wenn es sich 1824 ohne Zweifel um eine besondere Situation handelte, für die Jacksonians war der Kongress hiermit zu einer in höchstem Maße misstrauisch zu beäugenden, weil potentiell korrumpierbaren, Institution geworden (vgl. Kruman 1992: 527).
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Bundesregierung nur diejenigen Maßnahmen ergreifen durfte, die ihr explizit von den Einzelstaaten zugesprochen worden waren (vgl. Loewenstein 1959: 18; Sautter 1997: 240; Foner 2008: 362f.). Clay stand aufgrund seiner Viertplatzierung gemäß des 12. Zusatzartikels nicht mehr zur Wahl.
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Als finaler Schutzwall der Freiheit sollte nun fortan ausgerechnet die Exekutive auftreten. Der Grund hierfür war vergleichsweise banal: Nur der Präsident konnte für sich beanspruchen, von der gesamten Bürgerschaft legitimiert worden zu sein; und nur der Präsident konnte folglich qua Wahlprozedere die Interessen der Allgemeinheit im Blick haben. Nur im Amt des Präsidenten, so heißt es beispielsweise im Globe vom 29. Dezember 1840, würde das »great essential principle« des politischen Systems der USA vollumfänglich zum Tragen kommen, namentlich »that of direct responsibility of the ruler to the people«, weshalb auch nur die Exekutive tatsächlich zur Verantwortung gezogen werden könne.90 Spiegelbildlich war es dann aber natürlich auch der Präsident, der die Verantwortung für Wohl und Wehe der Bürgerschaft als primus inter pares übernehmen durfte und sollte. Jackson tat genau das, indem er das Präsidialamt, in den Worten John Yoos (2007: 522), zum »direct representative of the American people« machte (vgl. Genovese 2010: 590). Der umfangreiche Gebrauch, den er vom präsidentiellen Vetorecht machte, legt von dieser Haltung beredtes Zeugnis ab. Jackson nutzte sein Vetorecht ganze zwölfmal – und damit dreimal öfter als seine sechs Vorgänger zusammen.91 Dass er als eine Art Wächter der Verfassung fungierte, muss Jackson in diesem Zusammenhang nicht angedichtet werden; wie das wohl berühmteste Veto seiner Amtszeit verdeutlicht, schrieb er sich diese Rolle offensiv selbst zu, und zwar explizit in Abgrenzung zur Judikative, die diese Funktion mit dem wegweisenden Marbury v. Madison-Urteil92 von 1803 eigentlich für sich beansprucht hatte. In der Veto Message Regarding the Bank of the United States vom 10. Juli 1832, die von einigen Autoren als zentraler Ausdruck des politischen Denkens der Jacksonians begriffen wird (u.a. Wilentz 2005a),93 tritt Jacksons Selbstverständnis in aller Klarheit zutage. Bevor die Veto Message jedoch genauer in 90
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The Globe vom 29. Dezember 1840, S. 3. Ähnlich heißt es bei Martin Van Buren: »The President is the only efficient representative in the Federal System« (zit.n. Mintz 1949: 435f.). United States House of Representatives, Presidential Vetoes, in: http://history.house. gov/Institution/Presidential-Vetoes/Presidential-Vetoes/. Mit diesem Urteil etablierte der Supreme Court »die Befugnis des Gerichts zur judical review«, weshalb es als eines »der wichtigsten u. folgenreichsten der am. Verfassungsgeschichte« gilt (Sautter 1997: 234). Aufgrund der teilweise konfusen Argumentation und der raumgreifenden Erörterung technischer Fragen, schließe ich mich dieser Haltung nicht an. Hiermit soll andererseits nicht in Frage gestellt werden, dass das Bank Veto einen herausragenden Symbolwert besaß (vgl. Meyers 1960: 12).
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den Blick genommen werden kann, muss in gebotener Kürze auf den Hintergrund jener Auseinandersetzung eingegangen werden, die als Bank War in die US-amerikanische Geschichte eingegangen ist. Dies ist notwendig, um die Reichweite der in der Veto Message und dem weiteren Verlauf der Kontroverse getätigten Aussagen verstehen zu können. Es war im einleitenden Kapitel im Zusammenhang mit der Panik von 1819 bereits kurz die Rede von der Second Bank of the United States (BUS). Diese war 1816 in erster Linie als Reaktion auf die mangelhafte Finanzierung öffentlicher Dienste – vor allem hinsichtlich der nationalen Verteidigung – gegründet worden. Nachdem sie ihren Aufgaben, wie oben dargelegt, anfänglich mitnichten nachgekommen war, übernahmen zunächst Langdon Cheves und später Nicholas Biddle den Vorsitz der BUS, deren Charta-Vertrag 1836 auslaufen sollte. Vor allem Biddle hatte die BUS neu aufgestellt und auf ihre eigentlichen Aufgaben – in Friedenszeiten waren dies vor allem die Stabilisierung der Währung und die Verwaltung der öffentlichen Gelder – fokussiert. Gleichzeitig weitete er die Kredittätigkeit der BUS gemäß den Unternehmensinteressen im Zuge der Vermarktwirtschaftlichung stetig aus, sodass die BUS zu Beginn der 1830er Jahre das mit Abstand mächtigste Unternehmen der USA war (vgl. Meyers 1960: 104). Biddle versuchte aus der Machtfülle der BUS auch kein Geheimnis zu machen und gab im Rahmen einer öffentlichen Anhörung unumwunden zu Protokoll, dass »[t]here are very few banks which might not have been destroyed [by the BUS; T.M.]« (zit.n. Wilentz 2005a: 367). 1832 entschloss sich Biddle auf Anraten Henry Clays, der davon ausging, dass Jacksons Anti-Bank-Politik94 gegen den amtierenden Präsidenten wirken und somit Clay selbst 1832 zum achten Präsidenten der USA machen würde, eine vorzeitige Verlängerung des Charta-Vertrages anzustreben (Remini 1967: 76). Biddle spekulierte darauf, dass Jackson im Wahljahr 1832 kein Interesse an einer größeren Debatte um Stellenwert und Verfassungsmäßigkeit der BUS haben würde, zumal »[b]oth the House Ways and Means Committee and the Senate Finance Committe had issued reports the previous year finding the Bank constitutional and praising its operations« (Yoo 2007: 544f.). Hiermit bestätigte der Kongress die Meinung des Supreme Court, der 1819 anlässlich des Rechtsstreits McCulloch v. Maryland entschieden hatte, dass dem Kongress
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Dass Jackson der BUS alles andere als wohlgesonnen gegenüberstand, war kein Geheimnis. Bereits in seiner First Annual Message hatte er deren Verfassungsmäßigkeit in Frage gestellt. First Annual Message vom 8. Dezember 1829, in: PP (www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=29471).
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die »implied powers« zukämen, eine nationale Bank zu gründen. Es hatten demnach sowohl die Legislative als auch die Judikative über die Rechtmäßigkeit der BUS befunden, wobei Erstere auch deren Performanz auszeichnete. Vor diesem Hintergrund war das Ergebnis der Abstimmung über die Verlängerung des Charta-Vertrages im Kongress wenig überraschend. »On June 11, 1832 […] the bill for recharter passed the Senate by a vote of 28 to 20, and almost a month later, on July 3, rode through the House by 107 to 85.« (Remini 1967: 80) Hiergegen legte Jackson sein berühmtes Bank Veto ein, wobei er als erster Präsident nicht nur verfassungsrechtliche, sondern auch politische und ökonomische Bedenken gegen eine Verlängerung der Charta in Anschlag brachte (vgl. Yoo 2007: 545; Wilentz 2005a: 370f.). Verfassungsrechtlich griff Jackson das Urteil des Supreme Court auf, um es als im Prinzip nichtssagend abtun zu können. Die Richter, so Jackson, hätten nichts weiter entschieden, als dass der Kongress das Recht dazu habe, einen Charta-Vertrag aufzusetzen, um eine beliebige Bank ins Leben zu rufen, wenn dies der Ausübung jener Befugnisse diene, die dem Kongress durch die Verfassung zugewiesen wurden.95 Die Beurteilung, ob dies der Fall sei, hätten die Richter hingegen als jenseits der judikativen Kompetenzen liegend angesehen: »The principle here affirmed is that the ›degree of its necessity,‹ involving all the details of a banking institution, is a question exclusively for legislative consideration. […] Under the decision of the Supreme Court, therefore, it is the exclusive province of Congress and the President to decide whether the particular features of this act are necessary and proper in order to enable the bank to perform conveniently and efficiently the public duties assigned to it as a fiscal agent, and therefore constitutional, or unnecessary and improper, and therefore unconstitutional.«96 Die Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der BUS würden durch das Urteil von 1819 dementsprechend nicht einmal tangiert. Wenig überra95
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In der Verfassung heißt es: »The Congress shall have power […] [t]o make all Laws which shall be necessary and proper for carrying into Execution the foregoing Powers, and all other Powers vested by this Constitution in the Government of the United States, or in any Department or Officer thereof.« (Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika, Art. I, 8, in: https://www.senate.gov/civics/constitution_item/constitution.htm?utm_content=buffer05951). Veto Message Regarding the Bank of the United States vom 10. Juli 1832, in: AP (http:// avalon.law.yale.edu/19th_century/ajveto01.asp).
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schend bestreitet Jackson, dass die BUS in ihrer gegenwärtigen Form »necessary and proper« sei, um die mit ihrer Gründung eigentlich intendierten Zwecke zu erfüllen. Vielmehr würden ihr Kompetenzen zugesprochen, die weit über diejenigen hinausreichten, die tatsächlich notwendig seien. Vor allem die in der Bank-Charta festgeschriebene Monopolstellung97 laufe dem eigentlichen Zweck der Gründung entgegen, denn falls der Kongress es als »necessary and proper« ansehe, mehrere Banken ins Leben zu rufen, dann könne ihm dies schlechterdings nicht durch die Charta der ersten gegründeten Bank untersagt werden. Gerade aufgrund des »necessary and proper«Paragraphen widerspreche die BUS-Charta der Verfassung.98 Jackson zählt noch einige weitere Gründe für die Verfassungswidrigkeit der BUS in ihrer gegenwärtigen Form auf – beispielsweise der Einfluss, den ausländische Akteure über die BUS ausüben könnten, die Beschneidung der Rechte der Einzelstaaten durch die BUS und die Auslagerung der nationalen Währungspolitik an ein semi-privates Unternehmen –, um zu schließen, dass »[t]here is nothing in its legitimate functions which makes it necessary or proper.«99 97
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Die BUS fungierte exklusiv als Verwahrstelle der öffentlichen Einnahmen, die gleichzeitig als Kapital für die privatwirtschaftliche und auf Profit zielende Kreditvergabepraktiken dienten. Dies verschaffte der BUS aus Sicht der Jacksonians unverhältnismäßige Wettbewerbsvorteile. »If Congress possessed the power to establish one bank, they had power to establish more than one if in their opinion two or more banks had been ›necessary‹ to facilitate the execution of the powers delegated to them in the Constitution. If they possessed the power to establish a second bank, it was a power derived from the Constitution to be exercised from time to time, and at any time when the interests of the country or the emergencies of the Government might make it expedient. It was possessed by one Congress as well as another, and by all Congresses alike, and alike at every session. But the Congress of 1816 have taken it away from their successors for twenty years, and the Congress of 1832 proposes to abolish it for fifteen years more. It can not be ›necessary‹ or ›proper‹ for Congress to barter away or divest themselves of any of the powers-vested in them by the Constitution to be exercised for the public good. It is not ›necessary‹ to the efficiency of the bank, nor is it ›proper‹ in relation to themselves and their successors. They may properly use the discretion vested in them, but they may not limit the discretion of their successors. This restriction on themselves and grant of a monopoly to the bank is therefore unconstitutional.« Veto Message Regarding the Bank of the United States vom 10. Juli 1832, in: AP (http://avalon.law.yale.edu/19th_ century/ajveto01.asp). Veto Message Regarding the Bank of the United States vom 10. Juli 1832, in: AP (http:// avalon.law.yale.edu/19th_century/ajveto01.asp). Die verfassungsrechtliche Gegenposition nahm John C. Calhoun ein. Dessen Einlassungen, die im Prinzip darauf hinaus-
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Aus ökonomischer Perspektive war die Veto Message insofern »confused«, als sie sich in Selbstwidersprüchen verwickelte.100 So bemerkt Jackson anfänglich, dass die Monopolstellung der BUS die kleineren Staatsbanken gefährde, die, so der Subtext, für die wirtschaftliche Entwicklung der USA von zentraler Bedeutung seien. Später, und gemäß Jacksons früher geäußerter Abneigung gegenüber Banken als solchen, moniert er sinngemäß, dass BUS und die Banken in den Einzelstaaten gemeinsame Sache machen würden, indem Erstere Letzteren Privilegien einräume, was dem demokratischen Grundsatz gleicher Rechte widerspreche (vgl. Temin 1969: 29f.).101 Strahlkraft entfaltete die Veto Message vor allem aufgrund der im engeren Sinne politischen Überlegungen (vgl. Dippel 2018: 133). Die zentrale Passage wurde in Ausschnitten weiter oben bereits zitiert. In ihr heißt es: »It is to be regretted that the rich and powerful too often bend the acts of government to their selfish purposes. Distinctions in society will always exist under every just government. Equality of talents, of education, or of wealth can not be produced by human institutions. In the full enjoyment of the gifts of Heaven and the fruits of superior industry, economy, and virtue, every man
liefen, dass die BUS aufgrund dessen verfassungskonform sei, da sie der dem Kongress übertragenden Funktion der Währungskontrolle diene, fand jedoch kein nennenswertes Echo (vgl. Hammond 1957: 367f.). 100 Dies ist nur der offensichtlichste Ausdruck dafür, dass es im Bank War – zumindest für Jackson selbst – nicht primär um ökonomische Fragen ging. Wie Peterson (1962: 76f.) bemerkt, »[t]he question was not simply one of policy – of how the government should manage its finances – nor was it simply one of economics. […] [T]he fundamental issue was one of the form of government.« 101 »This provision secures to the State banks a legal privilege in the Bank of the United States which is withheld from all private citizens. If a State bank in Philadelphia owe the Bank of the United States and have notes issued by the St. Louis branch, it can pay the debt with those notes, but if a merchant, mechanic, or other private citizen be in like circumstances he can not by law pay his debt with those notes, but must sell them at a discount or send them to St. Louis to be cashed. This boon conceded to the State banks, though not unjust in itself, is most odious because it does not measure out equal justice to the high and the low, the rich and the poor. To the extent of its practical effect it is a bond of union among the banking establishments of the nation, erecting them into an interest separate from that of the people, and its necessary tendency is to unite the Bank of the United States and the State banks in any measure which may be thought conducive to their common interest.« Veto Message Regarding the Bank of the United States vom 10. Juli 1832, in: AP (http://avalon.law.yale.edu/19th_century/ ajveto01.asp). Vgl. Wilentz (2005a: 371).
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is equally entitled to protection by law; but when the laws undertake to add to these natural and just advantages artificial distinctions, to grant titles, gratuities, and exclusive privileges, to make the rich richer and the potent more powerful, the humble members of society – the farmers, mechanics, and laborers – who have neither the time nor the means of securing like favors to themselves, have a right to complain of the injustice of their Government. There are no necessary evils in government. Its evils exist only in its abuses. If it would confine itself to equal protection, and, as Heaven does its rains, shower its favors alike on the high and the low, the rich and the poor, it would be an unqualified blessing. In the act before me there seems to be a wide and unnecessary departure from these just principles.«102 Ungeachtet der Güte jener Argumentation ist vor allem Jacksons in der Veto Message ebenfalls expliziertes Verständnis der Rolle des Präsidenten von Bedeutung für die Rekonstruktion seines politischen Denkens. »The Congress, the Executive, and the Court must each for itself be guided by its own opinion of the Constitution«, wobei »[t]he opinion of the Judges has not more authority over Congress than the opinion of Congress has over the judges« und »on that point the President is independent of both.«103 Hierin lässt sich auf den ersten Blick ein radikales Eintreten für die Gewaltentrennung erkennen,104 bei näherer Betrachtung wird jedoch auch deutlich, dass es sich um eine Gewaltenhierarchisierung zugunsten der Exekutive handelte. Denn faktisch stellte Jackson die Exekutive und ein Drittel der Kongressabgeordneten hiermit über Judikative und legislativen Mehrheitsbeschluss. Und dem Sinn nach stellte er den Präsidenten als einzig legitimen Interpreten des Volkswillens über die Legislative und Judikative, denn aufgrund der politischen und ökonomischen Passagen in der Veto Message muss davon ausgegangen werden, dass Jackson der Ansicht war, dass er aufgrund inhaltlicher – und nicht lediglich verfassungsrechtlicher – Überlegungen dazu befugt sei, Politik gegen
102 Veto Message Regarding the Bank of the United States vom 10. Juli 1832, in: AP (http:// avalon.law.yale.edu/19th_century/ajveto01.asp). Vgl. auch Gouge (1833: 41). 103 Veto Message Regarding the Bank of the United States vom 10. Juli 1832, in: AP (http:// avalon.law.yale.edu/19th_century/ajveto01.asp). Vgl. Murphy (2017: 4). 104 Vgl. hierzu Brief an Andrew J. Donelson vom 11. Oktober 1822, in: AJC, III: 179. Hier heißt es: »The Legislature are no more the people, than any other department of the Government established by the people«. Ähnlich auch Brief an die Tennessee Legislature vom 12. Oktober 1825, in: AJC, III: 294.
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eine Kongressmehrheit zu betreiben, ohne dass dies den »the people govern«Grundsatz verletzen würde.105 Noch deutlicher artikuliert wird dieses Selbstverständnis im weiteren Verlauf des Bank War, im Zuge dessen der Senat versuchte, Jackson aufgrund einer vermeintlichen Überschreitung seiner verfassungsmäßig verbürgten Kompetenzen, zu ›zensieren‹ (censure). Jackson reagierte hierauf mit einer förmlichen Protestnote an den Senat, in der er sein Handeln wie folgt rechtfertigte: »So glaring were the abuses and corruptions of the bank, so palpable its design by its money and power to control the Government and change its character, that I deemed it the imperative duty of the Executive authority […] to check its career and lessen its ability to do mischief.« Und die Befugnis hierzu kam dem Präsidenten in Jacksons Vorstellung aufgrund dessen zu, dass er »the direct representative of the American people« sei.106 Und genau dies grenzte Jackson in seinem Selbstverständnis von den anderen Gewalten ab, weshalb die Gewaltentrennung eben eine Gewaltenhierarchisierung war. Dass die Judikative hierbei der demokratischen Kritik zum Opfer fiel, überrascht nicht, waren kritische Spitzen gegen die auf Lebenszeit bestellten Richter doch seit der Verfassungsdebatte an der Tagesordnung. Die Argumente der Jacksonians unterscheiden sich hierbei kaum von jenen, die beispielsweise von den Anti-Federalists vorgebracht wurden.107 Auch Letztere sahen in der Judikative eine gegen die Interessen der Bürger abgeschirmte Bastion zum Schutz der Eliten. Für die Jacksonians war die Judikative ebenfalls »the only aristocratic feature in our constitution.« (Zit.n. Ashworth 1983: 36) Insbesondere aufgrund des angelsächsischen common law käme den nicht rechenschaftspflichtigen Richtern eine Machtfülle zu, die sie zu einer
105 Ich meine vor diesem Hintergrund, dass es den Jacksonians nicht einfach um eine strikte Gewaltenteilung ging, wie Ashworth (1983: 20) dies annimmt, sondern der Gütegrad der jeweiligen Gewalten unterschieden wurde, wobei die Exekutive aufgrund der bereits weiter oben angeführten Gründe am ehesten dazu in der Lage war, den Volkswillen zum Ausdruck zu bringen. Hiermit schließe ich mich der zeitgenössischen Kritik an Jackson an. So hatte Benjamin Watkins Leigh, einer von Jacksons überzeugtesten Widersachern im Kongress, bemerkt, dass »[u]ntil the President developed the faculties of the Executive power, all men thought it inferior to the legislature – he manifestly thinks it superior« (zit.n. Wilentz 2005b: 157). 106 President Jackson’s Message of Protest to the Senate vom 15. April 1834, in: AP (http:// avalon.law.yale.edu/19th_century/ajack006.asp); Hervorh., T.M. 107 Z.B. Brutus, Essay XV, March 20, 1788, in: Ketcham (2003: 325f.).
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gewissermaßen despotischen Instanz innerhalb der US-amerikanischen Republik machen würde.108 Bemerkenswerter ist freilich die harsche Kritik an der Legislative, die ich oben bereits angesprochen hatte. An diesem Punkt der Argumentation laufen der modifizierte Blick auf Parteien und Jacksons Selbstverständnis als »direct representative of the American people« zusammen. Denn natürlich galten den Jacksonians nicht alle Parteien gleichermaßen als Wahrer der ›eigentlichen‹ Volksinteressen, sondern nur jeweils eine Partei – hörte diese nun auf den Namen Anti-Federalists, (Jeffersonian) Republicans oder Democrats. Weil deren Positionen im Kongress jedoch durch Manipulation, Intrige und Missinformation temporär in der Minderheit sein konnten, bedurfte es der nicht manipulierbaren Institution des US-Präsidenten. Kurzum: Die eigentliche Verkörperung der Volkssouveränität war für Jackson und die Seinen das Weiße Haus, nicht das Kapitol, schließlich war lediglich der Präsident vom Volk als ganzem gewählt worden.109 Dass es sich hier keineswegs um eine persönliche Anmaßung Jacksons handelte, sondern er von mit den Democrats verbandelten Intellektuellen in dieser Rolle bestätigt wurde, hatte sich angesichts der weiter oben erwähnten Rede William Leggetts vom »pure republican despotism« und Martin Van Burens Einschätzung, der zufolge der Präsident der einzig »efficient representa-
108 Es muss allerdings auch angemerkt werden, dass Jacksons Farewell Adress vom 4. März 1837 versöhnlichere Töne anstimmt. Man sollte die Farewell Adress allerdings vorsichtig interpretieren, war sie doch gemeinhin die moderateste aller präsidentiellen Reden, die ja ohnehin eher die einenden Bande betonen sollten, denn soziale und politische Antagonismen. In der Farewell Adress heißt es bezüglich der Judikative: »Unconstitutional or oppressive laws may no doubt be passed by Congress, either from erroneous views or the want of due consideration; if they are within the reach of judicial authority, the remedy is easy and peaceful«. In der gleichen Rede heißt es aber auch – und dies entspricht der hier vertretenen Lesart von Jacksons Gewaltenteilungsverständnis: »You can not have forgotten the severe and doubtful struggle through which we passed when the executive department of the Government by its veto endeavored to arrest this prodigal scheme of injustice and to bring back the legislation of Congress to the boundaries prescribed by the Constitution.« Farewell Adress vom 4. März 1837, in: PP (www.presidency.ucsb.edu/ws/index.php?pid=67087); Hervorh., T.M. 109 Vgl. Yoo (2007: 552). Daniel Webster bemerkte vor diesem Hintergrund dann auch folgerichtig: »According to the doctrines put forth by the President, although Congress may have passed a law, and although the Supreme Court may have pronounced it constitutional, yet it is, nevertheless, no law at all, if he, in his good pleasure, sees fit to deny it effect; in other word, to repeal and annul it« (Webster 1832: 20).
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Rantoul, Jr. vertrat die Demokratische Partei in beiden Kammern des Parlaments in Massachusetts, dazwischen wirkte er als Bundesstaatsanwalt im Distrikt Massachusetts.
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network, connecting the National Road to the north with the Natchez Trace to the south and the Ohio with the Tennessee river systems.« (Howe 2007: 357) Jacksons Veto gegen die Förderung des Projekts durch Bundesmittel hatte, wie Howe bemerkt, weniger mit einer vermeintlichen Antipathie gegen den Ausbau nationaler Transportwege zu tun, als vielmehr damit, dass es sich bei der Maysville Road aus Sicht Jacksons eben nur um eine Teilstrecke handelte, die durch einen Staat verlief und somit nicht als »national« klassifiziert werden konnte. »I am not able«, so Jackson, »to view it in any other light than as a measure of purely local character.«111 Problematisch war dies für Jackson insofern, als durch die Förderung des Projekts Bundesmittel zum Wohle einiger weniger, namentlich der Bewohner des Staates Kentucky, auf Kosten der gesamten Bevölkerung der USA112 das Prinzip der Gleichbehandlung verletzt worden wäre. Nur solche Projekte, denen ein »›general, not local, national, not State‹ character« zugeschrieben werden könne, seien von der Bundesregierung zu fördern. Nur hierdurch nämlich könne das equal rights-Prinzip aufrechterhalten werden, das zuvorderst dafür Sorge trage, dass die Regierung keine Günstlingswirtschaft betreibe, die ihr einen »demoralizing influence« zukommen und die »foundations of public virtue« austrocknen lassen würde.113 Ich werde im nächsten Kapitel detailliert nachzeichnen, worin sich der Gleichbehandlungsgrundsatz für die Jacksonians manifestierte und warum dessen Verletzung aus ihrer Sicht das Austrocknen der »foundations of public virtue« nach sich gezogen hätte. Für den Moment wichtig ist die im
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Veto Message Regarding Funding of Infrastructure Development vom 27. Mai 1830, in: PP (www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=67036). Vgl. Notes for the Maysville Road Veto vom 19.-26. [Mai] 1830, in: AJC, IV: 139. Vgl. Brief an James W. Lanier vom 15. Mai 1824, in: AJC, III: 253. Hierzu auch Wilentz (2005b: 72). Die Bundesmittel setzten sich zum Teil aus Steuern auf alltägliche Gebrauchsgegenstände zusammen. »[T]axes have borne severely upon the laboring and less prosperous classes of the community, being imposed on the necessaries of life«. Veto Message Regarding Funding of Infrastructure Development vom 27. Mai 1830, in: PP (www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=67036). Veto Message Regarding Funding of Infrastructure Development vom 27. Mai 1830, in: PP (www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=67036). Am Maysville Road Veto wird überdies deutlich, dass es auch bei den Jacksonians, die gemeinhin als theoretisch uninspiriert angesehen werden, um prinzipiengeleitete Politik ging, nicht lediglich um den nächsten Wahlerfolg. »When warned that his own advisers feared the political fallout from his assault on a practice much beloved by politicians, especially in the growing West, Jackson snapped: ›Yes, but don’t mind that‹« (Watson 1985: 122).
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Maysville Road Veto ebenfalls durchscheinende Aufwertung der Exekutive zuungunsten der Legislative. Denn wenngleich ein präsidentielles Veto natürlich kein letztinstanzlicher Beschluss war, lief Jacksons Argumentation doch darauf hinaus, dass er darüber entscheide, ob ein Projekt nationalen oder lediglich lokalen Charakter hatte, und zwar unabhängig davon, ob der Kongress diese Frage bereits beantwortet hatte (vgl. ebd.: 358). Für Jacksons Aufwertung der Exekutive ließen sich noch weitere Beispiele anführen – zu denken ist hier an seine Überlegungen zur Ämterbesetzung, der Weisungsgebundenheit der Kabinettsmitglieder oder seinem Verhalten im Tarifstreit 1832; für den hier erörterten Zusammenhang würden durch die Berücksichtigung dieser Fälle jedoch keine neuen Erkenntnisse gewonnen werden. Abschließend stattdessen noch ein Wort zur Darstellung Jacksons in der US-amerikanischen Historiographie. Mir scheint die von Jackson vorgenommene Kompetenzverschiebung zugunsten der Exekutive von Seiten der wohlwollenden Interpreten der Jacksonians aufgrund dessen zu wenig in den Blick genommen beziehungsweise nicht problematisiert worden zu sein, weil sie in ihrer Interpretation zu sehr auf die Inhalte der Politik abheben, die von Jackson vorangetrieben wurden. Man mag in dieser ein Gegengewicht zur sich vollziehenden Vermarktwirtschaftlichung sehen, wie dies unter anderen Wilentz, Ashworth und Sellers tun. Wie das nächste Kapitel zeigt, sprechen einige Gründe für diese Lesart und andere dagegen.114 Dessen ungeachtet muss man aber die Wege und Mittel in den Blick nehmen, die zur Durchsetzung jener Politik genutzt wurden. Und diesbezüglich fällt es schwer, im politischen Denken der Jacksonians etwas anderes zu sehen als ein führungszentriertes Demokratieideal, wodurch sie sich wesentlich von Jeffersons Vision abheben. Es hätte theoretisch für das von ihnen ausgemachte Problem einer allzu leicht korrumpierbaren Legislative naheliegende Alternativlösungen gegeben – einige dieser Lösungen, beispielsweise die Stärkung direktdemokratischer Instrumente oder eine Reform des legislativen Apparates, werden die Populisten ins Auge fassen.115 Dass die Jacksonians sich, angesichts des 114
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Eine alternative Lesart bietet beispielsweise Peterson (1962: 81) an, der argumentiert, dass der »social outlook of most Jacksonians pre-capitalistic« war, diese jedoch die aufgrund der eigenen Prinzipien de facto beförderte Vermarktwirtschaftlichung retrospektiv auszeichneten, weil es sich in ihren Augen hierbei dann eben um die Folgen einer demokratischen Politik gehandelt hatte. Angesichts der weiter oben erwähnten Überlegungen bezüglich etwaiger Instruktionen der Abgeordneten durch die Repräsentierten, mag es auf den ersten Blick verwundern, dass dieser Weg von den Jacksonians nicht eingeschlagen wurde. Weder in den
2. Das politische Denken der Jacksonian Democrats
republikanischen Erbes gewissermaßen against all odds,116 für die vermeintlich heilsbringende Engführung der Volkssouveränität im Amt und der Person des Präsidenten entschieden, hat meiner Lesart zufolge jedoch durchaus systematische Gründe, die eng mit ihren im nächsten Abschnitt darzulegenden sozialtheoretischen Überlegungen zusammenhängen, die sich unter dem Schlagwort laissez faire zusammenfassen lassen. Was auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinen mag – eine Stärkung der Exekutivmacht bei gleichzeitiger Auszeichnung eines laissez faire-Grundsatzes, für den »the government is best, that governs least« –, ist bei näherer Betrachtung komplementär. Weil die Exekutive keine Gesetze macht, trägt sie dafür Sorge, dass nicht zu viel regiert wird.117 »In pursuit of a limited, inactive government«, so John Ashworth (1980: 416) treffend, »Democrats defended presidential power. For the president, unlike the legislature, was not exposed to pressure from local communities or interest groups.«
2.2.3
Laissez faire! »Um sein Ziel zu erreichen, baut der eine [der Amerikaner; T.M.] auf den persönlichen Vorteil und lässt die Kraft und die Vernunft des einzelnen Menschen handeln, ohne sie zu lenken.« (Tocqueville 1835: 613)
Nicht wenigen gilt Alexis de Tocqueville als der scharfsinnigste Beobachter der USA in den 1830er Jahren. Von 1831 bis 1832 hatte er zusammen mit seinem
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Quellen noch in der Literatur zu den Jacksonians bin ich jedoch auf eine systematische Erörterung direktdemokratischer Instrumente durch Erstere gestoßen. Eine plausible Erklärung hierfür liefert Kyle G. Volk (2009). Bei ihm werden die Jacksonians, namentlich der im ersten Abschnitt zitierte John O.Sullivan, als Gegner direktdemokratischer kommunaler Entscheidungsfindung porträtiert, und zwar aufgrund der weiter oben skizzierten Position, der gemäß die eigentlich Gefahr hinter dem »government« lauere, sei dieses nun demokratisch oder nicht. »The dangers flowing from power in one man or many«, so Peterson (1962: 87), »had always been uppermost in Jefferson’s mind.« Wie mit Blick auf die First Annual Message deutlich wird, sendete der Präsident auch zur Zeit Jacksons Impulse in den Kongress; er war diesbezüglich jedoch weit weniger aktiv als es der US-Präsident im 20. Jahrhundert – und in Folge einer abermaligen Transformation des Amtes durch Wilson – sein sollte. Vgl. hierzu Valelly (2013: Kap. 2).
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Freund Gustave de Beaumont den Auftrag der französischen Juli-Monarchie erhalten, die Vereinigten Staaten zum Studium des dortigen Straf- und Gefängniswesens zu besuchen. Wenngleich beide 1833 ein Buch unter dem Titel Du Système pénitentiare aux Etats-Unis et de son application en France publizierten und somit ihrer Schuldigkeit nachkamen, war der eigentliche Ertrag der umfangreichen Reise Tocquevilles in zwei Bänden (1835 und 1840) veröffentlichtes Über die Demokratie in Amerika. Obwohl Tocquevilles Bericht sowohl von eigenen Überzeugungen, einer bestimmten Reiseroute als auch von spezifischen Gesprächspartnern gefärbt war (vgl. Vorländer 2007), gelten sie doch nach wie vor als gelungene Bestandsaufnahme der US-amerikanischen Demokratie und insbesondere des herrschenden Geistes beziehungsweise der politischen Kultur im Age of Jackson.118 Das nicht dirigierte private Interesse war es für Tocqueville also, das die US-Amerikaner ins Zentrum ihres Handelns stellten und, so muss man ergänzen, das demnach für die gesellschaftliche Integration konstitutiv war. Zum Teil ist uns jene Vorstellung von Jefferson bekannt, zum Teil scheint sie über diesen hinauszuweisen. Selbstredend ist das Zitat Tocquevilles aus seinem Kontext gerissen und es ist allgemein bekannt, dass der französische Adlige den in diesem Ausspruch durchscheinenden Individualismus durch zivilgesellschaftliche Organisationen, allen voran durch die religiösen Gemeinschaften (Tocqueville 1840: 185188), abgemildert sah. Mir scheint aber, dass das Prinzip der nicht dirigierten Verfolgung des privaten Interesses von den Jacksonians tatsächlich radikaler verstanden wurde als von Tocqueville und folgerichtig auch radikaler als von Jefferson. Letzterer hatte, wie im vorangegangenen Kapitel dargelegt, den menschlichen Gerechtigkeitssinn als eine Art natürliche Begrenzung gegen die zersetzenden Tendenzen einer rücksichtslosen Verfolgung privater Interessen gesetzt. Hierbei war es vor allem die Parzellierung der Republik, die den Gerechtigkeitssinn tatsächlich handlungsleitend werden lassen konnte. Für die Jacksonians war dieser Weg nicht ohne weiteres gangbar, war die Republik doch zugleich näher zusammengerückt und weiter geworden. Näher zusammengerückt war sie aufgrund der Transport- und Kommunikationsrevolutionen, die die nationale Integration über die Möglichkeit der schnelleren Überbrückung von Raum und Zeit überhaupt erst möglich gemacht hatte. Durch eben jene Transformationen war sie aber zugleich weiter geworden, da der Bezugsrahmen für individuelle Handlungen sich vergrößert hatte. Die Logik des Marktes ersetzte, wie oben dargelegt, in rasantem Tempo die ›Logik 118
So beispielsweise Meyers (1960) und Bellah et al. (1985).
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des Landes‹. Wie folgend zu zeigen sein wird, war den Jacksonians angesichts jener Veränderungen nicht einfach an einem Zurückdrehen des Rades der Zeit gelegen; vielmehr adaptierten sie zentrale Topoi des Gründerzeitdenkens für die neuen Rahmenbedingungen, wobei sie erstere im Zuge dessen (unmerklich) auch transformierten. Aus Gründen der Darstellung bietet es sich an, das laissez faire-Prinzip, das, so meine These, für das politökonomische Denken der Jacksonians im Ganzen charakteristisch war, zunächst am Beispiel eines seiner extremsten Vertreter einzuführen. Laut Marvin Meyers, Autor einer der bis heute einflussreichsten Monographien über das Glaubensgebäude der Jacksonians, »[t]here have been plenty of radical libertarians in the American past, but none […] surpasses William Leggett as an unconditional, almost obsessive advocate of laissez faire.« (Meyers 1960: 186) Ich werde folgend jedoch auch zeigen, dass einige der aus Meyers’ Sicht selbst innerhalb des Lagers Jacksons radikalen Positionen Leggetts so radikal nicht waren, sondern eher auf Linie mit den grundlegenden Prinzipien der Jacksonian Democracy lagen.119 Wenn Meyers etwa bemerkt, dass Leggett »even questioned state intervention against monopolisitic combinations« (ebd.; Hervorh., T.M.), dann muss dem entgegengehalten werden, dass dies mitnichten außerhalb des für Jacksonians Typischen lag, sondern vielmehr Teil ihrer zentralsten Überzeugungen war, da Monopole als verurteilenswertes Phänomen aus ihrer Sicht überhaupt erst durch »state intervention« zustandekamen. Mit Blick auf Leggett zuvorderst erwähnenswert ist die Tatsache, dass er die politische Ökonomie ebenso wie dies zu Zeiten Jeffersons der Fall war, als im wahrsten Sinne politische Ökonomie begriff, dass also die ökonomischen Strukturen direkt mit der politischen Herrschaftsform korrespondierten und
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Für andere Bereiche galt dies nicht, weshalb Leggett zurecht dem radikaleren Flügel der Partei, den so genannten Loco-Focos, zugerechnet wird. Hinsichtlich seiner Haltungen bezüglich der Rechte der Abolitionisten lag Leggett beispielsweise jenseits der Mainstream-Positionen der Demokratischen Partei. Vgl. hierzu White (1984: xivf.). Wilentz bezeichnet Leggett dementsprechend auch aufgrund seiner Position bezüglich der Sklaverei als radikale Kraft innerhalb der Demokratischen Partei. Mit Blick auf politökonomische Positionen gehörte er hingegen sehr bald zum Mainstream (vgl. Wilentz 2005a: 423f., 462-464). James Simeone meint sogar, dass Leggett »a clear political philosophy« entwickelt hätte, »that became the script for Martin van Buren and the Northern Democrats deployed in the 1836 campaign and after« (Simeone 2015: 360; vgl. Trimble 1921: 708). Zu Leggetts ›Exkommunikation‹ aufgrund seiner Positionen zur Sklaverei vgl. auch Hammond (1957: 362).
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dass Demokratie und Ökonomie folglich Hand in Hand gehen sollten. Laut Leggett hingen beide wie folgt zusammen: »They are both for the largest liberty, within the bounds of social order; both are equally opposed to all special privileges and immunities; and both would leave men to manage their own affairs, in their own way, so that they did not invade each others natural rights.« (LE: 37f.; vgl. ebd.: 31-35)120 In dieser Zusammenfassung sind die wesentlichen Komponenten enthalten, um die sich Leggetts politisches Denken drehen und die sich schlagwortartig unter »laissez faire liberalism, the natural rights philosophy of the Declaration of Independence, and strict construction of the Constitution« subsumieren lassen (Hofstadter 1943: 585). Mit Blick auf den im engeren Sinne ökonomischen Bereich begreift Leggett jedwede Staatsintervention als Verletzung der equal rights-Doktrin.121 In einem Lobgesang auf Andrew Jackson wird dieser als Verteidiger jener Doktrin gegen »a system calculated, if not intended, to sap the whole fabric of equal rights, because it consisted of little else than monopolies« beschrieben (LE: 234). Die Verletzung der equal rights-Doktrin ist für Leggett gleichbedeutend mit einer Einschränkung persönlicher Freiheit, die er als »nothing more than the total absence of all MONOPOLIES of all kinds, whether of rank, wealth, or privilege« definiert (Ebd.).122 Monopole waren für Leggett, ebenso wie dies für die Jeffersonians der Fall gewesen war, staatlich protegierte Unternehmen, deren Stellung sich somit einzig ihrer rechtlichen Sonderbehandlung verdankte und nicht dem Wirken der Angebot- und Nachfrage-Mechanismen des Marktes. Vor diesem Hintergrund war die »economic liberty«, wie Marvin Meyers (1960: 192) zusammenfasst, für Leggett in erster Linie ein »negative principle: an escape from the legal privileges and controls deriving from the state for the power and the 120 Robert McCloskey verortet jene Assoziierung demokratischer und ökonomischer Freiheit – meines Erachtens fälschlicherweise – erst ins Gilded Age (McCloskey 1951: 4). 121 Zur equal rights-Doktrin vgl. auch Whitman (1847: 131). Hier heißt es: »It [the Democratic principle; T.M.] would have no one’s rights infringed upon and that, after all, is pretty much the sum and substance of the prerogatives of government. How beautiful and harmonious a system! How it transcends all other codes, as the golden rule, in its brevity, transcends the ponderous tomes of philosophic lore! […] [T]his one single rule, rationally construed and applied, is enough to form the starting point of all that is necessary in government; to make no more laws than those useful for preventing a man or body of men from infringing on the rights of other men.« 122 Ähnlich auch Sedgwick, Jr. (1836: 222). Vgl. zu dieser Argumentation auch Huston (1994: 535f.), der sie im Zuge der Auseinandersetzung um die Zollpolitik in den 1820er Jahren jedoch nur den Südstaatlern zuspricht, was meines Erachtens nicht korrekt ist.
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profit of the few.« Hierbei, und dies ist im hiesigen Zusammenhang wesentlich, differenziert Leggett nicht nach den Empfängern staatlicher Zuwendungen. Zwar sei »the protection of person and property from domestic and foreign enemies« und somit die Verteidigung der »weak against the strong« die einzig legitime Aufgabe von Regierungen; dieser könne aber niemals durch eine Ungleichbehandlung dieser Gruppen nachgekommen werden! »Whenever a Government«, so Leggett, »assumes the power of discriminating between different classes of the community, it becomes, in effect, the arbiter of their prosperity, and exercises a power not contemplated by any intelligent people in delegating their sovereignty to their rulers.« (LE: 3f.)123 Jene Ablehnung jedweder Form staatlicher Diskriminierung speist sich aus der vermeintlich empirischen Beobachtung, der zufolge »this power has always been exercised under the influence and for the exclusive benefit of wealth. It was never wielded in behalf of the community.« (Ebd.: 6) Dass hier ein Sein-Sollen-Fehlschluss vorliegt, ist augenscheinlich, aber gleichwohl nicht verwunderlich, bewegte sich Leggett doch ebenso wie die Jacksonians noch innerhalb des republikanischen Diskurses der Gründerzeit, sodass »[i]n almost every instance of Leggett’s laissez-faire extremism there is an explicit primary concern with rights and power« (Meyers 1960: 186). Mit anderen Worten war die Annahme, der zufolge die »power« immer nur auf Kosten der Freiheit beziehungsweise der »rights« wirken könnte, nach wie vor handlungsleitend.124 Und in diesem Zusammenhang wurde auch den Bedürftigen von Leggett keine Sonderstellung zugeschrieben. Deren Unterstützung war nicht weniger mit dem Kampfbegriff ›Monopolbildung‹ zu begegnen als der staatlichen Protegierung bestimmter Wirtschaftszweige durch Schutzzölle. Auf diese Weise
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So auch Leggett (LE: 8): »For the attainment of these primary objects [the protection of person and property; T.M.] […] it can never be necessary to confer privileges on one class of a community which the others do not equally enjoy.« Vgl. auch ebd. (12). 124 Vgl. hierzu auch Vethake (1835: 211). John W. Vethake war zeitweise Herausgeber des Jackson gegenüber kritisch eingestellten Poughkeepsie Anti-Mason, später jedoch regelmäßiger Gastautor für Leggetts Evening Post und somit politökonomisch im Fahrwasser der Mainstream-Demokraten. Selbst wenn der Staat mit seinen Handlungen das Gute befördern würde, so Vethake, wäre dies aufgrund langfristiger Konsequenzen nicht wünschenswert. Dies deckt sich mit Leggetts Überlegungen, denen zufolge die Kompetenzübertragung auf öffentliche Stellen abzulehnen sei, unabhängig davon, ob diese sie »honestly or corruptly, for good or evil« nutzen würden (LE: 290; Ebd.: 23 und 338f.). Vgl. zur Wirkmächtigkeit jener Dichotomie zwischen ›power/patronage/government/aristocracy‹ und ›liberty/people/democracy‹ auch Wilentz (2005a: 302, 308).
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erklärt sich beispielsweise Leggetts Fundamentalopposition zur staatlichen Fürsorge für Geisteskranke und Arme: »Those who are sick and desolate«, so Leggett, »who have fallen from a high estate – fallen by their own folly, perhaps, and therefore experience the gnawings of remorse, or fallen in consequence of the ingratitude or treachery of others, may easily be supposed to experience keener anguish than the inmates of the same abode; since the worst pain man suffers has its seat in the mind, not in the body; and from that species of affliction the crazy are exempt. If this scheme of a grand state lunatic asylum should be carried into effect, we see no reason why next we should not have a grand state poor-house, for the reception of all paupers who had not lost their wits. Other large state charities would probably follow, and one abuse of government would step upon the heels of another. The system is all wrong from beginning to end. We are governed too much.« (LE: 292)125 Diese ausführlich zitierte Passage ist insofern erhellend, als sie als eine Art Ausdruck der ›reinen Lehre‹ gelesen werden kann. Leggetts Ablehnung der Bedürftigenfürsorge ist, so lässt sich seinen Worten entnehmen, weder abhängig von den Gründen des persönlichen Abstiegs beziehungsweise dessen etwaiger Selbstverschuldung – die Geisteskrankheit kann sowohl selbstverschuldet als auch durch die Heimtücke anderer zum Ausbruch kommen – noch von dessen Art – was für Geisteskranke gilt, deren Leiden vor allem psychischer Natur ist, gilt ebenso für Arme, deren Leiden vor allem die materiellen Verhältnisse betrifft. Einzig entscheidend ist die mit einer solchen Fürsorge verbundene Privilegienvergabe von öffentlicher Seite.126 Jene Verdammung von »artificial inequalities« deckte sich vollständig mit Jacksons im Bank Veto dargelegten Überzeugungen und somit dem personifizierten Zentrum der Demokratischen Partei.127 Es sind der Bank Veto Message
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Vgl. auch Sedgwick, Jr. (1836: 23). Vgl. hierzu auch Mintz (1949: 432). Vgl. auch Vethake (1835: 213): »although the ordinary difference between the rich and the poor, as between the athletic and the feeble, is clearly unavoidable and doubtless right, just, proper, and expedient, yet that such difference should be enhanced by legal enactments, that the rich or the strong should be artificially legislated into still greater riches or still greater strength, is not only unnecessary, but decidedly improper and even cruel.« Vgl. auch Gouge (1833: 91). William Gouge arbeitete unter Jackson ab 1834 im Finanzministerium und war später Herausgeber des Journal of Banking, eines proJackson Magazins. Er gilt als führender Finanztheoretiker der Jacksonians.
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identische Ideen, die Leggetts steuerpolitische Überlegungen anleiten. Ebenso wie die öffentliche Armenfürsorge ist ein System progressiver Besteuerung für Leggett ein Ausdruck staatlicher Diskriminierung. »While we should contend, with the utmost earnestness against the imposition of a tax, the effect of which would be to burden the poor man and let the rich go free; we should oppose as positively, if not as zealously, a contrary system, which tended to place the load, in any undue degree, upon the shoulders of the rich. We are for equal rights; for the rights of the affluent and the needy alike.« (LE: 39; Hervorh., T.M.)128 Es gibt für Leggetts Ablehnung intervenierender und diskriminierender Staatstätigkeit jedoch ein über dieses Schema hinausgehendes Argument, das an konservativ-kommunitaristische Wohlfahrtsstaatskritiken des 20. Jahrhunderts erinnert.129 Leggetts auf den ersten Blick überraschende These lautet: »This power of regulating […] in a great measure destroys the essential object of all civil compacts, which, as we said before, is to make the social counterpoise the selfish feeling.« (LE: 4) Heute wird dem aktiven Staat mitsamt seiner wohlfahrtsstaatlichen Komponente gemeinhin gerade die Aufgabe zugeschrieben, den Einzelnen vor den Härten des Lebens zu schützen, um so den sozialen Zusammenhalt zu gewährleisten, indem beispielsweise die materielle Spaltung nicht zu gesellschaftlicher Desintegration führt. Für Leggett ist es demgegenüber gerade der intervenierende Staat, der die Gesellschaft aufgrund der Förderung asozialer Verhaltensdispositionen zu zersetzen droht. Wie kommt er zu dieser Auffassung? Durch die willkürliche Zuweisung besonderer Zuwendung, so Leggett, entstünde auf 128
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Leggett, der in der Zwischenzeit seine eigene Zeitung, den The Plaindealer, gegründet hatte, richtete sich hiermit gegen die Forderung der Evening Post, der zufolge es die Aufgabe der Regierung sei, die steuerliche Belastung der Bevölkerung so weit als möglich zu reduzieren und in diesem Zusammenhang zwischen Gütern des alltäglichen Gebrauchs und solchen zu unterscheiden, die im Leben eines Großteils der Bürgerschaft ohnehin keine Rolle spielten. Die Möglichkeit einer solchen Unterscheidung im Sinne der Förderung des Gemeinwohls bezweifelt Leggett. Seines Erachtens lade diese lediglich zur Vergabe von Privilegien und somit zu einer Abkehr vom equal rights-Prinzip ein. Beispielhaft ist hier Christopher Lasch (1995: Kap. I) zu nennen. Interessanterweise lassen sich auch Wohlfahrtsstaatskritiken aus dem linken Lager, beispielsweise Habermas (1981: 534) oder Foucault (1988: 160f.), in dieser Weise auslegen. Beide Stränge der Kritik treffen sich in der Sorge vor einem paternalistischen Wohlfahrtsstaat, der die Bürger zu unmündigen Empfängern verliehener Sozialleistungen mache.
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Seiten der Bürgerschaft eine im schlechten Sinne nutzenmaximierende Einstellung, die auf die Verbesserung der eigenen Lebenssituation auf Kosten anderer partikularer Gruppen abziele (vgl. Hovenkamp 1991: 4). »Nothing can be more self-evident«, so Leggett, »than the demoralizing influence of special legislation. It degrades politics into a mere scramble for rewards obtained by a violation of the equal rights of the people; it perverts the holy sentiment of patriotism; induces a feverish avidity for sudden wealth; fosters a spirit of wild and dishonest speculation; withdraws industry from its accustomed channels of useful occupation; confounds the established distinctions between virtue and vice, honour and shame, respectability and degradation; pampers luxury; and leads to intemperance, dissipation, and profligacy, in a thousand forms« (LE: 58). Durch die zu Beginn des Jahrhunderts einsetzende Demokratisierung der USA seien die desintegrierenden Konsequenzen staatlicher Intervention noch einmal verheerender geworden. »In common times«, so Leggett, »the strife of parties is the mere struggle of ambitious leaders for power; now they are deadly contests of the whole mass of the people, whose pecuniary interests are implicated in the event, because the Government has usurped and exercised the power of legislating on their private affairs.« (LE: 4f.; Hervorh., T.M.; vgl. Meyers 1960: 198) Je mehr der Staat also interveniert und je zahlreicher die von diesem zu erhaltenden Wohltaten demnach sind, desto lohnender erscheint es, den Staat zur Beute für die eigene Gruppe zu machen und desto eher verhärten sich demgemäß die gesellschaftlichen Fronten.130 Der hierdurch entstehende Antagonismus
130 Vgl. hierzu auch Leggett (LE: 55-59). Jackson selbst argumentiert in seiner vierten Annual Message mit Blick auf die Frage einer Bundesbeteiligung an den Kosten des Aufund Ausbaus der Transportwege ähnlich. Die diesbezügliche Machtausübung der nationalen Regierung »promotes a mischievous and corrupting influence upon elections by holding out to the people the fallacious hope that the success of a certian candidate will make navigable their neighboring creek or river, bring commerce to their doors, and increase the value of their property. It thus favors combinations to squander the treasure of the country upon a multitude of local objects, as fatal to just legislation as to the purity of public men.« Fourth Annual Message vom 4. Dezember 1832, in: PP (www.presidency.ucsb.edu/ws/index.php?pid=29474). Vgl. hierzu auch Brief an Brigadier-General John Coffee vom 28. Dezember 1830, in: AJC, IV: 216.
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zersetze somit die Grundlage republikanischer Selbstregierung, ein Gedanke, der bereits in Jeffersons politökonomischen Überlegungen zu finden ist.131 Leggetts politökonomisches Denken ist demnach ein negatives Denken, ein Denken, das darauf fokussiert, was abwesend zu bleiben hat und es überrascht nicht, dass er Jackson nicht in erster Linie für dessen konstruktive Weiterentwicklung der US-amerikanischen Republik lobpreist, sondern für dessen Wiederherstellung einstmals gültiger Prinzipien und somit für den Versuch, in der Zwischenzeit entstandene Institutionen und Praktiken abzuschaffen. Namentlich erwähnt Leggett in diesem Zusammenhang die Senkung respektive Abschaffung von Importzöllen, die die einheimischen Manufakturen hatten schützen sollen, Jacksons Kampf gegen das schlimmste aller Monopole, die Bank of the United States, sowie schließlich die Beschränkung bundesstaatlicher Hilfen für den Ausbau des nationalen Transportwesens (LE: 232-242). Was Jackson mit dieser Reduzierung staatlicher Regulierungstätigkeit nach Leggett beförderte, war das »natural system« und hierdurch die Beförderung des gesellschaftlichen Fortschritts. »As society advances it throws off its cumbrous forms and ceremonies; it follows more and more the simple form of nature, which does nothing in vain, but carries on its stupendous operations by the directest processes, linking cause and effect, without superfluous complication, and adapting its means with the utmost excatness to the end.« (LE 179; vgl. Dorfman 1966b: 653) Leggetts Blick ist also gleichzeitig in die Vergangenheit und in die Zukunft gerichtet. In die Vergangenheit einer noch nicht regulierten Welt, die gleichwohl nicht vorgesellschaftlich sein soll. »Extreme simplicity«, so Leggett, »is usually considered as the condition of barbarism, before man has raised himself by science and art from the degradation of mere animal nature.« Dies sei jedoch eine Fehlannahme. Tatsächlich bedingt die Entfaltung der menschlichen Natur die gesellschaftliche Entwicklung und erst ihre artifizielle Einhegung durch illegitime Herrschaftsformen hält die Menschen auf einer im Prinzip unmenschlichen Entwicklungsstufe gefangen, auf der die primitivsten Empfindungen – das bereits zitierte »selfish feeling« – sich Bahn bricht, indem alle gegeneinander um die Gunst der Obrigkeit buhlen. Wie jedoch war die soziale Welt beschaffen, als jene idealen Bedingungen herrschten? Wie also stellte sich Leggett die kollektive Selbstregierung in Abwesenheit interve131
Vgl. hierzu auch Jacksons Farewell Adress vom 4. März 1837, in: PP (www.presidency.ucsb.edu/ws/index.php?pid=67087).
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nierender öffentlicher Stellen vor? Wie organisierte sich der Mensch natürlicherweise? Bis hierhin lässt sich festhalten, dass das normative Ideal Leggetts irgendwo zwischen dem vorsozialen Kampf aller gegen alle und der Zerstörung des eigentlichen Gesellschaftsvertrages132 durch ein zuviel an Regulierung zu liegen scheint. Wenngleich seine diesbezüglichen Ausführungen weit weniger umfangreich sind als diejenigen, die die fatalen Konsequenzen staatlicher (Über-)Regulierung nachzeichnen sollen, so deuten sie meines Erachtens in eine Richtung, die Jeffersons Überlegungen zunächst nicht unähnlich ist.133 So nimmt auch Leggett eine zwischenmenschliche Benevolenz als natürlich an. Wo soziale Interaktionen weder künstlich verkompliziert noch durch die Möglichkeit, Privilegien von dritter Seite auf Kosten des Gegenübers zu erlangen, verzerrt würden, da ließe sich »the free exercise of confidence between man and man« beobachten (LE: 180). Wo sich die Regierungstätigkeit auf die Sicherung der physischen Integrität der Bürger beschränkt, bewirken gleichsam natürliche Gesetze die harmonische Anordnung der zur Selbstregulierung angehaltenen Teile (vgl. Simeone 2015: 362). »The great maxim«, so Leggett, »which acknowledges human equality is, in the political world, what gravitation is in the physical – a regulating principle, which, left to itself, harmoniously arranges the various parts of the stupendous whole, equalizes their movements, and reduces all things to the most perfect organization.« (LE: 178) Was jedoch versteht Leggett konkret unter den ›Naturgesetzen‹ sozialer Interaktion? Ich hatte mit Blick auf Jefferson gezeigt, dass das gegenseitige Wohlwollen zwar als eine Art anthropologische Konstante begriffen werden muss, die Realisierung jenes Potentials jedoch von der Existenz bestimmter überindividueller Gegebenheiten abhängig war. Die Welt, in der Leggett schrieb, war, wie einleitend dargelegt, nicht mehr jene Jeffersons. Was dient ihm vor diesem Hintergrund als Substitut für Jeffersons agrarische Kleinstrepubliken? Leggett bleibt eine systematische Antwort auf jene Frage schuldig, was auf die angesprochene Zerrissenheit zwischen Vergangenheit und Zukunft und die hieraus resultierende fehlende Passgenauigkeit zwischen eigentlich
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Leggett spricht von »civil compacts«, also solchen Verträgen, die die späteren Gesellschaftsmitglieder untereinander abschließen (LE: 4). Leggett schätzte Jefferson zweifellos nicht weniger als Jackson. Er war für ihn ein »illustrous champion of democracy« (LE: 18) gegenüber Hamilton und Chief Justice Marshall, die aus seiner Sicht dem aristokratischen Prinzip anhingen (ebd.: 28-31).
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wünschenswerten Konzepten und zu beobachtender Wirklichkeit zurückzuführen sein mag.134 Gleichwohl finden sich bei Leggett vereinzelte Aussagen zur gesellschaftlichen Integration, die der sozialen Wirklichkeit mehr Tribut zu zollen scheinen, als der im Verschwinden begriffenen Republik Jeffersons. Dass Leggett sich von der Vorstellungswelt Jeffersons ein gutes Stück entfernt hatte, wird beispielhaft mit Blick auf dessen Haltung zum Bankenwesen deutlich. Hatte Jefferson dieses und dessen Papiergeld in Bausch und Bogen verdammt, so bemerkt Leggett, dass er »no enemy to banking« sei,135 da das Bankensystem einen elementaren Bestandteil des Handelssystems darstelle, das er als »efficient instrument of civilization and promoter of all that improves and elevates mankind« begreift (LE: 124). Auch Jefferson hatte sich, wie oben dargelegt, nicht gegen den Handel als solchen ausgesprochen, wollte diesen jedoch durch strukturelle Entscheidungen – die USA sollten agrarisch geprägt und in kleinen Räumen organisiert bleiben – und der damit geförderten individuellen Tugend in Form gegenseitiger Benevolenz eingehegt wissen. Bei Leggett deutet sich nun ein Wegbrechen eben dieser Schranken an, das mit Blick auf andere Autoren aus dem Kreis der Jacksonians noch deutlicher zutagetritt. Von zentraler Bedeutung für Leggett ist gemäß seines negativen laissez faire-Prinzips die nicht regulierte soziale Interaktion. Der Kitt, der aus jener das »greatest good of the greatest number« (LE: 142) soll erwachsen lassen, ist der Wettbewerb.136 »[T]he happiness of communities […] arise[s] from the
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So argumentiert Meyers (1960: 202-205). Auch Jackson vertrat öffentlich jene Position. So heißt es zu Beginn des Bank Vetos, dass »[a] bank of the United States is in many respects convenient for the Government and useful to the people« (Veto Message Regarding the Bank of the United States vom 10. Juli 1832, in: AP, http://avalon.law.yale.edu/19th_century/ajveto01.asp). An anderer Stelle bemerkte Jackson gegenüber dem späteren Vorstand der Bank of the United States, Nicholas Biddle, jedoch auch: »I do not dislike your Bank any more than all banks. […] [E]ver since I read the history of the South Sea bubble I have been afraid of banks« (zit.n. Hofstadter 1989: 78; vgl. Meacham 2008: 116). Die folgenden Ausführungen grenzen sich von Schlesinger, Jr.s Interpretation ab, derzufolge die Jacksonians auf die auch von mir festgehaltene Depersonalisierung ökonomischer Interaktion mit dem Ruf nach staatlicher Intervention zu reagieren versuchten (Schlesinger, Jr. 1945: 336). Anders als Schlesinger, Jr. gehe ich, wie folgend darzulegen ist, davon aus, dass nicht ausgedehnte Staatstätigkeit die Gesellschaft zusammenhalten sollte, sondern der uneingeschränkte Wettbewerb, der an die Einzelnen deutlich geringere Anforderungen stellte als dies für Jeffersons normative Vision der Fall gewesen war.
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fact, that government [does not] extend itself to embrace a thousand objects which should be left to the regulation of social morals, and unrestrained competition, one man with another, without political assistance or check« (LE: 57). Leggetts Lobpreisungen des Wettbewerbs beziehen sich freilich lediglich auf die wirtschaftliche Sphäre und viele der diesbezüglichen Einlassungen entstanden im Zuge der Auseinandersetzung um eine etwaige Verlängerung des Chartervertrages mit der Bank of the United States.137 Allerdings ist die equal rights-Doktrin für den öffentlichen Raum als Ganzen ordnungsstiftend.138 Jedwedes Resultat, dass sich aus nicht durch die öffentliche Hand verzerrten Interaktionen ergibt, ist für Leggett begrüßenswert. Er erkennt die unterschiedlichen Fähigkeiten der Gesellschaftsmitglieder ebenso an, wie Jefferson dies getan hatte; er bezieht diese jedoch nicht mehr auf das Kollektiv, sondern auf den Einzelnen. Jeder ist seines Glückes Schmied solange er dieses nicht aufgrund der Privilegierung seitens übergeordneter Stellen erlangt. Das Streben nach dem eigenen Glück ist keineswegs selbstsüchtig. Selbstsucht, das »selfish feeling«, wird erst durch die Möglichkeit befördert, das eigene Vorankommen mithilfe der öffentlichen Hand und somit auf Kosten der Allgemeinheit zu befördern, da der Allgemeinheit jene Sonderbehandlung eben nicht zuteilwird. Im sozialen Austausch auf den eigenen Vorteil bedacht zu sein, ist für Leggett keineswegs Stein des Anstoßes, weshalb es nicht verwundert, dass die soziale Schichtung für ihn prinzipiell unproblematisch ist.139
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Um nur einige zu nennen Leggett (LE 126-132, 132-135, 137f.). Jene Überlegung leitet meines Erachtens auch die von den Jacksonians propagierten »General Incorporation Laws«, die die bis dahin gängige Praxis der legislativen Vergabe individueller Chartas, die zu Unternehmensgründungen notwendig waren, ersetzen sollten (vgl. Sedgwick, Jr. 1836: 222f.; Neem 2008: Kap. 7). Die Politik sollte nicht länger entscheiden können, wer für welchen Zweck ein Unternehmen gründen konnte; vielmehr galt es allgemeingültige Voraussetzungen für Unternehmensgründungen zu schaffen, die die Wirtschaft und das freie Spiel der Kräfte von verzerrender staatlicher Intervention freihalten sollten, denn es waren bis hierhin die Charta-Verträge, die es dem Staat ermöglichten regulierend in die Wirtschaft einzugreifen – beispielsweise über Preisregulierungen. Vgl. hierzu Hovenkamp (1991: 125-131). Simeones Interpretation (2015: 370), der zufolge Leggett »the rich« als Opposition zum Anliegen der »Democracy« angesehen hätte, ist folgerichtig nicht zuzustimmen. Es ging nicht um »the rich« und »the poor«, sondern um solche Wohlhabenden, deren Reichtum sich auf dem Genuss von durch die Regierung vergebenen Privilegien gründete. Diese Argumentation findet sich auch bei Camp (1841: 220-239) und Sedgwick, Jr. (1836: 224f.). Vgl. zu jener im politischen Denken der Jacksonians wichtigen Unterscheidung Meyers (1960: 23).
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An der Existenz von Reichen und Armen stört sich Leggett nicht. »We neither wish to pull down the rich, nor to bolster them up by partial laws […]. We have repeated, again and again, that all we desire is, that the property of the rich may be placed on the same footing with the labours of the poor.« (LE: 283)140 Hofstadter bemerkt angesichts dessen treffend, dass »Leggett’s opposition to the banking system was not the malcontent’s hostility to all wealth, but the democrat’s natural opposition to privileged monopolies instituted by law.« (Hofstadter 1943: 589)141 »Selfish« ist die Handlung eines Einzelnen nur vermittels der Anrufung öffentlicher Institutionen und ungerecht sind die Aggregate individueller Aktivitäten nicht mit Blick auf deren Ergebnis, sondern lediglich mit Blick auf deren Zustandekommen.142 Der ungezügelte Wettbewerb zwischen den Gesellschaftsmitgliedern wird von den Jacksonians nicht mehr einzuhegen versucht. Bei Leggett findet sich zwar noch der nicht weiter unterfütterte Verweis auf die »free exercise of confidence between man and man« beziehungsweise die Rede von nicht näher definierten »social morals«, zieht man andere Stichwortgeber in die Betrachtung mit ein, wird jedoch noch deutlicher, dass die Forderung nach Perspektivübernahme und Tugendhaftigkeit, die für Jefferson eine derart große Rolle gespielt hatte, mehr und mehr fallengelassen wird. Zugespitzt formuliert: »virtue became the ›virtues of merchants.‹« (Young 1996: 95; vgl. Hammond 1957: 326, 347; Zakim 2013: 173)143
140 So auch Gouge (1833: 91): »The claims of the honest capitalist and of the honest laborer are equally sacred and rest, in fact, on the same foundation.« »Honest«, so die Democratic Review war in diesem Zusammenhang lediglich derjenige Kapitalist zu nennen, dessen Kapital das Resultat manueller Arbeit war, nicht etwa dasjenige hochspekulativer Kreditaufnahmen (The United States Magazine and Democratic Review 5 (1839), S. 151). 141 Diesbezüglich bemerkt auch Sedgwick, Jr. (1836: 19f.): »One of the greatest distinctions among men is between those who are just, patient, industrious, and economical in their acquistion of property, and those who are not.« 142 Vgl. hierzu Meyers (1960: 166). 143 Jeffersons Tugendbegriff geht, wie oben dargelegt, nicht in der »virtue of merchants« auf. Dies scheint mir James L. Huston zu verkennen, wenn er bereits den Jeffersonians eine Fokussierung auf den »economic self-interest« attestiert und den Federalists einen »collective sense of economic duty« unterstellt (1998: 222). Angesichts dieser Fehlattribuierung kann auch Hustons These, der zufolge sich die politökonomischen Überlegungen im Übergang von den Jeffersonian Republicans zu den Jacksonian Democrats nicht gewandelt hätten, nicht aufrechterhalten werden. Vgl. hierzu auch McCloskey (1951: 4), der, meines Erachtens zurecht, darauf hinweist, dass »the Jeffersonian theory
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Welch veränderte Rolle dem individuellen Ehrgeiz im Denken der Jacksonians zukam, verdeutlicht beispielhaft folgende Passage aus The United States Magazine and Democratic Review: »A curiosity which is never satisfied, an instinct ever effective, appetites more importunate than death, impulses like steeds restlessly panting and champing for the race, are ever urging the human being to additional, accumulated effort. Under this influence, no benefit will be allowed to elude his grasp; every prospect of personal advantage will be readily embraced; every hope of gain will be realized; he will traverse distant seas, explore the wildest woods, face every difficulty, and only cease to act when he has ceased to live. We may rest assured that labor will be put forth whenever it will meet with success, and capital will be applied where it shall command the best return. The agency of government is obviously not required here. The movings of self-interest are too powerful to need extranous aid.«144 In die gleiche Richtung weist der oben bereits zitierte George Sidney Camp in seiner Auseinandersetzung mit Tocquevilles Über die Demokratie in Amerika im Besonderen und den Bedingungen republikanischer Regierungsformen im Allgemeinen. »The general opinion that republican government requires for its basis an unusual amount of virtue«, so Camp, »is one that adds but little to the energy of benevolent efforts for the promotion of the good morals […], while it has a strong negative influence in deterring enlightened minds from favouring liberal efforts, and nations from making the experiment of freedom.« (Camp 1841: 94) Tatsächlich sei die einzige Tugend, derer eine republikanische Regierungsform bedürfe, diejenige, die daraus folge, dass es sich beim Menschen um ein moralisches Wesen handele (»our having a moral nature«). Ein moralisches Wesen ist der Mensch für Camp jedoch in einem weit weniger anspruchsvollen Sinne als dies für Jefferson dargelegt worden war. Die aus der moralischen Natur des Menschen sich ergebende Tugend sei von einem »degree so low, that no state nor nation can, under any cir-
of democracy was rooted in spiritual and humane, rather than material and economic, values.« 144 The United States Magazine and Democratic Review 7 (1840), S. 226; Hervorh., T.M. Vgl. hierzu auch John Ashworth (1995: 310f.), der festhält, dass »[a]gain and again Democratic theory emphasized the importance of self-interest. ›The love of wealth,‹ it was asserted, was ›a universal propensity of mankind;‹ ›the love of money‹ was ›one of the strongest passions of the human heart.‹«
2. Das politische Denken der Jacksonian Democrats
cumstances be supposed to be destitute of it.«145 Weder Sünder noch Heilige seien Menschen nichts weiter als »mingled masses of good and evil.« (Ebd.) Die Fähigkeit zur selbstlosen Beurteilung sie betreffender Sachlagen sei für eine republikanische Regierungsform mitnichten notwendig. Stattdessen fungiere das allgemeine Recht als Ausfallbürgschaft für strategische Interaktionen zwischen Bürgern. Hierbei verbürge gerade das Streben nach dem individuell besten Ergebnis die Gerechtigkeit der Spielregeln. So würde bei der Suche nach allgemein gültigen Prinzipien des sozialen Miteinanders die Gleichbehandlung als Metaprinzip wirken, das nur solche Prinzipien verallgemeinerungsfähig erscheinen lasse, die für alle gleichermaßen gelten: »The citizens of republics, in their legislative capacity, not being able to separate their private interest, under the generalities of law, from the public weal, the same rule which governs the case of their neighbour prevailing likewise in their own, interest and duty concur in practically introducing the great rule of Christian morality into republican legislation.« (Ebd.: 99; Hervorh., T.M.) Alles in allem, so Camp, »[a republic; T.M.] expects no more than other governments of its citizens.« (Ebd.: 100) Sie gründe nicht »upon the state of public morals, but upon the union of the virtuous impulses of moral nature, with the strong motives of a personal interest.« (Ebd.: 103) Sicher, die Tugend verschwindet auch bei Camp nicht vollständig; dass sie die Achillesferse der Republik war, wie dies für Jefferson gegolten hatte, lässt sich jedoch schlechterdings nicht mehr sagen.146 Wie sehr dessen hehre Ideale vom demokratischen Realismus der Jacksonians abgelöst wurden, verdeutlicht auch folgende Ausführung: »This may be a hard saying but we only have to turn our eyes inward and examine ourselves, in order to admit, to the full extent, the truth of the proposition that man, by nature, is selfish and aristocratic. Self-love is constitutional with man, and is displayed in every stage and in all the diversities of life; in youth and in manhood, in prosperity and in adversity. […] This prevailing disposition of the human heart, so far from being an evil in itself, is
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Wie dessen Auslassungen über die Freiheitskämpfe in Südamerika zeigen, die ich im vorangegangenen Kapitel dargelegt hatte, kann dies für Jefferson mitnichten gesagt werden. 146 Vgl. hierzu auch Peterson (1962: 80), Ward (1970: 53) und Ashworth (1980: 411).
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one of the elements of life and essential to the welfare of society. The selfish generate the social feelings.« (Moore 1833: 289)147 Die Interpretation jenes Ausspruchs ist angesichts der verwendeten Begrifflichkeiten, die sich teilweise auch bei Leggett finden, hier allerdings in anderer Bedeutung, diffizil. Wenn Moore davon spricht, dass der Mensch als solcher »aristocratic« sei, dann ist hiermit keineswegs eine Entsprechung der menschlichen Natur und der aristokratischen Herrschaftsform gemeint, von der weiter oben die Rede war. Auch ist die Rede vom »selfish feeling«, das die »social feelings« überhaupt erst hervorbringe, vor dem Hintergrund von Leggetts Ausführungen zu jenem Themenkomplex erklärungsbedürftig. Mit der Feststellung eines natürlichen aristokratischen Verhaltens des Menschen ist nichts anderes gemeint, als dessen immerwährendes Streben danach, stärker zu sein als das Gegenüber und zwar notfalls über die Beschneidung der Rechte des Anderen. Und aufgrund dieser konstitutiven Unsicherheit des Einzelnen, die aus den »selfish« respektive »aristocratic feelings« erwächst, geht er soziale Verbindungen ein. »In order to mitigate the evils that ever flow from inordinate desire and unrestricted selfishness, to restrain and chastise unlawful ambition, to protect the weak against the strong, and to establish an equilibrium of power among nations and individuals, conventional compacts were formed.« (Ebd.: 289f.) Es ist offensichtlich, dass jener Ausgangspunkt sich wesentlich von Jeffersons anthropologischen Überlegungen unterscheidet.148 Man ist geneigt, Jefferson mit Rousseau und Moore mit Locke in Verbindung zu bringen, war Jefferson doch, wie oben dargelegt, geneigt, die noch nicht vergesellschaftete Gemeinschaft als eigentliches Ideal zu setzen, was Moores Überlegungen diametral entgegensteht. Gleichwohl beschreibt auch Letzterer den Zustand des Menschen vor Abschluss der »conventional compacts« nicht als einen Kampf aller gegen alle auf Leben und Tod, sondern eher als Zustand der dauerhaften Unsicherheit, dem durch Vergesellschaftung zu begegnen sei – also eher in Locke’schen denn in Hobbes’schen Termini.149 147
Ely Moore wurde 1833 zum Vorsitzenden der General Trades’ Union gewählt und zog 1834 und 1836 für die Demokratische Partei in den Kongress ein. 148 Bray Hammonds Vermutung, der zufolge es sich beim Prinzip des laissez faire um ein idealistisches Konzept gehandelt habe, da es auf der Annahme fußte, der Mensch sei von Natur aus gut (Hammond 1957: 365), kann vor diesem Hintergrund nicht zugestimmt werden. Für Jefferson trifft jene These sicherlich zu, für die Jacksonians jedoch nicht mehr. 149 Hiermit befinden sich Moores Überlegungen in unmittelbarer Nähe zu denjenigen Leggetts, die, wie oben dargelegt, auf ein Ideal zwischen einem rücksichtslosen Kampf
2. Das politische Denken der Jacksonian Democrats
Was aber sind die normativen Implikationen eines so konzipierten QuasiNaturzustandes? Moore war nicht an einer grundlegenden Transformation des von ihm ausgemachten menschlichen Wesens gelegen. Der auf das eigene Vorankommen bedachte Mensch wird auch nach dem Abschluss des »conventional compact« nicht zum selbstlosen Samariter150 – auch wenn diese Erkenntnis ein »hard saying« ist.151 Moore geht es hinsichtlich der produzierenden Klassen lediglich darum, dass diese sich in einer Art verbünden, die die »selfish feelings« in angemessene Bahnen lenkt: »Wherever man exists, under whatever form of government, or whatever be the structure of organization of society, this principle of his nature, selfishness, will appear, operating either for evil or for good. To curb it sufficiently by legislative enactments is impossible. Much can be done, however, to-
aller gegen alle auf Leben und Tod und der Zersetzung des »civil compacts« durch die Anrufung dritter Parteien hinausliefen. 150 Vgl. auch The United States Magazine and Democratic Review 5 (1839), S. 234. Hier heißt es, dass »the same principles of self-interest […] universally govern human action«. 151 Es gab jene radikaleren Positionen innerhalb der Jacksonians, sie gehen allerdings weit über den Mainstream und somit das Charakteristische der Bewegung hinaus. Zu nennen ist hier vor allem Orestes Augustus Brownson. Dieser hatte mit seinem Essay »The Laboring Classes« (1840) ein radikal sozialkritisches Pamphlet vorgelegt, in dem er eine Krise des Wirtschaftssystems prognostiziert, dessen Mechanismen die Arbeiter de facto unfreier machten als die Sklaven in den Südstaaten(!), und das unter anderem aufgrund dessen nicht dauerhaft Bestand haben würde. Bemerkenswerterweise ging Brownson jedoch davon aus, dass die gerechte Gesellschaft nur als Folge eines finalen Krieges Wirklichkeit werden würde. Die Transformation der individuellen Verhaltensweisen erforderte demnach einen radikalen Neubeginn – eine Position, die ohne Frage jenseits der weiter verbreiteten Überzeugungen in den Reihen der Jacksonians lag. Vgl. hierzu auch Wilentz (2005a: 500f.), Huston (1998: 284-287), Young (1996: 93f.), Ashworth (1995: 308) und Schneider (1957: 78f.). Huston zählt Brownson durchaus zum Mainstream der Demokratischen Partei, fokussiert jedoch auf andere Aspekte, namentlich Brownsons regierungskritischen Argumente, die in Richtung der typischen laissez faire-Position weisen. Diese finden sich bei Brownson ohne Zweifel (1840: 317), hinsichtlich seines Eintretens für ein anspruchsvolles Konzept christlich inspirierter Nächstenliebe (ebd.: 315) weicht er jedoch ebenso zweifellos vom Mainstream der Demokratischen Partei ab. Von Dorfman (1966b: 661) wird er auch aufgrund dessen als »Christian Socialist« etikettiert.
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wards restraining it within proper limits by unity of purpose and concert of action on the part of the producing classes.« (Ebd.: 290)152 Diese Überlegung ist in zweifacher Hinsicht aufschlussreich. Zum einen verneint Moore ganz im Sinne der bereits erörterten Denker der Jacksonian Democracy eine positive Rolle des Staates, indem er eine gemeinwohldienliche Kanalisierung der »selfishness« über legislative Akte als »impossible« bezeichnet. Zum anderen ergibt sich hieraus die entscheidende Rolle der produzierenden Klasse, als deren Sprachrohr die Jacksonians von progressiven Historikern seit Schlesinger, Jr. immer wieder bezeichnet wurden. Diese fungiert in Moores Schema als Antipode zu »aristocracy«, »monopoly« und der mit diesen einhergehenden »oppression« (ebd.: 293), und zwar durch ihr Insistieren auf dem equal rights-Prinzip, das hinlänglich von Leggett dargelegt worden ist. Jenes Prinzip wird von Moore nicht in dieser Form genannt, ergibt sich aber ex negativo aus seinen Darlegungen der Rolle des Staates und den Zielen der produzierenden Klassen. Ersterem kann nicht nur keine positive Rolle für die Beförderung des Gemeinwohls zukommen, Moore hält darüber hinaus fest, dass »[i]t has been averred, with great truth, that all governments become cruel and aristocratic« (ebd.: 291). Und das Ziel Letzterer besteht, wie gezeigt, nicht in einer Transformation der »selfish feelings«, sondern lediglich in deren angemessener Rahmung, was nichts anderes bedeutet als dem Produzenten den »full benefit of his productions« zu ermöglichen und auf diese Weise »diffuse the streams of wealth more generally and, consequently, more equally throughout all the ramifications of society.« (Ebd.)153 Dem Produzen-
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Hiermit wiederum bewegt sich Moore eindeutig in Richtung einer partiellen Aufwertung parteiähnlicher Zusammenschlüsse, die auch für Martin Van Buren kennzeichnend war. Ganz ähnlich argumentiert auch Leggett (LE: 383), wenn er »combination« als »one of the great means« bezeichnet, »by which the highest interests of society are promoted.« Dass jene angemessene Rahmung des Eigennutzes für die Jacksonians auch hinreichendes moralisches Fundament des sozialen Zusammenlebens ist, verdeutlicht eine Auseinandersetzung mit Tocquevilles Amerika-Buch in der Democratic Review. Tocqueville (1840: 37) hatte bekanntlich die Religion als notwendige Ergänzung zu den demokratischen Instinkten des neuen Zeitalters begriffen und bezweifelt, »dass der Mensch jemals eine völlige religiöse Unabhängigkeit und eine vollkommene politische Freiheit ertragen kann«, dass er tatsächlich, um frei zu sein, »gläubig sein muss.« Die Democratic Review meint demgegenüber, dass »its [religion’s; T.M.] influence is […] subsidiary to that of the enterprise and industry which form […] the actual basis of good moral habits.« The United States Democratic Review 1 (1837/1838), S. 150.
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ten die Früchte der eigenen Hände Arbeit zukommen zu lassen, impliziert in diesem Zusammenhang die Verhinderung solcher Gesetze, die den nicht produzierenden Klassen eine Profitgenerierung überhaupt erst ermöglichten, namentlich über die von Regierungsseite geschaffenen Monopole (vgl. Simeone 2015: 377). Und weil das Gleichheitssprinzip für alle legislativen Akte zu gelten hat, kommt dem Staat nolens volens eine passive Rolle zu. Moores Überlegungen weisen somit wieder auf Leggett und das laissez faire-Prinzip zurück. Waren im vorangegangenen Abschnitt zur unter Jackson vollzogenen Aufwertung der Exekutive einige Argumente gegen das bestehende Finanzsystem zur Sprache gekommen, so lohnt sich vor dem Hintergrund des nun rekonstruierten laissez faire-Prinzips der Blick auf die positive finanz- und geldpolitische Vision der Jacksonians sowohl zur Profilschärfung als auch in Abgrenzung zum im dritten Kapitel darzulegenden politischen Denken der Populisten.
2.2.4
Der Bank War und die Folgen
Der Kurs, den die Demokraten nach dem Ende des Bank War nahmen, lässt sich auf den ersten Blick nicht anders als verschlungen bezeichnen. Gemäß seines viel zitierten, gegenüber Martin Van Buren vorgebrachten Vorhabens, die BUS zu ›töten‹ (»The Bank, Sir, is trying to kill me. But I will kill it!«), war Jackson mit der Aufrechterhaltung seines Vetos noch nicht zufrieden. Zwar hatte er auf diese Weise verhindern können, dass die BUS in ihrer damaligen Form über 1836 hinaus würde Bestand haben können; bis 1836 war jedoch aus Jacksons Perspektive noch so viel Unheil zu erwarten, dass ihm daran gelegen war, die BUS wenn schon nicht de iure, dann zumindest de facto bereits unmittelbar nach seinem letztlich erfolgreichen Veto zu zerschlagen (vgl. Hammond 1957: 412). Ich möchte im Folgenden die These vertreten, dass sich die nach 1832 getroffenen Maßnahmen gegen die BUS bei aller oberflächlichen Inkongruenz zumindest in Richtung der equal rights-Doktrin und des korrespondierenden laissez faire-Prinzips bewegen. Die Kehrseite dieser Interpretation ist freilich eine Fokusverschiebung weg von einer vermeintlichen Anti-Banking-Mentalität und hin zu einem, meines Erachtens differenzierteren, Naturalisierungs-Standpunkt als konstitutiv für das (finanz-)politische Denken der Jacksonians (vgl. Degler 1956; Hughes 1994). Ich war im Zuge der Ausführungen zur unter Jackson erfolgten Aufwertung der Exekutive bereits kurz auf die von ihm vertretene Auffassung einge-
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gangen, der zufolge die Kabinettsmitglieder an die Weisungen des Präsidenten gebunden seien.154 Der konkrete Anlass war der von Jackson ersonnene Abzug der Bundeseinnahmen aus den Hallen der BUS. Das Wirken der BUS als Verwahrstelle der Regierungseinnahmen verschaffte dieser aus Sicht der Jacksonians zum einen einen ungebührlichen Vorteil gegenüber all jenen Privatbanken, die ihr Kapital anderweitig auftreiben mussten und widersprach somit direkt der equal rights-Doktrin (vgl. Gouge 1833: 136);155 auf der anderen Seite bot jene Praxis nun aber die Möglichkeit, die BUS ihrer Pfründe zu berauben, indem eben diese Mittel abgezogen wurden. Unmittelbar problematisch für dieses Vorhaben war der Umstand, dass lediglich der Finanzminister, in dessen Zuständigkeit die BUS fiel, darüber befinden konnte, ob die Mittel aufgrund etwaiger Misswirtschaft bei der BUS nicht mehr sicher waren und aufgrund dessen abgezogen werden mussten. Dies war jedoch weder faktisch noch aus Sicht Finanzminister William Duanes der Fall, der sich dementsprechend weigerte, Jacksons Plan umzusetzen. In Reaktion auf jene vermeintliche Loyalitätsverweigerung beschloss Jackson, Duane zu entlassen und durch den diesbezüglich hörigen Robert Taney zu ersetzen, der Jacksons Anweisung dann auch tatsächlich Folge leistete und die Bundesmittel – unter fadenscheinigen Begründungen (vgl. Hammond 1957: 423f.) – aus den Tresoren der BUS abzog (Trask 2002: 3). Statt die ›Monster‹-Bank weiter zu füttern, sollten die Regierungseinnahmen fortan auf ausgewählte Privatbanken verteilt werden, die von den Einzelstaaten ins Leben gerufen worden waren (»state chartered banks«).156 Es ist in der Forschung umstritten, inwieweit jener Zug der JacksonAdministration den Kreditmarkt überhitzte, indem er den Bankensektor von 154 155
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Vgl. zum folgenden Abschnitt Howe (2007: 386-390). In diesem Punkt herrschte Einigkeit innerhalb der Demokratischen Partei, ungeachtet der sich später ausbildenden finanzpolitischen Faktionen. »Among the many critiques of banks was that they were legislative grants of monopolistic privilege, which was inherently antirepublican. […] This argument united hard-money haters of all banks and soft-money state-bank supporters.« (Murphy 2017: 110f.; vgl. Howe 2007: 382) Ende der 1830er Jahre setzte sich die Hartwährungsposition innerhalb der Demokratischen Partei durch und auch Jackson muss zu ihren Verfechtern gezählt werden, weshalb im Folgenden jene Position im Zentrum der Betrachtung steht (Murphy 2017: 114). Verfassungsrechtlich wähnten sich die Jacksonians mit diesem Vorschlag auf sichererem Boden, denn dass die Einzelstaaten das Recht hatten, Banken via Charterverträgen ins Leben zu rufen, war unstrittig. Von Jacksons Gegnern wurden jene ausgewählten Banken despektierlich als »pet banks« bezeichnet, da sie, so die Opposition, de facto im Sinne der Demokraten würden handeln müssen.
2. Das politische Denken der Jacksonian Democrats
jedweder Regulierung durch übergeordnete Instanzen befreite, und auf diese Weise wesentlich zur Panik von 1837 beitrug (vgl. Hummel 1978; Rousseau 2002; Larson 2010: 96). Für meine Überlegungen zentral ist ungeachtet der Beantwortung dieser Frage157 die Richtung, in die jene Maßnahme hinsichtlich der Finanz- und Geldpolitik weist; denn grundsätzlich scheint es mir wenig plausibel, die Verteilung der Bundesmittel auf mehrere Privatbanken im Rahmen einer vermeintlichen Ablehnung des Bankenwesen grosso modo zu deuten. Vielmehr deutet die Verteilung der Bundesmittel auf eine Politik hin, die auf dem Prinzip einer radikalen Depolitisierung der Geldmengenregulierung fußt und die letztlich unter Martin Van Buren in Form des Independent Treasury System auch institutionalisiert wurde.158 Bezüglich jener sich letztlich durchsetzenden Vision war der entscheidende Impulsgeber ohne Zweifel William M. Gouge, ein Autodidakt, der mit A Short History of Money and Banking (1833) eine in den Reihen der Demokratischen Partei breit zirkulierende Studie zum Geldsystem der USA vorgelegt hatte (vgl. Rader 1963; Degler 1956: 330). Gouge formulierte mit A Short History die Blaupause für das 1846 ins Leben gerufene Independent Treasury System (vgl. Wilentz 2005a: 458). Sein Hauptanliegen war hierbei die Trennung von Bankenwesen und Geldsystem einerseits und dem Staat andererseits.159 »If controlled by the government, money power and political power will be in the same hands – a union which will be fatal to republicanism.« (Zit.n. Rader 1963:
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Ich denke die vor allem auf Bray Hammonds Banks and Politics in America (1957; vgl. ders. 1953) fußende These, demzufolge die Zerschlagung der BUS die Panik von 1837ff. verursacht hat, berücksichtigt die Hartwährungsposition, die sich in der Demokratischen Partei durchsetzen sollte, zu wenig. Dem im Folgenden zu explizierenden Plan gemäß war die Zerschlagung der BUS ja nur der erste Schritt, der von einer Umstellung der Geldform gefolgt werden sollte. Letztere war eine eindeutig deflationäre Maßnahme, was nicht mit Hammonds Narrativ einer Überhitzung des Kreditmarktes in Einklang zu bringen ist. Thomas Hart Benton, US-Senator und einer der vehementesten Fürsprecher eines Hartgeldkurses bemerkt dementsprechend: »Though strong in the confidence of the people, the President was not deemed strong enough to encounter all banks of all the States at once. Temporizing was indispensable – and even the conciliation of a part of them. Hence the deposit system – or some years’ use of local banks as fiscal agents of the government.« (Zit.n. Trask 2002: 3; vgl. Scheiber 1963: 196). Bezüglich einer solchen Kontinuitätsthese skeptisch zeigt sich Trask (2002: 3f.). Dies war ganz im Sinne Jacksons. Vgl. u.a. Brief an Martin Van Buren vom 6. Juni 1837, in: AJC, V: 488, Brief an Francis P. Blair vom 9. Juli 1837, in: AJC, V: 495 und Brief an Maunsel White vom 12. Juli 1837, in: AJC, V: 498.
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452) Gleichzeitig sollte privaten Akteuren die Möglichkeit genommen werden, über eine Manipulation der Geldmenge irreale 160 Profite zu generieren. Es ging demnach, anders als die progressiven Historiker in Folge Schlesinger, Jr.s annehmen, nicht nur – vielleicht nicht einmal in erster Linie – darum, die Banken »from control over the currency« zu exkludieren (Schlesinger, Jr. 1945: 119); tatsächlich sollte niemand, weder private Akteure noch die Regierung, den natürlichen Geldkreislauf zu seinen Gunsten beeinflussen können. Was Gouge stattdessen vorschwebte, war zunächst eine radikale Reduktion und später die vollständige Abschaffung des Papiergeldes.161 Jener Prozess sollte durch die Regierung angestoßen werden, indem diese ihre Einnahmen ausschließlich in harter Währung – mit anderen Worten in Gold – empfangen und auch die Ausgaben nur in dieser Form vollziehen sollte. Im Ergebnis hätte dies zu einer Eindämmung der Inflation geführt, indem den Privatbanken die Möglichkeit zur Geldmengenerhöhung über die Ausgabe von Krediten genommen worden wäre. Hätten die Bürger ihre Steuern und sonstigen Zahlungen an die Regierung beziehungsweise für staatliche Dienstleistungen nämlich in Hartwährung entrichten müssen, so wären die Privatbanken dazu angehalten gewesen, ihre Goldreserven, die als Basis der Kreditvergabe fungierten, auf einem konstant hohen Niveau zu halten, was jedwede inflationäre Tendenz im Keim erstickt hätte, zumal die Regierung ihrerseits – und gemäß Gouges Verfassungsauslegung – nicht das Recht haben sollte, Papiergeld auszugeben. Gouges Hartgeldvision lief angesichts dessen auf eine Naturalisierung und somit Depolitisierung monetärer Fragen hinaus. Weil nur Gold die Kriterien für ein universales Tauschmedium – namentlich Knappheit und intrinsischer Wert (Gouge 1833: 8) – erfüllte, war nur dieses dazu fähig, als nicht manipulierbare Währung zu fungieren (vgl. Rader 1963: 446). Salopp formuliert: Die Gelddruckmaschine konnte schnell angeworfen werden, Gold ließ sich demgegenüber nicht beliebig vermehren. Die naheliegende Frage nach der Flexibilität einer auf diese Weise der kurzfristigen Expansion entzogenen Währung162 beantwortete Gouge ganz
160 Irreal aufgrund dessen, dass die Kreditmenge jenseits tatsächlich steigender Produktivität ausgeweitet werden konnte. 161 Dies ließe sich passgenauer als eine Anti-Bank-Note-Mentalität beschreiben. 162 Waren die Goldvorkommen zu einem bestimmten Zeitpunkt vorläufig erschöpft, konnte die Geldmenge schlicht nicht gesteigert werden, bis entweder Gold aus anderen Ländern in die USA kam, die Vereinigten Staaten also eine positive Handelsbilanz aufwiesen, oder aber neue Goldvorkommen im Land entdeckt wurden.
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im Sinne des Jackson’schen Angebot- und Nachfrage-Credos (Gouge 1833: 6264). Sollte das Papiergeld Schritt für Schritt eingestampft und das Geldsystem der USA folglich vollständig auf Hartwährung umgestellt worden sein,163 so Gouge, dann würden automatisch Hartgeldreserven aus anderen Teilen der Welt in den US-amerikanischen Kreislauf strömen (ebd.: 135). Die Geldmenge würde sich dem Bedarf dementsprechend automatisch anpassen. Würde das in den USA zirkulierende Hartgeld nämlich aufgrund einer negativen Handelsbilanz schrumpfen, so hätte dies eine natürliche Abwertung des Preisniveaus zur Folge, die mittelfristig zu einer positiven Handelsbilanz führen würde, da die Preise US-amerikanischer Güter unter denen der Handelspartner liegen würden. Die Folge wäre ein abermaliges Anwachsen der Geldmenge, mit anderen Worten: eine natürliche Selbstregulierung der Geldmenge. All dies brachte Gouge nun nicht dazu, das Bankenwesen als solches zu verurteilen; lediglich die beiden Unheil bringenden Komponenten des »fractional reserve banking« (ebd.: 121) und der »limited liability« (ebd.: 84-90; vgl. Dorfman 1968: 16f.) gelte es abzuschaffen. Wäre es den Banken nicht mehr möglich, über ihre Hartgeldreserven hinaus Kredite zu vergeben und wären die Teilhaber darüber hinaus mit ihrem gesamten Vermögen und nicht lediglich mit ihren Investitionen haftbar zu machen, so Gouges Überlegung, dann würde sich die Geldmenge automatisch der tatsächlich vorhandenen harten Währung anpassen und der stabilitätsgefährdenden Inflation wäre vorgebeugt (Gouge 1833: 119). Vor allem aber wären all jene kommerziellen Bankgeschäfte privatisiert und Profit und Risiko wären Dinge, mit denen diejenigen umzugehen hätten, die es tragen könnten, nicht die Mehrheit einfacher Produzenten.164 Kredite konnten von Privatbanken weiterhin vergeben werden, 163
Über einen Zeitraum von zehn Jahren wollte Gouge die Ausgabe von 5$, 10$, 20$ etc. gesetzlich immer weiter unterbinden (Gouge 1833: 103). Tatsächlich untersagte das Finanzministerium zwischen 1835 und 1837 allen Banken, die als Verwahranstalten der öffentlichen Einnahmen fungierten, die Ausgabe von Papiergeld mit einem Nominalwert unter 20$ (vgl. Schlesinger, Jr. 1945: 128). 164 Von Bankpleiten waren diese einfachen Sparer schlicht aufgrund dessen betroffen, dass ihre Einlagen einen Teil des von der Bank eingesetzten Kapitals ausmachten. Im Fall eines Bankrotts waren die Einlagen ebenfalls verloren und aufgrund der beschränkten Haftung der Anteilseigner der Bank konnte auch niemand finanziell zur Rechenschaft gezogen werden. Wo es Sicherungssysteme gab, beispielsweise in New York unter dem Safety Fund-System war die Situation alles in allem nicht besser. Zwar sah das System vor, dass die Banken jeweils drei Prozent ihres Kapitals in den Fund einzahlen mussten, bevor sie ihre Geschäfte aufnehmen durften; allerdings genügten diese drei Prozent erstens nicht aus, um eine wirkliche Panik abzufedern und zweitens
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allerdings nur in Form der tatsächlich gehaltenen Hartgeldreserven. Lieh eine Privatbank einem Kunden also einen bestimmten Betrag an Gold, dann konnte sie hierfür Zinsen verlangen, die den Dienstleistungskosten entsprechen sollten. Ein privater Bankier »would make a legitimate use of his credit, in receiving money on deposit, at five per cent., and lending it again at six per cent. More than this he ought not desire.« (Ebd.: 121) Wollte er doch größere und somit illegitime Gewinne erzielen, war davon auszugehen, dass sich eine andere Bank gründen würde, die die Kunden aufgrund der besseren Konditionen auf sich ziehen würde usw.165 Der Staat hatte mit alledem, anders als im Falle der BUS und anders als im Falle der »pet banks« nichts mehr zu tun. In beiden letztgenannten Fällen war die Regierung insofern direkt in das kommerzielle Bankenwesen involviert gewesen, da BUS respektive »pet banks« als Verwahrstationen öffentlicher Einnahmen fungierten, auf Grundlage derer sie ihren kommerziellen Praktiken nachgehen konnten – beispielsweise der Kreditvergabe im Sinne des »fractional reserve banking«. Und umgekehrt hatten die Privatbanken nichts mehr mit der Geldmenge zu tun, da sie diese über die Ausgabe von Krediten in Form von Papiergeld nicht ausweiten beziehungsweise durch die Einforderung eben jener Kredite plötzlich drastisch verknappen konnten. Es ist offensichtlich, dass die Umschichtung der Bundesmittel von der BUS in ausgewählte Privatbanken, die weiterhin Kredite vergeben durften – wenn auch nicht mehr durch die Ausgabe von Geldnoten mit einem Nominalwert unter 20$ – nicht mit Gouges Vision übereinstimmt (vgl. Dorfman 1968: 21). Dass die öffentlichen Gelder in ausgewählte Banken überführt wurden, spricht der Forderung nach einer Trennung zwischen Regierung und Bankenwesen sogar Hohn, denn mit einer Gleichbehandlung im Sinne der equal rights-Doktrin hatte dieser Schritt beileibe nichts zu tun (vgl. Howe 2007: 388;
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verminderten sie letztendlich sogar, dass die Banken sich gegenseitig kontrollierten, weil klar war, dass maximal drei Prozent des eigenen Kapitals verloren gehen könnten und von offizieller Seite die Solidität New Yorks als finale Sicherheit ausgegeben wurde; jene Versprechen hieß nichts anderes, als dass am Ende über Steuergelder etwaige Bankpleiten abgefangen werden mussten (Murphy 2017: 92f.). Gesetzlich regeln wollten die Jacksonians die Zinssätze nicht, da dies aus ihrer Sicht einen Eingriff in die Eigentumsrechte der Kapitaleigner dargestellt hätte. Vgl. hierzu Bryant (1836). William Cullen Bryant war Leggetts Vorgänger bei der Evening Post und für diesen eine Art geistiger Ziehvater.
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Mintz 1949: 432).166 Was jedoch gewährleistet wurde, war die Zerschlagung des BUS-Monopols. Die BUS war den Jacksonians ja in allererster Linie aufgrund dessen ein Dorn im Auge, dass sie auf Grundlage exklusiver, staatlich sanktionierter Privilegien operieren konnte. Wenngleich nun mehrere Privatbanken in den Genuss von Sonderrechten kamen, so gab es zumindest kein Monopol mehr (vgl. Hammond 1957: 420). Dass Gouges Entwurf den equal rightsPrinzipien gleichwohl deutlich umfassender entsprach, liegt auf der Hand. Dieser näherten sich die USA noch während der Präsidentschaft Jacksons weiter an, was wesentlich durch den 1836 per Dekret erlassenen Specie Circular bedingt war. Dieser legte vor dem Hintergrund der Annahme zu fahrlässiger Kreditvergabepraktiken der Privatbanken fest, dass öffentliches Land fortan nur noch gegen Hartgeld erworben werden durfte, was die Banken dazu anhalten sollte, aufgrund des zu erwartenden steigenden Bedarfs nach harter Währung, ihre Reserven hoch zu halten. In Verbindung mit der bereits zuvor beschlossenen Regel, der gemäß die »pet banks« kein kleinwertiges Papiergeld drucken durften, erhofften sich die Jacksonians, ganz im Sinne Gouges, eine weitergehende Zurückdrängung des Papiergeldes aus den alltäglichen wirtschaftlichen Transaktionen. Nachdem das »pet bank«-System 1837 kollabiert war, wurde das so genannte Independent Treasury System, das Gouges Plänen entsprach, zur ernsthaften politischen Option. Wenngleich es aufgrund wechselnder Mehrheiten im Kongress erst 1846 wirklich umgesetzt werden konnte,167 soll es aufgrund seiner Ursprünge im politischen Denken der finanzpolitischen Theoretiker der Jacksonians gleichwohl in die hier vorgelegte Darstellung eingehen.168 Das System sah die Institutionalisierung so genannter Subtreasuries im ganzen Staatsgebiet vor. Diese dienten als Verwahranstalten für alle öffentlichen Einnahmen, die ausschließlich in Hartgeld gezahlt werden durften. Hatte die
166 Die Tatsache, dass der ursprüngliche Plan eine sukzessive breitere Streuung der Bundesmittel auf mehr als die anfänglich ausgewählten Banken vorsah, ändert hieran nichts Grundsätzliches. Bei den zuerst ausgewählten Banken handelte es sich um »[t]he Girard in Philadelphia; the Commonwealth and the Merchants in Boston; the Bank of Manhattan Company, the Mechanics, and the Bank of America in New York; and the Union Bank of Maryland in Baltimore.« (Hammond 1957: 419) Zunächst vergrößerte sich der Kreis der Banken nur schleppend. Ende 1835 handelte es sich um 29, ein halbes später um 33 Institute (Scheiber 1963: 197). 167 Der erste Gesetzesakt von 1840 wurde von den Whigs 1841 wieder rückgängig gemacht (vgl. Sautter 1997: 181). 168 Der Plan hatte zudem »Jackson’s blessing« (Howe 2007: 506).
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Regierung ihrerseits Zahlungen zu entrichten, geschah dies aus den jeweiligen Reserven der Subtreasuries heraus. Sollten die Subtreasuries gemäß einem ersten Entwurf dazu befugt sein, Papiergeld im Wert der Goldreserven auszugeben – eine notwendige Konzession an die »soft money-advocates« in den Reihen der Demokratischen Partei –, so sah der finale Vorschlag von 1840 dies nicht mehr vor. Fortan sollten die Subtreasuries überhaupt kein Papiergeld mehr ausgeben können, wodurch die Geldmenge faktisch schrumpfte. Hatte das Papiergeld der Subtreasuries vorher noch als Hartgeldäquivalent bei den Privatbanken landen und als Kreditbasis fungieren können – schließlich war es ›good as gold‹ –, war dies nun nicht mehr möglich (Murphy 2017: 108). Neben den Subtreasuries sollten Privatbanken nach wie vor existieren, als Kapitalverwahrstelle der Bürger und Kreditgeber fungieren, jedoch kein Papiergeld ausgeben können. Will man jenes Maßnahmen- und Ideenbündel auf abstrakterer Ebene zusammenfassen, so scheidet die Etikettierung ›Anti-Banking‹ definitiv aus. Den Jacksonians war nicht an der Abschaffung des Bankenwesens gelegen. Dies für den »deposit removal«-Plan zu behaupten, ist schlicht absurd und auch in Gouges rigoroserer Hartwährungsvision hatten Banken ihren Platz, lediglich ohne Papiergeld ausgeben zu dürfen (vgl. Schlesinger, Jr. 1945: 119). Stein des Anstoßes waren hierbei weniger die von den Banken erbrachten Dienstleistungen – allen voran die Kreditvergabe169 –, sondern vielmehr die Möglichkeit über die Schaffung von Papiergeld, eine Kreditmenge in Umlauf zu bringen, die die Wirtschaft künstlich aufblähen und die Bürger zu unseriösen Spekulationen animieren würde (Gouge 1833: 94-97), und zwar ausschließlich zum Zwecke der privaten Profitmaximierung. Würden Kredite hingegen nur in Höhe von real existierendem Hartgeld vergeben, dessen Menge gleichzeitig über den Zustand der Gesamtwirtschaft würde Aussage geben können, so waren Blasenbildungen nicht zu erwarten, da Kredite nur vergeben würden, wenn Kapital vorhanden wäre und Kapital nur vorhanden wäre, wenn es der Wirtschaft gut ginge und ein weiteres reales Wachstum vor diesem Hintergrund wahrscheinlich erschien. Jene finanzwirtschaftliche Position hatte hierüber hinausgehende gesellschaftstheoretische Implikationen,170 die auf den ersten Blick durchaus in 169 Vgl. hierzu neben Gould beispielsweise Leggett (LE: 173): »We are no enemy of credit, as we have said a thousand times. We are no enemy to a free and natural system of credit between man and man, the result of mutual confidence«. 170 Michael Sandel (1996: 159) weißt zurecht darauf hin, dass dieser Umstand die laissez faire-Politik der Jacksonians von Libertären in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts
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Richtung Jeffersons Agrarrepublik weisen, hierin letzten Endes aber nicht aufgehen. Impliziert war durch die Hartwährungspolitik eine semikommerzielle Republik, die sich nur sehr langsam würde weiterentwickeln können. Komplexere wirtschaftliche Vorgänge, die bereits durch eine Vergrößerung des wirtschaftlich relevanten Raumes entstehen, erforderten schlicht Geld. Eine lokal oder regional organisierte semikommerzielle Wirtschaft, in der die Produzenten zunächst für ihre eigene Reproduktion und erst hiernach für einen auf dem Markt handelbaren Überschuss produzierten, umfasste eine deutlich überschaubarere Menge wirtschaftlicher Transaktionen, was gleichbedeutend mit einem geringeren Bedarf an Zahlungsmitteln war. Produzierte der Farmer beispielsweise nur einen geringen Überschuss für den lokalen Verkauf, dann bedeutete dies, dass eine Transaktion stattfand, für die eine Geldeinheit benötigt wurde. Produzierte der Farmer hingegen größere Mengen für einen nationalen Markt, so mussten seine Produkte verpackt, transportiert und an einem anderen Ort verkauft werden, es fanden also deutlich mehr Transaktionen statt, bis das Produkt bei seinem finalen Abnehmer angelangt war. Konnte die Geldmenge nicht über die Ausgabe nur teilweise gedeckter Kredite vergrößert werden, konnte sich jenes Wirtschaftswachstum naheliegend nur sehr langsam vollziehen. Aus Sicht der Jacksonians hätte dies Spekulationen auf die weitere Wirtschaftsentwicklung vorgebeugt und somit verhindert, dass Akteure ohne ihrer eigenen Hände Arbeit zu Wohlstand kommen sowie dass einfache Produzenten von dem mit Sicherheit 171 folgenden ökonomischen bust betroffen werden konnten. Meines Erachtens, und der nächste Abschnitt wird dies untermauern, war hiermit keineswegs festgelegt, dass die USA auf dem Niveau wirtschaftlicher
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unterscheidet. Letzteren zufolge soll sich der Staat nicht nur wirtschaftspolitisch zurückhalten, sondern auch hinsichtlich ethischer Fragen. Die Banken »do not continue their issues long, before they raise the price of some commodities above the price they bear in foreign countries, added the costs of importation. In foreign countries the paper of Banks will not pass current. The holders of it, therefore, present it for payment. The Banks finding their paper returned, fear they will be drained of coin, and call upon their debtors to repay what has been advanced to them. In two ways, then, is the quantity circulating medium diminished: first, by the specie’s being exported: secondly, by the paper’s being withdrawn from circulation. […] The different members of society had entered into obligations proportionate to the amount of circulating medium in the days of Banking prosperity. The quantity of circulating medium is diminished, and they have not the means of discharging their obligations« (Gouge 1833: 25).
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Ausdifferenzierung verharren sollten, auf dem sie in den 1830er Jahren angekommen waren. Die Hartwährungsvision wollte lediglich der Möglichkeit rapider auf Spekulation basierender Reichtumsgenerierung vorbeugen, deren Kehrseite die immer im Raum stehende Gefahr plötzlicher ökonomischer Schocks war (vgl. Hilt 2017).172 Harrten innovative Projekte ihrer Ausführung aufgrund nicht vorhandenen Kapitals, so waren die Innovatoren selbstredend dazu in der Lage, Kredite aufzunehmen. Die Banken würden sich aufgrund der persönlichen Haftung jedoch genauer überlegen, ob sie den Kredit tatsächlich ausgaben. Eine in mäßigem Tempo und ohne großes Risiko wachsende Wirtschaft wäre die Folge gewesen. Dass diese trotz mancher Gemeinsamkeiten nicht mit Jeffersons Agrarrepublik identisch war, wird der nächste und letzte Abschnitt dieses Kapitels zeigen.
2.2.5
Auf dem Weg in die Marktgesellschaft?
Sowohl ältere (Ashworth 1980; Sellers 1991; Hughes 1994) als auch jüngere Interpretationen (Eyal 2007) schreiben den Jacksonians hinsichtlich der von diesen angestrebten Gesellschaftsformation einen unverhohlenen Traditionalismus zu, indem sie sie als Befürworter einer im Fallen begriffenen Agrarrepublik porträtieren. Hiermit würden freilich die im engeren Sinne politischen Verschiebungen des Denkens im Übergang von Jeffersonian Republicanism zu Jacksonian Democracy nicht eingeebnet werden; die Differenzen zwischen beiden Bewegungen wären jedoch auf die politische Sphäre begrenzt. Alternative Charakterisierungsversuche zeichnen demgegenüber ein anderes Bild (Hammond 1957; Hofstadter 1989). Ihnen zufolge lassen sich die Jacksonians als Wegbereiter der modernen kapitalistischen Marktgesellschaft verstehen, was vor allem auf die im vorangegangenen Kapitel dargelegte laissez faire-Doktrin zurückgeführt wird. Wie so oft, so sollte auch hier ein Mittelweg beschritten werden. Zutreffend ist sicherlich der Hinweis, dass im Denken der Jacksonians laissez faire nicht gleichbedeutend mit kapitalistisch ist (Ashworth 1995: 302, Fn. 3). Richtig ist aber auch, dass die Jacksonians angesichts der sich rasant vollziehenden
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Im Prinzip wurde der Währungsform also jene restriktive Rolle zugeschrieben, die die BUS über strategische Entscheidungen entfalten hätte können. Der Vorteil der Währungsform war aus Sicht der Jacksonians freilich, dass es sich nicht um eine künstlich geschaffene Institution handelte, womit die Möglichkeit öffentlicher Korruption eingedämmt werden würde. Vgl. hierzu Meyers (1960: 107).
2. Das politische Denken der Jacksonian Democrats
Transformation der Lebenswirklichkeit im Zuge dessen, was Sellers als »Market Revolution« bezeichnet hatte, nicht einfach zur parzellierten Agrarrepublik Jeffersons zurückkehren wollten. Hiergegen spricht schon auf den ersten Blick das Engagement der Jacksonians für den Ausbau der nationalen Transportwege;173 nicht weniger bedeutend war Jacksons Eintreten für die Union und gegen eine von diesen beanspruchte Souveränität der Einzelstaaten im Zuge der Nullifikationskrise.174 Zurück ins 18. Jahrhundert, so lässt sich konstatieren, wollten die Jacksonians nicht.175 Andererseits sträubten sie sich nachdrücklich gegen das von den Whigs um Henry Clay anvisierte American System, das den Weg in die moderne Marktgesellschaft mithilfe einer starken Bundesregierung pflastern wollte. Die Demokratische Partei sollte sich für jene Ideen erst in den 1840er und 1850er Jahren öffnen (Eyal 2007). Anders 173
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Ungeachtet der demokratietheoretisch problematischen Dominanz der Exekutive hinsichtlich der Entscheidung über förderungswürdige Projekte bleibt die Tatsache, dass keine Vorgängerregierung mehr Bundesmittel für den Ausbau der Verkehrswege zur Verfügung stellte als Jacksons. Dies sollte nicht in erster Linie Wirtschaftsinteressen dienen, sondern der Schaffung eines nationalen Informationsraums über die auf gute Verkehrswege angewiesenen Zeitungen (First Annual Message vom 8. Dezember 1829, in: PP (www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=29471); festzuhalten bleibt aber unabhängig von den konkreten Motiven, dass der relevante Handlungsraum für die Jacksonians deutlich größer war als dies für Jefferson gesagt werden kann. Bei der Nullifikationskrise handelte es sich um eine Auseinandersetzung zwischen der Bundesregierung und South Carolina, die die USA bereits knapp drei Dekaden vor Ausbruch des Bürgerkrieges an den Rand innerstaatlicher militärischer Auseinandersetzungen trieb. Vordergründig ging es um die 1828 verabschiedeten Zollgesetze zum Schutz US-amerikanischer Manufakturen, die aus Sicht South Carolinas die Südstaaten benachteiligten, da diese fortan mehr Geld für inländisch erzeugte Güter zahlen und im Umkehrschluss einen Einbruch des transatlantischen Handels befürchten mussten, auf den die baumwollfixierte Sklavenwirtschaft im Süden zwingend angewiesen war. Unter Führung John C. Calhouns erklärte South Carolina die Bundesgesetze aufgrund vermeintlicher Verfassungswidrigkeit für null und nichtig. Daraufhin drohte Jackson mit militärischer Intervention, wofür er durch den Force Bill (1833) auch vom Kongress ermächtigt wurde. South Carolina lenkte schließlich, auch vor dem Hintergrund fehlender Unterstützung durch die anderen Südstaaten, ein. Die grundlegende Frage nach der föderalistischen Kompetenzverteilung war hiermit jedoch immer noch nicht gelöst. Diese sollte sich angesichts der Sklavereifrage, die bereits 1832/33 über allem schwebte erst rund dreißig Jahre später abschließend klären. Zur Nullifikationskrise vgl. Wilentz (2005a: 379-388), Howe (2007: 395-410) und Gannon (2013). Hierauf hat bereits, trotz bis heute kursierender anderslautender Interpretationen, sehr überzeugend Marvin Meyers (1960) hingewiesen.
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als Yonatan Eyal meint, handelte es sich bei jener Transformation der Demokraten jedoch nicht um einen radikalen Bruch mit dem, was er als »Orthodox Jacksonianism« (ebd.: 17-36) bezeichnet; vielmehr begannen die Jacksonian Democrats bereits unter Führung Jacksons die reine Lehre der Agrarrepublik aufzuweichen, wie im Folgenden zu zeigen ist. Das agrarrepublikanische Denken Jeffersons hatte freilich auch in den 1830er Jahren keineswegs abgedankt, was schon mit Blick auf die – ungeachtet gegenläufiger Tendenzen – immer noch primär agrarisch geprägte Ökonomie nicht verwundern kann. In der Landwirtschaft waren immer noch über 80 % der Arbeitskräfte tätig und über 70 % aller Erzeugnisse waren dem primären Sektor zuzurechnen (vgl. Ashworth 1995: 303). Gleichwohl änderte sich die Ausrichtung der Farmer, wie bereits einleitend bemerkt wurde. »[P]urely subsistence agriculture was becoming rather uncommon in the United States by the time Andrew Jackson took office, and it did not occupy a central place in Democratic thought.« (Ebd.: 304; Hervorh., T.M.) Hiermit bewegten sich die Jacksonians freilich immer noch im Dunstkreis des klassischen Jeffersonian Republicanism. Wie oben dargelegt, hatte dieser den lokal begrenzten Tauschhandel ja keineswegs verdammt und den internationalen Freihandel aus unterschiedlichen Gründen zu einer Notwendigkeit weltpolitischer Dimension stilisiert. Die Unterschiede zwischen Jacksonians und Jefferson lassen sich diesbezüglich als graduell bezeichnen, wobei die Jacksonians einen weiteren Schritt in Richtung vollumfängliche Kommerzialisierung gingen als Jefferson, die vollständige Vermarktlichung der Republik jedoch ohne Zweifel ablehnten. Letzteres hätte bedeutet, dass die Farmer ausschließlich für den Markt produzieren würden, womit dem Land- und Farmbesitz letztlich keinerlei Bedeutung für die Sicherstellung persönlicher Unabhängigkeit mehr zugekommen wäre. In diesem Ausmaß abhängig vom Markt und somit, wie Jefferson formuliert hatte, von den Launen der Kundschaft sollten die Farmer auch für die Jacksonians nicht sein. Was ihnen vorschwebte, war vielmehr ein »semisubsistence farming«, demgemäß die Farmer zwar für die regionalen, nationalen und mitunter auch internationalen Märkte produzieren sollten, »the produce of the farm« jedoch ebenfalls »to a considerable degree, personal and family subsistence needs« befriedigen sollte (ebd.). Wie gesagt, hiermit unterschied sich die politische Vision der Jacksonians noch nicht entscheidend von jener Jeffersons – die Transformation Letzterer im Denken der Jacksonians wird erst mit Blick auf die Bewertung der sich vollziehenden wirtschaftlichen Ausdifferenzierung offenbar.
2. Das politische Denken der Jacksonian Democrats
Jefferson hatte nach dem zweiten britisch-amerikanischen Krieg zwar die Notwendigkeit eines US-amerikanischen Manufakturwesens anerkannt, dieses aber so organisieren wollen, dass die Produktion auf den Farmen angesiedelt blieb und gewissermaßen als Nebenprodukt der nach wie vor normativ ausgezeichneten landwirtschaftlichen Betätigung fungieren sollte. Dies hatte, wie oben dargelegt, wesentlich mit Jeffersons Vorstellungen von den Bedingungen guter Bürgerschaft zusammengehangen. Tatsächlich differenzierte sich die US-Ökonomie nach 1815 aus, allerdings deutlich rasanter als Jefferson dies gewünscht hatte. So wichen die »household manufactures« immer mehr den eigenständigen Manufakturen und vereinzelt gar dem »factory system«, womit ein immer größer werdender Bevölkerungsteil von Lohnarbeit abhängig wurde (Pessen 1967: 4; Howe 2007: 536-539).176 Die Jacksonians beobachteten jene Entwicklung mit einiger Skepsis, verurteilten, von radikalen Ausnahmen wie Orestes Brownson (1840) oder Thomas Skidmore (1829) abgesehen (vgl. Dorfman 1966b: 663; Schlesinger, Jr. 1945: 309), die Lohnarbeit jedoch ebensowenig wie das nicht an die Farm gebundene Manufakturwesen. Für Jefferson waren Lohnarbeit und Bürgerschaft nicht vereinbar (vgl. Katz 2003), bei den Populisten hingegen wird es später heißen, »the workman is worthy of his hire« (Peffer 1891: 47). Zwischen diesen Polen der radikalen Ablehnung von Lohnarbeit im Jeffersonian Republicanism und dem Kampf um eine gerechte Entlohnung bei den Populisten lassen sich die Jacksonians näher an letzterer Position verorten, was auch durch die mitunter postulierte Nähe zur entstehenden Gewerkschaftsbewegung unterstrichen wird.177 Sicher ist es richtig, darauf hinzuweisen, dass das Ideal der Agrarrepublik auch aus der politischen Praxis nicht verschwunden war. Was Jefferson mit seinem Louisiana Purchase angestoßen hatte, setzten die Jacksonians auf teils
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Vgl. hierzu unter anderen Peterson (1962: 84), Sellers (1991: 24-26) und Ellis (1993: 162). Der Zuwachs lohnabhängig Beschäftigter hing wesentlich mit technischen Neuerungen zusammen, die die Nachfrage nach gelernten Arbeitskräften verknappten. War zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine typische Berufsbiographie vom Auszubildenden über den Gesellenstatus zum selbstständigen Meister noch normal, so blieben ab den 1830er Jahren immer mehr Gesellen auf dieser Berufsstufe hängen und mussten sich als Lohnarbeiter verdingen, wobei ihnen auch hier Konkurrenz drohte, weil ungelernte Kräfte die zu verrichtenden Arbeiten teils ebenso gut und vor allem deutlich günstiger verrichten konnten. Klassisch bei Schlesinger, Jr. (1945), in jüngerer Vergangenheit bei Wilentz (2005a). Diesbezüglich skeptischer ist Pessen (1949).
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inhumane Weise im Rahmen ihrer Indianerpolitik und hier vor allem mithilfe des Indian Removal Act von 1830 fort (vgl. Watson 1985: 121; Wilentz 2005b: 138-150; Howe 2007: 367). In beiden Fällen ging es um die Bereitstellung von Siedlungsland für US-Bürger und in beiden Fällen, im ersten stärker als im zweiten, hatte dies mit der normativen Auszeichnung der agrarisch dominierten Republik zu tun.178 »Democrats’ priorities«, so Eyal, »were to make as many people as possible into producers with as much independence as they could maintain. This republican vision appeared urgent as industrialization and the market revolution picked up speed by the mid 1830s.« (Eyal 2007: 30) Und auch Ashworth verweist auf die Haltung prominenter Demokraten, in diesem Fall Amos Kendall, derzufolge es für junge Männer besser sei, auf der heimischen Farm zu bleiben als in einer Fabrik zu arbeiten (vgl. Ashworth 1995: 308). Hierbei handelt es sich jedoch meines Erachtens um eine die Kontinuitäten zum Jeffersonian Republicanism unverhältnismäßig aufwertende und aufgrund dessen verkürzte Interpretation des Denkens der Jacksonians.179 Denn trotz des berechtigten Vorwurfs an Schlesinger, Jr., gemäß dessen er die Jacksonians zu sehr vor dem Hintergrund des Progressivismus des frühen 20. Jahrhunderts gedeutet habe, enthält seine (Über-)Betonung der Nähe von entstehender Arbeiterbewegung und Jacksonian Democrats doch so viel Wahrheit, dass eine Verschiebung Letzterer in die Ecke der traditionalistischen Agrarrepublikaner nicht überzeugend ist. Anders formuliert: Die Jacksonians waren bei aller Sehnsucht nach dem imaginierten Paradies unabhängiger Kleinbauern, wie es von Jefferson formuliert worden war, dann doch soweit in den sich wandelnden USA des 19. Jahrhunderts angekommen, dass sie die Verschiebungen hinsichtlich Beschäftigungsstruktur und wirtschaft-
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So spricht Jackson in seiner ersten Annual Message beispielsweise vom »agricultural interest« als »superior« im Vergleich zu den anderen Wirtschaftszweigen, namentlich dem Manufakturwesen und dem Handel. First Annual Message vom 8. Dezember 1829, in: PP (www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=29471). Für eine Interpretation, die Jackson, meines Erachtens zu unrecht, bezüglich der Auszeichnung der Landwirtschaft vollständig in die Traditionslinie Jeffersons rückt, siehe Vorländer (1997: 92-101). Ashworth scheint denselben Fehler zu machen, den er anderen Interpreten vorwirft. Während diese laissez faire fälschlicherweise mit kapitalistisch ineinssetzen würden, scheint Ashworth kapitalismuskritisch mit einer Rückkehr zu Agrarrepublik zu assoziieren. Es ist meines Erachtens angemessener, den Jacksonians stattdessen ihren kritischen Impuls zu lassen, ohne sie nolens volens als Jeffersonians 2.0 zu betrachten.
2. Das politische Denken der Jacksonian Democrats
licher Ausdifferenzierung nicht einfach souverän ignorierten, sondern sich diesen (in kritischer Absicht) zuwendeten (vgl. Hovenkamp 1991: 2).180 Eine Rede vor der Labor Reform League of New England, deren Autor nicht bekannt ist, fasste die Problemlage konzise zusammen: »One hundred and sixty acres of land even may be yours in Iowa or Wisconsin, if you will settle upon it, and yet this offer may be of no advantage to you. You may not have the ability to go there, or be able to make a settlement, when arrived. Barren, unimproved acres do not represent a very inviting aspect to a destitute man. Or you may not wish to go there. You may not wish to exile yourself from your early and long cherished home. You may not wish to withdraw from civilization to the wilderness. […] Besides, you are not cultivators; you are mechanics, artisans, clerks, laborers of every variety. […] This is not a corrective of the evil; it is only a fleeing of it. And woe is left for them who cannot escape.« (Zit.n. Schlesinger, Jr. 1945: 345) Lohnempfänger waren eine Realität geworden, die auch durch die weitere Westexpansion nicht mehr rückgängig zu machen war. Für Jackson und seine Anhänger war dies jedoch, anders als für Jefferson vor ihm, per se noch kein Grund, das republikanische Projekt in Gefahr zu wähnen. Der von Jefferson im Zuge des zweiten britisch-amerikanischen Krieges zähneknirschend vorangetriebene Ausbau von Kleinstmanufakturen, wurde von Jackson selbstverständlich und ohne Angst vor dem Verfall der Republik angenommen. Dies mag auch an Jacksons militärischem Hintergrund gelegen haben, war ihm doch klar – und dies ähnelt eher Hamiltons Großmachtvisionen denn Jeffersons Agrarrepublik –, dass es eine tatsächliche Unabhängigkeit nur in Form einer halbwegs autarken Wirtschaft würde geben können; er sah »the need to build up suppliers of textiles, munitions, and other essential items« (Wat-
180 Auch die Ablehnung der BUS, die viele Demokraten zu Befürwortern eines strikten Hartwährungskurses machte, hatte einen unmittelbaren Bezug zu den Interessen der Lohnempfänger. Da diese in aller Regel in Papiergeld bezahlt wurden, dessen Wert aufgrund der vermeintlich inflationären Effekte des BUS-Systems schwankte, waren sie direkt vom Geldsystem betroffen. Robert Taney, der später von Jackson nominierte Supreme Court-Richter bemerkte dementsprechend mit Blick auf die Währungsfrage, dass diese sich wesentlich darum drehe, »that the just claims of this portion of society should be regarded in our legislation« (zit.n. Sellers 1991: 342). Ähnlich auch Sedgwick, Jr. (1836: 230). Vgl. hierzu auch Dorfman (1968: 13f.) und Rader (1963: 450).
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son 1985).181 Der von Jackson mitgetragene Zolltarif von 1828, der vier Jahre später zur Nullifikationskrise führen sollte, legt hiervon beredtes Zeugnis ab und wurde von Jackson, entgegen der Stimmen aus dem Süden, auch als notwendiges und keinesfalls die Gemeinwohlinteressen schädigendes Instrument verteidigt – wenngleich er Modifikationen einforderte.182 Unmissverständlich formuliert Jackson in einem Brief an L.H. Coleman: »This Tariff […] possesses more fanciful than real dangers. I will ask what is the real situation of the agriculturalist? Where has the American farmer a market for his surplus products? Except for cotton he has neither a foreign nor a home market. Does not this clearly prove, where there is no market either at home or abroad, that there is too much labor employed in agriculture? And that the channels of labor should be multiplied? Common sense points out at once the remedy. Draw from agriculture the superabundant labor, employ it in mechanism and manufactures, thereby creating a home market for your breadstuffs, and distributing labor to a most profitable account, and benefits to the country will result. […] It is, therefore, my opinion that a careful Tariff is much wanted to pay our national debt, and afford us the means of that defense within ourselves on which safety and liberty of the country depend; and last, though not least, give a proper distribution to our labor, which must prove beneficial to the happiness, independence, and wealth of the community.«183 Kurz, die Mainstream-Demokraten akzeptierten sowohl »the end of (Jeffersonian) arcania«, als auch das mit diesem einhergehende Anwachsen der 181
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Vgl. hierzu auch Fourth Annual Message vom 8. Dezember 1832, in: PP (www.presidency.ucsb.edu/ws/index.php?pid=29474). Für weitere Anhänger dieser Argumentation vgl. Huston (1994: 527). First Annual Message vom 8. Dezember 1829, in: PP (www.presidency.ucsb.edu/ws/? pid=29471). Im Wesentlichen forderte Jackson einen schrittweisen Abbau des Zolltarifs angesichts der zu erwartenden Tilgung der öffentlichen Schuld – die dann tatsächlich 1835/36 vollzogen wurde, was einen bis heute einmaligen Vorgang in der Geschichte der USA darstellt (vgl. Wilentz 2005a: 437). Die Forderung nach einem langsamen Abbau des Zolls gründete jedoch ebenso sehr auf der Annahme, dass nur so eine Schädigung der Wirtschaft verhindert werden könnte, was – detailliertere Ausführungen hierzu finden sich nicht – auf den temporär notwendigen Schutz heimischer Wirtschaftszweige zurückführbar sein dürfte. Brief an L.H. Coleman vom 26. April 1824, in: AJC, III: 250f. Hervorh., T.M. Vgl. Rough Draft of the First Inaugural Address, ohne Datum, in: AJC, IV: 13 und Brief an Martin Van Buren vom 1. November 1830, in: AJC, IV: 198.
2. Das politische Denken der Jacksonian Democrats
lohnabhängigen Bevölkerung in den Manufakturen. Die realpolitisch bereits vollzogene Aufwertung der nicht-besitzenden Bevölkerungsteile wurde somit von den Jacksonians reflexiv nachvollzogen (vgl. Schneider 1957: 77). Die neue Konfliktlinie, die sich sowohl im Bank War als auch allgemeiner im gesellschaftspolitisch präferierten laissez faire-Prinzip manifestierte, verlief zwischen Produzenten und Nicht-Produzenten,184 also zwischen jenen, die zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes arbeiteten, und jenen, die lediglich aufgrund illegitimer Patronageverhältnisse überleben konnten. Der Produzentenbegriff war hierbei insofern von Vorteil, als er deutlich inklusiver war als derjenige des Yeoman. »There are some people in this country«, so Theodore Sedgwick, Jr.185 (1836: 235), »who think that the farmers, mechanics, manufacturers, and others, whom they call labourers, are the only producers of wealth. But, as this is a lamentable error, that creates heart-burnings in different classes, it must be wholly rooted out of the country. Is not the judge, lawyer, sheriff, constable […] himself a working-man? Is not the surgeon, who sets the broken bones of a working-man, one, also? Is not the physician, who restores a working-man to health […] the cause of wealth?« (Vgl. Scott 1977: 79; Foner 1995: 15)186 Zwar war der Farmer auch für Sedgwick, Jr. in besonderer Weise für ein Leben in persönlicher wie kollektiver Freiheit geeignet, da er sowohl körperliche als auch geistige Arbeit verrichten musste,187 wodurch seine Fähigkeiten 184 Beispielhaft hierfür Rantoul, Jr. (1854: 219f.): »Society, as you very well know, is divided into two classes, – those you do something for their living, and those who do not.« 185 Theodore Sedgwick, Jr. dessen Vater Theodor Sedgwick, Sr. in der Partei der Federalists aktiv war, wirkte als Anwalt in New York City und setzte sich vornehmlich journalistisch für die Ideen der Demokraten ein. Zudem gab er die Schriften William Leggetts heraus. 186 Eine alternative und gleichwohl integrative Bezeichnung für die »producers« war »the laboring classes«. Vgl. beispielsweise Jacksons Farewell Adress vom 4. März 1837, in: PP (www.presidency.ucsb.edu/ws/index.php?pid=67087). Hier wird auch deutlich, dass es sich nicht einfach um einen anderen Begriff für den von Jefferson ausgezeichneten Yeoman handelte, unterscheidet Jackson doch zwischen den »agricultural, […] mechanical, and […] laboring classes«. Eine noch dezidiertere Aufwertung unterschiedlichster Berufsgruppen als den »labouring classes« angehörend findet sich bei Sedgwick, Jr. (1836: 159f., Kap. XIV). Vgl. schließlich auch Rantoul, Jr. (1854: 221). 187 In Zeiten einer notwendig um sich greifenden Arbeitsteilung zeichnete dies den Farmer in besonderer Weise aus. Interessanterweise nimmt Sedgwick, Jr. die Arbeitsteilung jedoch als gegeben hin, ohne sie, wie dies noch für Jefferson gegolten hatte,
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auf besondere Weise geschult wurden, vor allem aber aufgrund der Tatsache, dass er in ökonomischer Hinsicht sein eigener Herr war (Sedgwick, Jr. 1836: 221f.); Segdwick, Jr. konstatierte jedoch ebenso wie der weiter oben zitierte Farmer aus New England und Jackson selbst, dass schlechterdings nicht alle Menschen in der Landwirtschaft würden arbeiten können, gleichviel welch wichtige Rolle dieser auch zukommen möge. Ebenso wie andere ging auch er davon aus, dass Wohlstand und Entwicklung der USA von der einsetzenden Industrialisierung abhängen würden, wodurch eine vergleichsweise große Zahl Beschäftiger im verarbeitenden Gewerbe entstehen würde, von denen mindestens temporär ein nicht unerheblicher Teil Lohnempfänger sein würde: »Civilization is nature – it is natural that men should be divided into different professions and employments. […] It is idle then for the people of the United States to revolt against what is natural and proper.« (Sedgwick, Jr. 1836: 224) Anders als die diesbezüglich konservativeren Kräfte des Landes, die dies zwar ebenfalls annahmen, jedoch folgerten, dass hiermit lediglich die Steigerung der Zahl von nicht Entscheidungsberechtigten einhergehen würde (vgl. Scott 1977: 77),188 versuchte Sedgwick, Jr. auszuloten, wie beides – ausdifferenzierte Wirtschaft und republikanische Freiheit – zusammengehen könnte. Sedgwick, Jr.s Überlegungen zielten zwar ebenfalls auf die Wahrung persönlicher Unabhängigkeit, die bereits den Jeffersonian Republicanism umtrieben hatte; er meinte jedoch diese Unabhängigkeit nicht ausschließlich in einer Agrarrepublik sicherstellen zu können. Grundlegend für diese Annahme scheint mir Sedgwick, Jr.s weniger anspruchsvolle Konzeption persönlicher Unabhängigkeit zu sein. Hatte diese bei Jefferson notwendigerweise
mit einer kollektiven Degenerierung gleichzusetzen. »[T]hey [the common people; T.M.] therefore know […] that when a man, in the early settlement of a country, and before there are regular tradesmen, is obliged to be a farmer, carpenter, joiner, and shoemaker, he can do the business neither of a farmer, carpenter, joiner, nor shoemaker, as well as if he were devoted to one of these occupations alone« (Sedgwick, Jr. 1836: 37). 188 Interessanterweise veränderte sich hiermit der Stellenwert des stake in societyArguments. War es vormals als die politische Inklusion begünstigend gebraucht worden, so diente es in den Händen der Konservativen nun der Rechtfertigung von Exklusion. Die gegenwärtigen Entwicklungen, gepaart mit der Aufrechterhaltung der Bindung des Wahlrechts an persönliches Eigentum, »they argued, would secure farmers and other men of property a continued hegemony over state government, even if a majority of the population were unpropertied« (Scott 1977: 77).
2. Das politische Denken der Jacksonian Democrats
den Besitz von bestellbarem Grund und Boden vorausgesetzt, so findet sich in Sedgwick, Jr.s Denken eine Fokusverschiebung hin zu persönlichen Fähigkeiten als Voraussetzung individueller Autonomie. »Labourer« sind für Sedgwick, Jr. grundsätzlich alle Personen, die geistige und/oder körperliche Arbeit verrichten müssen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. »It is true, then, in the best and strictest sense, that the great body of the people of the United States are working people. If a man must work to get his living, if he must live by effort and anxiety of mind, and toil of body, it makes no difference as to his being called a working-man, whether he earns one or ten dollars a-day, whether he be a domestic servant, with ten dollar monthly wages, or the superintendant of a factory with a yearly salary of three thousand dollars. The latter may, and sometimes does, work much the hardest of the two.« (Sedgwick, Jr. 1836: 221)189 Der große Unterschied zwischen Farmer und dem Rest der »working people« besteht für Sedgwick, Jr. vor allem in der Nicht-Weisungsgebundenheit Ersterer. Diese können ihrer Unabhängigkeit jedoch – meines Erachtens im Unterschied zur Sonderrolle, die sie bei Jefferson einnehmen – ebenso verlustig gehen wie alle anderen Arbeiter, da Sedgwick, Jr. offenbar nicht mehr den in erster Linie subsistenzwirtschaftlich operierenden Farmer im Sinn hat, sondern mindestens den »semi-subsistence« Farmer. »[I]t is a deep disgrace to a farmer«, so Sedgwick, Jr. (ebd.: 229), »unnecessarily to lose his rank, to surrender his paternal acres to a speculator, or bank, or insurance office, at half price, and then be driven to the wilderness, because he does not understand farming, and will not economize and live within his earnings.«190 Dass
189 Hier wird überdies noch einmal deutlich, dass die Annahme, dass es den Jacksonians zuvorderst um einen Gegensatz zwischen ›reich‹ und ›arm‹ gegangen sei, so nicht aufrechtzuerhalten ist. Ebenso fragwürdig erscheint vor diesem Hintergrund die Annahme, der zufolge die Jacksonians »identified equal opportunity with the equality of conditions, an approximate equality of wealth.« (Ashworth 1980: 412) Die von Sedgwick, Jr. beispielhaft genannte völlig legitime Einkommensspreizung von 120$ p.a. gegenüber 3000$ p.a. spricht eine andere Sprache. 190 Jene Überlegung lässt sich nicht als Absage an die kommerzielle Tätigkeit des Farmers interpretieren. Es geht also nicht darum, dass jener sich überhaupt jenseits der Subsistenz bewegt hätte und nur deswegen mit den genannten Institutionen in Kontakt kam. Kurz zuvor heißt es nämlich: »[H]e [the farmer; T.M.] makes his farm, a grain farm, a sheep farm, a dairy farm, at his pleasure.« (Sedgwick, Jr. 1836: 229) Die Spezialisierung auf vermarktbare Güter war für Sedgwick, Jr. demnach keinesfalls das Problem.
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der Farmer demnach erfolgreich wirtschaften muss, um seine Unabhängigkeit zu wahren, führt spiegelbildlich zu einer Aufwertung all jener Teile der »working people«, die ihr Überleben über erarbeitete Löhne sichern müssen. Am Ende bedürfen nämlich sowohl der Farmer als auch die nicht in der Landwirtschaft arbeitenden »working people« eines – in aller Regel geldförmigen – Einkommens. Der Farmer produziert zu diesem Zweck Güter, die er verkaufen kann, die anderen »working people« verkaufen ihre Fähigkeiten und Talente (vgl. Huston 1998: 147). Im Prinzip geschieden sind beide Gruppen hierdurch nicht mehr. Und ebenso wie der Farmer seine besondere Unabhängigkeit selbstverschuldet verlieren kann, so können die anderen »working people« diese selbstverdient erwerben. »This, then, is the great consolation in the United States to every working man, that nearly every other man is a labourer also; and that all, without distinction, have many opportunities of elevating themselves, of passing from one business to another, from one class to another. This is the true plan of a free government, – it is, that in the law all are equal, and that there shall be no institutions by law that shall make men unequal.« (Sedgwick, Jr. 1836: 225) Mit der demokratischen Vision der Jacksonians vereinbar waren demnach jedwede Formen geistiger und/oder körperlicher Arbeit und jedwede sozioökonomische Schichtung, die sich aus derartigen Betätigungen ergab. Nicht vereinbar waren lediglich solche Einkommen und Einkommensverteilungen, die als Resultat gesetzlicher Begünstigung angesehen werden mussten.191 Dies war die simple Formel, nach der sich eine ausdifferenzierte und kommerzialisierte Wirtschaft mit individueller und kollektiver Freiheit zur Deckung bringen lassen sollte und mit der die Rekonstruktion des politischen Denkens der Jacksonians abgeschlossen ist.
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Ein Beispiel hierfür war für Sedgwick, Jr. die öffentliche Schuld. Jene diente seines Erachtens ausschließlich der Besserstellung der Wohlhabenden, die als Kreditgeber des Staates fungieren konnten und fungierten, wobei sie aufgrund der staatlichen Praxis der Schuldaufnahme in die Lage versetzt wurden, als Rentiers ohne geistige und/oder körperliche Arbeit zu leben (Sedgwick, Jr. 1836: 232f.).
3. Das politische Denken der Populisten
3.1
Kontextualisierung: Corporate capitalism und politischer Stillstand »And then the world suddenly and irrevocably changed.« (Huston 1998: 344)
War die von den Jacksonians antizipierte Gefahr derjenigen Jefferson durchaus ähnlich gewesen – hier die Monarchie mitsamt ihrer vererbbaren Verfügungsrechte, die die Souveränität des Volkes untergrabe, dort die Regierung, die aufgrund von Günstlingspolitik den equal rights-Grundsatz unterlief, der als konstitutiv für das demokratische Prinzip angesehen wurde –, so ändert sich die Stoßrichtung der Kritik der Populisten in Anbetracht des Aufkommens eines neuen Feindbildes. Schon ein kursorischer Blick auf das populistische Reformprogramm lässt eine Identifizierung der Populisten mit den Jeffersonian Republicans und Jacksonian Democrats zu einem Unterfangen werden, dass mindestens »considerable rhetorical skill« erfordert, wie Charles Postel mit Blick auf die populistischen »claims to the Jeffersonian mantle« bemerkt (Postel 2007: 160). Angesichts des im Rahmen dieser Arbeit in Anschlag gebrachten Konzepts des politischen Denkens als problembezogener Tätigkeit, liegt mit Blick auf Postels Feststellung die Vermutung nahe, dass das Denken Jeffersons für die Populisten jenseits einiger Schlagworte nicht mehr als Arsenal dienen konnte, weil die von Jefferson angegangenen Probleme schlicht nicht mehr jene waren, mit denen sich die Populisten konfrontiert sahen. Tatsächlich setzt mit dem Ende der so genannten »reconstruction«, die von 1865 bis 1877 reichte, das »Vergoldete Zeitalter« (Gilded Age) ein,1 in welchem 1
Der Begriff geht auf Mark Twains und Charles Dudley Warners 1873 erschienenen Roman The Gilded Age. A Tale of Today zurück (vgl. Gould 2010: 375). Zu Twains Kritik der
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sich vor allem die ökonomische Struktur der USA grundlegend transformiert. Im Zuge dessen »[p]olitical agendas were redefined, the understanding of the relation between political and economic processes was reversed, the old economics of laissez-faire was laid to rest, and a new economics was born. […] The agent responsible for this mighty transformation was the large-scale business organization, the corporation.« (Huston 1998: 339; vgl. Loewenstein 1959: 25)2 Wie James L. Huston bemerkt, war Tocqueville, der die USA im Zeitalter Jacksons porträtierte, von der im Vergleich zur Alten Welt übermäßigen Gleichheit der US-Bürger fasziniert; der Engländer James Bryce hingegen konnte in den 1880er Jahren sein Erstaunen ob der plutokratischen Zustände in den ehemaligen Kolonien nicht zurückhalten. Hätte es 1850 weder große Vermögen noch grassierende Armut gegeben, so seien die USA knapp 40 Jahre später ein von Armut durchzogenes Land und Heimat einer »greater number of gigantic fortunes than any other country in the world.« (Zit.n. Huston 1998: 345; vgl. Foner 2011: 642f.) Was war passiert? Die im vorangegangenen Kapitel rekonstruierte normative Vision der Jacksonians war nicht nur ein reflexiver Nachvollzug sich abzeichnender beziehungsweise bereits vollzogener politischer und ökonomischer Transformationen, sie korrespondierte auch mit der sozialen Wirklichkeit nach dem Ende der Präsidentschaft Martin Van Burens (1840), der so genannten dritten Amtszeit Jacksons. Denn obgleich es zur weiter oben beschriebenen Vermarktwirtschaftlichung kam, sich also die Perspektive der Produzenten änderte – mit all den oben beschriebenen Veränderungen, die diese Abkehr von der Vorstellungswelt Jeffersons mit sich brachte –, wandelten sich die Produktionseinheiten selbst ungleich weniger. Die wesentliche Veränderung war die größer werdende Schicht abhängig Beschäftigter, die jedoch in vergleichsweise kleinen Produktionsstätten arbeiteten sowie der skizzierte Übergang vom subsistenzwirtschaftlichen Farmer zum »semi-subsistence farming«. Das »chief characteristic« der nach 1815 entstehenden Marktwirtschaft »was the small unit of production. American economic growth,
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US-amerikanischen Gesellschaft im ausgehenden 19. Jahrhundert jenseits von The Gilded Age, vgl. Foster (2003). Vgl. hierzu auch Lamoreaux (2000: 403), Santis (2000: 1) und Goebel (1997). Goebel, der sich ebenfalls auf Huston bezieht, verlegt die weitreichenden Transformationen jedoch ohne weitere Begründung zeitlich nach hinten und lässt die Populisten als Wiedergänger der Jacksonian Democrats erscheinen, was – wie im Folgenden zu zeigen sein wird – nicht überzeugend ist.
3. Das politische Denken der Populisten
with a few important exceptions, was primarily a continuous multiplication of production units; the American economy over time was like an ameoba, constantly subdividing and expanding outward but not solidating into fewer and larger units.« (Huston 1998: 87) Das heißt im Umkehrschluss, dass zwar neue Formen der Beschäftigung entstanden, dass die wirtschaftliche Grundstruktur aber derart gleichblieb, dass die liberalen Prinzipien des Gründerzeitrepublikanismus mit Blick auf das Verhältnis von Staat und (Wirtschafts-)Gesellschaft von den Jacksonians übernommen werden konnten. Der von Sellers rekonstruierte Übergang von der ›Logik des Landes‹ zur Logik des Marktes verlangte den Farmern auf den ersten Blick einige Anstrengungen ab, sie vollziehen diese jedoch in einer Art und Weise, die aus der parzellierten Republik subsistenzwirtschaftlich produzierender Kleinbauern, eine »commercial agrarian republic« werden lassen (ebd.: 102; vgl. Wood 1991: 305-325). Die sich gleichzeitig vergrößernde Zahl abhängig Beschäftigter setzt sich darüber hinaus noch nicht aus ungelernten, sondern aus »skilled and semiskilled« Arbeitern zusammen (Huston 1998: 124), was die beschriebene normative Aufwertung, die Lohnempfänger im Age of Jackson erfahren, zu erklären hilft. Der gepriesene wirtschaftliche Wettbewerb und der diesen spiegelbildlich ergänzende Minimalstaat passen demnach trotz jener Transformationen zu einer sozialen Wirklichkeit, die für viele den Zuständen in Kontinentaleuropa vorzuziehen war. So bestand beispielsweise in der Landwirtschaft, dem Handel und dem Manufakturwesen bis ins letzte Drittel des 19. Jahrhunderts die Möglichkeit, »to move from dependency (working for another) to independency (owning one’s own business)« (ebd.: 126), was das Überleben des viel zitierten Amerikanischen Traums, dem zufolge individueller Fleiß zu (materiellem) Erfolg führt, sicherte. Noch 1860 formuliert Abraham Lincoln: »What is the true condition of the laborer? I take it that it is best for all to leave each man free to acquire property as fast as he can. Some will get wealthy. I don’t believe in a law to prevent a man from getting rich; it would do more harm than good. So while we do not propose any war upon capital, we do wish to allow the humblest man an equal chance to get rich with everybody else. When one starts poor, as most do in the race of life, free society is such that he knows he can better his condition; he knows that there is no fixed condition of labor, for his whole life. I am not ashamed to confess that twenty five years ago I was a hired laborer, mauling rails, at work on a flat-boat – just what might happen to any poor man’s son! I want
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every man to have the chance […] in which he can better his condition – when he may look forward and hope to be a hired laborer this year and the next, work for himself afterward, and finally to hire men to work for him!« (Zit.n. Williams 1943: xxii) Kulturell findet jenes Credo seinen viel zitierten Ausdruck in den »success novels«, von denen diejenigen Horatio Algers nur die bekanntesten waren (vgl. McCloskey 1951: 12f.). Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wird nun jene real existierende kompetitive Marktwirtschaft von einem corporate capitalism abgelöst, dessen vornehmliche Merkmale die vertikale und horizontale Unternehmensintegration waren;3 es entstanden im Zuge dessen marktbeherrschende Großkonzerne, die nicht selten aus einem Zusammenschluss vormalig eigenständiger Firmen hervorgingen (Lamoreaux 2000: 423; Sanders 1999: 17) und teilsweise als Resultat der Umstellung des Produktionsprozesses in Richtung arbeitsteilig organisierter Fabrikarbeit angesehen werden müssen (Baker et al. 2018). Der Ruhm jener Männer, deren Namen sich im Volksmund ebenso festsetzen sollten wie im Stadtbild der entstehenden urbanen Zentren,4 nimmt seinen Ausgang in den USA der Nachkriegszeit und des Gilded Age. John D. Rockefeller, Andrew Carnegie, Cornelius Vanderbilt und J.P. Morgan starten ihre erfolgreichen unternehmerischen Tätigkeiten allesamt in den 1870er Jahren.5 Jene »Moguls« (Brands 2010: 9) sind jedoch nur die herausragenden Beispiele einer in Richtung vertikaler und horizontaler Integration wirkenden Industrialisierung, die die USA im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts erfasst (vgl. Foner 2011: 638-640).
3
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Von vertikaler Integration wird dann gesprochen, wenn der gesamte Produktionsprozess innerhalb eines Unternehmens konzentriert werden soll, von horizontaler Integration dann, wenn ein Produktionsschritt beziehungsweise ein Produkt von einem Unternehmen monopolisiert wird. Beispielsweise in Form der Carnegie Hall oder des einige Dekaden später errichteten Rockefeller Center in New York City. Morgan gründet 1871 Drexel, Morgan & Co., jenes Bankhaus, das ab 1895 unter dem Label J.P. Morgan & Co firmieren wird. Vanderbilt, der bereits kurz nach Ende des Bürgerkriegs in Eisenbahnen zu investieren beginnt, eröffnet 1873 die erste Linie zwischen Chicago und New York. 1870 wird Rockefellers Firma Rockefeller, Andrews & Flagler zur Standard Oil Company. Und Carnegie errichtet 1870 seinen ersten Hochofen, mit Hilfe dessen er die in Großbritannien entwickelte Umwandlung von Roheisen in Stahl in die USA überführte.
3. Das politische Denken der Populisten
Die ökonomische Transformation, die das Land zwischen Bürgerkrieg und Jahrhundertwende durchläuft, lässt sich mit Blick auf wesentliche Kennzahlen ausdrücken. Das Schienennetz wuchs von 30.000 auf 193.000 Meilen an, Investitionen im sekundären Sektor stiegen von einer auf knapp 10 Milliarden US-Dollar, die Zahl der Arbeitskräfte in jenem Bereich vergrößerte sich von 1,3 auf 5,3 Millionen und der Wert der hier produzierten Güter sprang von zwei auf 13 Milliarden US-Dollar (Santis 2000: 1). Hatten die Vereinigten Staaten 1860 noch hinter Deutschland, Frankreich und Großbritannien gelegen, so waren sie 1900 die größte Manufakturnation der Welt (vgl. Baker et al. 2018). Die USA wurden freilich erst 1920 erstmals als »urban nation« ausgewiesen (Pastorello 2014: 13), der Industrialisierungspfad war jedoch bereits ca. fünf Dekaden zuvor eingeschlagen worden. Wesentlich bedingt wurde die Industrialisierung durch den Amerikanischen Bürgerkrieg, der die Nordstaaten zum weiteren Ausbau ihres Manufakturwesens drängte und nach 1865 eine weitergehende Vervielfältigung der nationalen Transportwege insofern begünstigte, dass nunmehr nicht länger auf die Interessen der politisch marginalisierten Südstaaten geachtet werden musste (vgl. Pfaelzer 1984: 8; Manning 2010: 148; Livingston 2010: 259).6 Die Fertigstellung der ersten den Kontinent durchziehenden Ost-West-Verbindung nördlich der Südstaaten datiert dementsprechend vom 10. Mai 1869, dem Tag, an dem sich die östliche Union Pacific- mit der westlichen Central Pacific-Linie im Bundestaat Utah traf (Brands 2010: 43; Brown Tindall/Shi 2007: 747).7 1881 wurde die nächste transkontinentale Verbindungslinie fertiggestellt, 1882 Texas an das Netz angebunden und 1883 6
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Darüber hinaus spielte die durch den Bürgerkrieg erzwungene Neuorientierung nordöstlichen Kapitals eine wesentliche Rolle bei der Finanzierung der Eisenbahnen. Nachdem »King Cotton« (Beckert 2015) abgedankt hatte, zerbrach die Allianz zwischen den Plantagenbesitzern in den Südstaaten und den Kapitalgebern im Nordosten. Letztere investierten fortan unter anderem in großem Maße in die Eisenbahngesellschaften (vgl. Maggor 2017: 207f.). Maggor weist in diesem Zusammenhang ebenfalls darauf hin, dass die Industrialisierung keineswegs am Staat vorbei erfolgte, sondern dieser die Weichen sehr wohl stellte, so zum Beispiel mit Blick auf den Ausbau der Ost-WestTrassen. Hiermit ist freilich nicht gesagt, dass der Staat über diese Ermöglichung hinaus ein aktiver Staat gewesen sei. Letzteres wird ihm zurecht abgesprochen, beispielsweise von Elizabeth Sanders (1999), der zufolge der moderne Interventionsstaat erst am Ende des Jahrhunderts und in Folge der massiven Proteste von Seiten der Populisten auf den Weg gebracht wurde. Bis mindestens zur Jahrhundertmitte war das Eisenbahnnetz vorwiegend ein lokales (vgl. Sanders 1999: 183).
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der an der Grenze zu Kanada gelegene Lake Superior mit der Westküste verbunden; kurz, in den 1880er Jahren rückten die Vereinigten Staaten räumlich abermals enger zusammen,8 was naheliegenderweise die im letzten Kapitel dargelegte Logik des Marktes noch dominanter werden ließ als dies für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts gesagt werden kann.9 In Verbindung mit der skizzierten Entstehung moderner Großkonzerne bedeutete dies ein Ansteigen der Zahl lohnabhängig Beschäftigter und im ländlichen Raum eine weitergehende Fokussierung auf die marktbezogene Produktion. Beide Entwicklungen hingen unmittelbar zusammen und waren durch technische Entwicklungen zumindest mitverursacht. Dass jene die Industrialisierung überhaupt erst ermöglichten, liegt auf der Hand, sie transformierten aber auch die Landwirtschaft weitreichend. Auch diese wurde – ungeachtet der weiterbestehenden Dominanz der Familienfarm, die erst langsam vom Agrarunternehmen abgelöst wurde (vgl. Pastorello 2014: 14) – nun maschinell betrieben. Dies entlastete die Farmer zwar einerseits teilweise von noch härterer physischer Arbeit, nötigte sie auf der anderen Seite jedoch auch zu Investitionen, die oftmals über Kredite finanziert werden mussten. Dass jene Umstellung der Produktionsweise dennoch für viele attraktiv erschien, hatte mit einem gestiegenen Bedarf nach landwirtschaftlichen Gütern durch die Industrialisierung und der mit dieser einhergehenden Urbanisierung zu tun. Von 1860 bis zur Jahrhundertwende wuchs die Bevölkerung der USA von rund 30 auf über 75 Millionen Einwohner, was auf eine sinkende Sterblichkeitsrate einerseits und die traditionell großen Migrationszahlen andererseits zurückzuführen war (Haines 2000: 152-157; Jablonsky 2017: 60). Den relational größten Bevölkerungszuwachs verzeichneten hierbei die urbanen Räume, wobei jene von den Farmern mit Lebensmitteln und Rohstoffen versorgt werden wollten (vgl. Maggor 2017: 209). Darüber hinaus wuchs die internationale Nachfrage nach US-amerikanischen Agrarerzeugnissen, vor allem nach 8
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Zumindest potentiell, denn aufgrund des von Richard White (2011: 142-152) beschriebenen Unterschiedes zwischen »absolute« und »relational space« war die Überbrückung des Raumes de facto nicht für alle Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen möglich. Ein Gutteil der diesbezüglichen Kritik der Populisten wird sich um diesen Umstand drehen, wie weiter unten gezeigt wird. Vgl. hierzu Jablonsky (2017: 59). Neben der rapiden Verkürzung der Transportzeiten rückten die USA auch aufgrund dessen näher zusammen, dass der Kapitalbedarf im Westen und Süden jenes »Hinterland« im übertragenen Sinne näher an den Nordosten rücken ließ, wo das Kapital vorhanden war, das in immer größeren Tranchen gen Westen wanderte (vgl. Hicks 1931: 21f.; Maggor 2017: 209; Sanders 1999: 13f.).
3. Das politische Denken der Populisten
Baumwolle und Weizen (vgl. Sanders 1999: 19). Die landwirtschaftliche Betätigung versprach demnach durchaus lukrativ zu sein, was sich in der Verdreifachung der Farmen und einer Verdopplung der landwirtschaftlich bestellten Fläche zwischen 1860 und 1910 widerspiegelt (Maggor 2017: 208f.).10 Mit dem von Jefferson gepriesenen Yeoman und dem »semi-subsistence« Farmer der Ära Jackson hatten jene Landwirte jedoch nur noch bedingt zu tun. Neben der sich wandelnden Produktionsweise veränderte sich die Perspektive noch nachdrücklicher als zu Zeiten der Vermarktwirtschaftlichung nach Ende des zweiten britisch-amerikanischen Krieges. Aufgrund der notwendig gewordenen kreditfinanzierten Investitionen musste das Hauptaugenmerk einer wachsenden Zahl landwirtschaftlicher Produzenten fortan auf die Absetzbarkeit der eigenen Produkte gerichtet sein, nicht mehr auf die Wahrung der eigenen Unabhängigkeit und nicht mehr auf die Bedürfnisbefriedigung der regionalen oder kommunalen Gemeinschaft (ebd.: 209; vgl. Wood 2017: 46) – zumindest solange unter Bedürfnisbefriedigung mehr verstanden wird, als ein Handeln gemäß des anonymisierten AngebotNachfrage-Modells. An dieser Stelle sollten die Farmer dann auch erstmals nachdrücklich mit der im Entstehen begriffenen Ökonomie des big business in Berührung kommen, waren sie zum Absatz ihrer Produkte doch auf die nationalen Transportwege und hier vor allem auf die Eisenbahnen angewiesen:11 »Where there was no access to ocean or other water transportation, the railroads were the primary carriers of grain, other agricultural produce, livestock, coal, lumber, and minerals.« (White 2011: 158) Die Eisenbahnen waren ihrerseits »the first really large corporations in American history, employing thousands of persons spread over entire regions. They were the first to develop the methods of corporate administration that would characterize modern enterprise.« (Brands 2010: 23; vgl. Lamoreaux 2000: 419f.; Sanders 1999: 33f.) Was die Eisenbahnunternehmen vor allem auszeichnete war ihr immenser Kapitalbedarf, der sich vornehmlich aus der kostspieligen Errichtung 10
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Auch hier spielte die Immigration aus Europa eine herausragende Rolle, da viele Einwanderer den vor allem durch den Homestead Act von 1862 ermöglichten günstigen Landerwerb im Westen als Pfad in eine bessere Zukunft begriffen und die Häfen an der Ostküste dementsprechend nur als Durchlaufstation auf ihrem Weg gen Great Plains begriffen. Wie Robert McMath (1993: 43) bemerkt, kamen die Farmer über die Eisenbahnen gleichzeitig mit dem »labor radicalism in the 1880s« in Kontakt, da »the organization of railroad workers went wherever the rails went.«
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der transkontinentalen und überregionalen Trassen ergab. Die Befriedigung jenes Bedarfs wurde auf drei Wegen angestrebt, durch den klassischen Kredit, die Ausgabe von Unternehmensanteilen sowie durch Zuwendungen von Seiten der öffentlichen Hand. Die weitreichendste Veränderung zog hierbei die Ausgabe von Unternehmensanteilen nach sich, da diese zu einer Trennung von Eigentümern und Unternehmensleitung führte (vgl. Johnston 2017: 440f.), deren Interessen sich nicht decken mussten. »In particular, owners might come to consider their shares simply a commodity to be bought and sold as prices fell and rose, regardless of the effect of such transactions on the operation of the firm.« (Brands 2010: 25)12 Hiermit war nicht nur der Sargnagel in Jeffersons normative Vision einer parzellierten Agrarrepublik geschlagen, auch der Wettbewerb kleiner und mittlerer Produzenten, den die Jacksonians ausgezeichnet hatten, entsprach nicht länger der sozioökonomischen Wirklichkeit. An beider Stelle waren anonymisierte Großunternehmen getreten, deren Fokus in erster Linie auf der Befriedigung ihrer Anteilseigner lag.13 Begünstigt wurde die wachsende Bedeutung jener neuen marktdominierenden Akteure schließlich durch die Judikative. Nach einer revisionistischen Zwischenphase hat sich in jüngerer Vergangenheit wieder die ursprünglich von der progressiven Historiographie vorgelegte Interpretation durchgesetzt, der zufolge »[t]he judiciary […] manipulated legal categories in order to advance a Darwinian, laissez-faire economic order that placed the interests of rapacious capitalists above those of workers, farmers, consumers, and even children« (Sawyer III 2017: 351).14 Diese Interpretation gründet vor allem auf der Auslegung respektive Ausweitung des 14. Verfassungszusatzes.
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Alternativ umschreibt Hovenkamp (1991: 16) jenen Prozess wie folgt: »The American business corporation had become a person but had lost its soul.« Das diesbezüglich bekannteste Zitat stammt von William Vanderbilt, der auf die Frage, ob das öffentliche Interesse eine Rolle bei Unternehmensentscheidungen spielen solle, antwortete: »The public be damned. I am working for my stockholders« (zit.n. Brands 2010: 90). Ob der Supreme Court bei seinen Entscheidungen in erster Linie von Klasseninteressen oder von Ideen – namentlich Formalismus und (laissez faire-)Liberalismus – geleitet war, ist an dieser Stelle zweitrangig. Die Substanz der Entscheidungen ist von der jeweiligen Motivation zunächst unabhängig, wie Hovenkamp (1991: 4), einer der prominentesten Vertreter der revisionistischen Schule, welche die Ideen als hauptsächlich motivierend begreift, bemerkt.
3. Das politische Denken der Populisten
Jener Zusatzartikel stand bekanntlich im Zentrum der Rekonstruktionsperiode und sollte ursprünglich dafür Sorge tragen, dass die Freedmen und Unionisten in den Südstaaten nicht abermals von einzelstaatlicher Seite diskriminiert werden konnten. In den Folgejahren wurde er aber zunehmend auch für Eigentums- und Fragen der staatlichen Regulierung der ökonomischen Sphäre relevant. So entschied der Supreme Court 1877 in Munn v. Illinois, dass der Staat zwar alle Wirtschaftsaktivitäten regulieren dürfe, die das öffentliche Interesse direkt tangierten, was beispielsweise für die angesprochenen Eisenbahnen galt; tatsächlich orientierte sich die folgende Rechtsprechung jedoch an der Minderheitenmeinung Stephen Fields und legte jenes Recht äußerst restriktiv aus.15 »At his most extreme, Field argued that any interference in a business’s practices could amount to confiscation and would be declared unconstitutional.« (White 2017: 374; vgl. McCloskey 1951; Hovenkamp 1991: 34f.; Destler 1944: 346) Darüber hinaus erschwerten die Entscheidungen bezüglich der angemessenen Machtverteilung zwischen Bundesregierung und Einzelstaaten die wirksame Regulierung der entstehenden Großkonzerne. »In United States v. E.C. Knight the Court appeared to gut the landmark Sherman Antitrust Act when it ruled that a business combination in control of 98 % of the nation’s sugar refining capacity was beyond the reach of the law because the Constitution only gave Congress authority to regulate ›commerce among the states‹.« (Sawyer III 2017: 351) Die im Gilded Age entstehenden Großkonzerne wurden demnach durch eine vergleichsweise einseitige Rechtsprechung geschützt, was ihnen im Gegenzug eine sehr viel dezidiertere Einflussnahme auf den politischen Betrieb ermöglichte, da die Koordinierung innerhalb oligopolistischer Strukturen einen deutlich geringeren Aufwand erforderte als innerhalb idealer Wettbewerbsverhältnisse, von denen die Wirtschaftsmagnaten nichts mehr wissen wollten (vgl. Baker et al. 2018). Wenngleich das Aufkommen moderner Aktiengesellschaften langfristig die wirkmächtigste Zäsur hinsichtlich der US-amerikanischen Wirtschaftsform darstellte, zog dementsprechend die am Beispiel der Eisenbahngesellschaften in Reinform beobachtbare Verflechtung öffentlicher und privater Interessen den Großteil der zeitgenössischen Kritik auf sich. Kurz gefasst, drängten die Unternehmen »the institutions of government to share the risk and costs of construction.« (Brands 2010: 43) Als sich in den 1850er 15
Diese Auslegung entsprach, folgt man Charles W. McCurdy (1975: 979f.), keineswegs der usprünglichen Intention Fields.
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Jahren die Überzeugung auszubilden begann, dass es transkontinentaler Transportwege bedürfe, konfrontierten die neu gegründeten Unternehmen – die Central Pacific Railway Company im Westen und die Union Pacific im Osten – die Regierung mit folgender Überlegung: »[W]ithout federal funding the road simply wouldn’t be built. Private capital markets couldn’t attract investors willing to hazard such large sums (tens of millions of dollars, at least) on such a distant payoff (at least a decade away).« (Ebd.: 48) Aus Unternehmerperspektive ging die Rechnung auf. Die Bundesregierung beschloss, die Konstruktion auf zweifache Weise zu unterstützen. Zum einen über die Vergabe langfristiger Kredite;16 zum zweiten »the companies would receive ten square miles (6400 acres) of land for each mile of road construction.« (Ebd.: 49; vgl. White 2017: 104f.) 1862 wurde den Unternehmen dann noch einmal erheblich entgegengekommen, indem festgelegt wurde, dass fortan nicht mehr die Regierung, sondern die privaten Investoren im Falle einer Unternehmenspleite die zuerst zu bedienenden Gläubiger wären, was die Kapitalakquise selbstredend erleichterte. »Now American taxpayers shouldered the largest risk.« (Brands 2010: 51) Ungeachtet jener Risikoverteilung wurde die Erschließung des Westens durch diese Arrangements tatsächlich rasant vorangetrieben. Zwischen 1870 und 1880 verzeichneten beispielsweise Kansas, Nebraska, die Dakotas, Iowa und Minnesota Bevölkerungszuwächse von 77,7 bis 853,2 % (Hicks 1931: 16, FN 48; vgl. McMath 1993: 26). Mit dem Ziel aufgebrochen, den Amerikanischen Traum zu leben, mussten sich jedoch viele Neuankömmlinge mit der wenig romantischen Siedlerrealität auseinandersetzen. Tatsächlich ging mit Erschließung des Westens und der mit dieser einhergehenden Entstehung des big business nämlich – in den Städten ebenso wie auf dem Land – das Anwachsen der Zahl abhängig Beschäftigter einher, die, anders als in der Ära Jacksons und anders als zum Zeitpunkt der bereits zitierten Rede Lincolns in New Haven, de facto keinerlei Aufstiegsmöglichkeiten mehr hatten. Im verarbeitenden Gewerbe liegt dieser Umstand auf der Hand, war der Aufstieg vom Arbeitnehmer zum selbstständigen Produzenten in Zeiten immer wichtiger werdender Skaleneffekte
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Die Regierung gab hierbei Staatsanleihen an die Unternehmen aus, die jährlich Zinsen abwarfen. Diese Anleihen konnten die Unternehmen dann auf dem offenen Markt verkaufen, was die Kapitalaquise massiv erleichteterte, da Investoren eher bereit waren, ihr Geld für vergleichsweise sichere Staatsanleihen auszugeben als für hochspekulative Unternehmensanleihen, die die Eisenbahnen alternativ hätten ausgeben können (White 2017: 119).
3. Das politische Denken der Populisten
kaum mehr möglich, da ein etwaiger Markteintritt von den bereits etablierten Kräften durch Preisunterbietungen beinahe immer verhindert werden konnte.17 Ähnliches vollzog sich jedoch auch auf dem Land. Die Idee, die hinter dem 1862 verabschiedeten Homestead Act gestanden hatte, war es, dem durchschnittlichen Bürger den Landerwerb zu ermöglichen. Die leitende Vorstellung war hierbei das Ideal des unabhängigen Kleinbauern, die bereits Jeffersons Louisiana Purchase motiviert hatte. Gemäß dem Gesetz konnte jeder US-Bürger, der älter als 21 Jahre war und niemals gegen die USA gekämpft hatte, 65 Hektar Land beanspruchen, wenn er sich verpflichtete, mindestens fünf Jahre auf diesem zu leben und es zu bestellen. Die Kosten für den reinen Landerwerb hielten sich mit 18 Dollar Antragsgebühr in überschaubaren Grenzen (vgl. Sautter 1997: 172). Durch die angesprochene Transformation der Landwirtschaft im Gilded Age entstanden die eigentlichen Kosten jedoch erst nach dem Erwerb des Landes, das nunmehr profitabel bestellt werden musste. »Even those who had some savings to depend upon rarely had enough to tide them through the first hard year, for it took several hundred dollars at the very least to pay the cost of living until a crop could be harvested, to erect farm buildings and fences, and to buy seed grain and machinery. […] [Thus,] [a]lmost all the newcomers were potential borrowers.« (Hicks 1931: 20) Vorherrschend waren hierbei vor allem zwei Formen der Kapitalbeschaffung, zum einen Hypothekendarlehen, zum anderen ein im Zuge der Sklavenbefreiung nach 1865 ersonnenes crop lien-System. Letzteres war im Süden vorherrschend, ersteres im Westen und beide Formen unterminierten die von vielen Neuankömmlingen anvisierte persönliche Unabhängigkeit beträchtlich. Die Hypothekendarlehen waren eine direkte Reaktion auf den Ausbau der transkontinentalen Eisenbahntrassen. Durch die Aussicht die land-
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Jack Beatty beschreibt jenen Mechanismus mit Blick auf einen einfachen Metzger in Akron, Ohio wie folgt: »He fits Lincoln’s ideal: a small proprietor who slaughters local beef. Then one day Armour, a pioneer in scale-and-scope production at its Chicago meatpacking plant, drives a refrigerated car into Akron, and holds a sale in the railroad yards, underselling the Akron butcher by a factor of magnitude. He can’t compete. Scale and scope have put him out of business. If he takes a job at Armour’s slaughterhouse, he moves down the class and opportunity scale from free labor to wage labor.« (Beatty 2007; vgl. Fraser 2015: 145) Im Prinzip geschah durch die auf Skaleneffekten gründende Marktmacht der führenden Unternehmen genau das, was die Anhänger des laissez faire-Prinzips den interventionistischen Merkantilisten immer vorgeworfen hatten, namentlich die Beförderung einer Situation in der der Marktzugang massiv eingeschränkt war (vgl. Hovenkamp 1991: 28).
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wirtschaftlichen Erzeugnisse zeit- und kosteneffizient aus den Great Plains gen Osten transportieren zu können – sei es für deren Verzehr in den urbanen Zentren, sei es für den Weiterverkauf auf dem jenseits der Atlantikhäfen sich erstreckenden Weltmarkt –, erlebte der Westen einen im wahrsten Sinne wahnsinnigen Aufschwung. »Each little town became a boom town, foolishly optimistic about its future« (ebd.: 18). Eigens zu diesem Zweck gegründete Vermittlungsagenturen verliehen Ostküstenkapital an die Siedler und profitierten hierbei von den unterschiedlichen Zinsniveaus, die Kreditgeber und Schuldner zu akzeptieren bereit waren (vgl. Fraser 2015: 140f.).18 Jene Praxis vergrößerte naheliegenderweise die Anreize für die Agenturen den Westen weit über Bedarf zu kapitalisieren und die Schuldenlast der Farmer und sonstiger Kreditnehmer über die Maßen zu erhöhen. Die auf diesem Wege immer größer werdende Blase platzte schließlich Ende der 1880er Jahre (vgl. McMath 1993: 46f.). 1887 führten ausbleibende Regenfälle zu Missernten, die die Bedienung der vorher aufgenommenen Kredite verunmöglichten und Farmer ebenso wie Kleinunternehmer in den entstehenden Kleinstädten entlang der Eisenbahnlinien in den finanziellen Ruin trieben (Hicks 1931: 30; vgl. McMath 1993: 22f.). Im Süden lagen die Dinge insofern anders, dass es in Folge des Bürgerkrieges, der mehr schlecht als recht ›vollendeten‹ Reconstruction und der sich hieraus speisenden sektionalen Animositäten ungleich schwieriger war, das an der Ostküste sich bündelnde Kapital zu mobilisieren. »State and private banking institutions were correspondingly rare. One hundred and twentythree counties in the state of Georgia were without any banking facilities whatever.« (Hicks 1931: 40) Als Substitut fungierte das so genannte crop lienSystem (vgl. McMath 1993: 31-34). Seinen Ursprung hatte jenes im sharecropping-System, das nach dem juristischen Ende der Sklaverei in den Südstaaten institutionalisiert wurde (vgl. Sanders 1999: 112). Es sah vor, dass der Landbesitzer sein Land von formal unabhängigen Arbeitskräften bestellen ließ, wobei die Ernte am Ende einer jeden Saison beispielsweise gedrittelt wurde – ein Drittel für den Landarbeiter, ein Drittel für den Landbesitzer und ein Drittel für die Werkzeuge, die Ersterer Letzterem zur Verfügung stellte.19 Das 18
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Gab sich der Kreditgeber im Osten beispielsweise mit 6 % Zinsen zufrieden, so war es gängig, den Kreditnehmern im Westen den doppelten Satz aufzulasten, wobei die Differenz in die Hände der Agenturen wanderte. Die Werkzeuge und das Saatgut wurden häufig auch von externen Händlern bereitgestellt. Je nach konkreter Ausgestaltung fielen die Gewinne für den Landbesitzer also größer oder kleiner aus. Das sharecropping-System basierte auf einem unverhohle-
3. Das politische Denken der Populisten
crop lien-System setzte jene Praxis fort (vgl. Woodward 1971: 180). Der landbestellende – aber nicht besitzende – Farmer wurde zu Beginn des landwirtschaftlichen Jahres gegen einen festgelegten Erntebetrag mit Werkzeug und Saatgut ausgestattet und konnte am Ende der Erntezeit die über jene vereinbarte Menge erwirtschafteten Erträge behalten. Dies konnte theoretisch gut gehen – oder desaströs enden. In der Praxis wurden die Weichen jedoch in aller Regel so gestellt, dass am Ende immer der Händler gewann (vgl. McMath 1993: 32). Da die Ernteerträge nicht nur aufgrund unbeeinflussbarer Faktoren wie der Wetterlage weniger gut berechnet werden konnten als dies heute der Fall ist und weil die Kapitalknappheit im Süden den Farmer strukturell in eine vergleichsweise schwache Verhandlungsposition brachte,20 stellte sich die Situation oftmals wie folgt dar: »If his crop failed to cance his debt, as was the case with great regularity, he must remain for another year – perhaps indefinitely – in bondage to the same merchant, or else by removing to a new neighborhood and renting a new farm become a fugitive from the law.« (Hicks 1931: 44)21 Auch politisch war seit den ausgehenden 1830er Jahren eine Entwicklung vollzogen worden und auch hier lässt sich vom Umkippen vormals als fortschrittlich angesehener Institutionen in vermeintlich den Fortschritt aufhaltende Strukturen sprechen. Hatten manche Interpreten in der Mitte des 19. Jahrhunderts beispielsweise das sich verfestigende Parteienwesen noch als Zeichen des Fortschritts gedeutet und hierbei ein ausgeglichenes Zweiparteiensystem in besonderer Weise ausgezeichnet, da es der natürliche Ausdruck einer dem Gemeinwohl dienlichen politischen Auseinandersetzung sei (vgl. Hofstadter 1969: 262), so sollte sich das tatsächlich existierende Kräftegleichgewicht zwischen Demokraten und Republikanern nach dem Ende der Re-
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nen Rassismus, indem es davon ausging, dass die nunmehr nicht mehr leibeigenen Freedmen ohne externen Antrieb nicht arbeiten und der Süden in Faulheit und Chaos versinken würde. Über das sharecropping-System sollten nun jene Anreize geschaffen werden, indem ein maximaler Ernteertrag aufgrund der vorher eingegangenen finanziellen Verpflichtungen im direkten Interesse der ehemaligen Sklaven lag (vgl. Hicks 1931: 39; Puhle 1975: 121). »[T]he consensus of opinion is that the credit purchaser paid twenty to fifty per cent more for what he bought than he would have paid if he had been able to buy for cash« (Hicks 1931: 44). Befördert wurde die Unberechenbarkeit der Ernteerträge durch externe Faktoren, beispielsweise »declining cotton prices, restrictive tariffs, and the contraction of currency« (Wood 2017: 46).
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konstruktionszeit als hauptursächlich für eine Periode politischen Stillstands erweisen (vgl. Santis 1963: 555; Doenecke 2017: 280f.). »Throughout the last third of the nineteenth century«, so George Tindall Brown und David Emory Shi (2007: 820), »political inertia reigned at the national level. A close division between Republicans and Democrats in Congress created a sense of stalemate.«22 Hierbei war es paradoxerweise der hohe Politisierungsgrad – »[v]oter turnout during the Gilded Age was commonly about 70 to 80 percent« (Brown Tindall/Shi 2007: 820; vgl. Miller 2002: 51, 66f.) –, der beide Parteien vor nennenswerten Reformprojekten zurückschrecken ließ. Stattdessen waren Demokraten und Republikaner darum bemüht, ihre Wählerbasis stabil zu halten und über die Betonung traditioneller Loyalitäten zu mobilisieren, kam eine Nicht-Mobilisierung der eigenen Klientel aufgrund des Kräftegleichgewichts doch beinahe automatisch dem politischen Machtverlust gleich (Miller 2002: 52; vgl. Buchstein 2000a: 459f.; White 2017: 403). Ein beliebtes Mittel zur Mobilisierung stellten hierbei von beiden Parteien gebrauchte Reminiszenzen an den Bürgerkrieg dar. Wo die Republikanische Partei dementsprechend auf die vom Norden erbrachten Opfer verwies – von den Demokraten despektierlich als »waving the bloody shirt« bezeichnet –, warnten diese beständig vor einer von der GOP potentiell vorangetriebenen »Negro Domination« (Miller 2002: 53; vgl. Ritter 1999: 28; Milkis/Sparacino 2017: 324).23 Nicht weniger zur ›Verkrustung‹ des Systems trug das von den Jacksonians wesentlich ausgebaute und im Sinne des »the majority is to govern«-Prinzips normativ ausgezeichnete spoils system bei.24 »People voted for their parties out of intense partisan loyality. Although they looked to their parties to supply them with favors, entertainment, and even jobs, they did not see themselves as ›selling their vote‹. This was simply the practice of patronage democracy, in which local party officials 22 23
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Vgl. hierzu auch Gould (2010: 371). Lawrence Goodwyn (1978: 5) fasst die parteipolitische Lage im Gilded Age wie folgt zusammen: »Sectional, religious, and racial loyalities and prejudices were used to organize the nation’s two major parties into vast coalitions that ignored the economic interests of millions.« Für eine funktionale Analyse des sich wandelnden spoils system vgl. James (2006). James’ These lautet, dass sich das System über die Jahrzehnte insofern gewandelt habe, dass es im Gilded Age verstärkt um eine Professionalisierung des Parteiapparates gegangen sei, wohingegen im Age of Jackson zunächst die Verankerung der noch nicht etablierten Parteien in der (parteiskeptischen) Bürgerschaft im Vordergrund gestanden hätte.
3. Das politische Denken der Populisten
awarded party loyalists with contracts and public jobs, such as heading customhouses and post offices.« (Brown Tindall/Shi 2007: 823; Hervorh., T.M.) Jenes Verfahren, das wie Brown Tindall und Shi bemerken, zunächst nicht einmal problematisiert wurde, stärkte die politischen Parteien und deren lokale Führung beträchtlich (Santis 2000: 45).25 Das herausragende Beispiel stellt in diesem Zusammenhang ohne Zweifel die Demokratische Partei New York Citys dar, deren Machtzentrum die beinahe mythische26 Tammany Hall um »Boss« William Tweed war (Llanque 2017; White 2017: 196-198). Bereits Ende des 18. Jahrhunderts gegründet, entwickelte sich die Tammany vor allem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum lange Zeit unangefochtenen Machtzentrum der Demokratischen Partei in New York, war jedoch auch weit über die Staatsgrenzen hinaus berüchtigt.27 Dies war sowohl auf Tammanys korrupte Praktiken zur Geldbeschaffung als auch auf ihren politischen Einfluss über die groß angelegte Manipulation von Wahlen zurückzuführen. »[B]y cleverly padding expenses and arranging sweetheart deals during an age of great public-work projects, the machine had reaped millions of dollars.« (Troy 1997: 20; vgl. White 2017: 198)28 Und jenes Geld 25
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»It was nearly impossible for reformers«, so Vincent de Santis (2000: 45), »to overthrow the urban machines and bosses, for they seemed to have an unbeatable system. […] Machines secured most of their votes from the poorer classes, especially recent immigrants, by finding them jobs, protecting them when they were in trouble with the law, seeing they were naturalized as quickly as possible, and by contributing food and fuel at Christmas during periods of emergency.« Ein zeitgenössischer Historiker spricht beispielsweise davon, dass »in respect of age, skilful management, unity of purpose, devotion to correct principles, public usefulness, and, finally, success, [Tammany; T.M.] has no superior, and, in my opinion, no equal, in political affairs the world over« (Croker 1892: 225). Dies hing auch damit zusammen, dass New York City im Laufe des 19. Jahrhunderts aufgrund seiner Zentralstellung für den transatlantischen Handel für die USA immer wichtiger wurde. Vor allem die Allianz zwischen New York und den auf den transatlantischen Handel angewiesenen Südstaaten war hierbei von Bedeutung. Zum anderen zählte New York nach Ende des Bürgerkrieges phasenweise zu den für die Präsidentschaftswahlen zentralen, weil umkämpften Staaten. 1884 war New York beispielsweise ausschlaggebend für die Wahl Grover Clevelands, der als erster Demokrat nach 1865 ins Weiße Haus einziehen konnte (vgl. White 2017: 472-474). Aufgrund ihrer Dominanz in der städtischen Verwaltung, verdiente Tammany im Prinzip an allen Geschäften, die mit der Stadt gemacht wurden. »Railroads wishing to extend their lines or refurbish their stations applied for permission from the appropriate board and paid for the privilege; Tweed and his cronies split the bribe. Merchants bidding to provision the city included kickbacks to the ring in their bids. Lawyers try-
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diente neben der persönlichen Bereicherung vor allem der politischen Einflussnahme. »Von der Aufstellung der Kandidaten bis zur Zusammenstellung der Wähler, von der Kontrolle des Wahlzettels bis zur Auszählung des Stimmergebnisses« beherrschte Tammany sämtliche Facetten der Wahlmanipulation »virtuos« (Llanque 2017: 143) Ein viel zitiertes Beispiel hierfür war die Mehrfachstimmabgabe (ebd.: 143f.; Brands 2010: 348), von ungleich größerer Bedeutung dürfte jedoch die Einbindung der europäischen Neuankömmlinge in die Wahlvorgänge gewesen sein. Mit Hilfe befreundeter (und bezahlter) Richter sorgte Tammany für die rasche Einbürgerung von Neuankömmlingen, die im Gegenzug ihre Stimme wie gewünscht abzugeben hatten29 – aufgrund der von den Parteien ausgegeben Stimmzettel war die Erfüllung jener Gegenleistung in den 1870er und 1880er Jahren gut zu kontrollieren (vgl. Buchstein 2000a: 468f.). Wie bedeutsam die Wahlmanipulationen der Tammany Hall tatsächlich waren, ist in der Forschung umstritten.30 Was hingegen nicht umstritten ist, ist ein seit den 1830er und 1840er Jahren sich vollziehender Strukturwandel der politischen Parteien in Richtung streng hierarchisch organisierter party machines und die zeitgleich beobachtbare immer enger werdende Verbindung
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ing cases before Tweed judges slipped gratuities to the bench, which passed a portion along. Bankers underwriting bonds for the city and county added a margin for the boss« (Brands 2010: 350). Diese Praxis führte dazu, dass die Parteien gerade in den Städten zu »primären Institutionen der Sozialintegration« wurden (Buchstein 2000a: 460). Im Zuge dessen wurden die Loyalitäten der Neuwähler derart auf Dauer gestellt – wenngleich die Partei hierfür ebenfalls dauerhaft als Kümmerer fungieren musste –, dass Gewalt und Bestechung an Wichtigkeit verloren (vgl. Llanque 2017). Tammany vor diesem Hintergrund als intentional demokratisierend zu qualifizieren, scheint mir angesichts des instrumentellen Zugriffs auf die Immigranten nicht wirklich plausibel zu sein. Es ging ja nicht darum, Letztere als autonome politische Subjekte in den USA zu verankern, sondern als verlässliche Mehrheitsbeschaffer. Zudem bemerkt White (2017: 198), dass Tammany »channeled far more wealth upward than downward«, woraus zu schließen ist, dass das Ziel der Agitationen eher nicht in einer nachdrücklichen Aufwertung der Unterschichten bestanden haben dürfte. Gleichwohl ist es richtig, darauf hinzuweisen, dass Tammany und »Boss« Tweed im Gegensatz zu ihren konservativeren Widersachern um Edwin Lawrence Godkin de facto eine politische Aufwertung armer Immigranten forcierten, statt Letztere vom politischen Prozess auszuschließen, wie Godkin und Konsorten dies forderten (ebd.: 201f.). Vgl. zu dieser Debatte Buchstein (2000a: 463f.).
3. Das politische Denken der Populisten
zwischen »Money and Politics« (Troy 1997).31 Zwar wurden politische Gefälligkeiten auch in der Early Republic schon gegen Geld getauscht und auch das Age of Jackson war von der versuchten oder tatsächlichen Einflussnahme finanzkräftiger Akteure auf die politische Entscheidungsfindung keineswegs frei geblieben (vgl. Brands 2010: 368f.). Mit dem Übergang von der elitären Republik zur Massendemokratie und der sich in der Folge vollziehenden Professionalisierung der politischen Parteien stieg jedoch auf Seiten der politischen Akteure der Bedarf nach finanziellen Zuwendungen beträchtlich an. Da immer mehr Wähler angesprochen werden mussten und dies auf eine immer aktivere Art – bis zur Kandidatur Jacksons war es noch verpönt, überhaupt für ein Amt zu kandidieren, man wurde vielmehr zum Diener der Öffentlichkeit berufen –, wurden Wahlen zunehmend kostspielig. Paradoxerweise öffnete die Demokratisierung in den 1830er und 1840er Jahren also erst die Tür für den Aufbau hierarchisch gegliederter, professionalisierter Parteiapparate, die eine gezieltere Einflussnahme auf den politischen Betrieb ermöglichten. »Die eigentliche Macht«, so Christof Mauch und Jürgen Heideking (2018: 32), »wurde von den ›Parteimaschinen‹ und deren ›Bossen‹ […] ausgeübt«, wobei politische Ämter, inklusive desjenigen des Präsidenten, »als Teil der politischen Manövriermasse und Schlüssel zur Posten- und Pfründenvergabe« angesehen wurden. Neben dem Bedeutungszuwachs der streng hierarchisch organisierten Parteien war vor allem die Verflechtung von privaten Interessen und öffentlichen Institutionen kennzeichnend für das Gilded Age. Paradigmatisch hierfür stand der Crédit Mobilier-Skandal von 1872. Die Crédit Mobilier war eine mit der Konstruktion der Ost-West-Trasse der Union Pacific beauftrage Baufirma, also gewissermaßen ein Subunternehmen der Eisenbahngesellschaft. Die durch Zeitungsartikel publik gemachte Affäre drehte sich um zwei Aspekte. Zum einen wurde gegenüber Union Pacific und Crédit Mobilier der Vorwurf erhoben, die Öffentlichkeit – mit anderen Worten den Steuerzahler – systematisch betrogen zu haben, indem die oben erwähnten Übertragungen öffentlicher Ländereien an die Union Pacific sowie die günstigen Kredite dazu genutzt wurden, die eigenen Teilhaber zu begünstigen und nicht dazu, die Fertigstellung der Trasse zu beschleunigen. Tatsächlich hatte die Union Pacific der Crédit Mobilier Aufträge weit über dem eigentlichen Preis zugesprochen, wodurch die Gewinne Letzterer, zu deren Eigentümern 31
»The ›machines‹ and the ›interests‹ – those were the reccurent themes of post-bellum world«, so Grazia (1951: 148) zusammenfassend.
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die Führung der Union Pacific zählte, beträchtlich wuchsen. Dass dies nicht zulasten der Union Pacific ging, hatte wesentlich mit deren weiter oben skizzierten Unterstützung durch die öffentliche Hand zu tun. Im Prinzip bezahlten sich die Eigentümer der Crédit Mobilier mit Steuergeldern selbst, denn das Geld, das der Union Pacific über Privatinvestitionen zufloss, war zu einem Gutteil in Staatsanleihen im Zwischenbesitz der Union Pacific angelegt worden, deren Zinsen die öffentliche Hand bedienen musste. Zum anderen, und ungleich wichtiger, sollte die Crédit Mobilier Abgeordnete bestochen haben (Brands 2010: 358). Im Wesentlichen lautete der Vorwurf, dass »the Union Pacific Railroad’s construction company had given stock at virtually no cost to influential Republican politicians, including House Speaker Blaine of Maine, Representative James A. Garfield of Ohio, and Vice President Colfax.« (Troy 1997: 21) Eine viel zitierte Aussage des mit der Verteilung der Anteile beauftragen Oake James – seines Zeichens sowohl Abgeordneter aus Massachusetts als auch Verwaltungsmitglied der Union Pacific – bringt die von außen ausgemachten Probleme vergleichsweise gut auf den Punkt: »There is no law nor reason legal or moral why a member of Congress should not own stock in a road any more than why he should not own a sheep when the price of wool is to be affected by tariff.« (Zit.n. White 2017: 118) Zwar wurde die Affäre parlamentarisch untersucht und aufgearbeitet, allerdings mit zweifelhaftem Erfolg. »The investigative committee, at a loss as to what to do, rendered its version of a Solomonic judgement. It concluded that Ames was guilty of having given bribes but that no one was guilty of receiving them. Declaring that Ames had brought the House into ›contempt and disgrace‹ and had committed offenses of a ›dangerous character,‹ it nonetheless concluded that the other legislators neither were ›aware of the object of Mr. Ames‹ nor ›had any other purpose in taking this stock than to make a profitable investment.‹« (Brands 2010: 360) Ames’ Haltung wurde hiermit sanktioniert. Mit anderen Worten herrschte innerhalb des politischen Entscheidungsfindungszentrums ein geringes Problembewusstsein für Korruption vor. Politische Parteien wurden im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts somit zu immer zentraleren Akteuren – was auch mit der Schwäche der Präsidenten
3. Das politische Denken der Populisten
in jenem Zeitraum zusammenhängt,32 die den Kongress zum Machtzentrum werden ließ, nachdem Jackson und Lincoln in den vorangegangen Dekaden das Präsidentenamt massiv aufgewertet hatten (vgl. Loewenstein 1959: 24) –, erweckten jedoch gleichzeitig den Anschein, als Einfallstor für mächtige Partikularinteressen und als Selbstbedienungsladen führender Parteigrößen zu fungieren.33 »[T]he ›Millionaires‹ Club‹ had a reputation for housing members who had bought their seats or sold their services.« (Summers 2017: 342) Es kann demnach gesagt werden, dass das politische Denken der Populisten zum einen auf neuartige (ökonomische) Akteure und die deren Aufkommen bedingenden Strukturen sowie zum anderen auf einen veränderten politischen Betrieb reagierte, dessen Wandel paradoxerweise nicht unwesentlich durch die Demokratisierung im Age of Jackson angestoßen worden war.
3.2
Politisches Denken
Ebenso wenig wie der entstehende Industriekapitalismus in seinen Auswirkungen auf die Wirtschaftssphäre begrenzt blieb, sollte auch der populistische Protest nicht als lediglich auf die materielle Besserstellung der Farmer abzielend begriffen werden. Vielmehr handelte es sich, wie vor allem Norman Pollack (1962) betont, um eine umfassende »Response to Industrial America«. Das heißt, dass neben der von den Populisten artikulierten Sorge um die zunehmende Ungleichheit, um die Spaltung zwischen »the very rich and the very poor […], the master and the servant«,34 auch im weiteren Sinne Sozialkritik geäußert wurde und die Reform des politischen Systems der USA einen zentralen Platz im Denken der Populisten einnahm (vgl. Gay 1891: 311).
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Richard White (2017: 3) geht jüngst sogar soweit, davon zu sprechen, dass »[f]ailed presidencies proliferated across the Gilded Age. […] Its presidents come from the Golden Age of Facial Hair, none of them seemingly worth remembering for any substantial achievement. There was no Age of Harrison.« Vgl. auch Santis (2000: 39-41) und Mauch/Heideking (2018: 32). Viel zitiert ist hierbei ein Ausspruch Rutherford B. Hayes’ (1888: 374), der in seinem Tagebuch festhielt, dass es sich bei der US-amerikanischen Regierung nur noch um ein »government of corporations, by corporations, and for corporations« handele. Und Henry Adams bemerkte: »The day is at hand when corporations […] having created a system of quiet but irresistible corruption – will ultimately succeed in directing government itself« (zit.n. Troy 1997: 21). Farmers’ Alliance vom 6. September 1890, in: Pollack (1967: 17).
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Die Wurzeln des Populismus
Auf diesen drei Pfeilern, so die hier vertretene Lesart, steht das Gedankengebäude der Populisten. Hiermit grenze ich mich vor allem von denjenigen Interpretationen ab, die in Folge von Richard Hofstadters The Age of Reform (1955) argumentierten, dass der populistische Protest am Ende nichts anderes war als Interessenpolitik in neuen Kleidern. Meines Erachtens laufen auch wohlwollendere Interpretationen, die das umfassende Reformprogramm der Populisten auf den ökonomischen Bereich verkürzen, Gefahr, sich in dem von Hofstadter gesponnenen Netz zu verfangen. Denn auch wenn gezeigt werden kann, dass die wesentlichen Anstöße für den zaghaften Ausbau sozialdemokratischer Sicherungssysteme in den USA aus den Reihen der Populisten kamen, ließe sich dies durchaus als unbeabsichtigte Nebenfolge einer im Prinzip lediglich auf das eigene Partikularinteresse zielenden Agenda desavouieren. Wenn jedoch demgegenüber ein Reformprogramm rekonstruiert werden kann, dass deutlich über die eigene materielle Besserstellung hinausweist – selbst wenn diese Teil des Programms gewesen sein mag – fällt es ungleich schwerer, die Populisten lediglich als von der Angst vor sozialem Abstieg getriebene Mittelklasseanhänger zu porträtieren.35 Dementsprechend bemerkt auch Ralf Schimmer (1997: 115), dass sich der Populismus »nicht allein als egoistische Interessenpolitik an den Rand gedrängter Farmer begreifen [lässt], sondern […] notwendigerweise auch die Frage nach den Bedingungen und Grenzen der amerikanischen Demokratie auf[wirft].«36
3.2.1
Rationalisierung und ›saubere‹ Politik
Vermutlich als Folge der ökonomischen Engführung37 sind in den bisherigen Studien zu den Populisten deren im engeren Sinne politischen Reformvorschläge erstaunlich unterbelichtet geblieben, wenngleich diese zum einen im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts in wesentlichen Bereichen tatsächlich umgesetzt wurden – beispielsweise die Direktwahl der US-Senatoren durch die Ratifizierung des 17. Verfassungszusatzes am 8. April 191138 , die Regulierung des Bankenwesens durch den Federal Reserve Act (1913) sowie die Einführung 35 36 37 38
In diese Richtung weist eine der wenigen deutschsprachigen Einlassungen zu den Populisten, die sich bei Franz L. Neumann (1954) findet. Ähnlich Clanton (1991: 36). Chester McArthur Destler (1944: 360) konstatiert beispielsweise: »It is apparent that as a radical system Populism was primarily economic in character.« Zum Erbe der Populisten vgl. Hicks (1931: 404-423), Edwards (2009: 470-472) und Nugent (2013: ix).
3. Das politische Denken der Populisten
der direktdemokratischen Instrumente des referendum und der initiative39 – und sie zum anderen einen prominenten Platz im Denken der Populisten einnahmen. So findet sich in den Beschlüssen der gemeinhin als zentraler Ausdruck der populistischen Ideen angesehenen Omaha Platform von 1892 (vgl. Miller 1993: 56; Priester 2007: 85) an erster Stelle die Forderung nach einer weitreichenden Wahlrechtsreform: »Resolved, That we demand a free ballot and a fair count in all elections, and pledge ourselves to secure it to every legal voter without federal intervention, through the adoption by the States of the unperverted40 Australian or secret ballot.« An siebter Stelle heißt es dann: »Resolved, That we commend to the favorable consideration of the people and the reform press the legislative system known as the initiative and rederendum.«41 Und an achter Stelle schließlich: »Resolved, That we favor a constitutional provision limiting the office of President and Vice-President to one term, and providing for the election of senators of the United States by a di-
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South Dakota führte das initiative 1898 als erster Staat ein; bis 1918 folgten etliche weitere. Auch die von den Populisten geforderte Beschränkung der Amtszeit des Präsidenten wurde im 17. Verfassungszusatz (1951) festgeschrieben, allerdings auf zwei Amtszeiten, nicht auf die geforderte eine (Loewenstein 1959: 31). »Unperverted« muss an dieser Stelle so verstanden werden, dass hiermit die Einführung der geheimen Stimmabgabe zur faktischen Reduzierung (sozioökonomischer) Abhängigkeitsverhältnisse gefordert wurde. Ab den 1880er Jahren war das Australian Ballot nämlich auch von solchen Kräften gefordert worden, die eine Reduzierung der Beteiligung der unteren Schichten intendierten. Vgl. hierzu Buchstein (2000b). Dass die Populisten nicht zu jenen konservativen Kräften gehörten, die bestimmte Bevölkerungsgruppen, vornehmlich die ehemaligen Sklaven in den Südstaaten, von den Wahlen ausschließen wollten, betonen unter anderen Clanton (1984: 156) und Berg (2017: 127). Vgl. auch The Advocate vom 24. Oktober 1894, S. 10. Irritierend bleibt gleichwohl der Zusatz »without federal intervention«, der zweifellos auf das Agieren der ehemaligen Nordstaaten im Süden nach 1865 abzielte, das von vielen Südstaatlern als Bevormundung abgelehnt wurde. Nicht wenigen ging es hierbei sicherlich auch um die Zwecke der Interventionen, namentlich die Gleichstellung der ehemaligen Sklaven. Die Populisten scheinen diesbezüglich dem Prinzip auch aus strategischen Gründen zuzustimmen – schließlich mussten ehemalige Anhänger der Demokratischen Partei gewonnen werden –, die inhaltlichen Beweggründe jedoch nicht zu teilen (vgl. Mitchell 1987: 126). Auf Einzelstaatsebene traten die Populisten auch vermehrt für den recall von Abgeordneten ein, da die bestehenden impeachement-Prozeduren lediglich Dienstvergehen sanktionierten, nicht aber nachlässige Amtserfüllung respektive Nichtstun (Cronin 1989: 130).
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Die Wurzeln des Populismus
rect vote of the people.« (Omaha Platform 1892: 64f.)42 Man muss jene auf den legislativen Prozess bezogenen Reformvorschläge als direkte Reaktion auf den einleitend skizzierten »political stalemate« des Gilded Age lesen (Cronin 1989: 45). Alle diesbezüglichen Beschlüsse der Omaha Platform zielten zum einen auf die Schwächung der den politischen Prozess dominierenden party machines und zum anderen auf die Verunmöglichung privatwirtschaftlicher Einflussnahme auf den politischen Entscheidungsfindungsprozess.43 Am Ende sollte eine ›saubere‹, beinahe technokratisch anmutende Regierungstätigkeit stehen, die die unterschiedlichen Produzenteninteressen mittels für alle akzeptable Gesetze förderte. Von einer tatsächlichen Technokratie unterschieden sich die Forderungen der Populisten freilich in entscheidender Hinsicht durch die gleichzeitig anvisierte Stärkung der direktdemokratischen Elemente sowie durch die im Folgenden ebenfalls darzulegende Überzeugung, dass politische Entscheidungen wesentlich von der Artikulation und Berücksichtigung unterschiedlicher Partikularinteressen abhingen.44 Als quasi-technokratisch45 und in diesem Sinne potentiell undemokratisch lässt sich das politische Reformprogramm der Populisten auf den ersten Blick vor allem aufgrund einer Gemeinwohlrhetorik begreifen, die wieder deutlich nachdrücklicher von der Idee eines eigenständigen »common good« 42
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Auch an anderer Stelle wird die Bedeutung von im engeren Sinne politischen Reformen deutlich. So heißt es beispielsweise im Southern Mercury vom 24. September 1896, S. 2: »The main principles of reform are: Proportional representation, Direct legislation, Land, Money, Transportation. […] It should be remembered that no matter how important other political and economic questions may be, they must all be brought by the ballot, if they are to be settled by representatives. It is well that the Populists […] demand proportional representation. It is the foundation of all reform.« Vgl. The Advocate vom 28. März 1894, S. 12f. Es ist bezeichnend, dass einer der einflussreicheren Interpreten des populist movement, Bruce Palmer (1980: Kap. 6-9), lediglich »Land, Money, Transportation« zu den Reformzielen zählt. Dieser Verkürzung dürfte wesentlich auf die Tatsache zurückzuführen sein, dass »land, money, transportation« die drei Eckpfeiler der Omaha Platform von 1892 waren (Taggart 2000: 33; vgl. Priester 2007: 86). Es fügt sich, dass die zitierten Beschlüsse unter anderen durch einen weiteren ergänzt werden, der die Unterstützung privater Konzerne durch die öffentliche Hand direkt anprangert. »Resolved, That we oppose any subsidy or national aid to any private corporation for any purpose« (Omaha Platform 1892: 65). Diesen Umstand betont Charles Postel (2007: 137-173) in dem ansonsten äußerst erhellenden Kapitel zu den von Populisten vermeintlich geforderten »Business Politics« zu wenig. In diese Richtung argumentiert Postel (2007).
3. Das politische Denken der Populisten
geleitet wird, das es jenseits des vermeintlich schmutzigen Parteienkampfes zu realisieren gelte. Tatsächlich fallen die Populisten jedoch nicht hinter die zögerliche Aufwertung der politischen Parteien, die sich bei den Jacksonians ausmachen lässt, zurück.46 Ihre Kritik richtet sich nämlich keineswegs gegen politische Parteien als Hindernis auf dem Weg zur Politikgestaltung im Sinne eines postulierten Gemeinwohls. Vielmehr bemängeln sie die depolitisierten politischen Parteien, denen an inhaltlichem Streit nicht länger gelegen sei.47 Denn die entscheidende Voraussetzung für eine dem Gemeinwohl dienliche Politik war aus Sicht der Populisten die politische Auseinandersetzung anhand divergierender Prinzipien und Interessen.48 Hiermit wurde nicht das Ideal der einen Politik fallengelassen, die jeweils dazu in der Lage war, das Gemeinwohl zu fördern; erstere hatte sich jedoch im Zuge eines gewissermaßen experimentellen Verfahrens im Wettkampf unterschiedlicher Prinzipien durchzusetzen – und konnte sich im Laufe der Zeit als überholt erweisen.49 Mit Blick auf die politische Sphäre war die Rede vom Gemeinwohl somit weniger in die Vorstellung einer einheitlichen Bürgerschaft eingebettet, denn als Antipode zur beschränkten machine politics zu begreifen, die ungeachtet der sich verändernden Rahmenbedingungen auf althergebrachte Loyalitäten, das bloody shirt oder die Warnung vor der negroe domination setzten, um die eigene Machtposition zu sichern (vgl. Ritter 1999: 28; Abramowitz 1950: 93). So meint W. Scott Morgan50 bezüglich des Aufbaus einer oppositionellen Re46 47
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Dies nimmt fälschlicherweise Priester (2007: 60f.) an. Auf der anderen Seite lassen sich die Populisten mit ihrer Position von solchen Ansätzen abgrenzen, die das Auffinden der jeweils gemeinwohlfördernden Politik in die Hände von dem demokratischen Wettstreit enthobenen Expertengremien legen wollten (vgl. Sanders 1999: 389). Allen voran ist hier der Progressivismus des frühen 20. Jahrhunderts zu nennen (vgl. Balkin 1995). Für das, was zu Beginn des 21. Jahrhunderts als Populismus bezeichnet wird, kann dies, wie Jan-Werner Müller (2016b: 234) – meines Erachtens zurecht – darlegt, nicht mehr gesagt werden. Zum Nutzen öffentlicher Diskussionen vgl. beispielsweise The Advocate vom 20. März 1895, S. 2: »All experience proves that the work of social and political education can only be made successful by such simultaneous discussion as arises from great political campaigns demanded by the most urgent economic conditions of the people.« Vgl. auch Caswell (1985: 172f.). Morgan spielte eine wichtige Rolle beim Aufbau der People’s Party in Arkansas, nachdem er zuvor bereits für die Agricultural Wheel, die Farmers Alliance, die Greenback und die Union Labor Party aktiv gewesen war. Für die People’s Party wirkte er 1891 in Cincinnati als Sekretär einer der beiden großen »industrial conferences«, die 1892 zur Verabschiedung des ersten nationalen Reformprogramms der neu gegründeten Partei führ-
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formpartei, dass eines der größten Hindernisse für diese in den Südstaaten in ihrer öffentlichen Diffamierung bestehen würde, die sich nicht etwa gegen die von der Partei vertretenen Inhalte richten, sondern auf Grundlage vergangener Animositäten eine Auseinandersetzung über jene Inhalte zu verhindern versuchen würde: »It is still within the memory of old men how the placards on Democratic parade wagons, ›Fathers and brothers, save us from negro husbands,‹ and the epithets, ›Black Abolitionist‹ and ›Northern Gorillas,‹ retarded the growth of the Republican party.« (Morgan 1891: 687; vgl. Woodward 1971: 255)51 Ganz ähnlich, und noch deutlicher auf das der rationalen Auseinandersetzungen im Wege stehende Schüren sektionaler Antipathien abzielend, bemerkt Thomas E. Watson, eine der umstrittensten Figuren der populistischen Bewegung:52 »[Y]ou might beseech a Southern white tenant to listen to you upon questions of finance, taxation, and transportation; you might demonstrate with mathematical precision that herein lay his way out of poverty into comfort; you might have him ›almost persuaded‹ to the truth, but if the merchant who furnished his farm supplies (at tremendous usury) or the town politician (who never spoke to him excepting at election times) came along and cried ›Negro rule!‹ the entire fabric of reason and common sense which you had patiently constructed would fall, and the poor tenant would joyously hug the chains of an actual wretchedness rather than do any experimenting on a question of mere sentiment.« (Watson 1892: 11)53
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te. Bedeutung erlangte Morgan darüber hinaus durch das Verfassen der gewissermaßen offiziellen Geschichte des populistischen Protestes in seinem History of the Wheel and Alliance and the Impending Revolution (1891). Vgl. auch Morgan (1891: 726f.). Watson war der wohl prominenteste Vertreter der People’s Party in Georgia. Er gilt aufgrund dessen als eine der streitbarsten Figuren der Bewegung, dass er im Zuge des allmählichen Zerfalls der Partei nach 1896 begann, rassistische Positionen zu vertreten, mit denen er noch zweimal versuchte, ins Weiße Haus einzuziehen. Vgl. auch Thomas L. Nugent (1896: 125f.), zweifacher Kandidat der People’s Party für das Amt des Gouverneurs von Texas, der den politischen Stillstand im Gilded Age ebenfalls wesentlich durch die alten Rivalitäten aus der Bürgerkriegszeit und deren Instrumentalisierung bedingt begreift. Ähnlich auch W. Scott Morgan, der bezüglich der traditionellen Loyalitäten von einer »sentimental politics« spricht, die das Gegenteil rationaler Debatten befördere (Morgan 1891: 735). Vergleichbar schließlich Southern Mercury vom 14. Mai 1891, S. 1. Vgl. zu diesem Komplex auch Mitchell (1987: 77). Mir scheint vor diesem Hintergrund mehr als fragwürdig, ob man den Populismus gegen eine ver-
3. Das politische Denken der Populisten
Mit anderen Worten fußte eine dem Gemeinwohl dienliche Politik nicht auf der Annahme, dass es eine Politik gebe, die dem Wohl der als Einheit verstandenen Bürgerschaft diente, und demgegenüber solche Alternativen, die die Wenigen begünstigte; vielmehr war eine gemeinwohldienliche Politik daran zu erkennen, dass sie sich nicht beschränkten Partikularinteressen verschrieb – also in erster Linie Politik für die Wähler der Demokratischen, die Wähler der Republikanischen Partei oder partikularer Wirtschaftsinteressen betrieb –, sondern die unterschiedlichen in einer Gesellschaft existierenden Interessenlagen auf eine Art miteinander zu verbinden versuchte, die niemanden übervorteilte.54 Dieser Aspekt ist wichtig, da jene Haltung auf die Akzeptanz eines gesellschaftlichen Pluralismus verweist, die bei den Jacksonians und Jefferson angesichts des Erbes eines republikanischen Homogenitätsideals noch schwächer ausgeprägt war. Dies wird weiter unten im Zuge der Diskussion der von den Populisten geforderten »proportional representation« noch deutlicher werden. Für den Moment entscheidend ist, dass sich die populistische Gemeinwohlrhetorik nicht auf die griffige Formel des »There is no alternative« herunterbrechen lässt, sondern, ganz im Gegenteil, darin gipfelte, dass die eine rationale, das Gemeinwohl fördernde Politik nur durch die öffentliche Auseinandersetzung ermöglicht werde. Der TINA-Rhetorik bedienten sich gerade nicht die Populisten, sondern deren Widersacher, wie beispielsweise mit Blick auf die ökonomischen und hier vor allem geldpolitischen Reformvorschläge Ersterer deutlich wird. Diese wurde von den etablierten politischen Kräften in aller Regel mit naturalistischen Argumenten gekontert, die die Widernatürlichkeit geldpolitischer Maßnahmen jenseits des Goldstandards herauskehrten und auf diese Weise jedwede Debatte über den geldpolitischen Kurs des Landes von vornherein unterbinden wollten. Die Populisten forderten gegenüber naturalistischen oder traditionalistischen Argumentationen eine Politik, die der Veränderbarkeit der vom Menschen gemachten Lebensbedingungen Rechnung trug,55 indem sie sich sowohl mit in anderen Ländern erprobten
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meintlich erst von den Progressiven vorangetriebene Rationalisierung des demokratischen öffentlichen Diskurses in Stellung bringen kann, wie Balkin (1995) dies tut. »[T]he Civil War is over, and […] every passion and resentment which grew out of it must die with it; and […] we must be in fact, as we are in name, one united brotherhood of freemen« (Omaha Platform 1892: 62). Vgl. hierzu Mitchell (1987: 130-133).
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Organisationsweisen auseinandersetzte,56 von Erkenntnissen profitierte, die ihren Ursprung paradoxerweise in den Großunternehmen des ausgehenden 19. Jahrhunderts hatten, als auch von Erfahrungen zehrte, die innerhalb der USA mit öffentlichen Unternehmen gemacht wurden, allen voran mit dem Postwesen. Mit Blick auf Banken, Eisenbahnunternehmen und die Agrarindustrie empfahl beispielsweise William Peffer, von 1891 bis 1897 US-Senator für die People’s Party: »Now, let the farmers and their co-workers learn from the lessons which these things teach.« (Zit.n. Postel 2007: 140; vgl. Breitzer 2014: 449) Die Populisten traten somit für eine rationalere, an wissenschaftlichen und betrieblichen Erkenntnissen57 orientierte politische Auseinandersetzung ein, die die parteipolitischen Scheingefechte, die sich nicht an den Dingen, sondern an überlebten Loyalitäten entzündeten, ersetzen sollte. »The impression is too widely prevalent«, so Morgan (1891: 262-269), »that politics consists in one man getting up and calling another man a liar. That the manner of conducting campaigns have furnished good grounds for this belief can not be denied. […] We do not wish to be understood that any constitutional provisions, by-laws or previous obligations, shall bind its [the Farmers’ Alliance’s; T.M.] members to vote for measures and candidates which they can not conscientiously endorse. To do this would be to adopt a system of which we now have just grounds of complaint. […] ›Great questions can never be settled by men calling each other thieves and rascals. It is more like the acts of children than men. […] It becomes us as men to look at these matters in their proper light. Not as Republicans or Democrats, but as citizens.‹« Die populistische Kritik ging hiermit über den Vorwurf eines zu großen Einflusses wirtschaftlicher Akteure auf den politischen Entscheidungsfindungsprozess hinaus, wenngleich dieser ohne Zweifel eine zentrale Rolle spielte, wie weiter unten zu zeigen sein wird. Mindestens ebenso kritikwürdig war
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Zuvorderst erwähnenswert zu diesem Thema ist Marion Todds Railways of Europe and America (1893). Todd war die erste jemals in Kalifornien zugelassene Juristin und zählte zu den führenden Rednerinnen der populistischen Bewegung (vgl. Marin-Lamellet 2014: 79). Vgl. hierzu beispielhaft The Advocate vom 29. Januar 1896, S. 12: »It has been the lack of this [economic; T.M.] knowledge by our national and State legislators, rather than depravity, which has concentrated the wealth and power (wealth is power) of all the people in a few thousand hands.«
3. Das politische Denken der Populisten
die Apathie der etablierten Parteien angesichts einer beispiellosen sozioökonomischen Transformation, die zwar, wie einleitend bemerkt, nicht zu einer Depolitisierung des Landes führte, jedoch aus populistischer Perspektive inhaltlich entleert war. Den Grund hierfür erblickten die Populisten im spoils system, den machine politics und althergebrachten Loyalitäten, wobei all diese Aspekte einer rationalen, den Problemen der Zeit zugewandten Politik im Wege standen.58 »When Rome was free every one spoke his opinion freely, but after the question was decided by a vote all felt bound and did support it. The difference between us and the Romans is their politicians discussed proposed legislation, while our politicians sidetrack the people by discussing something else.«59 Kritisiert wurden somit nicht nur externe Einflussfaktoren, sondern die interne Beschaffenheit des politischen Systems. Die Reformvorschläge, die in dieser Problemlage Abhilfe schaffen sollten, zielten zum einen auf das politische Personal und zum anderen auf dessen Kontrolle; sie lassen sich als zwei Seiten einer Medaille begreifen. Die vereinzelt geäußerte radikale Ablehnung des Repräsentativsystems scheint mir nicht als repräsentativ für die Bewegung insgesamt angesehen
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Beispielhaft beobachtet James Weaver, 1892 Präsidentschaftskandidat der People’s Party, im Rahmen der Abstimmung über die Ausweitung der Geldmenge im US Senat, dass »the great body of Democratic Senators voted for free coinage with no higher motive than to embarrass the Republican speaker, the leader of the House and the administration, who were known to be hostile to such legislation.« Um Prinzipien beziehungsweise die Lösung bestehender Probleme ging es demnach nicht mehr; das einzige ›Prinzip‹, das gültig zu sein schien, war jenes der jeweiligen Parteizugehörigkeit, die Inhalte waren lediglich zweitrangig. »[W]ith a sort of feline cruelty they [the Senators; T.M.] were only playing with the free coinage mouse.« (Weaver 1892a: 30) In eine ähnliche Richtung weist der bereits zitierte W. Scott Morgan, wenn er schreibt, dass »[t]he present policy of the two great political parties is similar to the action of a conceited old maid, who admires herself for what she once was and the conquests she had made.« (Morgan 1891: 715) O. Gene Clanton resümiert mit Blick auf die Folgewirkungen des populistischen Protestes dementsprechend: »Indeed, it would appear that an intense nonpartisan spirit was one of Populism’s major contributions to the politics of the first decade of this century.« (Clanton 1977: 575; vgl. ders. 1991: 37) »Nonpartisan« darf hierbei jedoch, wie dargelegt, nicht im Sinne des Homogenitätsideals der Early Republic verstanden werden. Southern Mercury vom 8. Juni 1893. Hervorh., T.M. Vgl. hierzu auch Diggs (1892: 162) und Nugent (1896: 127). Annie Diggs zählte zu den bekanntesten Rednerinnen der populistischen Bewegung und führte 1892 die Delegation Washington, D.C.s auf dem Gründungsparteitag der People’s Party an.
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werden zu können.60 Wie Mitchell (1987: 78f.) bemerkt, stellten die Populisten die Notwendigkeit politischer Repräsentation mehrheitlich nicht in Frage. Mit Blick auf Coxey’s March61 warnt der Southern Mercury gar eindringlich vor den Gefahren einer »government by multitude«, womit in diesem Zusammehang das Vorhaben Coxeys bezeichnet wurde, die von den Arbeitslosen erhobenen Forderungen nach einem Marsch in Richtung Washington, D.C. auf den Treppen des Kapitols zu verkünden. Eine solche ad hocMobilisierungspolitik würde auf Dauer aufgrund dessen schädliche Folgen haben, dass sie nur eine andere Form der Partikularinteressendurchsetzung wäre. »[M]ultitude after multitude […] may arrive until representative government must give place to ›government by multitude‹ […]. Of course during this period of thickening evils the Atlantic seaboard, with its great cities so near the capital, would furnish the multitudes and do the governing. The great rural district could have no voice in such a government. Their salvation depends upon the preservation of representative government.«62
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Radikaler wurde der Tonfall, vermutlich auch aufgrund einer zunehmenden Frustration, eher später. So heißt es in einem Beitrag in der Southern Mercury vom 15. Juli 1897, S. 11, also einige Monate nach der Wahlniederlage William Jennings Bryans von 1896, die viele Interpreten als den Anfang vom Ende der populistischen Revolte begreifen: »Representative government […] has borne its legitimate fruits, and they are dead sea apples of corruption and residuous injustice. Representative government is a failure. […] Interest coincide with justice, not in government, but in self-government; not in any form of rule by others, but in pure democracy, where the people rule themselves. Where the people vote or are able to vote on every law by which they are to be governed, then interest coincides with justice.« Hier wird der repräsentativen Regierungsform tatsächlich jeder Eigenwert abgesprochen. Als Coxey’s March wird ein Protestmarsch von Arbeitslosen unter der Führung Jacob Coxeys in Richtung Washington, D.C. im Jahr 1894 bezeichnet. Das Ziel des Protestmarsches war das Kapitol, am Fuße dessen die zentralen Forderungen der Arbeitslosen artikuliert werden sollten, allen voran jene nach der staatlichen Schaffung von Arbeitsplätzen. Zu Coxey’s March vgl. Alexander (2015). Southern Mercury vom 21. Juni 1894, S. 4. Hiermit ist freilich nicht gesagt, dass die Populisten einer Berücksichtigung der Interessen der Arbeitslosen skeptisch gegenüberstanden; das Gegenteil war der Fall. Vgl. hierzu etwa The Advocate vom 28. März 1894, S. 4.
3. Das politische Denken der Populisten
Diese Überlegung trifft sich mit jener im Folgenden darzulegenden Kritik James B. Weavers63 am Repräsentantenhaus und dessen Arbeitsweise. Weaver bemängelt hier zunächst die weiter oben bereits dargelegte Dominanz parteipolitischer Kalküle zuungunsten inhaltlicher Auseinandersetzungen. De facto würden Schlüsselpositionen der parlamentarischen Arbeit – Weaver nennt hier vor allem den Speaker of the House und mit diesem zusammenhängend die Ausschüsse – nach parteipolitischen Erwägungen vergeben, was deren Zweck unterminieren würde. Tatsächlich hatte sich das Amt des Speaker insbesondere durch dessen Hoheit über die Bestimmung der Ausschussvorsitzenden zu einem überaus machtvollen Posten entwickelt.64 Problematisch hierbei war der Umstand, dass der Speaker, »trotzdem er sich in seiner Amtsführung der Unparteilichkeit gegenüber allen Mitgliedern befleißigen muss […], in erster Linie ein Parteinmann [ist], der dafür zu sorgen hat, dass seine Partei, die Mehrheitspartei, im gesamten Kongressbetrieb die Führung innehat und behält.« Dies gelang ihm zum einen durch die angesprochene Besetzung der Ausschussvorsitze, aber auch durch die Beeinflussung der Plenardebatte »[d]urch die ›Erkennung‹ (recognition) von Mitgliedern, die sich zum Wort melden, und durch das geflissentliche Übersehen solcher Wortmeldungen, die ihm aus geschäftsführungstaktischen Gründen nicht genehm sind« (Loewenstein 1959: 187f.). Gemäß der in der US-amerikanischen Verfassung festgehaltenen verfahrensbezogenen Selbstorganisation des Kongresses65 forderten Weaver und die Populisten eine Änderung jener Praxis. »The
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Weaver trat 1892 für die People’s Party als Kandidat für das Amt des US-Präsidenten an. Zudem legte er im gleichen Jahr mit A Call to Action eine Analyse der Gründe für den populistischen Protest vor. Die Besetzung der Ausschussvorsitze war aufgrund dessen ein machtvolles Instrument, dass »im Kongress die Hauptarbeit in den Ausschüssen (committees) geleistet [wird], der gegenüber die der endgültigen Abstimmung vorhergehenden Plenarberatungen in der Regel an Bedeutung nachstehen. Die Ausschüsse müssen zunächst entscheiden, was von der sich jedes Jahr über den Kongress ergießenden Sintflut von Gesetzesentwürfen und anderen Vorlagen wertvoll und dringlich genug ist, um gesetzgeberische Beachtung zu beanspruchen. Außerdem werden die Gesetzgebungsvorschläge allein in den Ausschüssen sachlich beraten und gesetzgeberisch formuliert.« (Loewenstein 1959: 189) Hierbei sind »[d]ie Machtvollkommenheiten eines Ausschussvorsitzenden […] bedeutend: Von ihm hängt das ganze Verfahren ab, und ohne seine Zustimmung kann kein Vorschlag auf die Tagesordnung gesetzt werden« (ebd.: 191). »Each House may determine the Rules of its Proceedings« (Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika, Art. I, 5, in: https://www.senate.gov/civics/constitution_item/ constitution.htm?utm_content=buffer05951).
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thought we wish to bring out is this: Why, beyond the point of absolute necessity, should one Member be clothed with the power which clearly belongs to the whole body collectively?« (Weaver 1892a: 52) Durch die Besetzung der Ausschussvorsitze durch den Speaker werde eine proportionale Repräsentation der pluralen Interessen innerhalb der Wählerschaft verunmöglicht, da dieser eben in erster Linie Parteimann sei.66 Auf diese Weise werde eine unverhältnismäßig große Machtfülle in die Hände eines Mannes gelegt, der sich nicht in erster Linie durch besondere Fähigkeiten auszeichne, sondern lediglich durch die Anerkennung (s)einer Partei. Der Speaker müsse jedoch als eine Art ehrlicher Makler innerhalb des Parlaments fungieren, nicht als parteipolitischer Akteur: »It is not his province to originate political creeds, but to represent and to assist the lawmaking body to faithfully reflect the will of the great constituency.« (Ebd.: 61f.) Um dies jedoch tun zu können, müsse seine Rolle neu definiert werden; vor allem dürfe ihm nicht länger die Besetzung der Ausschussvorsitze obliegen. Stattdessen, so Weaver, »[i]t would more nearly comport with the dignity and character of our chief lawmaking body if the assignement of Members to committees were made by a well-guarded special committee, selected by the House itself – a committee in which all parties and shades of opinion could be fairly represented.« (Weaver 1892a: 63; Hervorh., T.M.) In eine ähnliche Richtung weist Weavers Auseinandersetzung mit den Quorenbestimmungen im Repräsentantenhaus. Auch hier sieht er die Gefahr der Nicht-Repräsentativität durch die Verwässerung der Anwesenheitsbestimmungen. Anlass zur Sorge bot ihm die von Thomas Reed, dem damaligen republikanischen Speaker, eingebrachte und verabschiedete Abstimmungsreform im Repräsentantenhaus. Reed hatte die Bestimmungen so geändert, dass die Demokraten Gesetzesvorlagen nicht mehr einfach über NichtAbstimmung blockieren konnten (vgl. White 2017: 626) und auf diese Weise versucht, die knappe und daher stets bedrohte Mehrheit der Republikaner künstlich auszuweiten.67 In letzter Konsequenz, so Weaver, laufe dies darauf 66
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Tatsächlich wurde jene Praxis durch Reformen in den Jahren 1909 und 1910 abgeschafft, um eine unabhängigere Arbeitsweise der committees zu gewährleisten (vgl. Zelizer 2010: 399). Die Nicht-Abstimmung war für die oppositionellen Minderheiten aufgrund dessen ein probates Mittel, dass die Verfassung (Art. 1, 5, 1) zur Beschlussfassung lediglich die Mehrheit der gewählten Abgeordneten vorsah, wobei die Verfassungspraxis unter dieser Mehrheit die tatsächlich Abstimmenden verstand. Eine starke Opposition konnte Gesetzesvorhaben demnach dadurch verhindern, dass sie schlicht nicht abstimmte
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hinaus, dass bei Anwesenheit von 167 Abgeordneten eine beliebig kleine Zahl an Ja-Stimmen ein Gesetz verabschieden könne, »however vicious and important.« (Weaver 1892a: 65) Weavers Einwand war und ist sicherlich streitbar und tatsächlich sorgte die Reed Rule dafür, dass das Parlament in der Folge effizienter arbeiten konnte, da es weniger anfällig für Blockadetaktiken von Seiten der Opposition war.68 Allerdings ist es wichtig, das Motiv für Weavers Kritik in den Blick zu nehmen. Seinem Einwand lag nämlich die Annahme zugrunde, dass es für gesellschaftliche Reformprojekte breiter Mehrheiten bedürfe. Mit einem einfachen »The majority is to govern«, das das politische Denken der Jacksonians noch so nachhaltig angeleitet hatte, konnte es nicht mehr getan sein, wenn hierdurch im Zweifelsfall große Bevölkerungsgruppen übervorteilt werden konnten. In die gleiche Richtung zielte die Kritik am Mehrheitswahlrecht, welches naheliegenderweise vor allem zu Lasten von Drittparteien beziehungsweise allgemein von Minderheiteninteressen69 ging. »True republican government«, so der Southern Mercury, »should reflect the will of the entire people, but as our constitution, state and national, now stand, minority parties have no voice whatever in the government. In principle, and often in practice, there is little difference between the despotism of a majority and the despotism of our [sic!] man. All political parties in the United States should have, as nearly as practicable, their prorata of representation in congress. As it now is, half the people of the United States have no representation either in congress or the state legislatures. As a rule the dominant party is in power by a mere plurality, while
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und auf diese Weise das Zustandekommen des notwendigen Quorums unterminierte. Durch Reeds Reform wurden die Anforderungen insofern heruntergeschraubt, dass nunmehr die schiere Anwesenheit einer Abgeordnetenmehrheit im Repräsentantenhaus, d.h. irgendwo im Gebäude, ausreichte, um beschlussfähig zu sein (Zelizer 2010: 398). Die Steigerung der parlamentarischen Effizienz war für Reed zweifelsohne der entscheidende Gesichtspunkt, lautete sein viel zitiertes Credo doch, dass »[t]he best system is to have one party govern and the other party watch« (zit.n. Strahan 2007: 95). »Where there are more than two parties it very often follows that a majority of voters are in the minority as far as actual representation is concerned.« Southern Mercury vom 13. Dezember 1894, S. 6. Vgl. Southern Mercury vom 30. Januar 1896, S. 2.
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the aggregate vote of the several minority parties constitutes over half the vote.«70 Um dem entgegenzuwirken, plädierten die Populisten für eine proportionale Repräsentation und eine dementsprechende Reform des Wahlrechtes in Richtung »free-list« oder »Hare-Spence-system«. Dieses sah mit Blick auf das Repräsentantenhaus vor, dass die Gesamtzahl der abgegebenen Stimmen durch die dem jeweiligen Einzelsstaat zustehende Anzahl an Abgeordneten geteilt würde, um so zu ermitteln, wie viele Stimmen es bedurfte, um einen Abgeordneten in das Parlament zu entsenden. Hiernach sollten die Stimmen, die die jeweiligen Parteien auf sich vereinigen konnten durch jene geteilt werden, die ein Abgeordneter gemäß der ersten Rechnung auf sich hätte vereinigen müssen. Dieses System der »proportional representation«, so The Advocate, »cannot intelligently be considered in any sense minority representation, for it is really representation of the whole people, and makes majority rule a fact in practice as well as in theory. Those who look into the operation of the forces of government can but see that what we have in the way of representation is but a travesty upon popular government.«71 Ähnlich sollte das von anderen Populisten präferierte »Hare-Spence-system« wirken, das auf Grundlage des Single Transferable Vote die Bedeutung organisierter Parteien schwächen und eine proportionalere Repräsentation befördern sollte.72 Die populistischen Überlegungen zu Wahlrechts- und Parlamentsreform sind insofern bedeutsam, dass sie jene Interpretationen entkräften, die den 70
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Southern Mercury vom 21. November 1895, S. 2. Vgl. auch The Advocate vom 24. Februar 1897, S. 2: »We do not have government by majority, except in rare instances the rights of minorities are ruthlessly ignored, though such rights are as sacred as those of the majority and may be even more valuable to the whole people by the justice and ability of their representatives.« The Advocate vom 26. Juni 1895, S. 13. Vgl. Southern Mercury vom 2. Januar 1896, S. 15 und Southern Mercury vom 23. März 1893, S. 6. Wenn Charles E. Gilbert (1963: 615f.) von einer »populist tradition of representation« spricht und diese mit einem simplizistisches Verständnis von Mehrheitsentscheidungen gleichsetzt, dann hat dies mit der hier dargelegten »proportional representation« nichts gemein. The Advocate vom 25. November 1896, S. 3. Das dem Single Transferable Vote-System (STV) zugrundeliegende Prinzip ähnelt jenem des »free-list system«. Das STV sieht die Reihung mehrerer zur Wahl stehender Kandidaten gemäß den Präferenzen des jeweils Wählenden vor. Erreicht ein Kandidat die vorher errechnete Zahl der für die Wahl notwendigen Stimmen, werden jene Stimmen, die ihn hiernach noch als Top-Präferenz gesetzt hatten, automatisch auf die in der Präferenzliste folgenden Kandidaten übertragen usw., bis am Ende alle Parlamentssitze vergeben worden sind.
3. Das politische Denken der Populisten
Populisten einen »crude utilitarianism« attestieren, dem zufolge die durch das Mehrheitswahlrecht zustandegekommenen Mehrheiten ohne Rücksicht auf Verluste ›durchregieren‹ können sollten.73 Wenngleich es unter den Populisten sicherlich die Überzeugung gab, selbst Mehrheitsmeinungen zu vertreten, lassen sie sich angesichts der dargelegten Reformvorschläge kaum als Verfechter eines simplen Majoritätsprinzips porträtieren, das für Jackson handlungsleitend war.74 Vielmehr lassen sie sich als Pluralisten bezeichnen, die an einer möglichst integrativen politischen Entscheidungsfindung interessiert waren, welche dafür sorgen sollte, dass sich »all parties and shades of opinion« in den legislativen Beschlüssen75 wiederfinden konnten, nicht lediglich die Haltung der jeweils siegreichen Partei. So heißt es beispielsweise bei Henry D. Lloyd76 in kritischer Abgrenzung zum einfachen Majoritätsprinzip: »The greatest happiness of the greatest number is only the doctrine of selfinterest writ large and made more dangerous by multitude. It is the self-interest of the majority, and this has written some of the unlovliest chapters of history.« (Lloyd 1894: 506) Für die hier vorgeschlagene Lesart spricht über die angeführten Überlegungen zum Wahlrecht, dass sich die Populisten in den weniger agitatorischen Texten unumwunden als Minderheit bezeichnen, deren numerische Stärke jedoch nichtsdestotrotz nicht mit der Anzahl ihrer Repräsentanten korrespondiere.77 Von dem oft ins Feld geführten »paranoid 73 74
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So beispielsweise Mitchell (1987: 80). Jackson hatte, wie im vorangegangen Kapitel dargelegt, aufgrund der von ihm 1824 erlangten Stimmenmehrheit beansprucht, für das ganze Volk sprechen zu können beziehungsweise hatte dieses ob des vermeintlichen »corrupt bargain« um seine Stimme gebracht gesehen. De facto hatte Jackson jedoch ›nur‹ 41,4 % der Stimmen auf sich vereinigen können. Dies war freilich deutlich mehr als die 30,9 % John Quincy Adams’, es war jedoch weit entfernt von der von den Populisten im Zuge der proportionalen Repräsentation imaginierten »majority rule«. Im Progressive Farmer vom 17. Dezember 1895, S. 8 wird sogar explizit kritisch darauf hingewiesen, dass Jackson gerade keine Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigen konnte. Teilweise wurde ein auf proportionale Repräsentation zielendes Wahlverfahren auch für die Besetzung von Supreme Court-Richtern vorgeschlagen. Vgl. hierzu Progressive Farmer vom 27. Oktober 1896, S. 4. Lloyd war einer der ersten investigativen Journalisten in der US-amerikanischen Geschichte und kandidierte 1894 als Kandidat der People’s Party für das Repräsentantenhaus. Beispielsweise Progressive Farmer vom 27. Oktober 1896, S. 4 und Southern Mercury vom 24. März 1892, der seinen Lesern die Lektüre von John Rogers Commons Proportional Representation (1896) empfiehlt, in welchem dieser sich mit der Förderung einer Repräsentation von Minderheiteninteressen auseinandersetze. Der Verweis auf Com-
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style« (Hofstadter 1964), dessen Anhänger Wahlen, aus denen die jeweils präferierte Partei nicht als Sieger hervorgeht, als Betrug betrachten, ist in den hier ausgewerteten Quellen nichts zu sehen. Wie eingangs bemerkt, sah sich auch der Senat populistischen Angriffen ausgesetzt.78 Er wurde vor allem aufgrund dessen zum Ziel der Kritik, da sich dessen von den Verfassungsvätern imaginierten Vorzüge – namentlich die durch die längere Amtszeit bedingte größere Unabhängigkeit der Senatoren, die den politischen Weitblick zu fördern helfen sollte79 – aus Sicht der Populisten in ihr Gegenteil verkehrt hatten. Bemerkenswert ist zunächst, dass führende Mitglieder der People’s Party im Prinzip nichts gegen den traditionell elitären Senat einzuwenden hatten. James B. Weaver beispielsweise bescheinigt ihm über viele Dekaden nützliche Arbeit verrichtet und fähige Männer angezogen zu haben. Das meritokratische Ideal hätte sich jedoch in den rund 100 Jahren, die seit der Verfassungsgebung vergangen waren, verflüchtigt. Abgelöst worden sei es durch die gezielte Beeinflussung der Senatorenauslese durch finanzstarke Akteure.80 Hierzu hätten die indirekte Wahl der Senatoren ebenso beigetragen, wie dessen vergleichsweise intransparente Arbeitsweise (Weaver 1892a: 24). Besondere Bedeutung komme diesem Umstand angesichts der Machtfülle des Senats zu, der sowohl das Repräsentantenhaus als auch die Exekutive beeinflusse; Ersteres aufgrund seiner legislativen Zustimmungspflichten, Letztere durch sein ämterbezogenes und außenpolitisches Mitspracherecht.81 Die Antizipation des senatorischen Vetos durch das Repräsentantenhaus führe dazu, dass dieses in erster Linie darauf bedacht sei,
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mons und auf Charles Richardsons Party Government (1892), die beide von der American Academy of Political and Social Science herausgegeben wurden, verdeutlicht überdies die keineswegs antiintellektualistische Haltung der Populisten; tatsächlich waren sie, wie oben dargelegt, der Nutzung und Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse gegenüber mehr als offen. Ähnliche Verweise respektive Referenzen finden sich beispielsweise in The Advocate vom 10. Oktober 1894, S. 3, The Advocate vom 17. Januar 1894, S. 10 und mit Blick auf die Vorteile direktdemokratischer Instrumente in The Advocate and News vom 5. April 1899, S. 2f. Die Kritik am Senat war schärfer, was darauf zurückgeführt werden muss, dass »[t]he upper house, populated by powerful politicians sympathetic to the business interests […] that dominated their state legislative electors and promoted their own careers, was hardly a popular forum in the late nineteenth century. Its posture was strongly conservative and would respond only to massive public pressure« (Sanders 1999: 185). Vgl. hierzu Hamilton/Madison/Jay (1787/88: 374). Vgl. auch The Advocate vom 29. August 1894, S. 10. Vgl. Loewenstein (1959: 216f.).
3. Das politische Denken der Populisten
Gesetzesvorschläge zu verabschieden, die eine Chance darauf hätten, den Senat zu passieren; dem untergeordnet seien »the pressing wants of the public«, die das Repräsentantenhaus eigentlich zu berücksichtigen hätte (ebd.: 27). Sei die Vetomöglichkeit des Senats von den Verfassungsvätern ursprünglich zur Wahrung einer ausgeglichenen Gesetzgebung vorgesehen gewesen, so hätte sie sich aufgrund der Beeinflussungsmöglichkeiten der Senatorenauswahl in ihr Gegenteil verkehrt. »[I]t was not contemplated, even by Dickinson and Hamilton, that it [the Senate; T.M.] should become the stronghold of monopoly, nor that it should hedge up the way to all reform and make impossible the peaceful overthrow of conceded abuses.« (Ebd.: 29)82 Neben den Möglichkeiten der Einflussnahme durch externe Akteure bemängelten die Populisten jedoch auch die Senatoren als solche. Dies geschah weniger auf Grundlage ihrer vermeintlichen Untauglichkeit – wenngleich auch diese Karte durchaus gespielt wurde – als vielmehr mit Blick auf Interessenkonflikte, die dem öffentlichen Amt im Wege stehen würden, sowie hinsichtlich einer falschen Haltung der Repräsentanten. So war abermals Weaver die überproportionale Vertretung des Anwaltsberufs in den Reihen der Senatoren aufgrund dessen ein Dorn im Auge, dass die Anwaltstätigkeit für private Akteure nicht mit legislativen Amtsübernahmen im Sinne einer Förderung des Gemeinwohls in Einklang zu bringen sei. »When the Supreme Court is in session«, so Weaver (ebd.: 32), »it is a common thing to see the leading Senators leave their seats and pass into the court room, there to act as counsel for the leading corporations. […] Such things are incompatible with the faithful discharge of public duty.«83 Ebenfalls nicht mit den Pflichten des Amtes in Einklang zu bringen, war eine Haltung auf Seiten professioneller Politiker, die – gemäß des oben skizzierten spoils system – öffentliche Posten vor allem als persönlichen Gewinn begriffen und eben nicht als Dienst an der Gemeinschaft. »The politician«, so der Vorwurf, »looks on morality and the public good and the public honor as the gambler looks on his cards.«84 Dass jene Haltung eingenommen werden konnte, hatte aus Sicht der Populisten wesentlich mit der zunehmend größer werdenden Bedeutung finanzieller Mittel innerhalb des politischen Systems, vor allem in Form der Wahlkampffinanzierung, zu tun. Nach der Nominierung ihrer jeweiligen
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Vgl. hierzu auch Southern Mercury vom 19. Juli 1894, S. 2. Vgl. auch Morgan (1891: 271): »It is natural for a man to legislate in the interest of that branch of industry in which they are engaged.« Southern Mercury vom 8. Januar 1891, S. 6.
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Kandidaten, so Howard,85 »both parties go to the plutocracy and say, ›We must have campaign funds with which to make this fight.‹« (Howard 1895: 240)86 Auch Weaver prangert die ungleichen Zugangsvoraussetzungen zu öffentlichen Ämtern im Zuge seiner Kritik am Niedergang meritokratischer Prinzipien an. »Indeed, it has become of late the custom to inform the public, in a general way, that it cost the successful candidate from $50.000 to perhaps four times that sum to secure his election, and that the rival and defeated candidate – well, he was a little too coarse to pass through the Hamiltonian filter. His purse gave out, and the glittering prize eluded his grasp.« (Weaver 1892a: 36; vgl. Grazia 1951: 153) Eingedenk Weavers weiter oben zitierter Auffassung, der zufolge der Senat bis zum US-amerikanischen Bürgerkrieg durchaus im Sinne der checks and balances fungiert hätte, mokiert er sich an dieser Stelle weniger über den »Hamiltonian filter« als vielmehr über die Tatsache, dass dieser vollständig ad absurdum geführt worden sei. Herausgefiltert werden nun nicht mehr diejenigen Bewerber mit den geringsten Fähigkeiten, sondern jene mit den kleineren finanziellen Ressourcen (vgl. Rosen 2006: 284f.). Jene Praxis hatte zwei verheerende Konsequenzen, die unmittelbar zusammenhingen: Zum einen führte sie zu einer Homogenisierung der Abgeordneten, zum anderen verunmöglichte sie, ebenso wie dies für die althergebrachten Parteiloyalitäten gesagt werden konnte, die Interessenartikulation und -berücksichtigung marginalisierter Teile der Bürgerschaft. Homogenisierend wirkte die zunehmende Bedeutung finanzieller Ressourcen im politischen Auswahlprozess naheliegenderweise aufgrund dessen, dass nur noch wohlhabende oder wohlhabenden Gönnern nahestehende Personen eine ernsthafte Chance auf Wahlerfolge hatten.87 Weavers Klage 85 86
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Milton W. Howard war von 1894 bis 1898 Mitglied des Repräsentantenhauses für die People’s Party. Ganz ähnlich Nugent (1896: 127): »The big bankers and money lenders, the stock jobbers, the men who bull and bear the market, must be kept in good humor, must, indeed, be satisfied that their special privileges are not to be taken from them, otherwise campaign funds must dwindle and party success be jeopardized.« Vgl. auch Weaver (1892a: 284). Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch eine Überlegung, die sich in The Advocate vom 7. August 1895, S. 14 findet, und der zufolge durch den zunehmenden Einfluss der Wahlkampffinanzierung vor allem solche Männer ins Amt gewählt würden, deren wesentlicher Antrieb Eitelkeit sei. Die mit Letzterer einhergehende Selbstbezogenheit ermögliche es dem Amtsanwärter sich den Interessen der »moneyed power« zu unterwerfen, solange diese ihn ins Amt bringe. Welche Folgen ein politi-
3. Das politische Denken der Populisten
über den überbordenden Einfluss wohlhabender Senatoren hing somit wesentlich mit der Abgeordnetenauslese zusammen, wobei sich die Kritik neben dem Hinweis auf die notwendigen finanziellen Voraussetzungen auch auf die indirekte Wahl der Senatoren bezog, die aus Sicht der Populisten den zweiten Schutzmechanismus der herrschenden Kräfte gegen reformorientierte Kandidaten darstellte (Weaver 1892a 31). Interessenartikulation und -berücksichtigung wurden durch die immer teurer werdenden Wahlkämpfe aufgrund dessen behindert, dass ob der sehr unterschiedlichen Möglichkeiten der etablierten politischen Kräfte gegenüber den seit dem Bürgerkrieg vermehrt auftauchenden Drittparteien, die etablierten Kräfte eine Art Informationsmonopol für sich beanspruchen konnten, die es den kleineren Parteien und sozialen Bewegungen kaum möglich machte, die Wählerschaft in ausreichendem Ausmaß zu erreichen – selbst wenn sie sich jenseits althergebrachter Loyalitäten überhaupt erreichen lassen wollte.88 Und schließlich sorgten die Verfahrensbestimmungen des Kongresses zusätzlich dafür, dass die externe Einflussnahme ein vergleichsweise leichtes Unterfangen war. Angesichts der oben angesprochenen Machtkonzentration im Amt des Speakers etwa bemerkt Weaver: »You have not fortified the House against corrupt influences and the seductive power of wealth; on the contrary, you have concentrated all the vicious forces of public life against a single individual and exposed the Republic to extreme peril.« (Ebd.: 53) Vor dem Hintergrund jener Kritik an der Machtkonzentration in Personen und Parteien ist ein über die Reform der parlamentarischen Institutionen hinausgehender Vorschlag der Populisten wenig überraschend, und zwar der Ruf nach einer Stärkung direktdemokratischer Institutionen. Wo sich der Einfluss partikularer Interessen aufgrund klar umgrenzter Ziele im bestehenden System nahezu ungebremst entfalten konnte, da musste er aus Sicht der Populisten an einer möglichst umfassenden Einbeziehung der gesamten Bürgerschaft in den politischen Entscheidungsfindungsprozess natürlicherweise seine Grenze finden.
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sches Agieren im Sinne der Geldgeber haben könnte, müsse den einmal Gewählten gemäß seiner ursprünglichen Motivation nicht länger interessieren. Vgl. hierzu Postel (2007: 162f.).
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Die Wurzeln des Populismus
3.2.2
Direkte Demokratie und republikanisches Bürgerideal
Von den kontinentaleuropäischen und vor allem schweizerischen Erfahrungen inspiriert, schwappte die Auseinandersetzung um Wert und Nutzen plebiszitärer Instrumente im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts über den Atlantik. Mehrere Autoren setzten sich seit den frühen 1880er Jahren mit dem eidgenössischen Modell auseinander, wobei es vor allem der New Yorker Gewerkschafter James W. Sullivan war, der die Diskussion vorantrieb und die Verankerung direktdemokratischer Forderungen im Programm der American Federation of Labor unterstützte (Goebel 2002: 31f.; vgl. Cronin 1989: 48f.).89 Aufgrund der eigenen Tradition beteiligungsintensiver Kommunalpolitik – man dachte vor allem an die Town Hall Meetings – fand die Thematik in der Folge in der breiteren US-amerikanischen Öffentlichkeit Anklang. Auch die Populisten integrierten direktdemokratische Reformvorschläge in ihr Programm, zuvorderst initiative und referendum sowie auf einzelstaatlicher Ebene auch den recall. Darüber hinaus forderten sie, wie oben angemerkt, die Direktwahl der US-Senatoren und die Einführung des Australian Ballot, also der geheimen Stimmabgabe. Angesichts der umfassenden Sozialkritik der Populisten ist es meines Erachtens falsch, die direktdemokratischen Reformvorschläge lediglich als Ausdruck eines politökonomischen Anti-Etatismus zu interpretieren, wie Thomas Goebel dies vorschlägt. Goebel begreift die von den Populisten präferierte direkte Demokratie lediglich als Mittel, um die von ihm als deren Hauptproblem identifizierte politische Günstlingswirtschaft einzuhegen.90 »Direct democracy«, so Goebel, »would provide the perfect means to stop the state from granting special privileges, an act that formed the basis for the creation of monopolies and trusts.« (Ebd.: 34) Wenngleich es den Populisten tatsächlich darum ging, den Einfluss wirtschaftlicher Interessengruppen zurückzufahren, der in dem von Goebel erwähnten »granting special privileges« mündete – die Populisten sprachen von »class legislation«91 – so ist es meines Erachtens falsch, das populistische Ein89 90
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Auf Sullivan beziehen sich auch die Populisten. Beispielsweise The Advocate vom 6. Juni 1894, S. 3. Diese Lesart ist meines Erachtens vor allem aufgrund dessen nicht überzeugend, dass sie den grundlegenden Wandel mit Blick auf die Ursachen sozioökonomischer Ungleichheit, der am Ende des 19. Jahrhunderts stattfindet, nicht angemessen berücksichtigt. Beispielsweise The Advocate vom 18. November 1896, S. 7. Vgl. ausführlich Pollack (1987).
3. Das politische Denken der Populisten
treten für direktdemokratische Strukturen unvermittelt der Anti-MonopolTradition zuzuschreiben, die Goebel wesentlich mit dem Republikanismus der Gründerzeit und der Jacksonian Democracy identifiziert. Will man die vorangehend rekonstruierte populistische Kritik an der Dominanz der party machines nicht ausblenden und will man darüber hinaus die von ihnen geforderte Rationalisierung staatlicher Tätigkeit nicht mit deren Minimierung gleichsetzen, dann erscheint mir jene Motivzuschreibung zumindest verkürzt. Das direktdemokratische Instrumentarium diente keineswegs dazu, einem Zuviel an legislativer Tätigkeit begegnen zu können – das, wie gezeigt, konstitutiver Bestandteil der Anti-Monopol-Tradition vor dem Bürgerkrieg war – wie Goebels Ineinssetzung des politischen Programms der Populisten mit jenem der Jacksonians suggeriert; vielmehr war den Populisten an einer anderen Gesetzgebung gelegen.92 Auf den diesbezüglichen Unterschied werde ich weiter unten noch einmal zu sprechen kommen, er kann an dieser Stelle jedoch bereits in Kurzform eingeführt werden: wo für die Jacksonians – und mit Abstrichen auch für Jefferson – alle Gesetzgebung mit beinahe logischer Notwendigkeit zu Bevorzugung von Partikularinteressen führte, wenn sie proaktiv wirken sollte, glaubten die Populisten an die potentiell segensreiche Wirkung regulierender staatlicher Tätigkeit und schreckten in bestimmer Hinsicht auch nicht vor legislativer Diskriminierung zurück, die vor allem die Jacksonians vehement abgelehnt hatten. Das direktdemokratische Instrumentarium sollte den Gesetzgebungsprozess also verbessern, nicht aber minimieren. Beispielhaft wurde in diesem Zusammenhang immer wieder auf das Schweizer Modell verwiesen und die Qualität der dort verabschiedeten Reformen gepriesen. »[D]on’t think that Switzerland, though a small republic, is to be scorned by those who are working for better conditions. Let such make a note of the facts: Switzerland has penny postage; free delivery in rural districts; telegrams for 11 cents; telephones at $16 per year; the best highways in the
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Dies erklärt darüber hinaus, das populistische Eintreten für Wahlrechtsreformen in Richtung »proportional representation« und für das »secret ballot«. Wäre es tatsächlich nur um die Verhinderung von legislativer Tätigkeit gegangen und somit um die Wahrung des von Jefferson und Jackson so nachdrücklich verfolgten »strict constructionism«, dann wären die Populisten unter Umständen tatsächlich nur für die direkte Demokratie eingetreten, um die Rolle des Verfassungshüters in die Hände der Bürgerschaft zu legen. Vgl. Auch The Advocate vom 18. Juli 1894, S. 11: »If the force of federal authority can be invoked for one side it can be invoked for the other.«
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world; the cheapest railway fares in Europe though on the costliest roadbeds; more co-operative work than anywhere in the world; the best chances to educate sons and daughters in the world. […] While we vote for parties and get principles all jumbled together, the Swiss voter gets at one thing at a time, the only sensible dominant issue method known.«93 Da sich die Populisten der Notwendigkeit politischer Repräsentation bewusst waren, partikulare Interessendurchsetzung jedoch gleichzeitig zurückdrängen wollten, erschien ihnen die Ergänzung repräsentativer Strukturen im Zusammenspiel mit deren interner Reform, die ich im vorangegangenen Abschnitt beschrieben hatte, ein vielversprechendes Vorhaben zu sein. Es ging demnach nicht um eine Ablösung repräsentativer durch direktdemokratische Instrumente, sondern um deren produktive Verschränkung. Dementsprechend wird beispielsweise das Referendum als »controlling check« bezeichnet.94 Und im Advocate heißt es: »Not but that in these days of haste and bustle much might be done by representatives; but more care would be exercised if every public act were liable to be rejected by the people.« Hier wird, auch unter Rückgriff auf die historischen Town Hall Meetings Neu Englands, das Ergänzungsverhältnis von repräsentativen und direktdemokratischen Instrumenten betont. Bezüglich der Town Hall Meetings bemerkt der Artikel: »The New England town meeting is our purest democracy. The business being previously prepared by the town board or individuals, the voters of the township assemble and dispose of often as high as forty propositions in one day.«95 Kurz: »The initiative and referendum is a valuable addition to proportional representation, but not a substitute for it.«96 Jenseits dieses Ergänzungsverhältnisses erkannten die Populisten direktdemokratischen Instrumenten jedoch durchaus auch eine eigentständige Bedeutung zu. »The remanding of such acts of the Legislature as the people demand to have submitted to their votes before passing into law would stimulate study and vastly increase that intelligence which is an essential corner-
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The Advocate vom 10. Juni 1896, S. 3. Auch hier scheint die Kritik an den dominierenden Parteien, die für alles und nichts stünden (»principles all jumbled together«) deutlich durch. The Progressive Farmer vom 13. Juni 1893, S. 4. Hervorh., T.M. The Advocate vom 6. Juni 1894, S. 3. The Advocate vom 24. Februar 1897, S. 2.
3. Das politische Denken der Populisten
stone to a republic.«97 An Jeffersons Argumente für die ward republics erinnernd, sollten direktdemokratische Strukturen demnach ebenfalls als eine Art Bürgerschule fungieren, indem sie einem apolitischen Privatismus vorzubeugen helfen sollten. Nachdem die Jacksonians im Rahmen des von mir so bezeichneten demokratischen Realismus von besonderen Anforderungen an die Bürgerschaft Abstand genommen hatten, werden Reflexionen über den idealen respektive für die Republik notwendigen Bürger im politischen Denken der Populisten folgerichtig wieder wichtiger. Angesichts einer angestrebten Ausweitung bürgerschaftlicher Partizipation und dem gleichzeitigen Eintreten für eine rationalere Politik ist dies konsequent. Es geht den Populisten also nicht einfach um ein unqualifiziertes Mehr an Beteiligung, sondern um die Beteiligung der Bürgerschaft, die den hiermit einhergehenden Anforderungen auch gewachsen ist. Was Benjamin Barber, freilich unter NichtBerücksichtigung des Jefferson’schen Elitismus, bezüglich Jeffersons Überlegungen zu Bildung und Bürgerschaft schreibt, trifft tatsächlich vollumfänglich auf die Populisten zu: »[They] never imagined that the common birthright of liberty meant the actual equality in talent and ability of all those born free. The birthright of freedom was a study in immanence, and the actualization of liberty required much more than just getting born. […] [They] believed that popular sovereignty entailed popular government and popular government could transcend popular ignorance only by way of popular education.« (Barber 1998: 163; Hervorh., T.M.) Insbesondere in den Jahren vor der Gründung der People’s Party 1891 kam der Bildungsarbeit der Farmers’ Alliance eine herausragende Stellung in der populistischen Praxis zu. Vor allem Lawrence Goodwyn (1978) hat auf den hiermit einhergehenden basisdemokratischen Geist des populistischen Protestes hingewiesen, wirkten die von der Allianz organisierten Lectures mitsamt ihres musikalischen und kulinarischen Rahmenprogramms doch wie eine politische Sozialisationsagentur, im Rahmen derer die sonst oft isoliert lebenden Farmer Solidarität tatsächlich erfahren konnten.98 Die Stärkung eines Soli97
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The Advocate vom 3. März 1897, S. 7. Mit Blick auf die Praxis in der Schweiz wird dieser Aspekt ebenfalls betont: »Everybody is a law-maker; everybody reads; the press is ennobled«. The Advocate vom 6. Juni 1894, S. 3. Die verpflichtenden Treffen der lokalen Suballiances fanden hierbei in der Regel zweiwöchentlich oder monatlich statt (vgl. Clevenger 1945: 509). Vgl. hierzu auch Beeby (2008: 22). Daniel T. Rodgers (1998: 334) geht daher meines Erachtens fehl in der An-
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daritätsgefühls war gar offizielles Ziel der Populisten. So heißt es bei Morgan: »By our frequent meetings we confidently believe that we shall be able to break up the isolated habits of farmers, improve their social conditions, increase their social pleasures, and strengthen their confidence and friendship for each other.« (Morgan 1891: 140; vgl. ebd.: 247f.) Alleine im Süden hatten sich Ende der 1880er Jahre rund 3000 Suballianzen gebildet, von denen eine jede einen so genannten »lecturer« beherbergte, dessen »duty it was to suggest subjects for discussion and to take the lead in expounding them. Spurred into action by the efforts of the lecturer […], Alliance members learned to express themselves in public.99 They learned also to seek ammunition for their speeches and debates in books and papers that they might otherwise never have read.« (Hicks 1931: 129; vgl. Mitchell 1987: 95) Selbstredend ist die Grenze zur politischen Indoktrination an dieser Stelle nicht immer trennscharf zu ziehen, allerdings sahen die Populisten ihren Bildungsauftrag nicht nur in der Vermittlung bestimmter parteipolitischer Positionen sondern in jener grundlegender politökonomischer Zusammenhänge, auf Basis derer die Farmer zuallererst in die Lage versetzt werden sollten, ein kohärentes Interesse zu artikulieren. Es ging folglich darum, »to educate the masses in political economy till they can see wherein their interest lies«.100 An anderer Stelle heißt es dementsprechend: »The Alliance is political this far: It seeks to educate its members in the science of government, but does not dictate the politics of any member.«101
nahme, den kooperativen Geist als Erfindung des Progressivismus im 20. Jahrhundert zu klassifizieren. 99 Vgl. auch Morgan (1891: 251f.). Welch herausragende Bedeutung dieser Fähigkeit zukommt, wird offenbar, wenn man sich vergegenwärtigt, dass oppositionelle Bewegungen vor dem US-amerikanischen Bürgerkrieg die öffentliche Auseinandersetzung immer wieder bewusst vermieden, da ihnen klar war, dass sie ihre Argumente auf dieser Bühne nicht überzeugend würden formulieren können (vgl. Formisano 2008). 100 Southern Mercury vom 7. Januar 1892, S. 3. Hierbei waren teilweise sehr basale Hürden zu nehmen. So bemerkt Charles Macune, einer der promintesten Populisten in Texas: »To induce the people to read is the first step. When people will read they will think, and whenever they begin to think the battle is more than half won.« (Zit.n. Postel 2007: 62) Vgl. hierzu Mitchell (1987: 126). 101 Southern Mercury vom 21. Dezember 1892, S. 10. Vgl. Southern Mercury vom 31. Juli 1890, S. 5, The Advocate vom 31. Januar 1894, S. 13 und Morgan (1891: 753). Ziel von »labor organizations«, zu denen die Populisten zu zählen seien, sei es, »to educate and organize so that they [the laborers; T.M.] can act united with any party that serves their interests.« Mit Blick auf die reformorientierten Zeitungen scheint dieser Vorsatz
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Folgerichtig kritisierten die Populisten eine ihrer Ansicht nach einseitige Wissensvermittlung, wenn es beispielsweise mit Blick auf die Frage nach Wesen und Wert des Geldes und der hiermit zusammenhängenden Auseinandersetzungen zwischen Anhängern des Goldstandards und Verfechtern des »fiat money«102 heißt: »Look to the text-books and see to it that plutocratic doctrine […] is not taught in our schools. Let us have both sides or neither.«103 Demgemäß bemängelten die Populisten wiederholt die Entlassung von Hochschullehrern aufgrund deren politökonomischer Überzeugungen. Ein Beispiel hierfür war der Fall Edward W. Bemis an der University of Chicago, den die Populisten unter anderem auf den übermäßig starken Einfluss John D. Rockefellers, dessen Spenden die Gründung der Universität überhaupt erst möglich gemacht hatten, zurückführten. Eine rationale Auseinandersetzung um politökonomische Grundsätze werde verunmöglicht, da »the old story of capital against labor […] has invaded the universities«104 , was folgerichtig aus Sicht der Populisten mit Blick auf Bildungseinrichtungen gerade nicht passieren sollte. Die hier zu vernehmende Tonlage lässt sich schwerlich als Ausdruck eines sich im Besitz der ›Wahrheit‹ wähnenden Antipluralismus interpretieren. Vielmehr schlägt sich hier, ebenso wie hinsichtlich der Forderung nach der »proportional representation«, der Wunsch nach Berücksichtigung eines breiten Meinungsspektrums nieder, auf Grundlage dessen es allgemein verbindliche Entscheidungen auf den Weg zu bringen gelte. Eine aktive und informierte Bürgerschaft war diesbezüglich notwendige Bedingung. Einerseits, und hier durchaus im Sinne Jeffersons, zur Kontrolle und Beurteilung der politischen Repräsentanten.105 Andererseits aber eben als Voraussetzung für die direkte Involviertheit in den politischen Entscheidungsfindungsprozess.
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den Tatsachen entsprochen zu haben, wie John J. Frys zeitlich etwas später ansetzende Studie zu Lesegewohnheiten und Rezeption der Zeitungsinhalte in Illinois, Iowa und Missouri in jüngerer Vergangenheit hat zeigen können (Fry 2005). Diese Geldform zeichnet sich dadurch aus, dass als Zahlungsmittel schlicht dient, was gesetzlich festgelegt wird, dem Medium selbst also keinerlei Bedeutung zukommt, wie dies beispielsweise immer dann der Fall ist, wenn gefordert wird, dass was auch immer als Geld gelten soll, einen intrinsischen Wert besitzen müsse. The Advocate vom 15. April 1896, S. 3. Hervorh., T.M. The Advocate vom 14. August 1895, S. 1. Zum Fall Bemis vgl. Bergquist (1972). So heißt es bei W. Scott Morgan (1891: 144): »We shall try to understand the organization, powers, and purposes of government and qualify ourselves to judge correctly the merits of candidates for office.«
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»So long as our people neglect to inform themselves upon the great issues of the hour, and continue to follow blindly machine politicians to the neglect of their own interest, they will continue to lose their individuality, influence, and power in our political institutions, and be wholly at the mercy of the […] corporations that are now wielding such an influence over our government.« (Jones106 , zit.n. Mitchell 1987: 79) Ich werde mit Blick auf Ignatius Donnellys Caesar’s Column (1890) noch einmal auf diesen Aspekt zurückkommen, möchte aber bereits an dieser Stelle auf die Implikationen der dargelegten Überlegungen zu Bedeutung und Ziel politischer Bildung im Denken der Populisten eingehen. Entgegen der zu Beginn des 21. Jahrhunderts von ›(rechts-)populistischen‹ Agitatoren oftmals beschworenen Güte des ›gewöhnlichen Volkes‹ gegenüber einer vermeintlich korrupten Politikerklasse waren die Populisten im ausgehenden 19. Jahrhundert in den USA keineswegs der Ansicht, dass es mit einer unvermittelten Machtübertragung auf die Massen getan sei. Die Bürgerschaft im Ganzen war nicht einfach gut, moralisch integer und zur unmittelbaren politischen Beteiligung in der Lage. Sie hatte sich vielmehr zu kompetenten Bürgern zu machen: »It is not a verbal accident that science is the substance of the word conscience. We must know the right before we can do the right.« (Lloyd 1894: 535)107 Kamen die Bürger jener Verantwortung nicht nach, lief alles Lamentieren über die Korruption innerhalb des politischen Systems und den unverhältnimäßig großen Einfluss privatwirtschaftlicher Akteure ins Leere (vgl. Morgan 1891: 729).108 Handlungsleitend für die diesbezüglichen Bemühungen 106 Evan Jones war Vorsitzender der Texas Farmer’s Alliance, die 1892 in der People’s Party aufging. Für Letztere kandidierte er zweimal für den Kongress. 107 Die Populisten waren sich des Problems eines staatsbürgerlichen Privatismus hierbei deutlich bewusst. So empfiehlt The Advocate vom 2. Oktober 1895, S. 4 die Lektüre eines Leserbriefes, dessen Autor mit der Sache der Populisten sympathisiert aufgrund eigener Erfahrungen in der US-amerikanischen Politik jedoch skeptisch bezüglich der von den Populisten eingesetzten Mittel ist: »Your idea of teaching citizenship, its rights, duties and obligations, in the home, the social circle, the school would seem to be a good way to correct it; but the simple truth is nobody cares – or rather not enough people of a character to be of any consequence, care anything about things being other than they are, unless it be those who hope to receive office or advantage by effecting a change in the official personnel of city, state or nation.« 108 Sich um überindividuelle Belange zu kümmern, war für die Populisten tatsächlich eine Pflicht: »The farmer is taught that the world does not end for him at the boundaries of his farm; that there are hopes, fears, joys and sorrows beyond his domain in which it is his duty to take an interest; that the fields for the cultivation of the intellect are
3. Das politische Denken der Populisten
der Populisten war jedoch der Glaube daran, dass es einem jeden Bürger und einer jeden Bürgerin, unabhängig vom bis dato erworbenen Bildungsgrad möglich sei, sich umfassendes Wissen anzueignen, um den Anforderungen an das Bürgersein gerecht zu werden.109 Die Populisten stellten somit durchaus anspruchsvolle Anforderungen an den Einzelnen,110 was gleichwohl nicht mit einer ethischen Engführung der von ihnen ausgemachten Problemlagen gleichgesetzt werden darf. Wie ich im nächsten Abschnitt zeigen werde, waren sie mehr als skeptisch gegenüber solchen Positionen, die im individuellen Lebenswandel die Abhilfe für alle Übel erblickten. Um allerdings die demgegenüber notwendigen politischen Reformen einleiten zu können, bedurfte es einer aktiven, interessierten und informierten Bürgerschaft und somit einer Art neuen öffentlichen Menschen. Aus der Privatperson, deren primäres Augenmerk auf dem eigenen Haus und Hof lag, musste ein an den Gemeinschaftsbelangen Anteil nehmender Bürger werden; und aus dem passiven Empfänger politischer Angebote – die mit seinen eigentlichen Interessen aus Sicht der Populisten wenig zu tun hatten – musste ein Bürger werden, der dazu in der Lage war, eigenständig Präferenzen zu formulieren und in den politischen Entscheidungsfindungsprozess einzuspeisen. Wie Norman Pollack (1990: 126) resümiert: »[W]ithout moral energy any change in structure would ultimately prove barren.« Den Grund hierfür erblickte Ignatius Donnelly111 in der simplen Tatsache, dass Gesetze lediglich äußerlich zu wirken vermochten: »Law can prevent crime and insure justice, but it has its limitations. It deals not with thoughts but with acts. broader than his acres of wheat, and more extensive than his fields of corn; that there is a moral, an intellectual, and social side to his farm life« (Morgan 1891: 250). 109 Vgl. The Advocate vom 18. Dezember 1895, S. 5. Vgl. Postel (2007: 65). 110 Dies galt sowohl für ›einfache‹ Bürgerinnen und Bürger als auch für die politischen Repräsentanten. Auch diesbezüglich wird eine deutliche Abkehr von den Prinzipien der Jacksonian Democracy offenbar, wenn es beispielsweise heißt: »Do we hire a blacksmith to mend a watch or a jeweller for a surgeon? Why should not legislators be compelled to show qualification for their work? Until they are compelled we must continue to suffer.« The Advocate vom 29. Januar 1896, S. 12. Die Populisten waren freilich – anders als Jefferson – davon überzeugt, dass sich ein jeder das hierfür notwendige Wissen aneignen könne, beharrten jedoch – anders als die Jacksonians – darauf, dass es jenes spezifischen Wissens bedurfte, um gut regieren zu können. 111 Ignatius Donnelly war Anwalt und Schriftsteller. Er zeichnet sich verantwortlich für die oft zitierte Präambel der Omaha Platform. Zwischen 1891 und 1898 war er Abgeordneter der People’s Party im Senat beziehungsweise im Repräsentantenhaus von Minnesota.
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[…] Besides a fair division of the rights and goods of the world there must be something vaster and profounder – man’s love for his fellow – not merely a willingness to give him a fair show and a fair divide, but an affection for him, reaching from heart to heart.«112 Die Populisten wollten in diesem Zusammenhang mit ihren Lectures, der Forderung nach einer nachhaltigen öffentlichen Förderung des Bildungswesens113 und den von den beiden großen Parteien unabhängigen Zeitungen ein Bildungssystem zur politischen Ermächtigung sozioökonomisch schwacher und geographisch isolierter Gruppen errichten, das seinem Anspruch nach auch keine parteipolitische Indoktrination befördern sollte.114 Aus Sicht der Farmer war dies insofern ein dringliches Anliegen, dass sie einen unverhältnismäßig großen Einfluss privater Akteure auf die öffentliche Bildung fürchteten, und zwar sowohl personell als auch hinsichtlich curricularer Fragen (vgl. Mitchell 1987: 127f.). Beispielhaft sprachen sich die Populisten in Kansas gegen die Einführung einheitlicher Lehrbücher in den Bundestsstaaten aus, da sie die Möglichkeit privater Einflussnahme auf die die Bücher festlegende Kommission fürchteten. Das vorgeschlagene Gesetz »places the selection of the books for the entire state in the hands of a state board, and thereby opens the door to bribery by school-book publishers. […] Politicians of any party are not white-winged angels, and it is not good policy to place too much temptation in their way.«115 Stattdessen sollte die Pluralität des Bildungsangebots116 gewahrt bleiben, wobei die Lehrbücher aus pragmatischen Gründen im Besitz der »school districts« verbleiben, über öffentliche Fördermittel (»public funds«) finanziert117 und an die Schüler verliehen werden sollten. In jenem Arrangement sahen die Populisten einen für ihr Denken charakteristischen 112 113 114
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Vgl. auch Morgan (1891: 277) und The Advocate vom 13. Dezember 1894, S. 15. Ähnliche Ansichten finden sich auch bei Nugent. Vgl. hierzu Alvord (1953). Southern Mercury vom 5. November 1891, S. 14. Vgl. Mitchell (1987: 127). Die politische Kommunikation der etablierten Parteien wurde dementsprechend scharf kritisiert, da sie nichts zur Wissensvermittlung beitrage, sondern im Gegenteil die Aufmerksamkeit von den Sachfragen ablenke: »Intelligent people are not converted by brass bands, nor by stump speakers who devote most of their time to the different candidates.« The Advocate vom 18. Dezember 1895, S. 4. The Advocate vom 13. Februar 1895, S. 4. Die Monopolisierung des Bildungsangebots wurde von vielen Populisten als besonders destruktiv angesehen, da diese einem »monopoly of brains« gleichkäme. The Progressive Farmer vom 1. April 1890, S. 4. In North Carolina wurde der »public school fund« beispielsweise über eine Mischung aus Vermögens- und Kopfsteuer finanziert (vgl. Beeby 2008: 107).
3. Das politische Denken der Populisten
Mittelweg zwischen öffentlicher Ermöglichung und privater Entscheidung. Sichergestellt musste hierbei freilich sein, dass eine ausreichende Anzahl von Lehrbuchverlagen existierte und nicht auf diesem Wege eine Monopolisierung der in den öffentlichen Schulen vermittelten Wissensbestände erreicht werden konnte, die über die Ablehnung einer vergleichsweise leicht zu beeinflussenden Auswahlkommission gerade verhindert werden sollte (vgl. Drew 1891: 304f.).118 Es wäre an dieser Stelle jedoch zu kurz gegriffen, wollte man die bildungspolitischen Reformpläne der Populisten als lediglich in Richtung des republikanischen Bürgerideals zielend porträtieren. Wenngleich der Einübung gemeinwohlbezogenen Verhaltens aus populistischer Sicht ein Eigenwert zukam, ging es gleichzeitig auch darum, die Bedingungen für eine partikulare Interessenwahrnehmung zu schaffen. Vor diesem Hintergrund ist das populistische Eintreten für »Agricultural colleges« zu begreifen, die sowohl »practical« als auch »book education« vermitteln sollten. »I look on the State Agricultural colleges«, so ein populistischer Kommentator, »as one of the best institutions of learning in the state. Practical as book education is, I think if farmers and their boys and girls had a better education, both practical and book, they would not only make better citizens but far better farmers.«119 Es ist allerdings, und ich denke, dass beispielsweise Charles Postel diesen Aspekt unterschätzt, explizit nicht das Ziel der Populisten gewesen, lediglich im Sinne einer möglichst effizienten Förderung des eigenen Interesses zu bilden. Vielmehr, und dies entspricht den weiter oben skizzierten Überlegungen zur »proportional representation« war die autonome Formulierung des eigenen Interesses die entscheidende Bedingung der Möglichkeit zu einer gemeinwohlfördernden Politik. »Liberal education«, so eine vom Advocate zustimmend kommentierte Rede an der Kansas State University, »teaches […] how truth is really propagated; that is, by reason and persuasion and love, and not by force and thread and hatred. All this begets tolerance. Tolerance is not indifference; tolerance is good. Indifference is big-
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Beispielsweise Southern Mercury vom 30. April 1891, S. 3. Vgl. Mitchell (1987: 128f.) und Jeffrey (1975). The Advocate vom 31. Juli 1895, S. 12. Vgl. für die Betonung der »business education« auch The Advocate vom 25. November 1896, S. 14. Für eine stärkere Betonung der ›klassischen‹ »book education« vgl. The Advocate vom 1. Januar 1896, S. 9. Hier wird eine Art »liberal arts« Ausbildung, bestehend aus Englisch, Naturwissenschaften (»science«) und klassischen Studien (»classic course«) als »basis of our liberty« begriffen.
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otry. Tolerance implies positive conviction. If a man doesn’t care, he is simply careless; he is not tolerant. ›Tolerance,‹ says Mr. Brooks, is the willing consent that other men should hold and express real opinions with which we disagree until they are convinced by reason that those opinions are untrue.«120 Auch mit Blick auf die bildungspolitischen Überlegungen der Populisten ist es vor diesem Hintergrund angemessen, Letzteren eine unumwundene Akzeptanz eines Interessenpluralismus zu attestieren, dessen normativer Fluchtpunkt nicht in der Einhegung jener Interessenkonflikte und somit der Homogenisierung der Gesellschaft lag, sondern in der Einbeziehung aller Interessen mit dem Ziel der Schaffung eines »co-operative commonwealth«121 , wobei Kooperation eben als Zusammenwirken unterschiedlicher Gesellschaftsteile verstanden wurde, wie weiter unten noch zu zeigen sein wird. Bevor jedoch die im engeren Sinne politökonomischen Reformpläne der Populisten dargelegt werden können, muss angesichts des bis hierhin skizzierten Bürgerideals abschließend noch auf die Frage eingegangen werden, wer aus Sicht der Populisten Teil der Bürgerschaft sein konnte und sollte. Diesbezüglich auffällig ist zunächst, dass von den Debatten über die materiellen Voraussetzungen des republikanischen Bürgerdaseins im populistischen Diskurs nichts mehr zu spüren ist. Die im Zuge der Diskussion des politischen Denkens der Jacksonians dargelegte Trennung zwischen Bürgerrechten einerseits und Stockholder-Status andererseits hatte in der Folge Bestand. Naheliegenderweise drehten sich die Debatten hinsichtlich des Bürgerschaftsstatus in Folge des Bürgerkrieges vornehmlich um die Frage, ob ehemalige Sklaven zu Bürgern werden sollten beziehungsweise konnten oder nicht. Der 14. Verfassungszusatz entschied jene Frage zumindest auf dem Papier eindeutig und unterstrich die im Zuge des 19. Jahrhunderts ausgebildete Auffassung, der zufolge die Zuerkennung des Bürgerschaftsstatus weder an ethnische noch an materielle Voraussetzungen gebunden sein sollte: »Representatives shall be apportioned among the several states according to their respective numbers, counting the whole number of persons in each state, excluding Indians not taxed. But when the right to vote at any election for the choice of electors for President and Vice President of the United States, Representatives in Congress, the executive and judicial 120 The Advocate vom 9. Oktober 1895, S. 12. 121 Southern Mercury vom 26. Dezember 1895, S. 8.
3. Das politische Denken der Populisten
officers of a state, or the members of the legislature thereof, is denied to any of the male inhabitants of such state, being twenty-one years of age, and citizens of the United States, or in any way abridged, except for participation in rebellion, or other crime, the basis of representation therein shall be reduced in the proportion which the number of such male citizens shall bear to the whole number of male citizens twenty-one years of age in such state.« Der populistische Blick auf die ehemaligen Sklaven muss als ambivalent bezeichnet werden. Weit entfernt von dem extremen Südstaaten-Rassismus der Demokratischen Partei lässt sich von einer uneingeschränkten Gleichstellung der afroamerikanischen Bevölkerung im politischen Denken der Populisten ebenfalls schwerlich reden. Zunächst ist festzuhalten, dass sich die Populisten der afroamerikanischen Bevölkerung mitsamt ihren sozioökonomischen Problemlagen überhaupt zuwendeten. Auch nach Beendigung der so genannten Reconstruction, die die ehemaligen Konföderierten-Staaten nach 1865 neu strukturieren sollte, mangelte es keineswegs an Versuchen, die ›befreiten‹ Sklaven de facto abermals in Abhängigkeit zu der ihnen vermeintlich überlegenen weißen Bevölkerung zu bringen. Dies geschah teilweise in Form ökonomischer Arrangements wie dem eingangs angesprochenen sharecropping system und teils in gewaltsamer Form, die auch nach der offiziellen Auflösung des 1865 gegründeten Ku-Klux-Klans im Jahr 1875 durch Nachfolgeorganisationen aufrechterhalten wurde. Sich in diesem Umfeld offen für die Rechte der ehemaligen Sklaven einzusetzen, mag Resultat einer Kosten-Nutzen-Abwägung gewesen sein; man muss allerdings darauf hinweisen, dass die potentiellen Kosten im Extremfall den eigenen Tod bedeuten konnten, wie die Lynchmobs gegen populistische Politiker und Aktivisten eindrucksvoll demonstrieren (vgl. Berg 2017: 192; Woodward 1973: 192). Die ehemaligen Sklaven als Bürger der USA anzusehen122 , war in den Südstaaten auch nach 1877 keineswegs eine ungefährliche Selbstverständlichkeit. Zwischen schwarzen und weißen Farmern, so die Auffassung führender Populisten, bestehe aufgrund ihrer identischen sozioökonomischen Situation kein politischer Unterschied. Da beide unter monopolistischen Praktiken litten, keinen Zugang zu finanzierbaren Krediten hätten und aufgrund dessen 122
»The Populists recognize that the negro is a man and a citizen. They want him to see that his ballot is a sacred trust put into his hands to assist in shaping the destiny of the nation«. People’s Party Paper vom 22. Juni 1894 (in Pollack 1967: 390).
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in ständiger Gefahr eines dauerhaften Verlustes individueller Autonomie lebten, sei es geboten, die Kräfte zu bündeln und oberflächliche Antagonismen, die nichts anderes seien als von den politischen Parteien instrumentalisierte Überbleibsel des Bürgerkriegs, hinter sich zu lassen. »Let the colored laborer realize that our platform gives him a better guaranty for political independence; for a fair return for his work; a better chance to buy a home and keep it; a better chance to educate his children and see them profitably employed; a better chance to have public life freed from race relations; a better chance for every citizen to be considered as a citizen regardless of color in the making and enforcing of laws« (Watson 1892: 19; Hervorh., T.M.). Gleichwohl lässt sich von einer vollumfänglichen Gleichstellung der afroamerikanischen Bevölkerung im Denken der Populisten keinesfalls sprechen. Am Ende des zitierten Artikels zur »Negro Question in the South« erklärt Watson die soziale Gleichstellung zu einer privaten von staatlicher Seite nicht zu entscheidenden Angelegenheit. »The question of social equality does not enter into the calculation at all. That is a thing each citizen decides for himself. No statute ever yet drew the latch of the humblest home – or ever will. Each citizen regulates his own visiting list – and always will.« (Ebd.: 20) Wie er persönlich zu jener Frage stand, deutete Watson im gleichen Text mehr als nur an: »Miscegenation is further off (thank God) than ever.« (Ebd.: 13) Und an anderer Stelle bemerkte er unumwunden: »I want no mixing of races. […] It is best that both should preserve the race integrity by staying apart.« (Zit.n. Postel 2007: 196) Politisch sollten die ehemaligen Sklaven somit gleichgestellt werden, sozial jedoch ungleich bleiben, eine Vorwegnahme des späteren »separate but equal«-Grundsatzes.123 Gerade vor dem Hintergrund ihrer eigenen anspruchsvollen Konzeption gegenseitiger Solidarität, ist die Fortschrittlichkeit der Populisten hinsichtlich der ethnischen Frage überschaubar. Die angestrebte politische Gleichstellung hebt sie gleichwohl deutlich von den auch diesbezüglich diskriminierenderen Position der Demokratischen Partei in ihrer eigenen Zeit, als auch gegenüber einer Mehrheit der Jacksonians und Jefferson ab. 123
Dieser manifestierte sich dann auch mit Blick auf die interne Organisation der Populisten vor Gründung der People’s Party, indem den (weißen) Farmers’ Alliances eine Colored Farmers’ National Alliance and Cooperative Union zur Seite gestellt wurde.
3. Das politische Denken der Populisten
Demgegenüber eindeutiger fortschrittlich argumentierten führende Populisten hinsichtlich der Geschlechterverhältnisse. Zumindest im Westen lassen sich die Populisten diesbezüglich unumwunden als progressiv klassifizieren, traten sie doch für ein inklusives Bürgerschaftsverständnis ein, das explizit auch Frauen umfassen sollte.124 Dies war angesichts der bedeutenden Rolle, die Frauen innerhalb der populistischen Bewegung zufiel, nur konsequent. Dass Mary E. Lease125 zu einer der prominentesten Rednerinnen aus den Reihen der Populisten aufsteigen sollte, war kein Zufall, sondern die logische Folge eines Weltbildes, das Frauen als den Männern gleichgestellt ansah und sich dementsprechend von den traditionellen Vorstellungen einer geschlechterbezogenen Arbeitsteilung zwischen Haushalt und öffentlicher Sphäre entfernte. Wesentlich speiste sich jene Haltung aus dem Farmalltag, der es überhaupt nicht zuließ, die Frau als vom männlichen Familienmitglied geschieden zu begreifen. »They [men and women; T.M.] have worked and lived together so long that some of them, many perhaps, have come to think that we are all human beings alike, with the same sense of right and justice; and that in the divine principle of truth, which must sometime be expressed by all, there is neither male nor female.«126 Zwar war die Frau immer noch der fürsorgende Kern der Farmfamilie, weshalb es überzogen wäre von einer überhaupt nicht mehr am traditionellen Geschlechterverhältnis orientierten Sichtweise zu sprechen; allerdings bedingte die Sorge um die Familie gerade das politische Engagement der Frau, wie beispielsweise Annie Diggs bemerkt: »Instead of mythologic lore, they [the women; T.M.] read ›Seven Financial Conspirancies‹, ›Looking Backward‹, ›Progress and Poverty‹. Alas! of this last word they know much more and fear more – fear for their children’s future. These once frolicking Floras and playful Pomonas turn with all the fierceness of the primal mother-nature to protect their younglings from devouring, devastating plutocracy.« (Diggs 1892: 162) Noch deutlicher heißt es folgend: »Narrow ignoramuses long ago stumbled upon the truth, ›The home is woman’s sphere‹. Ignoramus said, ›Women should cook and gossip, and rock cradles, and darn socks‹ – merely these and
124 The Advocate vom 20. Juni 1894, S. 1, 8, und 11. Vgl. Clanton (1991: 45). 125 Lease gehörte zu den bekanntesten Rednerinnen der populistischen Bewegung in Kansas. Wenngleich sie sich zwischenzeitlich mit der Partei überwarf, stimmte sie dem Reformprogramm nach eigener Aussage auch hiernach zu (vgl. Hicks 1931: 421; Orr 2006). 126 The Advocate vom 15. August 1894, S. 7.
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nothing more. Whereas the whole truth is, women should watch and work in all things which shape and mould the home, whether ›money‹, ›land‹ or ›transportation‹.« (Ebd.: 165) Zur Beschäftigung mit diesen Themen und zur Artikulation ihrer Standpunkte fühlten sich Frauen durch die populistische Praxis immer mehr berufen, wie Julie Roy Jeffrey (1975: 77) mit Blick auf die Situation in North Carolina127 bemerkt. »One of the most striking aspects of the women’s correspondence is the initial hesitation about writing to a newspaper at all. […] By 1890 such […] expressions of humility had disappeared. A series of letters […] exemplifies the growing confidence on the part of women that their letters and reports on Alliance activities were appropriate and acceptable.« Jenseits politischer Beteiligungsrechte waren die Frauen aus Sicht der Populisten angehalten, nicht zu einem »economic drain on others« zu werden (zit.n. ebd.: 84). Positiv gewendet, sollten sie demnach vermittels angemessener Ausbildung – wobei höhere Bildung explizit inbegriffen war – zu einem autonomen Leben ermächtigt werden, wenngleich Autonomie, wie weiter unten noch genauer zu zeigen sein wird, nicht individualistisch verstanden wurde, sondern in einem streng kooperativen Sinne, sei es mit Blick auf die Kleinstgemeinschaft der heimischen Farm oder mit Blick auf die gesamtwirtschaftliche Produzentengemeinschaft. Bevor ich mich jener Vision eines »cooperative commonwealth« zuwenden kann, muss jedoch die populistische Kritik am seinerzeit hegemonialen laissez faire-Prinzip rekonstruiert werden.
3.2.3
Fallstricke des laissez faire-Prinzips
Sowohl Jefferson als auch die Jacksonians optierten für den schlanken Staat und lassen sich politökonomisch unter dem Banner des laissez faire-Prinzips subsumieren. Es klang in den vorangehenden Abschnitten bereits an, dass dies für die Populisten nicht mehr gesagt werden kann. Zwar halte ich es für ebenso verfehlt, sie einem sozialistischen Lager zuzuordnen, wie ihre Zeitgenossen dies – in teils analytischer,128 teils diffamierender Absicht129 (vgl. Clan127 128 129
North Carolina wird diesbezüglich von Jeffrey (1975: 73) als typisch klassifiziert. So beispielsweise Haynes (1896) und als Selbstbeschreibung Southern Mercury vom 30. März 1899, S. 4. Immer wieder ist aus den Reihen der Populisten zu hören, dass man sich zu den von der Bewegung vertretenen Prinzipien bekennen solle, auch wenn man aufgrund dessen als Sozialist bezeichnet werde. So z.B. Davis (1894: 29), Southern Mercury vom 13. Juni
3. Das politische Denken der Populisten
ton 1984: 150) – mehr als nur vereinzelt taten, ich meine aber, dass man die Unterschiede zwischen ihrem Reformprogramm und dem politischen Denken Jeffersons und der Jacksonians zumindest so ernst nehmen muss, dass es sich verbietet, sie einfach dem politökonomischen Lager des Gründerzeitrepublikanismus zuzuordnen, wie dies beispielsweise Thomas Goebel tut (2002: 12; Ders.: 1997). Goebel meint, wie weiter oben bereits angerissen, die Populisten ließen sich umstandslos in der Traditionslinie des republikanischen Anti-Etatismus Jefferson’scher Provenienz verorten, sei doch auch für sie der Grund für die unverhältnismäßig großen Wohlstandsdisparitäten, die sich zulasten der republikanischen Freiheit auswirkten, in der Privilegienvergabe durch politische Instanzen zu sehen. Um dem entgegenzuwirken, hätten die Populisten zwar unter Umständen andere Reformpfade eingeschlagen als ihre Ahnherren, das Ziel einer kompetitiven Marktgesellschaft kleiner Produzenten sei jedoch identisch geblieben. Diese These, die in ähnlicher Form auch von Karin Priester (2007) vertreten wird, lässt sich meines Erachtens nicht aufrechterhalten, und zwar weder hinsichtlich des anvisierten Ziels, noch hinsichtlich der Bedeutung der angestrebten Reformen. Blickt man beispielsweise auf Henry D. Lloyd, dann wird deutlich, dass den Populisten sehr wohl bewusst war, dass eine über die Zurückdrängung korrupter Gesetze in die Wege geleitete Rückkehr in die vorindustrielle Zeit einen nicht gangbaren Weg darstellte. Lloyd formuliert in dankenswerter Klarheit, dass jene geschichtliche Periode, in der das laissez faire-Prinzip ein progressives gewesen sei, unwiederbringlich der Vergangenheit angehöre. »Institutions stand or fall by their philosophy, and the main doctrine of industry since Adam Smith has been the fallacy that the self-interest of the individual was a sufficient guide to the welfare of the individual and society. Heralded as a final truth of ›science‹ this proves to have been nothing higher than a temporary formula for a passing problem. It was a reflection in words of the policy of the day.« (Lloyd 1894: 494; Hervorh., T.M.)130
1895, S. 1. und Southern Mercury vom 4. Juni 1891, S. 7. Vgl. hierzu Clanton (1977: 565f. und 568) und Mitchell (1987: 100). 130 Ganz ähnlich bemerkt Lloyd (1894: 508) später: »›I have a right to buy my labor where I can buy it cheapest‹ – beginning as a protest against the selfish exclusions of antiquated trade-guilds outgrown by the new times – has at last come to mean, ›I have a right to do anything to cheapen the labor I want to buy, even to destroying the family life of the people.« Und (ebd.: 515): »Our system, so fair in its theory and so fertile in its happiness and prosperity in its first century, is now, following the fate of systems,
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Die Wurzeln des Populismus
Ganz ähnlich heißt es auch in einem Editorial für die in Lincoln beheimatete Farmers’ Alliance, dass »[t]he plutocracy of to-day is the logical result of the individual freedom which we have always considered the pride of our system.«131 Selbstredend bemängelten die Populisten so bezeichnete »class laws« und monierten, dass die Gesetzgebung »consciously or unconsciously« zur gegenwärtigen Situation beigetragen hätte;132 sie hatten jedoch gleichzeitig ein Gespür dafür, dass das Problem eben nicht nur in einer korrumpierenden Regierungstätigkeit bestand, sondern als Kehrseite liberaler Freiheitsrechte angesehen werden musste. »Liberty produces wealth, and wealth destroys liberty« (ebd.: 2); »[w]hat we call Monopoly is Business at the end of its journey.« (Ebd.: 512) Einzelne legislative Akte – zu denken ist beispielsweise an die mehr als großzügige Vergabe öffentlichen Bodens und quasi-öffentlicher Kredite an die Eisenbahngesellschaften, die ich einleitend skizziert hatte (Morgan 1891: 570; vgl. Weaver 1892a: 21f.) – wurden aufgrund ihres postulierten Klassencharakters heftig kritisiert ;133 allerdings ist hieraus nicht zu schließen, dass
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becoming artificial, technical, corrupt; and, as always happens in human institutions, after noon, power is stealing from the many to the few.« Farmers’ Alliance vom 28. Februar 1891, in: Pollack (1967: 20f.). Vgl. auch abermals Lloyd (1894: 513): »Our tyrants are our ideals incarnating themselves in men born to command. What these men are we have made them.« Mit Blick auf in ihrer Zeit existierende Kartellstrukturen in der Zuckerproduktion und -distribution ähnlich The Advocate vom 21. Juli 1897, S. 1. Vgl. hierzu auch Ellis (1993: 53f.). Farmers’ Alliance vom 28. Februar 1891, in: Pollack (1967: 20). Vereinzelte Kritik wurde auch am Zollsystem geübt, welches einseitig zugunsten der Manufakturen im Nordosten wirkte und die Farmer im Süden und Westen auf doppelte Weise traf, zum einen über die Verteuerung verarbeiteter Produkte, zum anderen über die Verkleinerung ihres Absatzmarktes in Übersee, der aufgrund von kontinentaleuropäischen Vergeltungsmaßnahmen für die US-amerikanischen Schutzzölle bedroht war (Sanders 1999: 217-220). Insgesamt spielte die Zollfrage im populistischen Diskurs jedoch eine untergeordnete Rolle, auch wenn sie die Wirtschaftspolitik der USA im 19. Jahrhundert insgesamt wesentlich konturiert hatte. Vgl. The Progressive Farmer vom 21. Oktober 1890, S. 4. Die Populisten wiesen mit Blick auf die englischen Erfahrungen immer wieder darauf hin, dass Veränderungen des Zollsystems die grundsätzlichen Probleme einer übermäßig hohen Wohlstandsdisparität nicht würden beseitigen können. Hierfür seien umverteilende Maßnahmen nötig, zuvorderst die von der People’s Party geforderte »graduated income tax« (Omaha Platform 1892: 65). Zur Relativierung der Bedeutung der Zollfrage vgl. Weaver (1892a) und Nugent (1896: 146f.).
3. Das politische Denken der Populisten
die Populisten den Staat als grundlegendes Problem begriffen, wie beispielsweise Goebel und mit Abstrichen auch Priester dies glauben machen wollen. Vielmehr positionierten sich die Populisten als Reformbewegung gerade gegen das seinerzeit vorherrschende sozialdarwinistisch gefärbte laissez faireCredo (vgl. Pollack 1962: 18; Ders. 1987: 308; Destler 1944: 359).134 Die Klage über schlechte Gesetze führte in ihrem Denken nicht zur normativen Auszeichnung möglichst weniger Gesetze.135 Goebel entgeht ein entscheidender Unterschied zwischen dem anti-etatistischen Denken der Gründerzeit und des Age of Jackson und dem Reformprogramm der Populisten im ausgehenden 19. Jahrhundert. Jefferson und die Jacksonians waren, wie in den vorangegangenen Kapiteln dargelegt wurde, stark vom englischen Oppositionsdenken des 17. Jahrhundert geprägt, das sich vor allem gegen die (politische) Machtsicherung durch die Vergabe (ökonomischer) Privilegien auszeichnete. Formal ausgedrückt, ist diesem Denken zufolge jedoch die Regierung Subjekt und die jeweils privilegierten Sonderinteressen sind die Objekte der Einflussnahme. In den industrialisierten USA der Populisten ändert sich dieses Verhältnis. Bemängelt wird nun, dass die »millionaires«, das »business« und die »monied interests« ihrerseits zum Subjekt würden, das versuche einen unverhältnismäßig großen Einfluss auf die eigentlich mit der Förderung des Gemeinwohls 134
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Hans-Jürgen Puhles (1975: 125) Einschätzung, die vermutlich von Hofstadters Interpretation beeinflusst ist und der zufolge die Farmer die meisten »sozialdarwinistischen Glaubenssätze« geteilt hätten, ist nicht zuzustimmen (vgl. Woodward 1971: 250f.). Vielmehr repräsentativ ist folgende Aussage eines anonymen Populisten aus Kansas: »There never was, nor can there be, a more brutal, utterly selfish, and despicable doctrine than the Darwinian ›struggle for existence‹ when applied to the social relations of man.« (Zit.n. Schimmer 1997: 138) An anderer Stelle heißt es, dass »[t]he tendency of the competitive system is to antagonize and disassociate men. The survival of the fittest is a satanic creed, applicable to the savage creation, perhaps, but only in the broadest sense to men.« (Farmers’ Alliance vom 7. Mai 1891, in: Pollack 1967: 4). Und: »[E]verywhere we slay, and the slayer in turn is slain and so on the great theatre of life is one vast conspiracy all creatures from the worm to man in turn rob their fellows. That my fellow citizens is the law of natural selection the survival of the fittest. Not the survival of the fittest, but the survival of the strongest. It is time that man should rise above it.« (Lewelling 1894: 5). Ähnlich auch Morgan (1891: 696), Southern Mercury vom 1. Januar 1891, S. 4 und Southern Mercury vom 3. Mai 1894, S. 1, wo es abschließend heißt: »Well, there is no use in loosing time over the ›laissez faire‹ man, there isn’t enough of him to amount to anything anyway.« Schließlich Lloyd (1894: 514): »Only those can attack this system who attack its central principle, that strengh gives the strong in the market the right to destroy his neighbor.« Vgl. zusammenfassend Fine (1956: 311). Vgl. hierzu auch Ewald (2003: 111f.).
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betraute Regierung zu nehmen, die diesem Schema entsprechend zum Objekt der Beeinflussung wird (vgl. Morgan 1891: 560f.).136 »But the flames of a new economic evolution«, so Henry D. Lloyd, »run around us, and we turn to find that competition has killed competition, that corporations are grown greater than the State and have bred individuals greater than themselves, and that the naked issue of our time is with property becoming master instead of servant, property in many necessaries of life becoming monopoly of the necessaries of life.« (Lloyd 1894: 494) Und gemäß dieser veränderten Wahrnehmung lauert das Unheil dann auch nicht mehr hinter dem Begriff »government«, wie dies für Jefferson und die Jacksonians gesagt werden konnte.137 »Government« war für die Populisten nicht mehr mit Monarchie und Unterdrückung gleichzusetzen.138 So heißt es im Southern Mercury: »We believe constitutional liberty 136
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So auch The Advocate vom 11. Juli 1894, S. 3: »By a united effort capital has exerted a powerful influence upon state and national legislation, and as a result, we find it to-day securely entrenched behind a bulwark of legal enactments which render its position well nigh impregnable«. Was sich im Denken der Populisten findet, ist eine Kritik der Unterminierung staatlicher Autonomie durch unkluge und in letzter Konsequenz dysfunktionale Gesetze. Hiermit waren solche legislativen Akte gemeint, in denen ihrem Wesen nach öffentliche Aufgaben an private Stellen delegiert wurden, was in der Folge zu einer Abhängigkeit der öffentlichen Hand von durch jene Gesetze unverhältnismäßig machtvoll gewordene private Akteure geführt habe: »The right to issue money is an inherent government power […]. In all cases where governments have delegated this right, the recipients have bevome government agents, as are today our national banks […]. They have never long exercised the right without acquiring a power which threatened that of their principal.« (Farmers’ Alliance vom 26. Juni 1889, zit.n. Pollack 1987: 176; Hervorh., T.M.). Vgl. Southern Mercury vom 13. Juni 1895, S. 1, Weaver (1892b: 7) und Flower (1892: 23). Diese Verschiebung entgeht auch Miller (1987: 183), der den populistischen Protest in eine direkte Abstammungslinie zu jenem der Gründerväter gegenüber George III. stellt. Miller meint, dass »Populists also noted that the political leaders of that age used patronage, pensions, and franchises to build majorities and silence critics.« Ähnlich argumentiert Caswell (1985: 158), dessen Auslegung sich allerdings nur auf die Omaha Platform stützt. Ich halte diese Interpretation für zumindest verkürzt, war die Regierung aus Sicht der Populisten doch in erster Linie das Werkzeug der Wirtschaftsinteressen geworden und eben nicht länger »their principal«. Vgl. allerdings für einen diesbezüglich näher am Jefferson’schen und Jackson’schen liegenden Argumentationsgang aus den Reihen der Populisten Nugent (1894: 184f.). Monarchie war freilich nach wie vor gleichbedeutend mit Unterdrückung, der Unterdrücker trug jedoch keine Krone mehr: »It is just so great a crime against the Declaration of Independence to be monopoly-ridden as it is to be monarchy-ridden. […] Why do certain omnipotent individuals command the approaches to New York […]? Must
3. Das politische Denken der Populisten
to consist simply in an extension of the powers of government, to the securing of the prosperity of the people. Three hundred years ago, government in England, meant simply a machine, to preserve despotism and collect taxes. It is no more than that to-day in Russia. Our enemies would have it no more than that in America.«139 Die Populisten waren sich demnach der traditionellen Regierungskritik bewusst, kannten die Dichotomie zwischen »liberty« und »power«, beharrten jedoch darauf, dass jener Gegensatz überkommen werden, dass also die Regierung zum Nutzen der Freiheit und des Gemeinwohls genutzt werden könnte. Ebenso wie die laissez faire-Doktrin zum Zeitpunkt ihres Entstehens progressiv, so mochte die Regierung »[t]hree hundred years ago« per se repressiv gewesen sein. Beide Glaubenssätze hatten jedoch ihre Gültigkeit verloren. Blickt man beispielsweise auf James B. Weavers A Call to Action (1892a: 393), so fällt auf, dass die Regierung in seiner Kritik an den »trusts« nicht ein einziges Mal als Problem genannt wird. Vielmehr, so Weaver, operierten die »trusts« widerrechtlich und gegen alle Versuche von Seiten der Legislative, ihr Tun einzuhegen. »If popular tumult breaks out and legislation in restraint of these depredations is threatened, they [the trusts; T.M.] can advance prices, extort campaign expenses and corruption funds from the people and force the disgruntled multitude to furnish the sinews of war for their own destruction.« Ein Beispiel hierfür stellte die illegale Rationalisierung betrieblicher Abläufe dar. Cornelius Vanderbilt warfen die Populisten dementsprechend vor, jenseits gesetzlicher Bestimmungen Arbeitskräfte einzusparen: »By law, freight trains must carry no more than thirty cars, and there must be one man over every ten cars. This law notwithstanding, the freight trains on the Vanderbilt line were allowed to pull from forty to forty-eight cars in charge of only three men; and by this violation of law the company saved the wages on one or two men on every freight train.« Vanderbilt wurde hierbei als »generic term« verwendet: »What is said of him is said of his whole class – the genuine anarchist of capitalist class.«140 Im Progressive Farmer heißt es in ähnlichem Tenor: »The first great illustration of a monopoly which exists by the omission of the
they be labeled with the old names to prove that they exert the old kind of power?« Southern Mercury vom 12. März 1891, S. 3. Vgl. The Progressive Farmer vom 27. August 1889, S. 1. 139 Southern Mercury vom 21. Januar 1892, S. 2. 140 The Advocate vom 21. März 1894, S. 15. Hervorh., T.M.
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law to interfere […] is the Standard Oil Company.«141 Diese stehe exemplarisch für jene übermächtigen Unternehmenszusammenschlüsse, die als Folge ihrer wirtschaftlichen Stärke einen unverhältnismäßig großen Einfluss auf die politischen Entscheidungsfindungsprozesse ausübten. »Strange to say, whilst this tendency on the part of capital to create monopolies and suppress competition by combination is on the increase, the tendency of our legislation and administration of the laws is to favor it. Their influence in the enactment and the execution of our laws seems supreme. Those who favor their enterprises are described as practical statesmen, devoted to the business interests of the country, whilst those who oppose their schemes as dangerous are called cranks and demagogues.«142 Die sich auf dem Markt vollziehenden Konzentrationsprozesse143 stehen somit vor der politischen Einflussnahme. Dementsprechend geht es den Populisten vornehmlich um das Problem einer exorbitanten Marktmacht, die sich in politischen Einfluss übersetzt, nicht um die politische Macht, die sich durch die Schaffung abhängiger Monopole zu konsolidieren versucht.144 141
Vgl. auch The Progressive Farmer vom 10. Juni 1896, S. 2. Hier heißt es: »It [the trust; T.M.] avoids the restraints which wise legislation has thrown around corporations.« Hervorh., T.M. 142 The Progressive Farmer vom 22. Mai 1888, S. 4. Hervorh., T.M. Im gleichen Text heißt es bezüglich der auch von Weaver angesprochenen »trusts«: »Then the trust was organized to monopolize the business. A large combination of capital enabled it to buy all the mills that were willingly offered for sale and to force the sale of the rest.« Der erwähnte Zwang bestand darin, den unwilligen Verkäufer preislich so lange zu unterbieten, bis er verkaufen musste. Hinsichtlich der angeprangerten öffentlichen Diffamierung wirtschaftskritischer Positionen war eine der wirkmächtigsten Stimmen Edwin Lawrence Godkins Nation. Vgl. Russ, Jr. (1945). 143 Vgl. auch The Progressive Farmer vom 15. Oktober 1889, S. 4 und The Progressive Farmer vom 10 Juni 1896, S. 2. Hier heißt es: »It is a revolution by which great combinations, using competition to destroy competition, have monopolized entire markets«. Eine derart radikale Ablehnung des Wettbewerbsprinzips findet sich beispielsweise auch bei Nugent (vgl. Lawson Dabbs 1896: 120f.) und im Southern Mercury vom 8. Januar 1891, S. 6, wo es heißt: »We can observe […], that a famous doctrine of ›laissez faire‹ political economy may conspiciously went to pieces. We see that the doctrine, that free, unlimited competition in the commercial world is its only salvation, is a lie, and a lie that is played out. Co-operation, not competition saved the world«. 144 Vgl. auch Milton Howard, der als einer von vielen davon spricht, dass die »trusts« inzwischen die Macht hätten, »[to] elect Governors and Presidents, own the AttorneyGeneral of the United States, purchase Legislatures and Congresses, and hold high car-
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Als »remedy« schlägt Weaver dann dementsprechend strengere Gesetze auf Einzelstaats- und Bundesebene vor, beispielsweise die Stärkung persönlicher Verantwortlichkeiten zuungunsten der intransparent operierenden Unternehmenszusammenschlüsse und eine »excise or internal revenue tax of from 25 to 40 per cent on all manufacturing plants, goods, wares or merchandise of whatever kind and wherever found when owned by or controlled in the interest of such combines or associations, and this tax should be a first lien upon such property until the tax is paid.« (Ebd.) Auch ein abermaliger Blick auf Lloyds Wealth against Commonwealth verdeutlicht, dass der Staat sich gerade nicht aus der ökonomischen Sphäre zurückziehen sollte: »We can become individual only by submitting to be bound to others. We extend our freedom only by finding new laws to obey. Life outside the law is slavery on as many sides as there are disregarded laws. The locomotive off its tracks is not free. The more relations, ties, duties, the more ›individual‹.« (Lloyd 1894: 527) Der Glaube an eine vorgesellschaftliche Anständigkeit, die den Staat zum Wächter natürlicher Freiheiten degradierte, der durch hierüber hinausgehende Aktivität lediglich einen asozialen Egoismus befördern würde, findet sich bei Lloyd nicht mehr. Vielmehr werde die soziale Freiheit erst über ein Rechtssystem verwirklicht, dass das Prinzip der Gegenseitigkeit institutionalisiere. Dementsprechend liefen auch die Appelle ins Leere, die lediglich auf das Individuum und dessen ethisch-moralische Genesung zielten. »›Regenerate the individual«, so Lloyd, »is a half-truth; the reorganization of the society which he makes and which makes him is the other half.« (Ebd.; vgl. Morgan 1891: 275f.)145 Die strukturellen Zwänge,
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nival while the dance of the death goes merrily on, and people starve, and rot, and die all over the land.« (Howard 1895: 233) Kurz, die Regierung sei zum »tool of plutocracy« geworden. (Ebd.: 227) Ebenso Leonidas L. Polk, ehemaliger Präsident der National Farmers’ Alliance und später führendes Mitglied der People’s Party in North Carolina, der in einer 1890 gehaltenen Rede bemerkt, dass »centralized capital is a formidable menace to individual rights and popular government.« (Zit.n. Mitchell 1987: 81). Schließlich Morgan (1891: 270; vgl. ebd.: 747f.), der zwar wenige Seiten vorher ebenfalls von »class legislation« und einer zum Wohle Weniger tätigen Regierung redet, dann allerdings keinen Zweifel an der Ursache jener Gesetzgebung lässt: »Corporations secure legislation by being represented by men who are in their paid interest and by bribery.« Dementsprechend ist die Macht des Kapitals zwar »derived from legislation«, Letztere ist aber eben nicht mehr das Subjekt, das sich durch die Schaffung wirtschaftlicher Objekte zu festigen suchte. Vgl. auch Pollack (1990: 141). Hiermit positionierten sich die Populisten – auch in den Südstaaten – gegen baptistische und methodistische Beschwörungen individueller Schicksalsgläubigkeit vor dem
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denen sich der Einzelne ausgesetzt sieht, werden als derart groß empfunden, dass einem individuellen Lebenswandel, der noch von Teilen der Jacksonians als vielversprechendes Vorhaben angesehen wurde, äußerst enge Grenzen gesetzt sind (vgl. Boller 1969: 109). Das häufig betonte Ohnmachtsgefühl, das den Populisten eigen war, schlägt sich unter anderem an dieser Stelle nieder. Der Einzelne kann demnach gar nicht anders als sich unmenschlich verhalten, weil die vorherrschenden Strukturen eben dies fordern – gemäß des verhassten »survival of the fittest«-Prinzips im Zweifelsfall zum Zwecke des Erhalts des eigenen Lebens. Bezeichnend ist an dieser Stelle, dass selbst jene »Plutokraten«, in denen sich die Schlechtigkeit des Systems manifestierte, von ihrer individuellen Verantwortung zumindest teilweise freigesprochen wurden. »I don’t blame Mr. Rockefeller for doing this«, so Lorenzo D. Lewelling,146 »he simply lives up to the custom of the times. […] I simply say these men are arrayed on the one hand, and on the other the industrial army. […] The People’s party has stepped into the breach between the classes to demand justice for the poor as well as to the rich and for every man.« (Lewelling 1894: 11)147 Wenn Lewelling Hintergrund eines göttlichen Plans. »Populists and Alliancemen in the upper south, in Virginia, North Carolina, and Tennessee accused the Methodist and Baptist hierarchy of taking refuge from their responsibility toward the poor behind a curtain of spiritual revival.« (Mitchell 1987: 87f.) Dies meint auf der anderen Seite mitnichten, dass die Populisten nicht ihrerseits auf religiöse Rhetorik und Gebote christlicher Nächstenliebe rekurrierten, um ihr Programm zu rechtfertigen. Vgl. hierzu ausführlich Creech (2006). Insgesamt zeichneten sich die Populisten durch einen vergleichsweise geringen Dogmatismus in religiösen Fragen aus. Laut Charles W. Macune, führendes Mitglied der Farmers’ Alliance in Texas, war diese »not concerned with the discussion of doctrinal differences which too frequently disturb the harmony that ought to exist between Christian people« (zit.n. Mitchell 1987: 90; vgl. Postel 2007: 245f.). 146 Lewelling war von 1893 bis 1895 Gouverneur und später Abgeordneter im Senat von Kansas für die People’s Party. 147 Ganz ähnlich bemerkt Milton Howard (1895: 231), dass »[w]hile the curse rests most heavily upon the masses of the people, it does not fail to visit all classes. The stubborn fight of the poor for bread finds its counterpart in the frantic efforts of the rich to acquire more money. There is misery in the hovel and a feverish unrest in the palace. […] Truly can it be said that the trail of the serpent is over them all.« Vgl. auch Lloyds Bemerkung, der zufolge Fragen der Persönlichkeit und des Charakters nebensächlich seien, da »the main point is the simple issue of monopoly« (zit.n. Pollack 1962: 21), wobei Lloyd bei Monopolen die Konzentration ökonomischer Macht in Folge marktwirtschaftlichen Wettbewerbs im Sinn hat, wie oben bereits deutlich geworden ist. Vgl. auch The Progressive Farmer vom 19. Februar 1895, S. 1 und Donnelly (1890: 149). Hier
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hier »justice« für die Armen wie die Reichen fordert, dann ist dies nicht mit der von Leggett geforderten Neutralität des Staates gegenüber unterschiedlichen sozioökonomischen Gruppen zu verwechseln; vielmehr zielt er auf die aktive Schaffung der Bedingungen für eine menschliche Existenz, wie im nächsten Kapitel noch ausführlich gezeigt wird (vgl. Miller 1987: 189; Pollack 1990). Auch jene, die vom herrschenden System profitierten, waren demnach dessen Gefangene. Sie mussten sich freilich weniger entmenschlichen als die sozioökonomisch schlechter Gestellten, sie brachten sich hiermit jedoch nicht minder um die Verwirklichung der sozialen Natur des Menschen.148 So bemerkt auch Lloyd (1894: 513): »We go hopelessly astray if we seek the solution of our problems in the belief that our business rulers are worse men in kind than ourselves. Worse in degree; yes. It is a race to the bad, and the winners are the worst. […] But if any could be meaner than the meanest it would be they who run and fail and rail.« Weit entfernt davon, die laissez faire-Prinzipien des verbreiteten Sozialdarwinismus Spencer’scher Provenienz zu teilen,149 bildet die Kritik an den unheilvollen Konsequenzen eines grenzenlosen Wettbewerbs, der aus ihrer Sicht als nicht anders als kriegerisch zu bezeichnen war, einen der Fixpunkte im politischen Denken der Populisten. »The actual state of society to-day is a state of war, active irreconcilable war on every side, and in all things. Deny it if you can. Competition is only another name for war.«150 Jener Wettbewerb und nicht die staatliche Privilegienvergabe war es, der einen gesellschaftlichen Zustand bedingte, in dem sich »millionaires« und »tramps«, »wealth
heißt es: »Brutality above has produced brutality below; cunning there was answered by cunning here; cruelty in the aristocrat was mirrored by cruelty in the workman. High and low were alike victims – unconsciousness – victims of a system.« 148 Eine solche strukturelle Sozialkritik hielt die Mehrzahl der Populisten andererseits nicht davon ab, die Industriemagnaten entweder als moralisch korrumpiert oder aber als mindestens heuchlerisch zu porträtieren. So heißt es bei dem bereits zitierten Milford Howard auch: »He [Rockefeller; T.M.] is a member of the Church, and has given large sums of money to religious, educational and benevolent societies. I suppose he has some great, charitable scheme working in his benevolent heart at the present time, and that he needs some more money to carry it out, for the price of oil has been advanced, and the poor are paying more than twice as much for it as they did a short time ago« (Howard 1895: 234; vgl. Mitchell 1987: 129). 149 Zur Popularität sozialdarwinistischer Ideen im USA des Gilded Age vgl. Fine (1956: 47167). 150 Farmers’ Alliance vom 7. Mai 1891, in: Pollack (1967: 27).
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producers« und »wealth owners« gegenüberstanden. Was dem radikalindividualistischen Wettbewerbsprinzip aus Sicht der Populisten nämlich abging, war die Anerkennung des Wechselverhältnisses zwischen Individuum und Gemeinschaft.151 Hiermit entfernen sich die Populisten nicht gänzlich vom Individualismus, weisen aber darauf hin, dass dieser nur dann seine destruktiven Potentiale unterdrücken könne, wenn er im Zweifelsfall von den Kollektivinteressen getrumpft werden könne. »The true laissez-faire is, let the individual do what the individual can do best, and let the community do what the community can do best. The laissez-faire of social self-interest, if true, cannot conflict with the individual self-interest, if true, but it must outrank it always.« (Lloyd 1894: 497) Werde hingegen den individuellen Kräften freier Lauf gelassen – ein Zustand, den Lloyd abfällig als »anarchy« (ebd.) bezeichnet –, so sei die logische Konsequenz ein Nicht-Ausschöpfen des gesellschaftlichen Entwicklungspotentials. »Where the self-interest of the individual is allowed to be the rule both of social and personal action, the level of all is forced down to that of the lowest. […] When the self-interest of society is made the standard the lowest must rise to the average.« (Ebd.: 498) Es geht Lloyd hierbei, wie oben bereits anklang, nicht um eine Transformation des individuellen Selbstinteresses; dass dieses negative Nebenfolgen für die Gemeinschaft haben könne, müsse man akzeptieren. »That men’s hearts are bad and that bad men will do bad things has a truth in it. But whatever the general average of morals, the anarchy which gives such individuals their head and leaves them to set the pace for all will produce infinitely worse results than a policy which applies mutual checks and inspirations.« (Ebd.)152 Jene Passagen erinnern durchaus an den demokratischen Realismus der Jacksonians; der entscheidende Unterschied besteht jedoch abermals in
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An dieser Stelle trifft sich die Kritik der Populisten mit jener, der elitären Mugwumps, einer Splittergruppe der Republikanischen Partei, die im Nordosten der USA für die Remoralisierung des politischen Betriebs eintrat. Charles Eliot Norton, einer jener Mugwumps, bemerkte beispielsweise, dass es in Zeiten eines wildgewordenen Individualismus, in denen es lediglich um das eigene Vorankommen zu gehen scheine, darum gehen müsse, jeden Einzelnen »more conscious of their duties to society« zu machen (zit.n. Ellis 1993: 111). Jenseits dessen waren die Differenzen zwischen Mugwumps und Populisten jedoch erheblich, insbesondere mit Blick auf das Vertrauen beziehungsweise Misstrauen in die demokratische Regierungsform. Während Erstere jener zunehmend kritisch gegenüberstanden (vgl. Ridge 1973; Buchstein 2000b), traten die Populisten, wie dargelegt, für die Stärkung direktdemokratischer Instrumente ein. Vgl. auch The Advocate vom 4. Dezebember 1895, S. 6.
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der Konsequenz, die aus einer zumindest partiellen Selbstbezogenheit des Einzelnen gezogen wird. Bei den Jacksonians wurde die Organisation der Produzenteninteressen jenseits legislativer beziehungsweise staatlicher Tätigkeit im Allgemeinen als erstrebenswert ausgegeben. Im Zusammenspiel mit dem Präsidenten als oberstem Wächter über die enge Auslegung der Verfassung seien sie dazu in der Lage, das Streben nach Privilegienverleihung, das als herausragender Ausdruck des individuellen Ehrgeizes angesehen wurde, zu unterbinden.153 Bei Lloyd wird nun demgegenüber eine »policy« gefordert, die über das Recht solche Schranken im sozialen Bereich institutionalisiert, die das Prinzip der Gegenseitigkeit zu verwirklichen helfen soll. »Insurance for fire, accident, sickness, old age, death – the ills that flesh is heir to – has the same co-operation for its innermost forces. Limited now by the intervention of the selfishness of profit-seeking, it needs only to be freed from this, and added, as in New Zealand,154 to the growing list of the mutualities of the general welfare operated by the State to be seen as what it is.« (Ebd.) Allgemeiner heißt es im Advocate, dass der Anarchismus als philosophisches Prinzip der intersubjektiven Achtung der Rechte des anderen auf Grundlage individueller moralischer Integrität zwar eine schöne Idee sei, allerdings »very unattainable, save through the method, the order and the discipline of social combination, and of those agreed-upon rules of conduct which we call laws.«155 Das Höchstmaß der egoistischen Interessendurchsetzung war für Lloyd und die Populisten nämlich nicht mehr die Beschneidung der Rechte ihrer Mitbürger über das illegitime Erheischen besonderer Zuwendung von Seiten dritter, namentlich der Regierung, sondern die direkte Übervorteilung des Nächsten gemäß eines hegemonialen survival of the fittest-Prinzips, das die
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Das Gleiche galt, wie im 2. Kapitel dargelegt, für die Rolle des obersten Repräsentanten, den US-Präsidenten. Neuseeland gehörte im ausgehenden 19. Jahrhundert zu jenen Demokratien – autoritär geführte Staaten konnten Lloyd aus naheliegenden Gründen nicht als Vorbild dienen –, die beim Aufbau und Ausbau des Wohlfahrtsstaates eine Vorreiterrolle einnahmen (vgl. Siegel 2007: 225). Lloyds Verweis auf den neuseeländischen Wohlfahrtsstaat zeigt auch, dass die These, der zufolge, die Populisten einem solchen prinzipiell ablehnend gegenübergestanden hätten (vgl. Priester 2007, Schimmer 1997: 155), in dieser Allgemeinheit nicht aufrechtzuerhalten ist. Schimmers Beobachtung (1997: 155), dass die Arbeit für die Populisten einen Eigenwert hatte, der nicht durch staatliche Ausgleichszahlungen ausgeglichen werden konnte, ist nichtdestotrotz plausibel. Zu Lloyds Neuseeland-Referenzen vgl. Coleman (1982). The Advocate vom 20. Juni 1894, S. 7.
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Bande zwischenmenschlicher Benevolenz vollständig kappte.156 Die radikalindividualistische Vernachlässigung des sozialen Bezugsrahmens individueller Handlungen führte aus populistischer Perspektive zu nachgerade absurden Zuständen. Das von den Populisten so genannte »mind your own business«-Prinzip hatte hierbei sowohl auf der gesellschaftlichen als auch auf der im engeren Sinne zwischenmenschlichen Ebene desaströse Konsequenzen. Mit Blick auf erstere erwies es sich, entgegen den Glaubenssätzen der Apologeten des Sozialdarwinismus, als dysfunktional. »[H]e is your thorough, radical ›mind your own business‹ man and sternly directs his son ›to go on with your work and mind your business,‹ when the boy calls attention to a bunch of cattle just breaking into his neighbor’s corn near by and never moves to prevent it, though five minutes intervention would have saved $50 or 100$.«157 An anderer Stelle wird die seit der Jahrhundertmitte stetig steigende Kriminalitätsrate als »one of the natural results of the selfishness and greed of capitalism« bezeichnet.158 Und schließlich, und dies scheint mir eine wesentliche Abgrenzung zum politökonomischen Denken Jeffersons und der Jacksonians zu sein, brechen die Populisten nachdrücklich mit dem Glauben an die gemeinwohlfördernde Wirkung nicht regulierter individueller Handlungen. Mit Blick auf das Angebot-Nachfrage-Prinzip heißt es im Advocate beispielsweise: »There are in all cases at least two parties to a sale – the seller and the buyer, and while the seller is in the business to make profit, the buyer wants to save every cent he can. If a merchant can sell enough more at a lower price to make larger profits, he will do so, and the people who buy will defend him. The small store in large cities will go as did the shoemaker, the weaver and the tailor. Where combination is possible, competition will cease.«159 Kümmerten sich also tatsächlich alle Bürgerinnen und Bürger im Rahmen nicht regulierten Wettbewerbs nur noch um sich selbst, so führe dies keineswegs zur nicht-intendierten Konsequenz einer allgemeinen Wohlstandsstei-
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Vgl. auch Morgan (1891: 25): »The community is a sick man suffering from the antisocial disorders of ignorance, selfishness and unlimited competition.« The Advocate vom 10. Juni 1898, S. 2. Vgl. Palmer (1980: 5). The Advocate vom 27. Juni 1894, S. 11. The Advocate vom 10. November 1897, S. 5. Die mehr als implizite Kritik am AngebotNachfrage-Modell ist insofern bemerkenswert, dass es für den politökonomischen Mainstream im Gilded Age »the most important of all the [economic; T.M.] laws« war (Boller 1969: 74).
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gerung, sondern zu Resultaten, die für einige vorteilhaft und für viele nachteilig seien. Im engeren zwischenmenschlichen Bereich führe die Selbstbezogenheit zu einem Austrocknen jener sozialen Quellen der Fürsorge, die sich jenseits einklagbarer Rechte aus der natürlichen menschlichen Abhängigkeit von anderen ergibt. Das offensichtlichste Beispiel hierfür war die Familie: »[I]n his hot pursuit of and devotion to business, he had utterly forgotten the old mamma that nursed him and criminally neglected his old man servant who had so faithfully served him for a lifetime […]. Of course his neglect was in pursuance of the doctrine of ›mind your own business‹ and let others take care of themselves.«160 Mit Blick auf die zuletzt skizzierte Mikroebene des Sozialen lässt sich die Kritik am nicht regulierten, radikalindividualistischen Wettbewerb in die übergeordnete Sorge um grassierende Verdinglichungstendenzen einbetten, die wohl nirgends deutlicher und vor allem anschaulicher dargestellt und kritisiert wurden als in den fiktionalen Schriften Ignatius Donnellys, vor allem im unter Anhängern und Sympathisanten der Populisten viel gelesenen Roman Caesar’s Column (1890) (vgl. Boller 1969: 95). Der wenig komplexe Plot ist schnell erzählt: Die von Donnelly verfasste Dystopie versetzt den Leser in das New York des Jahres 1980, also knapp 100 Jahre in die Zukunft.161 Dort folgt er dem Protagonisten Gabriel Weltstein, der im Zuge seines Streifzuges durch die Stadt auf Maximilian trifft, der seines Zeichens einem revolutionären Geheimbund anhängt, der es sich zum Ziel gesetzt hat, die bestehenden plutokratischen Herrschaftsstrukturen aufzubrechen, um eine gerechtere Ordnung zu institutionalisieren. Tatsächlich gelingt es der Brotherhood of Destruction mit Hilfe eines abtrünnigen Generals die Regierung zu stürzen – die Folgen jenes Putsches sind jedoch verheerend. Statt der erhofften Verbesserung der Lage werden die bis dato Unterdrückten ihrerseits zu Unterdrückern, und zwar nicht lediglich deren Anführer, sondern insbesondere die Gefolgschaft. Nachdem die verhasste Oligarchie gestürzt worden ist, wenden sich die Massen gegen Caesar, dem Vorsitzenden der Bruderschaft, und ermorden diesen (vgl. Pfaelzer 1984: 120).
160 The Advocate vom 10. Juni 1896, S. 2. Und bei Lloyd (1984: 518) heißt es nicht weniger drastisch: »The family crumbles into a competition between the father and the children whom he breeds to take his place in the factory, to unfit themselves to be fathers in return.« 161 Selbstredend sieht Donnelly die Probleme, die er für die Zukunft skizziert, bereits in seiner Gegenwart wuchern. Vgl. Baker (1973: 69).
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Caesar’s Column ist aufgrund dessen aufschlussreich, dass Donnelly hier der These von der uneingeschränkten und überzeitlichen Anständigkeit und moralischen Integrität ›des‹ Volkes widerspricht. Donnelly skizziert keinen Kampf zwischen korrupten Eliten und nicht korrumpierbaren Volk, sondern zeichnet, gemäß dem literarischen Genre der Dystopie,162 einen gesellschaftlichen Verfallsprozess nach, der alle sozioökonomischen Schichten trifft. Seine Überlegungen schließen sich diesbezüglich denjenigen der bereits zitierten Howard und Lewelling an. »They [the masses; TM] do not mean to destroy the world; they will reform it – redeem it. They will make it a world where there shall be neither toil nor oppression. But poor fellows! Their arms are more potent for evil than their brains for good. They are omnipotent to destroy; they are powerless to create.«163 Die Massen – man könnte hier auch vom gewöhnlichen Volk sprechen, denn der Ausdruck wird nicht pejorativ verwendet – sind demnach nicht einfach das unbescholtene Andere einer korrupten Elite, sondern Teil eines allgemeinen Verfallsprozesses.164 Eine einfache ›Rückgabe‹ der Macht an das Volk wird demnach mitnichten direkte Verbesserungen der Gesamtsituation mit sich bringen. Vielmehr bedarf es, wie schon Lloyd bemerkt hatte, der Schaffung solcher Rahmenbedingungen, die ein im populistischen Sinne menschliches Zusammenleben überhaupt erst ermöglichen. Hiermit war vor allem die Errichtung einer Sozialordnung gemeint, die die von Donnelly ausgemachte Prämierung einer zwischenmenschlichen Verdinglichung rückgängig machen würde. Donnellys Roman ist selbstredend keine empirische Gegenwartsanalyse, die von ihm ersonnenen Bilder verdeutlichen jedoch, was in gesellschaftskritischer Hinsicht für die Populisten Stein des Anstoßes war. Nach seiner Ankunft in New York City fällt Donnellys Gabriel Weltstein neben der technologischen Entwicklung vor allem der die Stadt bevölkernde Menschentyp auf. Alle zeichneten sich durch »the same soulless likeness« aus (Donnelly 1890: 19). Vor allem schockiert ist Weltstein jedoch angesichts der Gleichgültigkeit gegenüber dem menschlichen Elend im Besonderen 162 Vgl. hierzu Ottmann (2010: 1-46). 163 Donnelly (1890: 258). Vgl. Pollack (1987: 70) und Pfaelzer (1984: 123). 164 An anderer Stelle heißt es entsprechend: »The rich, as a rule, despise the poor; and the poor are coming to hate the rich. The face of labor grows sullen; the old tender Christian love is gone; standing armies are formed on one side, and great communistic organizations on the other; society divides itself into two hostile camps; no white flags pass from the one to the other. They wait only for the drum-beat and the trumpet to summon them to armed conflict« (Donnelly 1890: 9).
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und dem menschlichen Leben im Allgemeinen. So mokiert er sich über ein grassierendes System der Selbstmordhilfe, das diesen in einer möglichst menschlichen Form durchführbar machen soll, die darüber hinaus »would give least trouble to their [the suicide victims’; T.M.] surviving fellow-citizens.« (Ebd.) Was Weltstein an dieser Einrichtung irritiert, ist die vollständige Nicht-Berücksichtigung der Gründe für das Vorhaben des Selbstmords, ist der Suizid aus seiner Sicht doch der finale Abgesang auf die Dignität des menschlichen Lebens. Das Effizienzdenken sei derart umfassend geworden, dass es selbst vor dem menschlichen Leben nicht haltmache. »Now in all the public squares or parks they have erected handsome houses, beautifully furnished, with baths and bed-rooms. If a man decides to die, he goes there. […] There are tables at which he can write his farewell letters to friends. A doctor explains to him the nature and effect of the different poisons, and he selects the kind he prefers. He is expected to bring with him the clothes, in which he intends to be cremated. He swallows a little pill, lies down upon a bed, or, if he prefers it, in his coffin; pleasant music is played for him; he goes to sleep, and wakes up on the other side of the great line. […] The authorities assert that it is a marked improvement over the old-fashioned methods; but to my mind it is a shocking combination of impiety and mock-philanthropy. The truth is, that, in this vast, over-crowded city, man is a drug, – a superfluity, – and I think many men and women end their lives out of an overwhelming sense of their own insignificance; – in other words, from a mere weariness of feeling that they are nothing, they become nothing.« (Ebd.) Dem Menschsein als solchem wird kein Wert mehr zugeschrieben: »Men are valued, not for themselves, but for their bank account.« (Ebd.; vgl. Palmer 1980: 112f.)165 Dies ist für Donnelly, der durch Weltstein spricht, das unverhohlenste Zeichen der um sich greifenden Verdinglichung. Zum Opfer fallen dieser die Reichen wie die Armen, die Arbeitenden wie die Nicht-Arbeitenden, es ist für Donnelly aber nicht von der Hand zu weisen – und auch hier schließt 165
Vgl. auch The Advocate vom 7. August 1895, S. 14 und The Advocate vom 25. März 1896, S. 7. In anderer Form wurde dieser Umstand von den Populisten auch als Kommodifizierung bezeichnet. In einem Brief an Samuel Gompers, den Vorsitzenden der American Federation of Labor, bemerkt Lloyd mit Blick auf Andrew Carnegie, dass dieser »perhaps the most conspicuous representative of the wage system« sei, da er den Lohnarbeiter als nichts anderes begriff, denn »a commodity to be cheapened to the last cent« (zit.n. Pollack 1962: 28).
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er an Howard und Lewelling an –, dass die sozioökonomisch schwächsten Gruppen besonders leiden, weil sie sich nicht nur hinsichtlich der psychischen Konstitution von den Imperativen einer im eigentlichen Sinne menschlichen Lebensführung entfernen, sondern zudem in ihrer physischen Integrität von den materiellen Härten ihres Lebens bedroht werden. In den Arbeitervierteln sehe man, »in its full perfection, that ›iron law of wages‹ […]; that is to say the reduction, by competition, of the wages of the worker to the least sum that will maintain life and muscular strength enough to do the work required, with such little surplus of vitality as might be necessary to perpetuate the wretched race« (ebd.). Jenseits dieses notwendigen Erhalts der Arbeitskraft werde der Mensch jedoch um seine Potentiale betrogen. Im selben Tenor, der Donnellys Ausführungen anleitet, heißt es in der Farmers’ Alliance: »Take a man for instance who labors hard from fourteen to sixteen hours a day to obtain the bare necessaries of life. He eats his bacon and potatoes in a place which might rather be called a den than a home; and then, worn out, lies down and sleeps. He is brutalized both morally and physically. He has no ideas, only propensities. He has no beliefs, only instincts. He does not, often cannot, read. His contact with other people is only the relation of servant to master, of a machine to its director.«166 Bei Morgan schließlich findet jene Thematik eine interessante geschlechterbezogene Erweiterung. Frauen, so Morgan, seien von der Monotonie des Arbeitslebens auf der Farm in noch destruktiverer Weise betroffen als Männer. »Theirs is a life of constant toil – the same routine day after day, week after week – with scarcely a break in it. […] [A]s a rule, the loneliness of their lives is unbroken.«167 Und Annie Diggs, eine der bekanntesten Frauen innerhalb der populistischen Bewegung, bemerkt: »In the many thousand of iso166 Farmers’ Alliance vom 7. Mai 1891, in: Pollack (1967: 1). 167 In einer zwischen Komik und Skurrilität schwankenden Überlegung führt Morgan das verhältnismäßig laute Lachen und die aus seiner Sicht typische Aufgeregtkeit von Frauen im Rahmen öffentlicher Festivitäten auf die von ihnen übermäßig stark erlittene Monotonie des Alltagslebens zurück. »Who that has attented a county fair, picnic, or other public gathering, where amusement was the object, has failed to mark the noisy and, what city folk would term unnecessary mirth of the farmers’ wives and daughters? These outbursts of mirth and loud peals of laughter may, to some, seem ridiculous; but they are natural. […] They laugh and enjoy themselves because they have been silent and care-burdened so long« (Morgan 1891: 248).
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lated farm homes the early morning, the noonday, and the evening-time work went on with dreary monotony which resulted in that startling report of the physicians that American farms were recruiting stations from whence more women went to insane asylums than from any other walk in life.« (Diggs 1892: 161) Auch vor diesem Hintergrund sei es eine der wesentlichen Aufgaben der Suballiance-Treffen, die beiden Geschlechter zusammenzubringen. Hierdurch werde der Farmer »quietly and forcibly reminded that his wife and daughters are ladies, entitled to all the courtesies and attention of polite society, and not mere drudges, charged with the household work.« (Morgan 1891: 253; vgl. Postel 2007: 76)168 Die Degradierung der Farmer zu »corn and cotton producing machines« (Morgan 1891: 251) betraf jedoch naheliegenderweise nicht nur die Frauen, sondern gerade aufgrund der weiter oben skizzierten gleichverteilten Arbeitsbelastung die ganze Familie. Ganz im Sinne der bereits angesprochenen Kritik am »mind your own business«-Grundsatz missfiel den Populisten hieran die antisoziale Folgewirkung, denn die ersten Aktivitäten, die einem rein auf Kosten und Nutzen abhebendem Lebenstil zum Opfer fallen würden, wären jene genuin sozialen Tätigkeiten, die für das produktionsbezogene Reüssieren keinerlei direkt messbaren Beitrag leisteten. Mittelfristig würde dies den gerade im ländlichen Raum so zentralen Gemeinschaftssinn der Bürgerinnen und Bürger unterminieren (vgl. Postel 2007: 77f.). Es ist vor dem Hintergrund der ausgemachten besonderen Vulnerabilität der sozioökonomisch Schlechtergestellten wenig überraschend, dass sich hinter dem auch von den Populisten für sich reklamierten »equal rights for all, special privileges for none«-Slogan tatsächlich ein Bekenntnis zu diskriminierenden Maßnahmen von Seiten des Staates verbirgt. Der Minimalstaat Jeffersons und Jacksons sollte aus populistischer Perspektive im Sinne der sozial Schwachen aktiviert werden.
168 Auch wenn Morgan wenige Seiten zuvor die primäre Aufgabe der Frauen unverhohlen im Haushalt sieht, wird an seinen Ausführungen doch deutlich, dass das Frauenbild der Populisten ein verhältnismäßig fortschrittliches war. »The field for usefulness of women is gradually and justly widening […]. We know of no reason which can be urged against the administration of women in the organization which cannot, with equal propriety, be urged against the majority of men.« (Morgan 1891: 253) Vgl. hierzu auch The Advocate vom 21. November 1894, S. 11.
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3.2.4
Cooperative commonwealth
Zu Beginn des vorangegangenen Abschnittes hatte ich auf die Klassifikation der Populisten als sozialistisch hingewiesen. Sowohl für diejenigen, die jenes Label in diffamierender Absicht vergaben, als auch für jene, die dies mit analytischer Intention taten, spielte diesbezüglich das Staatsverständnis der Populisten eine wesentliche Rolle. Auch in heutiger Zeit ist es Anlass für Forschungskontroversen. So attestiert beispielsweise Karin Priester den Populisten einen libertären Konservatismus, der sich in einer prinzipiellen Ablehnung staatlicher Regulierung niederschlage. Von einem unerschütterlichen Individualismus beseelt, hätten die Populisten dem Staat ebenso feindselig gegenübergestanden, wie vor ihnen bereits Jefferson und die Jacksonians (vgl. Priester 2007: 78). Weniger absolut, aber in eine vergleichbare Richtung zielend, argumentiert Ralf Schimmer, dass das populistische Denken nicht als eines des Wohlfahrstaates avant la lettre klassifiziert werden könne, da der Gedanke der Arbeit bei den Populisten einen derart zentralen Platz einnahm, dass »wohlfahrtstaatliche Auffangmaßnahmen« gegen den Verlust Ersterer »nur sehr bedingt« hätten helfen können (Schimmer 1997: 155). Hans-Jürgen Puhles Einschätzung, der zufolge die Populisten grosso modo die Glaubenssätze des antietatistischen Sozialdarwinismus geteilt hätten, wurde bereits erwähnt. Schließlich schreibt auch Hans Vorländer (1997: 151-153) die Populisten einem »hegemonialen Liberalismus« zu, dem ein Optieren für aktive Staatstätigkeit alles andere als eigen war. Auffällig an dieser Auflistung ist, dass es sich bei den genannten Arbeiten um solche aus dem deutschsprachigen Raum handelt. Man darf vermuten, dass die tatsächlich existierende traditionelle US-amerikanische Staatsskepsis (vgl. Fraenkel 1969: 342; Madrick 2016) die Einschätzung der genannten Autoren und Autorinnen beeinflusst hat. Die vielfach vorgenommene Verortung der Populisten in die Traditionslinie des Jeffersonian Republicanism und der Jacksonian Democracy in der angelsächsischen Forschung169 zeigt jedoch gleichzeitig, dass es sich bei der These von der populistischen Staatsfeindlichkeit keineswegs um eine regionale Besonderheit handelt. Auf der anderen Seite stehen solche Arbeiten, die nachdrücklicher auf die Besonderheit des populistischen Denkens bezüglich der Rolle des Staates ab169 Beispielsweise bei Parrington (1930c), Lasch (1969: 6), Riddle (1974), Palmer (1980: 3949), Mitchell (1987: 4), Clanton (1991: xvi), McMath (1993: 51) und McNicol Stock (2017). Mit Abstrichen auch bei Destler (1944: 354f.) und (1946: 16f.).
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heben, wenngleich diese eindeutig in der Minderheit sind. Zu nennen sind beispielsweise Ellis (1993: 53), der von einer »Populist Challenge to American Exceptionalism« spricht, wobei dieser Exzeptionalismus für Ellis im Glauben daran bestand, dass »the free market was a source of equality and that government was the cause of inequality«. Und auch Elizabeth Sanders (1999: 387) bemerkt, dass die Analyse legislativer Prozesse die weitverbreitete Annahme, dass »the ›masses‹ are presumed to have retained their Jeffersonian conviction that the least government is the best government« Lügen strafen würde (vgl. Clanton 1984). Ein Blick auf die Ausführungen führender Populisten, denen sich weder Sanders noch Ellis in nennenswertem Umfang annehmen,170 stärkt ihre Einschätzung. Der Staat war im populistischen Denken nicht mehr das andere des Volkes beziehungsweise der in diesem verkörperten Freiheit; vielmehr wurde er zur freiheitsverbürgenden Instanz. Bereits in der Präambel der Omaha Platform heißt es: »We believe that the powers of government – in other words, of the people – should be expanded (as in the case of the postal service) as rapidly and as far as the good sense of an intelligent people and the teachings of experience shall justify, to the end that oppresion, injustice, and poverty shall eventually cease in the land.« (Omaha Platform 1892: 62)171 Diese Formulierung ist bemerkenswert, bricht sie doch mit einer zentralen Vorstellung, die sowohl Jeffersons Denken als auch jenes der Jacksonians angeleitet hatte, und der zufolge sich alle Politik stets als Auseinandersetzung zwischen zwei Polen begreifen lasse, der »power« auf der einen und der »liberty« auf der anderen Seite. Hierbei war die Freiheit für die Generation der Gründerväter einzig Angelegenheit der »people«, also der Regierten. »Liberty was not, therefore, […] professedly the interest and concern of all, governors and governed alike, but only of the governed.« (Bailyn 1992: 59) Wie gezeigt, war es noch für die Jacksonians undenkbar, dass Regierungen auf eine Art würden wirken können, die in konstruktiver Weise zum Wohle der Regierten würde beitragen können, weshalb Erstere in erster Linie negativ im Sinne einer engen Verfassungsauslegung (strict constructionism) wirken sollten. Die Gleichsetzung von Regierung und »people« in der Omaha Platform ist vor diesem Hintergrund nichts weniger 170 Ellis’ Eröterung ist vergleichsweise knapp und kommt größtenteils ohne Quellen aus; Sanders’ Fokus liegt auf dem Abstimmungsverhalten populistischer Abgeordneter im Kongress. 171 Vgl. auch Jerry Simpson, einer der führenden und bekanntesten Populisten aus Kansas, der angesichts der Frage, ob die Regierung Eisenbahnen in öffentlichen Besitz überführen dürfe, bemerkt: »The government is the people« (zit.n. Clanton 1991: 51).
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als eine Zäsur. Nun ließe sich natürlich einwenden, dass es sich hier lediglich um Rhetorik handele und mitnichten klar sei, wie jene Parole konkret zu verstehen ist. Zudem würde die Forderung nach umfänglicherer Regierungstätigkeit direkt relativiert (»as rapidly and as far as the good sense«). Mir scheint dies jedoch bereits angesichts des expliziten Verweises auf den »postal service« eine nicht gangbare Argumentation zur Aufrechterhaltung des vermeintlich libertären und staatsfeindlichen Weltbildes der Populisten zu sein, denn tatsächlich war das Postwesen von Anbeginn derjenige Bereich, den die sonst dem liberty-power-Paradigma verpflichteten Gründerväter nicht der gesellschaftlichen Selbstregulierung überlassen wollten (vgl. Natelson 2018: 9; Hochgeschwender 2016: 379).172 Eine Ausweitung der Regierungskompetenzen gemäß jenem Modell zu propagieren, bedeutete demzufolge nichts anderes als die Forderung nach einer Beschränkung des nicht regulierten Verkehrs privater Akteure durch den Staat (vgl. Pollack 1990: 124). Tatsächlich forderten die Populisten die staatliche Übernahme von solchen Wirtschaftsbereichen, in denen es zu natürlichen Monopolbildungen kommen würde. Im Anschluss an John Stuart Mill heißt es im AllianceIndependent vom 8. März 1893: »John Stuart Mill lays down the true principle when he says that when any branch of human industry tends naturally to become a monopoly the government (the whole people) must assume its ownership and control.« (Zit.n. Pollack 1987: 187) Dies ist insofern ein gewichtiger Unterschied zum politischen Denken sowohl Jeffersons als auch der Jacksonians, dass es nicht länger darum gehen konnte, artifizielle Monopolbildungen zu verhindern, sondern vielmehr darum, mit natürlichen Monopolbildungen umzugehen. Die Populisten plädierten vor diesem Hintergrund für eine Beeinflussung der Geldmenge durch die öffentliche Hand, was einer Abkehr vom naturalistischen Goldstandard entsprach; sie forderten die Verstaatlichung der nationalen Transport- und Kommunikationswege; und sie optierten schließlich für eine öffentliche Regulierung der 172
Freilich gab es auch hier erhebliche Meinungsverschiedenheiten darüber, wie groß die Regierungskompetenzen mit Blick auf die Errichtung und Regulierung des öffentlichen Postwesens tatsächlich sein sollten. Wenig überraschend vertrat Jefferson hier eine äußerst restriktive Position. Seiner Ansicht nach bezog sich das Recht »post roads« zu errichten (»establishing«) lediglich darauf, dass die Regierung bestimmen konnte, welche Verkehrswege »post roads« werden sollten, nicht jedoch darauf, diese dann auch zu errichten, also im Bereich »internal improvements« tätig zu werden (vgl. Harrison 1987: 339). Wie Robert G. Natelson bemerkt (2018: 84f.), stand Jefferson mit dieser Haltung jedoch weitgehend alleine da.
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Landvergabe. Als Nebenprodukte dieses Programms traten sie zudem für die aktive Regulierung des Arbeitsmarktes über die Beschränkung der Vertragsfreiheit sowie öffentliche Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ein, wobei hierfür die öffentlichen Einnahmen über die Einführung einer progressiven Einkommenssteuer erhöht werden sollten. Mit Blick auf natürliche Monopole, diente den Populisten das USamerikanische Postwesen als historische Referenz für die Möglichkeit staatlichen Besitzes von Schlüsselindustrien zur Förderung des Gemeinwohls (Lloyd 1894: 534). Der Grund für die geforderte Übernahme weiterer natürlicher Monopole – allen voran jene der Eisenbahnen und der Telekommunikation – war aus Sicht der Populisten simpel: Aufgrund der Tatsache, dass sie von der ganzen Bevölkerung gebraucht und genutzt wurden (Weaver 1892a: 409f.), war ihre Privatisierung nicht anderes als eine Unterminierung der Volkssouveränität, da fortan in Fragen, die die gesamte Bevölkerung des Landes betreffen würden, jene keine Entscheidungsgewalt mehr hätten. »[M]onarchy is bad because it is arbitrary power, whether it be political or industrial« (Lloyd 1894: 498). Natürliche Monopole konnten angesichts des Prinzips der Volkssouveränität nur in den Staatsbesitz übergehen oder aber von diesem engmaschig reguliert werden. Im Falle der Eisenbahnen war es angesichts zu hoher Zugangsvoraussetzungen unmöglich, nicht-monopolistische Strukturen zu kreieren, und zwar völlig unabhängig von der staatlichen Schaffung von Monopolen über die Vergabe von Charta-Verträgen an die jeweiligen Unternehmen; »the very nature of railroad transportation«, so einer der populistischen Lecturer in den ehemaligen Unionsstaaten, »is monopolistic.« (Ashby 1890: 34; Hervorh., T.M.)173 Aufgrund der notwendigen Anfangsinvestitionen und der hohen Unterhaltungskosten war klar, dass am Ende nur ein Anbieter pro Strecke würde übrigbleiben können, dessen Marktmacht in der Folge zu willkürlichem Verhalten führen würde (vgl. Lloyd 1894: 498). Weil die Produzenten gar nicht anders könnten, als die Dienste der Transportunternehmen zu nutzen, wären die zu entrichtenden Gebühren mit einer öffentlichen Steuer gleichzusetzen, freilich mit dem entscheidenden Unterschied, dass die Steuern von einer demokratisch legitimierten Instanz erhoben wurden, was von den privatwirtschaftlich
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Vgl. auch The Progressive Farmer vom 4. März 1890, S. 4. Hier heißt es: »The cry for competition between railroads is a delusion calculated to deceive and injure the farmer. […] [T]here is no such thing as railway competition.«
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operierenden Unternehmen gerade nicht gesagt werden konnte (Ashby 1890: 35; vgl. Pollack 1962: 54).174 Die populistische Kritik am so genannten Landmonopol orientierte sich anders als diejenige am Transport- und diejenige am Geldmonopol tatsächlich an den Argumentationsgängen, die uns bereits von Jefferson und den Jacksonians bekannt sind und konzentrierten sich demgemäß auf die unheilvolle Rolle, die die Regierung diesbezüglich aus Sicht der Populisten einnahm. Kurz gesagt lautete der Vorwurf, dass die Regierung die öffentlichen Ländereien an private Akteure – insbesondere die Eisenbahnunternehmen – vergebe und somit ein Landmonopol schaffe, das im Moment einer abgeschlossenen Besiedlung aller noch freien Flächen im öffentlichen Besitz eine enorme Machtfülle erhalten würde, weil Land zur Besiedlung immer nachgefragt würde, um die materiellen Voraussetzungen gesellschaftlicher Reproduktion sicherzustellen (Morgan 1891: 648-682).175 Statt die Ländereien zu günstigen Konditionen an einfache Bürger abzutreten, würden sie ohne Not in die Hände privatwirtschaftlicher Investoren gegeben, die naheliegenderweise versuchen würden, hieraus maximalen Profit zu schlagen und somit ebenfalls eine Art Steuer
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Hierauf bezieht sich auch William Peffer (1893: 665), wenn er anmerkt, »that all moneys raised by taxes should go into the public treasury«. Vgl. Palmer (1980: 79). Palmer begreift jene Gleichsetzung von Steuern und Transportgebühren jedoch als rhetorischen Fehlgriff der Populisten, da hiermit einer vollständigen Regulierung aller möglichen Güter und Dienstleistungen argumentativ Tür und Tor geöffnet würde, was sich nicht mit der populistischen Vision decken würde. Letzterem stimme ich unumwunden zu, meine aber, dass Ersteres nicht zutrifft und den Populisten hier einmal mehr vorschnell eine theoretische Inkosistenz attestiert wird. Tatsächlich war der auf der Hand liegende Unterschied zwischen Transportgebühren und Lebensmitteln – das von Palmer gewählte Beispiel – dass Letztere zwar von allen gebraucht, aber eben auch von vielen angeboten werden konnten, was für die Transportdienstleistung gerade nicht galt. Es handelte sich hierbei keineswegs um Verschwörungstheorien, sondern um eine recht treffende Beschreibung der unternehmerischen Praxis. Tatsächlich konfrontierten die kapitalstarken Unternehmer die Regierung mit folgender Überlegung. Wenn die Regierung wolle, dass die Eisenbahnnetze transkontinental ausgeweitet würden, so müssten den Unternehmern Sicherheiten gegeben werden, da sie das risikoreiche Unterfangen andernfalls nicht angehen würden. Diese Sicherheiten sollten die Unternehmen dann in Form von Bundesanleihen und Land erhalten. »[T]he companies would receive ten square miles […] of land for each mile of road construct.« (Brands 2010: 49) Dass jene Ländereien bei erfolgreicher Fertigstellung der Trassen massiv an Wert gewannen, liegt auf der Hand.
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erheben würden, ohne dass diese der Allgemeinheit zugeführt werden konnte.176 Es gab hinsichtlich der Landfrage jedoch noch einen zweiten Kritikstrang, der direkt auf die gleich zu erörternde Geldfrage verwies. Das Problem lag aus Sicht der Populisten nämlich nicht nur in der Privatisierung vormals öffentlicher, noch unbestellter Ländereien, sondern gleichermaßen im Verlust solcher Flächen, die vormals im Bürgerbesitz waren und mit der Zeit in Unternehmensbesitz übergingen; und bedingt wurde jene Übertragung durch die Kommodifizierung von Landbesitz.177 Nur weil Land zum handelbaren Gut geworden war, konnte es in Firmenbesitz übergehen; und dass Land handelbar wurde, hing aus Sicht der Populisten wesentlich mit der zirkulierenden Geldmenge zusammen. Ihr Argument lässt sich wie folgt zusammenfassen: Fällt die sich im Umlauf befindende Geldmenge, fallen bei gleichbleibender Produktion die Preise; fallen die Preise, steigt die Kaufkraft derjenigen, die im Besitz des knapp gewordenen Gutes ›Geld‹ sind. Um ihrerseits an Geld zu gelangen – eine Notwendigkeit des täglichen Wirtschaftslebens –, kann der Produzent entweder Waren entäußern oder aber einen Kredit aufnehmen. Da die allgemeine Kaufkraft ob der deflationären Tendenz fällt, müssen immer mehr Produzenten nolens volens letzteren Weg beschreiten. Als Sicherheit für den aufgenommenen Kredit fungierte hierbei häufig der jeweilige Landbesitz. Verstetigt sich nach Aufnahme des Kredits die Deflation wird der Kreditnehmer auf Dauer nicht dazu in der Lage sein, seine Schuld zu begleichen, wodurch seine hinterlegte Sicherheit in die Hände des Kreditgebers, in aller Regel in jene hierauf spezialisierter Hypothekenbanken, übergeht (Morgan 1891: 345-353). Die Lösung der Landfrage hing demnach wesentlich mit der Übernahme der Transportindustrien durch den Staat einerseits und der Lösung der Geldfrage andererseits zusammen. Mit Blick auf Erstere wäre die Notwendigkeit großzügiger Übertragungen öffentlicher Ländereien in Richtung Eisenbahnunternehmen entfallen. Und hinsichtlich des zweiten Aspekts hätte ein den Bedürfnissen der produzierenden Bevölkerung angemessenes Geld- und Finanzsystem verhindert, dass diese ihr Hab und Gut verpfänden mussten und in der Folge Gefahr liefen in dauerhafter Abhängigkeit zu den privaten Kreditgebern zu geraten. Dementsprechend »[t]he inadequacy
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The Advocate vom 17. Januar 1894, S. 7. Für eine allgemeinere Kritik an den sich ereignenden Kommodifizierungsprozessen vgl. Lloyd (1894: 507f.).
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of agricultural credit inspired efforts by Populists, Grangers, and other agrarian activists to reform the financial system.« (Ritter 1999: 156) Vor diesem Hintergrund können die finanzpolitischen Forderungen als prima inter pares begriffen werden. Sie lassen sich unter dem Schlagwort Demokratisierung subsumieren, wobei hiermit vor allem der Anspruch einer Denaturalisierung der Geldpolitik gemeint ist (vgl. ebd.: 187). Entgegen den Befürwortern des Goldstandards, die die Geldmenge nicht an Bedürfnislagen sondern an die zu einem bestimmten Zeitpunkt existierende Goldmenge koppeln wollten, plädierten die Populisten für eine Flexibilisierung des sich im Umlauf befindenden Geldes (vgl. Postel 2016b: 8). Der entscheidende Grund für die Forderung nach einer flexiblen Geldmengenerweiterung lag in der einfachen Tatsache, dass die US-amerikanische Wirtschaft eine Dynamik entwickelt hatte, der die vorhandene Hartgeldmenge nicht mehr zu entsprechen vermochte. »The farmer in 1891 needs perhaps three times the amount of money annually that his father required twenty-five years ago, when there was a much larger amount of money in circulation per capita than now.«178 Sowohl durch die technologischen Entwicklungen im landwirtschaftlichen Sektor, die stetige Investitionen notwendig machten, als auch durch die wachsende Bevölkerung und die gestiegene Anzahl wirtschaftlicher Transaktionen auf dem Weg eines Produkts vom Produzenten zum Käufer, bedurfte es zu Beginn der 1890er Jahre einer größeren Geldmenge als in der Zeit vor dem US-amerikanischen Bürgerkrieg. Nugent fasst dies folgendermaßen zusammen: »The farmer gathers crude seed cotton as the product of his year’s toil. This natural substance his labor has drawn from the soil, this he has secured; but how useless would be his acquisition if it should remain in the state in which he puts it in his cotton pen! We are too apt to regard the farmer as the only producer. He only starts the work of production in one line. The ginner puts his cotton in the form of a bale and thus adds value to it. The ginner is a producer, too. The railroad company transports that bale to the factory and thus adds value to it. It is worth more in the form of a bale than in the farmer’s cotton pen; more in the manufacturer’s warehouse than in the ginner’s yard. The railroad company is a producer, as is also that
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The Advocate vom 15. Juli 1891, S. 2.
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manufacturer who converts that bale of cotton into woven cloth, for he has added immense value to it.« (Nugent o.J.: 172; vgl. Palmer 1980: 105)179 Jene Überlegungen sind in mehreren Hinsichten erhellend und ich werde auf sie zurückkommen. Für den Moment wichtig ist die Tatsache, dass Gold den auf die skizzierte Weise – also durch die schiere Mehrzahl wirtschaftlicher Transaktionen – gestiegenen Bedarf an Zahlungsmitteln aus Sicht der Populisten aufgrund dessen nicht decken konnte, dass es, wie bereits die Jacksonians bemerkten, selbst eine handelbare Ware mit hohem intrinsischen Wert war (vgl. Bryant 1836). Aus Sicht der Jacksonians machte gerade dieser Umstand Gold zum natürlichen Zahlungsmittel; aus Sicht der Populisten verfehlte Gold aus den gleichen Gründen die Funktion, die einem Zahlungsmittel zukommen sollte, denn sobald ein Zahlungsmittel kommodifiziert war, wirkte es eben nicht mehr nur als (neutrales) Zahlungsmittel, sondern als handelbares Gut, das ökonomisch bedingten Schwankungen unterlag. »Because it was specie and subject to variations of availability«, so Gretchen Ritter (1999: 180) zusammenfassend, »gold was unstable. Because it was gold, the most soughtafter precious metal in the world, it was likely to fall short of demand, leading to contraction and depression.«180 Hiermit positionierten sich die Populisten gegenüber dem politökonomischen und geldtheoretischen Mainstream ihrer Zeit, der sich für die Beibehaltung des Goldstandards aussprach und dies mit eben den Argumenten, die bereits die Jacksonians angleitet hatten – wenn auch ohne den sozialdarwinistischen Tonfall. Jede Abweichung vom Goldstandard, Ähnlich auch Charles Macune, der den folgend dazulegenden Subtreasury-Plan ersann und von Weaver (1892a: 425f.) mit folgenden Worten zitiert wird: »The manufacturer, the merchant, the miner, the banker, professional men, artisans, and laborers, all alike complete a productive effort in their various vocations every day. That is to say, each of these has an even and practically uniform use for money throughout the year. […] Agriculture steps in during the last four months in the year with about five billion dollars’ worth […] of products, which she offers for (and must have) money. What a demand upon the one billion dollars in circulation! In addition to doing the business of the country, as it has been doing for eight months, it must now take care of a business equal to five times its volume.« 180 Gerade die natürlichen Angebots-Nachfrage-Mechanismen, deren positive selbstregulativen Effekte auf die US-amerikanische Wirtschaft Gould noch betont hatte, wurden von den Populisten kritisiert. Um nämlich die Geldmenge unter dem Goldstandard wieder erhöhen zu können, war es nötig, »to force the prices of our products below the European und even below the Asian level« (zit.n. Ritter 1999: 184). Dies konnte selbstredend nicht im Interesse der verschuldeten Bevölkerungsteile sein, zu denen die Farmer gehörten.
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so David Wells, der mit Robinson Crusoe’s Money bereits 1876 eine satirische Abrechnung mit alternativen geldtheoretischen Konzeptionen vorgelegt hatte, »is a violation of the natural laws of supply and demand, and an attempt to provide for the survival of the unfittest.« (Zit.n. Boller, Jr. 1969: 79; vgl. Postel 2016b: 8) Im Anschluss an die geldtheoretischen Überlegungen Edward Kellogs hielten die Populisten jener naturalistischen Argumentation entgegen, dass Geld nichts anderes sei als »the creature of law« und somit politischen Entscheidungen über Art und Umfang zugänglich (Destler 1932: 340; vgl. Ritter 1999: 76; Goodwyn 1978: 10). Es war jener prinzipiell unterschiedliche Ausgangspunkt, der den Populisten eine Kritik an der Geldpolitik ihrer Zeit und Vorschläge zu deren Reform erlaubte. Wenn Geld nämlich lediglich ein politisch bestimmbares Tauschmedium war, das seinerseits nicht handelbar sein musste beziehungsweise sollte, dann war dessen Verknappung in Form einer Beibehaltung des Goldstandards nicht anderes als eine Umverteilung des Wohlstandes von den produzierenden Teilen der Bevölkerung zu jener Minderheit, die Kapital besaß. Diese Annahme fußte auf der Überlegung, dass in erster Linie der allgemeine Zinssatz über die Verteilung des produzierten Überschusses bestimmte; und wo die Geldmenge dem volkswirtschaftlichen Bedarf an Zahlungsmitteln nicht entsprach, musste der Zinssatz immer über dem wirtschaftlichen Wachstum liegen, was nichts anderes hieß, als dass Vermögen nur auf Seite der Kapitaleigner angehäuft werden konnte. Produzierten die Farmer in einem Jahr zwar die von ihnen im Voraus kalkulierte Menge an handelbaren Gütern, konnten diese aufgrund deflationärer Tendenzen jedoch zu einem geringeren Nominalwert entäußern, dann mussten die zu Beginn des Produktionsjahres ausgehandelten Zinsen die nominalen Produktionssteigerungen übertreffen;181 und selbst ohne die in Folge des Bürgerkrieges sich tatsächlich 181
In möglichst kurzer Form skizziert Goodwyn (1978: 12) den Prozess wie folgt: »Letting ten farmers symbolize the entire population, and ten dollars the entire money supply, and ten bushels of wheat the entire production of the economy, it is at once evident that a bushel of wheat would sell for one dollar. Should the population, production, and money supply increase to twenty over a period of, say, two generations, the farmers’ return would still be one dollar per bushel. But should population and production double to twenty while the money supply was held at ten – currency contraction – the price of wheat would drop to fifty cents. The farmers of the nation would get no more for twenty bushels of wheat than they had previously received for ten. Moreover, money being more scarce, interest rates would have risen considerably. A person who borrowed $1000 to buy a farm in 1868 would not only have to grow twice as much wheat
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ereignende Deflation waren die hohen Zinsniveaus aus Sicht des populistischen Senators William Peffer für eine Wohlstandsverteilung von unten nach oben verantwortlich, also von den Produzenten zu den Kapitaleignern: »It […] appears that the same rate of interest [six per cent.; T.M.] would have accumulated $150,000,000,000 more in one hundred years [1790 to 1890; T.M.] than the people of the United States, with all the acquisitions of new territory, were able to save out of their labor and its profits in the same time. We have been paying six to twelve per cent. annual interest – often much higher – when we have not saved out of our combined earnings as much as four per cent. This explains how the wealth of the country is being so rapidly transferred from the people who produced it to those who did not. It is passing through the interest channel.« (Peffer 1893: 674) Vor diesem Hintergrund forderten die Populisten, »[t]hat rates of interest for the use of money be reduced to the level of average net profits in productive industries.« (Ebd.: 666) Und jene Regulierung des allgemeinen Zinsniveaus setzte eine flexible Währung voraus, deren Menge je nach Bedarf ausgeweitet und minimiert werden konnte. Wie angesichts des gleich zu skizzierenden Subtreasury-Plans zu zeigen sein wird, war die simple geldpolitische Forderung der Populisten, dass die Geldmenge der gesamtwirtschaftlichen Produktionskraft entsprechen sollte. Gegenüber den Befürwortern des Goldstandards machte Peffer dementsprechend geltend: »There is no need of an exclusive specie basis for money. That doctrine is a legacy of the dark ages; it had its origins in barbarism. The proper basis for money is property – property that the people produce and of which they have a surplus to exchange for other commodities.« (Ebd.: 668; vgl Weaver 1892a: 427)182 Dieses Prinzip lag dem von den Populisten ausgearbeiteten Subtreasury-Plan zugrunde. Der Plan sah vor, dass die Bundesregierung im ganzen Land183 Verwahrstellen für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse der Farmer errichten sollte. Zur jährlichen Erntezeit sollten die Farmer ihre Erzeugnisse hier einlagern können, statt sie direkt auf dem freien Markt verkaufen zu müssen. Um den
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in 1888 to earn the same mortgage payment he made earlier, he would be repaying his loan in dollars that had twice as much purchasing power as the depreciated currency he had originally borrowed. Thus, while contraction was a blessing to banker-creditors, it placed a cruel and exploitive burden on the nation’s producer-debtors.« Vgl. Southern Mercury vom 11. Oktober 1894, S. 6. In jenen counties, die landwirtschaftliche Erzeugnisse im Wert von einer halben Million US-Dollar und mehr produzierten (vgl. Palmer 1980: 104).
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monetären Ausfall jener Einlagerung abzufangen, sollte der Staat den Farmern auf 80 % der eingelagerten Waren Kredite zu 1 % p.a. vergeben. Dies hätte es den Farmern erlaubt, ihre Lebenskosten zu decken, Anschaffungen für die anstehende Anbauzeit zu tätigen und der jährlichen Deflation um die Erntezeit vorgebeugt, unter der aus Sicht der Populisten die gesamte Produzentenschaft litt. Die Überlegung hierbei war, dass die Farmer aufgrund ihrer numerischen Stärke als Motor für die Gesamtwirtschaft wirken würden, denn es war klar, dass vom vorgeschlagenen Subtreasury-Plan nur die Produzenten landwirtschftlicher Erzeugnisse, die eingelagert und zu einem späteren Zeitpunkt veräußert werden könnten, direkt profitieren würden. »It is true […] that under the proposed plan of loaning money […] the wage earner could not borrow money, because he has no […] farm products to offer as security, but admitting this does not prove that the wage earner would not be benefitted by it. The farmers constitute the largest class of working men – in 1880 44 per cent. of those engaged in productive occupations, nearly double the number of any other class. The nature of the farmers’ occupation is such that they consume more than any other class of people […]. […] It is a well known fact that the average farmer habitually invests his surplus earnings in improvements on the farm. What does this mean – more employment for wage-earners in some wagon shop, or sawmill, machine shop or tannery. Employment for carpenters, masons, blacksmiths etc.«184
184 The Advocate vom 15. Juli 1891, S. 2. Ganz ähnlich auch Weaver (1892a: 428f.): »The plan is free from the objection that it is class legislation, as the money cannot be borrowed for purposes of speculation, but simply for temporary and current use. Being expended instead of hoarded for speculative and usurious purposes it will pass at once into the channels of trade giving employment to labor and furnishing a market for its products. The laboring man who does not borrow from the subtreasury will reap his full share of the benefits through the increased demands for his labor and still will be exempt from its burdens. The man who borrows must return the money with the slight expense attached, while the laborer will be secure in his increased wages and find constant employment unvexed by Treasury liens, interest or debt.« Jene Argumentation hielt sich aufgrund der numerischen Stärke der Landbevölkerung bis weit ins 20. Jahrhundert, wie Daniel T. Rodgers (1998: 320) mit Blick auf den US-amerikanischen Progressivismus bemerkt: »Not without cause did so many of the best and brightest young New Dealers flock to the Department of Agriculture in 1933, there to try to unlock the riddle of the farmers’ depression, confident that, with the countryside’s purchasing power restored, the forces of general economic recovery would spring back into motion.«
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Bruce Palmer (1980: 109f.) ist freilich trotzdem zuzustimmen, wenn er festhält, dass der Subtreasury-Plan letzten Endes lediglich die Autonomie der in der Landwirtschaft tätigen Produzenten erhöht hätte, die gemäß dem Vorschlag fortan ihr eigenes Kapital hätten produzieren können. Gleiches konnte für in anderen Sektoren produzierende Arbeitnehmer nicht gesagt werden, die weiterhin von den Machtasymmetrien auf dem ›freien‹ Arbeitsmarkt betroffen gewesen wären. Wenngleich ich der Palmers Einschätzung zugrundeliegenden These, der zufolge die Populisten in erster Linie eine Interessengruppe waren, nicht in Gänze widersprechen möchte, soll folgend gleichwohl darauf hingewiesen werden, dass ihnen die anders gelagerten Härten der kein Eigentum besitzenden Arbeitnehmer keineswegs entgingen, sondern sie sich diesen ebenfalls in nennenswertem Umfang zuwendeten (vgl. Sanders 1999: 340). Die Grundlage jenes weiteren Fokus war die Auffasung, der zufolge der Staat eine aktive Rolle bei der Förderung des Gemeinwohls zu spielen und hierzu notwendigerweise vor allem die sozial Schwachen zu schützen hatte. »What are men sent to congress and the White House for but to make laws to protect the weak, the poor, and the preyed upon?«, wie es im in Lincoln, Nebraska ansässigen Wealth Maker heißt (zit.n. Pollack 1962: 52; Hervorh., T.M.). Allen Bürgerinnen und Bürgern war die Möglichkeit zu eröffnen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Hierbei war der von den Populisten imaginierte »equality of opportunity«-Ansatz jedoch deutlich gehaltvoller als zu jener Zeit dominierende Überlegungen, denen zufolge einem jeden Bürger und einer jeden Bürgerin qua Geburt die gleichen Möglichkeiten offen stünden und Erfolg und Misserfolg folglich auf individuelle Fähigkeiten zurückzuführen seien. In einer beispielhaften Auseinandersetzung zwischen dem republikanischen Senator John J. Ingalls und Percy Daniels, einem der Gründungsmitglieder der People’s Party in Kansas wird dies offensichtlich. Ingalls führt aus, dass er zu jener Sorte Politiker zähle, die der Meinung seien, dass »government should interfere as little as possible in the affairs of its citizens«, da »the best results are attained when the people are left to settle the great questions of society by individual effort«, woraus folge, dass »[a]ll that legislation can do is to give men equal chance in the race of life. We cannot make poor men rich, or rich men poor, except by making the natural capacities of all men exactly alike.« Dieser Position hält Daniels entgegen: »I cannot see that the distribution of wealth is very closely allied to our individual capacities. There are men in Kansas […] barely making a living
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raising grain, who are as able und unscrupulous as any of the Wall Street financiers, or the men who divided a quarter of a billion in the various Pacific Railroad deals. Opportunity is the larger factor in most of these transactions – lack of integrity taking second place, and capacity third.« (Zit.n. Clanton 1991: 29)185 Es sind derartige Überlegungen, die Interpreten wie Norman Pollack zurecht dazu bewogen haben, die Populisten nicht länger im sozialistischen Lager zu verorten.186 Vielmehr, so Pollack, seien diese durchaus Anhänger marktwirtschaftlicher Prinzipien gewesen; sie glaubten jedoch nicht, dass sich diese selbstständig, also ohne politische Rahmengebungen reproduzieren würden. »They were particularly skeptical about the ability of a structure of automatic self-regulation either to impede the transformation from competition to monopolism or even to provide an adequate basis, given the emphasis on egoistic conduct, for systemic social beneficence.« (Pollack 1990: 131) Es bedurfte demnach, wie vorangehend dargelegt, des aktiven Staates, der den Wettbewerb durch Übernahme beziehungsweise engmaschige Regulierung solcher Wirtschaftsbereiche zu bewahren helfen sollte, die ohne dies eben jenen Wettbewerb verhindert hätten.187 In Teilen war der »immense burden« (ebd.: 142), den die Populisten dem Staat hiermit auferlegt hatten, jedoch deutlich größer als Pollacks Interpretation dies annimmt. Dem Staat kamen im politökonomischen Denken der Populisten nämlich nicht nur regulatorische Funktionen zu, sondern auch redistributive (vgl. Clanton 1977: 581). So trat Daniels zeitlebens für jene progressive Einkommenssteuer ein, die auch in der Omaha Platform gefordert wird, weil er der Ansicht war, 185
Vgl. auch Southern Mercury vom 18. Juni 1891, S. 15: »Many a man of rare mental gifts and education has remained at the bottom because he refused to rise by the means found in the system of capitalism.« 186 Pollack hatte in seinem 1962 erschienen The Populist Response to Industrial America unverhohlen hiermit geliebäugelt, dann aber bereits in einer Besprechung von O. Gene Clantons Kansas Populism. Ideas and Men (1969) erste Zweifel an seiner ursprünglichen Interpretation anklingen lassen (Pollack 1970: 91). 187 Prinzipiell war hiermit selbstredend trotzdem die Büchse der Pandorra geöffnet, denn angesichts der weiter oben skizzierten Sensibilität für die wettbewerbsaufhebenden Effekte des Wettbewerbs, war die Regulierung immer weiterer Wirtschaftsbereiche aus populistischer Perspektive zumindest denkbar (vgl. Postel 2016b: 3-5). Dass dies die normative Vision der Populisten war, kann jedoch auf Basis der hier ausgewerteten Quellen nicht gesagt werden.
3. Das politische Denken der Populisten
dass die USA zwar ökonomisch prosperierten, die Zugewinne jedoch zu ungleich auf die unterschiedlichen sozioökonomischen Gruppen verteilt waren. Tatsächlich profitierten laut Daniels nur die oberen fünf Prozent der Bevölkerung vom Wirtschaftswachstum. Um der hiermit einhergehenden Wohlstandsspreizung entgegenzuwirken, sei die progressive Einkommenssteuer das geeignetste Mittel. Das Eintreten der Populisten für eine progressive Einkommenssteuer bedarf aufgrund dessen einer Erläuterung, da es auf den ersten Blick einer anderen Forderung der Omaha Platform zu widersprechen scheint, in der es heißt: »We believe that the money of the country should be kept as much as possible in the hands of the people, and hence we demand that all state and national revenues shall be limited to the necessary expenses of the government economically and honestly administered.« (Omaha Platform 1892: 64) Dies liegt ohne Frage auf Linie der Verfechter des schlanken Staates, der das Leben seiner Bürger möglichst wenig tangieren sollte und diese Position wurde klassischerweise von den Jeffersonian Republicans und später von der Demokratischen Partei vertreten (vgl. Gerring 1994). Den Populisten ging es jedoch weniger um eine allgemeine Reduzierung der Steuerlast als vielmehr um ihre Umverteilung.188 Bis dato basierte das Steuersystem der USA ausschließlich auf indirekten Steuern. Entweder zahlten die Bürger Importsteuern auf alle möglichen Güter, vom Kaffee bis zu Haushaltsgeräten; oder sie entrichteten Verbrauchssteuern, beispielsweise auf Alkohol und Tabak. Jene indirekte Besteuerung wurde zwar bereits von den Jacksonians und namentlich William Leggett kritisiert, Leggett bemängelte, wie oben dargelegt, jedoch vor allem die hiermit einhergehende Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes und die Instransparenz des Systems. Demgegenüber plädierte er für das, was wir heute als »flat tax« bezeichnen würden, also ein möglichst einfaches System, dass alle Bürgerinnen und Bürger mit einem identischen Steuersatz direkt besteuert. Genau hiervon distanzierten sich die Populisten mit Nachdruck. »In order to check the appaling concentration of wealth«, so heißt es beispielsweise im Advocate, »which threatens to subvert our free institutions, as well as to place the burden of taxation upon those best able to bear it, we demand a
188 Ziel war »[a] heavy reduction of the tariff on the necessaries of life and the revenne [sic!] supplemented by a graduated income tax.« Southern Mercury vom 18. Juni 1891, S. 4.
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discriminate inheritance tax and a progressive income tax.«189 Und in einem weiteren Artikel: »Again, would it not be better if our government were supported by direct taxation? If the purpose of government is to ›protect property‹, as apostles of conservatism allege, why should not each and every person pay in proportion to the benefits (protection) he gets, and not according to the amount of food that he eats, or the clothing that he wears out? If it is answered that citizens should pay in proportion to the benefits derived from the government, why is not an income tax constitutional, and why not a tax on income derived from certain bonds and from rents? […] [I]f the government has not the power under the constitution to tax any and all kind of property, we would better tear up the old document […] and formulate one that will guarantee to every citizen all of the rights enjoyed by every other citizen, and at the same time compel every citizen to bear his just proportion of the expense of government and only what is just.«190 Und im Progressive Farmer wird eine Rede von Thomas E. Watson wiedergegeben, in der dieser fordert, dass »[t]he accumulation of wealth should be discouraged by putting upon it what is called a graduated income tax«.191 Die progressive Einkommenssteuer war demnach aus Sicht der Populisten ein diskriminierendes und ein redistributives Instrument, das auf die Stärkung jener sozioökonomischen Schicht zielte, die auch für die Jacksonians und Jefferson von herausragender Bedeutung war, die Letztere aber durch genau jene diskriminierenden und redistributiven Maßnahmen gefährdet sahen, die die Populisten nun zu ihrer Rettung in Anschlag brachten. Über die Umverteilung hinaus sollte das so generierte Staatsbudget in der Folge sowohl zur Förderung öffentlicher Notwendigkeiten als auch – und ebenfalls in faktischer Abkehr vom equal rights-Prinzip im Jackson’schen Sinne
189 The Advocate vom 8. Juli 1896, S. 8. Ganz ähnlich heißt es auch im The Chicksaw Messenger vom 6. Oktober 1887, S. 8: »There is no tax more just than a graded or progressive tax on incomes. It takes from those only who have something on which and with which to pay. The people with large incomes require commensurate protection from the law and from society. They should pay accordingly.« Es ist jedoch offensichtlich, dass hier der diskriminierende Aspekt zentral ist, nicht jedoch der redistributive. Vgl. auch The Advocate vom 29. Januar 1896, S. 3. 190 The Advocate vom 8. Mai 1895, S. 7. Hervoh., T.M. 191 The Progressive Farmer vom 5. Juni 1894, S. 1. Vgl. The Black Hills Union vom 22. August 1890, S. 3.
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– zum Schutz besonders vulnerabler Gesellschaftsteile genutzt werden. Mit dem equal rights-Prinzip brachen die Populisten aufgrund der Annahme, dass das Verhältnis spezifischer Gruppen zum Staat sich in Abhängigkeit ihrer sozioökonmischen Stellung wandele: »I say now«, so Lorenzo Lewelling, »it is the duty of government to protect the weak because the strong are able to protect themselves.« (Lewelling 1894: 6)192 Und Frank Doster193 hält im gleichen Tenor fässt: »All government and all necessity for government grows out of the fact of inequalities and that government which does not provide for the leveling and equalizing of the conditions which grow out of the unrestricted exercise of the natural powers of its citizens has failed in the purpose of its creation.« (Zit.n. Ellis 1993: 54) Es war also aus Sicht der Populisten, »the obligation of democratic government […] to extend its fostering care to the weak and to protect them from the strong«, wie Destler treffend zusammenfasst (Destler 1944: 359).194 Eines der diesbezüglich in Anschlag gebrachten Mittel war die öffentliche Schaffung von Arbeitsplätzen.195 So sollten die über die progressive Einkommenssteuer generierten öffentlichen Mittel neben der Versorgung von Kriegsveteranen vor allem dafür genutzt werden, über öffentliche Infrastrukturprojekte Arbeitsplätze für »all idle American labor« zu schaffen (zit.n. Clanton 1991: 30). Hinter jener Forderung stand die Überzeugung, dass dem Einzelnen schwerlich die Schuld am Verlust der eigenen Arbeit gegeben werden konnte, da auf struktureller Ebene Prozesse abliefen, die Gewinner und Verlierer produzierten, weshalb es Aufgabe des Staates sei, die schuldlos Abgestiegenen zu kompensieren. »It is cruel, it is inhuman, to attribute these conditions to laziness, drunkenness and incompetency. They are the natural product of a false and vicious 192 193
Vgl. The Progressive Farmer vom 11. Dezember 1894, S. 2. Doster wirkte als bekennender Populist von 1897 bis 1903 als Oberster Richter am Supreme Court von Kansas. Zusammen mit Stephen Allen bildete Doster dort zeitweise eine populistische Mehrheit. 194 Genau in diesem Sinne lässt sich dann auch davon sprechen, dass es sich beim populistischen Programm um ein Vorhaben handelte, dem zumindest »class implications« zugeschrieben werden müssen (Pollack 1990: 125). 195 Schimmer (1997) weißt, wie oben angerissen, richtigerweise darauf hin, dass der Eigenwert, den die Populisten der Arbeit zusprachen, dazu führte, dass sie schlechterdings nicht für eine monetäre Ersatzleistung im Falle des Arbeitsverlustes eintreten konnten. Die naheliegende Alternative war die Forderung nach neuer Arbeit bei Verlust der alten.
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system by which the few grow rich beyond all human need and the many are doomed to eternal poverty and want. One of the causes of this ›modern condition‹ is the monopoly of machinery and other means of production and distribution by which the few are benefited and the many are deprived of fair opportunities in life.«196 Die Prämisse, der zufolge ein jeder, der arbeiten wolle, auch Arbeit finde, hatte aus Sicht der Populisten im ausgehenden 19. Jahrhundert und der rasant voranschreitenden Industrialisierung ihre Gültigkeit verloren. »In this country, the monopoly of labor-saving machinery and its devotion to selfish instead of social use, have rendered more and more human beings superfluous, until we have a standing army of the unemployed numbering even in the most prosperous times not less than one million able-bodied men.«197 Hiermit wendeten sich die Populisten nachdrücklich gegen jene im Gilded Age dominierenden Apologeten des laissez faire-Grundsatzes, die mit Blick auf die grassierende Armut »complained of the amount of money spent by mechanics and day laborers on tea, coffee, tobacco, beer, and whiskey, as well as on dress and ornament for their wives.« Die Anhänger jener Lehre »thought that the only solution for unemployment was self-restraint, thrift, and frugality on the part of the individual worker.« (Boller 1969: 81) Jene Verkürzung gesellschaftlicher Problemlagen auf individuelle Ursachen findet im politischen Denken der Populisten keinen Widerhall. 196 The Advocate vom 11. April 1894, S. 4. 197 Daily Capital vom 5. Dezember 1893, in: Pollack (1967: 331). Bemerkenswert ist diese Ursachenanalyse auch vor dem Hintergrund einer vermeintlich typischen Xenophobie auf Seiten der Populisten. Tatsächlich machten führende populistische Medien und Repräsentanten vor allem den technologischen Fortschritt und dessen private Aneignung für die um sich greifende Arbeitslosigkeit als sehr viel entscheidender aus als eine verschärfte Arbeitsmarktkonkurrenz durch immigrierte Arbeitskräfte. So beispielsweise The Advocate vom 9. Mai 1894, S. 4, Morgan (1891: 751) und Lewelling (1893: 166). Bei Morgan wird aber eben auch auf Letzteres hingewiesen (Morgan 1891: 25; vgl. Clanton 1984: 156). Im Advocate wird den Republikanern darüber hinaus vorgeworfen, das ›Problem‹ der Immigration europäischer Arbeiter lediglich für die Durchsetzung des Zollprogramms zu instrumentalisieren, einen Antagonismus zwischen europäischen und US-amerikanischen Arbeitskräften also herbeizureden, der faktisch überhaupt nicht existiere. The Advocate vom 18. April 1894, S. 4. Und schließlich: »Do you ever hear of the pauper capitalists of Europe? Not much?. [sic!] Workingmen of all lands are all slaves alike form the same causes everywhere. They’re all victims of the same infernal social system.« The Advocate vom 28. Februar 1894, S. 3. Vgl. hierzu auch Postel (2016a: 121) und Pollack (1962: 49).
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Die volkswirtschaftlichen Folgen der steigenden Arbeitslosigkeit – und genereller der wachsenden Kluft zwischen Armen und Reichen – waren aus Sicht der Populisten ebenso verheerend wie der Verlust individuellen Selbstwertes. Da jeder Arbeitslose gleichzeitig aufhöre Konsument zu sein, sei eine gesamtwirtschaftliche Rezession bei hoher Arbeitslosigkeit die logische Folge: »This is the way it works: The man who is compelled to be idle cannot purchase either the products of the farm or of the manufacturer. The market for these failing, not from diminished demand, but from diminished ability to buy, there is a surplus remaining in the hands of farmers and of manufacturers. This failure of the market necessitates diminished production. This throws more men out of employment who are at once changed from producers and consumers to non-producers and non-consumers.«198 Jenes Marktversagen (»failure of the market«) erforderte eine volkswirtschaftliche Neuausrichtung, zu der nicht weniger zählte als die teilweise Vergemeinschaftung der Produktionsmittel. Gemäß der zustimmend wiederabgedruckten Überlegung Oscar Wildes, der gemäß »every one would benefit by it, [if] the machinery [were] the property of all«,199 forderten die Populisten neben der staatlichen Übernahme der Transport- und Kommunikationswege, auch die staatliche Regulierung technologischer Innovationen mit dem Ziel die massiven Stellenkürzungen im produzierenden Gewerbe aufzuhalten. »What is the remedy [for the problem of labor saving machinery; T.M.]? Ours is public control of these means of production and a sufficient reduction of the hours of labor to afford every willing hand an opportunity to work, thereby giving the benefits of improved methods to labor rather than permit capital to absorb vast profits and turn labor out to starve.«200 Es fällt angesichts des bis hierhin Dargelegten schwer, die Populisten als Anhänger einer Welt von gestern zu porträtieren, die zur »simple market economy« Jefferson’scher Provenienz zurückkehren wollten (Palmer 1980: 111). Wäre dies das Ziel gewesen, dann wäre es durch so ziemlich jede wirtschaftspolitische Forderung, die von Seiten der Populisten erhoben wurde, konterkariert worden. Weder hätte es nationaler Transportwege in öffentlicher Hand bedurft, um den Farmer über seine Gemeinde hinaus zu günstigen Konditionen mit dem nationalen und internationalen Markt zu verbinden; noch
198 The Advocate vom 9. Mai 1894, S. 4. 199 The Progressive Farmer vom 26. Mai 1891, S. 3. 200 The Advocate vom 14. November 1894, S. 5.
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hätte es eine Ausweitung der Geldmenge gebraucht, die der steigenden Zahl wirtschaftlicher Transaktionen gerecht werden konnte, die mit dem überregionalen Bezugsrahmen der landwirtschaftlichen Produktion einherging. Es hätte keiner öffentlichen Arbeitsprogramme bedurft, um die steigende Zahl der nicht in der Landwirtschaft Beschäftigten aus der individuell und gesamtwirtschaftlich verheerenden Arbeitslosigkeit herauszuholen. Und es hätte keiner Überlegungen bedurft, wie das eigene Reformprogramm an die Bedürfnisse nicht-agrarischer Produzentengruppen angeschmiegt werden konnte. Kurz, die kleinräumig angelegte, auf einer weitestgehend homogenen Produzentenschicht basierende Agrarrepublik Jefferson’scher Provenienz war, wenn überhaupt, nur noch eine vereinzelt gebrauchte rhetorische Figur, die sich im Reformprogramm der Populisten schlicht nicht wiederfindet (vgl. Hunt 1992: 53f.). Viel eher charakteristisch ist Henry D. Lloyds (1894: 519) Überlegung: »Our world is not the simple thing theirs [older civilizations; T.M.] was, of little groups sufficient to themselves, if need be. New York would begin to die tomorrow if it were not for Illionois and Dakota. We cannot afford a revulsion in the hearts by whose union locomotives run, mills grund, factories make.« Und später im Text heißt es: »Time carries us so easily we do not realize how fast we move. This social debate has gone far beyond the question whether change there must be. What shall the change be? is the subject all the world is discussing.« (Ebd.: 527f.; Hervorh., T.M.) Man geht jedoch gleichfalls fehl in der Annahme, dass das populistische Programm sich einseitig auf die bis hierhin dargelegten staatlichen Regulierungen und Interventionen in die Wirtschaft kaprizierte. Das »cooperative commonwealth« war »not disposed to state worship.« (Pollack 1990: 123) Vielmehr wurden die geforderten regulatorischen Maßnahmen von oben durch eine kooperative – und dergestalt anti-individualistische – Vision von unten ergänzt. Lawrence Goodwyn (1978: xi) hat Letzteres gar zum Kern der populistischen Idee erhoben, indem er den Populisten attestierte »a massive cooperative vision of a new way to live« entwickelt zu haben (vgl. Frank 2018). Wenngleich ich denke, dass jene Vision nur vor dem Hintergrund der im Vorangegangenen erörterten institutionellen Reformen formuliert wurde,201 macht Goodwyn auf einen wesentlichen Baustein des populistischen Ideengebäudes
201 Jenes Verhältnis wird unter anderen bei Lloyd (1894: 523) betont. Hier heißt es beispielsweise, dass »[t]he new self-interest will remain unenforced in business until we invent the forms by which the vast multitudes who have been gathered together in modern production can organize themselves into a people there as in government.«
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aufmerksam. Entscheidend für jene kooperative Vision scheint mir die weiter oben bereits angeklungene Einsicht in die gegenseitige Bedürftigkeit der in modernen Gesellschaften lebenden und produzierenden Individuen. Wenn Nugent kundtut, dass »[w]e [the People’s Party; T.M.] are too apt to regard the farmer as the only producer. He only starts the work of production in one line«, dann vollzieht er hiermit nicht nur eine Wende weg von der agrarrepublikanischen Vision Jeffersons; er macht zugleich auf die Angewiesenheit des Farmers als ›erstem Produzenten‹202 auf weitere Akteure aufmerksam, die alle ihren Teil zu einem gelingenden Produktionsprozess beitragen müssen. In die gleiche Richtung zielt Lloyds Rede von New York, dass »would begin to die if it were not for Illinois and the Dakotas.« Man wird jedoch angesichts der in den Reihen der Populisten gepriesenen technologischen Innovationen und den hiermit einhergehenden Investitionszwängen auf Seiten der Farmer nicht davon sprechen können, dass jene Abhängigkeit nur für alle anderen Bevölkerungsteile in Richtung der Landwirtschaft bestand. Letztere waren, wie oben dargelegt, ebenfalls unbedingt sowohl auf technologische Innovation und deren handwerkliche Umsetzung, als auch auf Transportwege und den Vertrieb ihrer Erzeugnisse angewiesen. Hätten sich in diesem Zusammenhang alle Beteiligten von einem von Lloyd (1894: 516) so genannten »new self-interest« leiten lassen, also nicht lediglich auf die Maximierung des eigenen Gewinnes geschaut (»old self-interest«), dann hätte dies wesentlich zur Verwirklichung des angestrebten »cooperative commonwealth« beigetragen. Indem auf diese Weise die Gemeinschaft über den Einzelnen gestellt wurde – die anvisierte Verstaatlichung beziehungsweise engmaschige Regulierung ehemals privater Transport- und Kommunikationswege ist hiervon nur der beredste Ausdruck – verschob sich das Idealbild des Produzenten von einem ehemals unabhängigen zu einem in ein Geflecht sozialer Beziehungen eingebetteten abhängigen. Hierbei sollten die sozialen Beziehungen freilich solche unter Gleichen sein, wobei jenes normative Ideal nicht in erster Linie durch eine Ungleichbehandlung durch öffentliche Stellen, sondern vielmehr durch eine Ungleichbehandlung durch die oligopolistischen Strukturen auf dem Markt bedroht wurde. Meines Erachtens war der primäre von den Populisten beschrittene Weg zur Unterminierung Letzterer die staatliche Regulierung. Diese sollte der Erhebung von quasi-Steuern durch private Akteure vor-
202 Bei Weaver (1892a: 396) heißt es diesbezüglich: »All civilized nations exist by cultivating the soil and by commerical pursuits that follow therefrom.«
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zubeugen helfen.203 In dieser Hinsicht lässt sich dann unter Umständen tatsächlich von der normativen Vision einer »simple market society« sprechen, da keiner der Akteure auf dem Markt mit einer Macht ausgestattet gewesen wäre, die ihm die souveräne Verfügung über Privilegien und auf diese Weise die Untergrabung der »Gesellschaft der Gleichen« (Rosanvallon) ermöglicht hätte. Gleichzeitig musste aber auf Seiten der Bevölkerung die Einsicht in die Tatsache wachsen, dass »[t]he music of the spheres is not to be played on one string«, dass es also bewusster Kooperation bedurfte und nicht lediglich individueller Handlungen, selbst wenn sich letztere in einer nicht-monopolistischen Umwelt ereignen würden: »The perfect self-interest of the perfect individual is an admirable conception, but it is still individual, and the world is social.« (Lloyd 1894: 496) Würde jeder Einzelne oder auch jede einzelne Gruppe nach dem weiter oben skizzierten »mind your own business«-Prinzip verfahren, dann hätte dies aus populistischer Perspektive keiner demokratischen, sondern einer anarchischen Ordnung entsprochen. »It is one of the paradoxes of public opinion that the people of America, least tolerant of this theory of anarchy in political government, lead in practising it in industry.« (Ebd.) Was den Populisten demgegenüber vorschwebte, scheint mir interessanterweise in der Nähe der eingangs erörterten politischen Vision zu liegen. Denn ebenso wenig wie dort die einfache Mehrheitsherrschaft als Ausdruck einer demokratischen Gesellschaft angesehen wurde, geht die politökonomische Vision hier in einer individualistischen equal rights-Doktrin auf. Selbst wenn, so muss Lloyd an dieser Stelle gelesen werden, das ideale »Model of Competitive Capitalism« (Pollack 1990: 139) verwirklicht wäre, es also keine oligopolistischen oder gar monopolistischen Strukturen mehr gegeben hätte,
203 Betrachtet man beispielsweise den weiter oben skizzierten Subtreasury-Plan, dann schloss das staatliche Engangement im Kreditwesen den privaten Wettbewerb ja nicht aus; Ersteres sorgte lediglich dafür, dass die privaten Anbieter keine Möglichkeit der Profitgenerierung jenseits einer angemessenen Höhe mehr hatten, da die Farmer Kredite vermutlich nicht freiwillig zu einem sechs- bis zehnfach höheren Zinssatz aufgenommen hätten als von staatlicher Seite angeboten. Vor diesem Hintergrund ist auch folgende Überlegung aus der in Nebraska erschienen Alliance-Independent zu lesen: »Rent, profits, interest, destroy the harmony of the commerical world. They are the sole cause of panics and periods of business depression. They are monopoly tribute paid to veritable kings, taxation without representation; and they furnish present monopolists an ever increasing power« (Alliance-Independent vom 11. Januar 1894, in: Pollack 1967: 38. Hervorh., T.M.). Vgl. auch Weaver (1892a: 397).
3. Das politische Denken der Populisten
wäre dies noch nicht gleichbedeutend mit einer wahrhaft demokratisch organisierten Wirtschaft gewesen. Hierzu hätte es eines bewussten Ausgleichs der gegenseitig aufeinander verwiesenen Interessengruppen bedurft, wobei zu Letzteren, wie weiter oben gezeigt, auch die Kapitaleigner gehört hätten. So bemerkt Thomas E. Watson beispielhaft: »Don’t understand me to be making war upon capital as such. I am but denouncing that capital which is used tyrannically. I recognize the fact that without capital there can be no progress. If labor consumed its products day by day, and there was no surplus collected anywhere, advance would be an impossibility.« (Zit.n. Pollack 1987: 194) Einen natürlichen Ausgleich der partikularen Interessen gemäß dem individualistischen laissez faire-Prinzip konnte es aus Sicht der Populisten nicht geben. Verfolgte jede Gruppe lediglich ihr Interesse, so ging dies immer zulasten anderer Akteure und somit des Gemeinwohls. Ebenso wie es im politischen Raum einer proportionalen Repräsentation der Partikularinteressen bedurfte, um tatsächlich für die gesamte Bevölkerung regieren zu können, so brauchte es innerhalb der wirtschaftlichen Sphäre eine Berücksichtigung aller Partikularinteressen, um erstere im Sinne des Gemeinwohls ausgestalten zu können.204
204 Dies war, wie Pollack (1990: 140) bemerkt, freilich nicht mit der Forderung nach einer gelenkten Wirtschaft zu verwechseln: »[L]aissez-faire automatism and its converse, a totally coordinated business polity, were equally to be avoided.« Hierauf zielt auch Elizabeth Sanders (1999: 387) ab, wenn sie schreibt, dass »there is one sense in which the ›antistatist‹ assumption is undoubtedly correct. If ›statist‹ is defined to imply a commitment to bureaucratic power, to a discretionary administrative state, then our farmer and worker protagonists were antistatist.« Eine vollständig gelenkte Wirtschaft assoziierten die Populisten mit sozialistischem Denken, von dem sie sich diesbezüglich abgrenzten. Vgl. The Advocate vom 17. Januar 1894, S. 7.
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Fazit
Der Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit war die Frage nach den ideengeschichtlichen Wurzeln des politischen Denkens der US-amerikanischen Populisten im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts. Angesichts der in der diesbezüglichen Literatur durchgehend postulierten Traditionszusammenhänge zwischen Thomas Jefferson, den Jacksonians und den Populisten sollte überprüft werden, ob sich das politische Denken jener Akteure beziehungsweise Akteursgruppen über einen Zeitraum von immerhin mehr als 100 Jahren tatsächlich derart ähnlich geblieben ist, dass sinnvollerweise von einer solchen Traditionslinie gesprochen werden kann. Insofern sich das US-amerikanische Nachdenken über Politik als politisches Denken von der abstrakteren Politischen Theorie kontinentaleuropäischer Provenienz signifikant unterscheidet, durfte eine solche Kontinuität in Zweifel gezogen werden; vor dem Hintergrund weitgreifender sozioökonomischer und politischer Transformationsprozesse, die die USA von den 1770er Jahren bis ins ausgehende 19. Jahrhundert durchlaufen haben, war davon auszugehen, dass sich auch das politische Denken nicht gleich geblieben ist. Diese Annahme sehe ich angesichts der Ausführungen in den vorangegangenen drei Kapiteln im Wesentlichen bestätigt. Im Folgenden sollen die Differenzen zwischen den drei Akteuren beziehungsweise Akteursgruppen in kondensierter Form dargelegt werden. Zu diesem Zweck werde ich anhand ausgewählter Vergleichskriterien – Staatsverständnis, gesellschaftspolitische Vision, politischer Prozess beziehungsweise politische Akteure sowie schließlich gesellschaftliches Integrationsprinzip – zentrale Überlegungen Jeffersons, der Jacksonians und der Populisten einander gegenüberstellen. (1) Zuvorderst auffällig ist sicherlich das auch in der Literatur mitunter erwähnte sich von Thomas Jefferson und den Jacksonians einerseits zu den Populisten andererseits wandelnde Staatsverständnis. In seinem berühmten 10.
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Artikel der Federalist Papers bemerkt James Madison bezüglich der Aufgaben moderner Staaten, dass »[a] landed interest, a manufacturing interest, a mercantile interest, with many lesser interests, grow up of necessity in civilized nations, and divide them into different classes, actuated by different sentiments and views. The regulation of these various interfering interests forms the principal task of modern legislation and involves the spirit of party and faction in the necessary and ordinary operations of government.« (Hamilton/Madison/Jay 1787/88: 50) So eng Madison und Jefferson über einen Zeitraum mehrerer Dekaden kooperierten und im geistigen Austausch standen, wird man schwerlich sagen können, dass sich Ersterer jenes Diktum jemals zu eigen gemacht hätte. Jefferson blieb Zeit seines Lebens Agrarier, wenngleich sein politisches Denken, wie im ersten Kapitel dargelegt, nicht im Agrarismus wurzelt, sondern im universalen menschlichen moral sense, dessen Entwicklung und Erhaltung eine agrarisch geprägte Lebensweise jedoch am ehesten zupasskommt. Jener moral sense ist in Jeffersons »Vorstellungswelt« so zentral, weil er die nach 1776 virulent gewordene Frage nach den Möglichkeiten dauerhafter kollektiver Freiheit zu beantworten hilft. Der gewissermaßen natürliche menschliche Hang zur Gerechtigkeit lässt Jefferson eine Gesellschaft imaginieren, die auch ohne den Einsatz kontinentaleuropäischer Zwangsmittel zusammengehalten werden kann. Dementsprechend optierte Jefferson für ein »simple and frugal government«, deren Einfachheit sich in erster Linie in weitgehender Zurückhaltung manifestieren sollte. Ganz im Sinne der Dichotomie zwischen der Freiheit des Volkes auf der einen und der Macht der Regierung auf der anderen Seite ging Jefferson davon aus, dass jede »energetic government« zwangsläufig »oppressive« wirken würde. Damit die Freiheit jedoch ohne den Zwang der Macht aufrechterhalten werden konnte, bedurfte es kohäsiver Wirkkräfte auf Seiten der Bürgerschaft – und jene erblickte Jefferson vor allem in der natürlichen Moralität des Einzelnen. Wenngleich Jeffersons Denken seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert zur Legitimierung der beinahe ganzen Bandbreite programmatischer Entwürfe herhalten musste und somit zu einer Art »legal tender« innerhalb des US-amerikanischen politischen Denkens geworden ist (Bassani 2010: 5), kann seine Haltung bezüglich staatlicher Kompetenzen nicht zur Disposition stehen. Dass Jefferson selbst mit dem Louisiana Purchase 1803 die verfassungsrechtlichen Grenzen der Exekutivgewalt aus Sicht vieler Zeitgenossen
Fazit
sprengte, kann kaum als Argument gegen sein Eintreten für eine möglichst eingeschränkte Regierungstätigkeit herhalten. Zum einen sah sich Jefferson 1803 nämlich aufgrund eines zeitlich engen Möglichkeitsfensters genötigt, den Kauf des Louisiana-Territoriums von Frankreich ohne vorhergehende Zustimmung von Seiten der Legislative abzuwickeln, wollte seine Handlung jedoch im Nachhinein unbedingt über einen Verfassungszusatz sanktionieren lassen (vgl. Sheldon 1991: 97); zum anderen diente der Ankauf des Gebietes in erster Linie der Ermöglichung einer normativen Vision, in welcher die USA nicht auf eine intervenierende und koordinierende Regierung angewiesen sein würden, weil die unterschiedlichen Interessengruppen, die Madison im 10. Artikel der Federalist Papers noch als natürlich bezeichnet hatte, in dieser Form gar nicht entstanden wären. Gerade weil die Vereinigten Staaten gemäß Jeffersons Vorstellung über Dekaden hinaus hätten agrarisch bleiben können, war die Notwendigkeit eines »energetic government« nicht gegeben. Was Jeffersons »natural aristoi« in den Regierungsämtern zu tun hatten, erforderte politischen Weitblick, der allerdings nicht in die sozioevolutionäre Ferne zu schweifen hatte, sondern einer gesamtgesellschaftlichen Entwicklung der jungen Republik in Richtung europäischer Verhältnisse vorbeugen sollte. Wenn Jefferson in diesem Zusammenhang forderte »to harmonize and promote the interests of agriculture, manufactures and commerce«, dann zielte dies als Appell an die »natural aristoi« in den Staatsämtern vor allem darauf, »manufactures« und »commerce« in den notwendigen Bahnen zu halten, also gerade nicht deren Aufwertung zu forcieren und die USA zur Handels- und Industrienation englischen Vorbilds zu machen, wie dies Alexander Hamilton vorgeschwebt hatte. Jene Skepsis gegenüber einer zu schnellen Transformation der agrarisch geprägten Republik und hiermit unmittelbar zusammenhängend die Ablehnung einer starken Zentralgewalt muss auch den Jacksonians attestiert werden. Zwar ist es meines Erachtens falsch, ihnen eine Ablehnung jedweder gesellschaftlichen Entwicklung zu unterstellen und sie dementsprechend unumwunden und ausschließlich als »Agrarians« (Ashworth 1983) zu porträtieren. Sie auf der anderen Seite als Vorreiter des Industriekapitalismus zu bezeichnen, ist jedoch noch weniger zutreffend. Was sich vielmehr beobachten lässt, ist eine weniger rigide gesellschaftspolitische Vision, die den ökonomischen Tranformationsprozessen im frühen 19. Jahrhundert insofern Rechnung trug, als sie abhängig Beschäftigten ebenso ihren Platz zuwies wie dem diese bedingenden Manufakturwesen, das für Jefferson noch als Teil der sich selbst versorgenden Farm imaginiert wurde. Vom Glauben an die segensrei-
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che Wirkung natürlicher Entwicklung beseelt, graute den Jacksonians allerdings vor einer artifiziellen Verzerrung Letzterer. Diese künstliche Beschleunigung gesellschaftlicher Evolution war aus Sicht der Jacksonians immer das Ergebnis aristokratischer Bestrebungen, die eigene Machtbasis mittels politischer Gefälligkeiten zu sichern, die Freiheiten des Volkes zu beschneiden und Letzteres dergestalt in permanenter Abhängigkeit zu halten. In diesem Sinne war es »under the word government that the subtle danger lurks.« Würde sich die Regierung jedoch auf den Schutz einiger weniger natürlicher Rechte beschränken, die in der Verfassung verbürgt waren, und dem equal rights-Grundsatz dementsprechend Folge leisten statt proaktiv den natürlichen Lauf der Dinge zu beeinflussen, so war kein Unheil zu erwarten. »Some form of popular government«, so Gerring (1994: 760; Hervorh., T.M.) zusammenfassend, »was necessary in order to preserve these rights, thereby countering the inherent corruption of political power, but the point of popular participation was as a preservative, not as a forum for public policymaking. There were, in point of fact, few decisions open to adjudication, since most matters could be reduced to simple judgments of principle.« Es lässt sich nicht bestreiten, dass die Rolle, die dem Staat im politischen Denken der Populisten zukam, sich hiervon wesentlich unterschied. Es kann sogar mit einigem Recht gesagt werden, dass »the governmental philosophies« der Jacksonians und Jeffersons »were antipodal« zu jener, der die Populisten anhingen (Hughes 1994: 16). Zum einen sollten der Regierung aus Sicht der Populisten deutlich mehr Aufgaben zufallen, zum anderen sollte sie distributiv und somit gestaltend wirken. Wenngleich das equal rights-Diktum auch im politischen Denken der Populisten seinen Platz hatte, so fungierte es meines Erachtens eher als rhetorisches Feigenblatt für eine neuartige Konzeption des Verhältnisses von Staat und Gesellschaft. Denn tatsächlich sind die Forderungen der Populisten nicht anders zu lesen, denn als Eintreten für ein Staatsverständnis, das diesem zum einen die Rolle eines Schutzherrn der Verwundbaren zuspricht. Es war aus Sicht der Populisten »the duty of government to protect the weak because the strong are able to protect themselves.« Zum anderen sollte der Staat als Agent der Gesellschaft deren Florieren aktiv fördern, indem er beispielsweise Infrastrukturen kreierte und verwaltete, Zinssätze regulierte oder Arbeit schaffte. Greift man die noch für Jefferson und die Jacksonians zentrale Unterscheidung zwischen Freiheit (des Volkes) und Macht (des Staates) auf, so muss konstatiert werden, dass sich aus populistischer Perspektive Erstere nur über einen demokratisch legitimierten Gebrauch Letzterer würde wahren lassen. Die Bedrohung der Freiheit erwuchs
Fazit
gewissermaßen einem rücksichtslosen Gebrauch eben dieser und die Tyrannei der Minderheit ging weder von einem neuen George III. oder Caesar im Weißen Haus noch von einer zum eigenen Nutzen agierenden Elite im Kapitol aus, sondern von den Wirtschaftsmogulen in den Großunternehmen des Gilded Age, die die Macht der Regierung, wo nötig, zu ihren Gunsten missbrauchte. (2) Jene veränderte Perspektive fußt meines Erachtens wesentlich auf der Anerkennung gesellschaftlicher Ausdifferenzierung und Komplexität, die weder den Jacksonians noch Jefferson in diesem Umfang bescheinigt werden kann. Den diskutierten Akteuren beziehungsweise Akteursgruppen lassen sich demnach unterschiedliche gesellschaftspolitische Visionen zuordnen. Auch wenn bereits Norman Pollack (1962: 3; Ders. 1967: xlif.) auf den in die Zukunft gerichteten Blick der Populisten aufmerksam gemacht hatte, so hat erst Charles Postel (2007) in jüngster Vergangenheit jene These breitenwirksam unterstrichen. Der auch in der vorliegenden Studie formulierte Befund, dem zufolge den Populisten mitnichten an der Rückkehr in das »America of Jefferson« gelegen war, ist insofern von Bedeutung, als schlechterdings nicht plausibel gemacht werden kann, dass die von den Populisten geforderte Regierungstätigkeit eine zeitlich eng beschränkte gewesen sei. Die gerade nicht in Frage gestellte Entwicklung der USA seit ihrer Gründung hatte das Land derart modernisiert, dass der Staat als Agentur der Gesellschaft dauerhaft regulierend würde wirken müssen. Der Lohnarbeiter war ebenso wenig ein vorübergehendes Phänomen wie eine dynamische Wirtschaft. Das Schienennetz konnte ebenso wenig wieder in private Hände überführt beziehungsweise rückabgewickelt werden wie die Geld- und Finanzpolitik dem Wirken der Marktkräfte überlassen werden konnte. Wenn den Populisten lediglich an einer Rückkehr ins 18. Jahrhundert gelegen gewesen wäre, dann ist nicht zu erklären, warum sie für eine staatliche Übernahme genau jener Transportwege stritten, die mitursächlich dafür waren, dass das »America of Jefferson« der Vergangenheit angehörte; es ist nicht zu erklären, warum die öffentliche Hand de facto die Zinssätze für Kredite an Farmer regulieren sollte, wo sich die Farmer für Jefferson und mit Abstrichen auch für die Jacksonians nur sehr bedingt kommerziell betätigen sollten; und es ist nicht zu erklären, warum der Versuch unternommen wurde, das eigene Reformprogramm mit den Bedürfnissen der wachsenden Lohnarbeiterschaft zu verknüpfen, die für Jefferson in Europa bleiben sollte, wenn die US-amerikanische Republik dauerhaft als das »empire for liberty« Bestand haben sollten, als das er sie imaginierte.
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Kurz: Die beispielhaft von Hughes (1994: 17) formulierte These, der zufolge die »opposite political responses«, die die Populisten und ihre vermeintlichen Vorläufer formulierten, lediglich als unterschiedliche policy-Präferenzen zu begreifen seien, die nicht über eine identische »weltansicht« (ebd.: 10) hinwegtäuschen sollten, verkennt, dass sich gerade diese »weltansicht« wesentlich verändert hatte. Natürlich waren die Populisten in höchstem Maße unzufrieden mit den zeitgenössischen Zuständen, kritisierten beispielsweise die Parteien ebenso scharfzüngig wie die zunehmenden sozioökonomischen Ungleichheiten. Beides sollte aber, um im Bilde zu bleiben, nicht mit einer Kritik an der Institution ›politische Partei‹, der Existenz eines nationalen Marktes mitsamt den ihm eigenen unterschiedlichen Produzentengruppen oder der Kommerzialisierung der Landwirtschaft verwechselt werden. Was aus Sicht der Populisten Not tat, war die Reformierung eines Landes, das seit seiner Gründung eine radikale Transformation durchlaufen hatte; diese Reformierung sollte jene Transformation aber nicht einfach rückgängig machen, sondern in gemeinwohlverträgliche Kanäle überführen. (3) Mit diesem Befund einher gehen wesentliche Denkunterschiede hinsichtlich des politischen Prozesses und der für diesen zentralen Akteure. Im Übergang von Jefferson zu den Jacksonians auffällig ist ohne Zweifel die Aufwertung des common man im politischen Denken Letzterer. Ob der Tatsache, dass die Regierungstätigkeit aus Sicht der Jacksonians lediglich in der Aufrechterhaltung allgemein zugänglicher Prinzipien bestand, waren keine besonderen Fähigkeiten für die Ausübung politischer Ämter nötig. Im Gegenteil waren die oberen Gesellschaftsschichten – sei es mit Blick auf Wohlstand oder Bildung – in höherem Maße verdächtig, »to bend the acts of government to their selfish purposes« wie es in Jacksons Bank-Veto heißt. Die einfachen Bürger würden demgegenüber nichts von der Regierung erwarten als den Schutz ihres Lebens und Eigentums. Da die Existenz aristokratischer Kräfte von den Jacksonians jedoch als überzeitliches Phänomen begriffen wurde, also nie ausgeschlossen werden konnte, dass nicht die einfachen, von der Regierung nichts fordernden Bürger die öffentlichen Ämter bekleiden würden, fungierte der Präsident als letzte Instanz – ihm vorgelagert war die Democratic Party – zur Aufrechterhaltung des »simple and frugal government« Jefferson’scher Provenienz. Er sollte hierbei nicht proaktiv wirken, sondern dafür Sorge tragen, dass die legislative Tätigkeit nicht aus dem Ruder laufe und zu etwas anderem werde als »simple judgments of principle«. Dass Jackson in einer bis dahin nie dagewesenen Weise vom präsidentiellen Veto Gebrauch machte, verdeutlicht jenes Rollenverständnis. Ihm war daran gelegen, die Macht der elitären Cliquen
Fazit
im Kongress – und vor allem im Senat – im Zaum zu halten, die mit Hilfe politischer Gefälligkeiten ihre Macht zu festigen versuchten. Eine ähnliche Aufgabe kam im politischen Denken Jeffersons der Bürgerschaft als ganzer zu. Ebenso wie die Jacksonians zielte er auf eine möglichst engmaschige Kontrolle der Regierenden. Das Prinzip, das für beide das Verhältnis von Regierenden und Regierten kennzeichnen sollte, war Misstrauen. Für Jefferson zeichneten sich in diesem Zusammenhang die Bürger durch eine gewissermaßen natürliche Freiheitsliebe aus, die es ihnen gestattete, jede paternalistische Gefahr zu erkennen. Wie Daniel Boorstin dementsprechend bemerkt, fungierten sie als »bloodhounds against tyrants«. Um im Bild zu bleiben, wird dann aus den vielen Bluthunden im Denken Jeffersons bei den Jacksonians ein Bluthund, der die latenten Bedrohungen für die bürgerschaftliche Freiheit aufspüren und ihre Manifestation verhindern sollte. Der diese Rolle bekleidende Präsident stellte aus Sicht der Jacksonians aufgrund dessen seinerseits keine Gefahr für die Freiheiten seiner Bürger dar, da er einerseits lediglich negativ wirken sollte, also als Verteidiger der verfassungsrechtlich verbürgten Freiheiten gegen den Versuch ihrer Unterminierung durch die ›Wenigen‹, die sich, einmal an die Macht gekommen, ihre Pfründe durch die Vergabe rechtlicher Privilegien zu sichern gedachten; andererseits war der Präsident, wie Jackson betonte, als einziger politischer Akteur von der Gesamtheit der Bürgerschaft legitimiert worden – dass diese Gesamtheit lediglich eine einfache Mehrheit meinte, tat gemäß dem von den Jacksonians hochgehaltenen Majoritätsprinzips nichts zur Sache. Zumindest für Jefferson erschöpfte sich die Rolle der Bürger auf kommunaler Ebene freilich nicht in derjenigen des Bluthundes. Hier war stattdessen direkte Beteiligung gefordert, was wesentlich auf die in jenen ›Miniaturrepubliken‹ mögliche Selbstregierung zurückzuführen ist. In den wards konnte analog zu den von Jefferson diesbezüglich bewunderten Indianerstämmen ohne Regierungstätigkeit gelebt werden. Für alle jenseits dieser kommunalen Ebene auftretenden Probleme vertraute Jefferson dann jedoch auf die gemäß meritokratischen Prinzipien zu bestimmenden »natural aristoi«. Deren Aufgabe bestand dann in der selbstlosen und zurückhaltenden Führung des Flächenstaates. Diese sollte meines Erachtens jedoch, wie weiter oben bereits skizziert, nicht in der Art und Weise erfolgen, die dem Madison des 10. Artikels der Federalist Papers vorschwebte. Jefferson war nicht daran gelegen, dass die »natural aristoi« proaktiv die Entwicklung des Landes vorantreiben sollten, schließlich graute ihm vor dem Erreichen der gesellschaftlichen Entwicklungsstufe, auf der er England angekommen sah. Sie sollten vielmehr
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die Weichen so stellen, dass die USA möglichst dauerhaft eine weitgehend agrarische von pluralistischen Interessengruppen freie Nation würden bleiben können. Demgemäß unterscheiden sich die »natural aristoi« vor allem dadurch von den einfachen Bürgern, dass sie dazu in der Lage sind, von partikularen Interessen zu abstrahieren und demnach nicht Gefahr liefen, einem Aktivismus anheimzufallen, der einmal dies und das andere Mal jenes förderte, ohne am Ende irgendetwas besser gemacht zu haben. Eine dergestalt weitgehend harmonische und sich selbst überlassene Agrarrepublik stellt gemäß der hier vertretenen Lesart nicht mehr das Ideal der Populisten dar. Sie waren insofern im ausgehenden 19. Jahrhundert angekommen, als sie eine marktbezogene Produktion ebenso wenig ablehnten, wie die hierfür notwendigen Infrastrukturen und die mit der Market Revolution einhergegangene Pluralisierung der Bevölkerung. Was sie jedoch sahen, war die ungleiche Berücksichtigung der verschiedenen Interessen. »Landed«, »manufacturing« und »mercantile interest« wurden dementsprechend nicht mehr qua ihrer Existenz als etwas Problematisches empfunden, sondern lediglich ob ihrer ungleichen Durchsetzungsfähigkeit. Vor diesem Hintergrund sind die im engeren Sinne prozeduralen Reformvorschläge zu betrachten. Gerade weil eine Interessenpluralität als gegeben wahrgenommen wurde, optierten die Populisten für eine »proportional representation«, die sich sowohl vom einfachen Majoritätsprinzip als auch von der diesbezüglich elitistischen Konzeption Jeffersons unterschied. Weder waren wie auch immer geartete »natural aristoi« dazu in der Lage, ein freischwebendes Gemeinwohl zu erkennen und demgemäß zu handeln, noch konnte es mit der Wahl eines Mannes getan sein, der dann für sich reklamierte, das Volk in Gänze zu repräsentieren. Was vielmehr gefragt war, waren Mechanismen, die es den unterschiedlichen gesellschaftlichen Interessen gestatteten, sich in den politischen Entscheidungsfindungsprozess einzuspeisen. Gerade weil den Populisten an einer Ausweitung proaktiver Staatstätigkeit gelegen war, sie sich aber andererseits eine gewisse Skepsis gegenüber einer verselbstständigten Bürokratie beibehielten, war es notwendig, Vorschläge für die Überbrückung des noch für die Jacksonians und Jefferson konstitutiven Gegensatzes zwischen »government« und »people« zu formulieren. Hierauf zielten sowohl die Reformvorschläge hinsichtlich der internen Arbeitsweise des Kongresses, als auch die Überlegungen zur Änderung des Wahlrechts und schließlich – mit Abstrichen – die Forderungen nach einer Stärkung direktdemokratischer Instrumente. Gerade im Vergleich zu den Jacksonians wurde die Legislative somit im politischen Denken der Populisten wieder
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aufgewertet; und anders als für Jefferson konnte es nicht damit getan sein, dass der Kongress von »natural aristoi« bevölkert wurde. Vielmehr ging es den Populisten darum, dass sich die unterschiedlichen Interessen gemäß dem Ideal einer proportionalen Repräsentation direkt in den Hallen des Kapitols wiederfanden. Die propagierten direktdemokratischen Maßnahmen sollten demgemäß nicht als ein Vorschlag zur Ablösung der repräsentativen Demokratie missverstanden werden. Sie fungierten vielmehr als Ergänzung und sollten als »controlling check« wirken. Wenngleich jene Vorstellung derjenigen Jeffersons insgesamt wieder näher kommt, bleiben wesentliche Unterschiede: Zum einen war den Populisten, anders als Jefferson, daran gelegen, dass Gruppeninteressen offensiv in den politischen Prozess eingespeist werden sollten, also gerade nicht durch die tugendhaften »natural aristoi« aufgehoben wurden. Zum anderen resultierte hieraus die Befürwortung einer zumindest potentiell über die Wahl hinausgehenden politischen Involviertheit der Bürgerschaft auf nationaler Ebene. (4) Gleichwohl ging das populistische Reformprogramm nicht in der normativen Vision eines Gruppenpluralismus auf, dessen Wirken zu einer Ausbalancierung der gesellschaftlichen Kräfte führte, wenn ihm freier Lauf gelassen würde. Vielmehr zeigt sich an der populistischen Skepsis hinsichtlich der Wünschbarkeit einer »government by multitude«, dass eine einzig auf maximale Interessendurchsetzung zielende Politik, ginge sie nun von mächtigen Wirtschaftsinteressen oder von Jacob Coxey und seiner »Armee« der Arbeitslosen aus, das ausgemachte Problem ungleichmäßiger Interessenberücksichtigung lediglich verschieben, nicht aber lösen würde. Unter Umständen würde eine »government by multitude« zwar den aus populistischer Perspektive exklusiven Zugriff der Wirtschaftsinteressen auf das politische Entscheidungsfindungszentrum eindämmen; dies allerdings um den Preis, dass es bestimmten Interessengruppen schon aus geographischen Gründen leichter fallen dürfte, ihre Präferenzen wirkungsvoll geltend zu machen, wohingegen andere – und hier natürlich vor allem die ländliche Bevölkerung im Süden und Westen – nach wie vor ohne echte Einflussmöglichkeit bleiben würden. Diese Sorge lässt sich auf abstrakterer Ebene als Eintreten für ein kooperatives im Gegensatz zu einem rein kompetitiven gesellschaftlichen und politischen Integrationsprinzip bezeichnen. Auch diesbezüglich lässt sich das politische Denken der Populisten nicht umstandslos mit jenem Thomas Jeffersons und der Jacksonians identifizieren. Aus populistischer Perspektive waren unterschiedliche soziale Interessen ein nicht zu hintergehender Fakt. Hieraus ergab sich jedoch keine Auszeichnung des Wettbewerbsprinzips als ein-
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zig neutralem und somit dem equal rights-Grundsatz entsprechenden Integrationsmechanismus, und zwar weder in politischer noch in wirtschaftlicher Hinsicht. Vielmehr waren die Populisten der Meinung, dass die natürliche Interessenverfolgung der jeweiligen Gruppen in the long run keineswegs der gesamten Gesellschaft zupasskäme, sondern, im Gegenteil, weitreichende destruktive Effekte hätte. Die Doktrin »that the self-interest of the individual was a sufficient guide to the welfare of the individual and society«, so Henry D. Lloyd, »proves to have been nothing higher than a temporary formula for a passing problem.« Was im ausgehenden 19. Jahrhundert stattdessen gebraucht wurde, waren kooperative Anstrengungen der diversen Interessengruppen zur willentlichen Förderung des Gesamtwohls. Es galt demnach zweierlei sicherzustellen: Zum einen die Identifizierung der unterschiedlichen Interessen und die Gewährleistung ihrer Artikulation; zum anderen die Bereitschaft, Kompromisse einzugehen. Vor diesem Hintergrund lässt sich das Bildungsprogramm der Populisten interpretieren. Dieses zielte, neben der Vermittlung technischer Fertigkeiten, sowohl auf die Ermöglichung partikularer Interessenartikulation als auch auf die Wahrnehmung der Welt jenseits der eigenen Farm. Hiermit strebten die Populisten mehr an als die Jacksonians und postulierten weniger als Jefferson. Wo Letzterer einem tugendgesättigten Individualismus das Wort geredet hatte, der auch ohne überindividuelle Zwangsmaßnahmen zu gemeinwohlförderlichem Verhalten führte, propagierten die Jacksonians einen interessenbasierten Individualismus, der ohne die Sonderbehandlung bestimmter Personen und Gruppen qua natürlicher Angebots- und Nachfragemechanismen das Wohle der Gesamtheit befördert hätte. Die Populisten optierten demgegenüber für einen Interessenausgleich, der Partikularinteressen voraussetzte und berücksichtigte, diesen aber keineswegs freien Lauf ließ. Das Gemeinwohl formte sich gewissermaßen weder hinter dem Rücken der Bürger, noch ließ es sich von diesen ob eines natürlichen Gerechtigkeitssinns vorwegnehmen. Es bildete sich vielmehr in politischen Aushandlungsprozessen, deren Ergebnis ein Regierungshandeln im Sinne des Gemeinwohls sein sollte. Dessen Formulierung setzte beides voraus: eine gewisse Tugend im Sinne der Anerkennung der Interessen des Gegenübers als auch die konsistente Formulierung des eigenen partikularen Gruppeninteresses. War beides gegeben, so konnte über das staatlich vermittelte Einwirken auf sich selbst die Gesellschaft zu einem »cooperative commonwealth« umgestaltet werden. Eine ideengeschichtlich fundierte Rehabilitierung des Populismusbegriffs war weder das Anliegen dieser Studie noch scheinen mir die Erfolgsaussich-
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ten hierfür sonderlich groß zu sein (vgl. Jäger 2017). Gleichwohl möchte ich abschließend – zumindest in irritierender Absicht – auf den 20. Januar 2017 zurückkommen, denn nach der weitgehend erfolglosen Suche nach den ideengeschichtlichen Wurzeln des US-amerikanischen Populismus im ausgehenden 19. Jahrhundert stellt sich als naheliegende Anschlussfrage jene nach etwaigen Fortsetzungen dieser kurzweiligen Protestbewegung. Gemäß dem in dieser Arbeit beschrittenen Pfad muss auch diesbezüglich der Fokus auf politische Inhalte gerichtet werden. Es geht nicht darum, dass die Suche nach einer vermeintlichen populistischen Rhetorik kein legitimer Untersuchungsgegenstand ist;1 jener Fokus führt jedoch angesichts einer Vernachlässigung der Programmatiken beispielsweise für das Jahr 2016 zum Befund, dass wir nur haarscharf an einer rein populistischen Präsidentschaftswahl in den USA vorbeigeschrammt seien, die sich aus einer erfolgreichen Kandidatur Bernie Sanders’ ergeben hätte (vgl. Packer 2015). Offensichtlich ist eine Identifizierung von Bernie Sanders und Donald Trump jedoch nur dann möglich, wenn Populismus entweder als politische Rhetorik oder aber als eine Logik des Politischen verstanden wird.2 Eine Gleichsetzung der Inhalte des ›demokratischen Sozialisten‹ Sanders und des Immobilientycoons und ›Dealmakers‹ Trump werden selbst die kreativsten Kommentatoren nicht vornehmen wollen. Angesichts der zurückliegenden Erörterungen lässt sich mit Blick auf die von Sanders respektive Trump vertretenen Programmatiken lediglich Ersterer als Erbe des historischen Populismus klassifizieren. Hiermit ist freilich nicht gesagt, dass Sanders’ Programm nichts anderes als eine Omaha Platform 2.0 sei. Gerade angesichts des problembezogenen Charakters US-amerikanischen politischen Denkens ist es nicht überraschend, dass in Sanders’ Wahlkampagne Themenblöcke eine zentrale Rolle einnahmen, die von den Populisten allenfalls gestreift, wenn nicht vollständig ignoriert wurden, zuvorderst sicherlich Identitäts- und Klimapolitik. Dem gegenüber stehen Sanders’ Eintreten für eine progressive, redistributive Steuerpolitik, seine Forderung nach engmaschiger und wirkungsvoller Kontrolle des Bankensystems durch die öffentliche Hand – Sanders spricht von einem »twenty-firstcentury Glass-Steagall Act« – sowie seine Vorschläge zur Anhebung des Mindestlohns und der Schaffung von Arbeitsplätzen durch den Ausbau öffentlicher Infrastrukturen (Sanders 2017: 3). Anders als im Falle einer potentiellen
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Die klassische Studie hierzu ist sicherlich Kazin (1995). Für letztere Verwendungsweise vgl. Laclau (2005).
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Identifizierung von Sanders’ und Trumps Programmatiken bedarf es keinerlei Phantasie, um hierin einen Forderungskatalog zu erblicken, mit dem sich die historischen Populisten hätten identifizieren können. Auf der anderen Seite steht mit Donald Trump eine Figur, die recht viel vom dem repräsentiert, gegen das sich die Populisten im ausgehenden 19. Jahrhundert wendeten. Mit einer beträchtlichen Erbschaft ausgestattet (vgl. Thunert 2018: 497), vermehrte er sein Vermögen wesentlich durch großzügige Subventionen in Form von Steuererleichterungen (vgl. ebd.),3 predigt die segensreiche Wirkung eines Wettbewerbs, der auf natürliche Art die Gewinner von den Verlierern trenne,4 und vertritt eine Wirtschafts- und Steuerpolitik, die eben jene Gewinner noch einmal begünstigt – und rechtfertigt dies beiläufig mit der traditionellen Figur von den Leistungsträgern, deren Erfolg mittelfristig allen zugutekäme (vgl. Rappeport/Tankersley 2017). Vor allem aber erklärt Trump diesbezüglich vergleichsweise wenig. Vielmehr basierte sowohl seine Kampagne, als auch seine bisherige Amtszeit beinahe ausschließlich auf der Polemisierung gegen immer neue Sündenböcke. Im Wahlkampf waren dies bekanntlich vornehmlich lateinamerikanische Einwanderer; seit 2017 sind es wahlweise unzuverlässige Mitarbeiter aus den eigenen Reihen, von der Einreise abzuhaltende Menschen muslimischen Glaubens oder aber ausländische Regierungen und deren gegen die USA gerichtete Verschwörungen. In Anlehnung an das populistische Lamento bezüglich der irrationalen Parteienloyalität in der Nachfolge des Bürgerkrieges ließe sich Trumps Strategie als ›waving the bloody shirt‹ beziehungsweise das Schüren der Angst vor einer ›negroe domination‹ umschreiben. Die inhaltliche Auseinandersetzung wird gemieden und die Wut einer immer noch beträchtlichen Wähler- respektive Anhängerschaft in Bahnen kanalisiert, die auf Fragen nach der Sinnhaftigkeit einer strafrechtlichen Verfolgung ›crooked Hillarys‹ oder der Zubetonierung der südlichen Landesgrenze hinauslaufen.
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»Like his father«, so der Trump-Biograph Michael D’Antonio (2016), »Donald J. Trump seems to be a patriotic American, but like his father he’s also someone who never misses a chance to bend the rules.« Tatsächlich scheint die Einteilung der Welt in Gewinner und Verlierer einer der Grundpfeiler des Trump’schen Denkens zu sein. »Trump’s basic philosophy of living, instilled by his fiercely ambitious, workaholic father, enforced by the tough-as-nails coach at his military high school and honed over a lifetime of ruthless deal-making, is fairly simple and severe: Life is mainly combat; the law of the jungle rules; pretty much all that matters is winning or losing and rules are made to be broken« (D’Antonio 2016).
Fazit
Kehren wir also an den Anfang der vorliegenden Arbeit zurück: Haben wir am 20. Januar 2017 einen populistischen Moment erlebt? Gegenwärtig führende Populismusforscher und -forscherinnen würden dies vermutlich bejahen. Die einen, weil mit Trumps Rede vorläufige Gewissheit darüber eintrat, dass Anti-Pluralismus und Alleinvertretungsanspruch auch nach Amtsübernahme nicht aus der Trump’schen Rhetorik weichen würden. Die anderen, weil Trumps Sieg ein Aufbrechen hegemonialer Strukturen bedeute, die die USA und Westeuropa seit rund drei Dekaden geprägt hatten; und jenes Aufbrechen hegemonialer Strukturen sei kennzeichnend für »populist moment[s]« (Mouffe 2018a: 10). Wie zu Beginn der vorliegenden Arbeit dargelegt, begrüßen letztere Interpreten und Interpretinnen diesen Aufbruch; sie begrüßen freilich nicht Trump, Trumps Wahl verstärkt jedoch den Glauben an die Möglichkeit, ›die Dinge wieder einmal zum Tanzen bringen zu können‹. Insofern man dieses Anliegen teilt, stellt sich zwingend die Frage nach den angemessenen Mitteln zu seiner Realisierung. Aus Sicht Chantal Mouffes – einer der führenden Theoretikerinnen eines »Left Populism« – muss es angesichts der gegenwärtig zu beobachtenden Erfolge des Rechtspopulismus um die Konstruktion neuer und das heißt ›besserer‹ respektive ›angemessenerer‹ gesellschaftlicher A(nta)gonismen gehen, was letzten Endes in der Etablierung neuer hegemonialer (Denk-)Strukturen kulminieren würde. Beinahe genüsslich zitiert Mouffe Margaret Thatchers Ausspruch, dass Tony Blairs New Labour als größter Erfolg ihrer Amtszeit angesehen werden müsse. Schließlich, so Thatcher, zeige Blairs Programmatik, dass »[w]e forced our opponents to change their minds.« (Zit.n. Mouffe 2018a: 57) Auf derartige Verschiebungen, so Mouffe, sollte ein linker, progressiver Populismus fokussieren. Angesichts der ›Erfolge‹ des rechten Populismus in Bezug auf die Neujustierung des diskursiven Raums ist jene Zielvorgabe freilich verlockend. Allerdings bleibt ein fader Beigeschmack: Ist es wirklich wünschenswert, die Figur Trumps einfach durch eine genehme Führungspersönlichkeit zu ersetzen?5 Oder laufen wir hiermit nicht vielmehr Gefahr, die Politik inhaltlich vollständig zu entleeren und durch den symbolischen Kampf auf dem Feld des Politischen zu ersetzen? Führt dies nicht dazu, »das Schwergewicht des Politischen zu sehr auf das symbolische Terrain des imaginären Verhältnisses zu unseren realen Lebensbedingungen zu verschieben« (Hirsch 2007: 201)?
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Das Fehlen einer solchen in vermeintlich progressiven Protestbewegungen bemängelte Mouffe erst kürzlich wieder (2018b).
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Der historische Populismus kann an dieser Stelle als womöglich heilsame Irritation wirken. Statt sich nämlich – ganz in Trump’scher Manier – auf eine Symbolpolitik zu kaprizieren, die neue und ›bessere‹ soziale Konfliktlinien erzeugt, könnte er uns ein Beispiel an die Hand geben, wie über »ein starkes langsames Bohren von harten Brettern« (Weber 1919: 82) mittelfristig die Notwendigkeit heutiger populistischer (Symbol-)Politik unterminiert werden kann – schließlich wurde ein Gutteil des Reformprogramms der historischen Populisten im Laufe der ersten vier Dekaden des 20. Jahrhunderts umgesetzt. Statt das Spiel der heutigen (Rechts-)Populisten mitzuspielen, wäre den Befürwortern eines so gearteten Populismus an einer Reformierung des politischen Entscheidungsfindungsprozesses sowie der institutionellen Einhegung sozioökonomischer Schieflagen gelegen. Zu denken wäre bezüglich des politischen Prozesses beispielsweise an eine Reform der Parteien- und Wahlkampffinanzierung, an Änderungen des Wahlsystems, an eine Öffnung der (partei)politischen Apparate über alternative Beteiligungsformen und schließlich an politische Bildungsprogramme, die die Bürger und Bürgerinnen dazu in die Lage versetzen, ihre Interessen zu erkennen und wirksam zu vertreten; und auf der anderen Seite wäre in sozioökonomischer Hinsicht beispielsweise an eine Reform der Geldpolitik und eine Trennung zwischen Geschäfts- und Investmentbanken zu denken, die der seit mehreren Dekaden um sich greifenden Finanzialisierung des Wirtschaftssystems Einhalt gebieten könnte. Auch ließe sich über eine umfassende nationale und supranationale Steuerreform streiten oder aber über eine etwaige Wiederbelebung keynesianischer Wirtschaftspolitiken.6 Wie auch immer solche Diskussionen und experimentelle Verfahren ausgehen würden, sicher scheint zu sein, dass sie eine Orientierung der Bürgerinnen und Bürger sowie der Politikerinnen und Politiker an Sachfragen erfordern, statt sich einer Verschiebung von der Sach- in die Symboldimension hinzugeben, die bislang vor allem von der Rechten erfolgreich vorangetrieben wurde. Letzteres bedeutet nämlich, einem Politikverständnis anheimzufallen, das Richtungs- und Überzeugungswechsel als »more a sort of conversion than a process of rational persuasion« begreift (Mouffe 2000: 102). Dass dieser ›Glaubenskampf‹ am Ende zu gewinnen sein wird, halte ich für mehr als fraglich.
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Für derartige Reformvorschläge des politischen Prozess – allerdings mit einem starken Fokus auf die spezifisch US-amerikanische Gemengelage – vgl. Madrick (2016) und Schmitt (2016). Für die sozioökonomische Dimension vgl. beispielsweise Konczal (2016) und Pettifor (2018).
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